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Die Ökonomie des Digitalen Kinos

Analyse möglicher Geschäftsmodelle zur Implementierung digitaler Kinosysteme in Deutschland

©2005 Diplomarbeit 189 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Diese Arbeit setzt sich mit der Ökonomie des digitalen Kinos in Deutschland auseinander. Den Anlass zu dieser Themenwahl liefert die weltweit zögerliche Einführung des digitalen Kinos. In den Jahren 2002 und 2003 wurden viele umfangreiche Studien1 zum Potential und den Auswirkungen des digitalen Kinos auf die Filmwirtschaft veröffentlicht.
Zeitgleich kündigten die großen Hollywood-Studios den Beginn eines „digitalen Rollouts“ ab 2004, spätestens 2005 an. Im Herbst 2005 ist sowohl international wie auch national noch keine brancheninterne Einigung zum digitalen Roll-out in Sicht.
Das renommierte Britische Marktforschungsinstitut Screen Digest betitelte eine seiner zahlreichen Studien zum digitales Kino „Working towards digital cinema: Year 4 – Limbo not launch“. Der Titel zeigt nüchtern das ganze Dilemma der Situation auf. Es herrscht Stagnation innerhalb der Branche, statt Dynamik und Pioniergeist.
Seit Definition der technischen Standards durch die Digital Cinema Initiative (DCI) im Juli dieses Jahres, verhindert lediglich die ungeklärte Finanzierungsfrage eine flächendeckende Implementierung der digitalen Kinotechnik.
Die Branchenvertreter fordern gegenseitig die Vorgabe eines schlüssigen Geschäftsmodells zur Lösung der Finanzierungsproblematik. Eine öffentliche Diskussion von möglichen Varianten findet seitens der Marktteilnehmer nicht statt. Die Hauptakteure der Digitalisierung, Verleiher und Kinobetreiber, äußern sich nicht konkret zu ihren Vorstellungen von einem Geschäftsmodell hinsichtlich der Finanzierungsbeteiligung und des möglichen Umsetzungsszenarios. Lediglich von Technikanbietern und Werbewirtschaft gibt es konkrete Vorschläge zur Durchführung der digitalen Umrüstung, die jedoch bisher nicht die breite Akzeptanz der Kinobetreiber und Verleiherverbände gefunden haben.
Zudem behandeln fast alle wichtigen Branchentreffen seit über drei Jahren das digitale Kino als eines ihrer Schwerpunktthemen. Dazu gehören u.a. die Internationale Konferenz für Film- und Fernsehproduktion Babelsberg 2002, die Medienwoche Berlin-Brandenburg 2003 und ein Expertenseminar der MBA zur Berlinale 2004. Eine MBA-Veranstaltung am 1. September 2005 kündigte sogar schon Praxishilfe für den digitalen Kinoanwender an. Es wird viel veranstaltet und diskutiert. Aber ohne konkrete Entscheidungen der direkten Anwender des digitalen Kinos wird in absehbarer Zeit, wie in den Jahren zuvor, nichts passieren. Dies zeigt wie wichtig es ist ein […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 9418
Reber, Ursula: Die Ökonomie des Digitalen Kinos - Analyse möglicher Geschäftsmodelle
zur Implementierung digitaler Kinosysteme in Deutschland
Druck Diplomica GmbH, Hamburg, 2006
Zugl.: Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" Potsdam-Babelsberg,
Diplomarbeit, 2005
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http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany


©
Ursula Reber / Berlin
Danksagung
Diese Diplomarbeit konnte nur mit Unterstützung von Branchenkennern durch die
Überlassung wertvollen Insiderwissens entstehen. Besonders wichtig ist in diesem
Zusammenhang, dass mir Zeit für ausführliche Interviews und zur Erläuterung komplexer
Sachverhalte gewidmet wurde.
Mein Dank gilt, neben allen im Anhang genannten Personen, besonders :
Patrick von Sychowski,
Mike Christmann,
Dr. Thomas Geyer,
Christian Modersbach,
Burkhard Voiges,
Enno Dietrich,
Philippe Grandclaudon,
John Birchell Hughes
und
vor allem meinem Betreuer Dr. Matthias Welker. Er hat mir ermöglicht mit seiner
Anregung und konstruktiven Kritik mein Schaffensspektrum zu erweitern.
An dieser Stelle möchte ich mich auch noch einmal von Herzen bei meiner Familie, für die
vielfältige Unterstützung während der Entstehungsphase, bedanken.
Berlin, im Oktober 2005
Ursula Reber

©
Ursula Reber / Berlin
GLIEDERUNG
I.
Inhaltsverzeichnis
II.
Tabellenverzeichnis
III.
Anhangsverzeichnis
IV.
Abkürzungsverzeichnis
1.
Einleitung
1
1.1 Thema der Arbeit
1.2
Zielsetzung
1.3 Methodik und Aufbau der Arbeit
2.
Grundlagen: Digitales Kino in Deutschland
7
2.1
Definitionen
2.2
Technischer Stand
2.3
Ökonomischer Stand
2.4
Positionen der Marktteilnehmer
2.5
Politischer Stand
3.
Darstellung von Geschäftsmodellen
36
3.1
Geschäftsmodell 1: delicatessen / CinemaNet Europe
3.2
Geschäftsmodell 2: XDC S.A.
3.3
Geschäftsmodell 3: Kino-Werbewirtschaft
4.
Analyse der Geschäftsmodelle delicatessen und XDC
66
4.1
Kriterien der Analyse
4.2
Analyse und Thesenbildung
5.
Branchenumfrage
76
5.1
Zielpersonen
5.2
Fragenkatalog
5.3
Auswertung der Umfrage
6.
Synthese
86
6.1
Zusammenfassung der Ergebnisse
6.2
Darstellung des Synthesemodells
6.3
SWOT-Analyse des Synthesemodells
7.
Resümee
110
7.1
Fazit der Untersuchung
7.2
Persönliche Empfehlung
7.3
Ausblick auf mögliche Entwicklungen im Kinomarkt
V.
Anhang
VI.
Glossar
VII.
Quellenverzeichnis

©
Ursula Reber / Berlin
I.
INHALTSVERZEICHNIS
II.
TABELLENVERZEICHNIS
III.
ANHANGSVERZEICHNIS
IV.
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
1.
Einleitung
1
1.1
Thema der Arbeit
1
1.2
Zielsetzung
3
1.3
Methodik und Aufbau der Arbeit
5
2.
Grundlagen: Digitales Kino in Deutschland
7
2.1.
Definitionen
7
2.1.1 Geschäftsmodell
7
2.1.2 Abgrenzung: D-Cinema und E-Cinema
10
2.2.
Technischer Stand
12
2.3.
Ökonomischer Stand
19
2.4.
Positionen der Marktteilnehmer
25
2.5.
Politischer Stand
31
3.
Darstellung von Geschäftsmodellen
36
3.1.
Geschäftsmodell 1: delicatessen (CinemaNet Europe)
36
3.1.1. Projektdaten
36
3.1.2. Struktur
39
3.1.3. Finanzplanung
42
3.1.4. Technik
46
3.1.5. Projektergebnisse
47
3.2.
Geschäftsmodell 2: XDC S.A.
49
3.2.1. Projektdaten
49
3.2.2. Struktur
51
3.2.3. Finanzplanung
53
3.2.4. Technik
56
3.2.5. Projektergebnisse
58
3.3.
Geschäftsmodell 3: Kino-Werbewirtschaft
60
4.
Analyse der Geschäftsmodelle delicatessen und XDC
66
4.1.
Kriterien der Analyse
66
4.2.
Analyse und Thesenbildung
67

©
Ursula Reber / Berlin
5.
Branchenumfrage
76
5.1.
Zielpersonen
76
5.2.
Fragenkatalog
78
5.3.
Auswertung der Umfrage
80
6.
Synthese
86
6.1.
Zusammenfassung der Ergebnisse
86
6.2.
Darstellung des Synthesemodells
88
6.2.1. Projektdaten
88
6.2.2. Struktur
92
6.2.3. Finanzplanung
95
6.2.4. Technik
102
6.2.5. Besonderheiten
103
6.3.
SWOT-Analyse des Synthesemodells
104
6.3.1. Bedeutung der SWOT-Analyse
104
6.3.2. Stärken des Synthesemodells
105
6.3.3. Schwächen des Synthesemodells
106
6.3.4. Chancen des Synthesemodells
107
6.3.5. Risiken des Synthesemodells
108
6.3.6. Ergebnis der SWOT-Analyse
109
7.
Resümee
110
7.1.
Fazit
110
7.2. Empfehlung
113
7.3. Ausblick
115
V.
ANHANG
117
Anlage 1:
Zeitliche Entwicklung des digitalen Kinos
117
Anlage 2:
Studien zum digitalen Kino
121
Anlage 3:
Forschungs- und Studienprojekte zum digitalen Kino
123
Anlage 4:
Detaildaten der Geschäftsmodelle delicatessen und XDC
125
Anlage 5:
Antworten der Branchenumfrage
133
VI.
GLOSSAR
162
VII.
QUELLENNACHWEIS
165
VII.a) Literaturverzeichnis
165
VII.b) Personenliste
168
VII.c) Internetrecherche
170

©
Ursula Reber / Berlin
II. TABELLENVERZEICHNIS
Tab. 3.1.2-1: delicatessen - Anzahl der Kinos in Europa
39
Tab. 3.1.3-1: delicatessen - Nutzungsvereinbarungen für Kinobetreiber
43
Tab. 3.1.3-2: delicatessen - Mögliche Finanzierungshilfen
44
Tab. 3.1.4-1: delicatessen - Technische Daten der Projektoren
46
Tab. 3.1.4-2: delicatessen - Technische Daten des Servers
46
Tab. 3.2.2-1: XDC - Anzahl der XDC-Kinosysteme in Europa
51
Tab. 3.2.3-1: XDC - Finanzierungsplan für Kinobetrieb
54
Tab. 3.2.4-1: XDC - Technische Daten der Projektoren
56
Tab. 3.2.4-2: XDC - Technische Daten des Servers
57
Tab. 4.2.1:
Gegenüberstellung der Strategiekonzepte
67
Tab. 4.2.2: Gegenüberstellung der Nutzenverteilung
69
Tab. 4.2.3: Gegenüberstellung der Finanzierungskonzepte
70
Tab. 4.2.4: Gegenüberstellung der Produktkonzepte
71
Tab. 4.2.5: Gegenüberstellung der Zukunftssicherheit
73
Tab. 4.2.6: Gegenüberstellung der Wettbewerbswirkung
75
Tab. 6.2.3-1: Kapitalbedarf des Synthesemodells
96
Tab. 6.2.3-2: Berechnung der analogen Distributionskosten
99
Tab. 6.2.3-3: Berechnung der digitalen Distributionskosten
100
Tab. 6.2.3-4: Kostendifferenz zwischen analoger und digitaler Distribution
100
Tab. 6.2.3-5: Mittelflussplanung des Synthesemodells
101
Tab.6.3.5-1: Ableitungsschema der SWOT-Analyse
109

©
Ursula Reber / Berlin
III. ANHANGSVERZEICHNIS
Anlage 1:
zeitliche Entwicklung des digitalen Kinos
117
Anlage 2:
Studien zum digitalen Kino
121
Anlage 3:
Forschungs- und Studienprojekte
123
Anlage 4:
Detaildaten der Geschäftsmodelle
125
4.1. Technische Daten
125
4.1.1. delicatessen
125
4.1.2. XDC
126
4.2. Verträge b zw. Absichtserklärungen
127
4.2.1. XDC ,,Letter of Intent"- Verleih
127
4.2.2. XDC ,,Letter of Intent"- Kinobetreiber
128
4.3. Verbreitung in Deutschland
129
4.3.1. delicatessen
129
4.3.2. XDC
131
4.4. Verleihnutzer des XDC-Netzwerks
132
Anlage 5:
Branchenumfrage
133
5.1. Kontaktliste Interviewpartner
133
5.2. Kurzfragebogen
136
5.3. Umfrageergebnisse Verleiher
137
5.3.1. AG Verleih, Torsten Frehse
137
5.3.2. Alamode, Fabien Arséguel
138
5.3.3. Prokino Filmverleih, Stephan Hutter
138
5.3.4. VdF, Johannes Klingsporn
139
5.4. Umfrageergebnis Kinobetreiber
141
5.4.1. Cinecitta (Nürnberg), Wolfram Weber
141
5.4.2. CinemaxX AG, Arne Schmidt
144
5.4.3. Cinestar-Gruppe, Kai Tanneberg
146
5.4.4. Yorck-Gruppe (Berlin), Knut Steenwerth
148
5.5. Umfrageergebnis Experten
150
5.5.1. Patrick von Sychowski, Unique Digital Cinema Ltd.
150
5.5.2. Mike Christmann, Flying Eye Medienberatung
155
5.5.3. Peter Sundarp, Central Filmvertrieb
160

©
Ursula Reber / Berlin
IV. ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
ADN
L'Agence européenne pour le Devéloppement du cinéma Numérique
AFNOR
Association Francaise de Normalisation
ANSI
American National Standards Institute
ATM
Asynchroner Transfer Modus
BDC
Boeing Digital Cinema
BKM
Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien
DCI
Digital Cinema Initiative
D-Cinema
Digital Cinema
DCPG
Digital Cinema Providers Group
DI
Digital Intermediate
D.I.P.I.T.
Digital Pictures In Theatres
D-ILA
Direct-drive Image Light Amplifier
DLP
Digital Light Processing
DPG
Digitale Projektionsgebühr
DRM
Digital Rights Management
DSM
Digital Source Master
DVB
Digital Video Broadcasting
DVD
Digital Versatile Disc
E-Cinema
Electronic Cinema
EDCF
European Digital Cinema Forum
ETC
Entertainment Technology Center
EK
Europäische Kommission
EP
Europäisches Parlament
EU
Europäische Union / European Union
FFA
Filmförderungsanstalt
FFG
Filmförderungsgesetz
ggfs.
gegebenenfalls

©
Ursula Reber / Berlin
GATS
General Agreement on Trade in Services
GATT
General Agreement on Tariffs and Trade (1994)
GF
Geschäftsführer/in
GM
Geschäftsmodell
HDF
Hauptverband Deutscher Filmtheater
HDTV
High Definition Television
Hrsg.
Herausgeber
IBC
International Broadcasting Convention
i.d.R.
in der Regel
int.
international
IP-Racine
Integrated Project Research Area Cinema
ITEA
Information Technology for European Advancement
ITU-R
International Telecommunications Union ­ Radiocommunicationssector
JPEG
Joint Photographic Experts Group
k.A.
keine Angabe
max.
maximal
min.
minimal
Mio.
Million
Mrd.
Milliarde
MP@HL
Main Profile at High Level
MPEG
Moving Pictures Expert Group
MXF
Material eXchange Format:
NATO
National Association of Cinema Owners
NL
Niederlande
n.n.
nicht nennbar
Q & A
Question and Answer, Frage und Antwort Austausch
SMPTE
Society of Motion Pictures and Television Engineers
SPIO
Spitzenorganisation der Filmwirtschaft
Std.
Stunde

©
Ursula Reber / Berlin
SXRD
Silicon X-tal Reflective Display
TB
Terrabyte
TDC
Technicolor Digital Cinema
UNIC
Union International des Cinémas
USA
United States of America
usw.
und so weiter
u.v.m.
und vieles mehr
u.ä.
und ähnliches
VdF
Verband der Filmverleiher
Verf.
Verfasser
VHS
Video Home System
WTO
World Trade Organisation
XDC
X-Digital Cinema
z.B.
zum Beispiel
SYMBOLVERZEICHNIS
=
kleiner oder gleich (dem folgenden Betrag)
=
größer oder gleich (dem folgenden Betrag)
Euro
$
Dollar
%
Prozent
TM
Trademark, englisch für eingetragenes Warenzeichen / Schutzmarke

© Ursula Reber / Berlin
1
1. Einleitung
1.1 Thema der Arbeit
Diese Arbeit setzt sich mit der Ökonomie des digitalen Kinos in Deutschland auseinander.
Den Anlass zu dieser Themenwahl liefert die weltweit zögerliche Einführung des digitalen
Kinos. In den Jahren 2002 und 2003 wurden viele umfangreiche Studien
1
zum Potential
und den Auswirkungen des digitalen Kinos auf die Filmwirtschaft veröffentlicht.
Zeitgleich kündigten die großen Hollywood-Studios
2
den Beginn eines ,,digitalen Roll-
outs"
3
ab 2004, spätestens 2005 an. Im Herbst 2005 ist sowohl international wie auch
national noch keine brancheninterne Einigung zum digitalen Roll-out in Sicht.
Das renommierte Britische Marktforschungsinstitut Screen Digest betitelte eine seiner
zahlreichen Studien zum digitales Kino ,,Working towards digital cinema: Year 4 ­ Limbo
not launch"
4
. Der Titel zeigt nüchtern das ganze Dilemma der Situation auf. Es herrscht
Stagnation innerhalb der Branche, statt Dynamik und Pioniergeist.
Seit Definition der technischen Standards durch die Digital Cinema Initiative (DCI)
5
im
Juli dieses Jahres, verhindert lediglich die ungeklärte Finanzierungsfrage eine
flächendeckende Implementierung der digitalen Kinotechnik.
Die Branchenvertreter fordern gegenseitig die Vorgabe eines schlüssigen Geschäftsmodells
zur Lösung der Finanzierungsproblematik. Eine öffentliche Diskussion von möglichen
Varianten findet seitens der Marktteilnehmer nicht statt. Die Hauptakteure der
Digitalisierung, Verleiher und Kinobetreiber, äußern sich nicht konkret zu ihren
Vorstellungen von einem Geschäftsmodell hinsichtlich der Finanzierungsbeteiligung und
des möglichen Umsetzungsszenarios. Lediglich von Technikanbietern und
Werbewirtschaft gibt es konkrete Vorschläge zur Durchführung der digitalen Umrüstung,
die jedoch bisher nicht die breite Akzeptanz der Kinobetreiber und Verleiherverbände
gefunden haben.
1
siehe Anlage: Studien zum digitalen Kino
2
Buena Vista, 20th Century Fox, MGM, Paramount, Sony, Universal und Warner Bros.
3
engl. für ,,digitales Ausrollen" d.h. umfassende Verbreitung digitaler Distributions- und Projektionssysteme
in den Kinotheatern. Die Bezeichnung ,,digitaler Roll-out" ist in Brachenkreisen mittlerweile ein
feststehender Ausdruck.
4
Annäherung an das digitale Kino: im vierten Jahr ­ Unentschlossenes Gezappel statt geradlinigem Start
[Übersetzung durch d. Verf.]
5
Die DCI ist ein im Jahr 2003 von ursprünglich 7 Hollywoodstudios gegründetes Konsortium zur
Untersuchung und Empfehlung technischer Standards für das digitale Kino. Die Gründer entsprechen den in
Fußnote 2 genannten Majorstudios.

© Ursula Reber / Berlin
2
Zudem behandeln fast alle wichtigen Branchentreffen seit über drei Jahren das digitale
Kino als eines ihrer Schwerpunktthemen. Dazu gehören u.a. die Internationale Konferenz
für Film- und Fernsehproduktion Babelsberg 2002
6
, die Medienwoche Berlin-Brandenburg
2003
7
und ein Expertenseminar der MBA
8
zur Berlinale 2004
9
. Eine MBA-Veranstaltung
am 1. September 2005
10
kündigte sogar schon Praxishilfe für den digitalen Kinoanwender
an. Es wird viel veranstaltet und diskutiert. Aber ohne konkrete Entscheidungen der
direkten Anwender des digitalen Kinos wird in absehbarer Zeit, wie in den Jahren zuvor,
nichts passieren. Dies zeigt wie wichtig es ist ein Finanzierungskonzept zu finden, welches
alle Beteiligten unterstützen.
Diese Arbeit beruht einerseits auf dem Interesse der Verfasserin die
Einführungsproblematik des digitalen Kinos in Deutschland zu verstehen und andererseits
auf der Herausforderung geeignete Finanzierungskonzepte für digitales Kino zu
entwickeln.
Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt explizit auf der elektronischen Distribution und
Projektion digitaler Kinofilme. Die technischen Vorstufen der digitalen Kette, die digitale
Produktion und Postproduktion, sind in dieser Untersuchung nicht eingeschlossen. Dies
würde den Umfang der Arbeit übertreffen und kann weitgehend unbeachtet für die
Einführung digitaler Projektionstechnik bleiben, da diese hauptsächlich von Distribution
und Abspiel abhängt.
Digitale Aufnahmetechnik besitzt bereits seit einigen Jahren neben analoger Technik eine
Koexistenz in der Filmherstellung. Aufgrund der Kombinationsfähigkeit von analoger und
digitaler Aufnahme in der Postproduktion und Auswahl zwischen verschiedenen
Ausgabeformaten ist die Filmherstellung vielfach ein Hybridprozess von analogen und
digitalen Anwendungen.
6
Babelsberg Konferenz, September 2002: Babelsberg Digital Symposium ,,The Journey of Digital Movies"
7
Internationale Medienwoche Berlin-Babelsberg, August 2003, mit den Themen: Babelsberg Digital ­
Milestones of Digital Movies, Screendigest Studie zu Business Models, European Digital Cinema, Digital
International Workflow, Case Study ,,Play" vollständig digitales Produkt, u.a.
8
Media Business Academy, München
9
Hollywood Lectures (Creativity & Digital Technology): Die digitale Zukunft des Filmemachens, Berlin am
11.02.2004 im Rahmen der BERLINALE
10
Kino mit Zukunft - D-Cinema zum Anfassen (,,Alles rund um D-Cinema: von der Idee bis auf die
Leinwand", MBA-Praxisseminar, München, September 2005

© Ursula Reber / Berlin
3
1.2 Zielsetzung
Der Weg von der Idee des digitalen Kinos bis hin zur technischen Machbarkeit und
Anwendung im Kino ist lang und von verschiedenen Faktoren abhängig. Die Faktoren und
Voraussetzungen zur Umsetzung des digitalen Kinos sollen durch die Untersuchung
herausgearbeitet werden.
Die Arbeit soll die Komplexität der wirtschaftlichen Vorgänge darstellen. Die
Möglichkeiten zur Implementierung digitaler Kinosysteme in Deutschland sollen genannt
und die entscheidenden Erfolgselemente analysiert werden.
Die Untersuchung wird beispielhaft anhand von Geschäftsmodellen geführt, um die
Bedingungen und Kennzeichen der Markteinführung fassbar zu machen.
Dies umfasst sowohl Geschäftsmodelle, die eine Überbrückung der
Finanzierungsschwierigkeiten anvisieren, als auch Konzepte, die langfristig das digitale
Kino als zukunftsweisende Vertriebs- und Projektionsform für Kinofilme betrachten.
Da die Einführung des digitalen Kinos international sehr zögerlich verläuft, setzt die Arbeit
sich mit bestehenden Geschäftsmodellen und den Besonderheiten des Kinomarktes in
Deutschland auseinander, um relevante Kriterien herauszuarbeiten, die für ein
erfolgreiches Geschäftsmodell Voraussetzung sind.
Die Fokussierung der Untersuchung ist auf folgende Aspekte ausgerichtet:
Was beeinflusst die Einführung neuer Technologien und Vertriebsformen auf dem
Filmmarkt in Deutschland?
Welche Rolle spielen technische, wirtschaftliche und politische Aspekte?
Wie groß ist der Einfluss der Marktteilnehmer auf Entwicklungen innerhalb der Branche?
Was ist eine stärkere Motivation für Neuerungen: der technische Fortschritt, die
Wirtschaftlichkeit und mögliche Gewinnsteigerung oder die Nutzerakzeptanz bzw.
Konsumentenachfrage?
Wie gestaltet sich die Investitionslast und welche Möglichkeiten existieren zur
Kostenverteilung unter den Marktteilnehmern?
Ist die Einführung des digitalen Kinos ungewöhnlich la ngsam im Vergleich zu
vorangegangenen technologischen Neuerungen, wie z.B. der Einführung des Tonfilms oder
des digitalen Tonsystems in Kinosälen?
Welche Geschäftsmodelle gibt es bereits in Deutschland?
Wie gestalten sich diese Geschäftsmodelle im Detail?

© Ursula Reber / Berlin
4
Nehmen die Marktteilnehmer die Geschäftsmodelle an?
Falls ja, warum funktionieren sie, wenn nein, warum nicht?
Der Nutzwert der Untersuchung liegt also vor allem in der Erfassung relevanter Kriterien
für zukünftige Geschäftsmodelle und die Abwägung möglicher Einflussfaktoren auf den
Erfolg von Geschäftsmodellen.
Die Arbeit soll besonders für diejenigen von Interesse sein, die sich mit Geschäftsmodellen
des digitalen Kinos in Deutschland beschäftigen.

© Ursula Reber / Berlin
5
1.3 Methodik und Aufbau der Arbeit
Da es sich beim digitalen Kino um eine junge Entwicklung handelt, ist bisher wenig
Sekundärliteratur vorhanden, um Untersuchungen mit Daten zu stützen. Daher wurden für
die Gewinnung der Informationen überwiegend Primärforschungsmethoden in Form von
Befragungen und eigenen Beobachtungen der Presseveröffentlichungen angewendet.
Grundlage für die Basisdaten zum digitalen Kino sind Sekundärmaterialien, wie die
Veröffentlichungen internationaler Initiativen (EDCF
11
und DCI
12
), Artikel der Fachpresse
über die Akteure der Kinobranche, sowie zahlreiche Internetquellen der
Technikentwickler, der
nationalen und internationalen Projektgruppen,
der
Werbeunternehmen und Filmförderung.
Zur Darstellung der Geschäftsmodelle dienten
Unternehmensbroschüren und
Internetseiten, sowie Fachpräsentationen und
Telefongespräche mit
Unternehmensvertretern.
Im Anschluss an diese Einleitung werden, im zweiten Kapitel der Arbeit, die Grundlagen
aller relevanten Bereiche des digitalen Kinos zum Verständnis der Geschäftsmodelle im
Hauptteil vermittelt. Hierzu gehört erstens die Definition der zentralen Begriffe dieser
Arbeit. Zweitens wird der aktuelle Stand der bisherigen Entwicklung in technischer,
ökonomischer und politischer Hinsicht dargestellt.
Der Hauptteil ist in vier aufeinander aufbauende Kapitel unterteilt.
Das dritte Kapitel umfasst die Vorstellung aller Geschäftsmodelle, welche derzeit in
Deutschland existieren. Teilweise haben diese Geschäftsmodelle noch Projektcharakter
und unterscheiden sic h deutlich in ihrer Zielsetzung. Wesentlich ist für die Auswahl im
Rahmen dieser Untersuchung jedoch, dass sie zur Ausbreitung des Digitalen Kinos
beitragen.
Die einzelnen Geschäftsmodelle werden mit ihren Geschäftsbedingungen, sowie ihren
technischen und organisatorischen Merkmalen ausführlich dargestellt, um eine Vorstellung
vom konkreten Umsetzungsszenario und der veränderten Geschäftspraxis für Kinotheater
und Verleiher zu erhalten.
11
European Digital Cinema Forum
12
Digital Cinema Initiative

© Ursula Reber / Berlin
6
Nach der Darstellung der Geschäftsmodelle folgt, im vierten Kapitel, die Analyse dieser
Modelle mittels Gegenüberstellung anhand eines spezifischen Kriterienkatalogs.
Im fünften Kapitel werden, im Rahmen einer repräsentativen Umfrage unter
Kinobetreibern und Verleihern in Deutschland, die Anforderungen der Branche an ein
Geschäftsmodell ermittelt.
Die Auswertung der Umfrage dient zur Bildung von Thesen im Hinblick auf die
Ausprägungen eines Geschäftsmodells.
Das sechste Kapitel fasst zunächst alle Thesen aus der Analyse der Geschäftsmodelle und
dem Meinungsbild der Marktteilnehmer zusammen. Auf dieser Grundlage wird eine
Synthese gebildet zur Entwicklung eines optimierten Geschäftsmodells.
Dieses so genannte Synthesemodell wird ebenso detailliert erläutert, im Hinblick auf die
Aspekte der zuvor analysierten Geschäftsmodelle.
Abschließend wird dieses synthetisch entwickelte Modell mittels einer SWOT-Analyse
untersucht. Die SWOT-Analyse arbeitet die Schwächen und Stärken des Modells im
Verhältnis zu seinen Chancen und Risiken heraus. Dadurch kann die Markttauglichkeit des
wissenschaftlichen Modells überprüft werden.
Im siebten und letzten Kapitel der Arbeit wird ein Fazit der Untersuchung gezogen,
hinsichtlich der ökonomischen Bedingungen zur Einführung des digitalen Kinos in
Deutschland. Die Kernfrage n der Untersuchung, wie ist digitales Kino in Deutschland
finanzierbar und was sind die Bedingungen des Marktes dafür, werden an dieser Stelle
resümiert.

© Ursula Reber / Berlin
7
2. Grundlagen zu digitalem Kino in Deutschland
2.1. Definitionen
2.1.1 Geschäftsmodell
Ein zentraler Begriff dieser Arbeit ist das Geschäftsmodell.
Synonyme Begriffe hierfür sind auch Geschäftskonzept oder das englische Akronym
,Business Model'. In dieser Arbeit wird durchgehend der Ausdruck Geschäftsmodell
verwendet.
Sehr klar beschreibt die Definition von Patrick Stähler den Begriff: ,,Ein Geschäftsmodell
ist im einfachsten Sinne zu definieren als die modellhafte Beschreibung eines Geschäfts."
13
Stähler führt dazu weiter aus, ein ,,Geschäftsmodell kann die Beschreibung einerseits eines
einzelnen Unternehmens, andererseits aber auch einer ganzen Industrie sein. Im letzten
Sinne verwendet man den Begriff des Geschäftsmodells insbesondere bei reifen Industrien,
bei denen sich ein dominantes Geschäftsmodell durchgesetzt hat."
14
Die Ökonomen Bernd W. Wirtz und Paul Timmers formulieren ähnliche Definitionen.
Patrick Stähler lehnt seine Definition als direkte Übersetzung an jene von Timmers an.
Hier wird das Geschäftsmodell als Dreier-Element bestimmt.
Es besteht laut Timmers aus
15
:
a) an architecture for the product, service and information flows, including a description of the
various business actors and their roles
b) a description of the potential benefits for the various business actors
c) a description of the sources of revenue
Stähler bezeichnet diese Elemente als Hauptkomponenten eines Geschäftsmodells:
die Architektur des Geschäftsmodells, der Erlösplan und der spezielle Nutzen des
Geschäftsmodells auf Unternehmen und Markt bezogen.
Bevor näher auf diese Komponenten eingegangen wird, folgt zur Vollständigkeit die
Darstellung der Definition von Bernd Wirtz.
Wirtz beschreibt das Geschäftsmodell als "...die Abbildung des betrieblichen Produktions-
und Leistungssystems einer Unternehmung"
16
.
13
Vgl. Stähler, Geschäftsmodelle in der digitalen Ökonomie, S. 41-42
14
ebd.
15
Timmers, Business Models for Electronic Markets, 1998, S. 4
16
Wirtz, Electronic Business, S. 83 f.

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8
Nach seinem Verständnis findet die Darstellung eines Geschäftsmodells immer unter
Bezugnahme auf die Inhalte der relevanten betriebswirtschaftlichen Teilbereiche, wie z.B.
Produktion, Finanzierung, Marketing, Strategieplanung, Controlling, usw., statt.
Grundsätzlich ist ein Modell als abstrahiertes, d.h. verallgemeinertes, Abbild eines Systems
zu definieren. Die Voraussetzung und Grundlage eines Geschäftsmodells ist, einen klaren
und komprimierten Überblick der modellhaften Geschäftsaktivitäten abzubilden. Dies
findet sich vor allem in der Kombination von Markt und Produkt zueinander, sowie in
Bezug auf ihre wettbewerbsstrategischen Besonderheiten.
Mit dem Begriff Geschäftsmodell wird die Abbildung des betrieblichen Produktions- und
Leistungssystems eines Unternehmens bezeichnet. Folglich enthält das Geschäftsmodell
alle Aussagen darüber, durch welche Kombination von Produktionsfaktoren die
Geschäftsstrategie eines Unternehmens umgesetzt werden soll und welche Faktoren den
involvierten Akteuren dabei zugeordnet werden.
Weiterhin setzt sich ein Geschäftsmodell aus drei Hauptkomponenten zusammen: der
Architektur des Geschäftsmodells, dem Erlösplan und dem spezielle Nutzen des
Geschäftsmodells auf Unternehmen und Markt bezogen.
17
Nutzen - Welchen Nutzen stiftet das Unternehmen?
Bei Ergründung eines neuen Geschäftskonzepts taucht als erstes die Frage auf, warum
dieses Geschäft Sinn macht und ob die Leistung dieses neuen Geschäfts nicht bereits an
anderer Stelle erbracht wird. Daher begründet man die Frage nach dem Nutzen des
Geschäftsmodells. An dieser Stelle wird beschrieben wer
18
welchen Nutzen aus dem
Geschäft ziehen kann.
Architektur der Wertschöpfung ­ Wie wird Leistung erstellt?
Auf die Bedingungen unter denen diese Nutzenstiftung stattfinden kann, geht die zweite
Komponente eines Geschäftsmodells ein. Zusammengefasst wird dies unter dem Begriff
,,Architektur der Wertschöpfung". Die Voraussetzungen für die Generierung des Nutzens
werden festgestellt, wie auch die einzelnen Stufen der Nutzen- und Leistungsgewinnung,
und alle daran beteiligten Personen innerhalb des Unternehmens, also die Wertschöpfung
im eigentlichen Sinne. Einbezogen werden alle denkbaren äußeren Faktoren des
wirtschaftlichen Umfelds einer Unternehmung (z.B. Lieferanten und Kunden). Klargestellt
17
Vgl. Stähler, Geschäftsmodelle, S. 41 f.
18
z.B. Kunden, Geschäftspartner, Lieferanten oder Konkurrenten

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9
werden ihre Herkunft, die Art ihrer möglichen Einflussnahme und die Auswirkungen auf
den Wertschöpfungsprozess. Der Blick ist sowohl auf unternehmensinterne als auch ­
externe Prozesse gerichtet.
Erlösplanung - Wodurch wird Geld verdient?
Zentrale Motivation jeder Unternehmung ist die dritte Komponente, nach der ein
Geschäftsmodell bewertet wird: der Erlösplan oder das Ertragsmodell.
Es wird untersucht, woraus und in welcher Höhe das Geschäft Einnahmen erzielen kann.
Die Art der Erlösquellen sowie die erwartete Einnahmengröße sind Grundlage der
Bewertung des Geschäftsmodells und dienen zur Abbildung der Nachhaltigkeit eines
Konzepts.
Im Ertragsmodell werden Informationen zur Finanzsituation des Unternehmens abgebildet,
unter anderem der Anteil an Eigen- und Fremdkapital. Daraus resultiert eine mögliche
Aufteilung der Erlöse an Teilhaber, in Relation zu ihrer geleisteten Einzahlung und
Investition in die Unternehmung.
Klassische Analyseeinheiten beschränk en sich auf eine Beurteilung von
Branchenattraktivität und Ressourcensicherheit. Das ist für Unternehmen und Branchen,
die zukunftsorientiert und auf globalen Märkten agieren, nicht mehr ausreichend. Anhand
eines Geschäftsmodells lässt sich, neben Branchenattraktivität und Ressourcensicherheit,
die Grundlogik eines Geschäfts verstehen.
19
Aus diesen Gründen wurde im Rahmen dieser Untersuchung das Geschäftsmodell als
zentrales Analysemittel gewählt.
Die Vorteile von Geschäftsmodellen als Analyseeinheit umfasst der Ökonom Patrick
Stähler wie folgt
20
:
?
Um die Schlüsselmechanismen eines bestehenden Geschäfts zu verstehen.
?
Um als Basis für das Verbessern bestehender Geschäftsstrukturen und Prozesse zu
dienen.
?
Um die Strukturen eines neuen Geschäfts zu zeigen.
?
Um mit einem neuen Geschäftskonzept zu experimentieren oder einen Mitbewerber
zu analysieren.
?
Um Möglichkeiten zum Auslagern von Geschäftsprozessen zu erkennen.
19
Vgl. Stähler, Präsentation Uni Graz, Folie 6
20
Vgl. Stähler, Präsentation Uni Graz, Folie 6, ebd

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10
2.1.2 Abgrenzung: D-Cinema und E-Cinema
Der Begriff digitales Kino orientiert sich an der englischen Bezeichnung ,,digital cinema"
und kann im Deutschen drei unterschiedliche Zusammenhänge bezeichnen:
Einerseits steht digitales Kino für die digitale (elektronische) Aufzeichnung von
Filminhalten, also genau genommen die digitale Produktion oder Bildaufnahme. Zweitens
wird die Bearbeitung von digital oder analog aufgenommenen Bildern mittels digitaler
Prozesse unter dem Ausdruck digitales Kino, im Sinne von digitaler Postproduktion,
zusammengefasst. Drittens bezeichnet digitales Kino auch die digitale Kinoauswertung
mittels elektronischer Verteilung und Projektion, also die digitale Distribution.
Im Rahmen dieser Arbeit wird der Begriff ,,digitales Kino" im Sinne der digitalen
Distribution verwendet, sofern dies nicht anders erläutert ist.
Im Rahmen der Diskussion um digitales Kino ist von D-Cinema genauso wie von E-
Cinema die Rede. Die beiden Begriffe unterscheiden sich wie folgt voneinander:
D-Cinema
D-Cinema steht abgekürzt für Digital Cinema. Es definiert sich, laut Mike Christmann und
Hans-Peter Richter, ,,über die Ablösung des analogen Mediums Film durch eine digitale
Distribution und elektronische Projektion im Kino."
21
Wichtig ist beiden Autoren dabei,
dass dies zunächst lediglich das Wesen des digitalen Kinos vom analoge n Kino abgrenzt.
Die Besonderheit des digitalen Kinos liegt vor allem in den Chancen und neuen
Perspektiven, welche es für das zukünftige Kinoerleben bereithält. Dazu gehören laut
Christmann vor allem: ,,Höhere Flexibilität in der Präsentation und ein gesteigertes Seh-
und Hörerlebnis bilden Potentiale, die bislang so nicht realisierbar waren."
22
. An dieser
Stelle betonen Christmann und Richter besonders: ,,Digitales Kino kann und muss aber,...,
über einen reinen Ersatz von analoger durch digitale Technologie hinausgehen." Diese
Anmerkung ist ein entscheidender Hinweis zur Nutzenstiftung
23
eines möglichen
Geschäftsmodells für digitales Kino.
Mit dieser Zielsetzung unterscheiden sie sich bereits von einer Definition, wie sie Inga von
Staden und Beate Hundsdörfer innerhalb der FFA
24
-Studie
25
zum ,,...digitalen roll-out"
21
Slansky, Digitaler Film- digitales Kino, S.287
22
ebd.
23
s. auch Value Proposition bei Stähler
24
FFA ­ nationale Filmförderungsanstalt in Deutschland

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11
formulieren: ,,Es findet (also) lediglich ein Wechsel von der traditionellen, analogen zur
digitalen Technologie bei unveränderten Zielgruppen und Nutzungsformen der Kinos
statt."
26
Alle diese Definitionen sind angelehnt an die internationalen Vorgaben seitens der
SMPTE
27
und des EDCF zur Definition des digitalen Kinos.
E-Cinema
E-Cinema ist entsprechend die Kurzform von Electronic Cinema. Eine hilfreiche
Definition findet sich wiederum bei Christmann und Richter: ,,Unter E-Cinema ... werden
... alle die Applikationen subsumiert, die die Ausstrahlung anderer Inhalte als ,Film' in
den Kinos vorsehen, angefangen von der Kinowerbung, über Live-Events, wie Konzerte
oder Sportereignisse, bis hin zu Präsentationen für geschlossnen Benutzergruppen (z.B.
Firmenpräsentationen)."
28
25
,,Majors planen digitalen roll-out...", Studie von Projectscope im Auftrag der FFA, Berlin, 2003
26
Hundsdörfer, B.; Staden, I.v., FFA-Studie zum digitalen Kino, S. 11
27
Society of Motion Pictures and Television Engineers
28
Christmann, Mike in: Slansky, Digitaler Film ­ digitales Kino, S. 287

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12
2.2. Technischer Stand
Fertigstellung und Veröffentlichung der DCI-Spezifizierungen:
Am 27. Juli 2005 legte die DCI, die Arbeitsgruppe der Majors zum Digitalen Kino, nach
über drei Jahren und mehrmals verschobenen Veröffentlichungsterminen, schließlich das
Ergebnis ihrer Arbeit in Form einer 161-seitigen Empfehlung zu digitalen Kinosystemen
vor.
Dies ist eine dringend benötigte Orientierungshilfe für Technikhersteller und
Technikabnehmer, wie Kinobesitzer, Verleiher und digitale Dienstleistungsunternehmen.
Die Unklarheit über benötigte Verfahren und Formate einerseits, und die Vielfalt an
Produktangeboten und Systemlösungen anderseits, führten zu allseitiger Verwirrung und
Unentschlossenheit, welche Technik zukünftig Bestand vor den digitalen Standards haben
würde.
Die Fertigstellung der DCI-Empfehlungen hilft, die anfängliche Verzögerung und
Unsicherheit der Branche gegenüber der digitalen Technologie zu überwinden. Hierdurch
können endlich Standards festgelegt und weltweit angewendet werden.
Internationa l einheitliche Standards wiederum bieten den Kunden die notwendige
Orientierung und Investitionssicherheit.
Notwendige Standards
Zu den Bereichen des digitalen Kinos, für die notwendigerweise internationale Standards
erarbeitet werden müssen, gehören hauptsächlich die Bildparameter, die Datenverwaltung
und die Sicherheit.
Unter den Bildparametern eines Projektors werden die Auflösung, die Leuchtstärke, der
Farbraum und der Kontrast zusammengefasst.
Die Datenverwaltung und die Datensicherheit sind erforderlich in der Postproduktion, bei
der Erstellung des digitalen Filmmasters. Beides sind innerhalb der Distributionskette, von
der Mastererstellung, über den Transport zum Kinoserver bis zur Filmprojektion wichtige
Voraussetzung.
Die Datenverwaltung umfasst die Komprimierung der umfangreichen Filmdaten, die
Formatierung zum Austausch der Daten zwischen den Geräten der einzelnen
Distributionsknoten und die Speicherung der Filme auf dem Kinoserver.
Zum Sicherheitsmanagement in der Anwendung digitaler Filmpakete gehört die
Verschlüsselung der Daten (für den Transport und die Zwischenlagerung), die

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13
Rechteverwaltung (bei der Zuteilung der Lizenzinformation) und die Zugriffskontrolle im
Abspielserver (zur Erfassung der Nutzungsdaten).
Digitale Komplettlösung
Neben der Festlegung von weltweit gültigen Standards ist allerdings auch die
Standardisierung einer durchgängig digitalen Wertschöpfungskette, ohne die bisherigen
analogen Zwischenschritte, notwendig. Eine solche vollkommen digitale Fertigungskette
umfasst nach der Aufnahme mit digitaler Filmkamera, die Postproduktion bei der ein
digitales Sourcemaster erstellt wird, die digitale Distribution und die Vorführung über ein
digitales Kinoprojektionssystem. Anschließend werden die Filmdaten zur Lagerung einem
digitalen Archiv überlassen.
Dies ist ein komplexer und von zahlreichen Variablen begleiteter Prozess, wie es auch in
den beiden Stufen Distribution und Projektion der Fall ist. Digitales Kino sollte nicht aus
einzelnen Produktionsphasen heraus entwickelt werden. Vielmehr sollte von vorneherein
die ganze Wertschöpfungskette im Fokus von Forschung und Standardisierung
eingeschlossen sein, um eine ganzheitliche Abstimmung und Prozessoptimierung zu
erzielen.
Die Entwicklung digitaler Filmkameras mit ausreichender Auflösung von 2K
29
oder 4K
30
ist sehr weit fortgeschritten, aber noch lange nicht abgeschlossen, um die analogen 35-mm-
Kameras nicht mehr auf dem Markt konkurrieren lassen zu könne n.
In der Postproduktion müssen die neuen Standards zur Erstellung digitaler Filmmaster (int.
DSM)
31
als Basis für weitere Bearbeitungen zum digitalen Distributionsmaster (int.
DCDM)
32
umgesetzt werden.
Zur digitalen Distribution fehlt weitgehend noch die entsprechende Infrastruktur. Das sind
zum Beispiel Unternehmen die Filmdaten ,,encoden", also das komprimierte
Distributionsmaster nach Vorgaben der Lizenzgeber zu einem Filmdatenpaket (int. DCP
33
)
zusammenstellen. Es fehlen Play-Out-Center
34
, zum Versand der Daten und auch ein
29
K ist die Abkürzung von Kilo und steht für die Größenordnung von 1000 Einheiten. Die Verwendung für
das digitale Kino ist sachlich nicht richtig, jedoch inzwischen etabliert (näheres s. Glossar). Im
Zusammenhang mit digitalem Kino steht 2 K für das Auflösungsverhältnis von 1920 x 1080 oder 2048 x
1080 oder 2048 x 1556 Bildpunkten (Pixel).
30
Entspricht einer Auflösung von 4096 x 3112 Pixel.
31
Internationale Bezeichnung DSM ­ Digital Source Master
32
Internationale Bezeichnung DCDM ­ Digital Cinema Distribution Master
33
Internationale Bezeichnung DCP ­ Digital Cinema Package
34
engl. ,,Auspiel" oder Verteil-Center

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ausreichend großes Netzwerk digitaler Kinos, um zukünftig die Satellitentechnik als
finanziell günstigstes Versandmedium nutzen zu können.
In der Kinoanwendung gilt es die Produktkompatibilität der zahlreichen Hersteller
abzustimmen und die Nutzung bestehender Kinoautomationssysteme zu integrieren.
Schließlich muss auch noch die Archivierung der digitalen Filmdaten geklärt werden,
dabei versucht man derzeit noch sinnvolle Vorgaben u.a. für die mögliche Datengröße, die
Komprimierungsrate zur Datenverwaltung und das Kompressionsformat zu finden.
Der Erforschung der optimalen digitalen Produktschöpfung widmen sich derzeit mehrere
europäische Initiativen, wie z.B. Cinevision2006
35
und WorldScreen
36
.
Schwieriges Erbe: 35-mm-Film
Im Jahr 2005 findet in weltweit über 120.000
37
Kinos vorrangig analoge Kinotechnik
Verwendung
38
.
Die 35-mm-Filmtechnik sticht unter allen Entwicklungen besonders hervor, da sie als
einzige weltweit mit einem offenen Standard verbreitet und über 100 Jahre beibehalten
wurde. Eine solche kosteneffiziente und zuverlässige Technologie ist natürlich erst einmal
schwierig zu beerben. Die Motive für den digitalen Wechsel sind überwiegend ökonomisch
statt technisch bedingt.
Investitionsr isiko mangels internationaler Standards
Bei der Markteinführung neuer Technologien besteht häufig das Problem einer gehemmten
Marktakzeptanz aufgrund von Irritationen auf Seite der Konsumenten und
Produktabnehmer. Diese Einführungsschwelle kann zu erheblichen zeitlichen
Verzögerungen führen. Hintergrund ist meist die Unsicherheit der Anwender gegenüber
fehlenden Standards und daraus resultierender Unschlüssigkeit über die optimale
Formatwahl. Dies wird dadurch hervorgerufen, dass viele konkurrierende Hersteller
gleichzeitig dieselbe Technologieanwendung mit verschiedenen Formaten auf den Markt
bringen.
35
Vgl. www.cinevision2006.de
36
Vgl. www.worldscreen.org
37
Laut Einschätzung von Branchenexperten beim MBA-Kinoseminar, in München am 01.09.2005
38
Weltweit existieren im September 2005 ca. 408 digitale Kinos , die annähernd DCI-Vorgaben entsprechen,
Quelle: www.dcinematoday.com

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15
Viele Hersteller, viele Formate
Dies zieht sich durch die gesamt Entwicklungsgeschichte von technischen Geräten:
Beispielsweise angefangen beim handbetriebenen Grammophon über den analogen
Schallplattenspieler bis zum Compact Disc Player. Bei der Etablierung von Fernsehtechnik
entstanden weltweit vier verschiedene Fernsehnormen: die deutsche PAL
39
, die
französische SECAM
40
, die europäische CCIR
41
und die nordamerikanische NTSC
42
.
Ebenso brachten die Hersteller beim Wechsel der Verfahrenstechnik für Videokameras und
Fotoapparate, von analog zu digital, jeweils verschiedene Formate und Standards auf den
Markt.
Mit der Einführung der analogen Heimvideotechnik ab 1970
43
wurden von neun
verschiedenen Herstellern ca. zwanzig einzelne Bandformate
44
zu den jeweiligen
Videosystemen präsentiert. Dabei wurden für einige Formate aufgrund der zögerlichen
Marktresonanz nur wenige Rekorder produziert. Dies geschah über den Zeitraum von 15
Jahren, nachdem sich zuletzt drei Formate, als marktfähig erwiesen: VHS
45
, Betamax
46
und
S-Video
47
(oder Supervideo, später dann Video 2000).
VHS hielt sich seit Mitte der 70er Jahre bis ins neue Jahrtausend und wird erstmals durch
ein digitales Trägermedium, die DVD
48
, vom Markt gedrängt.
49
Bei Musikabspielgeräte wandelten sich mit den Verfahren auch die Einsatzmöglichkeiten,
vom Kassettenrekorder zum mobilen Walkman, dann Discman und schließlich zum MP-3-
39
PAL - Phase Alternation Line
40
SECAM - Séquentielle Couleur á Mémoire
41
CCIR - Commision Consultative Internationale de Radiodiffusion
42
NTSC - National Television System Committee; ist die älteste aber auch die fehleranfälligste Norm
43
Erstes Videoformat Quadruplex wurde 1956 von Ampex herausgebracht
44
Vgl. Videobandformate, in: www.wikipedia.org/wiki/Videoformate
45
VHS wurde von JVC entwickelt und 1976 auf den Markt gebracht
46
Betamax ist eine Entwicklung von SONY aus den Jahr 1975 und die Weiterentwicklung des 1971
ursprünglich als Heimvideosystems vorgesehenen U-Matic, welches wiederum ungeplant bis heute
professionell verwendet wird.
47
Supervideo und der Nachfolger Video 2000 wurde von Grundig und Philips zusammen 1978 bzw. 1979
entwickelt, wurden jedoch aufgrund mangelnder Marktakzeptanz sehr rasch wieder herabgesetzt.
48
Digital Versatile Disc
49
Rein technisch und qualitativ war Betamax von allen drei Fabrikationen, die hochwertigste Technologie
und damit auch laut Expertenemp fehlung die verheißungsvollste, hinsichtlich einer langfristigen
Marktführerschaft. Dennoch setzte sich das unspektakulärste und preisgünstigste Format, VHS, bei den
Konsumenten durch. Diese Entwicklung folgte, entgegen den Empfehlungen und Prognosen von
Technikexperten, scheinbar ganz eigenen Gesetzen. Dabei spielte die Konsumentenentscheidung und damit
der Preis eine ganz entscheidende Rolle. Da neben den Videokassetten auch die Rekordergeräte von Sony
viel teurer waren, setzte sich das System mit der niedrigen Qualität und den niedrigeren Verbraucherpreisen
durch. Der sperrige und fast doppelt so große Umfang der VHS-Kassette wurde damals als wichtiges
Argument zugunsten der handlichen Beta-Kassette geführt. Nicht immer diktieren Qualität und technische
Empfehlungen die Entwicklung. Die langsame Selektion der Formate vollzog sich zum Schaden der
Verbraucher, die bereits in die anderen beiden Formate investiert hatten und sich folglich mit Problemen
auslaufender Technik konfrontiert sahen.

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16
Player. Das Internet ermöglicht inzwischen den Bezug von Musik ohne die Mittelfunktion
eines Datenträgers und somit eines Zwischenhändlers, der Musikhandlung. Trotzdem sind
die großen Musikgeschäfte alle noch existent und selbst kleine Plattenläden erleben eine
Art Renaissance des Trägermediums Vinyl. Eine ähnliche Entwicklung wird auch für die
Kinobranche erwartet und die Befürchtung ist groß, dass die Konsumenten sich die
Filmdaten, wie die Musik direkt beim Produzenten oder Filmverleih besorgen. Auch wenn
große Verleiher diesen Trend zunächst nicht unterstützen, werden grundsätzlich neue
Trends gesetzt, durch einzelne, kleinere Produzenten, unabhängige Verleiher und
Filminitiativen. Durch positive Kundenr esonanz kann sich ein Nischenmodell durchaus
zum bestimmenden Element der Marktstruktur entwickeln.
Aus der risikobehafteten Formatfestlegung resultiert allgemein eine zögernde
Investitionsbereitschaft. Dies hängt auch mit den höheren Anschaffungskosten und
möglicherweise höheren Verbrauchskosten für die neue Technologie zusammen. Die alte
Technologie ist meist über eine mittelfristige Zeitspanne parallel zur neuen am Markt
erhältlich. Die Preise verfallen rascher als die neuen sich anpassen. Das Vertrauen in die
neue Technologie muss wachsen. Dies geschieht langsam durch positive
Erfahrungsberichte.
Annäherung der Qualitätsniveaus von Kino und Heimvideo
Bei der Etablierung von Qualitätsstandard für das digitale Kino ist die Entwicklung des
Heimkinomarktes zu berücksichtigen. Die nächste Generation von HDTV-Geräten,
Home-Entertainment-Systemen mit digitalem Surround-Ton und die baldige Verfügbarkeit
von High Definition DVDs rücken rein qualitativ
50
die Leistung von Heimkino in die
unmittelbare Nähe der Kinobildqualität. Damit steigen berechtigterweise die Erwartungen
der Zuschauer an das Kinoerlebnis.
Es könnte sogar ein ähnlicher Effekt eintreten wie bei der flächendeckenden Ausbreitung
des Fernsehe ns in Privathaushalten Anfang der 60er Jahre
51
. Damals führte dies zu einem
starken Rückgang der Besucherzahlen im Kino. Das Fernsehen löste damals das Kino als
primäre Unterhaltungsquelle bis heute ab
52
. Würde ein ähnlicher Effekt sich durch die
qualitative Nähe von Kino und Fernsehen wiederholen, ist die Konsequenz die
50
HDTV überträgt bis zu 1920 Pixel horizontal und digitales Kino in 2-K bis zu 2048 Pixel
51
Vgl. Hannes Rügheimer ,,Der Angriff aus dem Wohnzimmer" in: Slansky ,,Digitaler Film, digitales Kino",
S. 306 f.
52
Die durchschnittliche Nutzungsdauer pro Tag beträgt ca. 153 Minuten für das Medium Fernsehen und ca. 5
Minuten für das Medium Kino im Jahr 2001 in der Altersgruppe 14-49 Jahre. (Quelle: TimeBudget-Studie
von 1999-2001 der Forschungsabteilung von SevenOne Media, S. 16)

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17
existenzielle Bedrohung der Filmtheater. Dies kann nur durch eine deutliche qualitative
(und notwendigerweise auch inhaltliche) Abgrenzung vom Fernsehstandard verhindert
werden. Das spricht wiederum für die baldige Etablierung einer 4K-Auflösung in der
Kinoprojektion, wie dies von der DCI eindringlich gefordert wird. Die Kosten hierfür
werden die 2K-Ausstattung um ein vielfaches übersteigen. Dies überfordert das
Investitionspotential der Branche mit hoher Wahrscheinlichkeit.
Bedarf und Kosten der Technik
Zur Grundausstattung eines digitalen Kinos gehören ein Server, ein Projektor, eine
Satellitenempfangsanlage und entsprechende Software.
Die Anschaffungskosten allein für Projektoren, die DLP
53
Cinema-Technologie
verwenden, belaufen sich, je nach Lichtspektrum und Auflösungsvermögen, auf
mindestens 70.000,- bis 110.000,- Euro
54
.
Die Verkaufspreise für Server liegen zwischen 10.000,-
55
und 25.000,-
56
Euro.
Technische Halbwertszeit und Preisanpassung
Schätzungen für die Lebensdauer gehen von 5 bis 10 Jahren für Projektoren aus, die
jährlichen Wartungskosten belaufen sich vermutlich auf 10 bis 15 Prozent des
Anschaffungspreises
57
.
Die Branche hofft auf einen allgemeinen Preisverfall durch Belebung des Wettbewerbs
unter den Herstellern. Diese Annahme ist jedoch bei bestimmten Technologien, von hoher
Komplexität und Produktspezialisierung, nicht zutreffend.
Für die Preisbewertung spielt eine wesentliche Rolle, ob mit Hilfe der neuen Technologie
das gleiche Produkt wie bisher geschaffen wird, also der Vorteil eher in der
Produktionsweise als beim Kunden liegt; oder ob mit der neuen Technologie auch neue
Produkte entstehen, und somit neue Absatz- und Erlösbereiche generiert werden können.
Hinsichtlich des digitalen Kinos ist das Potential für neue Produkte, das sind z.B.
alternative Inhalte und Nutzungsformen im Kino, durchaus gegeben. Offen ist jedoch, ob
die Branche die neuen Möglichkeiten umsetzt und dann auch, ob der Konsument das neue
Produkt annimmt. Es besteht eine Diskrepanz zwischen der Interpretation des
53
Digital Light Processing: von Texas Instruments entwickeltes Verfahren zur hochauflösenden und
störungsfreien Projektion einzelner Bildpunkte mittels winziger Spiegel.
54
Quelle: Europa Cinemas Digital Guide, S. 19
55
Quelle: laut Salzgeber Medien (Christian Modersbach) ist dies der Kaufwert des GDC-Servers.
56
Der Listenpreis des G-2 Servers von XDC beträgt 22.500,- im September 2005, laut Auskunft von
Philippe Grandclaudon (XDC S.A.)
57
Vgl. Europa Cinemas Digital Guide, S. 19

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18
Nutzungspotentials durch Hersteller einerseits und Anwender andererseits. Aufgrund der
langjährigen Branchenerfahrung der Marktteilnehmer ist die geringe Bewertung des
Produktpotentials von digitalem Kino als wahrscheinlich einzuschätzen.
Phase der parallelen Nutzung von analoger und digitaler Technik
Mit Sicherheit wird es eine Phase geben, während der analoge und digitale
Projektionstechnik parallel nebeneinander zum Einsatz kommen. Schwer einschätzbar ist,
wie lange diese Phase dauern wird und in welchen Kinotypen
58
diese Phase länger
andauert. Das bedeutet dann für Kinobetriebe konkret, dass in den Vorführräumen Platz für
analoge und digitale Geräte vorhanden sein muss. Das Fenster zur Leinwand muss groß
genug sein, um einen analogen und digitalen Projektor gleichzeitig übereinander zu
installieren.
Die Verleiher werden sowohl analoge als auch digitale Filmkopien vertreiben müssen, um
alle gewünschten Kinos bedienen zu können. Daraus ergibt sich, dass es keinen
schlagartigen Einspareffekt auf die Distributionskosten gibt. Dies hemmt natürlich die
Bereitschaft der Verleiher sich an der Finanzierung des digitalen Kinos zu beteiligen.
58
Programmbedingt planen Filmkunst- und Programmkinos länger den Einsatz analoger Technik als
Multiplex-Betriebe mit überwiegendem Mainstream-Programm.

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19
2.3. Ökonomischer Stand
Neue Technologien bergen für den Markt und seine Teilnehmer Chancen und Risiken.
Am Kinomarkt nehmen hauptsächlich die Filmproduzenten als Produkthersteller, die
Weltvertriebe, Filmverleiher und Kinobetriebe als Zwischenhändler und die Kinobesucher
als Endkonsumenten teil.
Daneben gibt es weitere Teilnehmer, wie z.B. Filmkopierwerke, Filmkuriere,
Werbemittler, Kinotechnikfirmen, Nahrungsmittelhändler u.a.
Dienstleistungsunternehmen. Darüber hinaus wirken Filmförderungen
59
und andere
kulturell motivierte Initiativen
60
auf den Kinomarkt ein.
Geschäftsmodelle und Aufteilung der Investitionskosten
Die Branche wartet gegenseitig auf konkrete Vorschläge von einzelnen Marktteilnehmern
zur Finanzierung des digitalen Kinos.
Bei allen Diskussionen um Geschäftsmodelle sind folgende Ansätze zu erkennen:
Erstens Technikleasing durch die Kinobetriebe selbst, zweitens die Investition von Dritten
(z.B. branchenfremde Unternehmen) in digitale Umrüstung der Kinobranche und drittens
die generelle Veränderung der Preispolitik zwischen Verleihern und Kinos.
Das Technikleasing sieht vor, dass die Kinos die Technik von einem Systemanbieter zur
Miete bzw. über zeitlich begrenztes Leasing mit späterer Kaufoption gestellt bekommt. Die
Mietraten würden monatlich durch das Kino oder einen Investor übernommen.
Bei einem Drittinvestor würde ein branchen-unabhängiger Anbieter, zur Überbrückung der
finanziellen Uneinigkeit zwischen Verleihern und Kinobetreibern, die Investitions last
gegen eine Umsatzbeteiligung oder andere Formen der Rückvergütung übernehmen. Der
Drittinvestor kann seine Re-Investition durch verschiedene Formen von Gebühren bei
beiden Nutzern, Verleiher und Kinos, tätigen. Nachfolgend werden einige denkbare
Varianten vorgestellt, die von Investoren einzeln oder in beliebiger Kombination genutzt
werden können.
Eine Variante ist die Gebühr-Pro-Kopie, welche der Verleiher für die Nutzung digitaler
Dienstleistungen zahlt. Die Höhe der Gebühr steht in Relation zu den Einsparungen des
Verleihs gegenüber analoger Distribution.
59
z.B. durch Programmgestaltungsauszeichnungen, Kinotheaterförderung und Verleihförderung
60
z.B. Filmfestivals

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20
Zweitens ist eine Gebühr-Pro-Filmvorführung denkbar, welche sowohl vom Kino als auch
vom Verleih erhoben wird.
Drittens könnte ein Drittinvestor durch eine Gebühr-Pro-Kinokarte, ähnlich der
Leihmieten-Praxis, an den Kartenerlösen von Verleihern und Kinobetreibern beteiligt
werden.
Viertens ist auch ein jährlicher Bereitstellungsvertrag möglich. Demzufolge sagt der
Verleih einem Investor die Herausbringung seiner Neuerscheinungen über die digitale
Servicestruktur und Abspielsysteme des Vertragspartners in einem bestimmten Zeitraum
zu. Dies stellt im Wesentlichen eine Auftrags- und Umsatzgarantie für den Drittinvestor
dar, lohnt sich jedoch nur ab sehr hohem Auftragsvolumen.
Fünftens ist eine Gebühr-Pro-Systemnutzung für alternative Inhalte vorstellbar, welche
Drittnutzer oder der Kinobetreiber in Relation zum Umsatzpotential an den Drittinvestor
abführen.
Ganz anders gestaltet sich der Finanzierungsansatz durch eine grundsätzliche
Reformierung des Ablöseverfahrens für Filmmieten zwischen Verleih und Kinobetrieb.
Hier soll für die Kinobetreiber eine Grundlage geschaffen werden, weitgehend selbständig
die Finanzierung der digitalen Projektionstechnik in ihren Häusern zu tragen. Konkret
sollen die Leihmietsätze gesenkt werden, so dass die Beteiligung der Verleiher an den
Kartenerlösen geringer ausfällt und den Kinos durch die Mehreinnahmen mehr Mittel für
Neuinvestitionen verbleiben.
Einsparpotential
Nach einer anfänglichen Euphorie, dass digitale Distribution den Verleihern bis zu 90
Prozent ihrer Kopierwerksausgaben reduzieren könnte, revidiert die Branche zunehmend
das Einsparpotential stark nach unten.
Die Kinobetreiber wollen und können die Investition nicht alleine tätigen, fraglich ist, ob
sie überhaupt das finanzielle Potential haben, um sich an der Finanzierung zu beteiligen.
Bisher ist den Kinobetreibern auch keine realistische Gegenüberstellung von Investitions-
und Betriebskosten möglich, da es keine ausreichende Erfahrung mit digitalen Systemen
gibt. Die Umsatzsteigerung der Kinos durch digitale Werbung wird marginal
eingeschätzt
61
. Vorführpersonal kann in vollem Umfang erst bei reinem digitalem Betrieb
eingespart werden, jedoch werden im gleichen Umfang höhere Löhne für qualifiziertes
Personal zur Betreuung der IT-Infrastruktur fällig. Insgesamt sinkt der
61
Laut Aussage von Burkhard Voiges (Betreiber der Hackesche Höfe und Kant Kinos in Berlin) in einem
Interview mit der Verfasserin am 01.10.2005

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21
Personalkostenaufwand durch digitales Kino also nicht. Vielmehr verteilt er sich auf
weniger Personen, die höher qualifiziert und entsprechend besser entlohnt werden wollen.
Der erwartete Preisverfall für digitale Kinotechnik hat bisher nicht stattgefunden. Der
Umfang der Servicekosten fällt viel höher aus als anfänglich prognostiziert. Natürlich
halten die digitalen Dienstleistungsunternehmen die Preise mittels ihrer temporären
Monopolstellung auf einem hohen Niveau, um von der Preisdifferenz gegenüber analogen
Kopien zu profitieren.
Positiv ist jedoch, dass ein digitales Master nach der Erstauswertung, auch weiteres
Einsparpotential in der Zweit- und Drittauswertung nach sich zieht. Das bisher notwendige
Scannen von 35 mm Filmmaster für die Videoauswertung (DVD) oder Online-
Distributionsformen entfällt bei einem digitalen Ausgangsmaterial.
Neue Dienstleister
Bestehende Unternehmen werden um digitale Geschäftsfelder erweitert oder digitale
Dienstleistungsunternehmen werden von neuen Marktteilnehmern gegründet werden. So
hat die Salzgeber & Co. Medien GmbH bereits das erste digitale Serviceunternehmen, die
Digital Cinema Services GmbH (DCS)
62
gegründet. Der Bedarf an digitalem Service ist
unter anderem in den Bereichen Technikleasing
63
, Distributionsmastering
64
, digitale
Vertriebsmedien
65
, Play-out-Center, digitale Rechteverwaltung, Archivierung und
Lagerung gegeben.
Im Zuge der Digitalisierung wird die Kinobranche auch für große Elektronikkonzerne, wie
Panasonic und NEC, als Absatzmarkt interessant. Voraussetzung dafür ist die
Eingliederung von digitalen Projektoren in ihre Produktpalette. Dies kann über eigene
technische Entwicklung oder durch den Erwerb von Technologiepatenten geschehen.
Zukünftig werden spezialisierte, mittelständische Fachbetrieben, wie ARRI
66
oder
Kinoton
67
, mit internationalen Großkonzernen konkurrieren müssen.
Auswirkung auf die Wertschöpfungskette Kinofilm
Der Produktschöpfungsprozess (,,workflow") von Filmen verändert sich durch die
digitalen Technologien. Dies bringt neue Möglichkeiten für die Kreativität und die
Produktionseffizienz innerhalb der Filmherstellung mit sich. Die direkte Übermittlung von
62
Vgl. www.digital-cinema -services.de
63
z.B. komplette digitale Kinosysteme (Projektor, Server, Satellitenanlage und Software)
64
D.h. Filmdaten Encoden und zu Paketen zusammenstellen, bezüglich der Verleihvorgaben hinsichtlich
Soundtrack, Untertitel, Zugriffsschlüssel und Abspielumfang
65
Festplatte, Satellit und Breitbandkabel
66
Arnold und Richter (ARRI-Group) ist einer der ältesten Film- und Lichttechnikhersteller weltweit.
67
Kinoton ist Hersteller von Kinotechnik wie Projektoren, Filmtelleranlagen, Spulentürme,
Automationssysteme, Ton- und sonstige Bühnentechnik für Einzeltheater und Multiplexe.

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Bilddaten mittels eines durchgängig digitalen Mediums vereinfacht und beschleunigt die
Handhabung während der Phasen Produktion, Postproduktion und Distribution.
Zwischenschritte wie Musterkopien, Filmentwicklung, Negativ-Ausmusterung,
Positivkopierung, Filmscannen zur Digitalen Bearbeitung, sowie die anschließend
wiederum notwendige Abtastung von digitalem zum analoge n Bildträger, der
Negativschnitt usw. entfallen zukünftig. Damit fehlen auch die Kosten für diese
Zwischenschritte der Filmbearbeitung in der Budgetplanung einer Filmproduktion und es
entsteht zusätzlich ein Zeitgewinn in der Filmherstellung.
Hingegen werden die Prozesse digitales Film-Mastering (das digitale Endprodukt der
Postproduktion) und Distribution innerhalb der Wertschöpfung deutlich umfangreicher und
komplexer. Da die Anwendungen der digitalen Prozessschritte noch wenig routiniert und
kaum optimiert sind, sollte in den nächsten Jahren hier verstärkt Personal ausgebildet und
spezialisiert werden.
Auswirkung auf die Auswertungspraxis Kinofilm
Die Auswertungspraxis für einen Kinofilm sah bisher vor, dass Kino, Video und Fernsehen
(mit Free- und Pay-TV-Ausstrahlung) nacheinander Zugriff auf die Verwertungslizenz
eines Films erhalten. Das bedeutet, dass ein Film zuerst im Kino ausgewertet wurde, nach
ca. sechs Monaten im Videoverleih in Form von VHS und DVD, dann im Einzelhandel als
Kaufvideo auf VHS und DVD, anschließend im Pay-TV und zuletzt im Free-TV.
Die Einhaltung der Reihenfolge wird für deutsche Filme, die mit Fördermitteln finanziert
wurden, durch gesetzlich geregelte Auswertungsschutzfristen zugesichert.
Dadurch hatte das Kino als Zugpferd der Filmauswertung eine sichere Position innerhalb
des Spielfilmmarktes. Diese Marktposition könnte sich in Zukunft wahrscheinlich zum
Nachteil des Kinomarktes verschieben, eventuell droht die Erstauswertung im Kino ganz
zu verschwinden.
Das exklusive Erstauswertungsrecht der Kinotheater soll verkürzt werden bzw. nach
jüngster Ansicht aus Hollywood ganz fallen
68
. Regisseur Steven Soderbergh (,,Ocean's
Eleven" und ,,Erin Brokovich") plant seine nächsten sechs Produktionen zeitgleich im
Kino, Fernsehen und auf DVD auszuwerten
69
.
Die bisherige Form einer nachgeordneten Auswertungsabfolge wird dann zu Gunsten eines
nebengeordneten Auswertungsangebots verändert. Der Zuschauer kann dann allein
entscheiden, welchen Auswertungsort er zu welchem Zeitpunkt nutzen möchte. Die
68
Vgl. ,,Soderbergh auf neuen Verwertungspfaden" in: www.blickpunktfilm.de, am 09.05.2005
69
Vgl. Beier ,,Goldrausch mit Silberlingen" in: www.spiegel.de, Ausgabe 24/2005, 13.Juni 2005

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Nachfrage der Konsumenten würde dann sehr deutlich abbilden, welchen Preis der
Zuschauer für welche Form der Mediennutzung zu zahlen bereit ist.
Werbung
Anders als beim D-Cinema gibt es beim E-Cinema sowohl konkrete Geschäftsmodelle als
auch erste Anwendungen im Bereich digitaler Kinowerbung
70
und alternativer Inhalte
71
.
Jedoch sind hier grundsätzlich andere technische Anforderungen notwendig, was teilweise
niedrigere Investitionskosten, im Fall niedrigerer Standards, impliziert. E-Cinema-Systeme
verwenden meistens Signale in HDTV-Qualität
72
nach SMPTE-Standards oder erreichen
maximal eine 2K Auflösung.
Die Vorteile für die Kinowerbebranche bestehen, über das reine Einsparpotential bei
Kinokopien hinaus, vor allem in der Flexibilität und zeitlichen Effizienz des digitalen
Trägermediums. Dies ist gerade für die Werbeindustrie entscheidend, da Inhalte stärker
noch auf Zielgruppen hin programmiert werden können. Die Abspielpräferenzen der
Inhalte wechseln häufiger, je nach Vorstellungszeit und Publikumstyp. Schließlich ist die
Verweildauer
73
einer Werbung im Kino mal kürzer mal länger angelegt, als dies
sinnvollerweise bei Spielfilmen der Fall ist.
Dadurch beeinflusst digitale Kinowerbung nicht nur die Kosteneffizienz des
Herstellungsprozesses, sondern auch die Einsatzmöglichkeiten und die Wirkungsweise der
Werbespots. Dies wirkt sich nachhaltig auf den Unternehmenserfolg aus.
Digitale Inhalte für digitales Kino
Momentan ist die durchgängige Versorgung mit digitalen Inhalten noch nicht für alle
Filmtitel gewährleistet. Daher wird es eine Übergangsphase geben, während der sowohl
Verleiher beide Formate, als auch Kinobetreiber beide Projektionsweisen anbieten müssen.
Dies ist eine relativ übliche Erscheinung, da Technologien sich untereinander nie
schlagartig sondern schleichend innerhalb des Anwendungsbereichs ablösen.
Diese Tatsache verstärkt ihrerseits die zögerliche Haltung der Verleiher und Kinobetreiber
gegenüber Investitionen in digitales Kino. Bei den Kinobetreibern herrscht Unsicherheit
gegenüber Investition, da sie befürchten nicht ausreichend Inhalte zur Verfügung zu haben.
70
Cinego, ein Kinowerbe-System des Werbemittlers RoWo Holding. Und D.I.P.I.T., eine digitale
Werbeplattform des Kinotechnik-Unternehmens Kinoton.
71
Übertragung von Konzert- und Opernevents im Berliner UCI Zoo-Palast seid Februar 2004 in Kooperation
mit dem europäischen HDTV-Sender EURO 1080
72
Vgl. Christmann; u.a., FKT 04/2005, S. 150
73
Regionale Werbung ist meist kurzfristig an einem aktuellen Ereignis ausgerichtet. Überregionale und
internationale Werbung dient i.d.R. der Imagepflege und dem langfristigen Produktabsatz eines großen
Markenartikels.

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Die Verleiher wiederum zögern einen Film digital herauszubringen, da es nicht
ausreichend digitale Kinobetriebe gibt.
Technologische und wirtschaftliche Unsicherheit
Experten erforschen die Anwendungsmöglichkeiten des Digitalen Kinos erst in jüngster
Zeit sehr intensiv, aber bei den Anwendern herrscht Skepsis oder Unwissen über die
zukünftige digitale Infrastruktur vor.
Unternehmen haben daher Angst sich für das ,,falsche" System zu entscheiden. Es fehlt die
Grundlage für eine zuverlässige, solide Entscheidung. Die Entwicklungen sind teilweise zu
wenig transparent oder schwer prognostizierbar.
Hinzu kommt noch eine allgemeine wirtschaftliche Verunsicherung der Kinobranche durch
kritische Umsatzzahlen.
74
Hintergrund ist die aktuelle Wettbewerbsverschärfung durch
DVD-Konkurrenz
75
und die rasante Entwicklung des Home Entertainment Marktes.
Die unterschiedliche Haltung von Verleihern und Kinobetreibern gegenüber den
Umsatzproblemen im Kino durch die verfrühte DVD-Auswertung
76
hat die Konflikte
miteinander verschärft
77
. Letztlich gibt es bisher keine offizielle Kooperation zwischen
Verleihern und Kinobetreibern hinsichtlich der finanziellen Belastung und inhaltlichen
Herausforderung durch das digitale Kino.
74
Im Kino-Halbjahresergebnis 2005 ermittelte die FFA einen Besucherrückgang um 16,6 % gegenüber dem
Vorjahreszeitraum. Dies entspricht einem Umsatzminus von 16 %.
75
Eine aktuelle Marktstudie (August 2005) der Investmentbank Veronis Suhler Stevenson prognostiziert für
das Jahr 2009 das Wachstum der DVD-Umsätze (40,4 Mrd. Dollar) in den USA auf einen vierfachen Wert
gegenüber den Kinoumsätzen (10,6 Mrd. Dollar).
76
Vgl. ,,Goldrausch mit Silberlingen" in: Der Spiegel, Heft 24 / 2005
und ,,"Fensterdebatte: Statements aus der DVD -Branche" in: www.dvdvideomarkt.de, am 23.06.2005
77
Vgl. ,,Filmwirtschaft streitet um Verwertungskette" in: Blickpunkt:Film, am 23.06.2005
und ,,Kinoauswertungsfenster wird Streitobjekt der Branche" in: www.blickpunktfilm.de, am 19.07.2005

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2.4. Positionen der Marktteilnehmer
Nachfolgend werden mögliche Entwicklungsszenarien für die Geschäftsbereiche der
einzelnen Marktteilnehmer durch digitales Kino geschildert.
Produzent
Die Produzenten sind, im Vergleich zu Kinobetreibern und Verleihern, nur indirekt von der
Entwicklung betroffen.
Grundsätzlich schafft das digitale Kino Vorteile für die Produzenten, da sie bei geringeren
Verleihkosten, eine höhere Chance auf einen Verleihvertrag haben. Neben den
Möglichkeiten die Filmfinanzierung durch Vorverkäufe abzusichern und allgemein die
Kreditwürdigkeit zu verbessern durch höhere Aussicht auf Verleihabkommen, hat der
Produzent mehr Chancen auf eine breite und internationale Kinoauswertung. Eine
Kinoauswertung stellt weitere Erlösquellen in Aussicht. Der Film wird im Kino ,,veredelt",
d.h. durch die Kinoauswertung steigt der Wert eines Films für die nachfolgenden
Auswertungsstufen, wie z.B. Video oder Fernsehen.
Im besten Fall könnten die Sparten deutscher Film, europäischer Film und Arthouse Film
eine Neupositionierung auf dem Kinomarkt gegenüber dem Mainstream-Film erfahren.
Postproduktions-Unternehmen
Die Postproduktions-Unternehmen müssen ihre Dienstleistungen an die neue digitale
Wertschöpfungs- und Endfertigungskette anpassen. Dies entspricht vorwiegend einer
Erweiterung und Spezifizierung des Leistungsspektrums dieser Unternehmen.
Kopierwerk
Die Kopierwerke verlieren langfristig, wenn auch nicht ganz, dennoch größtenteils ihr
Hauptgeschäftsfeld: die Erstellung von Massenkopien.
Daraus resultiert die Notwendigkeit für diese Unternehmen sich komplett neu zu
orientieren oder ihr bisheriges Geschäftsfeld zu erweitern.
Hierfür gibt es einige Möglichkeiten. Die Kopierwerke könnten als digitale Filmlager oder
Serviceunternehmen fungieren, welche digitale Massenkopien erstellen. Vielleicht liefern
sie diese sogar in Kooperation mit einem eigenen Kurierunternehmen an die Kinos oder
fungieren direkt als Play-Out-Center, zum Versand der Filmdaten per Satellit oder
Breitbandtechnologie.

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Denkbar ist auch, dass die bislang noch größtenteils unabhängigen Unternehmensbereiche
Kopierwerk und Postproduktion zukünftig vollständig zu einem Geschäftsfeld digitale
Postproduktion verschmelzen.
Verleih
Die Verleihunternehmen sind direkt von der Umstellung auf digitales Kino betroffen und
unterstützen neben den US-Majorstudios die Entwicklung am stärksten. Hintergrund sind
potentielle Einsparmöglichkeiten bei den Ausgaben für Kinokopien.
Dazu gehören neben den Ausgaben für Massenkopien auch die Vertriebskosten für
Transport, Lagerung und Entsorgung der analogen Massenkopien.
Digitale Distribution erhöht die Nachfrageflexibilität der Verleiher, woraus sich ein
geringeres Fehlplanungsrisiko ergibt.
Zudem sind parallele, weltweite Filmstarts machbar, woraus die Nutzung von
Synergieeffekten im Marketing durch weltweite zeitgleiche Medienpräsenz resultiert.
Hierdurch erhofft sich die Branche allgemein eine Verringerung der Filmpiraterie durch
Wegfall des Zeitvorsprungs.
Aber auch für Verleiher kann die Neudefinition ihres Geschäftszwecks in manchen Fällen
notwendig werden. Da die Auswirkungen des digitalen Kinos auf die Marktpositionen
nicht vorhersehbar sind, kann es durchaus zu ungünstigen Verschiebungen für einzelne
Verleiher
78
kommen.
Da die digitale Distribution die Filmvermittlung vereinfacht, könnte es zu direkten
Verhandlungen und Filmlieferung zwischen Produzent und Kinobetreibern kommen.
Innerhalb eines solchen Szenarios müssten sich die Verleiher stärker auf ihre
Kernkompetenz Marketing konzentrieren. Sie können aber auch ihr Geschäftsfeld
erweitern, z.B. um alternative Inhalte
79
oder digitale Serviceleistungen
80
.
Vertrieb
Der Geschäftsbereich der Filmvertriebsunternehmen bleibt erhalten, da die Verleiher
weiterhin Bedarf an der Qualitätsauswahl von passenden Kinos zu ihrem jeweiligen Film
haben. Lediglich die veränderten Organisationsabläufe müssen berücksichtigt werden. Die
78
Z.B. kleine, unabhängige Verleihunternehmen, die nicht durch einen US-Major-Mutterkonzern geschützt
werden.
79
Konzerte, Opern, Live-Sportevents, TV-Vorpremieren, u.v.m.
80
Play-out-Center oder digitales Filmlager.

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Filmmietverhandlungen und Prolongationen sind auch beim digitalen Kino ein elementarer
Bestandteil der Geschäftspraxis zwischen Verleih und Kino.
Filmkurier
Die Kurierunternehmen sind direkt von der Umstellung auf digitale Distribution betroffen.
Diese Unternehmen haben dann eine Zukunft, wenn der Einzelvertrieb via Festplatte
langfristig ein fester Bestandteil der digitalen Distribution bleibt. Den Einzelvertrieb
könnten sie entsprechend ihrer Funktion innerhalb der analogen Distributionspraxis
weiterführen.
Setzt sich die zentrale Verteilung der Filmdaten via Satellit oder ATM-Kabel
81
durch, ist
ihr Geschäftsbereich gefährdet.
Eine Neuorientierung in Richtung Filmlager oder andere digitale Servicedienstleistungen
ist für diese Unternehmen empfehlenswert.
Kinotheater
Die Kinotheater sind neben den Filmverleihern die am stärksten von der Entwicklung
Betroffenen. Im Kino muss das digitale Equipment installiert werden, daher sammelt sich
hier auch die größte Kostenbelastung durch digitales Kino.
Eine Nachfrage innerhalb der Kinobetriebe nach neuer oder digitaler Technik aus rein
technischen oder qualitativen Gründen ist grundsätzlich nicht gegeben. Die Kinobetriebe
können durchaus weiter analog projizieren. Eine Nachfrage der Zuschauer nach digital
vorgeführten Filmen besteht nicht, da das Publikum sich stärker an der Qualität der
Filminhalte orientiert als an der Bild- und Vorführqualität.
Der bisherige Mangel an digitalen Inhalten hemmt den Investitionsanreiz zusätzlich.
Eine weitere und nicht unberechtigte Befürchtung der Kinobetreiber ist eine Zunahme der
Kontrolle der Kinobetriebe mittels digitalem Datenrückfluss und damit der Einflussnahme
durch die Verleiher. Einige Kinobesitzer haben Angst vor einer Art gläsernen Kassenbuch
durch die digitale Vernetzung aller Kinobereiche.
Die Erschließung neuer Erlösbereiche, durch alternative Nutzungsformen und Inhalte, ist
ein häufig verwendetes Argument für digitale Projektionstechnologie. Tatsächlich lehnen
die Kinobetreiber dies ab, da das Image und der Filmerlebnis-Ort Kino dadurch ähnlich
verwässert wird, wie dies bereits durch die Zunahme des Filmangebots mit dem
81
Asynchroner Transfer Modus: Glasfasernetz zur Übertragung von Daten

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28
Kinoprogramm geschehen ist
82
. Die Verwässerung schädigt die Konsumentennachfrage,
daher gehen die Bestrebungen der Kinobetreiber hin zu Konzentration und Spezialisierung.
Neue Handelswege durch digitales Kino, wie der direkte Einkauf der Filme beim
Produzenten, sind interessant jedoch nicht ausschlaggebend für eine Entscheidung der
Kinobetreiber. Die Beziehung zwischen Verleihern und Kinobesitzern sind sehr
angespannt, aufgrund immer höherer Forderungen bei Filmmietsätzen und immer kürzer
werdender Kinoauswertungsfenster. Dennoch gibt es keine Bestrebung die langjährig
erprobten Geschäftsbedingungen grundlegend zu verändern.
Einzig die Chancen, welche mit digitaler Werbung oder E-Cinema in Zusammenhang
stehen, stellen durchgehend eine Verbesserung sowohl für kleine, unabhängige Kinos als
auch für Kinoketten in Aussicht. Kleine Kinos können sich ohne die Zusatzeinnahmen aus
der Werbung kaum mehr finanzieren
83
. Sie sind allerdings auch wegen des kleinen
Werbeeffekts im Vergleich zu den Kosten für Kopie und Zustellung bei Werbemittlern
keine relevante Verkaufseinheit. Hier könnte ein kostengünstiges E-Cinema-System beiden
Seiten gezielt helfen.
Für die großen Kinoketten trägt das E-Cinema zu einer erheblichen Zeit- und
Personalkostenreduzierung bei. Die Werbeunternehmen brauchen nur noch eine Kopie
oder Filmdatenvorlage pro Kino zur Verfügung zu stellen, statt wie bisher eine Kopie je
beworbener Leinwand.
Diese Sachlage verdeutlicht, dass Kinobetreiber eher motiviert sind E-Cinema als D-
Cinema in ihren Häusern zu etablieren. Zumal sie sich erstmal grundsätzlich mit der neuen
Betriebstechnik und der digitalen Bedienung vertraut machen könnten.
Probleme mit Inhalten sind hier auch nicht gegeben, da die Werbefilmproduktion stärker
digital geprägt ist. Ein kurzes Medium von durchschnittlich 15 bis 45 Sekunden ist leichter
als das digitale Master eines 90 Minuten Spielfilmes zu finanzieren.
D-Cinema hat hingegen für Kinobetreiber, aufgrund fehlender Standards und
Geschäftsmodelle, höchstens den Stellenwert eines ,,zusätzlichen Anreiz"
84
. ,,Weitaus
sinnvoller für die Theater sei das E-Cinema (digitales Vorprogramm)".
85
82
Quelle: Interview mit Burkhard Voiges am 1.10.2005
83
Vgl. ,,Prototyp eines serverbasierten Systems zur Akquise [!], Distribution und zum Abspiel digitaler
Werbung" in: www.agkino.de/html/prototypeyz.shtml
84
Vgl. Artikel in Blickpunkt:Film ,,Kinokongress stellt Werbemöglichkeiten vor", vom 13.4.05, Zugriff am
12.7.05
85
Vgl. Blickpunkt:Film ebenda.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783832494186
ISBN (Paperback)
9783838694184
DOI
10.3239/9783832494186
Dateigröße
1.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" Potsdam-Babelsberg – unbekannt
Erscheinungsdatum
2006 (März)
Note
1,3
Schlagworte
projektion kinorevolution
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