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Auswirkungen auf die Arbeitnehmermitbestimmung auf Unternehmensebene bei Gründung einer Societas Europaea mit deutsch-britischer Beteiligung

©2005 Diplomarbeit 77 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Fast vier Jahrzente sind vergangen zwischen der Idee und der Gründung der ersten Europäischen Aktiengesellschaft. Vier Jahrzente, die die politische Ordnung in Europa verändert und damit die Schaffung dieser europäischen Rechtsform erst möglich gemacht hat. Seit Oktober 2004 ist „das Flagschiff des europäischen Gesellschaftsrechts“ endlich Realität.
Ziele, die die Europäische Union mit der Schaffung der Societas Europaea (SE) verfolgt, sind unter anderem die Schaffung eines Gemeinsamen Marktes (Art. 2 EGV) und die Vollendung des europäischen Binnenmarktes (Art. 3 Abs. 1 lit. c EGV) sowie die Stärkung der Konkurrenzfähigkeit europäischer Unternehmen im internationalen Wettbewerb.
Nach der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes ein wesentlicher Gegenstand des EG-Vertrages. Eine Wirtschafts- und Währungsunion wäre ohne einen Gemeinsamen Markt weitgehend funktionslos. Der Binnenmarkt (Art. 14 EGV) kann den Gemeinsamen Markt nicht ersetzen, denn beide Märkte sind nicht miteinander identisch. Der Gemeinsame Markt reicht vielmehr über den Binnenmarkt hinaus. Unter dem Begriff „Gemeinsamer Markt“ ist die Beseitigung aller Hemmnisse im innergemeinschaftlichen Handel mit dem Ziel der Verschmelzung der nationalen Märkte zu einem einheitlichen Markt zu verstehen. Dessen Bedingungen sollen denjenigen eines wirklichen Binnenmarktes möglichst nahe kommen. Die Grundfreiheiten des Binnenmarktes sind Vorraussetzung, um dieses Ziel zu erreichen. Diese wiederum setzten Berufs- und Vereinigungsfreiheit, Vertrags- und Wettbewerbsfreiheit sowie Gleichbehandlung der Marktbürger voraus. Der Binnenmarkt definiert sich nach Art. 14 Abs. 2 EGV als „Raum ohne Binnengrenzen, in dem freier Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen dieses Vertrags gewährleistet ist.“.
Um diese Binnenmarktziele zu erreichen, müssen den europäischen Unternehmen Gesellschaftsformen zur Verfügung gestellt werden, die eine Bündelung europäischen Wirtschaftspotentials durch Konzentrations- und Fusionsmaßnahmen ermöglichen. Erst duch den Übergang von der nationalen rechtlichen Dimension in eine supranationale rechtliche Dimension (Societas Europaea) wird der Vollzug des Binnenmarktes auf rechtlicher und wirtschaftlicher Ebene ermöglicht.
Ein weiteres Ziel der Europäischen Union ist die Stärkung der Konkurrenzfähigkeit europäischer Unternehmen. In Zeiten der Globalisierung […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 9405
Lange, Tobias: Auswirkungen auf die Arbeitnehmermitbestimmung auf Unternehmens-
ebene bei Gründung einer Societas Europaea mit deutsch-britischer Beteiligung
Druck Diplomica GmbH, Hamburg, 2006
Zugl.: Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Diplomarbeit, 2005
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany

INHALTSVERZEICHNIS
INHALTSVERZEICHNIS
INHALTSVERZEICHNIS ...I
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS...III
1
DAS FLAGSCHIFF DES EUROPÄISCHEN
GESELLSCHAFTSRECHTS...1
2
ARBEITNEHMERMITBESTIMMUNG ...5
2.1
E
BENEN DER
M
ITBESTIMMUNG DER
A
RBEITNEHMER
...5
2.2
M
ITBESTIMMUNG IN DER
B
UNDESREPUBLIK
D
EUTSCHLAND
...8
2.2.1 Montanmitbestimmungsgesetz...9
2.2.2 Mitbestimmungsergänzungsgesetz ...11
2.2.3 Betriebsverfassungsgesetz von 1952...12
2.2.4 Betriebsverfassungsgesetz von 1972...13
2.2.5 Drittelbeteiligungsgesetz von 2004...14
2.2.6 Mitbestimmungsgesetz von 1976...14
2.3
M
ITBESTIMMUNG IN
G
ROßBRITANNIEN
...16
2.3.1 Bullock-Report...18
2.3.2 White
Paper ...19
3
SOCIETAS EUROPAEA ...21
3.1
B
ESONDERE
S
TELLUNG DER
S
OCIETAS
E
UROPAEA
...22
3.2
S
TRUKTUR DER
S
OCIETAS
E
UROPAEA
...24
3.2.1
Wesen der Societas Europaea...24
3.2.2 Organisationsverfassung...24
3.3
G
RÜNDUNG EINER
S
OCIETAS
E
UROPAEA
...25
3.3.1 Verschmelzung ...26
3.3.2 Holding-SE ...27
3.3.3 Tochter-SE ...28
3.3.4 Umwandlung ...28
3.3.5 SE-Tochtergesellschaft ...29
3.4
U
NTERNEHMERISCHE
A
RBEITNEHMERMITBESTIMMUNG
...30
3.4.1 Besonderes
Verhandlungsgremium ...31
3.4.2 Auffangregelung ...36
I

INHALTSVERZEICHNIS
4 GRÜNDUNG EINER SOCIETAS EUROPAEA MIT DEUTSCH-
BRITISCHER BETEILIGUNG UND DIE AUSWIRKUNGEN AUF DIE
ARBEITNEHMERMITBESTIMMUNG...40
4.1
G
RÜNDUNG EINER DUALISTISCHEN
SE
MIT DEUTSCH
-
BRITISCHER
B
ETEILIGUNG
...40
4.1.1 Nichtzustandekommen
oder
Abbruch der Verhandlungen zur
Arbeitnehmermitbestimmung...43
4.1.2 Erfolgreiche
Verhandlungen
zur Arbeitnehmermitbestimmung45
4.1.3 Erfolglose
Verhandlungen
zur Arbeitnehmermitbestimmung ..46
4.1.4 Rigiditäten
der
Arbeitnehmermitbestimmung ...48
4.1.4.1 Perpetuierung der Mitbestimmung bei Verschmelzung ...48
4.1.4.2 Vervielfältigung der Mitbestimmung im Konzern bei einer
Holding-SE ...50
4.1.4.3 Konzernzurechnung
in der Tochter-SE...51
4.1.4.4 Bewertung der Arbeitnehmermitbestimmung in einer
dualistischen SE ...52
4.2
G
RÜNDUNG EINER MONISTISCHEN
SE
MIT DEUTSCH
-
BRITISCHER
B
ETEILIGUNG
...53
4.2.1 Überschießende
Beteiligungsrechte im monistischen System 54
4.2.2 Verfassungsrechtliche Bedenken...55
4.2.3
Bestellung von Non-Executive Directors zur Minderung der
überschießenden Beteiligungsrechte ...56
4.2.4
Bildung von Ausschüssen zur Minderung der überschießenden
Beteiligungsrechte ...57
4.2.5
Bewertung der Arbeitnehmermitbestimmung in einer
monistischen SE...59
5
ARBEITNEHMERMITBESTIMMUNG IN DER SE ­ UNSICHERHEIT
DURCH FLEXIBILITÄT...61
LITERATURVERZEICHNIS... VI
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG... XI
II

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abs.
Absatz
ABIEG
Amtsblatt der EG
AG
Aktiengesellschaft
AktG
Aktiengesetz
Art.
Artikel
Aufl.
Auflage
AuS
Arbeitsrecht
und
Sozialrecht
BetrVG Betriebsverfassungsgesetz
BGB
Bürgerliches
Gesetzbuch
BMWA
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
BVerfG Bundesverfassungsgericht
CFDT
Confédération francaise démocratique du travail
CGT
Confédération Générale du travail
DrittelbG Drittelbeteiligungsgesetz
EAG
Europäische
Atomgemeinschaft
EG
Europäische
Gemeinschaft
EGKS
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl
EGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft
etc.
et
cetera
EU
Europäische
Union
EuGH
Europäischer
Gerichtshof
f.
folgende
FECCIA
Fédération Européene des Cadres de la Chimie et
des Industries Annexes
ff.
fortfolgende
gem.
gemäß
GG
Grundgesetz
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Hrsg.
Herausgeber
http
hypertext
transfer
protocol
III

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
i.S.d.
im Sinne der / des
i.V.m.
in
Verbindung
mit
IG BCE
IG Bergbau Chemie und Energie
Jg.
Jahrgang
KgaA
Kommanditgesellschaft
auf
Aktien
lit.
litera
lt.
laut
MitbestG Mitbestimmungsgesetz
MontanmitbestG
Montanmitbestimmungsgesetz
Nr.
Nummer
Plc.
Public
limited
company
S.
Seite
S.A.
Société
Anonyme
SE
Societas
Europaea
SEAG
Gesetz zur Ausführung der SE-VO (SE-
Ausführungsgesetz)
SEBG
Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in
einer Europäischen Gesellschaft (SE-
Beteiligungsgesetz)
SEEG
Gesetz zur Einführung der Europäischen
Gesellschaft
SE-RL
Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. Oktober
2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen
Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der
Arbeitnehmer ­ ABIEG Nr. L 294/22 vom 10.
November 2001
SE-VO
Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8.
Oktober 2001 über das Statut der Europäischen
Gesellschaft (SE) ­ ABIEG Nr. L 294/1 vom 10.
November 2001
u.a.
und
andere
UmwG Umwandlungsgesetz
IV

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
URL
uniform
resource
locator
vgl.
vergleiche
www
world
wide
web
z.B.
zum
Beispiel
zit.
zitiert
V

DAS FLAGSCHIFF DES EUROPÄISCHEN GESELLSCHAFTSRECHTS
1 DAS FLAGSCHIFF DES EUROPÄISCHEN
GESELLSCHAFTSRECHTS
Fast vier Jahrzente sind vergangen zwischen der Idee und der Gründung der
ersten Europäischen Aktiengesellschaft. Vier Jahrzente, die die politische
Ordnung in Europa verändert und damit die Schaffung dieser europäischen
Rechtsform erst möglich gemacht hat. Seit Oktober 2004 ist ,,das Flagschiff
des europäischen Gesellschaftsrechts"
1
endlich Realität.
Ziele, die die Europäische Union mit der Schaffung der Societas Europaea
(SE) verfolgt, sind unter anderem die Schaffung eines Gemeinsamen
Marktes (Art. 2 EGV) und die Vollendung des europäischen Binnenmarktes
(Art. 3 Abs. 1 lit. c EGV) sowie die Stärkung der Konkurrenzfähigkeit
europäischer Unternehmen im internationalen Wettbewerb.
Nach der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist die
Errichtung eines Gemeinsamen Marktes ein wesentlicher Gegenstand des
EG-Vertrages. Eine Wirtschafts- und Währungsunion wäre ohne einen
Gemeinsamen Markt weitgehend funktionslos. Der Binnenmarkt (Art. 14
EGV) kann den Gemeinsamen Markt nicht ersetzen, denn beide Märkte sind
nicht miteinander identisch. Der Gemeinsame Markt reicht vielmehr über
den Binnenmarkt hinaus. Unter dem Begriff ,,Gemeinsamer Markt" ist die
Beseitigung aller Hemmnisse im innergemeinschaftlichen Handel mit dem
Ziel der Verschmelzung der nationalen Märkte zu einem einheitlichen Markt
zu verstehen. Dessen Bedingungen sollen denjenigen eines wirklichen
Binnenmarktes möglichst nahe kommen. Die Grundfreiheiten des
Binnenmarktes sind Vorraussetzung, um dieses Ziel zu erreichen. Diese
wiederum setzten Berufs- und Vereinigungsfreiheit, Vertrags- und
Wettbewerbsfreiheit sowie Gleichbehandlung der Marktbürger voraus
2
. Der
Binnenmarkt definiert sich nach Art. 14 Abs. 2 EGV als ,,Raum ohne
Binnengrenzen, in dem freier Verkehr von Waren, Personen,
1
Hopt (1998), S. 99.
2
Vgl. Callies / Ruffert (2002), S. 351 f.
1

DAS FLAGSCHIFF DES EUROPÄISCHEN GESELLSCHAFTSRECHTS
Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen dieses Vertrags
gewährleistet ist."
Um diese Binnenmarktziele zu erreichen, müssen den europäischen
Unternehmen Gesellschaftsformen zur Verfügung gestellt werden, die eine
Bündelung europäischen Wirtschaftspotentials durch Konzentrations- und
Fusionsmaßnahmen ermöglichen. Erst duch den Übergang von der
nationalen rechtlichen Dimension in eine supranationale rechtliche
Dimension (Societas Europaea) wird der Vollzug des Binnenmarktes auf
rechtlicher und wirtschaftlicher Ebene ermöglicht
3
.
Ein weiteres Ziel der Europäischen Union ist die Stärkung der
Konkurrenzfähigkeit europäischer Unternehmen. In Zeiten der
Globalisierung müssen europäische Unternehmen mit amerikanischen und
japanischen sowie anderen asiatischen Konzernen weltweit konkurrieren
können. Kleine nationale Unternehmen haben gegenüber multinationalen
Großunternehmen einen schweren Stand. Für nationale europäische
Unternehmen war es bisher schwierig, sich über die Staatsgrenzen hinweg
zusammenzuschließen. Was jedoch Kapitalstärke und die Möglichkeit von
Investitionen in Zukunftstechnologien betrifft, so nehmen global agierende
Großunternehmen auf dem Weltmarkt eine entscheidende Position ein.
Schon im Grünbuch der Kommission von 1975 wurde erkannt, dass die
Konkurrenzfähigkeit europäischer Unternehmen gegenüber
außereuropäischen Unternehmenszusammenschlüssen dringend durch
Schaffung einer europäischen Gesellschaftsform verbessert werden müsste.
Bei der Konstruktion einer Societas Europaea stand daher auch die
Schaffung europäischer Großunternehmen als Gegengewicht zu US-
amerikanischen und japanischen Konzernen im Vordergrund.
Die Einführung einer Societas Europaea ermögtlicht es Unternehmen,
grenzüberschreitend in Europa tätig zu werden und mit ausländischen
Unternehmen zu fusionieren. Die neue Rechtsform präsentiert sich dabei
sehr flexibel: Die Gründer können die SE nicht nur mit einem dualistischen
3
Vgl. Nonnenmacher (1997), S. 19 f.
2

DAS FLAGSCHIFF DES EUROPÄISCHEN GESELLSCHAFTSRECHTS
oder einem monistischen System der Unternehmensleitung und -kontrolle
ausstatten, sondern auch eine Verhandlungslösung über die
Arbeitnehmermitbestimmung in der neuen SE erreichen.
Die Arbeitnehmermitbestimmung war die Hauptursache für die fast vierzig
Jahre andauernden Streitigkeiten zur Einführung einer SE. Gerade bei der
sehr unterschiedlich ausgeprägten Reichweite der Mitbestimmung in den
Mitgliedsländern der Europäischen Union. Die oben bereits erwähnte
Verhandlungslösung bietet dabei einen flexiblen Kompromiss um die
Gründung einer SE mit unterschiedlich mitbestimmten
Gründungsgesellschaften zu ermöglichen ohne ein starres
Mitbestimmungsniveau konkret vorzuschreiben.
Diese Arbeit befasst sich mit den Auswirkungen auf die
Arbeitnehmermitbestimmung auf Unternehmensebene bei Gründung einer
Societas Europaea mit deutsch-britischer Beteiligung.
Dabei wurde bewusst eine deutsch-britische Beteiligung gewählt, da die
Gegensätze der Systeme der Unternehmensführung und die Unterschiede in
der vorherrschenden Arbeitnehmermitbestimmung in den beiden Ländern
nicht gravierender ausfallen könnten. In Deutschland ist nach nationalem
Recht nur ein dualistisches System mit Vorstand und Aufsichtsrat und in
Großbritannien nur ein monistisches System mit Verwaltungsrat vorgesehen.
Die Arbeitnehmermitbestimmung ist in Deutschland komplett rechtlich
vorgeschrieben und somit in Europa am tiefgreifendsten verankert, wogegen
Großbritannien keine rechtliche Mitbestimmung kennt.
Durch Gründung einer Societas Europaea werden nun erstmals die
Systemwahl und Verhandlungen über die Arbeitnehmermitbestimmung
ermöglicht. Dies ergibt im dargestellten Spannungsfeld interessante
Chancen und Hindernisse für die Arbeitnehmermitbestimmung der SE, die in
dieser Arbeit behandelt werden sollen.
Dabei wird in Kapitel 2 zunächst die Arbeitnehmerbeteiligung generell und
später separat für Deutschland und Großbritannien dargestellt. Kapitel 3
3

DAS FLAGSCHIFF DES EUROPÄISCHEN GESELLSCHAFTSRECHTS
beschäftigt sich mit der Societas Europaea, indem Struktur,
Gründungsformen und Verfahren sowie Arbeitnehmermitbestimmung in der
SE erläutert werden. Kapitel 4 beschäftigt sich mit den Auswirkungen auf die
Arbeitnehmermitbestimmung bei Gründung einer SE mit deutsch-britischer
Betiligung, indem Möglichkeiten der Beteiligung bei Gründung einer
dualistischen und, im weiteren Verlauf, einer monistischen SE aufgezeigt
werden. Das letzte Kapitel stellt schließlich eine kritische Würdigung
gewonnener Erkenntnisse dar.
4

ARBEITNEHMERMITBESTIMMUNG
2 ARBEITNEHMERMITBESTIMMUNG
Seit Beginn der Mitbestimmungsdiskussion wird der Begriff Mitbestimmung in
vielfältiger und vieldeutiger Art und Weise verwendet
4
. Daher empfiehlt sich
eine Definition des Begriffes, eine Bestimmung des Intensitätsgrades und in
Kapitel 2.1 eine genauere Betrachtung des Ortes der Mitbestimmung.
Mitbestimmung meint in dieser Arbeit die gesetzliche Teilnahme der
Arbeitnehmer oder ihrer Vertreter in Arbeitsgemeinschaft mit dem
Arbeitgeber am Willensbildungsprozess im Unternehmen. Bei dieser
Definition muss eine Unterscheidung hinsichtlich der Intensität der
Mitbestimmung durch die Begriffe Mitwirkung und Mitbestimmung gemacht
werden. Die Mitwirkung besteht darin, dass der Arbeitgeber die
Arbeitnehmer oder deren Vertreter vor der Durchführung bestimmter
Maßnahmen informiert, unterrichtet, anhört oder eine Beratung ermöglicht.
Die Mitbestimmung im engeren Sinne bedeutet hingegen, dass der
Arbeitgeber Maßnahmen grundsätzlich nur dann treffen kann, wenn die
Arbeitnehmervertreter die Zustimmung erteilt haben
5
.
2.1 Ebenen der Mitbestimmung der Arbeitnehmer
Eine der wichtigsten Fragen in Bezug auf die Arbeitnehmermitbestimmung
ist, an welchem Ort Mitbestimmung stattfinden soll. Allgemein wird dabei
unterschieden wie im deutschen Recht: Die Mitbestimmung findet
grundsätzlich in drei Ebenen, Mitbestimmung auf Arbeitsplatzebene,
Mitbestimmung auf der Ebene des einzelnen Betriebes, also in engem Bezug
zum einzelnen Arbeitsplatz, oder aber auf der Ebene des Unternehmens,
also dort, wo die wirtschaftlichen Entscheidungen gefällt werden, statt
6
.
Bei der Mitbestimmung auf Arbeitsplatzebene stehen die
Einflussmöglichkeiten des einzelnen Arbeitnehmers auf seinen Arbeitsplatz
im Mittelpunkt. Diese Möglichkeiten ergeben sich vorrangig aus den
4
Vgl. Rube (1982), S. 24.
5
Vgl. Niedenhoff (1992), S. 11 ff.
6
Vgl. Figge (1992), S. 97 f.
5

ARBEITNEHMERMITBESTIMMUNG
jeweiligen individuellen Arbeitsverträgen und daneben aus den Rechten, die
das Betriebsverfassungsgesetz dem einzelnen Arbeiter einräumt. Die
zunehmende Flexibilisierung der Arbeitszeiten, die aus Verhandlungen
zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden hervorgeht, erhöht die
Bedeutung in Bezug auf den Einfluss des einzelnen Arbeitnehmers. Hier
sind allerdings die Arbeitgeberverbände die treibenden Kräfte, die die
Flexibilisierung der Arbeitszeiten unter betriebswirtschaftlichen
Gesichtspunkten der besseren Kapazitätsauslastung und der besseren
Anpassung an die vorhandene Auftragssituation forcieren. Während die
Gewerkschaften durch die Individualisierung auch eine Entsolidarisierung der
Arbeitnehmer und somit eine Schwächung ihrer Position als
Arbeitnehmerorganisation befürchten, agieren sie entsprechend
zurückhaltend. Aus diesem Grund hat die Mitbestimmung der einzelnen
Arbeitnehmer in Bezug auf ihren Arbeitsplatz in der Realität nicht die größte
Unterstützung gefunden. Es ist daher nicht überraschend, dass diese
individuelle Arbeitnehmermitbestimmung gegenüber den Formen der
Mitbestimmung auf Betriebsebene und der Mitbestimmung auf
Unternehmensebene relativ schwach entwickelt ist. Vielfach wird die
Mitbestimmung auf Arbeitsplatzebene als Stärkung der Rechte insbesondere
des Betriebsrats in solchen Entscheidungen gesehen, die die
Arbeitsbedingungen betreffen und die bisher ohne Beteiligung der
Arbeitnehmer getroffen worden sind. So wird über die Einflussrechte des
Betriebsrats und über die Einflussrechte der Arbeitnehmervertreter in den
Unternehmungsorganen auch über die Bedingung am konkreten Arbeitsplatz
mitbestimmt. Das Problem hierbei besteht darin, dass diese Mitbestimmung
durchaus in Konflikt zu den konkreten individuellen Interessen eines
Arbeitnehmers hinsichtlich seines Arbeitsplatzes steht
7
.
Um die Mitbestimmung auf Betriebsebene näher zu erläutern, soll der Begriff
,,Betrieb" kurz definiert und somit vom Unternehmen abgegrenzt werden. Der
Betrieb stellt eine organisatorische Einheit dar, innerhalb derer ein
7 Vgl. Matschke (1986), S. 8.
6

ARBEITNEHMERMITBESTIMMUNG
Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mithilfe von technischen
und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke auf eine
gewisse Dauer und in nicht völlig unerheblichem Umfang verfolgt, die sich
nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen
8
. In Deutschland stellt
das Betriebsverfassungsgesetz die rechtliche Grundlage für die
Mitbestimmung auf Betriebsebene dar. Ziel des BetrVG ist es, die Idee der
Partnerschaft durch Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte der
Vertretungen aller Arbeitnehmer im Betrieb zu verwirklichen. Die Vertretung
aller Arbeitnehmer übernimmt in Betrieben der Privatwirtschaft mit mehr als
fünf ständigen Beschäftigten der Betriebsrat, der auf vier Jahre von den
Belegschaften gewählt wird
9
. Somit ist der Betriebsrat das zentrale
Verwaltungsorgan der Arbeitnehmer nach dem BetrVG. Seine zentrale
Aufgabe besteht darin, die Einhaltung der zugunsten der Arbeitnehmer
geltenden Gesetze, Verordnungen und Unfallverhütungsvorschriften,
Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen zu überwachen. Die zweite
Hauptaufgabe des Betriebsrats liegt in der Vertretung der nach dem
Arbeitsrecht definierten kollektiven Interessen der von ihm vertretenen
Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber. Dazu gehören
Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten, Mitwirkungs- und
Mitbestimmungsrechte in personellen Angelegenheiten und durch einen
Wirtschaftsausschuss auch begrenzt die Mitwirkung in wirtschaftlichen
Angelegenheiten
10
. Die betriebliche Mitbestimmung beschränkt sich aber
hauptsächlich auf personelle und arbeitstechnische Fragen
11
, wobei zu
beachten ist, dass ausgehend vom deutschen Recht oft betriebliche
Mitbestimmung gedanklich mit Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten
gleichgesetzt wird. Gerade bei transnationalen Unternehmen spielt aber die
8
Vgl. § 34 Abs. 1 des Arbeitsverfassungsgesetzes vom 14.12.1973 der Republik Österreich,
zit. in: Rube (1982), S. 57.
9
Vgl. Niedenhoff (1995), S. 21 f.
10
Vgl. Niedenhoff (1992), S. 31-38.
11
Vgl. Leupold (1993), S. 146.
7

ARBEITNEHMERMITBESTIMMUNG
Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten auch auf Unternehmensebene
eine besondere Rolle
12
.
Die Mitbestimmung auf Unternehmensebene ist aus einzelwirtschaftlicher
Sicht die dritte Ebene der Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Hier ist eine
Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den zentralen Unternehmensorganen
vorgesehen, in denen die grundlegenden wirtschaftlichen Entscheidungen
gefällt werden
13
. Die wirtschaftliche Mitbestimmung bezweckt, die
Organisations-, Planungs- und Leitungsgewalt über das Unternehmen
umzugestalten. Die Bestimmungsmacht soll von der tragenden Gesellschaft
des Unternehmens und damit letztlich von den Anteilseignern auf gewählte
Vertreter der Arbeitnehmerschaft übergeleitet werden
14
. Weiterhin bewirkt
sie, dass die Arbeitnehmer in ihrer Gesamtheit im Unternehmen
gleichberechtigt und gleichgewichtig die Macht erhalten, über das Verhalten
des mitbestimmten Unternehmens am Markt mitzubestimmen
15
.
Im Folgenden wird sich diese Arbeit ausschließlich mit der Mitbestimmung
auf Unternehmensebene beschäftigen, wobei diese in den einzelnen
Mitgliedstaaten der Europäischen Union aufgrund der historischen
Entwicklung sehr unterschiedlich ausgeprägt ist
16
. Im Einzelnen soll auf die
unternehmerische Mitbestimmung der Bundesrepublik Deutschland und
Großbritannien eingegangen werden, da deren Systeme die beiden Extreme
der Arbeitnehmerbeteiligung darstellen.
2.2 Mitbestimmung in der Bundesrepublik Deutschland
Im internationalen Vergleich verfügt die Bundesrepublik Deutschland über
den größten Bestand an Mitbestimmungsgesetzen und -regelungen. In
keinem anderen Land befinden sich die Rechte der Arbeitnehmer hinsichtlich
Mitwirkung (Unterrichtungs- und Anhörungsrechte) und Mitbestimmung auf
12
Vgl. Figge (1992), S. 99.
13
Vgl. Matschke (1986), S. 19.
14
Vgl. Huber (1970), S. 42.
15
Vgl. Rube (1982), S. 63.
16
Vgl. Mävers (2002), S. 33.
8

ARBEITNEHMERMITBESTIMMUNG
einem so hohen Niveau
17
. In deutschen Aktiengesellschaften wird
ausschließlich das dualistische System gehandhabt. Die unternehmerischen
Leitungsorgane sind der geschäftsführende Vorstand und der kontrollierende
Aufsichtsrat
18
. Die unternehmerische Mitbestimmung ist in Deutschland in
mehreren Gesetzen geregelt. Welches jeweils zur Anwendung kommt, ist
von der Branche des Unternehmens und der Zahl der Beschäftigten
abhängig. Zu nennen sind:
1. Das ,,Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den
Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und
der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie"
(Montanmitbestimmungsgesetz) von 1951.
2. Das ,,Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung
der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der
Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden
Industrie" (Montan-Mitbestimmungsergänzungsgesetz) von 1956.
3. Das Betriebsverfassungsgesetz von 1952.
4. Das Betriebsverfassungsgesetz von 1972.
5. Das Drittelbeteiligungsgesetz von 2004.
6.
Das ,,Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer"
(Mitbestimmungsgesetz) von 1976
19
.
2.2.1 Montanmitbestimmungsgesetz
Das Montanmitbestimmungsgesetz war in Deutschland die erste gesetzliche
Regelung über die Beteiligung von Arbeitnehmern auf Unternehmensebene.
Dieses Gesetz findet Anwendung auf Unternehmen des Bergbaus und der
Eisen und Stahl erzeugenden Industrie, vorausgesetzt es liegt die
Rechtsform einer Aktiengesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung
17
Vgl. Niedenhoff (1995), S. 8.
18
Vgl. Mävers (2002), S. 36.
19
Vgl. Leupold (1993), S. 147.
9

ARBEITNEHMERMITBESTIMMUNG
oder bergrechtlichen Gesellschaft vor. Bei Unternehmen, die keine
Einheitsgesellschaften
20
sind, greift das Montanmitbestimmungsgesetz nur,
wenn regelmäßig mehr als 1000 Arbeitnehmer beschäftigt sind (§ 1 Abs. 1
Satz 1 lit. a-c und Abs. 2 MontanmitbestG). Nach § 4 MontanmitbestG
besteht der Aufsichtsrat aus insgesamt elf Mitgliedern mit jeweils vier
Vertretern der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite
21
. Zu jeder Seite kommt
noch ein weiteres Mitglied hinzu, das weder Repräsentant einer
Gewerkschaft oder einer Vereinigung der Arbeitgeber noch Beschäftigter des
Unternehmens oder wirtschaftlich an ihm interessiert sein darf. Außerdem
wird noch ein weiteres neutrales Mitglied in den Aufsichtsrat entsandt. Von
den vier Arbeitnehmervertretern müssen zwei in einem Betrieb des
Unternehmens beschäftigt sein. Die zwei verbleibenden Vertreter werden
von den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften vorgeschlagen und vom
Betriebsrat gewählt (§ 6 Abs. 1, 3 MontanmitbestG). Verfügt die Gesellschaft
über ein höheres Nennkapital als zehn Millionen Euro, kann durch Satzung
oder Gesellschaftsvertrag bestimmt werden, dass der Aufsichtsrat aus
fünfzehn Mitgliedern bestehen soll. Die Anzahl der vom Betriebsrat
vorzuschlagenden Arbeitnehmer und der Vertreter der Spitzenorganisationen
der Arbeitnehmer erhöht sich auf jeweils drei Personen. Bei einem
Nennkapital von mehr als 25 Millionen Euro kann durch Satzung oder
Gesellschaftsvertrag bestimmt werden, dass der Aufsichtsrat aus 21
Mitgliedern bestehen soll. Die Anzahl der vom Betriebsrat vorzuschlagenden
Arbeitnehmer und der Vertreter der Spitzenorganisationen der Arbeitnehmer
erhöht sich dann auf jeweils vier Personen. Ebenso erhöht sich die Zahl der
weiteren Mitglieder für die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite auf jeweils
zwei Personen (§ 9 MontanmitbestG). Die Besetzung des Aufsichtsrats
erfolgt weitgehend paritätisch
22
.
20
Der Begriff ,,Einheitsgesellschaft" geht lt. § 1 Abs. 1 Satz 1 lit. b MontanmitbestG auf das
Gesetz Nr. 27 der Alliierten Hohen Kommission vom 16.05.1950 zurück (Amtsblatt der
Alliierten Hohen Kommission für Deutschland, S. 299). Dieser Begriff bezeichnet die bei der
damaligen Konzernverflechtung im Montanbereich gebildeten Gesellschaften.
21
Vgl. Wächter (1983), S. 32.
22
Vgl. Leupold (1993), S. 147 f.
10

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783832494056
ISBN (Paperback)
9783838694054
DOI
10.3239/9783832494056
Dateigröße
423 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg – Sozial- und Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2006 (März)
Note
1,0
Schlagworte
mitbestimmung europarecht verhandlungen verhandlungsgremium auffangregelungen
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