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JUST4WOMEN - Eine linguistische Analyse erotischer Sprachverwendung in der ersten erotischen Hörspielserie für Frauen

©2004 Magisterarbeit 174 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Der Wortschatz, mit dem weibliche und männliche Geschlechtsteile sowie sexuelle Handlungen bezeichnet werden, ist ausgesprochen groß. Zahlreiche Begriffe der Fachsprache, Standardsprache oder Umgangssprache sind für diese Bereiche verfügbar. Das Problem der Sexualsprache ist also nicht das Fehlen von Ausdrücken, sondern vielmehr die Unsicherheit, den ‚richtigen‘ Begriff im entsprechenden Umfeld zu wählen.
Da es sich beim Sprechen über Sexualität um eine private Angelegenheit handelt, und in unserer Gesellschaft von einem Tabu behaftet ist, fällt es vielen Sprechern nicht leicht, offen darüber zu kommunizieren. Es wird befürchtet, durch die Wortwahl intime Ansichten preiszugeben. Um dem zu entgehen, wird auf Metaphern oder Umschreibungen ausgewichen. Häufig werden Begriffe, die ein Geschlechtsteil oder eine sexuelle Praktik bezeichnen, nur angedeutet oder sogar weggelassen.
Auch in der Wissenschaft und Forschung hat sich die Tabuisierung von Sexualität entfaltet. Forscher, die sich mit dem Thema befassen, vermerken fast einheitlich zu Beginn ihrer Arbeiten, wie problematisch es ist, Kollegen zu finden, die an dem Thema mitarbeiten.
Ein weiters Problem ist, dass die Forschung wenige authentische Beschreibungen des Geschehens und Erlebens besitzt. Ein Grund hierfür liegt in der Privatisierung der Sexualität.
Sexualwissenschaftler und insbesondere Sexualpädagogen, die das Sprechen über Sexualität zum Grundsatz einer wünschenswerten Sexualerziehung erhoben haben, haben den Bedarf an linguistischen Forschungen deutlich erkannt und auch die Lexikographie nimmt sich allmählich der Komplexität des sexuellen Wortschatzes an, nachdem dieser auch in Wörterbüchern lange Zeit tabuisiert wurde.
Insgesamt finden sich jedoch nur sporadisch Beiträge zum Thema Sexualität und Sprache. Auch in den Medien ist demzufolge eine Problematik bei der Verwendung der Sexualsprache zu beobachten.
In dieser Arbeit geht es darum, die lexikalischen Mittel darzustellen, die beim Sprechen über Sexualität und beim Sprechen während einer sexuellen Handlung von Frauen verwendet werden. Auf eine strikte Trennung von Sprachwissen und Sprachanwendung wird verzichtet, da vorausgesetzt wird, dass die Bedeutung eines Ausdrucks klar ist, wenn dieser Ausdruck verwendet wird. Das Ziel der Arbeit ist es, herauszufinden, wie Frauen in welchem Kontext über Sexualität sprechen und wie sie sich während einer sexuellen Handlung ausdrücken. Den Schwerpunkt dieser […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 9401
Gregus, Kirsten: JUST4WOMEN -
Eine linguistische Analyse ,erotischer Sprachverwendung` in der ersten erotischen
Hörspielserie für Frauen
Druck Diplomica GmbH, Hamburg, 2006
Zugl.: Universität zu Köln, Magisterarbeit, 2004
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung und Methodik ... 5
1.1 Problemstellung ... 5
1.2
Ziel der Arbeit ... 5
1.3 Vorgehensweise ... 6
2 Sexualsprache... 7
2.1
Definition von Sexualsprache ... 7
2.2 Erotische
Sprachverwendung... 12
2.3 Geschichte
der
Sexualsprache... 13
3
Erotische Sprachverwendung von Frauen in den Medien... 20
3.1
Differenzierung von erotischer Sprachverwendung bei
Frauen und Männern ... 20
3.2
Differenzierung von Pornographie und Erotik in den Medien... 23
3.3
Frauenerotik in den Medien ... 25
3.3.1 Film und Fernsehen... 26
3.3.2 Frauenliteratur ... 28
3.3.3 Hörspiel ... 29
4
Sprachliche Analyse der ersten erotischen Hörspielserie
JUST
4
WOMEN
... 30
4.1 Hörspiele ... 30
4.1.1 Geschichte und Entwicklung von Hörspielen ... 30
4.1.2 Einsatz von Sprache in Hörspielen ... 31
4.1.3 Sprachliche Anforderungen an Erotik im Hörspiel... 33
4.2 Darstellung
von
JUST
4
WOMEN
... 34
4.2.1 Konzept
von
JUST
4
WOMEN
... 34
4.2.2 Zielgruppe ... 36
4.2.3 Einsatz
des
Panels ... 37
4.2.4 Vermarktung und PR... 38

4.3
Sprachliche Analyse der Drehbücher... 39
4.3.1 Wortschatzanalyse der erotischen Szenen und der Gespräche über
Sexualität... 39
4.3.1.1
Wortschatzanalyse Folge 1 ... 39
4.3.1.2
Wortschatzanalyse Folge 2 ... 41
4.3.1.3
Wortschatzanalyse Folge 3 ... 43
4.3.1.4
Wortschatzanalyse Folge 4 ... 44
4.3.1.5
Gesamtüberblick der Folgen 1 bis 4... 45
4.4 Empirische
Untersuchung
der erotischen Sprachverwendung
in der Hörspielserie
JUST
4
WOMEN
mit Hilfe eines Fragebogens ... 47
4.4.1 Zielsetzung
des
Fragebogens ... 47
4.4.2 Aufbau des Fragebogens ... 47
4.4.3 Auswertung des Fragebogens ... 50
4.4.3.1
Aussagen zu den Kontexten ... 50
4.4.3.2 Allgemeine
Begriffsauswertung... 52
4.4.3.3
Begriffsauswertung nach Altersklassen ... 56
4.4.3.4
Begriffsauswertung nach Sprachtypen... 58
4.4.3.5 Alternative
Nennungen ... 59
4.5
Sprachliche Bewertung der erotischen Hörspielserie ... 61
4.5.1 Erotische
Sprachverwendung im Hörspiel
JUST
4
WOMEN
... 61
4.5.2 Einsatz
von
Sexualsprache ... 62
5 Zusammenfassung... 65
6 Fazit... 68
7 Anhang ...I
8 Literaturverzeichnis...CII

Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Wort-Bild-Marke
JUST
4
WOMEN
... 37
Abbildung 2: Übersicht abgefragter Begriffe nach Kategorien ... 49
Abbildung 3: Mögliche Ausprägungen soziodemographischer Daten ... 49
Abbildung 4: Diagramm Partnerstatus und Sprachkontext ... 51
Abbildung 5: Diagramm der Sprachverwendung nach Bildungsstand und Kontext ... 52
Abbildung 6: Diagramm Erotische Begriffsverwendung nach Kontext ... 56
Abbildung 7: Diagramm der Sprachtypen nach Sprachkontext ... 59

1
Einleitung und Methodik
1.1
Problemstellung
Der Wortschatz, mit dem weibliche und männliche Geschlechtsteile sowie sexuelle
Handlungen bezeichnet werden, ist ausgesprochen groß. Zahlreiche Begriffe der
Fachsprache, Standardsprache oder Umgangssprache sind für diese Bereiche verfügbar.
Das Problem der Sexualsprache ist also nicht das Fehlen von Ausdrücken, sondern viel-
mehr die Unsicherheit, den ,richtigen` Begriff im entsprechenden Umfeld zu wählen.
Da es sich beim Sprechen über Sexualität um eine private Angelegenheit handelt, und in
unserer Gesellschaft von einem Tabu behaftet ist, fällt es vielen Sprechern nicht leicht,
offen darüber zu kommunizieren. Es wird befürchtet, durch die Wortwahl intime
Ansichten preiszugeben. Um dem zu entgehen, wird auf Metaphern oder Umschrei-
bungen ausgewichen. Häufig werden Begriffe, die ein Geschlechtsteil oder eine sexuelle
Praktik bezeichnen, nur angedeutet oder sogar weggelassen.
Auch in der Wissenschaft und Forschung hat sich die Tabuisierung von Sexualität
entfaltet. Forscher, die sich mit dem Thema befassen, vermerken fast einheitlich zu
Beginn ihrer Arbeiten, wie problematisch es ist, Kollegen zu finden, die an dem Thema
mitarbeiten.
Ein weiters Problem ist, dass die Forschung wenige authentische Beschreibungen des
Geschehens und Erlebens besitzt. Ein Grund hierfür liegt in der Privatisierung der
Sexualität.
Sexualwissenschaftler und insbesondere Sexualpädagogen, die das Sprechen über
Sexualität zum Grundsatz einer wünschenswerten Sexualerziehung erhoben haben,
haben den Bedarf an linguistischen Forschungen deutlich erkannt und auch die
Lexkographie nimmt sich allmählich der Komplexität des sexuellen Wortschatzes an,
nachdem dieser auch in Wörterbüchern lange Zeit tabuisiert wurde.
Insgesamt finden sich jedoch nur sporadisch Beiträge zum Thema Sexualität und
Sprache. Auch in den Medien ist demzufolge eine Problematik bei der Verwendung der
Sexualsprache zu beobachten.
1.2
Ziel der Arbeit
In dieser Arbeit geht es darum, die lexikalischen Mittel darzustellen, die beim Sprechen
über Sexualität und beim Sprechen während einer sexuellen Handlung von Frauen
verwendet werden. Auf eine strikte Trennung von Sprachwissen und Sprachanwendung
wird verzichtet, da vorausgesetzt wird, dass die Bedeutung eines Ausdrucks klar ist,
wenn dieser Ausdruck verwendet wird.
5

Das Ziel der Arbeit ist es, herauszufinden, wie Frauen in welchem Kontext über
Sexualität sprechen und wie sie sich während einer sexuellen Handlung ausdrücken.
Den Schwerpunkt dieser Arbeit bildet hierbei die Analyse und Bewertung der Begriffe,
die in der ersten erotischen Hörspielserie für Frauen -
JUST
4
WOMEN
- für die Bezeich-
nung weiblicher und männlicher Geschlechtsorgane sowie einer sexuellen Handlung
verwendet werden. Die Auswertung eines Fragebogens zu diesem Thema spielt in
diesem Zusammenhang eine wesentliche Rolle. Aus den Ergebnissen sollen
Empfehlungen für die erotische Sprachverwendung in der Serie abgeleitet werden.
Da, wie schon gesagt, das Sprechen über Sexualität in unserer Gesellschaft noch immer
mit einem Tabu behaftet ist, wird die These vertreten, dass in Gesprächen über Sexuali-
tät in der Hauptsache Begriffe aus dem fachsprachlichen oder normalsprachlichen
Bereich verwendet werden. Je bekannter die Kommunikationspartner einander sind,
desto mehr werden auch Begriffe aus dem umgangssprachlichen Bereich verwendet.
Weiterhin soll untersucht werden, ob sich die These, dass während einer sexuellen
Handlung vermehrt Begriffe der Umgangssprache zum Einsatz kommen, bestätigt.
1.3
Vorgehensweise
Zu Beginn der Arbeit wird ein Überblick über die Geschichte der Sexualsprache und
deren Definition gegeben. Dies ist erforderlich, da es keine allgemeingültige Definition
der Sexualsprache gibt.
In Kapitel 3 findet ein Vergleich statt, in dem die Unterschiede der Sprachverwendung
von Frauen und Männern herausgearbeitet werden. Außerdem werden die erotischen
Medien für Frauen dargestellt, die auf dem deutschen Markt vorhanden sind. Hierbei
wird deutlich gemacht, welche Sprache in diesen Medien zum Einsatz kommt.
Eine Analyse der Drehbücher der erotischen Hörspielserie
JUST
4
WOMEN
und ein
Fragebogen sollen zusätzlich Aufschluss über die Sprachverwendung von Frauen geben.
Nach einem knappen Überblick über das Medium ,Hörspiel` und der kurzen
Vorstellung der Serie
JUST
4
WOMEN
werden die erotischen Szenen der Drehbücher der
bisher erschienenen vier Folgen analysiert. Hierbei beschränkt sich die Arbeit auf die
Begriffe für weibliche und männliche Geschlechtsteile sowie Bezeichnungen von
sexuellen Handlungen. Hierbei wird nicht nur unterschieden, ob über Sexualität gespro-
chen, sondern auch in welcher Situation bzw. mit wem über Sexualität gesprochen wird
und welche Begriffe in den unterschiedlichen Kontexten bevorzugt werden.
Anschließend findet die Auswertung des Fragebogens nach den oben genannten
Kriterien statt.
6

Abschließend werden die Ergebnisse der Drehbuchanalyse und der Ergebnisse des
Fragebogens miteinander verglichen. Es soll herausgefunden werden, ob die Wortwahl
in den Drehbüchern den Anforderungen und Wünschen von Frauen an erotische
Sprache entspricht.
Für die Analyse der Hörspielserie stellte der Verlag ,,Sounds of Seduction" die
Drehbücher der Episoden zur Verfügung. Außerdem half er bei der Verbreitung des
Fragebogens.
Die Ergebnisse werden anschließend zusammengefasst.
2
Sexualsprache
2.1
Definition
von Sexualsprache
Die Begriffsklärung von Sexualsprache ist insofern problematisch, da es keine
allgemeingültige Definition gibt. Da sich Linguisten bislang kaum mit der Erforschung
der Sexualsprache befasst haben, bleibt die Suche nach dem Begriff in Nachschlage-
werken erfolglos. Es ist zu vermuten, dass die Zurückhaltung der Sprachwissenschaftler
darin begründet liegt, dass die Tabuisierung von Sexualität auch in Wissenschaft und
Forschung ihre Wirkung entfaltet hat, und das Thema gemieden wird, um nicht in den
Ruf des Unseriösen zu kommen.
1
Die in Kapitel 2.3 beschriebene Ignoranz und Nach-
lässigkeit der Lexikographen, sexualitätsbezeichnende Lexeme in Wörterbücher
aufzunehmen, belegt diese Vermutung.
Der Sexualwissenschaftler Norbert Kluge zählt die Sexualsprache in seiner Studie zur
,,Sexualsprache der Deutschen" zur Gruppe der Sondersprachen und begründet dies
damit, dass die Sprache über Sexualität die Kriterien einer Sondersprache erfüllt.
2
Als
Formen der Sexualsprache unterscheidet er Kindersprache, Vulgärsprache, Umgangs-
sprache, Standardsprache und Fachsprache.
3
Für seine Umfrage verwendet er drei Sprachformen: die Fachsprache, die
Standardsprache und die Vulgärsprache. Während er die Begriffe der Fach- und
Standardsprache eindeutig zuordnet, überlässt er es den Befragten, zu entscheiden, ob
ausgewählte Begriffe ­ er nennt sie unerwünschte Sexualwörter ­ der Vulgär-,
Umgangs-, Gossen- oder Fäkalsprache angehören. Demnach präferiert Kluge aufgrund
der ermittelten Prozentwerte die Formen Vulgärsprache (41,9%) und Umgangssprache
(30,1%).
4
1
Schimpf 2001, S. 63.
2
Kluge, S. 13.
3
Ebenda, S. 17.
4
Ebenda, S. 26.
7

Unter Sondersprachen werden im weiteren Sinne alle sozial-, geschlechts- und
altersspezifisch bedingten Sprachvarianten verstanden, die von der Standardsprache
abweichen. Auch die berufs- und fachwissenschaftlich begründeten Sonder-
gruppierungen spielen hierbei ein Rolle.
Sozialgebundene Sondersprachen werden von sachgebundenen Sondersprachen im
Sinne von Fachsprachen unterschieden. Die Übergänge sind hierbei fließend, da sich
fachspezifische Gruppierungen wie z. B. Berufe häufig mit sozialen Schichtungen
decken. In der neueren Forschung werden Sondersprachen auch als Gruppen-, Standes-
oder Berufssprachen bezeichnet. Hierbei liegen die Unterschiede zur Standardsprache
vor allem in dem Sonderwortschatz, der sich aus gruppenspezifischen Interessen und
Bedürfnissen entwickelt.
Sondersprachen entwickeln durch neuartige (metaphorische) Verwendung vorhandener
Ausdrücke die ihnen eigentümliche Variante. Dies geschieht auf lexikalischer und
grammatischer Basis der Einheitssprache. Außerdem wird die Gemeinsprache von
Sondersprachen befruchtet, indem sich sondersprachliche Ausdrücke in der Standard-
sprache einbürgern.
5
Zur Standard- oder Normalsprache ist festzuhalten, dass es sich hierbei um die in
Deutschland seit den 70er Jahren übliche deskriptive Bezeichnung der historisch
legitimierten, überregionalen, mündlichen und schriftlichen Sprachform der sozialen
Mittel- und Oberschicht handelt. Sie wird auch als Hochsprache bezeichnet und hat die
Funktion des öffentlichen Verständigungsmittels. Sie unterliegt vor allem der Kontrolle
und Vermittlung durch das Bildungssystem, aber auch der öffentlichen Medien und
Institutionen.
6
Bei der Umgangssprache handelt es sich um eine Varietät aus Hochsprache und Dialekt.
Sie weist zwar regionale Färbungen auf, jedoch keine extremen Dialektismen. Die
Umgangssprache wird fast ausschließlich auf mündlicher Basis in informellen und
privaten Situationen angewendet.
7
Auch bildhafte, metaphorische, saloppe und Kraft-
ausdrücke gehören der Umgangssprache an.
Die Fachsprache hat demgegenüber die Funktion einer präzisen und differenzierten
Kommunikation über meist berufsspezifische Sachbereiche und Tätigkeitsfelder. Sie ist
geprägt durch überregionale Standardisierung, Exaktheit und Ökonomie der Infor-
mationsvermittlung und ein hohes gesellschaftliches Prestige.
8
Im Bereich der
Sexualität sind die Termini meistens lateinischer Herkunft.
9
5
Bußmann, Lexikon der Sprachwissenschaft.
6
Ebenda.
7
Ebenda.
8
Ebenda.
9
Kluge, S. 15.
8

Schlägt man verschiedene sexuelle Begriffe im ,,Großen Wörterbuch der deutschen
Sprache" nach, stellt man fest, dass dort eine breite Differenzierung stattfindet. Die
Ausdrücke werden hier neben Fach-, Normal oder Umgangssprache mit den Adjektiven
salopp, verhüllend, salopp-verhüllend, umgangssprachlich-verhüllend, salopp-scherz-
haft, scherzhaft, vulgär und derb bewertet. Oft ist jedoch unklar, nach welchen Kriterien
z. B. die Grenzen zwischen derb und vulgär gesetzt werden. Hierbei sind die folgenden
semantische Untersuchungen erforderlich: Erfassung, Beschreibung und Bedeutung der
Wörter, ihre Konnotationen sowie ihre Häufigkeit in mündlichen und schriftlichen
Textsorten. Auch die unterschiedliche Verwendung durch Frauen und Männer sowie
bezüglich des Alters sind von Bedeutung.
10
Des Weiteren ist festzuhalten, dass die Umgangssprache der Gegenwart weniger mit
Neuprägungen als mit Neudeutungen arbeitet. In beiden Fällen unterscheidet sich das
idiomatische Vokabular nicht wesentlich vom Hochdeutschen. Der Unterschied liegt
vielmehr in der Sinngebung. Während Metaphern ihrer Metaphorik entkleidet werden
und mit ironischer Scheinnaivität wörtlich genommen werden, werden Vokabeln, die im
Hochdeutschen einen eindeutigen Sinn haben, auf unbeabsichtigte Doppeldeutigkeit hin
untersucht und in ihrem zweiten Sinn verwendet. So ist z. B. der Ständer in der
Sexualsprache nicht mehr das Gestell, auf das man Hüte oder Mäntel hängt, sondern der
erigierte Penis. Diese Zweitbedeutung wird jedoch nur demjenigen bewusst, der den
Code der Sexualsprache erfasst hat und sie dechiffriert oder demjenigen, der zu einer
der sexuellen Minderheiten, wie z. B. der Prostitution, gehört, in denen die Zweit-
bedeutung üblich und die Erstbedeutung sekundär ist.
11
Betrachtet man z. B. das Stichwort Loch, findet man im ,,Großen Wörterbuch der
deutschen Sprache" verschiedene Bewertungen. Während Loch in seiner üblichen Be-
deutung als normalsprachlich gilt, ist die Bezeichnung Loch für einen dunklen, kleinen
Wohnraum salopp und für ein Gefängnis umgangssprachlich. Die Bezeichnung Loch für
After ist derb und Loch für Vagina gilt als vulgär. Dieses Beispiel von dem polyseman-
tischen Wort Loch macht deutlich, dass ein Wort nicht an sich obszön ist, sondern erst
durch die Sache, die es bezeichnet einen anstößigen Charakter erhält.
Betrachtet man das Sexualvokabular in Wörterbüchern weiter, ist festzustellen, dass
keine stilistische Abqualifizierung von Begriffen der tabuisierten Sexualität und des
tabuisierten Vorgangs des Geschlechtsverkehrs stattfindet, wenn sie mehr versachlicht
werden und somit stärker ins Unanschauliche rücken. Diese Wörter gelten als normal-
sprachlich.
12
So bleiben z. B. Fremdwörter wie Anilingus im ,,Großen Wörterbuch der
deutschen Sprache" stilistisch unmarkiert: ,,(Sexualkunde) das Lecken am After des
Geschlechtspartners als Form sexueller Befriedigung".
10
Liebsch, S. 89.
11
Bornemann, Einleitung, Sex im Volksmund; s. auch Liebsch, S. 84.
12
Müller, S. 54.
9

Als unanschaulich und somit lustfrei gelten jedoch nicht nur Fremdwörter, sondern auch
deutsche Wörter, wenn es sich um die Bezeichnung sexueller Organe handelt, die nicht
zu sehen sind und somit der Phantasie und Metaphorik keine Basis geben. Hierzu zählen
z. B. die Ausdrücke Vorsteherdrüse, Gebärmutter oder Eierstock.
13
Es ist jedoch auch zu beobachten, dass die Zuordnung der Sexualwörter zu den
Stilschichten in einzelnen Wörterbüchern unterschiedlich ist. Hierbei ist eine
Entwicklung zu beobachten, bei der eine leichte Aufwertung der saloppen oder derben
Umgangssprache erfolgt. Ausdrücke, die vormals an der Peripherie der Sprache
standen, dringen allmählich ins Zentrum vor und gewinnen dabei an Akzeptanz. Ein
Beispiel hierfür ist das Wort Möse. Während es im ,,Großen Wörterbuch der deutschen
Sprache" 1978 noch als vulgär eingestuft wird, ist es im ,,Duden-Universalwörterbuch"
1983 und in der dritten Auflage des Großen Wörterbuchs der deutschen Sprache 1999
derb und im Brockhaus-Wahrig salopp.
Ein weiteres Merkmal der Sexualsprache ist die Verwendung von Euphemismen. Mit
ihnen gelingt es, das auszusprechen, was nach allgemeiner Übereinkunft nicht
ausgesprochen werden soll. Da derjenige, der ein Tabuwort ausspricht, als sozial
minderwertig eingestuft wird, stellen Euphemismen die Möglichkeit dar, Tabuworte zu
umgehen.
14
Das folgende Beispiel soll die Wirkung von Euphemismen verdeutlichen. Während das
Gesäß als sachlich gilt, hat der Begriff Sitzfleisch einen Nebenton lächelnden Wohl-
wollens, den man durch die Wendung von den vier Buchstaben noch verstärken kann.
Das Wort Po gilt als familiär, wobei hier mit dem Ausdruck variiert werden kann.
Der grammatikalisch nicht zu rechtfertigende Umlaut gibt eine zusätzliche
Verschleierung her. Auch der Allerwerteste ist eine Möglichkeit, das Gesäß auf eine
verschleiernde Art zu bezeichnen.
Unterscheidet man zwischen einer Sprache der Sexualität und der Pornographie fällt
auf, dass Derivata, Komposita und Neudeutungen die Grundlage für das sprachliche
Produktivitäts- und Innovationspotenzial der Sprache über Pornographie bilden.
15
Derivativa werden vor allem bei Adjektiven ­ z. B. Geilheit ­ oder Verben ­ z. B.
durchficken ­ gebildet.
16
Bei der Betrachtung der Komposita fällt auf, dass es sich hier
häufig um Metaphern oder Euphemismen handelt. Die Zusammensetzungen treten hier
am meisten im Bereich der Substantive auf ­ z. B. Supersex.
17
Auch im Bereich der
Neudeutungen treten Komposita auf ­ Riesenschwanz, Luststange. Des Weiteren
werden im Bereich der Neudeutungen lexikalische Felder bevorzugt und semantisch
13
Müller, S. 54.
14
Mackensen, S. 135.
15
Böhne, S. 121.
16
Ebenda, S. 106.
17
Ebenda, S. 108.
10

sexualisiert. Die Begriffe sind zum Teil so weit normiert, dass sie zum festen Inventar
der pornographischen Kommunikationssituationen gehören. Hierbei finden Entleh-
nungen aus anderen Sprachgruppen statt, wie z. B. aus der Sprache der Techniker und
Handwerker ­ Kolben, Riemen ­, der Sprache der Krieger und Jäger ­ Fickprügel,
Samenschleuder ­ , der Sprache der Landwirte und Biologen ­ Hengst, Pflaume ­, der
Sprache des Sports ­ Nummer, Sexspiele ­ , der Sprache des häuslichen Bereichs ­ Eier,
saftig ­, der Sprache der Religion und Mystik ­ Zauberstab, Liebessaft ­ und anderen
Bereichen ­ Orgasmuswelle, flutschig. Um Eintönigkeit zu vermeiden, werden zudem
bildhafte Ausdrücke wie z. B. Loch oder Begriffe, die auch in der Öffentlichkeit
zugelassen sind, wie Kitzler, Brüste oder Schamhaare verwendet.
18
Untypisch für die
Sprache der Pornographie sind Diminutiva, die jedoch in der Sprache der Sexualität
durchaus auftreten.
19
Problematisch bei der Einordnung der Sexualsprache als Sondersprache ist jedoch, dass
sie zwar typische Sprachgebrauchsformen aufweist, sich aber nicht auf eine spezifische
Gruppe reduzieren lässt, wie es bei anderen linguistischen Arbeiten zur Sprache des
Fußballs, der Jagd, des Bergbaus etc. der Fall ist, sondern alle Angehörigen der Sprach-
gemeinschaft über die Sprache der Sexualität verfügen.
20
Auch andere in der Sozio-
linguistik verwendete Parameter wie Raum, Situation/Funktion und Zeit sind weniger
geeignet, die sogenannte Sexualsprache schlüssig und umfassend zu integrieren und als
sprachliche Varietät zu kennzeichnen. Hierfür weist die Sexualsprache zu viele Dimen-
sionen auf.
21
Auch die Betrachtung der Sprache im Bereich der Sexualität als die Repräsentation
eines ausgewählten Sachbereichs ist problematisch. Man bewegt sich hier im
theoretisch-methodischen Paradigma der Fachsprachenlinguistik, in deren Mittelpunkt
vor allem die Frage steht, welche sprachlichen Zeichen bei Experten und Laien
kontrastiv vorhanden sind und wie sich die jeweiligen Bedeutungen von gemeinsam
verwendeten Zeichen unterscheiden, wobei es nicht immer leicht zu entscheiden ist, ob
ein Zeichen als fachsprachlich oder gemeinsprachlich einzustufen ist. Auch die
Festlegung des Experten- und Laienstatus stellt ein Problem dar. Während es in
speziellen Bereichen wie etwa biologischen oder medizinischen Prozessen möglich ist,
den Experten- und Laienstatus zu definieren, ist dies im Bereich des individuellen
Erfahrungs- oder Erlebnishorizonts nicht möglich.
22
18
Böhne, S. 109 ff.
19
Ebenda, S. 106.
20
Ebenda, S. 124.
21
Schimpf 2001, S. 64.
22
Ebenda, S. 64 f.
11

In dieser Arbeit werden als salopp, verhüllend, scherzhaft, vulgär bzw. derb bewertete
Ausdrücke oder Metaphern der Umgangssprache zugeordnet. Diese Einordnung
entspricht der Definition der Umgangssprache im ,,Lexikon der Sprachwissenschaft"
von Hadumod Bußmann. Auch Neudeutungen sowie in Asexualität ausweichende Be-
griffe wie z. B. Personalpronomen fallen in den Bereich der Umgangssprache.
2.2
Erotische Sprachverwendung
Zur Verwendung der Sexualsprache lässt sich allgemein sagen, dass zwar immer mehr
über Sexualität gesprochen wird, es jedoch keine eindeutige Sprache gibt, die ange-
messen erscheint. Dies liegt daran, dass das Sprechen über Sexualität nach wie vor mit
einem Tabu behaftet ist.
Ein Problem für die Definition der erotischen Sprachverwendung ist, dass Sexuelles in
den einzelnen Kommunikationsfeldern unterschiedlich thematisiert wird. Während die
Diskursquantität in den Massenmedien, in der Kunst sowie in Alltagsgesprächen hoch
ist, taucht sie in den Bereichen Politik, Bildung und Wissenschaft kaum auf und in der
Ökonomie gar nicht. Hierbei fällt auf, dass sich die Massenmedien am ehesten auf ein
sozialwissenschaftliches Weltbild beziehen, während in der Politik ein moralisches
Weltbild kommuniziert wird. In der Bildung kommt eine Mischung aus natur-
wissenschaftlichen und moralischen Prämissen zum Einsatz.
23
Somit hat jedes Wort
bzw. jede Wortbedeutung im Gesamtwortschatz der Sprache seinen speziellen
stilistischen Stellenwert. Die Wortwahl des Sprechers/Schreibers hängt somit nicht nur
vom Sprecher/Schreiber selbst ab, sondern auch von der Textsorte. Die Textsorte
wiederum hängt von der Zielgruppe ab. Je nach Kommunikationspartner und Kontext
wird eine bestimmte ,Sprache` verwendet. Nicht nur der soziale Kontext, sondern auch
das Geschlecht des Sprechers sowie des Kommunikationspartners sind bei der Auswahl
des ,richtigen` Vokabulars von Bedeutung.
24
Betrachtet man die Realitätsadäquanz, ragen die Alltags- und die Massenkommunika-
tion heraus, in denen noch am ehesten ein Stück sexueller Wirklichkeit abgebildet wird.
Dennoch kritisieren Forscher, dass unser Vielreden einer Syntax ,,monologischen
Stammelns" folgt. Sie stellen fest, dass die allgemeine Unsicherheit darin begründet
liegt, dass in jedem Lebensbereich, in dem über Sexualität gesprochen wird, ein anderer
Kommunikationsstil zum Einsatz kommt.
25
Eine weitere Begründung für die Schwierigkeit, über Sexualität zu sprechen, ist das
damit verbundene Bekenntnis. Durch das Tabu, dass dem Thema Sexualität in unserer
Gesellschaft noch immer anhaftet, kommt der aktiven Auswahl einzelner sprachlicher
23
Lautmann, S. 18 f.
24
Müller, S. 21 f.
25
Lautmann, S. 18 f.
12

Zeichen eine enorme Symbolfunktion zu. Sowohl bei Produzenten als auch bei
Rezipienten besteht eine hohe Aufmerksamkeit dafür, welche Wörter benutzt werden
und welche nicht. Durch die sprachliche Annäherung an dieses Thema werden über das
Bezeichnete hinaus auch Einstellungen, Werte und Positionen vermittelt.
26
Bei der Betrachtung von Tabu oder Tabuwörtern spielt auch der soziale Status des
Sprechers oder Schreibers eine Rolle. Während die einen Schwanz und ficken für vulgär
halten, sind diese Wörter für andere schon normalsprachlich. Generell kann jedoch
gesagt werden, dass es als Aphrodisiakum wirken kann, Tabuwörter auszusprechen.
27
Bei der Verwendung von Sexualsprache spielt jedoch nicht nur der soziale Status des
Sprechers oder Hörers und der Kontext eine wichtige Rolle, sondern auch Alter und
Geschlecht. Inwieweit sich dies der Fall ist, wird in Kapitel 3.1 näher ausgeführt. Die
bereits erwähnte Erkundungsstudie über den aktuellen sexuellen Sprachgebrauch in
West- und Ostdeutschland von Norbert Kluge dient hierfür als Grundlage.
2.3
Geschichte
der Sexualsprache
Nachdem nun geklärt wurde, was Sexualsprache überhaupt ist, geht es in diesem
Kapitel um die Geschichte der Sexualsprache. Problematisch ist auch hier die sowohl
gesellschaftspolitische als auch intime, individuelle Dimension der Sexualität. Körper
und Körperlichkeit haben in unserer Gesellschaft im Vergleich zum Geistigen einen
geringeren Stellenwert
28
, was wohl der Grund dafür ist, dass oft gar nicht oder nur im
Geheimen über Sexualität gesprochen wird. Aus diesem Grund liegt der Schwerpunkt in
diesem Kapitel auf dem öffentlichen Sprachgebrauch über Sexualität.
Schon im Mittelalter ist Sexualität ein Thema, auf das nicht verzichtet werden können.
Während die einen nicht auf die Sinneslust verzichten wollen, machen es sich andere
zum Idealziel, der Lust zu widerstehen und sie zu unterdrücken. Betrachtet man
Bußbücher, Predigttexte oder profane Texte aus dieser Zeit, überrascht die Darstellung
der sehr speziellen Kenntnisse über sexuelle Praktiken und Positionen. In lateinischer
Sprache ist hier von männlicher und weiblicher Masturbation die Rede, vom Verkehr
mit Tieren, Anal- und Oralverkehr etc. Im Gegensatz dazu sollen die Predigttexte
sexualdisziplinierende Wirkung erzielen.
Die höfischen Dichter im Hochmittelalter verwenden gegenüber der lateinischen
Sprache der Kirche Bilder, um das Sexuelle auszudrücken oder weichen auf
verschleiernd-andeutende Schilderungen aus.
29
26
Schimpf 2001, S. 71.
27
Böhne, S. 27.
28
Müller S. 15.
29
Ebenda, S. 13.
13

Während es im 15. und 16. Jahrhundert in der Volkspoesie sprachlich noch recht derb
und genussfroh zugeht, beginnt im 17. Jahrhundert die Ausgrenzung der Sexualität aus
dem öffentlichen Sprachgebrauch. Es widerspricht dem ,Anstand`, über den
Geschlechtstrieb zu sprechen. Das aufkommende Bürgertum distanziert sich von den
sprachlichen Derbheiten und stuft den volkstümlichen sexuellen Wortschatz als vulgär
ein.
30
Lexikographen wie Caspar von Stieler oder Matthias Kramer nehmen Wörter, die
,,vielleicht keusche Ohren verletzen könnten", dennoch in ihre Wörterbücher auf und
begründen dies damit, dass die Sprachlehre keine Sitten- oder Morallehre sei, sondern
zur Aufgabe habe, vollständige Wörterbücher zu schreiben. In einem Wörterbuch aus
dem Jahr 1700 sieht man zudem deutlich, dass die Lexikographen der Zeit, Freude an
der Sinnlichkeit haben. Unter dem Stichwort Dutten (= weibliche Brust) findet man
Beispiele, wie schöne, derbe, kernige, runde, apfelrunde Düttlein,die Düttlein betasten,
patschen, mit den Düttlein spielen oder an den Düttlein sich ergetzen. In Büchern bis
zum Anfang des 18. Jahrhunderts findet man noch Wörter, wie Düttleinpatscher oder
Duttengreifer, die die sinnenfrohe Derbheit des Simplicius Simplisissimus widerspie-
geln.
31
1774 ist dies nicht mehr der Fall, wenn Lexikograph Adelung sagt: ,,Die ganz
pöbelhafte [Sprechart] ist tief unter dem Horizont des Sprachforschers, daher man sie
hier nicht suchen darf, außer wenn einige besondere Umstände eine Ausnahme nötig
machen." 1807 äußert sich Zeitgenosse Campe in ähnlicher Weise.
32
Nachdem im 19. Jahrhundert das Bürgertum sein Ziel im Bereich von Sprache und
Bildung erreicht hat, wird es um o. g. Wörter sehr still. Sprachliches Vorbild in der
Gesellschaft sind nun die Klassiker. Sprachliche Überheblichkeit und eine elitäre
Spracheinschätzung sind die Folge, die sprachlich zu Erstarrung und Intoleranz führen.
In der sogenannten guten bürgerlichen Gesellschaft ist das Sprechen über Sexuelles
tabu. Wird dennoch darüber gesprochen, werden nach Möglichkeit Wörter gewählt, die
unanschaulich und assoziationsfrei sind.
33
In der Lexikographie setzt sich die seit Ende des 18. Jahrhunderts begonnene Tendenz
des Weglassens fort. Jacob Grimm widmet den ,anstößigen` Wörtern 1854 zwar ein
ganzes Kapitel im Vorwort zu seinem deutschen Wörterbuch und spricht sich für die
Aufnahme dieser Wörter aus, aber dennoch sind sie in dem 32bändigem Deutschen
Wörterbuch (1854-1960) nicht vollständig erfasst.
30
Müller, S. 14; s. auch Cameron, S. 19
31
Müller, S. 39.
32
Ebenda, S. 40.
33
Ebenda, S. 14.
14

Daniel Sanders, Zeitgenosse und Kritiker der Grimms, nimmt hingegen viele sexuelle
Wörter in seine diversen Wörterbücher auf, was zwei verschiedene Weltbilder
widerspiegelt. Während bei den Grimms eine national verengte Bürgerlichkeit vor-
herrscht, die bestimmte Grenzen nicht überspringen kann, interessiert sich das liberale
Bürgertum, das der Welt aufgeschlossen gegenübersteht, auch für das, was außerhalb
der eigenen Welt existiert.
34
Dass sich die Lexikographen nicht an Wörter aus dem Sexualbereich herantrauen, zeigt,
dass häufig eher abgelegene Fachausdrücke in ein Lexikon aufgenommen werden. Im
Grimmschen Wörterbuch findet sich z. B. 1927 der Eintrag Zungenkrebs, nicht aber der
Zungenkuss. Auch 1998 fehlt letzterer Begriff noch in der Kussfamilie des
Wortfamilienwörterbuchs.
35
Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges dienen die Klassiker dem Bürgertum als Vor-
bild. Da es sich bei Sprache jedoch um etwas Lebendiges handelt und alles Lebendige
einem Wandel unterworfen ist, nimmt das Interesse an der Sprache der Klassiker
allmählich ab. Wörter, die früher an der Peripherie der Sprache standen, rücken mehr
ins Zentrum und gewinnen an Akzeptanz und stilistischem Stellenwert. Ein sprachlicher
Generationskonflikt entsteht. Die saloppe Umgangssprache erfährt ganz allgemein
dadurch eine Aufwertung, dass sie mehr und mehr in die Alltagssprache eindringt.
Zunächst einmal wird jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg eine sittliche Verwahrlosung
befürchtet. Die konventionelle und religiös motivierte Auffassung von der Unauf-
löslichkeit der Ehe wird durch Familienzerrüttungen und -trennungen in Frage gestellt.
In der allgemeinen Berichterstattung werden Hochwertvokabeln wie ,Anstand`, ,Sitte`
und ,Zucht` verwendet. Hierdurch sollen geordnete Verhältnisse sowie der traditionelle
Moralkodex erneut gefestigt werden, und die moralische Enthemmung im Ausnahme-
zustand des Krieges soll in Vergessenheit geraten.
36
Blickt man heute auf die fünfziger Jahre zurück, denkt man an die ,Prüderie der
Adenauer-Ära`. Vor- und außereheliche sexuelle Beziehungen sind tabu, und sexuelle
Praktiken werden in ,normal` und ,abnormal` unterteilt. Es wird versucht, jede Form der
,Unzucht` mit Hilfe des Strafrechts zu unterdrücken. Durch diese sexualrepressive Ethik
und die Tabuisierung sexueller Themenbereiche wird eine öffentliche Diskussion
verhindert und somit auch die Entwicklung eines Sprachgebrauchs. Wird dennoch über
Sexualität gesprochen, dienen Euphemisierungen und verlegene Andeutungen als
Platzhalter für Unaussprechliches.
37
34
Müller, S. 40 f.
35
Ebenda, S. 41.
36
Tönnessen, S. 594.
37
Ebenda, S. 595.
15

Erst die Untersuchungen des amerikanischen Sexualwissenschaftlers Alfred Kinsey, die
in den Fünfziger Jahren als ,eine Atombombe für Sitte und Moral` bezeichnet werden,
ermöglichen erste Thematisierungen von Sexualität und Partnerschaft in der Bericht-
erstattung. Worte wie ,normal` und ,abnormal` oder ,natürlich` und ,unnatürlich` im
Zusammenhang mit sexuellen Praktiken oder der Wahl des Sexualpartners werden nun
kritisiert.
38
Außerdem werden vorsichtig amerikanische Ausdrücke aus der kommerzia-
lisierten Erotik, wie z. B. Sex-Appeal oder Callgirl, zitiert, die sich später im deutschen
Sprachgebrauch etablieren. Die englische Striptease-Show wird Ende der fünfziger
Jahre mit amtlich klingenden Ausdrücken wie Entkleidungsszene oder nudistische
Attraktion in neuen Londoner ,Vergnügungs-Lokalitäten` übersetzt.
39
Durch den Mangel eines ,erotischen Vokabulars` in der öffentlichen Berichterstattung
wird die noch immer dominierende christliche Auffassung von Sexualität als bloßem
Mittel der Familiengründung verdeutlicht. Durch die Verwendung von Euphemismen
und Andeutungen sowie die Verdrängung ins medizinisch-biologische Abseits werden
sinnlich-erotische Komponenten der Sexualität negiert.
40
Als sich in den sechziger Jahren die sexualwissenschaftliche Forschung und ihre Er-
kenntnisse etablieren sowie die Kirche allmählich an Autorität verliert, entwickelt sich
eine gesamtgesellschaftliche Diskussion über Sexualität. Hierzu tragen außerdem die
Entwicklung der hormonalen Kontrazeption und die Protestbewegungen gegen Ende
des Jahrzehnts erheblich bei.
41
Begriffe wie orale Empfängnisverhütung, orale Kontrezeptonsmethode oder Anti-Baby-
Pille bestimmen in der ersten Hälfte der sechziger Jahre die mediale Berichterstattung.
Die Moral, vormals das Mittel zur Geburtenkontrolle, wird durch die Pille abgelöst, was
eine um sich greifende Zügellosigkeit bzw. den archaischen Zustand der ,Promiskuität`
befürchten lässt.
42
Mitte der sechziger Jahre formiert sich unter dem Stichwort der sogenannten ,sexuellen
Aufklärung` das wachsende gesamtgesellschaftliche Bedürfnis nach einer faktischen
und terminologischen Enttabuisierung der Sexualität. Es wird eine Sexualpädagogik in
den Schulen verlangt, da Eltern zwar die Notwendigkeit einer sexuellen Aufklärung
ihrer Kinder erkennen, die Verantwortung jedoch an die Lehrer übertragen. Der Grund
hierfür ist das Fehlen eines als adäquat empfundenen Sprachgebrauchs. Die in
Aufklärungsbüchern verwendeten lateinischen Termini oder Verlegenheits-
bezeichnungen für Sexualorgane im öffentlichen Sprachgebrauch werden abgelehnt.
Versuche, sich an den jugendlichen Sprachgebrauch anzupassen, werden ebenfalls
38
Tönnessen, S. 509.
39
Ebenda, S. 597.
40
Ebenda, S. 597 f.
41
Ebenda, S. 598.
42
Ebenda, S. 600.
16

abgelehnt. Sie gelten als sittenwidrig. So wurde z. B. das Jugendmagazin ,Twen` wegen
des Titels ,,Sex und ledige Mädchen" verboten, da der Respekt vor sittlichen Begriffen
wie Ehe und Familie fehle.
43
Oswald Kolle, die Übersetzungen von Genet und Henry Miller und die Studenten-
bewegung thematisieren Sexualität, zum Teil unter Einbeziehung des derb-lustvollen
Vokabulars
44
, das die Vertreter der bürgerlichen Moral provozieren soll. Der englische
Ausdruck sex etabliert sich für all das, was bisher mit Ausdrücken wie z. B.
Geschlechtsattraktion beschrieben worden war. Zudem stellen die ,68er` die
Grundpfeiler Monogamie, Heterosexualität und Stabilität in Frage und leben alternative
Lebensformen vor.
45
Auch Beate Uhse und das Motto ,make love not war` tragen zur neuen Einstellung
gegenüber der Sexualität bei, was sich deutlich in der Duden-Rechtschreibung und in
den Duden-Wörterbüchern widerspiegelt.
46
Der von Teilen der Gesellschaft als ,sexuelle Revolution` empfundene Prozess wird
auch in den Medien so bezeichnet. Durch die Kollokation von ,sexuell` und
,Revolution` wird deutlich, dass es sich beim Thema Sexualität nicht mehr um eine
Privatangelegenheit handelt, sondern um ein Politikum.
47
Die ersten Auswirkungen der gesellschaftlichen Entdeckung der Sexualität werden in
den 70er Jahren diskutiert. Man versucht, für die revolutionären Ideen der
ausklingenden sechziger Jahre gemäßigtere Formen zu finden, um sie in Ehe und
Partnerschaft zu erproben. Gleichzeitig beginnt die Ausbreitung der kommerziellen
Erotik, die jedoch zur Diskreditierung der Reformbewegung beiträgt. Die Welt betitelt
diese Entwicklung der gelockerten Moralauffassung 1970 als ,sexuelle Massen-
verelendung`. Außerdem wird das Wort Sex in der konservativen Presse vermieden oder
durch Anführungsstriche gekennzeichnet, was eine Distanzierung von der als unseriös
bewerteten sittlichen Einstellung verdeutlichen soll.
48
Neue Branchen, wie z. B. der Sex-Shop, entstehen und provozieren sprachliche
Unsicherheiten in der Berichterstattung. Hier wird entweder das englische Kompositum
übernommen und in Anführungsstriche gesetzt oder der Ausdruck wird ins Deutsche
übersetzt als Sex-Laden oder Sexual-Lokal.
49
43
Tönnessen, S. 601 f.
44
Müller, S. 43.
45
Tönnessen, S. 602 f.
46
Müller, S. 43 f.
47
Tönnessen, S. 603.
48
Ebenda, S. 604 f.
49
Ebenda, S. 606.
17

Es werden zunehmend pornographische Darstellungen verbreitet, was eine öffentliche
Debatte über eine mögliche Liberalisierung des Pornographieverbots hervorruft. 1973
wird die sogenannte ,einfache Pornographie` erlaubt.
50
Mitte der 70er Jahre erreicht die Diskussion der traditionellen Ehe breitere
Gesellschaftsschichten und die Akzeptanz von vorehelichen sexuellen Beziehungen
wächst. Das Ideal der vorehelichen Enthaltsamkeit wird nun auch in den Medien negiert
und Erotik und Sinnlichkeit avancieren zu eigenständigen Werten, die von einer
übergeordneten Ethik losgelöst sind.
51
In den 80er Jahren wird die sexuelle Reformbewegung der 60er und 70er Jahre
kritisiert. Es wird bezweifelt, dass die Zunahme der sexuellen Freizügigkeit und der
kommerzialisierten Erotik Fortschritte in Bezug auf eine unbelastete, erotikbejahende
und tolerante Sexualauffassung gebracht hat. Außerdem fallen ausführliche Reportagen
über die weibliche und männliche Sexualität auf, die meist auf Umfragen basieren und
sich mit Themen wie der angeblich widerkehrenden Prüderie oder den oberflächlichen
sexuellen Beziehungen in einer Zeit des anonymen Telefonsex und der Sado-Maso-
Praktiken beschäftigen.
52
Als 1983 die Thematisierung von Aids in der öffentlichen Diskussion über
Partnerschafts- und Sexualethik dominiert, wird die Gesellschaft gezwungen, offen und
detailliert über verschiedene sexuelle Identitäten und deren Sexualpraktiken zu
sprechen. Trotz dieser Offenheit wirkt sich Aids negativ auf das Sprachverhalten aus.
Wegen der gesteigerten Emotionen und den verbreiteten Ängsten geraten aufklärerische
Ansätze in den Hintergrund und es wird wieder auf traditionelle, religiöse Denk- und
Sprachmuster zurückgegriffen. Sexualität wird erneut als ,unsauber` und ,Laster`
bezeichnet. Aids gilt als Folge der ,sexuellen Befreiung`.
53
Ende der 80er Jahre nimmt die Zahl der Schreckensberichte über Aids ab und die ,Aids-
Hysterie` tritt in den Hintergrund.
54
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Sexualität in den 80er Jahren in ihren
vielfältigen Erscheinungsformen und mit dem entsprechenden Vokabular durch das
private Fernsehen weiter popularisiert wird.
55
Obwohl das Thema der Sexualität weitgehend enttabuisiert wurde, besteht dennoch das
Problem, im öffentlichen Sprachgebrauch die ,richtigen Worte` zu finden. Dies zeigt
sich an der im November 1993 erschienenen Aufklärungsbroschüre ,,Sex im Zeitalter
50
Tönnessen, S. 607.
51
Ebenda, S. 609.
52
Ebenda, S. 610 f.
53
Ebenda, S. 612.
54
Ebenda, S. 615.; s. auch Cameron, S. 5
55
Müller, S. 44.
18

von Aids", die von der rheinland-pfälzischen Landeszentrale für Gesundheit heraus-
gebracht wird. Sie löst eine rege Diskussion aus, da die Kirche den Sprachgebrauch als
vulgär empfindet und die Ausdrucksweise als ,,Sprachverwilderung" bezeichnet. Auch
der CDU-Landesvorsitzende Johannes Gerster kritisiert die ,,Fäkal- und
Gossensprache", während der Universitätsprofessor Norbert Kluge die Notwendigkeit
einer ,,jugendgemäßen Sprache" betont.
56
Auch wenn sich in den 90er Jahren die Tendenz des Weglassens in den Wörterbüchern
fortsetzt, wird der Ausdruck Düttleinpatscher (s.o.) 1993, diesmal als Busengrapscher,
als Stichwort ins Wörterbuch aufgenommen. Dies hängt damit zusammen, dass dieses
Wort in der Presse im Zusammenhang mit der sexuellen Belästigung der Frau durch den
Mann häufig auftaucht.
57
Vergleicht man die Erklärungen, mit denen Wörterbuchschreiber die sexuellen Wörter
beschreiben, zeigt sich, dass sich hier ein Wandel von verhüllenden oder wertenden
Bedeutungserklärungen zu sachlich-konkreten vollzogen hat.
58
Abschließend lässt sich sagen, dass vor allem die Medien in der zweiten Hälfte des 20.
Jahrhunderts die menschliche Sexualität in all ihren Phänotypen zeigen und benennen.
Somit wird Sexualität für die Mehrheit der Bevölkerung verfügbar gemacht. In Abgren-
zung zur sexuellen Repression des 19. Jahrhunderts wird vor diesem Hintergrund häufig
von einer vollzogenen sexuellen Befreiung oder Liberalisierung gesprochen. Betrachtet
man jedoch den verbalen Umgang der Menschen mit Sexualität unter dem
Gesichtspunkt der Kommunikationsinhalte und -formen, so stellt man fest, dass das
Sprechen über Sexualität, über sexuelle Praktiken, Empfindungen, Ängste und Wünsche
keineswegs leicht fällt. Der Suche nach Worten, dem Gebrauch von Euphemismen und
Auslassungen stehen oftmals herausfordernde Frivolität oder zur Schau gestellte
Gelassenheit gegenüber. Nur selten findet man ein Gespräch, in dem in einer ent-
spannten und für die Beteiligten nicht als peinlich empfundenen Art und Weise über
Sexualität gesprochen wird. Wissenschaftler folgern daraus, dass das Sprechen über
Sexualität in unserer Gesellschaft noch immer mit einem starken Tabu behaftet ist.
59
56
Tönnessen, S. 616.
57
Müller, S. 39 f.
58
Ebenda, S. 45.
59
Schimpf 2001, S. 62 f.
19

3
Erotische Sprachverwendung von Frauen in den Medien
3.1
Differenzierung von erotischer Sprachverwendung bei Frauen und
Männern
Dieses Kapitel widmet sich der Frage, wie Sexualität versprachlicht wird. Nach einem
Einblick in die Frauensprache, wird der Frage nachgegangen, ob es einen Unterschied
zwischen weiblicher und männlicher Sexualsprache sowie deren Verwendung gibt. Die
Grundlage hierfür bietet die repräsentative Studie ,Sexualsprache der Deutschen` von
dem Sexualwissenschaftler Norbert Kluge. Im Jahr 1997 untersuchte er den aktuellen
sexuellen Sprachgebrauch in West- und Ostdeutschland.
Die Linguistin Senta Trömel-Plötz beobachtete in Untersuchungen, wie Frauen reden
und wie sich ihre Sprache von der der Männer unterscheidet, und fand heraus, dass
Frauen mehr Formen der Verniedlichung und andere Liebkosungsformen verwenden.
Zu den Formen der Verniedlichung zählen z. B. Diminutiva und Euphemismen, die
dazu dienen, Aussagen zu verschönern, abzuschwächen und zu vermindern. Oft ent-
stammen diese dem Umgang mit Kindern. In internen Familiensituationen oder in
Situationen unter Liebenden nähert sich die Sprache voller Diminutiva, Euphemismen
und Liebkosungsformen oft auch phonetisch und syntaktisch der Babysprache an.
60
Des Weiteren ist festzuhalten, dass Frauen weniger oder andere Vulgärausdrücke als
Männer verwenden. Sie wählen schwächere Begriffe, um den Gesprächspartner nicht zu
schockieren. Das Ausdrücken von Flüchen und Obszönitäten wird von Frauen weit-
gehend vermieden. Auch der Wortschatz von Frauen und Männern ist ein anderer, was
an den unterschiedlichen traditionellen Rollen, den unterschiedlichen Arbeitsbereichen
und Interessen liegt.
61
Auffällig ist, dass die deutsche Umgangssprache im Bereich der
Sexualität vorwiegend von Männern geprägt ist. Der Anteil der Begriffe, die Frauen
geprägt haben, ist gering.
62
Aber nicht nur im lexikalischen Bereich drücken sich die beiden Geschlechter
unterschiedlich aus. Auch in Aussprache und Syntax sind Unterschiede zu beobachten.
So zeigen z. B. verschiedene Studien, dass Frauen ,besser` und ,korrekter` sprechen als
Männer. Ihre Sprache passt sich mehr der Standardform an. Somit kommt ihr höherer
Status und mehr Prestige zu. Das Problem einer Sprache voller Höflichkeiten und
Abschwächungen ist jedoch, dass die Äußerungen hierdurch an Gewicht verlieren. Der
Sprecherin kommt somit weniger Autorität zu und es fällt ihr schwer, sich zu
behaupten.
63
Dies sei jedoch nur am Rande bemerkt, da es in dieser Arbeit um die
60
Trömel-Plötz, S. 45 f.
61
Ebenda, S. 46.
62
Liebsch, S. 85.
63
Trömel-Plötz, S. 48.
20

lexikalische Ebene geht.
Vergleicht man, wie Frauen und Männer über sexuelle Themen sprechen, findet man
einige Unterschiede, die im Folgenden erläutert werden.
Da sich die Zeitschriften C
OSMOPOLITAN
und P
LAYBOY
an ein Publikum zwischen 20
und 40 Jahren richten, können sie für diese Arbeit gut als Vergleich herangezogen
werden. Betrachtet man die schriftliche Repräsentation von Sexualität in den beiden
Zeitschriften fällt auf, dass sich sowohl die Frauenzeitschrift C
OSMOPOLITAN
als auch
die Männerzeitschrift P
LAYBOY
bei der Bezeichnung der weiblichen und männlichen
Geschlechtsorgane durch differenziertes Wissen auszeichnen. So unterscheidet die
Frauenzeitschrift z. B. zwischen inneren und äußeren Schamlippen. Die stilistische
Ausdrucksweise bewegt sich auf mehreren Ebenen.
64
In der C
OSMOPOLITAN
stehen sich teils standardsprachliche und fachsprachliche
Begriffe als Synonyme gegenüber ­ z. B. Scheide und Vagina, After und Anus, Kitzler
und Klitoris ­, teils werden nur standardsprachliche bzw. fachsprachliche Begriffe ver-
wendet ­ z. B. Hoden, Eichel, Uterus, Frenulum. Aus dem Bereich der Umgangsprache
werden nur die Begriffe Schwanz, Eier und Möse verwendet, wobei letzteres nur
etymologisch erläutert und nicht bewusst zur Bezeichnung der Vagina eingesetzt wird.
65
Die Bezeichnung der Sexualpraktiken findet in der Frauenzeitschrift vor allem auf der
Ebene der Fachsprache statt. Beispiele hierfür sind Koitus, Penetration, masturbieren,
Fellatio oder Oralsex, wobei zu letzterem festzuhalten ist, dass es sich um eine
Mischform aus dem fachsprachlichen Morphem /oral-/ und dem umgangssprachlichen
Basismorphem /sex/ handelt.
66
Wie auch bei Bezeichnungen der Geschlechtsorgane
tauchen Begriffe aus der Umgangssprache auf, wie z. B. ficken, vögeln, wichsen oder
blasen. Diese werden ebenfalls nicht zur Bezeichnung der sexuellen Handlung, sondern
vielmehr zur metasprachlichen Erläuterung verwendet oder um bewusst grenz-
überschreitende Anstößigkeit zum Ausdruck zu bringen.
67
Aus der gesamten Ausdruckswahl kann man schließen, dass sich die C
OSMOPOLITAN
zum Ziel gesetzt hat, ihre Leserinnen möglichst umfassend über die Strukturen der
weiblichen und männlichen Geschlechtsfunktionen sowie der Sexualpraktiken in einer
vorwiegend sachlichen und fachkundigen Art zu informieren.
Anders sieht es bei der Männerzeitschrift P
LAYBOY
aus. Hier scheint nicht das Ziel
verfolgt zu werden, die Leser sachlich zu informieren. Vielmehr soll der Leser durch
bildhafte oder doppeldeutige Bezeichnungen unterhalten bzw. amüsiert werden.
68
64
Schimpf 1997, S. 168.
65
Ebenda.
66
Ebenda, S. 150.
67
Ebenda, S. 150 f.
68
Ebenda, S. 169.
21

Die lexikalische Repräsentation bezüglich der inneren und äußeren Geschlechtsorgane
zeigt sich deutlich reduzierter als bei der Frauenzeitschrift. Die Bezeichnungen der
männlichen Beckenorgane beschränken sich auf die äußeren Geschlechtsorgane Penis
und Hoden. Hier tauchen Begriffe wie z. B. Sack, Hoden und Eichel auf. Insgesamt
werden für die Bezeichnung weiblicher und männlicher Geschlechtsorgane sowohl
standardsprachliche Begriffe ­ Kitzler, Scheide, Penis ­ als auch fachsprachliche
Ausdrücke ­ Anus, Klitoris, Vagina ­ gewählt. Im Gegensatz zur Frauenzeitschrift
werden jedoch in großem Umfang bildliche Bezeichnungen wie Schwanz, Wicht, Lolli,
kleiner Freund und Liebeswerkzeug für den Penis oder Vordertür für die Vagina bzw.
Lippen oder weibliche Lippen für die Schamlippen eingesetzt.
69
Analog hierzu werden auch Sexualpraktiken auf die unterhaltsame und amüsante Art
dargestellt ­ Standübungen, Löffelhaltung, dogystyle, 69er-Stellung, Damensattel,
Reiterposition.
70
Die repräsentative Umfrage zum sexuellen Sprachgebrauch in West- und Ost-
deutschland von Norbert Kluge hat ergeben, dass sich Frauen und Männer bei der
Verwendung der Standardsprache einig sind. 78% der Frauen und 79,8% der Männer
sprechen sich für sie aus.
71
Anders sieht es bei der Verwendung der Vulgärsprache aus. Hier sind bedeutsame
Unterschiede zwischen den Geschlechtern festzustellen. Während das weibliche
Geschlecht die Vulgärsprache zu 74,2% ablehnt und nur zu 10, 5% verwendet (bei der
Differenz handelt es sich um die enthaltenen Stimmen), werden vulgärsprachliche
Ausdrücke von Männern mit 19% fast doppelt so viel verwendet. Ein ähnliches
Ergebnis zeigte sich bei der Unterscheidung in Ost- und Westdeutschland. Während die
ostdeutsche Bevölkerung die Vulgärsprache zu 9,3% verwendet, findet sie in
Westdeutschland mit 17,5% deutlich größeren Zuspruch.
72
Bei der Verwendung der Fachsprache ist festzustellen, dass diese von Frauen mit 48%
häufiger genutzt wird als von Männern, die sie zu 41,3% verwenden.
In Bezug auf das Alter ist festzuhalten, dass Standardsprache bei den 14-49-jährigen
häufiger verwendet wird als bei den älteren Befragten. Deutlicher ist jedoch der Unter-
schied bei der Verwendung der Vulgärsprache. Während rund 19% der 14-29-jährigen
angaben, vulgärsprachliche Ausdrücke zu verwenden, kommt die Vulgärsprache bei den
älteren Befragten nur bei 12,5% zum Einsatz.
69
Schimpf 1997, S. 169.
70
Ebenda, S. 151.
71
Kluge, S. 33.
72
Ebenda, S. 37 f.
22

Die Verwendung der Fachsprache wird von den 20-29-jährigen und den 50-64-jährigen
und älteren Befragten zu rund 42,5% verwendet. Am beliebtesten sind fachsprachliche
Ausdrücke mit knapp 48% bei den 30-49-jährigen, und am wenigsten beliebt sind sie
mit 40,6% bei den 14-19-jährigen.
Insgesamt ist die Tendenz zu beobachten, dass fachsprachliche Begriffe bei den
Befragten mit steigendem Bildungsgrad häufiger verwendet werden und vulgär-
sprachliche Ausdrücke bei den Befragten mit Hauptschulabschluss am beliebtesten sind,
während die Verwendung der Standardsprache bei allen Befragtengruppen gleich
ausgeprägt ist.
73
Dies zeigt, dass auch Sprecher der gebildeteren Schichten über den obszönen Wort-
schatz verfügen, ihn jedoch nur in speziellen Kommunikationssituationen zur Anwen-
dung bringen.
3.2
Differenzierung von Pornographie und Erotik in den Medien
In diesem Kapitel soll unter Berücksichtigung der folgenden Fragen kurz der
Unterschied zwischen Erotik und Pornographie geklärt werden. Hierbei soll weniger die
Pornographiedebatte der 60er Jahre erläutert werden, sondern vielmehr die Vor-
stellungen, Einstellungen und Wünsche, die Frauen an Erotik bzw. Pornographie haben.
Schlägt man im Großen Wörterbuch der deutschen Sprache unter dem Begriff Erotik
nach, findet man dort eine Definition, nach der es sich bei Erotik zum Einen um die
sinnliche Liebe, das Liebes- oder Geschlechtsleben handelt, die den geistig-seelischen
Bereich mit einbeziehen. Erotik kann aber auch der verhüllende Ausdruck für Sexualität
sein. Außerdem ist vermerkt, dass kein Gesetz oder eine eindeutig anerkannt Definition
in Deutschland vorgibt, wo Erotik aufhört und Pornographie beginnt.
74
Der Begriff Pornographie stammt aus dem Griechischen, wo pornographos wörtlich
übersetzt ,,über Huren schreiben" bedeutet. Der heutige Pornographiebegriff wird
definiert als ,,sprachliche, bildliche Darstellung sexueller Akte unter einseitiger
Betonung des genitalen Bereichs und unter Ausklammerung der psychischen und
partnerschaftlichen Aspekte der Sexualität."
75
Der Gesetzkommentar zu § 184 StGB zur Verbreitung pornographischer Schriften
beschreibt eine Darstellung als pornographisch, ,,wenn sie unter Ausklammerung aller
sonstigen menschlichen Bezüge sexuelle Vorgänge in grob aufdringlicher Weise in den
Vordergrund rückt und ihre Gesamttendenz ausschließlich oder überwiegend auf das
lüsterne Interesse an sexuellen Dingen abzielt." Zudem legt der Gesetzeskommentar
73
Kluge, S. 71.
74
Scholze-Stubenrecht , Das große Lexikon der deutschen Sprache; s. auch Küpper, Illustriertes Lexikon der
deutschen Umgangssprache
75
Ebenda.
23

typische Anzeichen fest, die den pornographischen Charakter einer Darstellung
erkennbar mache sollen. Hierzu zählen u. a. das Fehlen jedes sozialen Wertes der
Darstellung, die Fiktion der unerschöpflichen Potenz des Mannes und der unauf-
hörlichen Hingabebereitschaft der Frau, der fehlende Bezug zum wirklichen, indivi-
duellen oder gesellschaftlichen Leben oder die Beschränkung auf den Lustgewinn als
einziges Ziel und die fortschreitende Eskalation der Darstellung durch eine Aneinander-
reihung von Szenen mit sexuell immer stärker werdendem, provozierendem Reiz.
76
Ein klassisches Merkmal von pornographischen Produkten sind die verwendeten
Rollenstereotype. So wird die Frau z. B. als die Hure, die grausame Frau, die lesbische
Frau, die Frau als Ding, die Jungfrau oder die Mutter dargestellt und auf ihre
Geschlechtsorgane reduziert.
77
Während die Frau somit das Objekt für das männliche
Leitbild der Pornographie darstellt, tritt der Mann als sexuell aggressiver und omni-
potenter ,Eroberer` auf.
78
Auch wenn Lexika oder Gesetze verschiedene Definitionen von Erotik und Porno-
graphie liefern, hängt doch die Definition der beiden Begriffe von moralischen Wertvor-
stellungen jedes einzelnen Menschen ab. Die Grenzen zwischen den beiden Begriffen
sind fließend. Was die Einen als Erotik bezeichnen, nennen andere Pornographie.
79
Eine Studie des Hamburger Instituts für interdisziplinäre Sexualforschung gibt u. a.
darüber Auskunft, was Frauen von Pornographie halten. Nur 43% aller befragten Frauen
zwischen 18 und 65 Jahren haben jemals einen Pornofilm gesehen. 60% dieser Frauen
fanden diese Filme ekelerregend und abstoßend und nur ein Drittel dieser 43% erlebte
Pornofilme als ,angenehm` oder ,geil`. Aufgrund dieser Studie versuchten Elke
Stolzenburg und Margit Jenssen in mehreren offenen Interviews herauszufinden, was
Frauen als erotische und was als pornographische Darstellungen interpretieren. Auch
die Bewertung von Pornofilmen, die Bedeutung und die Auslösungen sollten untersucht
werden. Hierbei ging es den Autorinnen nicht um die Repräsentativität der Ergebnisse,
sondern um ein Stimmungsbild, das widerspiegelt, was Frauen angesichts der ihnen
zugänglichen Medienbilder als Erotik und als Pornographie wahrnehmen. Den
Teilnehmerinnen zwischen 20 und 40 Jahren wurden, größtenteils in Gesprächsform,
sinngemäß folgende Fragen gestellt:
1.
Was verstehst du unter Erotik und was unter Pornographie?
2.
Kennst du erotische oder pornographische Erzeugnisse? Was gefällt dir daran,
was lehnst du ab?
3.
Gibt es für dich Unterschiede zwischen erotischen/pornographischen Texten,
Bildern und Filmen?
80
76
Strafgesetzbuch, Schönke/Schröder, 1991, S. 1371.
77
Bremme, S. 14 ff.
78
Ebenda, S. 23.
79
Lenssen, S. 7.
80
Stolzenburg, S. 115.
24

Bei den Antworten der Befragten fällt auf, dass sie mit Erotik auch Phantasie verbinden.
Einstimmig befanden die Frauen, dass Erotik die Phantasie anrege: ,,...du merkst es
ständig prickeln, es wird angedeutet und man spinnt's selbst zu Ende."
81
Zudem fühlen sich Frauen eher von Texten angesprochen als von Bildern. Bei der
Textgestaltung ist für sie wichtig, dass Gedanken und Gefühle beschrieben werden ,,und
zwar mit einer schönen Sprache, die die Gefühle gut rüberbringt." Dadurch, dass in
Texten der Freiraum für eigene Bilder gewährleistet ist, können Frauen dort selbst
entscheiden, was für sie erotisch ist und was nicht. Sie wollen sich von Bildern nicht
vorschreiben lassen, was sie zu empfinden haben, sondern sich selbst im dargestellten
Geschehen wiederfinden. Im Gegensatz zu Pornographie, die für die befragten Frauen
keineswegs stimulierend ist, stellt Erotik für Frauen etwas Ästhetisches dar.
82
Hierbei wünschen sich Frauen Schilderungen zwischenmenschlicher Situationen und
nicht die plakative Zurschaustellung von Sexualität. Außerdem sollen Begehren
angedeutet und Stimmungen sowie Spannungen aufgebaut werden, wobei nicht nur der
Sexualakt dargestellt werden soll. Wichtig sind Frauen vor allem selbstbewusste
AkteurInnen, deren Handeln von gegenseitigem Respekt getragen wird. Hierarchien,
Erniedrigungen und veraltete Rollenklischees sprechen Frauen nicht an. Auch Humor
spielt für Frauen eine wichtige Rolle und kommt ihrer Meinung nach in vielen
erotischen Produkten zu kurz.
83
Auch in der Wissenschaft ist der Pornographiebegriff negativ bewertet. Pornographie
wird als frauenverachtend und tendenziell gewalttätig eingeschätzt. Obwohl Wissen-
schaftler in verschiedenen Untersuchungen keine tatsächliche Negativwirkung der
Rezeption pornographischer Materialien feststellen konnten, verfestigt sich die
pejorative Konnotation weiterhin.
84
3.3
Frauenerotik in den Medien
In den folgenden drei Kapiteln wird eine kurze Übersicht über erotische Produkte für
Frauen auf dem deutschen Markt gegeben. Der Überblick beginnt mit den wohl
populärsten Produkten ­ den visuellen Medien. Es folgt die Darstellung der literarischen
Materialen, um anschließend näher auf die rein auditive Darstellung von Erotik
einzugehen.
81
Stolzenburg, S. 116.
82
Ebenda, S. 116 f.
83
Ebenda, S. 117.
84
Rückert, S. 49.
25

3.3.1 Film und Fernsehen
In den Bereich der visuellen Erotik/Pornographie für Frauen fallen sowohl Videos als
auch Fotos oder Comics.
Im Gegensatz zum amerikanischen Markt befindet sich die visuelle Frauenpornographie
in der Bundesrepublik erst im Entwicklungsprozess. Unter anderem sind in den USA
Anschauungs- und Lernmaterialien weit verbreitet, die nach einem informativen
Ratgeber-Teil die visuelle Umsetzung der thematisierten, sexuellen Praktiken enthalten.
Diese Darstellungsform stammt noch aus der Anfangszeit der Frauenpornographie. Sie
dient vor allem der Aufklärung über die bis dahin wenig diskutierte weibliche
Sexualität.
85
Betrachtet man die Videos, die auf dem deutschen Markt erhältlich sind, fällt auf, dass
diese ausschließlich von der Produktionsfirma ,femme fatal` produziert werden, die sich
auf Frauenpornographie spezialisiert hat. In der öffentlichen Diskussion ruft femme
fatal eine große Resonanz hervor, woraufhin etablierte Porno-Unternehmen, die sich
bislang mit Mainstream-Pornographie befasst haben, versuchen, ihren Marktanteil zu
erweitern und ihren Umsatz zu steigern.
Frauen, wie z. B. Dolly Buster, sollen in solchen Fällen für die Authentizität der
Produkte garantieren. Vergleicht man diese Filme jedoch mit herkömmlichen porno-
graphischen Videos, ist inhaltlich oder ästhetisch kein Unterschied festzustellen.
86
Auf der anderen Seite gibt es Filmemacherinnen wie Marlon Shy oder Krista Beinstein.
Ihre Projekte sind künstlerisch ambitioniert und beinhalten z. B. die Auseinandersetzung
mit Themen wie der Aufhebung sexueller Rollenklischees. Detailliert explizite Insze-
nierungen von sexuellen Phantasien findet man hier nicht. Der größte Teil ihrer Filme
basiert auf experimentellen Versuchen, die sich mit den Themen Körper, Sexualität,
Gewalt und Erotik auseinandersetzen.
87
Im Bereich der Comics fällt auf, dass es zahlreiche Comic-Verlage gibt, die sich auf die
Produktion pornographischer Comics spezialisiert haben. Dennoch ist die Zahl dieser
Comics gering. Dies liegt zum Einen an dem Mangel an ZeichnerInnen und zum
Anderen an dem negativen Image dieser Produkte. Aufgrund dessen distanzieren sich
viele ZeichnerInnen nach einmaligem Experiment wieder von dem Bereich der
Pornographie, um ihren Stellenwert auf dem Markt nicht zu gefährden.
88
85
Rückert, S. 248.
86
Ebenda, S. 244 f.
87
Ebenda, S. 245.
88
Ebenda, S. 246 f.
26

Während es im Comicbereich Verlage gibt, die sich speziell mit Pornographie befassen,
ist es für die wenigen Fotografinnen pornographischer Motive ein Problem, ihre Bilder
zu veröffentlichen. Hier stellt der Konkursbuch Verlag die einzige Möglichkeit zur
Distribution auf diesem Gebiet dar.
Ein wichtiger Unterschied zum literarischen Bereich wird bei der Betrachtung der
Aussageebene deutlich. Während die literarischen Produkte dadurch gekennzeichnet
sind, dass sexuelle Begebenheiten in einen erzählerischen Rahmen eingebettet sind,
wird in den Drehbüchern für visuelle Darstellungen weitgehend darauf verzichtet.
Stattdessen betonen Andeutungen und Assoziationen den erotischen Rahmen der
sexuellen Inszenierung, und es wird auf die angeblich tatsächliche Authentizität der
Handlungen und ihrer ProtagonistInnen hingewiesen.
Comics sind wiederum eher mit literarischen Produkten vergleichbar, da sie einen
großen Anteil der Darstellungen der allgemeinen Handlung widmen.
89
Frauenpornographische visuelle Produkte sind durch das Fehlen sprachlicher Elemente
gekennzeichnet. Wird die visuelle Darstellung dennoch verbalsprachlich oder textual
erweitert, handelt es sich entweder um reine Interjektionen oder Erklärungen und
Beschreibungen ohne pornographischen Inhalt.
90
Auch im Fernsehen wird Sexualität thematisiert. Zusätzlich zu o. g. Videos werden hier
Talkshows zum Thema Sexualität ausgestrahlt.
Im Gegensatz zu den Filmen, in denen, wie schon gesagt, weitgehend auf Sprache
verzichtet wird, stehen die Redakteure erneut vor dem Problem der ,richtigen` Sprach-
verwendung.
Seit den 60er Jahren wird im Fernsehen Erotik eingesetzt, um dem Zuschauer einen
Einschaltreiz zu geben. Man begann mit dem leichtbekleideten Fernsehballett. In den
70er Jahren folgte die durchsichtige Bluse bei der Sendung ,Wünsch dir was` und die
80er Jahre waren geprägt durch das Revival des Schulmädchen-Reports. Erotik fand
sich in Fictionprogrammen oder in Unterhaltungsshows.
Im Januar 1993 startete im Privatsender VOX das wöchentliche Magazin ,,liebe Sünde ­
Journal zur Sexualität". Mit dieser Sendung wurde versucht, Sexualität im deutschen
Fernsehen zu thematisieren. Anders als in Talkshows der öffentlich rechtlichen Sender
sollte hier Sexualität nicht als ,Problem` behandelt werden, vielmehr wurde versucht,
verschiedene Formen der Sexualität zu beschrieben und zu besprechen. Dies sollte ohne
Bewertung stattfinden.
91
Da jedoch bei den privaten Sendern die Einschaltquote über
den weiteren Verlauf einer Sendung entscheidet, erwartete der Sender ein Programm
89
Rückert, S. 271.
90
Ebenda, S. 272.
91
Frings, S. 254.
27

mit seriösem Anstrich hinter dem sich viel nacktes Fleisch verbergen sollte. Im Verlauf
der Sendung zeigte sich allerdings, dass die Mehrzahl der Zuschauer den erotischen
Bild-Reizen zwar aufgeschlossen war, die Quotenspitze der Sendungen jedoch von
inhaltlichen Beiträgen ohne Schauwert, besonders von Auslandsreportagen, erreicht
wurde.
92
Bei der zunehmenden Konzentration auf Unterhaltsamkeit und den größten gemein-
samen Nenner (14-49--jährige) hat sich das TV-Feld Sexualität mittlerweile fast um
jeden Inhalt gebracht. Erotik-Programme sprechen heute eigentlich nicht mehr über
Sexualität, sie kündigen lediglich von der Kommerzialisierung der Sexualität.
93
3.3.2 Frauenliteratur
Zum Bereich der erotischen Literatur zählen Romane und Kurzgeschichten, die sich
sowohl sprachlich als auch inhaltlich voneinander unterscheiden.
Dies liegt zum Einen darin begründet, dass die Kurzgeschichten häufig als Bestandteil
erotischer Zeitschriften abgedruckt sind, und zum Anderen, dass es sich bei den
Autorinnen um Amateurinnen handelt, die unter Pseudonymen oder anonym eine von
ihnen beschriebene sexuelle Phantasie bei den Verlagen einreichen. Die Erzählungen
sind meist zurückhaltend und beschreiben eher konventionelle sexuelle Praktiken.
Selten wird hier die Grenze zwischen Erotik und Pornographie überschritten.
Anders als in Romanen, zeichnen sich in den Kurzgeschichten einige Aspekte der
literarischen Frauenerotik deutlicher ab. Die Betonung der weiblichen Sexualität tritt
expliziter in den Vordergrund und die männlichen Bedürfnisse werden ausschließlich
auf die Befriedigung der Frau reduziert. Hierbei fällt auf, dass die sprachliche
Darstellung sexueller Phantasien in Kurzgeschichten dezenter gestaltet ist als in
Romanen.
94
Obwohl häufig die Synonymität von Pornographie und Obszönität angenommen wird,
ist dies in frauenpornographischer Literatur nicht der Fall. Sexuelle Aktionen werden
zwar eindeutig beschrieben, jedoch findet dies nicht in obszöner Weise statt. Während
auf Vulgärausdrücke weitgehend verzichtet wird, finden sich stattdessen viele florale
und fructuale Metaphern, die erst durch das Hinzufügen eines Adjektivs eine sexuelle
Konnotation erhalten. Auch umgangssprachliche Ausdrücke werden der Vulgärsprache
vorgezogen.
95
92
Frings, S. 254.
93
Ebenda, S. 258.
94
Rückert, S. 232.
95
Ebenda, S. 207 ff.
28

Durch die Verwendung von Metaphern wird den Rezipientinnen die Möglichkeit
gegeben, eigene Bilder als anregende Vorlage einzusetzen. Der hohe Anteil an
Andeutungen und sexuellen Anspielungen verstärkt diesen assoziativen Freiraum
zusätzlich.
Bezogen auf die Handlung stellt Rückert fest, dass auch die frauenpornographische
Literatur dem bereits erwähnten pornographietypischen Nummernprinzip folgen. Der
Handlungsrahmen dient als Grundlage für die Beschreibung verschiedener sexueller
Handlungen wobei nur 25% der einzelnen Romantexte die sexuelle Handlung selbst
darstellen und rund 75% nur der Herleitung lebensweltlicher Zusammenhänge dienen,
in die die geschlechtlichen Akte eingebettet sind. Innere Monologe und Fragestellungen
dienen nicht nur zur Hinauszögerung der sexuellen Handlungen, sondern werden
vielmehr als ästhetisches Kontinuum eingesetzt.
96
3.3.3 Hörspiel
Rein auditive Pornographie gibt es in zwei Formen: als gesungenes Lied auf
Schallplatte oder als Hörspiel. Ersteres ist heutzutage allerdings kaum noch vertreten.
97
Hörspiel-Titel wie ,,Der geile Fotograf" oder ,,Romantischer Fick" lassen auf die bloße
Darstellung des Sexualaktes schließen. In dieser Art von Hörspielen gibt es keinen
Erzähler oder sonstige verbale Gestaltung, sondern lediglich Dialoge, in denen fast aus-
schließlich vulgärsprachliche Begriffe verwendet werden. Auf Schnitte wird verzichtet.
Außer kontinuierlicher Musikbegleitung und rhythmischem Klatschen von Haut gegen
Haut werden keine Geräusche eingesetzt. Die Zielgruppe dieser Hörspiele sind
vorwiegend LKW- und Fernfahrer.
98
Für Frauen gab es bislang nur erotische Hörbücher. Hierbei wird erotische Literatur von
einem Sprecher vorgelesen. Auf Musik und Geräusche wird verzichtet.
Seit dem Jahr 2002 gibt das erste erotische Hörspiel für Frauen. In den folgenden
Kapiteln sollen die ersten vier Folgen ,,Frauenabend", ,,Ibiza Nights", ,,Beziehungs-
kisten" und ,,Nordlichter" sprachlich analysiert werden.
96
Rückert, S. 221.
97
Faulstich, S. 192.
98
Ebenda, S. 194.
29

4
Sprachliche Analyse der ersten erotischen Hörspielserie
JUST
4
WOMEN
Nach einem kurzen allgemeinen Überblick über das Medium Hörspiel wird die
Hörspielserie
JUST
4
WOMEN
vorgestellt. Anschließend werden die Begriffe, die sexuelle
Handlungen sowie weibliche und männliche Geschlechtsteile bezeichnen, analysiert.
Hierbei wird unterschieden, ob diese in einem Gespräch oder während einer sexuellen
Handlung verwendet werden.
4.1
Hörspiele
Um später auf das erotische Hörspiel für Frauen eingehen zu können, wird im
Folgenden ein kurzer Überblick über das Hörspiel im Allgemeinen und den Einsatz von
Sprache im Hörspiel gegeben. Außerdem wird ein Überblick über die sprachlichen
Anforderungen an Erotik gegeben.
4.1.1 Geschichte und Entwicklung von Hörspielen
Die Anfänge des Hörspiels liegen im Hörfunk.
Das erste Hörspiel in Europa wurde am 15. Januar 1924 in London und im August 1925
in deutscher Übersetzung in Hamburg ausgestrahlt. Im Zweiten Weltkrieg wurden die
Rundfunkanstalten fast vollständig vernichtet. Dies hat zur Folge, dass sich der Anfang
der deutschen Hörspielgeschichte nicht mit Daten und Dokumenten belegen lässt.
Da die Möglichkeiten der ,akustischen Bühne` noch nicht erkannt wurden, waren die
Hörspiele der ersten sechs Jahre durch richtungsloses Experimentieren gekennzeichnet.
Sprecher spielten in Kostüm und Maske, um dem Hörer im live gesendeten Hörspiel aus
den Begleitgeräuschen und Dialogen eine Vorstellung vom Bühnengeschehen zu
vermitteln. Kritiker der Zeit bezeichneten das Hörspiel als ,,verkapptes Schauspiel".
99
Erst 1929 findet das Hörspiel zu seiner eigenen Form. Den deutschen Hörspielautoren
gelingt es allmählich über das technisch-akustische Experiment hinauszukommen. Es
wird erkannt, dass sich die neue Kunstform vom Theater unterscheidet und das Hörspiel
ohne optische Unterstützung, sondern allein mit dem gesprochenem Wort auskommen
muss.
100
Nachdem das deutsche Hörspiel von 1934 bis 1945 vorwiegend in den Dienst der
politischen Propaganda gestellt wurde, erlebte es nach 1945 einen erneuten Aufschwung
und entwickelte sich zu einer eigenständigen modernen Gattung.
101
99
Lermer, S. 9.
100
Ebenda, S. 10.
101
Lermer, S. 10.
30

Im Zentrum des Hörspielprogramms stehen traditionelle, literarische und unterhaltende
Hörspiele. Dies änderte sich in den 60er Jahren mit der Entwicklung des ,,Neuen Hör-
spiels". Dieses sucht seine Vorbilder nicht mehr in der etablierten Literatur, sondern in
der experimentellen Kunst. Durch die Verbreitung des Fernsehens verlor der Hörfunk
einen Großteil seiner Hörer. Das Hörspiel fand seinen neuen Platz auf den Kultur-
sendern, die viel Platz für Experimente boten.
102
Mitte der 90er Jahre spricht man von einer ,,neuen Aufbruchstimmung" im Hörspiel.
103
Die WDR-Zeitschrift ,,WDR print" meldet 1999: ,,Das Hörspiel boomt." Durch diesen
Boom wurde mit dem Audiobook, auch Hörbuch genannt, ein neuer Trend hervor-
gebracht. Aber auch das klassische Hörspiel findet wieder großen Absatz.
104
4.1.2 Einsatz von Sprache in Hörspielen
Das dominierende Element des traditionellen Hörspiels ist das gesprochene Wort. Da
das Hörspiel im Gegensatz zu Bühne oder Film ohne Bilder auskommen muss, wird
Lebendigkeit, Klanglichkeit und Anschaulichkeit durch das Wort hergestellt.
Lebendigkeit wird z. B. durch Gespräche erzeugt, die entweder monologischer oder
dialogischer Natur sind. Auch Ausrufe oder Anrufe beleben das Hörspiel.
Die monologische Rede wird meistens eingesetzt, um dem Hörer in Ort, Zeit und
Hauptpersonen einzuführen. Dieser Erzähler tritt zumeist als ,Ansager` auf und gibt
zusammenfassende Übersichten, um eine Verbindung zwischen den Szenen
herzustellen.
105
Im inneren Monolog werden hingegen die Stimmen des Inneren hörbar als Folge von
Gedanken, Eindrücken, Gefühlen und Assoziationen unterschiedlichster Art. Außerdem
werden sie als Ausdruck des Zwiespalts in der eigenen Brust ebenso wirksam wie als
Ansprache eines schweigenden, vielleicht gar nicht vorhandenen, nur gedachten oder
nur geglaubten Partners.
106
Dem Monolog steht der Dialog gegenüber. Dieser dient zur Handlungsfortführung und
der Situationserklärung. Er muss dem Hörer helfen, das Unsichtbare akustisch zu
erfassen. Dadurch, dass der Dialog Hinweise auf Personen, Raum und Situationen gibt,
wird die Phantasie des Hörers angeregt.
107
102
Krug, S. 69.
103
Ebenda, S. 117.
104
Krug, S. 117.
105
Lermer, S. 32 f..
106
Ebenda, S. 33..
107
Ebenda, S. 33 f.
31

Sowohl Monologe als auch Dialoge sind optimaler Weise in kurzer Form gehalten. Da
durch lange Gesprächspartien des einen Partners die übrigen Aktanten in Vergessenheit
geraten und die Gleichförmigkeit einer Stimme zur schnellen Ermüdung des Hörers
führt, sollten längere Partien entweder vermieden oder durch Fragen, Ausrufe oder
Einwände unterbrochen werden. Erst durch solche Unterbrechungen sowie kurze,
spontane und einfache Sprache werden Monolog und Dialog lebendig. Auch
unvollständige Sätze, Satzbrocken, einzelne Wörter, aktive Verben und Lautgesten
verlebendigen durch einen gedrängten Ablauf.
108
Gilt im Gegensatz zum Hörfunk oder
zum Hörbuch eine mundartfreie, sprechtechnisch gereinigte Aussprache, die der Norm
der Hochsprache folgt
109
, können im Hörspiel Sprecher mit Mundartfärbung bewusst
eingesetzt werden. Dies kann dem Hörer helfen, die verschiedenen Stimmen besser
auseinander zu halten.
110
In Bezug auf die Klanglichkeit spielen hingegen Betonung, Tonhöhe, Tonstärke und
Sprechtempo eine entscheidende Rolle für die Erzeugung der Anschaulichkeit. Mit dem
Erklingen des Wortes verbindet der Hörer dank der Vorstellungskraft sofort ein Bild.
Auch die Musik ist ein wichtiger Aspekt des Hörspiels, sie spielt jedoch nicht die
gleiche Rolle wie das Wort. Sie steht nur im Dienste des Worts. Das bedeutet, dass sie
nur dort auftritt, wo das Wort allein nicht mehr auszukommen vermag und in einer Art,
die dem Wort den Führungsanspruch belässt. Sie ist umso wirksamer, desto sparsamer
und gezielter sie gebraucht wird.
Musik hat im Hörspiel zwei Funktionen. Zum Einen dient sie der rhythmischen
Strukturierung der Gesamtgestalt und zum Anderen der Intensivierung des Details.
Indem Musik an gewissen Stellen leitmotivisch auftritt und mit der Eigenart des
Geschehens übereinstimmt bzw. im Gegensatz zu ihm steht, leitet sie vom Wirklichen
zum Unwirklichen hinüber und unterstreicht, verstärkt oder erweitert das Geschehen.
111
Auch Geräusche können dazu dienen, eine Handlung zu gliedern, ein Milieu zu
kennzeichnen, Personen zu charakterisieren, Situationen aufzuhellen, Überleitungen zu
schaffen, Akzente zu setzen usw. Wie auch die Musik stehen die Geräusche im Dienste
des Worts.
112
108
Lermer, S. 34.
109
Straßner, S. 221.
110
Interview mit Ingo Gregus, Geschäftsführer Sounds of Seduction Audioproduktionen, Köln, vom 16.07.2004.
111
Lermer, S. 35 f.
112
Ebenda, S. 37.
32

4.1.3 Sprachliche Anforderungen an Erotik im Hörspiel
In diesem Kapitel soll der Frage nachgegangen werden, welches die sprachlichen Mittel
zur erotischen Stimulierung sind.
Zunächst einmal muss der Gesprächspartner emotionalisiert werden. Gleichzeitig sollte
er jedoch entspannt und gelöst sein.
Innerhalb des erotischen Zuredens kann man drei Bereiche unterscheiden. Das
Kompliment, den Tabubruch und die Kundgabe.
Das Kompliment ist in unserem Zusammenhang ein Verbalisieren und Aussprechen von
erotischen Reizen des Partners. Indem z. B. gesagt wird ,deine Haare schimmern` setzt
der Sprecher die Reize des Partners in Worte um. Hierdurch wird der angesprochene
Partner auf seine eigenen Reize punktuell hingewiesen und es wird dokumentiert, dass
der Sprecher diese Reize bemerkt hat und sie Eindruck auf ihn machen. Es ist möglich,
dass sich der Sprecher beim Aussprechen von erotischen Einzelheiten selbst erregt. Ein
Kompliment ist also nicht nur eine bloße Feststellung, sondern auch die Kundgabe, sich
mit den genannten Reizen näher zu beschäftigen.
113
Ist ein Kompliment ausgesprochen, entscheidet nun die Reaktion desjenigen, der es
bekommen hat, über den weiteren Verlauf des Gesprächs. Ein verlegenes Schweigen,
seufzen oder lachen können dem Partner z. B. die Erlaubnis zum Weitergehen geben.
Eine Abwehrhaltung als Reaktion auf ein Kompliment, kann sowohl echt als auch
gespielt sein. Trifft letzteres zu, entsteht das typische ,Geplänkel`. Ob eine erotische
Kommunikation nun einfach oder kompliziert verläuft, ist sie doch ohne das Element
der Gegenseitigkeit nicht möglich
.114
Wird das gesprochene Kompliment nicht abgestellt, kann es zum gewollten oder auch
ungewollten Tabubruch kommen. Um einen solchen handelt es sich, wenn der Sprecher
Wörter oder ganze Texte ausspricht, die wegen ihres erotischen Inhalts tabuisiert
werden. Je nach Schicht und Alter variieren die Grenzen des Tabus.
115
Ein Tabubruch kann in Anzüglichkeit und kühnes/gewagtes Kompliment unterteilt
werden. Während sich die Anzüglichkeit im Erzählen von Zweideutigkeiten und
erotischen Witzen äußert und wegen ihrer Reproduktivität eher von sprachlich weniger
kreativen Personen verwendet wird, wird das gewagte Kompliment durch Ausdrücke
wie ,deine Brüste sind wundervoll` oder ,deine Schenkel sind wie Seide` ausgedrückt.
Hierbei geschieht prinzipiell das Gleiche wie beim ,normalen` Kompliment: der
Narzismus des Hörers wird erweckt, durch das Aussprechen wird Selbsterregung
113
Leisi, S. 60 f.
114
Ebenda, S. 62 f.
115
Ebenda, S. 64.
33

erzeugt und die Absicht wird implizit kundgegeben, sofern eine sexuelle Handlung nicht
schon begonnen hat. Der Linguist Ernst Leisi bezeichnet diesen Vorgang als ,,Streicheln
mit Worten"
116
.
Hieran schließt sich die Kundgabe der eigenen erotischen Absicht an. Während sie in
der ersten und zweiten Phase nur implizit vorhanden ist, wird sie nun explizit
ausgesprochen. Erotische Ankündigungen wie ,,Ich will ..." oder ,,Jetzt werde ich ..."
können spielerischen Charakter erlangen und zu einem Hin und Her von ,ja`, ,nein`,
,ja`, ,nein` führen. Keine der drei Phasen schließt Spiel und Humor aus.
117
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es drei Phasen bei der erotisch stimulierenden
Sprache geben kann: die emotionale Einstimmung, das Kompliment, der Tabubruch und
die Ansage eigener körperlicher Absichten.
4.2
Darstellung von
JUST
4
WOMEN
Nach einem Überblick über das Hörspiel im Allgemeinen, wird in den folgenden
Kapiteln die erotische Hörspielserie
JUST
4
WOMEN
vorgestellt. Es handelt sich hierbei
um das erste erotische Hörspiel Europas, das zunächst nur auf dem deutschsprachigen
Markt erscheint.
4.2.1 Konzept von
JUST
4
WOMEN
Bei dem Hörspiel
JUST
4
WOMEN
handelt es sich um eine Serie, bei der das Konzept des
klassischen amerikanischen Radiodramas oder des hierzulande verwendeten Begriffs
des Hörspiels aufgegriffen wird.
Vier Hauptcharaktere, die von verschiedenen Sprechern oder Schauspielern gesprochen
werden, tauchen neben wechselnden Figuren in jeder Folge auf. Die jeweiligen Szenen
werden durch Klangkulissen und Geräusche untermalt sowie durch Musik ergänzt.
Damit erfüllt die Serie die klassischen Komponenten des Hörspiels in Abgrenzung zum
Hörbuch. Nach amerikanischem Fernsehserienvorbild wurde ein eigener Titelsong für
die Serie entwickelt. Außerdem wird zwischen den einzelnen Szenen mit Musik über-
blendet.
JUST
4
WOMEN
hat sich als erotische Hörspielserie zum Ziel gesetzt, erotische Passagen
speziell nach den Bedürfnissen von Frauen zu integrieren. Dabei werden diese Passagen
sowohl erzählt als auch in Spielhandlungen dargestellt. Im Laufe der Serie wurde von
der stark beschreibenden Lösung (Off-Texte) zu Live-Darstellungen der erotischen
Szenen gewechselt, um mehr Dynamik im Sinne eines Soapansatzes zu erzeugen.
118
116
Leisi, S. 65.
117
Ebenda.
118
Interview mit Ingo Gregus, Geschäftsführer Sounds of Seduction Audioproduktionen, Köln, vom 16.07.2004.
34

Der Serienaspekt von
JUST
4
WOMEN
spiegelt sich in den erschienenen Episoden wieder.
Im Abstand von drei Monaten erscheint eine neue Episode, bis die erste Staffel von
sechs Episoden vollständig ist. Eine Episode ist aus Sicht von
JUST
4
WOMEN
eine in sich
abgeschlossene Folge, die auch ohne die Kenntnisse des vorangegangenen Geschehens
auskommt. Dennoch beginnt jede Episode mit einem kurzen Überblick über die
vorangegangenen Folgen. Dieser Überblick soll es den Hörerinnen erleichtern, die
Stimmen der Charaktere besser auseinanderhalten zu können.
Der Plot (= grobe Handlung) und das Drehbuch zur Serie werden eigens entwickelt, da
es keine bestehenden Drehbücher oder adäquaten Romanvorlagen gibt. Die Handlung
orientiert sich am aktuellen Lifestyle aus Fernsehen und Frauenmagazinen. Hierbei
werden aktuelle Geschehnisse in das Drehbuch eingearbeitet.
Der Verlag beschreibt
JUST
4
WOMEN
selbst als:
einzigartig
Trend und Lifestyle
völlig Frau ­ eben just for women!
Im Fließtext für die Presse und Kooperationsteilnehmer heißt es:
,,
JUST
4
WOMEN
ist die erste erotische Hörspielserie ­ oder besser Hörspiel Soap ­ nur
für Frauen. Just for women eben. Es geht um lustvolle Erotik, Libido und
Leidenschaften. Es geht um die Dinge des täglichen Lebens, die vier Freundinnen
erleben. Vier Frauen wie du und ich ­ Just four women eben.
Und da das Leben nicht stehen bleibt, sondern weitergeht, ständig neues bringt, geht
auch
JUST
4
WOMEN
weiter. Neue Männer, alte Männer, schöne Männer, Machos,
Weicheier und Familienväter ­ das übliche eben. Abenteuer, Leidenschaften,
Sehnsüchte und Hoffnungen. Glück, Leid, Freude, Frust und Lust ­ das Leben
eben.
119
"
Das Drehbuch zur Serie wird von einer Frau geschrieben, die die Geschichte rund um
die vier Hauptcharaktere stetig weiterentwickelt Bbewusst wurden die Charaktere der
vier Freundinnen polarisierend ausgewählt: ,,Cora, die erfolgreiche Management-
beraterin, Moni, Hausfrau und Mutter, Annica, kosmopolitische Sängerin und Grenz-
gängerin sowie Sylvia, mit ein paar Pfunden zuviel und auf der Suche nach dem
Traummann".
Im Internet werden die Eigenschaften der vier Protagonistinnen auf
www.just4women.de detaillierter beschrieben. Auch Kochrezepte, die in der Serie
auftauchen, Reise- oder Ausgehtipps zu den jeweiligen Aktionsstädten oder -ländern
werden hier aufgeführt.
120
119
Anhang 1.1 Auszüge aus der
JUST
4
WOMEN
-Präsentation für Kooperationspartner, 2004.
120
Interview mit Ingo Gregus, Geschäftsführer Sounds of Seduction Audioproduktionen, Köln, vom 16.07.2004.
35

Da das Hörspiel auf klassische pornographische Elemente verzichtet und viele Frauen
mit dem Pornographie-Begriff Negatives verbinden, wird die just4women-Serie als
erotische Hörspielserie bezeichnet.
4.2.2 Zielgruppe
Die Zielgruppendefinition der Serie war eine der Hauptaufgaben der Positionierung von
JUST
4
WOMEN
.
121
Hierbei wurden verschiedene Dimensionen des Marktes beobachtet
und analysiert. Zum potenziellen Markt zählen der Hörspielmarkt sowie der Erotik-
markt im Allgemeinen als auch der Erotikmarkt speziell für Frauen. Auch die
Beobachtungen des Buch- und Printmarkts für Frauen sowie der Fernseh- und
Hörspielserienmarkt und aktuelle Lebenszyklusmodelle dienen der Kategorisierung der
Zielgruppe. Die Definition der primären Zielgruppe ,,Hedonistic Lifestyle Women" von
JUST
4
WOMEN
wurde anhand eines Lebenszyklusmodells vorgenommen. Sie ist durch
folgende Merkmale charakterisiert:
122
weiblich im Alter von 25 bis ca. 40 Jahren
Leserin einer oder mehrerer Frauenzeitschriften/-magazine
hoher Bildungsstand (Abitur, Studium etc.)
karriereorientiert bzw. engagiert zwischen Familie und Karriere
selbstbewusst und anspruchsvoll ­ ebenfalls in Themen wie Beziehung,
Männer, Sexualität
Drang zur Selbstverwirklichung bzw. zum ,Ausleben`
unabhängig mit eigenem Gehalt, eigenem Freundeskreis und eigener
gesellschaftlicher Stellung
trendorientiert in Sachen Mode, Lifestyle, Musik, Wellness etc.
konsumfreudig/hedonistisch
anzutreffen in Bars, Clubs, Wellness-Locations, Mode-/Schmuck- und
Kosmetikhandel, Frauenportalen im Internet, Kino sowie kulturellen
Veranstaltungen.
Eine Ausrichtung auf die Sekundär-Zielgruppe ,Young Professionals/Students` findet
hingegen nur mit zweiter Priorität statt. Diese ebenfalls dem Lebenszyklusmodell ent-
nommene Klassifizierung sieht wie folgt aus:
Alter: 20 bis 25 Jahre
Einsteigerinnen ins Berufsleben oder Studentinnen
engagiert aber nicht ausschließlich karriereorientiert
neuen Themen und Entwicklungen gegenüber aufgeschlossen und neugierig
hoher Bildungsstand und geringes Einkommen als Studentinnen
mittlerer bis hoher Bildungsstand und mittleres Einkommen als
Berufseinsteigerinnen (Young Professionals)
121
Interview mit Ingo Gregus, Geschäftsführer Sounds of Seduction Audioproduktionen, Köln, vom 16.07.2004
122
Anhang 1.1 Auszüge aus der
JUST
4
WOMEN
-Präsentation für Kooperationspartner, 2004.
36

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783832494018
ISBN (Paperback)
9783838694016
Dateigröße
2.9 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität zu Köln – Philosophische Fakultät, Deutsche Sprache und Literatur der Universität zu Köln
Note
2,1
Schlagworte
sprachgebrauch sexualität linguistik erotik hörspiel
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Titel: JUST4WOMEN - Eine linguistische Analyse erotischer Sprachverwendung in der ersten erotischen Hörspielserie für Frauen
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