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Die Jobsuche und die Personalrekrutierung von Führungskräften über soziale Netzwerke

Eine empirische Analyse aus zwei Perspektiven mit Optimierungsgedanken und einem praktischen Beispiel

©2005 Diplomarbeit 190 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Eine Untersuchung der Jobsuche und der Personalrekrutierung über soziale Netzwerke aus personalwirtschaftlicher und netzwerkanalytischer Sicht verlangt nach einem entsprechenden Rahmen. Die ganzheitliche Bearbeitung der Thematik durch die Beschreibung, Erklärung und Gestaltung von Netzwerkprozessen stellt eine Herausforderung dar und erfordert geeignete theoretische Grundlagen und Konzepte, sowie einige Einschränkungen.
Die Beschreibung von wesentlichen Begriffen und theoretischen Ansätzen mit empirischer Überprüfbarkeit ist eine Voraussetzung, um dem Anspruch einer wissenschaftlichen Arbeit zu genügen. Die Idee des Beziehungsmanagements wird in der populärwissenschaftlichen Literatur teilweise trivial oder falsch interpretiert. Aus diesem Grund ist eine angemessene Definition zu formulieren, da bestimmte Aspekte bei der Jobsuche und der Personalrekrutierung über soziale Netzwerke relevant sind. Geeignete Konzepte aus dem umfassenden analytischen Instrumentarium zur Beschreibung, Erklärung und Gestaltung von Netzwerken sind zu identifizieren und in ihren Grundzügen vorzustellen, um Erkenntnisse aus empirischen Studien und Gestaltungsanregungen auf ein theoretisches Fundament zu stellen. Die Idee des sozialen Kapitals liefert Anhaltspunkte für eine ökonomische Interpretation von sozialen Netzwerken als Investition mit lukrativen Erträgen.
Die Erklärung von sozialen Netzwerken auf dem Arbeitsmarkt kann aus zwei Perspektiven erfolgen. Eine Herausforderung besteht in einer optimalen Netzwerkgestaltung aus der Sicht eines Arbeitnehmers und seines Unternehmens. Die quantitative und qualitative Analyse von Vorteilen, Mechanismen und Gestaltungskriterien erfordert zunächst die Generierung von Hypothesen. Experteninterviews und Resultate von empirischen Studien zur Jobsuche und zur Personalrekrutierung über soziale Netzwerke können einen Beitrag zur Überprüfung leisten. Eine Beschränkung auf eine ausgewählte Zielgruppe und eine differenzierte Selektion von entsprechenden Studien ist aufgrund der vorliegenden Kontingenz unbedingt erforderlich.
Auf dem Weg zur Gestaltung eines optimalen sozialen Netzwerks sind Aspekte der Stärke von sozialen Verbindungen, der Netzwerkstrukturen und der sozialen Netzwerkressourcen zu einem ganzheitlichen Ansatz zu integrieren. Das Konzept von effizient-effektiven Netzwerken bietet möglicherweise einen geeigneten Rahmen.
Die Prognose der zukünftigen Rolle von sozialen Netzwerken bei der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 9390
Hochenrieder, Florian: Die Jobsuche und die Personalrekrutierung von Führungskräften
über soziale Netzwerke - Eine empirische Analyse aus zwei Perspektiven mit
Optimierungsgedanken und einem praktischen Beispiel
Druck Diplomica GmbH, Hamburg, 2006
Zugl.: Universität der Bundeswehr München, Diplomarbeit, 2005
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany


ÜBERSICHTEN UND VERZEICHNISSE
Inhaltsübersicht
Seite
Inhaltsverzeichnis
III
Abbildungsverzeichnis
VI
Anhangsverzeichnis
VII
Abkürzungsverzeichnis
IX
Kapitel 1:
Vitamin B oder ,,... ich kenne da jemanden!"
1
Kapitel 2:
Networking: Soziale Netzwerke und soziales Kapital
7
Kapitel 3:
Die informelle Jobsuche über soziale Netzwerke
21
Kapitel 4:
Die informelle Personalrekrutierung über Empfehlungen
47
Kapitel 5:
Gestaltungsanregungen für ein optimales Kontaktnetzwerk
67
Kapital 6:
Beziehungsmanagement und soziale Netzwerke im Internet
86
Kapitel 7:
Kontaktnetzwerke in der Praxis ­ Ein zusammenfassendes Fazit
98
Anhang
102
Literaturverzeichnis
156
II

ÜBERSICHTEN UND VERZEICHNISSE
Inhaltsverzeichnis
Seite
Abbildungsverzeichnis
VI
Anhangsverzeichnis
VII
Abkürzungsverzeichnis
IX
Kapitel 1:
Vitamin B oder ,,... ich kenne da jemanden!"
1
1.1
Soziale Netzwerke in Vergangenheit und Gegenwart
1
1.2
Problemstellung der Diplomarbeit
3
1.3
Wissenschaftliche Einordnung der Problemstellung
4
1.4
Zielsetzung und Aufbau der Diplomarbeit
5
Kapitel 2:
Networking: Soziale Netzwerke und soziales Kapital
7
2.1
Networking als Beziehungsmanagement
7
2.2
Soziale Netzwerke aus wissenschaftlicher Sicht
9
2.2.1 Definition eines sozialen Netzwerks
10
2.2.2 Die Netzwerkanalyse als Werkzeugkasten
11
2.2.3 Gibt es eine Theorie der sozialen Netzwerke?
13
2.3
Soziales Kapital ­ Mehr als nur Investment in Kontakte
17
2.3.1 Definition von sozialem Kapital
18
2.3.2 Investitionen in soziales Kapital
19
2.3.3 Soziales Kapital und Arbeitsmarkt
20
III

ÜBERSICHTEN UND VERZEICHNISSE
Kapitel 3:
Die informelle Jobsuche über soziale Netzwerke
21
3.1
Arbeitsmarkt und informelle Jobsuche
22
3.1.1 (Neo-)klassische Arbeitsmarkttheorien und soziale Netzwerke
22
3.1.2 Ökonomische Rationalität einer informellen Jobsuche
25
3.2
Analyse der informellen Jobsuche über soziale Netzwerke
26
3.2.1 Vorgehensweise und Zielsetzung der Untersuchung
26
3.2.2 Hypothesen zur Jobsuche über soziale Netzwerke in der Praxis
28
3.2.3 Empirische Befragung von Führungskräften
44
3.3 Praxisimplikationen
für
Führungskräfte, Manager und Berater
45
Kapitel 4:
Die informelle Personalrekrutierung über Empfehlungen
47
4.1 Unternehmenseffizienz
und
Personalrekrutierung
48
4.1.1 Ökonomische und soziale Effizienz
48
4.1.2 Interne/externe Beschaffung und Auswahl von Personal
49
4.2
Analyse der informellen Personalrekrutierung über Empfehlungen
51
4.2.1 Vorgehensweise und Zielsetzung der Untersuchung
52
4.2.2 Hypothesen zur informellen Personalrekrutierung in der Praxis
53
4.2.3 Empirische Befragung von Personalmanagern
63
4.3
Praxisimplikationen für das Personalmanagement
64
IV

ÜBERSICHTEN UND VERZEICHNISSE
Kapitel 5:
Gestaltungsanregungen für ein optimales Kontaktnetzwerk
67
5.1
Theoretische Impulse für Optimierungsgedanken zu sozialem Kapital
68
5.1.1 Die Stärke von schwachen Verbindungen
69
5.1.2 Die Stärke von strukturellen Löchern
70
5.1.3 Die Stärke der sozialen Ressourcen
71
5.2
Der Weg zu einem optimalen Kontaktnetzwerk
73
5.2.1 Strukturelle
Voraussetzungen und Vertrauen
73
5.2.2 Konzeption
eines
effizient-effektiven Netzwerks
77
5.2.3 Die Idee der strukturellen Autonomie
80
5.3
Ein fiktives Beispiel des Managers ,,HiPo" (High Potential)
82
Kapital 6:
Beziehungsmanagement und soziale Netzwerke im Internet
86
6.1
Cybernetzwerke und E-Networking
87
6.2
Soziale Business-Netzwerke im Internet
89
6.2.1 OpenBC.com ­ ,,We're networking people!"
90
6.2.2 LinkedIn.com ­ ,,People you want through people you trust!"
90
6.3
Praxisvergleich ,,OpenBC.com vs. LinkedIn.com"
92
6.3.1 Beziehungsmanagement und E-Networking
92
6.3.2 Jobsuche und Personalrekrutierung (E-Cruiting)
94
6.3.3 Empirische Befragung zum Zukunftspotential
97
Kapitel 7:
Kontaktnetzwerke in der Praxis ­ Ein zusammenfassendes Fazit
98
Anhang
102
Literaturverzeichnis
156
V

ÜBERSICHTEN UND VERZEICHNISSE
Abbildungsverzeichnis
Seite
Abbildung 1: Theorien und Analyse von sozialen Netzwerken
9
Abbildung 2: Reziprozität und Transitivität
14
Abbildung 3: Clique mit gegenseitigen (reziproken) Verbindungen
14
Abbildung 4: Die Stärke von schwachen Verbindungen
16
Abbildung 5: Soziales Kapital und soziale Netzwerke
17
Abbildung 6: Jobsuche über soziale Netzwerke
21
Abbildung 7: Personalrekrutierung über soziale Netzwerke
47
Abbildung 8: Unternehmensberater und soziale Netzwerke
66
Abbildung 9: Determinanten eines optimalen Kontaktnetzwerks
67
Abbildung 10: Großes und kleines soziales Netzwerk
75
Abbildung 11: Soziales Kapital und Business-Netzwerke im Internet
86
Abbildung 12: Kompetenzportfolio für ,,Elite-Manager"
100
VI

ÜBERSICHTEN UND VERZEICHNISSE
Anhangsverzeichnis
Seite
Anlage 1:
Der rote Faden der Diplomarbeit
103
Anlage 2:
Kriterien zur Beschreibung der Verbindungen in sozialen Netzwerken
104
Anlage 3:
Kriterien zur Beschreibung von einzelnen Netzwerkakteuren
105
Anlage 4:
Kriterien zur Beschreibung von Gesamtnetzwerken
106
Anlage 5:
Integratives Modell zum sozialen
Kapital
107
Anlage 6:
Ausgewählte Nachfolgestudien zu Granovetters ,,Getting A Job"
108
Anlage 7:
Studienergebnisse zur Quantität der informellen Jobsuche/-findung
109
Anlage 8:
Studienresultate zur Passivität bei der informellen Jobsuche/-findung
111
Anlage 9:
Ausgewählte Ergebnisse zur Qualität der informellen Jobsuche
112
Anlage 10:
Ausgewählte Studienresultate zur Stärke von schwachen Verbindungen 113
Anlage 11:
Ergebnisse zu Lohneffekten bei einer informellen Jobsuche
114
Anlage 12:
Sozialkapital-Modell für die informelle Jobsuche
115
Anlage 13:
Relevante Studienergebnisse zu mobilisierbaren sozialen Ressourcen
116
Anlage 14:
Relevante Studienergebnisse zu erreichbaren sozialen Ressourcen (I)
117
Anlage 15:
Relevante Studienergebnisse zu erreichbaren sozialen Ressourcen (II)
118
Anlage 16:
Integrative Studien zu erreichbaren und mobilisierbaren Ressourcen
119
Anlage 17:
Die Rolle der Verbindungsstärke im Karriereverlauf
120
Anlage 18:
Ökonomische und soziale Effizienz bei der Personalbeschaffung
121
Anlage 19:
Übersicht über Studien zur informellen Personalrekrutierung
122
Anlage 20:
Fakten zur nicht-repräsentativen empirischen Erhebung
123
Anlage 21:
Teilnehmerübersicht der empirischen Befragung
124
Anlage 22:
Fragenkatalog für die empirische Erhebung
125
Anlage 23:
Experteninterview 1 (MRI Worldwide Executive Search)
128
Anlage 24:
Experteninterview 2 (Unternehmensberatung A, anonymisiert)
130
Anlage 25:
Experteninterview 3 (Unternehmensberatung B, anonymisiert)
132
Anlage 26:
Experteninterview 4 (Unternehmensberatung C, anonymisiert)
133
Anlage 27:
Experteninterview 5 (Unternehmensberatung D, anonymisiert)
134
Anlage 28:
Experteninterview 6 (Konsumgüterunternehmen E, anonymisiert)
135
Anlage 29:
Experteninterview 7 (Konsumgüterunternehmen F, anonymisiert)
136
VII

ÜBERSICHTEN UND VERZEICHNISSE
Anlage 30:
Experteninterview 8 (Industrieunternehmen G, anonymisiert)
137
Anlage 31:
Experteninterview 9 (Industrieunternehmen H, anonymisiert)
138
Anlage 32:
Übersicht der quantitativen empirischen Erhebungsergebnisse
139
Anlage 33:
Branchenspezifische Resultate zur informellen Jobsuche
141
Anlage 34:
Branchenspezifische Resultate zur Netzwerkrekrutierung
142
Anlage 35:
Branchenspezifische Resultate zum Internetpotential
143
Anlage 36:
Annahmen zu soziale Ressourcen als sozialem Kapital
144
Anlage 37:
Fiktives Kontaktnetzwerk des Managers ,,HiPo" (Ausgangssituation)
145
Anlage 38:
Fiktives Kontaktnetzwerk des Managers ,,HiPo" (SOLL-Situation)
146
Anlage 39:
Social Software und Cybernetzwerke
147
Anlage 40:
Beziehungsmanagement mit LinkedIn ­ Drei Schritte zum Erfolg
148
Anlage
41:
Funktionen
von
OpenBC
149
Anlage 42:
Kontaktaufnahme bei LinkedIn
150
Anlage 43:
Persönliches Profil bei OpenBC.com
151
Anlage 44:
Erfolgsbeispiel 1 - Personalrekrutierung über LinkedIn
152
Anlage 45:
Erfolgsbeispiel 2 ­ Personalrekrutierung über LinkedIn
153
Anlage 46:
Erfolgsbeispiel 3 ­ Personalrekrutierung über LinkedIn
154
Anlage 47:
Erfolgsbeispiel 4 ­ Jobsuche über LinkedIn
155
VIII

ÜBERSICHTEN UND VERZEICHNISSE
Abkürzungsverzeichnis
aktualis. aktualisiert(-e)
Anm. d. Verf.
Anmerkung des Verfassers
Aufl.
Auflage
BCG
Boston
Consulting
Group
ECSR
European Consortium for Sociological Research
CEPR
Centre for Economic Policy Research
CPS
Current
Population
Survey
ders.
derselbe
ebd.
ebenda
erw.
erweitert(-e)
et
al.
et
alii
(lateinisch: und andere)
HRM
Human
Resource
Management
Hrsg.
Herausgeber(-band)
ICQ
I-Seek-You
(Internet-Nachrichtenversand)
INSNA
International Network for Network Analysis
KZfSS
Kölner
Zeitschrift
für
Soziologie und Sozialpsychologie
MS
Microsoft
(Software-Unternehmen)
MZES
Mannheimer Zentrum für europäische Sozialforschung
NLSY
National Longitudial Study of Youth
Nr.
Nummer
o.S.
ohne
Seite
o.V.
ohne
Verfasser
S.
Seite
SNW
Soziales
Netzwerk
s.o.
siehe
oben
UCLA
University of California, Los Angeles
vs.
versus
WWW
World
Wide
Web
(Internet)
YIM
Yahoo
Instant
Messenger
(Internet-Nachrichtenversand)
z.B.
zum
Beispiel
zit.
zitiert
IX

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
Kapitel 1: Vitamin B oder ,,... ich kenne da jemanden!"
,,As a net is made up of a series of ties, so everything in this world is connected by a series of ties. If
anyone thinks that the mesh of a net is an independent, isolated thing, he is mistaken. It is called a
net because it is made up of a series of interconnected meshes, and each mesh has its place and
responsibility in relation to the other meshes."
(Buddha, zit. in Brass 1995, S. 40)
1.1
Soziale Netzwerke in Vergangenheit und Gegenwart
Ein Blick in die Vergangenheit und in die Geschichtsbücher
1
zeigt, dass Netzwerke und soziale
Verbindungen seit jeher den Verlauf der Welt prägen. Alle historischen Großreiche von den
Griechen bis zu den Römern, und auch moderne Weltmächte, wie die USA, begründeten ihre Macht
unter anderem auf effizienten Informationsflüssen, Einflussmöglichkeiten und den richtigen
Verbindungen, die durch Netzwerke gewährleistet wurden. Mängel oder fehlende Verbindungen im
Netzwerk führten häufig zu massiven Rückschlägen oder gar zum Zusammenbruch.
In der heutigen Wirtschaft existieren nach wie vor ausgeprägte Netzwerke, die sich in den
unterschiedlichsten Zusammenhängen auswirken. Es gibt beispielsweise Netzwerke von
Unternehmen, die Kosten- und Wissensvorsprünge versprechen, Innovationsnetzwerke, die
Wettbewerbsfähigkeit gewährleisten, Computernetzwerke, die Komplexität reduzieren und sogar
Terroristen vernetzen sich, um ihre Ziele noch effizienter verfolgen zu können. Individuen sind
bewusst oder unbewusst in ihre Familien, in Freundes- und Bekanntenkreise und in das betriebliche
Netzwerk am Arbeitsplatz eingebunden. Die Top-Führungsebenen von Unternehmen sind ebenfalls
oft vernetzt. Vorteile und Nachteile von sozialen Netzwerken können sich auf unterschiedlichsten
Ebenen ergeben und sind stets abhängig von der Perspektive und dem verfolgten Ziel.
Die aktuellen Zahlen des statistischen Bundesamts vom 30.06.2005 sprechen von fast fünf (4,7)
Millionen Menschen ohne Arbeit in Deutschland (o.V. 2005a, o.S.). Arbeitnehmer sind aktiv oder
passiv auf der Jobsuche und Unternehmen wollen gleichzeitig geeignetes Personal rekrutieren. Der
Wettbewerb um offene Stellen und um talentierte Kandidaten hat aufgrund von wirtschaftlichen und
demographischen Faktoren besonders bei hoch qualifizierten Arbeitskräften zugenommen.
1
Die Herrscherfamilie der Medici sicherte ihre Machtposition durch die ausgeklügelte Kombination von einem
zielorientierten Heiratsnetzwerk und einem Netz aus ökonomischen Verbindungen (Padgett/Ansell 1993, S. 1276).
1

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
Welche quantitative bzw. qualitative Rolle spielen soziale Netzwerke bei der Jobsuche und der
Personalrekrutierung vor dem Hintergrund dieser aktuellen Entwicklungen?
Sind hervorragende Beziehungen eine hochwertige Ressource bei der beruflichen Karriere von
Managern? Wird der berufliche Aufstieg von Führungskräften tatsächlich wesentlich von ihren
sozialen Verbindungen determiniert? Der ehemalige Firmenlenker des Quelle-Konzerns, Klaus
Mangold, fand beispielsweise über seine freundschaftliche Verbindung zum Vorstandschef von
Daimler-Chrysler, Jürgen Schrempp, zu seiner neuen Vorstandsposition
2
. Je höher die Position,
desto wichtiger scheinen Kontaktnetzwerke zu werden, um Informationen auszutauschen, und um
Einfluss beim Jobwechsel zu mobilisieren (Buchhorn 2003, o.S.). Sind soziale Netzwerke
tatsächlich "Doping für die Karriere" (Jankowski 2005, o.S.) oder kommt es mehr auf die Qualität
und weniger auf die Quantität von sozialen Beziehungen an? Die gewagte These, dass in höheren
Führungskreisen elitäre Netzwerke ein Substitut für Leistung darstellen können (Hartmann
3
, zit. in
Kaufmann 2003, o.S.), erscheint jedenfalls ohne eine empirische Fundierung zunächst fragwürdig.
Soziale Netzwerke an sich versprechen wohl noch keinen Nutzen. Es stellt sich allerdings die Frage,
ob eine systematische Entwicklung des Kontaktnetzwerks die Karriere von Arbeitnehmern
unterstützen kann
4
(o.V. 2003, o.S.) und gleichzeitig auch Vorteile für Unternehmen bietet, wenn
sie auf Empfehlungen aus sozialen Netzwerken von Mitarbeitern bei der Rekrutierung setzen
(Wiegmann 2005, o.S.). Ratgeber zum Thema Networking (Scheler 2004; Scheddin 2005) bleiben
in der Regel an der Oberfläche und liefern nur triviale Antworten. Die angebotenen universellen
Praxisempfehlungen sind kritisch zu hinterfragen. Es bleibt offen, worauf es konkret ankommt:
Welche Strukturen und sozialen Ressourcen im sozialen Netzwerk sind die Grundlage für
mögliche Wettbewerbsvorteile bei der Jobsuche oder bei der Personalrekrutierung?
Es gibt verschiedenste Möglichkeiten zum Beziehungsmanagement in der Praxis, um bei der Suche
nach interessanten Jobs oder nach viel versprechenden Kandidaten zu profitieren. Soziale
Netzwerkplattformen im Internet setzen auf das Potential von direkten und indirekten Kontakten
(Hinrichs
5
, zit. in Jankowski 2005, o.S.) und bieten Optionen zum Management von Beziehungen:
2
Diese starke Verbindung hat ihren Ursprung in den Baden-Badener Unternehmensgesprächen, bei denen sich höhere
Führungskräfte regelmäßig austauschen und ihre Netzwerke untereinander pflegen und entwickeln.
3
Michael Hartmann ist ein bekannter Eliteforscher von der TU Darmstadt, der die informelle Rekrutierung und die
Rolle von sozialen Schichten bei der Elitenbildung in der Wirtschaft erforscht.
4
Eine Studie der Internetplattform Jobware zeigt, dass unter 3500 Arbeitnehmern die Mehrheit die Bedeutung von
sozialen Beziehungen gleich (40 %) oder höher (41 %) als die der beruflichen Kompetenz einschätzt.
5
Lars Hinrichs ist Geschäftsführer des sozialen Internetnetzwerks OpenBC.com (Open Business Club).
2

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
Bieten soziale Netzwerke im Internet Vorteile beim Beziehungsmanagement und bei der
Jobsuche und der Personalrekrutierung über soziale Netzwerke?
Es gibt viele offene Fragen zum Thema der Jobsuche und der Personalrekrutierung über soziale
Netzwerke. Die Suche nach einigen wesentlichen Antworten leistet einen Beitrag, um das Potential
von Kontaktnetzwerken in der Praxis besser erkennen und systematisch erschließen zu können.
1.2
Problemstellung der Diplomarbeit
Eine Untersuchung der Jobsuche und der Personalrekrutierung über soziale Netzwerke aus
personalwirtschaftlicher und netzwerkanalytischer Sicht verlangt nach einem entsprechenden
Rahmen. Die ganzheitliche Bearbeitung der Thematik durch die Beschreibung, Erklärung und
Gestaltung von Netzwerkprozessen stellt eine Herausforderung dar und erfordert geeignete
theoretische Grundlagen und Konzepte, sowie einige Einschränkungen.
Die Beschreibung von wesentlichen Begriffen und theoretischen Ansätzen mit empirischer
Überprüfbarkeit ist eine Voraussetzung, um dem Anspruch einer wissenschaftlichen Arbeit zu
genügen. Die Idee des Beziehungsmanagements wird in der populärwissenschaftlichen Literatur
teilweise trivial oder falsch interpretiert. Aus diesem Grund ist eine angemessene Definition zu
formulieren, da bestimmte Aspekte bei der Jobsuche und der Personalrekrutierung über soziale
Netzwerke relevant sind. Geeignete Konzepte aus dem umfassenden analytischen Instrumentarium
zur Beschreibung, Erklärung und Gestaltung von Netzwerken sind zu identifizieren und in ihren
Grundzügen vorzustellen, um Erkenntnisse aus empirischen Studien und Gestaltungsanregungen
auf ein theoretisches Fundament zu stellen. Die Idee des sozialen Kapitals liefert Anhaltspunkte für
eine ökonomische Interpretation von sozialen Netzwerken als Investition mit lukrativen Erträgen.
Die Erklärung von sozialen Netzwerken auf dem Arbeitsmarkt kann aus zwei Perspektiven
erfolgen. Eine Herausforderung besteht in einer optimalen Netzwerkgestaltung aus der Sicht eines
Arbeitnehmers und seines Unternehmens. Die quantitative und qualitative Analyse von Vorteilen,
Mechanismen und Gestaltungskriterien erfordert zunächst die Generierung von Hypothesen.
Experteninterviews und Resultate von empirischen Studien zur Jobsuche und zur
Personalrekrutierung über soziale Netzwerke können einen Beitrag zur Überprüfung leisten. Eine
Beschränkung auf eine ausgewählte Zielgruppe und eine differenzierte Selektion von
entsprechenden Studien ist aufgrund der vorliegenden Kontingenz unbedingt erforderlich.
3

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
Auf dem Weg zur Gestaltung eines optimalen sozialen Netzwerks sind Aspekte der Stärke von
sozialen Verbindungen (Granovetter 1974, 1995), der Netzwerkstrukturen (Burt 1992) und der
sozialen Netzwerkressourcen (Lin 2001) zu einem ganzheitlichen Ansatz zu integrieren. Das
Konzept von effizient-effektiven Netzwerken bietet möglicherweise einen geeigneten Rahmen.
Die Prognose der zukünftigen Rolle von sozialen Netzwerken bei der Jobsuche und bei der
Personalrekrutierung ist eine Herausforderung. Das Beispiel von sozialen Online-Netzwerken kann
die zukünftige Rolle andeuten und praktische Umsetzungsmöglichkeiten für ein
Beziehungsmanagement und für eine informelle Jobsuche bzw. Personalrekrutierung aufzeigen.
1.3
Wissenschaftliche Einordnung der Problemstellung
Die eigentliche Betrachtungsebene der Personalwirtschaft sind die einzelnen Mitarbeiter in
Unternehmen. Die Konzentration auf demographische und persönlichkeitsbezogene Eigenschaften
verhindert jedoch ein ganzheitliches Bild des betrachteten Individuums (Brass 1995, S. 40). Die
strukturelle Perspektive der sozialen Netzwerke stellt eine Alternative zu klassischen Sichtweisen in
der Personalwirtschaft dar. Untersuchungsobjekt sind dann nicht mehr individuelle Attribute,
sondern Beziehungen zwischen Netzwerkakteuren. Individuen sind in soziale Netzwerke
eingebunden, die neben den persönlichen Attributen zu Chancen oder Hemmnissen für individuelles
Handeln führen (ebd., S. 40 f.).
Die Analyse der Jobsuche und der Personalrekrutierung über soziale Netzwerke betrachtet die Rolle
des Kontaktnetzwerks eines Akteurs aus zwei Perspektiven. Arbeitnehmer verfolgen auf dem
Arbeitsmarkt das Ziel einen guten oder besseren Job zu finden (Granovetter 1974). Unternehmen
versuchen als Arbeitgeber optimale Kandidaten für Stellen zu rekrutieren, um die soziale und
ökonomische Effizienz der Organisation zu optimieren (Marr/Stitzel 1979). Ein Netzwerkakteur
profitiert möglicherweise von einer erfolgreicheren Jobsuche, und Unternehmen können von den
sozialen Netzwerken ihrer Mitarbeiter durch Empfehlungen profitieren. Die Optimierung von
individuellen Netzwerken bietet unter Umständen Vorteile für beide Seiten und lohnt sich dann aus
personalwirtschaftlicher Sicht. Die theoretische Einordnung der Jobsuche und der
Personalrekrutierung über soziale Netzwerke erfolgt vor dem Hintergrund von
Arbeitsmarkttheorien und von personalwirtschaftlichen Theorien zur sozialen und ökonomischen
Effizienz bei der Personalbeschaffung und Personalauswahl. Die Identifizierung und Interpretation
von Netzwerkmechanismen zur gezielten Optimierung von sozialen Netzwerken, um potentielle
4

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
Vorteile realisieren zu können, steht in der Tradition der sozialen Netzwerkforschung. Die
Netzwerkanalyse und Konzepte zum sozialen Kapital liefern ein Instrumentarium zur Erklärung und
Gestaltung von sozialen Netzwerken. Die personalwirtschaftlich relevanten netzwerkanalytischen
Fragen richten sich darauf, welche Arten von Verbindungen bzw. Strukturen und sozialen
Ressourcen (Granovetter 1974, 1995; Burt 1992; Lin 2001) in einem Netzwerk zu vorteilhaften
Informationen, zu Einfluss und zu Empfehlungen führen. können
6
. Zur Beantwortung dieser
Fragestellungen bietet sich eine strukturalistische Netzwerkperspektive an (Brass 1995, S. 42).
1.4
Zielsetzung und Aufbau der Diplomarbeit
Diese Arbeit liefert keine allgemeingültigen Antworten und keinen universalen Leitfaden zur
strategischen Optimierung eines sozialen Netzwerks. Der Leser soll durch die Analyse von
Experteninterviews und von empirischen Resultaten vor einem wissenschaftlichen Hintergrund in
die Thematik der sozialen Netzwerke eingeführt werden. Die Beschreibung wesentlicher Begriffe
und Konzepte (Kapitel 2), die Erklärung von Netzwerkaspekten bei der Jobsuche (Kapitel 3) und
bei der Personalrekrutierung (Kapitel 4) über soziale Netzwerke und daraus abgeleitete
Gestaltungsanregungen (Kapitel 5) sollen ein Gefühl für die Netzwerkperspektive vermitteln. Die
vorliegende Diplomarbeit fokussiert sich bewusst auf eine bestimmte Zielsetzung und Zielgruppe:
Netzwerkaktive Führungskräfte (bzw. Unternehmensberater) und (Personal-)Manager sollen das
mögliche Potential von Kontaktnetzwerken erkennen und in der Lage sein, Netzwerke
systematisch aufzubauen, zu pflegen und zu entwickeln, um Vorteile bei der eigenen Jobsuche
bzw. bei der Personalrekrutierung ihres Unternehmens verwirklichen zu können.
Strukturelle Aspekte
7
zur Stärke von Verbindungen, zu den Netzwerkstrukturen und zu den sozialen
Ressourcen werden beleuchtet und analysiert, um anschließend Anregungen zur Optimierung der
angesprochenen Kriterien zu liefern. Die Arbeit setzt sich dazu aus sechs Abschnitten zusammen:
Die Einführung mit einer Erläuterung des aktuellen und des wissenschaftlichen Bezugs von
sozialen Netzwerken führt zum Thema hin und zeiget relevante Forschungsfragen auf (Kapitel 1).
6
Ein organisationspsychologisches Interesse kann ergänzend in der Analyse von Zusammenhängen von
Netzwerkpositionen und Konflikten oder individuellen Einstellungen liegen (Brass 1995, S. 42).
7
Psychologische Aspekte und Ansätze zur sozialen Kompetenz werden in dieser Diplomarbeit bewusst vernachlässigt,
ohne die Bedeutung für die praktische Realisierung von strukturellen Erkenntnissen abzusprechen.
5

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
Theoretische Definitionen von wesentlichen Begriffen und Erläuterungen von theoretischen
Kriterien von sozialen Netzwerken bilden den Ausgangspunkt dieser Diplomarbeit (Kapitel 2).
Die informelle Jobsuche über soziale Netzwerke wird anschließend vor einem
arbeitsmarkttheoretischen Hintergrund quantitativ und qualitativ untersucht. Hypothesen werden
aus Experteninterviews und empirischen Analysen generiert und überprüft, um Vorteile und
strukturelle Gestaltungskriterien von Kontaktnetzwerken zu identifizieren (Kapitel 3).
Es erfolgt dann ein Perspektivenwechsel zu den Unternehmen. Vorteile und Möglichkeiten der
Personalrekrutierung über soziale Netzwerke werden vor allem unter Effizienzgesichtspunkten
(Marr/Stitzel 1979) anhand von Experteninterviews und empirischen Studien analysiert (Kapitel 4).
Die Erkenntnisse aus der Überprüfung von Hypothesen zur Jobsuche und zur Personalrekrutierung
über soziale Netzwerke werden mit ausgewählten netzwerktheoretischen Ansätzen in Verbindung
gebracht. Das integrative Konzept der effizient-effektiven Netzwerke und die strukturelle
Autonomie werden vorgestellt, um Gestaltungsanregungen für die Praxis zu liefern (Kapitel 5).
Im vorletzten Abschnitt werden soziale Online-Netzwerke als zukunftsträchtiges Praxisbeispiel
erläutert. Die Internetplattformen OpenBC.com und LinkedIn.com werden gegenübergestellt
8
, um
Möglichkeiten zum virtuellen Beziehungsmanagement und zur Jobsuche bzw. zur
Personalrekrutierung über soziale Online-Netzwerke anzudeuten (Kapitel 6).
Das letzte Kapitel rundet diese Diplomarbeit methodisch ab. Die Beantwortung der
Forschungsfragen und weitere wesentliche Erkenntnisse werden abschließend aus einer
Netzwerkperspektive reflektiert und zusammengefasst. Impulse für weitere Forschungsfragen sollen
Anregungen für weitere wissenschaftliche Untersuchungen von sozialen Netzwerken mit einem
personalwirtschaftlichen Schwerpunkt liefern und verdeutlichen, dass in dieser Arbeit lediglich ein
kleiner Ausschnitt aus einem sehr weiten Feld behandelt werden kann (Kapitel 7).
Der rote Faden der Diplomarbeit ist graphisch in der Anlage 1 dargestellt.
8
Die praktische Relevanz von Internetplattformen zum Beziehungsmanagement und zur Jobsuche bzw.
Personalrekrutierung über soziale Online-Netzwerke zeigt sich in unzähligen aktuellen Beiträgen in der
Wirtschaftspresse und in personalwirtschaftlichen Fachzeitschriften, die explizit auf die beiden Netzwerke OpenBC und
LinkedIn hinweisen (vgl. z.B. Goff 2004, S. 23 ff.; Wolk 2004, S. 40 ff.; Bittelmeyer 2005, S. 36 ff.; Sixtus 2004, o.S.,
2005, S. 134 ff.).
6

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
Kapitel 2: Networking: Soziale Netzwerke und soziales Kapital
Die wissenschaftliche Betrachtung der Jobsuche bzw. Personalrekrutierung über soziale Netzwerke
erfordert die Definition und die inhaltliche Darstellung von wesentlichen theoretischen Begriffen.
Aus diesem Grund werden in diesem Kapitel Beziehungsmanagement, die Analyse von sozialen
Netzwerken und die Idee des sozialen Kapitals aus einer Netzwerkperspektive vorgestellt.
2.1
Networking als Beziehungsmanagement
,,Beziehungen schaden nur dem, der keine hat."
(Öttl/Härter 2004, S. 1)
Beziehungsmanagement ist das Kernelement von vielen Büchern zur Rolle von Netzwerken für
den beruflichen Erfolg (Wikner 2000; Scheddin 2005; Scheler 2004; Rudolph 2004).
Das Management von sozialen Verbindungen bzw. Networking wird darin häufig als triviales
Phänomen vorgestellt, das bei systematischem Vorgehen einen universellen Nutzen verspricht.
Diese vereinfachende und undifferenzierte Art der Betrachtung ist mit Vorsicht zu genießen. Tipps,
die eine universale Gültigkeit für jeden Akteur in der Wirtschaft beanspruchen, sind nicht empirisch
fundiert. Aspekte von Networking lassen sich allerdings treffend auf die Analyse von Vorteilen und
Kriterien von sozialen Netzwerken, sowie auf die optimale Gestaltung bei der Jobsuche bzw. der
Personalrekrutierung übertragen. Aus diesem Grund werden ausgewählte Elemente aus
populärwissenschaftlichen Definitionen von Networking übernommen und integriert. Der Begriff
wird eingeführt, um ein einheitliches Verständnis bei der folgenden Beschreibung, Erklärung und
Gestaltung von sozialen Netzwerken und Netzwerkprozessen voraussetzen zu können.
Networking umfasst als Beziehungsmanagement den Aufbau, die Pflege und die Nutzung von
sozialen Verbindungen von denen beteiligte ,,Netzwerkpartner" profitieren können (Wikner 2000,
S.14). Es ist ,,eine methodische und systematische Art der Beziehungspflege, die in der offenen
Absicht der gegenseitigen Förderung, des Austauschs und des persönlichen Vorteils geschieht"
(Scheler 2004, S. 21 f.). Hinter bewusstem Networking steckt die Annahme, dass ein
Kontaktnetzwerk beruflich von Vorteil sein kann. Es kommt darauf an, die richtigen Beziehungen
einzugehen und zu pflegen (Rudolph 2004, S. 8).
7

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
Networking schafft zielorientierte Verbindungen zwischen Menschen. Die Offenheit für neue
Kontakte, das Vertrauen gegenüber anderen Akteuren und der aktive Einsatz in den Beziehungen
sind wesentliche Erfolgsfaktoren. Die Grundlage ist ein Gleichgewicht aus Geben und Nehmen
(Wikner 2000, S. 49). Im Mittelpunkt steht der gegenseitige Austausch von Informationen, von
Hilfeleistungen und von Unterstützung. (ebd., S. 34).
Empirische Untersuchungen belegen, dass vor allem hoch qualifizierte Manager versuchen, durch
Networking ihr Kontaktnetzwerk, zu pflegen, zu optimieren und zu nutzen. Die Ergebnisse einer
Studie (Luthans/Hodgetts/Rosenkrantz 1988) zum Verhalten von Managern zeigen, dass die
erfolgreichsten Führungskräfte gegenüber den weniger erfolgreichen 70 % mehr Zeit für
Networking und 10 % mehr für allgemeine Kommunikation einsetzen (Seibert/Kraimer/Liden 2004,
S. 221). Die Frage nach der Rolle von Networking bei der Jobsuche und bei der Rekrutierung von
Führungskräften bietet sich an, da diese Berufsgruppe in hohem Maße in regelmäßige
Netzwerkaktivitäten involviert ist. Ein systematisches Management von Beziehungen kann Vorteile
für Arbeitnehmer bei einer Jobsuche bieten, aber auch Unternehmen können unter Umständen von
der Personalrekrutierung über Empfehlungen aus dem Netzwerk profitieren.
Networking zum Selbstzweck kann allerdings nicht funktionieren. Wichtige Grundregeln sind
Ehrlichkeit, Offenheit, Vertrauen und Gegenseitigkeit (Wikner 2000, S. 13). Ziel ist eine Win-Win-
Situation mit gegenseitigen Vorteilen durch Informationen, Empfehlungen, neue Verbindungen,
Gefälligkeiten und Feedback (Scheddin 2005, S. 87 ff.). Die Beantwortung der Frage, ob
Networking tatsächlich eine ,,strategische Erfolgsformel" (Wikner 2000, S. 34) für Arbeitnehmer
darstellt, von der auch indirekt die Unternehmen profitieren, erfordert eine differenzierte
Vorgehensweise. Die bewusste bzw. systematische Gestaltung von Kontaktnetzwerken lässt sich
treffend unter den Begriff Networking subsumieren. Aus diesem Grund wird für die Analyse der
Jobsuche und der Personalrekrutierung über soziale Netzwerke die folgende Definition formuliert:
Networking integriert den zielorientierten Aufbau, die bewusste Pflege und die systematische
Entwicklung von sozialen Netzwerken. Akteure können bei einer Jobsuche (Mitarbeiter) oder bei
der Personalrekrutierung (Unternehmen) von Informationen, von Einfluss und/oder von
Empfehlungen aus Kontaktnetzwerken profitieren. Networking kann einen Beitrag leisten, um
strategische Wettbewerbsvorteile aus sozialen Verbindungen zu realisieren.
8

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
2.2
Soziale Netzwerke aus wissenschaftlicher Sicht
9
,,Der Netzwerkbegriff hat in der Diagnose von modernen Gesellschaften durch Soziologen,
Politikwissenschaftler und Ökonomen Hochkonjunktur."
(Jansen 2003, S. 11)
Das Netzwerk eines Akteurs ,,kann man sich gut so vorstellen wie das Netz einer Spinne ... Ein
solches Netz hat ein Zentrum, in dem die Spinne ,wohnt'. Von diesem Zentrum aus breiten sich
kreisförmig Fäden aus, die kunstvoll miteinander verwoben sind. Die einzelnen Fäden sind
hauchdünn und zerreißen schnell, die Gesamtheit aber ist ausgesprochen stabil und trägt Gewichte,
die die Spinne um ein Vielfaches überschreiten. Das Gesamtwerk ist ein im Verhältnis zur Spinne
riesiges Geflecht (Rudolph 2004, S. 33)".
Das Beispiel soll die Tatsache unterstreichen, dass in Publikationen zu Networking (Öttl/Härter
2004; Scheddin 2005; Scheler 2004; Rudolph 2004) häufig triviale Erklärungs- und Gestaltungs-
ansätze für Netzwerke angeboten werden. Soziale Netzwerke stellen jedoch eine wissenschaftliche
Herausforderung dar. Die Grundkenntnis des netzwerkanalytischen Instrumentariums und von
kompatiblen Theoriekonzepten ist erforderlich, um Vorteile, Wirkungsmechanismen und
Gestaltungskriterien beschreiben, erklären und optimal gestalten zu können. Der Begriff der
sozialen Netzwerke wird in diesem Abschnitt zunächst definiert und für diese Diplomarbeit auf
Ego-Netzwerke eingegrenzt. Anschließend werden ausgewählte Instrumente und Kriterien der
Netzwerkanalyse vorgestellt und anhand von theoretischen Konzepten verdeutlicht. Importierte und
eigene Theorieansätze der sozialen Netzwerkanalyse werden dazu angesprochen und erläutert.
NETWORKING
SOZIALES
NETZWERK
Akteure
Verbindungen
Strukturen
Ressourcen
THEORIEN
INSTRUMENTE
ANALYSE
Abbildung 1: Theorien und Analyse von sozialen Netzwerken
9
Im Internet kann unter auf der Webseite ,,www.socialnetworks.org" ein sehr umfassender Überblick über die Literatur
und die wichtigsten Studien zu sozialen Netzwerken eingesehen werden. Das internationale Netzwerk zur sozialen
Netzwerkanalyse wird über die Homepage
www.insna.org
erreicht.
9

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
2.2.1 Definition eines sozialen Netzwerks
,,Der Begriff eines Netzwerks wird rein formal definiert als ein abgegrenzter Set von Knoten und
ein Set der für diese Knoten definierten Kanten" (Jansen 2003, S. 13). In sozialen Netzwerken
stellen die menschlichen Akteure und ihre sozialen Beziehungen die Knoten und Kanten dar, die
durch die Art der Verknüpfung charakterisiert werden. Beziehungen integrieren jeweils mindestens
zwei Akteure. Diese Dyaden sind die Grundbausteine von sozialen Netzwerken. Die
Mindestanforderung an ein soziales Netzwerk ist die Existenz von Triaden bei denen drei Akteure
durch Beziehungen bzw. Dyaden verbunden sind. Untersuchungen von Pfaden und indirekten
Verbindungen werden dadurch erst möglich (Brass 1995, S. 47).
Ein Akteur ist stets der Mittelpunkt seines eigenen Netzwerks (Boissevain 1974, S. 40). Akteure in
Netzwerken können grundsätzlich Personen, Gruppen oder Organisationen
10
sein. Es sind
interpersonelle, intergruppenbezogene oder interorganisationale Untersuchungsebenen möglich
(Brass 1995, S. 48 f.). Aus der Perspektive eines Ego-Netzwerks stehen die Beziehungen eines
Akteurs mit seinen individuellen Kontakten im Mittelpunkt. Methodisch ist die Ego-Perspektive
sinnvoll, da bei Erhebungen in der Regel nicht alle Informationen lückenlos zu allen Akteuren in
einem Netzwerk gewonnen werden können. Die theoretische Rechtfertigung des Ansatzes besteht in
der Möglichkeit zur Darstellung der individuellen Wahrnehmung des sozialen Netzwerks eines
Akteurs. Ego-Netzwerke sind die Grundlage zum netzwerkorientierten Vergleich von Akteuren. Ein
Individuum hat beispielsweise mehr soziale Beziehungen, ein anderer Akteur weist dann unter
Umständen weniger entsprechende Beziehungen auf. Die Verbindungen zwischen zwei Akteuren
werden jedoch auch beeinflusst von deren direkten und indirekten Beziehungen zu weiteren
Akteuren im Netzwerk. Die Existenz oder Nicht-Existenz einer Beziehung zwischen zwei Akteuren
kann die Verbindung zwischen anderen Akteuren wesentlich determinieren (ebd., S. 47).
Bei der Analyse der Jobsuche und der Personalrekrutierung über soziale Netzwerke in dieser Arbeit
wird eine Netzwerkdefinition für Arbeitnehmer aus der Ego-Perspektive zugrunde gelegt:
Das soziale Netzwerk und die sozialen Strukturen eines Arbeitnehmers aus seiner Ego-Perspektive
werden determiniert durch seine direkten und indirekten Verbindungen zu weiteren Akteuren.
10
Organisationen setzen sich im Sinne dieser Definition aus mehreren Gruppen zusammen (Brass 1995, S. 48).
10

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
2.2.2 Die
Netzwerkanalyse
11
als Werkzeugkasten
Die sozialen Strukturen, die das spezifische Muster der bestehenden Verbindungen in einem
sozialen System darstellen, sind ein häufiges Untersuchungsobjekt der Netzwerkforschung
(Wellman 1988, S. 26; Nadel 1957, S. 12). Ein Vorteil des Netzwerk-Ansatzes ist, dass das
Beziehungsnetz als Ganzes und gleichzeitig Ausschnitte davon betrachtet werden können. Es wird
möglich, beispielsweise den Informationsfluss sowohl vertikal als auch horizontal zu untersuchen,
Quellen und Empfänger zu bestimmen, aber auch strukturelle Zwänge zu orten, die den
Ressourcenfluss hemmen (Wellman 1988, S. 26).
Die Netzwerkanalyse dient zur Beschreibung von sozialen Netzwerken und zur Erklärung von
Auswirkungen der Netzwerkstrukturen auf das individuelle Handeln (Schweizer 1989, S. 4). Im
Mittelpunkt stehen informelle Austauschbeziehungen, die sowohl innerhalb als auch außerhalb von
formalen Strukturen auftreten können (Kardoff 1995, S. 403). Persönliche Beziehungsnetzwerke
können ganzheitlich mit sämtlichen Relationen oder als partielles Netzwerk aus der Perspektive
eines bestimmten Akteurs untersucht werden (Schenk 1983, S. 90). Die Analysen der Jobsuche und
der Personalrekrutierung über soziale Netzwerke und Optimierungsgedanken basieren auf
ausgewählten Elementen der sozialen Netzwerkanalyse und erfordern eine Differenzierung:
Die soziale Netzwerkanalyse ermöglicht die Beschreibung, Erklärung und Gestaltung von
informellen Verbindungen und Austauschbeziehungen im Ego-Netzwerk eines Akteurs im Rahmen
einer Analyse der Jobsuche und der Personalrekrutierung über soziale Netzwerke.
Soziale Netzwerke werden einerseits durch interaktionale Kriterien, wie der Multiplexität, dem
Inhalt, der Richtung, der Häufigkeit und der Dauer von Beziehungen, beschrieben. Die Größe, die
Dichte, die Verbundenheit, die Zentralität und die Existenz von Clustern sind demgegenüber
strukturelle Kriterien zur Charakterisierung von Netzwerken (Boissevain 1974, S. 28 ff.).
Multiplexe Beziehungen sind typisch in sozialen Gruppen und basieren oft auf intensiven,
dauerhaften Beziehungen auf verschiedenen Ebenen (Schenk 1983, S. 95). In der Häufigkeit und
der Dauer einer Beziehung liegen die relativen Investitionen von Akteuren (Boissevain 1974, S.
34). Die Art der Verbindung in einer Beziehung kann anhand weiterer Kriterien beschrieben werden
11
Auf den Webseiten der INSNA werden die Netzwerkanalyse und interessante Autoren, Artikel und Forschungsfragen
im Internet vorgestellt (
www.insna.org
). Links und Downloads zum Thema werden kostenlos angeboten.
11

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
(siehe Anlage 2). Außerdem gibt es verschiedene Aspekte, die bei der Betrachtung von einzelnen
Netzwerkakteuren in Beziehungen beschrieben werden können (siehe Anlage 3). Die Kriterien der
einzelnen Verbindungen und Akteuren können zusammengefasst werden, um ein Netzwerk in seiner
Gesamtheit zu charakterisieren (siehe Anlage 4).
Die Dichte eines Netzwerks beschreibt die Relation von existierenden zu möglichen Verbindungen
(Schenk 1983, S. 91). In einem Ego-Netzwerk erlaubt die Dichte Aussagen zur Unabhängigkeit
bzw. zur Einbindung von Akteuren (Boissevain 1974, S. 37). Eine hohe Zentralität steht für raschen
Informationsfluss und gute Einflussmöglichkeiten, da sie den Zugang zu vielen Kontakten erlaubt
und gleichzeitig verhindert, dass ein Akteur umgangen werden kann (Schenk 1983, S. 91).
Die Beschreibung von sozialen Netzwerken basiert auf diversen relationalen und strukturellen
Kriterien, die Akteure und ihre Verbindungen, sowie das gesamte Netzwerk charakterisieren.
Die Netzwerkanalyse versucht individuelle Handlungstheorien mit strukturellen Systemtheorien zu
integrieren (Jansen 2003, S. 11)
12
. Ziel ist die Erklärung von individuellem Handeln durch formal
beschriebene soziale Strukturen. Die Perspektive auf ein Netzwerk ermöglicht die Beschreibung
und die Erklärung einzelner Netzwerkelemente (ebd., S. 13). Strukturelle Handlungstheorien
analysieren die ,,strukturellen Einbettungen der Akteure als Erklärungsvariablen". Eine strukturelle
Analyse untersucht dazu direkte und indirekte Beziehungsmuster, da beispielsweise durch indirekte
Beziehungen ,,soziale, regionale und Branchengrenzen" überwunden werden können. Soziale
Netzwerke determinieren Handlungsmöglichkeiten und -zwänge von eingebetteten Individuen und
sind eine Voraussetzung für den Zugang zu hochwertigen sozialen Ressourcen (ebd., S. 22).
Der Netzwerk-Ansatz ermöglicht es, die Aktivitäten von einzelnen Akteuren im Rahmen des
größeren Wirkungsfeldes, in das sie eingebettet sind, zu untersuchen (Kilduff/Tsai 2003, S. 13).
Die soziale Netzwerkanalyse beschreibt und erklärt Kriterien, Mechanismen und Ergebnisse von
individuellem Handeln über die strukturelle Einbettung von Akteuren in sozialen Netzwerken und
schafft dadurch die Grundlage für eine konkrete Netzwerkgestaltung.
12
Eine Einführung in die Netzwerkanalyse findet sich beispielsweise bei Jansen (2003), Kilduff/Tsai (2003) oder bei
Brass (1995), der seinen Schwerpunkt auf personalwirtschaftliche Aspekte legt.
12

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
2.2.3 Gibt es eine Theorie der sozialen Netzwerke?
Der ursprüngliche Mangel an einer umfassenden theoretischen Grundlage für die soziale
Netzwerkanalyse ist kritisch zu würdigen. Es war ein ,,theoretical vacuum" gegeben, in dem
Netzwerkmodelle überwiegend heuristisch konstruiert wurden (Granovetter 1979, S. 501).
In der aktuellen Forschung existieren differenzierte Meinungen zum Theoriecharakter
13
. Die
Netzwerkanalyse wird teilweise nur als ,,particular set of methods" (Scott 2000, S. 37)
charakterisiert. Alternativ wird sie jedoch als ,,theory of social structures" (Degenne/Forse 1999, S.
12) klassifiziert. Einigkeit besteht darin, dass der Netzwerkansatz nützliche Konzepte und
analytische Methoden anbietet, um Erklärungsansätze aus verschiedenen Theorien zu integrieren
(Kilduff/Tsai 2003, S. 36). Modelle und Forschungsmethoden werden bei der Netzwerkanalyse mit
anderen Theorieansätzen verbunden (Hansen 1999, S. 24). Die Netzwerkanalyse greift dabei auf
Elemente aus importierten und eigenen Theorien zurück. Es werden außerdem netzwerkanalytische
Konzepte in andere wissenschaftliche Felder exportiert
14
(Kilduff/Tsai 2003, S. 37).
Verschiedene Elemente aus der mathematischen Graphentheorie werden bei der Netzwerkanalyse
übernommen
15
. Akteure und deren Verbindungen werden als Knoten und Kanten im Netzwerk
dargestellt. Gerichtete Graphen spiegeln das Ausmaß der Reziprozität in einer Beziehung wieder
(ebd., S. 38). Aus der Sozialpsychologie werden Ansätze aus der ,,balance theory" (Heider 1958)
und der ,,social comparison theory" (Festinger 1954) in die Netzwerkanalyse integriert
(Kilduff/Tsai 2003, S. 41). Die Annahme, dass Individuen ausgeglichene Beziehungen bevorzugen
(Heider 1958), wird auf soziale Netzwerkverbindungen übertragen. Reziprozität liegt dabei in
Beziehungen vor, die auf Gegenseitigkeit basieren (vgl. A und B in Abbildung 2). Die Tendenz zur
Transitivität zeigt sich in Triaden aus drei Akteuren, wenn sich eine positive reziproke Beziehung
zwischen zwei Individuen (vgl. A und B, sowie A und C in Abbildung 2) auf das Verhältnis mit
einer dritten Person (B und C) überträgt. Ist eine Beziehung zwischen Akteuren unausgewogen, so
tendieren diese dazu ein Gleichgewicht durch die Änderung subjektiver Einstellungen oder durch
den Abbruch von Verbindungen herzustellen (Davis 1963, S. 444 ff.).
13
Kilduff und Tsai (2003, S. 36 f.) diskutieren ausführlich welche Elemente für eine umfassende ,,social network
theory, whether predictive or descriptive" erforderlich sind.
14
Einen Überblick und eine Erläuterung der exportierten Theoriekonzepte liefern Kilduff/Tsai (2003, S. 61 ff.).
15
In Anlehnung an die Graphentheorie können beispielsweise informelle Organisationen netzwerkanalytisch untersucht
werden. Der Grad der Verknüpfung des Netzwerks erlaubt Rückschlüsse auf die Erreichbarkeit und das Ausmaß der
Zusammenarbeit von Akteuren. Hierarchische Strukturen können dazu graphisch dargestellt werden. Die Effizienz von
Netzwerken hängt dann vom Grad der Redundanz der Verbindungen ab und beeinflusst die Anfälligkeit, ob sich
einzelne Verbindungen auflösen (Krackhardt 1994, S. 89 ff.).
13

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
Reziprozität Transitivität
A B
B
A C
Abbildung 2: Reziprozität und Transitivität
Quelle:
Eigene Darstellung in Anlehnung an Kilduff/Tsai 2003, S. 42
Ein Akteur, der reziproke Verbindungen zu zwei unverknüpften Individuen aufweist, kann als
Verbindungsglied zum Vertrauenstransfer beitragen (Uzzi 1996, S. 679). Individuen haben eine
tendenzielle Präferenz für ausgewogene Beziehungen und neigen daher zur Bildung von Cliquen
(vgl. Abbildung 3) auf der Basis von Vertrauen und Reziprozität (Kilduff/Tsai 2003, S. 44).
A B
D
C
Abbildung 3: Clique mit gegenseitigen (reziproken) Verbindungen
Quelle:
Eigene Darstellung in Anlehnung an Kilduff/Tsai 2003, S. 46
Cliquen sind ein ,,subset of group members whose average liking for each other is greater than
their average liking for the other members" (Davis 1963, S. 451). Cliquen integrieren mindestens
drei Akteure, die "must be directly connected to each other; and all the actors must have no direct
common link to any other actor"
16
(Wasserman/Faust 1994, S. 254).
16
Im Rahmen der Netzwerkanalyse existieren alternative Cliquendefinitionen, da der Anspruch der strengen Definition
von Wasserman und Faust (1994) empirisch selten erfüllt werden kann. Akteure werden auch häufig zu Clustern
zusammengefasst. Kriterien zur Clusterbildung werden in diesem Kapitel erläutert.
14

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
Die ,,balance theory" (Heider 1958) erklärt also, wie Menschen Beziehungen aufbauen und dabei
versuchen Unausgewogenheit auszugleichen. Die ,,social comparison theory" von Festinger (1954)
untersucht, wie die konkrete Auswahl von Interaktionspartnern erfolgt. Individuen vergleichen sich
stets mit anderen Akteuren. Interaktionen, subjektive Einstellungen und Meinungen werden vom
interpersonalen Vergleich beeinflusst. Nach dem Prinzip der Homophilie (ebd.) verbinden sich
Menschen bevorzugt mit Individuen, die ihnen selbst ähnlich sind (Kilduff/Tsai 2003, S. 52).
Die Netzwerkanalyse importiert diverse Theorieansätze. Elemente der mathematischen
Graphentheorie werden beispielsweise zur Darstellung von Netzwerken genutzt. Theorien zur
sozialen Ausgewogenheit und zum sozialen Vergleich von Individuen erklären den Aufbau von
Beziehungen und die konkrete Auswahl von Kontaktpersonen. Soziale Beziehungen tendieren zur
Reziprozität, zur Transitivität und zur Cliquenbildung. Nach dem Prinzip der Homophilie neigen
ähnliche Individuen eher zur sozialen Interaktion und dazu sich zu verbinden.
Das Prinzip der Heterophilie hat seinen Ursprung in der Netzwerkforschung. Neue Informationen
und Ressourcen fließen eher über Verbindungen von verschiedenartigen Akteuren. Granovetters
(1973, 1977, 1982, 1983) Ansatz zur Stärke von schwachen Verbindungen (,,strength of weak ties")
steht in dieser Tradition. Eine verbotene Triade ("forbidden triad")
17
wird aufgrund der Transitivität
in starken Beziehungen höchst unwahrscheinlich längerfristig existieren. Liegen einer Beziehung
jedoch keine starken, sondern eher schwache Verbindungen zugrunde (vgl. gestrichelte Linien von
Ego zu X bzw. Y in der Abbildung 4 auf S. 16), so löst sich der Druck zum transitiven Ausgleich
auf (Kilduff/Tsai S. 54).
Ein Akteur hat dann kein Bedürfnis mehr, eine schwache Verbindung zwischen Kontaktpersonen zu
verstärken oder eine nicht-existente direkte Verbindung zwischen seinen Kontakten herzustellen. Er
profitiert von seiner Position als Brücke, da ohne ihn kein Informationsfluss zwischen den
unterschiedlichen, vermutlich ansonsten dicht strukturierten Clustern der beiden Kontakte möglich
ist. Außerdem hat er selbst Zugang zu unterschiedlichen Informationsquellen. Granovetter (1973)
nimmt an, dass starke Verbindungen als Brücken weniger geeignet sind. Die Ergebnisse seiner
Studie ,,Getting a Job"(1974, 1995) bestätigen die Stärke von schwachen Verbindungen empirisch
bei der Jobsuche von Führungskräften, Facharbeitern und Technikern (Kilduff/Tsai 2003, S. 53 ff.).
17
Eine verbotene Triade würde in Abbildung 4 vorliegen, wenn Ego zu A und B jeweils eine starke Verbindung hätte
und gleichzeitig keine Verbindungen zwischen A und B vorliegen würde.
15

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
Ego
X
Y
Clique
A
Clique
B
Starke Verbindung
Schwache Verbindung
Abbildung 4: Die Stärke von schwachen Beziehungen
Quelle:
Eigene Darstellung in Anlehnung an Kilduff/Tsai 2003, S. 55
Die Betrachtung der Verbindungsstärke aus einer kontingenztheoretischen Perspektive stellt die
Frage nach der situationsspezifisch optimalen Kombination von starken und schwachen
Verbindungen. Der Fokus liegt nicht auf balance-theoretischen Ausgleichsbestrebungen, sondern
auf rationalem Kalkül zur Steigerung von individuellen Erträgen. Das Konzept der strukturellen
Löcher
18
(Burt 1992) steht in dieser Tradition und beschreibt die Rolle von Brückenverbindungen
aus wettbewerbsorientierten Optimierungsperspektive (Kilduff/Tsai 2003, S. 57).
Aus der Theorie der strukturellen Rollen werden die Konzepte der strukturellen Kohäsion und der
strukturellen Äquivalenz importiert und auf soziale Netzwerke angewendet (ebd., S. 58 ff.). Die
Ansätze bieten Kriterien zur Clusterbildung von Akteuren. Ein relational fundierter Maßstab
definiert Kohäsion zwischen Individuen über die Häufigkeit, die Intensität und die Stärke von
Verbindungen. Kohäsion ist in Cliquen besonders ausgeprägt. Die strukturelle Äquivalenz ist eine
alternative Option zur Identifizierung von Clustern und geht von strukturellen Gesichtspunkten aus.
Akteure sind strukturell äquivalent, wenn sie identische Verbindungen zu weiteren Akteuren
aufweisen und dadurch in gewisser Weise substituierbar sind (Brass 1995, S. 44 f.).
Schwache Verbindungen können eine Brückenfunktion zwischen unverbundenen Bereichen im
Netzwerk wahrnehmen und sind dann stark, um Informationsvorteile zu generieren. Strukturelle
Löcher in Ego-Netzwerken basieren auf der Abwesenheit von Kohäsion oder struktureller
Äquivalenz und werden durch Verbindungen überbrückt. Sie bieten dadurch Optionen, um
Netzwerkerträge durch strategische Wettbewerbsvorteile zu maximieren.
18
Die Theorie der strukturellen Löcher wird in dieser Arbeit in Kapitel 5 in ihren wesentlichen Grundzügen im
Zusammenhang mit der Netzwerkoptimierung erläutert.
16

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
2.3
Soziales Kapital ­ Mehr als nur Investment in Kontakte
,,New life is given to the proverb that says success is determined less by what you know than by
whom you know."
(Burt 1992, S. 10)
Beziehungsmanagement bzw. Networking ist der Prozess zum Aufbau, zur Pflege und zur
Entwicklung von sozialen Netzwerken. Die Netzwerkanalyse ist geeignet zur Beschreibung,
Erklärung und Gestaltung von sozialen Strukturen. Sie behandelt die Frage nach dem ,,Wie?" von
sozialen Netzwerken. Eine vollständige Analyse, die Anregungen für eine konkrete
Netzwerkgestaltung liefern soll, sollte zusätzlich eine Begründung für das ,,Warum?" einer
Netzwerkoptimierung bieten. Das Konzept von sozialem Kapital sieht soziale Beziehungen als
Investition mit einem Aufwand an Zeit und Energie, der Erträge aus instrumentellen Handlungen
gegenüber stehen. Das soziale Kapital in sozialen Beziehungen schafft Voraussetzungen für den
Einsatz von anderen Kapitalarten. Eine systematische Optimierung von sozialen Strukturen und den
sozialen Ressourcen im Kontaktnetzwerk erfolgt stets mit dem Hintergedanken, das soziale Kapital
zu maximieren. Das Ziel sind Wettbewerbsvorteile durch Informationen oder Einfluss, um höhere
Erträge bei instrumentellen Handlungen, wie einer Jobsuche zu erzielen. Außerdem kann bei der
Personalrekrutierung über Empfehlungen sowohl ein Akteur von seinem sozialen Kapital
profitieren, wenn er beispielsweise eine Empfehlungsprämie kassiert, als auch sein Unternehmen,
wenn es die Unternehmenseffizienz durch Empfehlungen verbessern kann.
NETWORKING
als Management
von Beziehungen
SOZIALKAPITAL
als
Kapitalmultiplikator
Investition
von Zeit und
Energie
Wer kann über das Netzwerk
wie erreicht oder mobilisiert
werden?
Ertragsrate von
Kapitalarten
SOZIALES
NETZWERK
Verbindungen
Strukturen
Ressourcen
Abbildung 5: Soziales Kapital und soziale Netzwerke
17

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
2.3.1 Definition von sozialem Kapital
Soziales Kapital kann aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden
19
. In der Literatur gibt es
unzählige Definitionen. Netzwerkaspekte des sozialen Kapitals finden sich in diversen
Interpretationen aus der Netzwerkforschung (Bourdieu 1983; Burt 1992, 2000; Lin 2001).
Das Sozialkapital eines Netzwerkakteurs umfasst die ,,die Gesamtheit der aktuellen und potentiellen
Ressourcen, die mit dem Besitz eines dauerhaften Netzes von mehr oder weniger
institutionalisierten Beziehungen gegenseitigen Kennens oder Anerkennens verbunden sind"
(Bourdieu 1983, S. 190). Eine Integration der gemeinsamen Elemente von traditionellen
Definitionen beschreibt soziales Kapital als ,,resources embedded in a social structure that are
accessed and/or mobilized in purposive actions" (Lin 2001, S. 29). Nebenaspekte von sozialem
Kapital in sozialen Netzwerken liegen im Vertrauen und der Reputation von Akteuren (Haug/Krop
2002, S. 5). Sterbling (1998, S. 191 ff.) ergänzt den Begriff durch Elemente der individuellen
Zielorientierung auf der Mikroebene und der Allokation von Ressourcen auf der Makroebene, wie
beispielsweise auf dem Arbeitmarkt. Er unterstreicht die Rolle von Vertrauen und Solidarität:
Ein wesentlicher Unterschied zu finanziellem bzw. humanem Kapital ist, dass Sozialkapital nicht
das exklusive Eigentum eines Akteurs ist, sondern in den sozialen Beziehungen zu anderen
Individuen liegt (Burt 1992, S. 8 ff.). Die persönlichen Ressourcen eines Akteurs sind sein
Humankapital und soziale Ressourcen sind sein Sozialkapital (Lin 2001, S. 42 f.). Soziales Kapital
liegt in den erreichbaren und mobilisierbaren sozialen Ressourcen im Kontaktnetzwerk
20
. Ein
soziales Netzwerk determiniert das soziale Kapital eines Akteurs jedoch nicht nur als Kanal zu
bestimmten Ressourcen, sondern auch durch seine konkrete soziale Struktur. Es kommt nicht nur
darauf an ,,wer" durch einen Akteur erreicht und mobilisiert werden kann, sondern auch ,,wie"
Strukturen im Netzwerk diese Verbindungen ermöglichen (Burt 1992, S. 11 f.):
,,Social capital is at once the resources contacts hold and the structure of contacts in a network."
Soziales Kapital steckt in den sozialen Verbindungen eines einzelnen Akteurs und kann gleichzeitig
als Summe der Beziehungen und Kontakte der Mitarbeiter eines Unternehmens das Sozialkapital
19
Eine umfassende Darstellung von verschiedensten Interpretationen von sozialem Kapital findet sich bei Sonja Haug
(1997) oder Nan Lin (2001, S. 19 ff).
20
Dieser Aspekt von sozialem Kapital ist Gegenstand der Forschung von Nan Lin (1982, 1999a, 2001;
Lin/Ensel/Vaughn 1981a; Lin/Dumin 1986) und ist Grundlage des Konzepts der sozialen Ressourcen.
18

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
einer Organisation determinieren (ebd., S. 8 f.). Arbeitnehmer profitieren von ihrem Sozialkapital
bei der Jobsuche oder bei der Personalrekrutierung durch Empfehlungsprämien. Unternehmen
ziehen Vorteile aus dem Sozialkapital der Mitarbeiter, wenn sie durch Empfehlungen die
Unternehmenseffizienz steigern. In dieser Diplomarbeit wird bei der Beschreibung, Erklärung und
Gestaltung von sozialen Netzwerken das soziale Kapital von einzelnen Akteuren aus zwei
Perspektiven betrachtet. Betriebliches Sozialkapital in seiner Gesamtheit wird nicht explizit
behandelt, da eine Netzwerkoptimierung bei individuellen Ego-Netzwerken ansetzt:
Soziales Kapital basiert auf aktuell bzw. potentiell erreichbaren und mobilisierbaren sozialen
Ressourcen in sozialen Netzwerken. Eine wichtige Rolle spielen die Faktoren Vertrauen und
Solidarität, um auf dem Arbeitsmarkt Erträge aus Sozialkapital zielorientiert zu realisieren.
2.3.2 Investitionen in soziales Kapital
Lin (2001) beschreibt soziales Kapital auch als ,,investment in social relations with expected
returns in the marketplace"
21
. Der jeweils betrachtete Markt kann sich auf eine Volkswirtschaft, die
Politik, die Gesellschaft, und auf den Arbeitsmarkt beziehen. Einzelne Akteure versuchen durch
Interaktionen und Networking positive Erträge aus sozialen Investitionen zu ziehen, wie
beispielsweise bei einer Jobsuche oder bei Empfehlungen zur Personalrekrutierung (ebd., S. 19).
Trotz gleicher Ausgangsqualifikation sind einige Akteure durch ihr soziales Kapital am Markt
besser positioniert und profitieren von mehr Gelegenheiten. Aus den sozialen Strukturen und
sozialen Ressourcen eines Akteurs ergeben sich Optionen, um andere Kapitalarten erfolgreicher zu
investieren
22
(Burt 1992, S. 8 ff.). Beim Sozialkapital steht nicht die Investition in persönliche
Ressourcen zur Schaffung von Wissen und Fähigkeiten als Humankapital oder von Werten und
Normen als kulturelles Kapital im Mittelpunkt. Es werden Investitionen in Netzwerkstrukturen und
soziale Ressourcen betrachtet. Sozialkapital ist ein sozialer Vermögenswert, der in den erreichbaren
und mobilisierbaren sozialen Ressourcen eines Akteurs im Netzwerk liegt (Lin 2001, S. 19)
23
.
21
Nan Lin (2001) versucht, eine einfache Definition von sozialem Kapital zu formulieren, die mit unterschiedlichen
Diskussionsbeiträgen (Bourdieu 1980, 1983, 1986; Lin 1982, 1995; Coleman 1988, 1990; Flap 1991, 1994; Burt 1992;
Putnam 1993, 1995, 2000; Erickson 1995, 1996; Portes 1998) und mit dem allgemeinen Kapitalbegriff vereinbar ist
(ebd., S. 19). Eine explizite Darstellung von (Neo-)Kapitaltheorien findet sich ebenfalls bei Lin (2001, S. 3 ff.), der
seine Theorie des sozialen Kapitals in diesen Entwicklungsstrang einordnet.
22
Eine mögliche Differenzierung unterscheidet Finanz-, Human- und Sozialkapital. Bargeld, Kredite und anderen Arten
von Finanzvermögen sind Finanzkapital. Persönliche Eigenschaften, die Ausbildung und Erfahrungswerte stellen
Humankapital dar (Burt 1992, S. 8). Eine ausführliche Diskussion verschiedener Kapitaltheorien, mit dem Schwerpunkt
auf sozialem Kapital, findet sich beispielsweise bei Lin (2001), Runia (2002) oder bei Burt (1992).
23
Eine Reihe von Nachfolgestudien (Campbell/Marsden/Hurlbert 1986; DeGraaf/Flap 1988; Flap/DeGraaf 1989;
Marsden/Hurlbert 1988) stehen in der Tradition von Lins Gedanken (Burt 1992, S. 11).
19

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
Das Kontaktnetzwerk entwickelt sich als ,,Produkt individueller oder kollektiver
Investitionsstrategien, die bewusst oder unbewusst auf die Schaffung und Erhaltung von
Sozialbeziehungen gerichtet sind, die früher oder später einen unmittelbaren Nutzen versprechen"
(Bourdieu 1983, S. 191). Soziale Netzwerke basieren auf Reziprozität. Es wird gegeben und
genommen. Neben der potentiellen und tatsächlichen Unterstützung fordern soziale Kontakte in
sozialen Netzwerken auch einen Aufwand an Zeit und Energie für Unterstützungsleistungen,
Ratschläge oder Einfluss für sich oder ihre Kontaktpersonen ein (Fischer 1977, S. 19).
2.3.3 Soziales Kapital und Arbeitsmarkt
Das Beziehungsnetzwerk zur Zielerreichung bei einer Jobsuche oder bei der Rekrutierung von
Personal ist das soziale Kapital auf dem Arbeitsmarkt
24
Soziale Beziehungen erweitern die
Zugriffsmöglichkeiten auf das Humankapital von anderen Akteuren (Meyerson 1994, S. 384). Im
Verlauf einer Karriere kumuliert sich soziales Kapital und wächst an (ebd., S. 393 f.). Arbeitnehmer
mit gewisser Berufserfahrung haben vermutlich ein umfangreicheres Kontaktnetzwerk.
Hohes Humankapital korreliert schwach positiv mit hohem Sozialkapital (Boxman et al. 1991, S.
61), was Vorteile für hoch qualifizierte Arbeitnehmer, wie Führungskräfte oder Berater, impliziert.
Die erklärenden Variablen für Auswirkungen von sozialem Kapital auf die berufliche Mobilität von
Individuen sind Zugriffsmöglichkeiten auf Informationen, soziale Ressourcen und soziale
Unterstützung im Kontaktnetzwerk (Seibert et al., S. 221). Ein Modell von sozialem Kapital (Lin
2001, S. 243) integriert wesentliche strukturelle Einflussfaktoren und differenziert erreichbare und
mobilisierbare Ressourcen (siehe Anlage 5). Ergänzend liefert folgende netzwerkorientierte
Definition Anhaltspunkte für die Erklärung von Ergebnisdeterminanten von instrumentellen
Handlungen auf dem Weg zu einem optimalen Netzwerk in dieser Diplomarbeit:
Soziales Kapital in sozialen Netzwerken lässt sich als ganzheitliches Konzept begreifen.
Wesentliche Elemente sind soziale Verbindungen und Strukturen zwischen Netzwerkakteuren. Die
aktuell und potentiell erreichbaren (direkt) und mobilisierbaren (indirekt) sozialen Ressourcen,
sowie Vertrauen spielen eine wichtige Rolle. Ein ganzheitliches Modell von sozialem Kapital
integriert strukturelle Aspekte des Kontaktnetzwerks und differenziert gleichzeitig erreichbare und
mobilisierbare soziale Ressourcen zur instrumentellen Zielerreichung.
24
Die ,,persönliche, soziale Kompetenz" zum Aufbau und zur Pflege von Kontakten (Runia 2002, S. 69), wird im
Rahmen dieser Arbeit bewusst vernachlässigt. Strukturelle Kriterien stehen im Fokus. Einschlägige Networking-
Literatur (Scheler 2004, Scheddin 2005, Rudolph 2004, Wikner 2000) setzt sich mit sozialer Kompetenz auseinander.
20

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
Kapitel 3:
Die informelle Jobsuche über soziale Netzwerke
,,... Where and how we spend our working hours, the largest slice of life for most adults, depends
very much on how we are embedded in networks of social contacts..."
(Granovetter 1995, S. 141)
Ein häufig zitiertes Beispiel beschreibt, wie der berühmte Wissenschaftler Albert Einstein von
seinem sozialen Netzwerk bei der Jobsuche profitiert und eine wichtige Stelle über Kontakte
vermittelt bekommt. Später unterstützt er selbst junge Physiker als Kontakt bei der Suche nach dem
ersten Job (Fischer 1977, S. 19; DeGraaf/Flap 1988, S. 453).
Soziale Netzwerke können für Menschen eine wichtige Rolle bei der Jobsuche spielen. In diesem
Abschnitt werden Vorteile, Mechanismen und strukturelle Aspekte der informellen Jobsuche über
soziale Kontaktnetzwerke untersucht. Einleitend werden Arbeitsmarktansätze betrachtet, um die
Jobsuche über soziale Netzwerke in das Feld der (neo-/klassischen) Arbeitsmarkttheorien
differenziert einzuordnen. Auf der Grundlage von eigenen Experteninterviews, verschiedenen
theoretischen Konzepten und empirischen Untersuchungen werden Hypothesen zu quantitativen
und qualitativen Aspekten einer Jobsuche über soziale Netzwerke generiert. Allgemeine und
speziell auf die Jobsuche von Führungskräften und Unternehmensberatern
25
bezogene Faktoren
werden bei der Überprüfung der Hypothesen gegenüber gestellt Die Analyse soll durch ein
ganzheitliches Bild von sozialen Netzwerken bei der Jobsuche, sowie Erkenntnisse und Anregungen
zu praktischen Gestaltungsempfehlungen für ein optimales Kontaktnetzwerk liefern.
VERBINDUNGEN
STRUKTUR
RESSOURCEN
JOBSUCHE IN SOZIALEN NETZWERKEN
(AKTIV/PASSIV)
INFORMATIONEN
EINFLUSS
STATUS
Abbildung 6: Jobsuche über soziale Netzwerke
25
Manager und Unternehmensberater sind sich recht ähnlich. Beide sind hoch qualifizierte Berufsgruppen, die in
hohem Maß in berufliche Netzwerke integriert sind und häufig ähnliche Kompetenzen und Qualifikationen aufweisen.
21

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
3.1
Arbeitsmarkt und informelle Jobsuche
Auf dem Arbeitsmarkt treffen sich Angebot und Nachfrage von Arbeitskraft. Arbeitnehmer
konkurrieren um neue Arbeitsplätze, und Arbeitgeber versuchen sich bei geeigneten Kandidaten
durchzusetzen. Es handelt sich um einen ,,Matching-Markt" mit dem Ziel die richtigen
Arbeitnehmer mit den richtigen Arbeitsplätzen zu verknüpfen. Anbietende und nachfragende
Akteure verfolgen verschiedene Suchstrategien. Diverse theoretische Modelle
26
versuchen
Suchprozesse auf dem Arbeitsmarkt zu beschreiben (Runia 2002, S. 56). Eine ganzheitliche
Analyse der Jobsuche
27
über soziale Netzwerke trifft jedoch auf Lücken in den traditionellen
Arbeitsmarktheorien. Ein neuer Arbeitsplatz kann nämlich über eine aktive und über eine passive
informelle Suche gefunden werden. Es werden daher zunächst klassische und neoklassische
Theorien zum Arbeitsmarkt
28
kritisch reflektiert und aus einer Netzwerkperspektive ergänzt.
3.1.1 (Neo-)klassische
Arbeitsmarkttheorien und soziale Netzwerke
In der klassischen Arbeitsmarkttheorie ist Arbeit ein Rohstoff, den Arbeitgeber nachfragen und
Arbeitnehmer anbieten. Löhne übernehmen die Funktion von Preisen auf einem Markt und sorgen
für ein Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage. Das Phänomen der Arbeitslosigkeit existiert
langfristig nicht, da eine Erhöhung oder Senkung der Löhne den Markt bereinigt und zur
Vollbeschäftigung führt (Granovetter 1974, 1995, S. 25 f.).
In der neoklassischen Arbeitsmarkttheorie ist perfekte Information die Grundlage für einen
perfekten Markt
29
, auf dem die Existenz und die Gebote von potentiellen Marktpartnern als bekannt
vorausgesetzt werden (ebd., S. 27). Die Marktregulierung erfolgt auch in der neoklassischen
Theorie über die Preise. Ökonomisch rationale Individuen orientieren sich an ihrem ,,Kosten-
Nutzen-Kalkül". Arbeitgeber und Arbeitnehmer wollen ihren Aufwand bei der Stellenbesetzung
bzw. bei der Stellensuche minimieren (Hartl et al. 1998, S. 11; Preisendörfer/Voss 1988, S. 105).
Aus einer ökonomischen Perspektive werden Suchkosten und Sucherträge verglichen, um den
26
Preisendörfer und Voss (1988, S. 104 f.) erläutern, dass sich Analysen häufig nur auf das Angebot oder die Nachfrage
von Arbeitskraft fixieren und die Rolle von sozialen Netzwerken vernachlässigt wird.
27
Unter dem Begriff der Jobsuche wird in dieser Diplomarbeit die aktive und die passive Suche nach einer neuen
Beschäftigung verstanden, da viele Arbeitnehmer und besonders Führungskräfte oft nur latent suchen.
28
Eine explizite Erläuterung von ökonomischen Arbeitsmarkttheorien findet sich beispielsweise bei Granovetter (1974,
1995, S. 25 ff, S. 141 ff.) oder bei Runia (2002, S. 59 f.).
29
Perfekte Information wird in der Literatur unterschiedlich interpretiert (Granovetter 1974, 1995, S. 25 ff.).
22

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
optimalen Suchaufwand zu bestimmen (Stigler 1961, S. 216). Die Rolle von Informationen auf dem
Arbeitsmarkt ist der Gegenstand von neoklassischen ,,Job-Search-Modellen" (Runia 2002, S. 61).
Beim Ansatz der Statuszuweisung
30
(Blau/Duncan 1967) wird der soziale Status eines Akteurs von
verschiedenen Einflussfaktoren bestimmt. Auf dieser Grundlage ergeben sich durch das Geschlecht,
die Bildung und die Herkunft unterschiedliche Chancen bei der Jobsuche (Preisendörfer/Voss 1988,
S. 105; Hartl et al. 1998, S. 11 f.; Runia 2002, S. 58 f.). Die Rolle von soziale Netzwerken auf dem
Arbeitsmarkt wird nicht explizit behandelt (Runia 2002, S. 58 f.). Allerdings hängen Aspekte von
Geschlecht, Qualifikation und der Herkunft auch eng mit individuellen Kontaktnetzwerken
zusammen. Untersuchungen zur Rolle von sozialen Ressourcen und zur Statuserreichung über
Kontaktnetzwerke (Lin 2001) erweitern den Ansatz von Blau und Duncan (1967).
Das Konzept der Segmentierung von Arbeitsmärkten geht davon aus, dass Arbeitsmärkte nicht
unbeschränkt zugänglich sind. Es existieren Teilarbeitsmärkte mit Eintrittshürden, die einen
Wechsel zwischen den Segmenten hemmen oder verhindern (Deeke 1991, S. 151; Hartl et al. 1998,
S. 12). Es wird ein Zusammenhang zwischen der Arbeitsmarktsituation und den bevorzugten
Rekrutierungsmethoden angenommen. Soziale Schließung ist beispielsweise die Folge von
mangelhaftem Stellenangebot und führt zu interner Stellenbesetzung und zur Nutzung von
Kontaktnetzwerken (Preisendörfer/Voss 1988, S. 106). Die Gesellschaft entwickelt sich zu einem
viergeteilten Arbeitsmarkt. Neben zurückgehenden ,,Stammbelegschaften" werden sich ,,Portfolio-
Worker" etablieren (vgl. Begriff des ,,Patchworkers" im Experteninterview 1 in Anlage 22). Der
Servicebereich wird von ,,neuen Selbstständigen" bedient werden. Der Anteil ,,flexibler
Teilzeitbelegschaften an den Unternehmensperipherien" wird wachsen und von Unternehmen im
Rahmen von ,,just in time employment" nachgefragt werden. Strukturelle Arbeitslosigkeit wird zu
einem Dauerphänomen. Diese Faktoren führen zu einem radikalen Wandel der Rolle von
Netzwerken und der psychologischen Verträge zwischen Mitarbeitern und Unternehmen
(Sattelberger 1996, S. 975 ff.). Ausgeprägte soziale Netzwerke sind dann möglicherweise ein
Wettbewerbsvorteil zur Überwindung von Trennungslinien zwischen einzelnen Segmenten.
Granovetter (1974, 1995) untersucht Strukturen und Funktionen von sozialen Netzwerken bei der
Stellensuche auf dem Arbeitsmarkt (Deeke 1991, S. 223). In der ökonomischen Suchtheorie werden
Arbeitsmarktprozesse einer Stellenbesetzung auf informellem Weg vernachlässigt (Granovetter
30
Blau und Duncan (1967) weisen nach, dass der Status direkt und indirekt vom Bildungsgrad eines Akteurs, sowie
dem Bildungsgrad und dem Berufstatus der Eltern abhängt (Runia 2002, S. 58).
23

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
1974, 1995, S. 146). Die Positionierung in einem sozialen Netzwerk, sowie die Anzahl und Qualität
von sozialen Verbindungen, sind jedoch wichtige Ressourcen bei Arbeitsmarktprozessen
(Granovetter 1977, S. 347 ff). Bei der Jobsuche über soziale Netzwerke können auch rationale
Suchstrategien im neoklassischen Sinne unterstellt werden (Preisendörfer/Voss 1988, S. 107). Eine
Besonderheit ist, dass die Suche nicht immer aktiv stattfindet und daher häufig mit wenigen bis gar
keinen Kosten verbunden ist. Jobinformationen ergeben sich oft als Nebenprodukt von sozialen
Interaktionen
31
. Die Integration von Netzwerkaspekten in die Analyse von Jobsuchprozessen lässt
sich daher nicht ohne weiteres mit neoklassischen Arbeitsmarkttheorien und Job-Search-Ansätzen
vereinbaren (Preisendörfer/Voss 1988, S. 107).
Soziale Netzwerke und Informationen durch Kontakte stellen vor dem Hintergrund der klassischen
Arbeitsmarkttheorie keinen Wettbewerbsvorteil dar, da der Gleichgewichtspreis bzw. der Lohn auf
dem Arbeitsmarkt dazu führt, dass langfristig alle Arbeitnehmer in Beschäftigung stehen und den
gleichen Lohn beziehen. Der perfekte Arbeitsmarkt ist in der Realität eine Illusion und imperfekte
Information verhindert auf dem Arbeitsmarkt ein vollständiges Gleichgewicht (Granovetter 1974,
1995, S. 25 f.). Arbeitnehmer wissen nicht von allen potentiellen Arbeitgebern und diese sind nicht
über alle potentiellen Jobkandidaten informiert (ebd., S. 27). Der Nutzen von sozialen Netzwerken
hängt auch von konjunkturellen Rahmenbedingungen und von den jeweiligen
Arbeitsmarktsegmenten ab. Allerdings kann die Suche nach einer neuen Stelle oder nach geeigneten
Arbeitskräften über soziale Netzwerke für rationale Akteure, die Suchkosten und ­erträge von
Informationen im neoklassischen Sinne gegenüberstellen, eine ,,rationale Suchstrategie" darstellen
(Hartl et al. 1998, S. 11; Preisendörfer/Voss 1988, S. 105). Der kritische Fokus auf (neo-)klassische
Arbeitsmarkttheorien zeigt, dass sich traditionelle und aktuelle Konzepte nicht gegenseitig
ausschließen müssen und die Kontaktnetztheorie einige ergänzende Elemente aufweist:
Auf dem Weg zu einer neuen Stelle gewinnen Akteure Informationen durch aktives Suchverhalten
und/oder passiv als Nebenprodukt von sozialen Begegnungen. Eine informelle Jobsuche kann eine
rationale Strategie im neoklassischen Sinn darstellen, wenn sich eine günstige Relation von
Suchkosten zum Resultat einer Suche ergibt. Verbindungen, Strukturen und soziale Ressourcen in
sozialen Netzwerken können dazu beitragen den Suchaufwand zu reduzieren. Konjunkturelle
Rahmenbedingungen und Arbeitsmarktsegmente sind dabei zu berücksichtigen.
31
Aspekte der sozialen Eingebundenheit von arbeitsbezogenen Interaktionen werden im Kapitel 5 angesprochen.
24

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
3.1.2 Ökonomische
Rationalität
einer informelle Jobsuche
Arbeitnehmer finden auf unterschiedlichsten Wegen zu neuen Arbeitsstellen. Der neue Job kann das
Ergebnis einer formellen oder informellen Suche sein. Auf dem informellen Weg erfolgt die
Jobsuche nicht zwangsläufig aktiv (Runia 2002, S. 71). Argumente aus Sicht von Arbeitnehmern
und von Arbeitgebern zeigen, dass eine informelle Suche eine rationale Variante darstellen kann.
Formelle Wege stehen allen Akteuren am Arbeitsmarkt offen. Das Arbeitsamt, Medien,
Stellenanzeigen und Zeitarbeitsfirmen sind Beispiele einer formellen Arbeitsvermittlung.
Alternative Wege, die nicht von Institutionen getragen werden, sind Varianten einer informellen
Suche (Runia 2002, S. 71). Arbeitnehmer suchen in der Regel stets formell. Die informelle Suche
stellt daneben eine Option zur Erhöhung der Erfolgsaussichten dar (Boxman 1992, S. 21 ff.). Bei
einer informellen Suche mobilisiert ein Akteur seine ,,Beziehungen" im Kontaktnetzwerk. Er setzt
sein soziales Kapital bewusst oder unbewusst ein, um davon zu profitieren (Runia 2002, S. 73).
Eine rationale Begründung von sozialen Netzwerken bei Arbeitsmarktprozessen hat verschiedene
Ansatzpunkte. Jobsuchende werden unter Umständen besser und genauer informiert und erhöhen
ihre Erfolgsaussichten bei einer Bewerbung. (ebd., S. 66). Kausalbeziehungen bei der Jobsuche in
Netzwerken können zu Hypothesen formuliert werden (Preisendörfer/Voss, S. 104 ff.), die sich
allerdings nicht durchgängig oder verallgemeinernd bestätigen lassen (ebd., S. 117).
Auf dem Arbeitsmarkt herrscht eine bilaterale Asymmetrie der Information von Marktteilnehmern.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind nur über ihre eigenen Qualitäten informiert. Die Vermittlung
und Verbreitung von Informationen über soziale Netzwerke ist oft sehr günstig oder ein kostenloser
Nebeneffekt (Granovetter 2004, S. 8). Die aktive und passive Nutzung des Kontaktnetzwerks kann
ein interessantes Element einer rationalen Jobsuchstrategie darzustellen. Vorteile aus der Sicht von
Jobsuchenden bestätigen sich jedoch nicht generell und hängen unter anderem vom
Qualifikationsniveau und dem Karrierezyklus ab (Preisendörfer/Voss 1988, S. 104 ff.).
Die Analyse der informellen Jobsuche erfordert die Fokussierung auf eine bestimmte Zielgruppe,
um ein aussagekräftiges Bild der Rolle von Kontaktnetzwerken zu gewinnen:
Rationale Argumente und verschiedene Vorteile können eine informelle Jobsuche rechtfertigen.
Der Fokus auf eine ausgewählte Zielgruppe erscheint aufgrund von individuellen, kulturellen,
berufsbezogenen und anderen Kontingenzfaktoren zweckmäßig.
25

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
3.2
Analyse der informellen Jobsuche über soziale Netzwerke
Menschen entwickeln ihr soziales Netzwerk durch Netzwerkaktivitäten. Das Ergebnis ist soziales
Kapital mit instrumentellem Nutzen. Bei der Verfolgung spezifischer Ziele, wie beispielsweise der
Suche nach einem neuen oder besseren Arbeitsplatz, kann sich soziales Kapital positiv auswirken.
Akteure können aktiv und passiv von Vorteilen profitieren (Granovetter 1974, 1995).
In diesem Kapitel wird die Jobsuche in sozialen Netzwerken aus der Perspektive von
Arbeitnehmern untersucht, um die quantitative und qualitative Rolle zu erfassen, und um praktische
Gestaltungsanregungen für ein optimales Netzwerk zu gewinnen.
3.2.1 Vorgehensweise
und
Zielsetzung der Untersuchung
Studien zur Jobsuche zeigen, dass 24 bis 74 % der Akteure ihren Job über den Kontakt zu Freunden
oder Bekannten finden. Die Differenzen sind auf die unterschiedlichen analysierten Zielgruppen
zurückzuführen (Montgomery 1991, S. 1408). Bei der Analyse der Jobsuche über soziale
Netzwerke in dieser Diplomarbeit ist daher eine differenzierte Vorgehensweise notwendig:
Diese Diplomarbeit legt den Fokus auf Führungskräfte, Führungsnachwuchs und
Unternehmensberater. Das Ziel ist die Analyse der informellen Jobsuche von Menschen, die
,,langfristig Führungsaufgaben im mittleren und oberen Management ... übernehmen sollen"
(Simon/Wiltinger/Sebastian/Tacke 1995, S. 20) und in der Regel Hochschulabsolventen sind.
Es werden Hypothesen zu quantitativen und qualitativen Aspekten der informellen Jobsuche auf der
Basis von Experteninterviews (vgl. Anlagen 22 bis 30) und ausgewählten Studien formuliert und
überprüft. Nach den Branchen, der Firmengröße und der Positionierung im Unternehmen wird
zunächst nicht differenziert. Eine nicht-repräsentative Befragung
32
von 40 Personalmanagern aus
der Konsumgüterindustrie und der Beratungsbranche, sowie ergänzende Expertengespräche mit
Personalberatern und Personalleitern, sollen dazu beitragen, Einschätzungen zu erfassen,
Branchenunterschiede zu identifizieren und die Hypothesen aus der Sicht von Führungskräften zu
hinterfragen. Nach der Bestimmung der quantitativen Rolle einer aktiven bzw. passiven informellen
Jobsuche werden qualitative Kriterien beleuchtet. Aspekte und Wirkungen von Verbindungsarten,
32
Die Konzeption und Methodik einer Befragung von Personalmanagern als Experten wird von Hartl et al. (1998, S. 16
ff.) auf theoretischer Grundlage der empirischen Sozialforschung erläutert und liefert Anregungen zur Gestaltung der
Erhebung in dieser Diplomarbeit. Übersichten zu Fakten, zu Teilnehmern und zum Fragenkatalog sind in den Anlagen
20, 21 und 22 dargestellt. Auszüge aus verschiedenen Experteninterviews finden sich in den Anlagen 23 bis 31.
26

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
von Strukturen und von sozialen Ressourcen werden analysiert. Hypothesen und empirischen
Resultate werden allgemein betrachtet und dann speziell für die Zielgruppe der Arbeit überprüft, um
offensichtliche Unterschiede und Besonderheiten aufzuzeigen. Ziel ist die Schaffung einer
empirischen Grundlage, um Gestaltungsanregungen für ein optimales Netzwerk zu generieren.
Erste Studien zu Informationsnetzwerken auf dem Arbeitsmarkt sind datiert in den sechziger Jahren
(Rees 1966, S. 559 ff.). Eine sehr bekannte Untersuchung zur Rolle von Kontaktnetzwerken bei der
Jobsuche wurde von Mark Granovetter (1974, 1995) durchgeführt. Im Nachwort der 2. Auflage von
,,Getting A Job" (ders. 1995) zieht er Bilanz und zeigt auf, dass die Ergebnisse seiner Untersuchung
durch die Resultate von Folgeerhebungen überwiegend bestätigt werden (ebd., S. 139 ff.). Die
Wirkungen von sozialen Netzwerken auf berufliche Karrieren waren bis zum heutigen Tag der
Gegenstand von vielen weiteren Analysen und Studien
33
(Granovetter 1974, 1995, S. 23 ff.; Burt
1992, S. 115 ff.; ders. 1997, S. 339 ff.; Ibarra 1995, S. 673 ff.; Podolny/Baron 1997, S. 673 ff.;
Seibert et al. 2004, S. 219 ff.; Lin 2001, S. 78 ff.). Die meisten Studien stellen die Stellenfindung in
den Mittelpunkt. Es wird bereits vom Erfolg einer Stellensuche ausgegangen
34
. Im Fokus stehen die
Quantität und die Qualität einer informellen Jobsuche. Hypothesen werden implizit oder explizit
formuliert. Andere Studien untersuchen die Rolle von sozialen Ressourcen bei der Statusgewinnung
(Lin 2001) oder von Netzwerkstrukturen bei Informations- und Einflussvorteilen (Burt 1992).
Die Auswahl der befragten Experten und der Studien erfolgt unter der Prämisse, dass die
untersuchten Aspekte und Ergebnisse für Jobsuchende praktisch relevant und direkt oder indirekt
beeinflussbar sein sollen. Aus einer ökonomischen Perspektive sind die Kriterien von empirischem
Interesse, die einen materiellen oder immateriellen Mehrwert im Vergleich zu alternativen
Suchwegen stiften und ein entsprechendes Fundament für Gestaltungsanregungen liefern:
Die Formulierung und Überprüfung von Hypothesen zur informellen Jobsuche erfolgt auf der
Grundlage von Experteninterviews und theoretische bzw. empirische Analysen. Im Mittelpunkt
stehen praxisrelevante und über Networking beeinflussbare Kriterien von sozialen Netzwerken.
33
Die Studien setzen unterschiedlichste Schwerpunkte bei der untersuchten Zielgruppe (Alter, Geschlecht, Beruf,
Einkommen, Rasse, ...), den Rahmenbedingungen (Unternehmen, Land, Zeitraum, ...) und dem Fokus der Analyse
(Einkommen, Prestige, Status, Zufriedenheit, Karriere, ...). Eine Übersicht von wichtigen Nachfolgestudien zu
Granovetters ,,Getting a Job" (1974, 1995) ist in Anlage 6 dargestellt.
34
Runia (2002, S. 73) weist darauf hin, dass der eigentliche ,,Prozess der Stellensuche" als ,,Kombination diverser
Suchalternativen" vernachlässigt wird. Diese Einschränkung gilt auch für diese Diplomarbeit. Der Begriff der Jobsuche
über soziale Netzwerke wird weit gefasst und bezieht sich auf den Suchprozess, die mögliche Mobilisierung von
Einfluss im Netzwerk und das tatsächliche qualitative Ergebnis einer aktiven oder passiven Suche.
27

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
3.2.2 Hypothesen zur Jobsuche über soziale Netzwerke in der Praxis
Die Jobsuche über soziale Netzwerke kann anhand verschiedenster Faktoren untersucht werden
(vgl. Kapitel 2.2). Die folgenden Ausführungen und Hypothesen konzentrieren sich auf ausgewählte
Aspekte der quantitativen Rolle, der qualitativen Vorteile und der strukturellen Kriterien.
Die Rolle von sozialen Netzwerken bei der Jobsuche
Ein Manager hat in seinem Beruf ,,mehr Möglichkeiten, Kontakte zu knüpfen". Im Mittelpunkt
seiner täglichen Arbeit steht die Kommunikation mit Menschen, was die Vermutung nahe legt, dass
die Nutzung seines sozialen Kapitals wahrscheinlicher wird (Runia 2002, S. 91). Es ist eine
Tatsache, dass Kontakte bei der Jobsuche von Führungskräften eine Rolle spielen (Flap/Boxman
1999, S. 197 ff.). Ökonomen sind möglicherweise sogar eher in der Lage über ihr Kontaktnetzwerk
einen Arbeitsplatz zu finden, weil sie auch auf dem Arbeitsmarkt besser positioniert sind als
beispielsweise Pädagogen oder Soziologen (Boxman 1992, S. 81 ff.). Es stellt sich die Frage, ob es
tatsächlich clever von Führungskräften ist, wenn sie ihr soziales Netzwerk systematisch pflegen und
managen, um bei der aktiven oder passiven Jobsuche zu profitieren (vgl. Experteninterview 4 in
Anlage 25). Die quantitative Rolle der informellen Jobsuche ist ein wichtiger Indikator für die
Bedeutung als Suchkanal in der Praxis. Eine erste Hypothese ist in diesem Zusammenhang:
,,Führungskräften finden häufig über Kontaktnetzwerke zu einem neuen Arbeitsplatz!"
Die Tatsache, dass die Einbindung in soziale Netzwerke die Arbeitsplatzwahl von Menschen häufig
stark prägt, bestätigt sich tendenziell in verschiedenen Erhebungen (Granovetter 1974, 1995, S.
141). Die Studie ,,Getting A Job" (ebd., S. 10 ff.) und diverse Nachfolgestudien mit
unterschiedlichen Rahmenbedingungen kommen zu dem Ergebnis, dass neue Arbeitsstellen häufig
über das soziale Netzwerk gefunden werden (siehe Anlage 7). Kritisch hervorzuheben ist, dass
Unterschiede in den untersuchten Stichproben und in der Art der Fragestellungen die
Vergleichbarkeit der Studienergebnisse beeinträchtigen
35
(ebd., S. 139).
Untersuchungen ergeben teilweise ein ungewöhnliches Bild. Der Nutzen, den ein Individuum aus
seinen persönlichen Kontakten ziehen kann, ist umso größer, je höher das soziale Kapital des
Akteurs ist. Empirische Ergebnisse zeigen dennoch, dass auch Menschen mit einem niedrigen
35
Alle Studienergebnisse, die im Rahmen dieser Diplomarbeit zur Überprüfung von Hypothesen zu sozialen
Netzwerken verglichen werden, sind mit dieser Einschränkung zu betrachten.
28

JOBSUCHE UND PERSONALREKRUTIERUNG ÜBER SOZIALE NETZWERKE
Sozialkapital häufig ihr soziales Netzwerk aktivieren, obwohl der zu erwartende Nutzen gering ist
(Lin 1999b, S. 467). Jobs mit geringem Qualifikationsanspruch werden auch oft auf informellem
Weg vermittelt (Corcoran et al. 1980, S. 1 ff.; Holzer 1987, S. 601 ff.). Unter Jugendlichen sind
Freunde und Bekannte der beliebteste und beste Weg, um Informationen bei einer Jobsuche zu
gewinnen
36
(Holzer 1988, S. 1 ff.). Die Rolle von persönlichen Kontakten bei einer erfolgreichen
Jobsuche schwankt im Ländervergleich. In den Niederlanden und in Deutschland haben nur 30 %
bzw. 40 % und in den Vereinigten Staaten im Schnitt 60 % der befragten Stichprobe den Erfolg
einer Jobsuche auf ihr soziales Netzwerk zurückgeführt (DeGraaf/Flap 1988, S. 466).
Verschiedene Studienergebnisse weisen nach, dass vor allem hoch qualifizierte Arbeitnehmer oft
bei der Jobsuche über ihr Kontaktnetzwerk erfolgreich sind (Preisendörfer/Voss 1988, S. 113;
Boxman et al. 1991, S. 51 ff.). Arbeitnehmer mit einem hohen beruflichen Status haben ein
größeres Kontaktnetzwerk und nutzen dieses Netz auch entsprechend häufig (Lin et al. 1981a, S.
393 ff.). Granovetter (1974, 1995) befragte Facharbeiter, Techniker und Führungskräfte
37
danach,
wie sie ihren aktuellen Arbeitsplatz gefunden haben. Die Mehrheit (55,7 %) hat von ihrem sozialen
Netzwerk profitiert, und deutlich weniger Jobsuchende haben ,,formal means" (18,8 %) oder eine
,,direct application" (18,8 %) genutzt. Auffallend ist die besonders hohe Nutzungsquote (65,4 %)
unter den beteiligten Managern (ebd., S. 19). Führungskräfte greifen vor allem dann auf ihr
Kontaktnetzwerk bei der Jobsuche zurück, wenn sie viele Arbeitskontakte mit Managern in anderen
Organisationen aufweisen (Boxman/DeGraaf/Flap 1991, S. 51 ff.). Arbeitsbezogene Verbindungen
haben anscheinend Vorteile gegenüber familiären Kontakten (Granovetter 1974, 1995, S. 41 ff.)
Die auf den ersten Blick triviale Hypothese kann durch die Resultate von diversen Studien nicht
falsifiziert werden. Soziale Kontaktnetzwerke spielen bei der Suche und dem Finden einer neuen
Stelle oft eine wesentliche Rolle. Es fällt allerdings auf, dass die unterschiedlichen empirischen
Resultate teilweise erheblich von etwas über 27 % bis hin zu deutlich über 70 % schwanken.
Manager und Führungskräfte nutzen ihre sozialen Netzwerke besonders häufig und Kontakte
scheinen für diese Berufsgruppen von besonderer Bedeutung zu sein:
Führungskräfte finden einen neuen Arbeitsplatz häufig über ihr soziales Kontaktnetzwerk.
36
Die Ergebnisse basieren auf Daten der US Youth Cohort of the National Longitudial Survey von 1981, einer
landesweiten Erhebungen unter Jugendlichen (Holzer 1988, S. 1 ff.).
37
Granovetter (1974, 1995, S. 7) spricht dabei von ,,PTM workers" und konzentriert sich damit in seiner Studie auf
,,professional, technical, and managerial workers".
29

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
2005
ISBN (eBook)
9783832493905
ISBN (Paperback)
9783838693903
DOI
10.3239/9783832493905
Dateigröße
1.6 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität der Bundeswehr München, Neubiberg – Wirtschafts- und Organisationswissenschaften
Erscheinungsdatum
2006 (Februar)
Note
1,0
Schlagworte
vitamin netzwerkrekrutierung mitarbeiterempfehlungen soziales kapital soziale ressourcen
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