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Logistik in der Filmwirtschaft

Entwicklung eines Prozesskettenmodells unter Berücksichtigung digitaler Filmtechnik

©2005 Diplomarbeit 142 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Gang der Untersuchung:
Diese interdisziplinäre Arbeit basiert auf intensiven Recherchen, welche neben der Teilnahme an hochaktuellen, außeruniversitären Seminaren und Analysen der internationalen Fachliteratur, Interviews mit Experten, so unter anderem mit Martin Rohrbeck (Boje Buck Produktion GmbH, Filme: Herr Lehmann, Sonnenallee, Männerpension), Prof. Ulrich Weinberg (Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam, Bereich Computeranimation/ Computergrafik) und Jost Hohenberg (Heinrich Herz Institut Berlin, Bildsignalverarbeitung) umfassen.
Einleitung:
Die digitale Technik dringt kontinuierlich und unaufhaltsam in eine der letzten Bastionen der analogen Technik ein: die Filmwirtschaft. Die Einführung von digitaler Technologie in verschiedensten Industrien ging zumeist mit starken Prozessveränderungen einher, ähnliches ist daher auch für den filmwirtschaftlichen Bereich zu erwarten. In diesem Sinn äußert sich auch Wim Wenders: „The first phase of the digital revolution is not an evolution, it is rebuilding cinemas from A to Z.” Wohin es führen wird, steht jedoch noch nicht fest, James Cameron sagt hierzu: „We’re all still trying to figure out what it all means and how to utilize it.” Bisher wurde der Einfluss der digitalen Filmtechnik auf die Prozessabläufe der Filmwirtschaft noch nicht von einem logistischen Standpunkt untersucht.
Die vorliegende Arbeit befasst sich daher mit der Frage, wie sich die Prozessstrukturen zur Erstellung und Verwertung von Spielfilmen nach der Einführung digitaler Aufnahme- und Projektionstechnologie darstellen werden. Ziel ist es, die Abläufe in einem Prozesskettenmodell darzustellen, zu beschreiben und die wesentlichen Unterschiede zum bisherigen, von analoger Technik geprägten Prozessablauf aufzuzeigen.
Der Bereich der Filmwirtschaft leistet für die europäische Union als zweitgrößtem Produzenten und Absatzmarkt für Spielfilme in der Welt einen wichtigen Beitrag zur Volkswirtschaft. Darüber hinaus sind Spielfilme wichtige Träger und Vermittler unserer kulturellen Identität.
Von großer Bedeutung für die Filmwirtschaft ist die Logistik, da Spielfilme generell nicht chronologisch, sondern nach logistischen Kriterien umgesetzt werden und die Herstellung und Verwertung von Spielfilmen eine temporäre Vernetzung verschiedenster Akteure und die flexible Handhabung von vielfältigsten Material- und Informationsflüssen erfordert. David Puttnam äußert sich zur Bedeutung der Logistik für die Spielfilmproduktion […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 9596
Polaczek, Ralf: Logistik in der Filmwirtschaft - Entwicklung eines Prozesskettenmodells
unter Berücksichtigung digitaler Filmtechnik
Druck Diplomica GmbH, Hamburg, 2006
Zugl.: Technische Universität Berlin, Diplomarbeit, 2005
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany

Logistik in der Filmwirtschaft
I
I INHALT
I INHALT ...I
II Abbildungsverzeichnis ... V
III Tabellenverzeichnis ... V
III Abkürzungsverzeichniss ... VI
1
EINLEITUNG...1
2
FILMWIRTSCHAFT IM ÜBERBLICK ...3
2.1
Volkswirtschaftliche Bedeutung...3
2.2
Filme als Kulturträger ...4
2.3
Charakteristika der Filmwirtschaft ...5
2.3.1
Verwertungsstufen 6
2.3.2
Bedeutende Absatzmärkte
7
2.3.3
Analog und digital ausgestattete Kinosäle weltweit
8
2.4
Die europäische Filmwirtschaft im internationalen Vergleich ...9
2.4.1
Besonderheiten des europäischen Marktes
10
2.4.2
Wirtschaftliche Erfolge europäischer Produktionen
11
2.4.3
Investitionen 13
2.4.4
Produktionsstruktur 14
2.5
Politische und kulturelle Einflussfaktoren der europäischen Filmwirtschaft ...15
2.5.1
Sprache 15
2.5.2
Binnenmarkt 16
2.5.3
Filmförderung 17
3
FILMTECHNOLOGIE ...19
3.1
Grundlagen...19
3.2
Aufnahmetechnologie...20
3.2.1
Analoge Kameras
20
3.2.2
Digitale Kameras
21
3.2.2.1
Funktionsweise...21
3.2.2.2
24p-HD Format...22
3.2.3
Wesentliche Unterschiede
23
3.3
Wiedergabetechnologie...25
3.3.1
Analoge Projektoren
25

Logistik in der Filmwirtschaft
II
3.3.2
Digitale Projektoren
26
3.3.2.1
Mikrospiegel basierte Projektion ...26
3.3.2.2
Halbleiter basierte Projektion ...26
3.3.2.3
Laser basierte Projektion...27
3.3.3
Wesentliche Unterschiede
27
3.3.4
E-Cinema versus D-Cinema
28
4
PROZESSKETTEN IN DER LOGISTIK ...30
4.1
Definition des Begriffs Logistik ...30
4.2
Logistiksysteme ...31
4.3
Fliessorientierung der Logistik...32
4.3.1
Prozesse und Aktivitäten
33
4.3.1.1
Merkmale...33
4.3.1.2
Wertschöpfung logistischer Prozesse ...34
4.3.2
Prozessketten 35
4.3.3
Bedeutung von Prozessketten in der Logistik
35
4.3.4
Anforderungen an Prozessketten
37
4.4
Virtuelle Unternehmen...38
4.4.1
Merkmale 38
4.4.2
Voraussetzungen 40
4.4.3
Wettbewerbsvorteile virtueller Unternehmen
43
4.5
Virtuelle Unternehmen in der Filmwirtschaft...44
4.6
Prozessketten als Steuerinstrumentarium virtueller Unternehmen ...46
5
PROZESSKETTENMODELL DER FILMWIRTSCHAFT ...47
5.1
Entwicklung ...47
5.1.1
Marktanalyse 48
5.1.2
Ideen-/Projektauswahl 49
5.1.3
Definition der Projektziele
49
5.1.4
Drehbuchentwicklung 50
5.1.5
Veränderungen des Entwicklungsprozesses durch Verwendung digitaler
Filmtechnik in Produktion und Verwertung
51
5.2
Produktionsvorbereitung...53
5.2.1
Visualisierung 53
5.2.1.1
Motivsuche ...53
5.2.1.2
Storyboardgenerierung...54

Logistik in der Filmwirtschaft
III
5.2.2
Planung 55
5.2.2.1
Drehbuchaufgliederung ...56
5.2.2.2
Drehplanerstellung ...57
5.2.2.3
Budgetkalkulation ...59
5.2.3
Produktionsfaktorenbeschaffung 61
5.2.4
Veränderungen des Produktionsvorbereitungsprozesses durch Einführung
digitaler Aufnahmetechnik
62
5.3
Produktion ...64
5.3.1
Produktionsfaktorenbereitstellung 64
5.3.2
Filmdreh 65
5.3.2.1
Einstellungsvorbereitung ...65
5.3.2.2
Aufnahme ...67
5.3.3
Kontrolle 71
5.3.4
Veränderungen des Produktionsprozesses durch Einführung digitaler
Aufnahmetechnik 72
5.4
Nachbearbeitung ...76
5.4.1
Schnitt 76
5.4.2
Visuelle Effekte
77
5.4.3
Vertonung 78
5.4.4
Mastering 78
5.4.5
Lagerung 79
5.4.6
Veränderungen des Nachbearbeitungsprozesses durch Einführung
digitaler Filmtechnik
80
5.5
Verwertung ...84
5.5.1
Allgemeines zum Verwertungsprozess
84
5.5.2
Kopienerstellung 85
5.5.2.1
Anpassung ...85
5.5.2.2
Komprimierung ...87
5.5.2.3
Verschlüsselung ...87
5.5.2.4
Datenpackung ...88
5.5.3
Distribution 89
5.5.3.1
Distribution per Kurier...89
5.5.3.2
Distribution per Netzwerk ...90
5.5.3.3
Distribution per Satellit ...91
5.5.4
Vorführung 91
5.5.4.1
Datenaufbereitung...92
5.5.4.2
Showzusammenstellung ...93

Logistik in der Filmwirtschaft
IV
5.5.4.3
Projektion ...93
5.5.5
Veränderungen des Verwertungsprozesses durch die digitale
Projektionstechnik 95
5.5.5.1
Prozessablauf bei Einsatz analoger Projektionstechnik...95
5.5.5.2
Vorteile digitaler Projektionstechnik ...96
5.6
Zwischenfazit...101
5.7
Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen...105
5.7.1
Herstellungsseitig 105
5.7.2
Verwertungsseitig 106
6
FAZIT ...109
IV Glossar ...111
VI Literaturverzeichnis...115
VI Literaturverzeichnis...115
VII Internetquellen...122
VIII Interviewverzeichnis ...131
IX Danksagung ...132

Logistik in der Filmwirtschaft
V
II Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Kinoumsätze der größten Absatzmärkte für Spielfilme ...7
Abbildung 2: Vergleich der in den USA und der EU produzierten Spielfilme ...9
Abbildung 3: Aufgliederung der Kinoumsätze in der EU nach Herkunft der Produktionen
...10
Abbildung 4: Aufgliederung der Kinoumsätze in den USA nach Herkunft der
Produktionen...12
Abbildung 5: Logische Aufgliederung eines Spielfilms...19
Abbildung 6: Verbindung von Prozessen und Aktivitäten ...33
Abbildung 7: Entwicklungsprozess...52
Abbildung 8: Produktionsvorbereitungsprozess...62
Abbildung 9: Produktionsprozess...74
Abbildung 10: Nachbearbeitungsprozess ...81
Abbildung 11: Position der Verwertung in der Prozesskette ...84
Abbildung 12: Verwertungsprozess ...97
Abbildung 13: Prozesskettenmodell der Filmwirtschaft...102
Abbildung 14: Übersicht der Prozessaktivitäten...103
III Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Wirtschaftlichkeitsbetrachtung...107

Logistik in der Filmwirtschaft
VI
III Abkürzungsverzeichniss
24p-HD
Aufnahmeformat (24 Bilder/ Sekunde, progressiv und hochauflösend,
aufgezeichnet)
2K/ 4K
Bildauflösung bezogen auf die horizontalen Bildpunkte, etwa 2000 Bildpunkte bei
1500 Zeilen bzw. 4000 * 3000 Bildpunkte
BIP Bruttoinlandsprodukt
3D dreidimensional
CCD
Charge Coupled Device (ladungsgekoppeltes Halbleiterelement)
DCI
Digital Cinema Initiatives - Vereinigung zur Förderung und Standardisierung des
digitalen Kinos
DCDM
Digital Cinema Distribution Master
D-Cinema
Digital Cinema (bezeichnet meist hochauflösendes digitales Kino)
DCP
Digital Cinema Packages
D-ILA
Direct Drive Image Amplifier, Handelsname für LCOS Projektoren
DLP Digital
Light
Processing
DP
Director of Photographie
DSM
Digital Source Master
DTS
Digital Theatre Sound, Tonstandard
E-Cinema
Electronic Cinema (bezeichnet meist digitales Kino mit vergleichsweise geringer
Auflösung)
EU
Europäischen Union
JPEG
Joint Photographic Experts Group - Komprimierungsstandard für Bildaten
JPEG 2000
wavelet basierter Komprimierungsstandard für Bilddaten - siehe JPEG
LCOS
Liquid Crystal on Silicon, Flüssigkristall basierte Projektionstechnologie
LDT
Laser Display Technologie
MPA
Motion Picture Association (Vereinigung der 7 größten Filmstudios Amerikas
zum Zwecke der Exportförderung)
MPAA
Motion Picture Association of America (Vereinigung der 7 größten Filmstudios
Amerikas)
MPEG
Moving Picture Experts Group - Komprimierungsstandard für Filmdaten
NATO
National Association of Theatre Owners (Interessengemeinschaft der
nordamerikanischen Kinobesitzter)
SDDS
Sony Dynamic Digital Sound, Tonstandard für Kinos
SMPTE
Society for Motion Picture & Television Engineers (Interessengemeinschaft der
amerikanischen Ingenieure der Filmindustrie)

Logistik in der Filmwirtschaft
VII
TFT-LCD
Thin Film Transitor - Liquid Cristall Display
THX
Norm für Tonaufnahme und Wiedergabe, Bedeutung der Abkürzung nicht restlos
geklärt, steht eventuell für Tomlinson Holman Experiment oder bezieht sich auf
den Film "THX 1138"
VFX Visual
Effects

Logistik in der Filmwirtschaft
1
1 Einleitung
Die digitale Technik dringt kontinuierlich und unaufhaltsam in eine der letzten Bastionen
der analogen Technik ein: die Filmwirtschaft. Die Einführung von digitaler Technologie in
verschiedensten Industrien ging zumeist mit starken Prozessveränderungen einher,
ähnliches ist daher auch für den filmwirtschaftlichen Bereich zu erwarten. In diesem Sinn
äußert sich auch Wim Wenders: ,,The first phase of the digital revolution is not an
evolution, it is rebuilding cinemas from A to Z."
1
Wohin es führen wird, steht jedoch noch
nicht fest, James Cameron sagt hierzu: "We're all still trying to figure out what it all means
and how to utilize it."
2
Bisher wurde der Einfluss der digitalen Filmtechnik auf die Prozessabläufe der
Filmwirtschaft noch nicht von einem logistischen Standpunkt untersucht. Die vorliegende
Arbeit befasst sich daher mit der Frage, wie sich die Prozessstrukturen zur Erstellung und
Verwertung von Spielfilmen nach der Einführung digitaler Aufnahme- und
Projektionstechnologie darstellen werden. Ziel ist es, die Abläufe in einem
Prozesskettenmodell darzustellen, zu beschreiben und die wesentlichen Unterschiede
zum bisherigen, von analoger Technik geprägten Prozessablauf aufzuzeigen.
Der Bereich der Filmwirtschaft leistet für die europäische Union als zweitgrößtem
Produzenten und Absatzmarkt für Spielfilme in der Welt einen wichtigen Beitrag zur
Volkswirtschaft. Darüber hinaus sind Spielfilme wichtige Träger und Vermittler unserer
kulturellen Identität. Von großer Bedeutung für die Filmwirtschaft ist die Logistik, da
Spielfilme generell nicht chronologisch, sondern nach logistischen Kriterien umgesetzt
werden und die Herstellung und Verwertung von Spielfilmen eine temporäre Vernetzung
verschiedenster Akteure und die flexible Handhabung von vielfältigsten
Material-und Informationsflüssen erfordert. David Puttnam äußert sich zur Bedeutung der
Logistik für die Spielfilmproduktion folgendermaßen: "Logistics are extremely important,
since shooting on location is parallel to a military operation."
3
Die Relevanz des Themas
spiegelt auch die Verleihung des erstmalig vergebenen Sonderpreis Logistik an das
Filmstudio Babelsberg für die herausragenden logistischen Leistungen im
1
Wenders (Regisseur von Himmel über Berlin (1987), Land of Plenty (2004)) zitiert nach Huske/ Vallières
(2002), S.39
2
Cameron (Regisseur von Titanic (1997), Terminator 2 (1991)) in Ohanian/ Phillips (2000), S. XVIII
3
Puttnam (bekanntester englischer Filmproduzent) in Squire (1995), S. 40

Logistik in der Filmwirtschaft
2
Zusammenhang mit der Produktion des Spielfilms In 80 Tagen um die Welt, durch die
Bundesvereinigung Logistik im Jahr 2003 wider.
Prozessketten sind für die Logistik als ganzheitliche Betrachtung von Unternehmen ein
wichtiges Werkzeug, da sie die Realität wirklichkeitsgetreu und komplexitätsreduziert in
einer handhabbaren Form abzubilden vermögen, die sich horizontal am Auftragsfluss
orientiert. Damit sind sie nutzbar zur Steuerung von komplexen und vernetzten sozialen
Systemen, wie sie auch im filmwirtschaftliche Bereich vorzufinden sind. Die Entwicklung
des Prozesskettenmodells in dieser Arbeit basiert auf der Analyse vielfältiger Literatur,
hauptsächlich aus dem angloamerikanischen Bereich, Seminarteilnahmen zum Thema
Film und Digitalisierung,
4
persönlichen Erfahrungen im Zusammenhang mit
Filmaufnahmen und Gesprächen mit deutschen Produzenten und Fachleuten.
Im ersten Teil der Arbeit (Kapitel 2) wird die Bedeutung der Filmwirtschaft für die
Volkswirtschaft erläutert und die europäische Filmwirtschaft näher analysiert und mit der
amerikanischen verglichen. Der zweite Teil (Kapitel 3) erläutert die technischen
Grundlagen von Aufnahme und Projektion von Spielfilmen und vergleicht die analoge mit
der digitalen Filmtechnik. Dort wird auch aufgezeigt, was D-Cinema und E-Cinema in der
Praxis bedeuten. Im dritten Teil (Kapitel 4) wird definiert, was Logistik ist, und die
grundlegenden Begriffe, die zum Verständnis des Prozesskettenmodells nötig sind,
werden erläutert. Es erfolgt ein Exkurs zu virtuellen Unternehmen und ihrer Eignung als
Unternehmensstruktur für den Filmsektor. Im Hauptteil (Kapitel 5) wird schließlich das
Prozesskettenmodell der Filmwirtschaft entwickelt. Die wichtigsten Prozesse werden
aufgeführt, beschrieben, ihr Zusammenwirken wird grafisch dargestellt und es erfolgt
abschnittsweise eine Darstellung der Unterschiede zum bisherigen Prozessablauf.
Abschließend wird eine Analyse des wirtschaftlichen Nutzens der digitalen Filmtechnik
durchgeführt.
4
Besuch ausgewählter Veranstaltungen der INSIGHT OUT HFF Academy 2005 (INSIGHT OUT is a training
program for top-level European decision makers in the film,TV and new media industries, which brought
together renowned experts from Europe and the United States to share their knowledge and experiences in
using latest production technologies and methods. Vgl. insightout.hff-potsdam.de)

Logistik in der Filmwirtschaft
3
2 Filmwirtschaft im Überblick
Dieser Abschnitt soll einen Überblick über die wirtschaftliche Bedeutung und die
Marktbedingungen, denen die Filmwirtschaft ausgesetzt ist und die für viele
Ausprägungen der Prozessabläufe von Bedeutung sind, liefern. Als erstes werden die
volkswirtschaftliche Bedeutung und das Wachstumspotential der Filmwirtschaft behandelt.
Im Anschluss wird auf die Charakteristika und Besonderheiten des Filmmarkts näher
eingegangen. Dann erfolgt ein Vergleich der europäischen Filmwirtschaft anhand
verschiedener Kriterien auf internationaler Ebene. Zum Abschluss werden die
Auswirkungen der politischen und kulturellen Einflussfaktoren auf die europäische
Filmwirtschaft dargestellt.
2.1 Volkswirtschaftliche
Bedeutung
Die Unterhaltungs- und Medienbranche stellt einen dynamischen, zukunftsorientierten und
wachstumsstarken Markt dar. Die Konsumentenausgaben der weltweiten Unterhaltungs-
und Medienbranche wurden für 2003 auf über US $ 1,1 Billionen beziffert. Der Beitrag der
Filmwirtschaft
belief sich im gleichen Zeitraum auf etwa US $ 69 Milliarden. Das jährliche
Wachstum wird weltweit auf etwa 6% geschätzt, so dass der Umsatz der Filmwirtschaft im
Jahr 2007 voraussichtlich US $ 88 Milliarden betragen wird.
5
Damit wächst die
Filmwirtschaft überproportional im Vergleich zur gesamten Weltwirtschaft, für die sich das
Wachstum des globalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2003 auf
3% belief und für 2004 voraussichtlich 4% betragen wird.
6
Die Filmwirtschaft stellt damit
einen der wachstumsstärksten Bereiche der Unterhaltungsindustrie dar. Ihr Wachstum
wird nur durch die für den Videospielmarkt und die Internetwerbebranche prognostizierten
Wachstumsraten übertroffen.
7
Insgesamt erwirtschaftete die europäische audiovisuelle Industrie
8
in der Europäischen
Union (EU) im Jahr 2002 Umsätze in Höhe von US $ 99 Milliarden, dies entspricht einem
Anteil am BIP der EU von etwa 1%.
9
Der Anteil der Filmwirtschaft
10
an dem von der
5
Vgl. PriceWaterhouseCoopers (2003), S.1 f.
6
Vgl. IKB (2003), S.1
7
Das Wachstum des US $ 4 Milliarden umfassenden Videospielmarktes wird bis 2007 mit 11% prognostiziert,
das der US $ 66 Milliarden umfassenden Internetwerbebranche auf 10%. Vgl.PriceWaterhouseCoopers
(2003), S.2
8
Die audiovisuelle Industrie umfasst die Bereiche Kino, Fernsehen, Radio, Musik und Videospiele
9
Vgl. Europäische Audiovisuelle Informationsstelle (2004 c), S. 1

Logistik in der Filmwirtschaft
4
audiovisuellen Industrie in der EU erwirtschafteten Beitrag zum BIP ist mit einem Anteil
von 14% wesentlich.
11
Im Bereich der Film- und Video-Produktion waren in der EU im
Jahr 2000 etwa 222 000 Personen beschäftigt. Zum Vergleich waren in den USA zur
selben Zeit mit 257 000 nicht erheblich mehr Personen in diesem Bereich tätig.
12
Die
Anzahl der Arbeitsplätze, die indirekt von der Filmwirtschaft abhängen, ist jedoch
wesentlich größer und erstreckt sich auf weite Bereiche der audiovisuellen Industrie, aber
auch auf andere Industriebereiche. So erwirtschaftet bspw. die Fernsehbranche einen
Großteil ihrer Umsätze mit Kinofilmen.
13
Weitere von der Filmwirtschaft besonders
beeinflusste Wirtschaftsbereiche sind die Tourismusindustrie, die Textilindustrie, die
Werbebranche und die Spielzeugindustrie.
14
Die Filmwirtschaft stellt somit einen
bedeutenden und wachstumsstarken Teil der europäischen Volkswirtschaft dar.
2.2 Filme
als
Kulturträger
Neben der rein wirtschaftlichen Bedeutung darf der kulturelle Einfluss, den Kinofilme auf
die Gesellschaft und somit indirekt auch auf eine Volkswirtschaft ausüben, nicht
vernachlässigt werden. "Mass media, and movies in particular, have always been
suspected to `shape' society."
15
Zur Zeit seiner Erfindung wurde der Film als ,,an invention
without any commercial future"
16
gesehen. Mittlerweile zählen Filme jedoch zu den
einflussreichsten und beachtetsten Formen der Massenkommunikation. "A hundred years
after its invention cinema has established itself as one of the most powerful and effective
means of communication we have, not just to entertain ourselves, but to express
ourselves."
17
Ohne die Unterstützung der international äußerst erfolgreichen
amerikanischen Filmwirtschaft hätte auch der ,,american way of life" mit Sicherheit nicht
solch eine hohe Verbreitung auf der Welt gefunden und wäre nicht so schnell adaptiert
worden, wie er es heute ist. Eine eigenständige Filmwirtschaft ist daher grundlegend für
die Wahrung einer eigenen kulturellen Identität. Entsprechend äußerst sich auch die
Kommission der europäischen Gemeinschaften: "Die Medien (...) sind der Hauptträger für
die Übermittlung unserer kulturellen Identität in Europa. Das Kino ist ein wesentlicher
10
Die Filmwirtschaft umfasst die Bereiche Kino, DVD/ Video Verkauf und Vermietung
11
Vgl. Eurostat (2002), S.13
12
Vgl. Eurostat (2002), S.23 f.
13
Vgl. Ilott (1996), S. 30 f.
14
Vgl. German American Chamber of Commerce California (2000)
15
Houcken (1999), S. 52
16
Puttnam (1997), S.9, der Film wurde um 1896 erfunden
17
Puttnam (1997), S. 348

Logistik in der Filmwirtschaft
5
Akteur (...) [und] Mittel zur Verbreitung unserer jeweiligen Werte."
18
Dieser Aussage liegt
die Erkenntnis zugrunde, dass der Einfluss des Kinos auf Wirtschaft und Gesellschaft
weitreichend ist. Eine vollständige Bewertung der Bedeutung der Filmwirtschaft für eine
moderne Gesellschaft, wie sie unserer europäischer Staatenverbund darstellt, hat also
über eine isolierte und rein monetäre Abschätzung des Filmsektors hinauszugehen.
2.3 Charakteristika der Filmwirtschaft
Die Filmwirtschaft stellt einen Wirtschaftszweig dar, der von einer hohen Ungewissheit
geprägt ist. ,,In no other business is a single product fully created at an investment of tens
of millions of dollars, with no real assurance that the public will buy it."
19
Der Grund hierfür
liegt in dem Prototypencharakter eines jeden Spielfilms begründet.
20
So ist es nicht
möglich den kommerziellen Erfolg vor der endgültigen Fertigstellung eines Spielfilms
sicher zu bewerten, da die Reaktion des potentiellen Publikums ohne ein vorzeigbares
Produkt nur schwer getestet werden kann.
Im Falle der Nichtvollendung eines Films ist kein veräußerungsfähiges Gut vorhanden, um
wenigstens einen Teil der Investitionen zurück zu erhalten. Das bis dahin investierte
Kapital stellt damit zu nahezu 100% sunk costs dar. Die Investition von Finanzmitteln in
ein Filmprojekt ist deshalb eine hochspezifische Investition. Selbst im Falle des
erfolgreichen Abschlusses eines Filmprojekts existiert vor Beginn der Vermarktung keine
Möglichkeit sicher abzuschätzen, ob ein Film seine Kosten wieder einspielen wird.
21
Diese
hohe Ungewissheit zeigt sich auch in der Erfolgsquote von Spielfilmen.
22
Nur 10% aller
Spielfilme erwirtschaften alleine durch die Kinoverwertung einen Profit. Nach Durchlauf
aller Verwertungsstufen schaffen es immerhin 30 - 40% der Spielfilme, gewinnträchtig zu
sein. Annähernd die Hälfte aller Spielfilme erwirtschaftet jedoch nie Gewinn, viele Filme
spielen oft nicht einmal ihre Produktionskosten wieder ein.
23
Wenige erfolgreiche Filme
erwirtschaften also für ein Filmunternehmen das finanzielle Polster, um die Verluste nicht
erfolgreicher Produktionen auszugleichen.
18
Kommission der europäischen Gemeinschaften (2001), S. 4
19
Squire (1992), S. 21
20
Vgl. Houcken (2001), S. 67
21
Vgl. Handel (1976)
22
Der Begriff ,,erfolgreich" ist zum Teil unterschiedlich definiert. Die Angabe der Quote schwankt zwischen 1:5
bis 1:10. Vgl. Thiermeyer (1994), S.29 und Houcken (2001), S.75
23
Vgl. Houcken (2001), S.75

Logistik in der Filmwirtschaft
6
2.3.1 Verwertungsstufen
Ein Spielfilm durchläuft nacheinander verschiedene zeitlich voneinander getrennte
Verwertungsstufen, wobei sich die einzelnen Stufen zeitlich unterschiedlich stark
überlagern können.
24
Die Verwertungsstufen eines typischen Spielfilms sind der
Reihenfolge nach: Kino, Inflight Entertainment
25
, DVD / Video-Verleih, DVD / Video-
Verkauf, Pay-per-View, Pay-TV und Free-TV. Die zeitliche Trennung der Verwertung
eines Spielfilms auf unterschiedlichen Märkten geschieht aus Gründen der
Gewinnmaximierung. Wichtig ist, den Beginn eines neuen Verwertungsabschnitts eines
Films richtig zu bestimmen, denn die einzelnen Märkte konkurrieren zum Teil miteinander.
Je früher die Verwertung auf einer neuen Stufe begonnen wird, umso höher sind die auf
dieser Stufe erzielbaren Einnahmen, jedoch werden die Einnahmen der vorhergehenden
Stufe hierbei kannibalisiert. So sinkt bspw. der Zustrom der Kinozuschauer stark, sobald
ein Film auf DVD verfügbar ist. Das Einnahmepotential jeder Verwertungsstufe kann also
nicht vollständig ausgeschöpft werden, wenn die Gesamteinnahmen maximiert werden
sollen.
Das Kino, als erste Stufe der Verwertungskette, stellt nicht mehr die größte
Einnahmequelle dar, aber es ist für den Erfolg eines Spielfilms immer noch die wichtigste
Stufe in der Verwertungskette. Eine gezielte Steuerung des Konsumentenverhaltens ist
jedoch in Bezug auf die Filmvermarktung äußerst schwierig bis unmöglich. ,,Once a
picture is released, it takes on a life of its own."
26
Selbst riesige Werbebudgets können
nicht den entsprechenden Publikumszustrom garantieren.
27
Die so genannte ,,Mund-zu-
Mund-Propaganda" des Kinopublikums und die dadurch erzeugten
Informationskaskaden
28
stellen einen sehr wichtigen Einflussfaktor in Bezug auf die
Vermarktung eines Kinofilms dar und ,,can carry a film to explosive growth or to immediate
failure."
29
Der Erfolg eines Films im Kino ist eine ...engine that drives a very long train."
30
Denn die Einnahmen, die ein Spielfilm auf allen anderen Verwertungsstufen erzielt,
werden maßgeblich vom Kinoerfolg eines Films bestimmt.
31
Je erfolgreicher ein Film im
24
Vgl. Houcken (1999), S. 74
25
Ausstrahlung von Filmen während eines Fluges oder bei anderen besonderen Anlässen
26
David Puttnam, Produzent, in Squire (1995), S. 43
27
Die Marketingkosten eines größeren Spielfilms sind etwa so hoch wie die Produktionskosten.
28
Vgl. Houcken (1999), S. 66
29
Houcken (1999), S. 67
30
Bill Kartozian, Vorsitzender der National Assoziation of Theater Owners in the USA, zitiert von Variety (Dez.
16-22, 1996), S. 11
31
Vgl. Houcken (1999), S. 74

Logistik in der Filmwirtschaft
7
Kino ist, umso höher sind die zu zahlenden Beträge für Veröffentlichungs- und
Ausstrahlungsrechte oder Lizenzen. Der Publikumserfolg im Kino ist also eine
Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche, weitere Vermarktung eines Spielfilms.
32
,,The
value of every motion picture is established by the success of its theatrical release and
that value is set for each and every ancillary market.
33
2.3.2 Bedeutende
Absatzmärkte
Die weltweiten Kinoeinnahmen im Jahr 2004, die aus dem Verkauf von 9,6 Milliarden
Kinokarten resultieren, betrugen US $ 25 Milliarden, das entspricht einer Steigerung von
24 % im Vergleich zum Vorjahr. Die umsatzstärksten Absatzmärkte der Filmwirtschaft
sind in den großen Industrienationen zu finden. Nordamerika und Europa stellen die
beiden größten Filmmärkte der Welt dar. Auf die USA entfielen Umsätze in Höhe von
US $ 9,5 Milliarden. Die Umsätze in der europäischen Union beliefen sich im gleichen
Zeitraum auf US $ 6,4 Milliarden. Zum Vergleich: Auf dem weltweit drittgrößten Filmmarkt
Japan wurden an der Kinokasse Umsätze von US $ 2 Milliarden erwirtschaftet.
34
Die USA
stellt damit den weltweit größten Absatzmarkt für Spielfilme dar.
Kinoumsätze der größten Absatzmärkte für Spielfilme (2004)
USA $9,5
Japan $2
übrige Welt $9,1
Europa $6,4
Bemerkung: Gesamtumsatz US $ 25 Milliarden
Abbildung 1: Kinoumsätze der größten Absatzmärkte für Spielfilme
Der weltweit zweitgrößte Filmmarkt, die EU, ist ein sehr wachstumsstarker Markt. So ist
das Umsatzvolumen seit 1998 um mehr als 40% angestiegen.
35
Insgesamt wurden im
32
Vgl. Gizycki/ Steinhoff (1997), S.12
33
Litman zitiert nach Houcken (1999), S. 70
34
Vgl. Focus (2005), S.10, 20, u. 50
35
Vgl. Groves (2003)

Logistik in der Filmwirtschaft
8
Jahr 2004 in der EU mehr als 1 Milliarde Kinokarten verkauft, das entspricht einem
Zuwachs von über 6 % im Vergleich zum Vorjahr.
36
Die größten Umsätze innerhalb der
EU wurden der Reihenfolge nach in England, Frankreich, Deutschland, Italien und
Spanien erzielt. Die Kinoeinnahmen in England beliefen sich im Jahr 2004 auf US $ 1,5
Milliarden. Damit stellt England für sich genommen hinter Nordamerika und Japan den
weltweit drittgrößten Filmmarkt dar.
37
Innerhalb Europas folgt Frankreich mit
Kinoeinnahmen in Höhe von US $ 1,4 Milliarden. Deutschland ist mit einem Umsatz an
der Kinokasse von US $ 1,2 Milliarden im Verhältnis zu seiner wirtschaftlichen Größe und
Bevölkerungszahl vergleichsweise schwach vertreten. Dies ist auf eine relativ geringe
Anzahl von Kinobesuchen pro Kopf im Vergleich zum EU Durchschnitt zurückzuführen.
38
2.3.3 Analog und digital ausgestattete Kinosäle weltweit
Die Anzahl der weltweit vorhandenen Kinosäle wird auf 100.000 bis 130.000 geschätzt.
39
Der Großteil der Kinosäle befindet sich in den Ländern, die auch die größten
Absatzmärkte für Spielfilme darstellen. Obwohl die Zahl der Kinos in der EU mit ungefähr
10.000 Lichtspielhäusern die Zahl der nordamerikanischen Kinos um ca. 3.000 übertrifft,
ist die Anzahl der Kinosäle in den USA höher als in jedem anderen Land der Welt.
40
Im
Jahr 2004 waren in den USA 35.786 Kinosäle vorhanden, in der EU hingegen nur 26.041.
Japan zum Vergleich weist nur 2681 Kinosäle auf. Damit sind in den USA mit 13
Kinosälen je Einwohner doppelt so viele Kinosäle je Einwohner vorhanden wie in der EU
und nahezu sechsmal soviel wie in Japan.
Die Anzahl der mit D-Cinema-Projektoren
41
zur Vorführung von Spielfilmen
ausgestatteten Kinosäle ist weltweit noch sehr gering. So waren im Jahr 2004 nur 275
Kinos mit entsprechender digitaler Projektionstechnik ausgestattet. Das
nordamerikanische Territorium mit 87 Säle, das einst Vorreiter war, wurde mittlerweile von
Asien abgelöst wo sich mit 121 Sälen der größte Anteil aller weltweiten digital
ausgestatteten Kinosäle befindet. An dritter Stelle befindet sich Europa mit 57 Kinosälen,
gefolgt von Lateinamerika mit 10 installierten D-Cinema Projektoren. Demgegenüber steht
eine vergleichsweise hohe Zahl von Kinosälen, die zusätzlich zu bestehender analoger
Vorführtechnik mit preisgünstigen digitalen Projektoren, die nicht für eine qualitativ
36
Vgl. Chai (2003)
37
Vgl. Focus (2005), S. 38
38
Vgl. Focus (2005), S. 31 u. Meza (2003)
39
Vgl. Huske/ Vallières (2002), S. 13
40
Vgl. Deiss (2001)
41
Vgl. Abschnitt 3.3

Logistik in der Filmwirtschaft
9
hochwertige Spielfilmvorführung geeignet sind und im Wesentlichen zum zeigen von
Kinowerbung dienen, ausgerüstet sind. Im Jahr 2003 waren bereits über 2700 solcher
digitalen Projektionssysteme weltweit in Betrieb, mittlerweile sind es etwa 10.000
Projektoren.
42
Die Anzahl der mit D-Cinema Projektoren ausgerüsteten Kinosäle stieg zwar im Jahr 2004
um 60% im Vergleich zum Vorjahr an, dennoch entspricht die Gesamtzahl weniger als
1 % von allen weltweit vorhandenen Kinosälen. Die Entwicklung der Verbreitungsquote
der digitalen Projektionstechnologie bleibt damit deutlich hinter den Erwartungen der
Filmproduzenten zurück. Denn bereits für das Jahr 2002 hatten diese mit einer Anzahl
von 1000 installierten D ­ Cinema-Projektoren gerechnet.
43
2.4 Die europäische Filmwirtschaft im internationalen Vergleich
Die weltweite Spielfilmproduktion belief sich im Jahr 2002 auf 3827 Filme. Indien hat mit
über 1000 produzierten Filmen den größten Anteil.
44
Aufgrund der zumeist mit extrem
niedrigem Budget in kürzester Zeit produzierten Filme, die mit herkömmlichen Spielfilmen
aus Europa oder den USA nur schwer vergleichbar sind, wird es jedoch aus der weiteren
Betrachtung ausgeklammert.
Vergleich der in den USA und der EU produzierten
Spielfilme
720
764
752
727
475
459
449
462
0
200
400
600
800
1000
'01
'02
'03
'04
Jahr
Anzahl
EU-25
USA
Quelle: Europäische Audivisuelle Informationsstelle (2004b), S. 8
Abbildung 2: Vergleich der in den USA und der EU produzierten Spielfilme
42
Vgl. Filmförderungsanstalt (2003) , S. 1 u. Europäische Audiovisuelle Informationsstelle (2004), Band 4, S.
101
43
Vgl. Staden/ Hundsdörfer (2002), S.32
44
Vgl. Screen Digest (2003)

Logistik in der Filmwirtschaft
10
Im Jahr 2004 wurden in den Ländern der EU 764 Filme hergestellt. Die Anzahl der in den
USA produzierten Filme belief sich im gleichen Jahr auf 475.
45
Obwohl die USA eine
vergleichsweise moderate Menge an Spielfilmen produziert, gehören amerikanische
Spielfilme zu den meistgezeigten Filmen weltweit. So wurden für 85% aller weltweiten
Kinovorführungen amerikanische Filme genutzt.
46
2.4.1 Besonderheiten des europäischen Marktes
Der europäische Filmmarkt stellt keinen homogenen Markt dar, sondern ist aufgrund von
unterschiedlichen Ländern, Kulturen und Sprachen sehr stark fragmentiert. Die Märkte der
einzelnen europäischen Länder unterscheiden sich deutlich hinsichtlich ihrer Größe,
Struktur, Demographie und des Konsumverhaltens ihrer Bevölkerung. Daher
unterscheidet sich die Zusammensetzung des Filmmarktes und die Art und Herkunft der
Filme von Land zu Land in Europa stark. In jedem europäischen Land werden
unterschiedliche europäische Filme vermarktet, amerikanischen Produktionen sind
hingegen europaweit vertreten. Die sprachlichen und kulturellen Unterschiede sorgen
dafür, dass europäische Filme meist für ein lokales Publikum produziert werden und in
anderen europäischen Ländern nur selten größere Zuschauerzahlen anziehen und
deshalb fast ausschließlich in ihrem Ursprungsland erfolgreich sind. Vielfach sind
europäische Spielfilme in andern europäischen Ländern nicht einmal verfügbar.
Aufgliederung der Kinomsätze in der EU nach
Herkunft der Produktionen (2004)
USA 72%
andere Länder
2%
EU 26%
Abbildung 3: Aufgliederung der Kinoumsätze in der EU nach Herkunft der Produktionen
45
Vgl. Focus (2005), S. 11, 21
46
Vgl. Unesco (1999), S.2

Logistik in der Filmwirtschaft
11
Europäische Filme erreichten innerhalb der EU im Jahr 2004 nur einen Marktanteil von
27 %. Amerikanische Produktionen dominieren hingegen den Markt mit einem Anteil von
71 %. Kaum wahrgenommen werden in Europa Filme, die weder aus den USA noch aus
der EU stammen. Diese Filme erreichen mit 2% nur einen sehr geringen Anteil des
Kinopublikums der EU. Von den 27 % Marktanteil, den der europäische Film innerhalb der
EU besitzt, entfielen 24 % auf europäische Filme, die in ihrem Heimatland aufgeführt
wurden. Nur 5 % der Kinokarten in der EU wurden für europäische Filme, die in anderen
Ländern als ihrem Produktionsland aufgeführt wurden, verkauft.
47
Dies zeigt, dass es den
europäischen Film in diesem Sinne nicht gibt.
Die Zahl der Filme, die es schaffen, ein größeres europaweites Publikum anzusprechen,
ist äußerst gering. Von den mehr als 700 Kinoproduktionen der EU im Jahr 2004 haben
es nur zwei Filme geschafft einen ausländischen Kinobesucheranteil von mehr als 20%
innerhalb der EU zu erreichen.
48
Nicht der europäische Film' konkurriert also mit
amerikanischen Filmen um Marktanteile in Europa, vielmehr sind es Produktionen aus
bspw. Frankreich, England, Italien oder Deutschland, deren Anspruch und Budget sich am
lokalen Marktpotential orientiert, die in direkter Konkurrenz mit amerikanischen
Produktionen, die meist für ein globales Publikum konzipiert wurden, stehen.
49
2.4.2 Wirtschaftliche Erfolge europäischer Produktionen
Europäische Filmproduktionen haben innerhalb Europas nur mäßigen Erfolg, international
ist dieser äußerst schwach. Nordamerika hingegen ist äußerst erfolgreich, was die
Vermarktung seiner Spielfilme angeht, sowohl auf dem inländischen als auch auf dem
internationalen Markt. Der Marktanteil europäischer Filmproduktionen der EU in den USA,
dem größten Filmmarkt der Welt, betrug im Jahr 2003 nur geringe 3 %.
50
Auf ihrem
Heimatmarkt haben amerikanische Spielfilme einen Markanteil inne, der seit den
neunziger Jahren zwischen 94% bis 98 % schwankt.
51
Der amerikanische Markt stellt
somit nahezu ein Monopol für einheimische Produktionen dar.
47
Vgl. Europäische Audiovisuelle Informationsstelle (2005 b) S.4
48
Vgl. Europäische Audiovisuelle Informationsstelle (2005 b) S.7
49
Vgl. Ilott (1996), S.14 f.
50
Vgl. Europäische Audiovisuelle Informationsstelle (2004), Band 3, S. 49
51
Vgl. Eurostat (2002), S.34

Logistik in der Filmwirtschaft
12
Aufgliederung der Kinoumsätze in den USA nach
Herkunft der Produktionen (2004)
USA
95%
EU 3%
andere Länder
2%
Abbildung 4: Aufgliederung der Kinoumsätze in den USA nach Herkunft der Produktionen
Europäische Filme haben nicht nur im In- und Ausland einen geringeren Marktanteil als
amerikanische Produktionen, sondern sie sind auch wirtschaftlich weniger erfolgreich. In
den letzten Jahren haben es nur etwa 8% aller in der EU aufgeführten europäischen
Filme geschafft, mehr als 1 Million Besucher anzuziehen, im Vergleich zu 61% der in der
EU gezeigten US-amerikanischen Filme. Mehr als die Hälfte aller US-amerikanischen
Filme erreicht sogar regelmäßig über 2 Millionen Besucher innerhalb der EU.
52
Die Liste
der europäischen Top-20 Filme des Jahres 2004 wird demgemäß von amerikanischen
Titeln quantitativ dominiert und auch angeführt. Es befinden sich nur drei EU-
Produktionen in der Top-20 Liste, Bridget Jones: The Edge Reason (2004) auf Platz 10,
Les choristes (2004) auf Platz 17 und (T)raumschiff Surprise ­ Perisode 1 (2004) auf
Platz 20, die übrigen Filme stammen aus den USA. Die europäischen Filme in der Top-20
Liste erreichten jeweils zwischen 11 und 17 Millionen Zuschauer. Im Vergleich dazu
erreichten die beiden bestplatzierten Filme Shrek 2 (2004) und Harry Potter and the
Prisoner of Azkaban (2004) mit jeweils über 40 Millionen Besuchern mehr Besucher als
die drei erfolgreichsten europäischen Filme zusammen.
53
Obwohl die US-amerikanischen
Filme sehr hohe Kinobesucherzahlen aufweisen erzielen sie nur noch 36 % ihrer
Einnahmen im Kinobereich, der restliche Teil wird durch DVD / Video-Verkäufe und
Verleih, sowie den Verkauf von Ausstrahlungsrechten und Merchandising erwirtschaftet.
Europäische Filme hingegen erzielen im Durchschnitt 82 % ihrer Einnahmen im
Kinobereich.
54
Dies zeigt, dass die auf die Kinoauswertung folgenden Verwertungsstufen
von europäischen Filmen nur unzureichend genutzt werden. Dementsprechend haben
52
Vgl. Vgl. Eurostat (2002), S. 40
53
Vgl. Europäische Audiovisuelle Informationsstelle (2005 b) S. 5

Logistik in der Filmwirtschaft
13
amerikanische Filme in ihrem Heimatland, aber auch innerhalb der EU wesentlich höhere
Einnahmen zu verbuchen als europäischen Produktionen und erwirtschaften deshalb in
der Regel auch höhere Gewinne.
2.4.3 Investitionen
Trotz der hohen Zahl der in Europa produzierten Spielfilme ist der wirtschaftliche Erfolg
der europäischen Filmwirtschaft relativ gering und wesentlich niedriger als der der
amerikanischer Filmwirtschaft. Die Anzahl der produzierten Spielfilme sagt somit wenig
über den wirtschaftlichen Erfolg einer Filmwirtschaft aus. Ein aussagekräftigeres Kriterium
zur Beurteilung des filmwirtschaftlichen Sektors einer Volkswirtschaft stellt laut Hancock
die investierte Kapitalmenge dar. "A key measure for analyzing a national film economy is
production investment."
55
Die in der EU in Filmproduktionen investierte Kapitalmenge ist
weit geringer als das in den USA im Filmsektor investierte Kapital. Bereits 1997 erreichte
die Summe der Investitionen in Amerika nahezu US $10 Milliarden. Europa folgte mit
großem Abstand mit circa US $2,5 Milliarden Investitionssumme.
Die Investitionen in
Asien beliefen sich im gleichen Jahr auf ungefähr US $1 Milliarde.
56
Der Vergleich der
Investitionssummen verdeutlicht klar den großen Unterschied zwischen der
amerikanischen und europäischen Filmwirtschaft.
Da die Zahl der Spielfilmproduktionen in Europa höher liegt als in Amerika, ist der
Unterschied des pro Spielfilm investierten Kapitals noch größer als der Unterschied der
Gesamtinvestitionen. Die durchschnittlichen Produktionskosten eines Spielfilms der
amerikanischen Majors beliefen sich im Jahr 2004 auf $63,8 Millionen.
57
Das
durchschnittliche europäische Produktionsbudget entspricht nicht einmal einem Fünftel
des von der amerikanischen Filmwirtschaft investierten Kapitals pro Film.
58
Hohe
Investitionssummen pro Spielfilm können nicht den Erfolg eines einzelnen Films
garantieren, es besteht jedoch ein deutlicher Zusammenhang
zwischen dem Erfolg eines
54
Vgl. Europarat (2004), S. 9
55
Hancock (1998), S.4
56
Vgl. Hancock (1998), S.4
57
Vgl. MPA (2004), S.17. Die Produktionskosten der amerikanischen Independents liegen jedoch wesentlich
niedriger. 1997 beliefen sie sich auf $6,4 Millionen. Was in etwa dem europäischen Durchschnittbudget
entsprach. Da sie jedoch nur geringe Vermarktungserfolge erzielen fallen sie kaum ins Gewicht. Vgl. Hancock
(1998), S.40.
58
In England belief sich das durchschnittliche Produktionsbudget 2003 auf etwa US $ 17 Millionen, in
Frankreich auf US $ 5 Millionen und in Italien auf US $ 4 Millionen. Vgl. Europäische Audivisuelle
Informationsstelle (2004b), S.7

Logistik in der Filmwirtschaft
14
Films und der Höhe des investierten Kapitals.
59
Die Menge des pro Film investierten
Kapitals ist also ein entscheidender Faktor, um im internationalen Filmmarkt erfolgreich zu
sein. David Puttnam sagt hierzu: ,,We [die europäische Filmindustrie] invest less in
development, less in production, less in post-production and far less in marketing. Not
surprisingly, our films are a lot less successful than theirs [die US-amerikanische
Filmindustrie]."
60
2.4.4 Produktionsstruktur
Die amerikanische Filmwirtschaft ist durch eine äußerst hohe Konzentration auf dem
Produktionssektor gekennzeichnet. ,,There is no country with a higher polarity in its film
sector."
61
Sieben Filmstudios dominieren die amerikanische Filmwirtschaft. Sie sind in der
Motion Picture Association of America (MPAA) zusammengeschlossen und werden
auch als Majors bezeichnet. Die Einnahmen aus den Kinoerlösen alleine betrugen für die
amerikanischen Majors im Jahr 2004 US $ 15,7 Milliarden.
62
In Europa hingegen existiert
keine derartige Studiostruktur. ,,There is no equivalent in Europe of the ,studio' structure of
the American industry. Producers are not organized in any commercial structure which
could properly be called a studio."
63
Es existieren zwar große Filmstudios, dieser Begriff
bezieht sich in Europa jedoch auf die vorhandene physikalische Infrastruktur eines
Filmgeländes, er bezeichnet also einen Atelierbetrieb, wohingegen er in Amerika
vorrangig ein wirtschaftlich organisatorisches Gebilde beschreibt.
Die europäische Filmwirtschaft ist nicht in einer netzwerkartigen Studiostruktur nach
amerikanischem Vorbild organisiert, sondern sie ist hochgradig fragmentiert, soweit man
hierbei überhaupt von einer Industrie sprechen kann. David Puttnam äußert sich hierzu
folgendermaßen: Europe has never had a film industry, only a collection of isolated
producers.
64
Es existieren eine große Anzahl von Filmproduzenten, die je nur eine
äußerst geringe Zahl von Spielfilmen pro Jahr produzieren. So produzieren 80% der
europäischen Produktionsfirmen nicht mehr als einen Film pro Jahr.
65
Die europäischen
Filmschaffenden haben sich also nicht wie die amerikanischen Filmschaffenden zu
59
Vgl. Frank (1993), S.34 ff.
60
David Puttnam, englischer Filmproduzent, in Ilott (1996), S.1
61
Hancouck (1998), S.40
62
Europäische Audiovisuelle Informationsstelle (2005 a) S. 11
63
Eurostat (2003), S.33
64
David Puttnam, erfolgreicher englischer Filmproduzent, in Dale (1997), S. 225
65
Vgl. Eurostat (2002), S.33

Logistik in der Filmwirtschaft
15
großen (virtuellen) Netzwerken
66
zusammengeschlossen, sondern sie stellen eine Gruppe
von Einzelkämpfern dar. European Market cinema is not much an industry, as a
collection of individuals.
67
Das ist sicher eine Ursache für den geringen wirtschaftlichen
Erfolg europäischer Produktionen im In- und Ausland.
2.5 Politische und kulturelle Einflussfaktoren der europäischen
Filmwirtschaft
In den folgenden Abschnitten soll der Einfluss der wichtigsten wirtschaftlichen, kulturellen
und politischen Einflussfaktoren auf die europäische Filmwirtschaft untersucht werden.
Gleichzeitig wird dargestellt, inwieweit sich diese Bedingungen von den Bedingungen,
denen die äußerst erfolgreiche US-amerikanische Filmwirtschaft ausgesetzt ist,
unterscheiden.
2.5.1 Sprache
Europäische Kinogänger akzeptieren synchronisierte Filme weitgehend. Seit Jahrzehnten
haben sich die europäischen Konsumenten an Synchronfassungen von Spielfilmen
gewöhnt. In allen Ländern Europas werden synchronisierte Filme mit Erfolg gezeigt, die
einzige Ausnahme bildet England.
68
Damit steht England gemeinsam mit den anderen
Ländern des angloamerikanischen Raums. Im gesamten angloamerikanische Raum
werden Synchronfassungen ausländischer Spielfilme von den Konsumenten kaum
angenommen.
69
Wird ein Film in einer anderen Sprache als Englisch produziert, dann
bleibt ihm das Marktpotential der größten Filmmärkte der Welt gewöhnlich verschlossen.
70
Will man den angloamerikanischen Markt erreichen, muss die Sprache des Spielfilms von
vornherein Englisch sein. ,,The only way to dub is to produce in English."
71
Dies stellt
jedoch einen zum Teil erheblichen Mehraufwand dar, insbesondere da der Film für die
Vermarktung im eigenen Land in der Regel rücksynchronisiert werden muss.
Üblicherweise wird diese Vorgehensweise deshalb nur bei größeren Produktionen mit
66
Vgl. 4.4
67
Dale (1997), S. 258
68
Der Erfolg europäischer Filme aus anderen Ländern ist in England am geringsten. Vgl. Ilott (1996) S.16
69
Vgl. Houcken (1999), S. 105
70
Ausnahmen bilden besonders herausragende Filme. Sie können, obwohl sie nicht in Englisch produziert
wurden, internationalen Anklang finden, z.Bsp. ,,Das Boot" oder ,,Lola rennt"
71
John Dick, CEO of Polygram Filmed Entertainment, zitiert nach Houcken (1999), S. 122

Logistik in der Filmwirtschaft
16
einem hohen Exportpotential angewandt.
72
Im Nachhinein einen Spielfilme im
englischsprachigen Ausland zu verwerten, der in einer anderen Sprache als Englisch
erstellt wurde, ist somit äußerst schwierig. Englische und amerikanische Produktionen
haben den erhebliche Vorteil, nach der Fertigstellung eines Spielfilms entscheiden zu
können, ob ein Film in einer anderen Sprache veröffentlicht wird ohne hierdurch auf
Akzeptanzprobleme seitens der Konsumenten zu stoßen.
Synchronisierte Filme werden auf dem angloamerikanischen Markt vom Publikum meist
als spezielle Arthouse-Filme angesehen, auch wenn sie eigentlich für ein Mainstream
Publikum konzipiert wurden. Kurz- und mittelfristig ist nicht mit einer weiten Akzeptanz
synchronisierter Filme seitens der angloamerikanischen Konsumenten zu rechnen. Hierzu
müsste ein genereller Wandel der Konsumentengewohnheiten stattfinden. Dies ist jedoch
aufgrund der starken einheimischen Filmwirtschaft und der somit vorhandenen guten
Versorgung mit nicht synchronisierten englischsprachigen Filmen unrealistisch. Das
Sprachproblem stellt also einen nicht unerheblichen Wettbewerbsnachteil für die
europäische Filmwirtschaft dar.
2.5.2 Binnenmarkt
Die Größe des Binnenmarktes beeinflusst den wirtschaftlichen Erfolg von Spielfilmen im
In- und Ausland. Die Summe des pro Film investierten Kapitals hängt vom Potential des
Marktes ab. Das Marktpotential von Spielfilmen wird hauptsächlich durch die Größe des
Marktes bestimmt. Je kleiner ein Binnenmarkt, umso geringer sind die zu erwartenden
Einnahmen und umso niedriger wird das Produktionsbudget sein.
73
Die zu erwartenden
Einnahmen einer europäischen Produktion, die von einer ausschließlichen Verwertung
innerhalb eines Landes ausgeht, sind wesentlich niedriger als eine Produktion, die eine
pannationale Verwertung anstrebt. Spielfilme, die nur für die Vermarktung auf einem
vergleichsweise kleinen Binnenmarkt konzipiert sind, besitzen ein geringeres Budget, als
Filme, denen eine internationale Vermarktung angedacht ist. Da das Produktionsbudget
die Qualität und den Erfolg eines Spielfilms nachweislich beeinflusst, haben Filme, die mit
einem vergleichsweise niedrigen Budget produziert wurden, geringere
Wettbewerbschancen als Filme mit hohen Produktionsbudgets.
74
Spielfilme aus Ländern,
die einen großen Binnenmarkt besitzen, sind also tendenziell erfolgreicher als Spielfilme
72
Die weltweit erfolgreichen europäischen Filme ,,Der Name der Rose" und ,,Das fünfte Element" wurden auf
Englisch produziert.
73
Vgl. Houcken (1999), S.163 f.
74
Vgl. Kapitel 2.5.2.1 und Frank (1993), S.34 ff.

Logistik in der Filmwirtschaft
17
aus kleinen Ländern. Europäische Spielfilme, die es schaffen, ein größeres Publikum
außerhalb ihres Heimatlandes anzusprechen, stammen aus den Ländern Europas, die
einen großen einheimischen Binnenmarkt besitzen, der es vermag, Filme mit größeren
Budgets zu tragen. England und Frankreich sind die beiden Länder in Europa, die den
größten einheimischen Binnenmarkt besitzen. Analog dazu werden Filme aus diesen
beiden Ländern wesentlich häufiger exportiert als Filme aus allen anderen europäischen
Ländern.
75
So haben Filme aus Frankreich im Jahr 2004 von den europäischen
Produktionen mit 10 % den größten Anteil am europäischen Kinomarkt gehabt, gefolgt
von England mit 6 % und Deutschland mit 5 %.
76
2.5.3 Filmförderung
Die Filmförderung in der EU wird mit dem Ziel betrieben, die europäische Filmwirtschaft
zu stärken, damit sie gegen die Konkurrenz aus dem Ausland (womit meist die USA
gemeint ist) bestehen kann. Die deutsche Bundesregierung äußert sich hierzu wie folgt:
,,Die Filmförderung (...) zielt darauf, die Produktionsbedingungen für den deutschen Film
zu verbessern, ihn in seiner kreativ-künstlerischen Dimension zu stärken und seinen
Absatz im In- und Ausland und damit seinen wirtschaftlichen Erfolg zu steigern."
77
Vielfach
wird jedoch von Experten die Filmförderung als eine Ursache für die geringe
Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Filmwirtschaft angeführt.
78
Eine Analyse der
Länder, deren Spielfilme am erfolgreichsten sind, zeigt, dass dies tendenziell jene Länder
sind, welche die geringste oder keine Filmförderung betreiben. Die weltweit mit Abstand
erfolgreichste Filmwirtschaft befindet sich in den USA. In den USA existiert so etwas wie
staatliche Filmförderung jedoch praktisch nicht. ,,The United States has never, in its entire
history, subsidised filmmaking on a commercial level."
79
In der EU betrug die staatliche
Filmförderung hingegen etwa US $ 1,5 Milliarden im Jahr 2002.
80
In Europa ist England das erfolgreichste Land, was Produktion und Vermarktung von
Spielfilmen betrifft. England wiederum ist das Land mit der niedrigsten Filmförderung
75
England brachte 1991, 78% seiner Filme in Italien heraus, 66% in Spanien, 56% in Frankreich und 39% in
Deutschland. 29% der in Frankreich produzierten Spielfilme wurden in Italien aufgeführt und 25% in Spanien.
Vgl. Ilott (1996), S.17
76
Vgl. Europäische Audiovisuelle Informationsstelle (2004a), S. 5
77
Vgl. Die Bundesregierung (2004)
78
Vgl. Houcken (1999), S.195; Ilott (1996), S.33 ff., Puttnam (1997), S. 63
79
Peter Dekom, Spezialist für rechtliche und geschäftliche Fragen der amerikanischen Filmindustrie, in
Filmindependent (1999), S.2
80
Vgl. Europarat (2004), S. 19

Logistik in der Filmwirtschaft
18
innerhalb Europas. Die beiden Länder der westlichen Welt (England, USA) welche nur
sehr geringe bzw. praktisch keine Filmförderung betreiben, produzieren die weltweit
wirtschaftlich erfolgreichsten Spielfilme. Kinofilme aus Ländern mit geringen Förderquoten
sind also tendenziell erfolgreicher als Spielfilme aus Ländern mit hohen Förderquoten.
Der Grund hierfür liegt darin begründet, dass Produktionsfirmen, die langfristig überleben
wollen, erfolgreich sein müssen. Filmförderung nimmt den Produktionsfirmen, aufgrund
der vorher zugesicherten Geldsummen, einen Großteil des wirtschaftlichen Drucks. Dies
hat auf die Entwicklung der europäischen Filmwirtschaft offensichtlich keinen positiven
Einfluss. Das zeigt sich in der kontinuierlich schwindende Wettbewerbsfähigkeit der
europäischen Filmwirtschaft seit den 50 ziger Jahren. Seit dieser Zeit ist der Marktanteil
europäischer Filme im In-und Ausland kontinuierlich gesunken.
81
Der Erfolg von Spielfilmen ist nachweislich positiv mit der investierten Kapitalmenge
korreliert.
82
Für ein Filmprojekt ist es also generell besser, wenn ihm mehr Geld zur
Verfügung steht. Die Art und Weise, wie es zur Verfügung gestellt wird, und die
Bedingungen, die daran geknüpft sind, können jedoch wirtschaftliche Probleme kreieren.
Indem das Kinopublikum für einen Film Eintrittskarten kauft oder auch nicht, stimmt es
über einen Film ab und beeinflusst direkt den Kapitalrückfluss an das Studio. Dies stellt
sozusagen einen ,,demokratischen" Prozess dar. Fördergelder hingegen werden von
Gremien nach bestimmten Kriterien verteilt. ,,... subsidies put a phantom audience where
a real audience should be."
83
Aufgrund dieser Vorgehensweise können Filme längerfristig
am Markt vorbei produziert werden. Es kann sich ein Produktionsumfeld herausbilden,
das einem offenen Wettbewerb nicht mehr gewachsen ist. Kurzfristig kann die
Filmförderung in gewissen Fällen sicher eine unterstützende Rolle haben. Langfristig wird
eine nicht marktgerechte Filmförderung jedoch zu Wettbewerbsverzerrungen führen, da
Filme den Förderrichtlinien entsprechend produziert werden, anstatt sich am Markt zu
orientieren.
81
Vgl. Dale (1997), S.120 f.
82
Vgl. Frank (1993), S.34 ff.
83
Ilott (1996), S.33

Logistik in der Filmwirtschaft
19
3 Filmtechnologie
Dieser Abschnitt soll einen generellen Einblick in die technischen Grundlagen eines
Spielfilms und die zum Einsatz kommende Aufnahme- und Wiedergabetechnik liefern. Es
wird die Funktionsweise der im Kinobereich eingesetzten analogen und digitalen Kamera-
und Projektionstechnologie erläutert und die wesentlichen Unterschiede werden
aufgezeigt. Dadurch soll ein besseres Verständnis des im Kapitel 5 entwickelten
Prozesskettenmodells und den durch die Verwendung digitaler Filmtechnik
hervorgerufenen Prozessveränderungen ermöglicht werden. Da sich diese Arbeit
hauptsächlich auf den High-End-Bereich des digitalen Kinos bezieht, erfolgt im weiteren
eine Abgrenzung der für unterschiedliche Bereiche und Philosophien des digitalen Kinos
stehenden Begriffe D-Cinema und E-Cinema voneinander.
3.1 Grundlagen
Technisch betrachtet besteht ein Spielfilm aus einer Anzahl von Einzelbildern. Werden
diese Einzelbilder nacheinander mit einer gewissen Geschwindigkeit wiedergegeben,
entsteht der Eindruck des bewegten Bildes, da das menschliche Auge aus der schnellen
Abfolge von Einzelbildern mit dazwischen liegenden Dunkelphasen eine kontinuierliche
Bewegung nachbildet.
84
Dieser so genannte Stroboskop-Effekt war bereits in der Antike
bekannt, erst mit der Einführung des Kinos hat er jedoch eine weitflächige Nutzung
erfahren. Die Handlung eines üblichen Spielfilms entsteht jedoch erst durch die
entsprechende Montage einzelner Bildgruppen (Einstellungen/ Szenen). Die Filmszenen
werden so gruppiert, dass deren zeitliche Abfolge für den Betrachter die Handlung
ergibt.
85
Abbildung 5: Logische Aufgliederung eines Spielfilms
86
Jede Szene setzt sich aus mindestens einer, meist jedoch mehreren Einstellungen
zusammen. Eine Einstellung ist die kleinste Einheit eines Films und besteht aus einer
84
Minimale Bildgeschwindigketit sind 16 Bilder/ Sekunde. Vgl. Boles (1998)
85
Vgl. Eisenstein, Sergej in Albersmeier (1984), S. 278 ff.
86
Quelle : Verfasser
=
=
=
)
(
1
1
i
e
j
s
i
j
i
g
Einstellun
Szene
Spielfilm

Logistik in der Filmwirtschaft
20
ohne Unterbrechung aufgenommene Gruppe von Einzelbildern und stellt damit die
kleinste logische Einheit (vom Einzelbild abgesehen) eines Films dar. Ihre Dauer kann
von wenigen Sekunden/ Sekundenbruchteilen bis zu einigen Minuten reichen. Ein
herkömmlicher Spielfilm besteht je nach Art und Umsetzung aus ungefähr 90 ­ 150
Szenen, die sich aus etwa 300 bis 1000 verschiedenen Einstellungen zusammensetzen.
87
Der Aufnahmeprozess macht in der Regel die mehrfache Aufnahme einer Szene
notwendig, diese Aufnahmen werden auch als Takes bezeichnet.
3.2 Aufnahmetechnologie
Die heute verwendete analoge Aufnahmetechnologie wurde bereits vor der Wende zum
20. Jahrhundert erfunden. Thomas Edison hat das 35mm-Filmformat, in dem heute die
meisten der weltweit produzierten Kinofilme aufgenommen werden, bereits 1891
eingesetzt. Seither gab es zwei grundlegende technische Innovationen: die Einführung
des Tonfilms
88
, der ab 1926 kommerziell verwendet wurde und die Erfindung des
Farbfilms. Dieser wurde mit der Einführung des Technicolor-Verfahrens 1933 für
Spielfilme verwendet.
89
Trotz vieler technischer Verbesserungen hat sich das
Grundprinzip der analogen Filmaufnahme seitdem jedoch nicht geändert.
3.2.1 Analoge
Kameras
Das von der aufzunehmenden Szenerie reflektierte Licht wird mittels eines Objektivs
gebündelt und auf den Kameraverschluss gelenkt. Direkt hinter dem Verschluss befindet
sich das Filmmaterial. Der Verschluss öffnet sich für einen Sekundenbruchteil und ein Bild
des Films wird belichtet, daraufhin schließt er sich wieder. In der Zeit zwischen Schließen
und Öffnen wird das Filmmaterial bis zum nächsten Bild weitertransportiert. Beim
darauffolgenden Öffnen befindet sich ein neuer unbelichteter Abschnitt des Films hinter
der Blende, bereit für die Aufnahme des nächsten Bildes. Bei der für Filmkameras
üblichen Aufnahmegeschwindigkeit von 24 Bildern pro Sekunde wird ein Bild für etwa
1/50 einer Sekunde belichtet.
90
Dort, wo das Licht auf den Film fällt, wird eine chemische
Reaktion der Silberhalogenidkristalle und Farbkuppler, die sich in der Filmemulsion
befinden, angeregt. Diese ist von der Farbe und Intensität des Lichts abhängig. Der
87
Vgl. Gates (1995), S. 47
88
Vgl. Encarta (2004d)
89
Vgl. Encarta (2004c)
90
Diese Aufnahmegeschwindigkeit resultiert aus der Erfindung des Tonfilms. Es ist die niedrigste mögliche
Geschwindigkeit mit der Tonfilm wiedergegeben werden konnte, zuvor lag die Bildrate etwas niedriger. Vgl.
Kindem/ Gorham/ Musburger (2001), S.30

Logistik in der Filmwirtschaft
21
Prozess der Entwicklung überführt dann die lichtempfindlichen Chemikalien in stabile,
lichtunempfindliche Verbindungen. Die unbelichteten Kristallstrukturen werden
ausgewaschen und das Bild wird für das menschliche Auge sichtbar. Das analoge
Filmmaterial fungiert also als Aufnahmesensor und Speichermedium gleichzeitig.
3.2.2 Digitale
Kameras
Die Aufzeichnung von digitalen Bilddaten ähnelt dem Prinzip der analogen Aufzeichnung
auf Filmmaterial dahingehend, dass Licht durch ein Objektiv gebündelt wird, um mit einem
geeigneten Medium ein Bildmoment festzuhalten. Im Weiteren unterscheiden sich beide
Technologien jedoch grundlegend. Die Ausführungsarten einer digitalen Filmkamera sind
aufgrund der unterschiedlichen Möglichkeiten, die durch die Digitaltechnik zur Verfügung
gestellt werden, vielfältig. In den folgenden Abschnitten wird deshalb die digitale
Aufzeichnung exemplarisch anhand einer gängigen Kameratechnologie erläutert. Im
Weiteren wird speziell das ,,24p-HD" Aufnahmeformat, welches im digitalen High-End
Kinobereich große Bedeutung erlangt hat, beschrieben.
3.2.2.1 Funktionsweise
Nachdem das Licht durch das Objektiv der digitalen Filmkamera getreten ist, wird es mit
Hilfe eines Prismas in drei gleiche Anteile zerlegt. Jedes dieser drei Lichtbündel wird
daraufhin durch einen unterschiedlichen Farbfilter geleitet und jeweils auf einen von drei
lichtempfindlichen CCD-Chips gelenkt. Ein CCD-Chip besteht aus einer Vielzahl einzelner
lichtempfindlicher Elemente, welche die Lichtquanten in äquivalente elektrische Signale
umwandeln und je nach Intensität des Lichts,ein unterschiedlich starkes elektrisches
Signal produzieren. Vor jeden Chip ist ein Farbfilter vorgeschaltet, da ein CCD-Chip nur
die Lichtintensität, nicht die jedoch die Frequenz des Lichts erkennen kann. Die CCD-
Chips stellen also das Aufnahmemedium dar, wobei jeder Chip für die Aufzeichnung einer
Farbkomponente zuständig ist. Das so erzeugte elektrische Signal wird digitalisiert und
auf einem geeigneten Medium gespeichert.
91
Das Speichermedium kann jedwedes
digitale Speichersystem (z.B. Festplatte, Magnetband, Speicherchip) sein, das von der
Kapazität und Datenrate für die Aufzeichnung großer Datenmengen geeignet ist. Damit
stehen die Bilddaten unmittelbar nach der Aufnahme zur Betrachtung und weiteren
Verarbeitung zur Verfügung.
91
Vgl.Billups (2000), S. 42 ff.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783832495961
ISBN (Paperback)
9783838695969
DOI
10.3239/9783832495961
Dateigröße
1.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Berlin – Wirtschaftsingenieurswesen
Erscheinungsdatum
2006 (Mai)
Note
1,3
Schlagworte
d-cinema aufnahme filmproduktion spielfilm
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