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Screening und Identifizierung allelopathischer Substanzen aus Nährlösungen der Cyanobakterie Nodularia spumigena

©2006 Diplomarbeit 144 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Von Cyanobakterien ist aus pharmakologischen Studien bekannt, dass sie Sekundärmetabolite mit algizider, fungizider sowie antibakterieller Wirkung bilden können. Mittlerweile sind über 330 Sekundärmetabolite aus unterschiedlichen Taxa isoliert worden, allerdings nur wenige mit bekannter ökologischer Funktion. Am Beispiel des gut untersuchten cyano-bakteriellen Toxins Microcystin aus Microcystis aeruginosa ist erkennbar, dass pharma-kologische Fragestellungen oft bevorzugt betrachtet werden. So ist der Mechanismus der Toxinwirkung auf höhere, warmblütige Vertebraten bis auf Zellebene aufgeklärt. Dagegen ist der ökologische Nutzen der Microcystine für die Cyanobakterien bis jetzt unbekannt.
Evolutionsbiologisch lässt sich die Toxizität gegen höhere Vertebraten nicht mit einem adaptiven Wert der Toxinbildung für M. aeruginosa erklären. Ein möglicher Grund für die bisherige Vernachlässigung ökologischer Untersuchungen ist, dass die zu untersuchenden Substanzen in der Regel nur in sehr geringen Mengen vorkommen. Dies stellt experimentell hohe Anforderungen an die Nachweisanalytik und gleichzeitig bedarf es einer hohen Biomasse des produzierenden Cyanobakteriums bei der gezielten Untersuchung der bioaktiven Komponente. Die meist komplexen Interaktionen im Freiland erschweren gleichzeitig die exakte Zuordnung der produktiven Spezies zu der detektierten biogenen Substanz.
Wertvolle Hinweise auf einen möglichen ökologischen Nutzen der Cyanobakterienmetabolite für ihre Produzenten ergaben sich aus der Untersuchung benthischer Cyanobakterien in photoautotrophen Biofilmen. Neben der Konkurrenz um abiotische Faktoren, wie z.B. Licht, spielt der Schutz vor Herbivorie eine wichtige Rolle. Für beides stellen biochemische Interaktionen eine geeignete Strategie für Cyanobakterien dar, um ihre Kon-kurrenzstärke zu erhöhen. Hierbei ermöglicht es der enge Kontakt zwischen benthischen Primärproduzenten wie Cyanobakterien und Algen in Biofilmen, dass biochemische Wechselwirkungen zwischen konkurrierenden Arten effizient sein können. Nach der Definition von MOLISCH (1937) werden solche Interaktionen als Allelopathie bezeichnet, eine biochemische Wechselwirkung sowohl intra- als auch inter-spezifischer Natur. Allelopathisch aktive Substanzen aus Cyanobakterien wirken bereits in geringen Konzentrationen gegen andere Cyanobakterienarten und Chlorophyceen, wobei das Angriffsziel häufig das Photosystem II ist.
Allelopathisch aktive Substanzen sind […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 9577
Scholz, Bettina: Screening und Identifizierung allelopathischer Substanzen aus
Nährlösungen der Cyanobakterie Nodularia spumigena
Druck Diplomica GmbH, Hamburg, 2006
Zugl.: Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelmshaven, Standort Wilhelmshafen,
Diplomarbeit, 2006
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany


Inhaltsverzeichnis
_________________________________________________________________________________
I
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ... I
Danksagung...
IV
Abkürzungsverzeichnis... V
Zusammenfassung ... VI
1.
Einleitung ...
1
2. Stand des Wissens ... 3
2.1. Morphologie und Systematik der Cyanobakterien ­ mit besonderer
Berücksichtigung von Nodularia spumigena... 3
2.2. Cyanobakterielle Sekundärmetabolite aus Nährlösungen... 10
2.2.1. Exopolysaccaride ... 10
2.2.2. Fett- und Aminosäuren... 12
2.2.3. Cyanobakterielle Toxine... 13
3.
Problemstellung ...
16
4. Material und Methoden ... 17
4.1.
Nodularia spumigena... 17
4.1.1. Stammhaltung und Vorkultivierung von N. spumigena ... 18
4.1.2. Up scale und Versuchsbedingungen ... 19
4.1.3. Beprobung der 6 L-Batchkulturen ... 19
4.1.4. Auswertung der Zellzählungen (nach UTHERMÖHL 1958)... 20
4.1.5. Ernte der Nährlösungen von N. spumigena... 21
4.1.6. Aufarbeitung der Nährlösungen ... 22
4.1.6.1. Extraktion mit Methanol (nach FRANZ & KOEHLER, 1992) ... 22
4.1.6.2. Extraktion mit Ethanol (nach HOUGHTON & TRAMAN, 1988) ... 22
4.1.6.3. Extraktion mit Dichlormethan und Methanol (nach
WÖSTMANN, 2000)... 24
4.1.6.4. Abtrennung der Fettsäuren (nach WÖSTMANN, 2000)... 25
4.2. Chemisches Screening (nach LELLAU & LIEBEZEIT, 2003)... 27

Inhaltsverzeichnis
_________________________________________________________________________________
II
4.2.1. Alkaloide ... 27
4.2.2. Flavonoide ... 29
4.2.3. Saponine... 30
4.2.4. Tannine und andere phenolische Komponenten ... 30
4.3. Testsysteme auf biologische Wirksamkeiten (nach LELLAU 2000)... 32
4.3.1. Algizide Aktivität... 32
4.3.2. Antibakterielle Aktivität ... 33
4.3.3. Fungizide Aktivität ... 34
4.3.4. Cytotoxische Aktivität ... 35
4.3.4.1. Der Leuchtbakterien Test ... 35
4.3.4.2. Cytotoxizitätstest mit Artemia salina LEACH ... 36
4.4. Screening der Nährlösungen von N. spumigena mittels instrumenteller
Analytikmethoden ... 38
4.4.1. Analytische Dünnschichtchromatographie (nach FRANZ & KOEHLER
1992)... 38
4.4.2. HPLC ... 40
4.4.3. Gaschromatographie (GC/FID) ... 40
4.4.4. Gaschromatographie gekoppelt mit Massenspektrometrie (GC/MS) ... 41
5. Ergebnisse und Diskussion ... 42
5.1. Wachstumskurven: Ergebnisse und Diskussion... 42
5.2. Ergebnisse und Diskussion des chemischen Screenings ... 43
5.2.1. Alkaloide ... 43
5.2.2. Flavonoide und Saponine... 44
5.2.3. Tannine und andere phenolische Komponenten... 45
5.2.4. Zusammenfassung und Diskussion ... 46
5.3. Ergebnisse und Diskussion der Tests auf biologische Wirksamkeiten ... 47
5.3.1. Algizide Aktivität... 47
5.3.2. Antibakterielle Aktivität ... 48
5.3.3. Fungizide Aktivität ... 49
5.3.4. Cytotoxische Aktivität ... 50
5.3.4.1. Der Leuchtbakterien Test ... 50
5.3.4.2. Cytotoxizitätstest mit Artemia salina LEACH ... 51
5.3.5. Zusammenfassung und Diskussion ... 53
5.4. Ergebnisse und Diskussion des Screenings der Nährlösungen von N.
spumigena mittels Instrumenteller Analytikmethoden ... 55

Inhaltsverzeichnis
_________________________________________________________________________________
III
5.4.1. Analytische Dünnschichtchromatographie... 55
5.4.2. HPLC ... 59
5.4.3. Gaschromatographie (GC/FID) ... 60
5.4.4. Gaschromatographie gekoppelt mit Massenspektrometrie (GC/MS) ... 60
5.4.5. Diskussion des Screenings mittels Instrumenteller Analytikmethoden ... 71
6.
Schlussbetrachtung ...
76
6.1. Das Screening nach allelopathischen Substanzen in Nährlösungen der
Cyanobakterie N. spumigena ­ Methoden und Ergebnisse ... 76
6.2. Bioaktive sekundäre Naturstoffe ... 83
6.3. Allelochemikalien aus Nährlösungen von N. spumigena... 87
6.4. Flavonoide und Alkaloide aus Nährlösungen von N. spumigena ... 90
6.5. Effekte der identifizierten allelopathischen Substanzen sowie deren
ökologische Relevanz... 93
7.
Ausblick...
96
8.
Literaturverzeichnis...
97
9. Anhang... 116

Danksagung
_________________________________________________________________________________
IV
Danksagung
Herrn Prof. Dr. Gerd Liebezeit danke ich sehr herzlich für die interessante Themenstellung,
für die Möglichkeit diese Arbeit am Forschungszentrum T
ERRAMARE
anfertigen zu dürfen,
stete Diskussionsbereitschaft und die engagierte Betreuung dieser Arbeit.
Weiterhin gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Eike Siefert für das Interesse an dieser Arbeit sowie
die freundliche Übernahme des Koreferates.
Frau Susanne Busch vom Leibnitz-Institut für Ostseeforschung in Warnemünde möchte ich
für die Bereitstellung der Stammkultur von Nodularia spumigena danken.
Ein ganz besonderer Dank geht an Herrn Dr. Ralf Wöstman für die gute Zusammenarbeit
und die ergänzende Hilfestellung bei so manchen GC/MS-Problemen.
Bei Frau Ursula Pijanowska möchte ich mich sehr herzlich für die Aufnahme des HPLC-
Spektrums bedanken, sowie ihre freundliche und kompetente Unterstützung.
Besonders Danken möchte ich an dieser Stelle auch Frau Diplom-Biologin Elke Ahrensfeld
für die interessanten Gespräche und die Unterstützung jeglicher Art, wann immer eine
kleinere Katastrophe anstand.
Schließlich sei allen jetzigen und ehemaligen Mitarbeitern des Forschungszentrum
T
ERRAMARE
sowie der Meeresstation des ICBM der Universität Oldenburg herzlich für ihre
stete Hilfsbereitschaft und der allgemeinen guten Arbeitsatmosphäre gedankt.

Abkürzungsverzeichnis
_________________________________________________________________________________
V
Abkürzungsverzeichnis
CO
2
Kohlendioxid
DC
Dünnschichtchromatographie
DCM
Dichlormethan
DNA Desoxiribonukleinsäure
EDTA Ethylendiamintetraessigsäure
Fd Ferredoxin
ER Endoplasmatisches
Retikulum
EtOH Ethanol
GC Gaschromatograph
HPLC Hochleistungsflüssigkeitschromatographie
IR Infrarot-Absorptionsspektroskopie
N.
Nodularia
N
2
Elementarer Stichstoff
NMR Kernresonanzspektroskopie
MeOH Methanol
MS Massenspektrometrie
PAR
Photosynthetic Actice Radiation
STEMI
Stereomikroskop SV 11
UV /VIS
Ultraviolett /sichtbares Licht

Zusammenfassung
_________________________________________________________________________________
VI
Zusammenfassung
Die Resultate des am Forschungszentrum T
ERRAMARE
durchgeführten Screenings der Nährlö-
sungen von
Nodularia spumigena
wiesen ein interessantes Potential allelopahischer Aktivitäten
auf. Die Cyanobakterie wurde hierbei unter variierten abiotischen Parameter kultiviert, um eine
Produktion der bioaktiven Substanzen zu induzieren.
Die detektierten Aktivitäten konnten sowohl in den Nährlösungsextrakten der Standardkultur als
auch in den Nährlösungsextrakten der unterschiedlichen Versuchsansätze festgestellt werden
und verursachten teilweise signifikante Wachstumsinhibitionen bei den getesteten Bioassay-
organismen, wobei eine ausgeprägte Wirkungsselektivität der Extrakte beobachtet wurde. So
konnten vereinzelt teilweise bezeichnende Letalitäten in den Cytotoxizitätstests mit
Artemia
salina
festgestellt werden, während gegenüber der getesteten Mikroalge
Chlorella vulgaris
, den
Fungi sowie den heterotrophen und autotrophen Bakterien keinerlei Aktivität verzeichnet werden
konnte.
Im Laufe der Untersuchung kamen neben dem chemischen und biologischen Screening vor
allem chromatographische sowie spektroskopische Methoden wie DC, HPLC, GC/FID und
GC/MS zur Anwendung. Letztere Methode führte zu einer Identifizierung isoprenoider Natur-
stoffe wie Steroide und Terpenoide sowie -, - und -Tocopherol als phenolische Kompo-
nenten. Neben einer großen Anzahl von Lipiden wie Palmitin-, Linol- und Arachnidonsäure,
konnten Benzo-2-pyron als Flavonoid- sowie L-(-)-Pipecolinsäure als Alkaloidkomponente
identifiziert werden. Letztere wurden lediglich in dem Extrakt DCM-NI detektiert. Aufgrund der
Verwendung unterschiedlicher Extraktionsmethoden sowie der Aufreinigung der DCM-Extrakte
durch eine Säulenchromatographie gingen vermutlich einzelne der im chemischen Screening
nachgewiesenen Komponenten wie Tannine und Saponine verloren. Weiterhin lassen die
während der analytischen Dünnschichtchromatographie determinierten Einzelsubstanzen auf
die Anwesenheit weiterer Alkaloide und Flavonoide schließen, die hier allerdings nicht einer
Identifikation zugeführt werden konnten. Diese Beobachtungen führten zu der Schlussfolgerung,
dass die im Rahmen dieser Untersuchung verwendeten Analytikmethoden weiterer Modifika-
tionen bedürfen.
Die im Laufe des biologischen Screenings festgestellten allelopathischen Aktivitäten, konnten
durch Literaturrecherche größtenteils den durch die Cyanphyceae
Nodularia spumigena
in die
Nährlösung abgegeben Fettsäuren zugeordnet werden. Mangels geeigneter Literaturreferenzen
konnte dagegen dem hier identifizierten Flavonoid sowie Alkaloid keine der beobachteten
biologischen Aktivitäten zugeordnet werden, wobei additive Effekte mit den beobachteten Lipid-
komponenten nicht ausgeschlossen werden können.

Einleitung
_________________________________________________________________________________
1
1 Einleitung
Von Cyanobakterien ist aus pharmakologischen Studien bekannt, dass sie Sekundärmetabolite
mit algizider, fungizider sowie antibakterieller Wirkung bilden können. Mittlerweile sind über 330
Sekundärmetabolite aus unterschiedlichen Taxa isoliert worden, allerdings nur wenige mit
bekannter ökologischer Funktion (JÜTTNER 1999). Am Beispiel des gut untersuchten cyano-
bakteriellen Toxins Microcystin aus Microcystis aeruginosa ist erkennbar, dass pharma-
kologische Fragestellungen oft bevorzugt betrachtet werden. So ist der Mechanismus der
Toxinwirkung auf höhere, warmblütige Vertebraten bis auf Zellebene aufgeklärt. Dagegen ist der
ökologische Nutzen der Microcystine für die Cyanobakterien bis jetzt unbekannt (KAEBERNICK
& NEILAN 2001).
Evolutionsbiologisch lässt sich die Toxizität gegen höhere Vertebraten nicht mit einem adaptiven
Wert der Toxinbildung für M. aeruginosa erklären. Ein möglicher Grund für die bisherige
Vernachlässigung ökologischer Untersuchungen ist, dass die zu untersuchenden Substanzen in
der Regel nur in sehr geringen Mengen vorkommen (GROSS et al. 1991). Dies stellt
experimentell hohe Anforderungen an die Nachweisanalytik und gleichzeitig bedarf es einer
hohen Biomasse des produzierenden Cyanobakteriums bei der gezielten Untersuchung der
bioaktiven Komponente. Die meist komplexen Interaktionen im Freiland erschweren gleichzeitig
die exakte Zuordnung der produktiven Spezies zu der detektierten biogenen Substanz
(JÜTTNER & WU 2000).
Wertvolle Hinweise auf einen möglichen ökologischen Nutzen der Cyanobakterienmetabolite für
ihre Produzenten ergaben sich aus der Untersuchung benthischer Cyanobakterien in
photoautotrophen Biofilmen. Neben der Konkurrenz um abiotische Faktoren, wie z.B. Licht,
spielt der Schutz vor Herbivorie eine wichtige Rolle (JÜTTNER 1999). Für beides stellen
biochemische Interaktionen eine geeignete Strategie für Cyanobakterien dar, um ihre Kon-
kurrenzstärke zu erhöhen (GROSS 1990, 1999, JÜTTNER 1999). Hierbei ermöglicht es der
enge Kontakt zwischen benthischen Primärproduzenten wie Cyanobakterien und Algen in
Biofilmen, dass biochemische Wechselwirkungen zwischen konkurrierenden Arten effizient sein
können (GROSS 1999). Nach der Definition von MOLISCH (1937) werden solche Interaktionen
als Allelopathie bezeichnet, eine biochemische Wechselwirkung sowohl intra- als auch inter-
spezifischer Natur. Allelopathisch aktive Substanzen aus Cyanobakterien wirken bereits in
geringen Konzentrationen gegen andere Cyanobakterienarten und Chlorophyceen, wobei das
Angriffsziel häufig das Photosystem II ist (SRIVASTAVA et al. 1998, 1999, JÜTTNER 1999,
SMITH & DOAN 1999).

Einleitung
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2
Allelopathisch aktive Substanzen sind Sekundärmetabolite, die von den Zellen nicht für ihren
Grundstoffwechsel benötigt werden. Daher wird vermutet, dass ihre Produktion durch Umwelt-
faktoren gesteuert wird. Abiotische Faktoren wie Stresssituationen durch Nährstoffmangel oder
Lichtlimitation können eine gesteigerte Produktion bewirken (BOYER et al. 1987). Um die
Auswirkungen von Nährstoffmangel zu untersuchen, wurden in Laborexperimenten vor allem die
Makronährstoffe Phosphor und Stickstoff limitiert. Während Phosphatmangel in vielen Fällen zu
einer gesteigerten Produktion an Sekundärmetaboliten in Cyanobakterien und Dinoflagellaten
führte (BOYER et al. 1987, VON ELERT & JÜTTNER 1996, GROSS 1999, SCHWARTZ et al.
1990), variierten die Auswirkungen von Stickstoffmangel.
Mikroalgen und Cyanobakterien sind offensichtlich in der Lage, unterschiedliche Metaboliten in
ihr Kulturmedium abzugeben. So konnten bereits biogene Amine (HERRMANN & JÜTTNER
1977), Aminosäuren (POULET & MARTIN-JÉZÉQUEL 1983), Exopolysaccharide (FISCHER
1996, SCHULZE 2000, VENZKE 2005) und cytotoxische (FISH & CODD 1994a, 1994b) sowie
algizide (GROMOV et al. 1991, VOLKMANN 1999) Verbindungen in den Nährlösungen isoliert
werden. Dennoch ist bisher nur wenig über solche extrazellulären Metaboliten in den
Kulturüberständen bekannt.
Bei der Untersuchung des Nährlösungsfiltrats einiger Cyanobakterienspezies hinsichtlich ihrer
wachstumshemmenden Wirkung gegenüber anderen in einer Planktonpopulation vorkommen-
den Mikroalgen erwies sich Nodularia spumigena als effektiver Produzent allolopathisch
wirkender Verbindungen. Die detektierbare Aktivität dieser Substanzen war hierbei auf die
exponentielle Wachstumsphase beschränkt. Eine maximale Konzentration des Hepatotoxins
Nodularin konnte allerdings erst in der stationären Phase der Kultur beobachtet werden. Diese
Beobachtung lässt die Schlussfolgerung zu, dass eventuell auch andere Verbindungen mit
allelopathischem Effekt als das Toxin Nodularin von dieser Spezies synthetisiert werden könnten
(SUIKKANEN et al. 2004). Auf dieser Vermutung basierend sollten nun im Rahmen dieser
Diplomarbeit Verbindungen, die durch ein chemisches Vorscreening, nachgewiesen werden
konnten, aus den Nährlösungen von Nodularia spumigena extrahiert, die biologische Wirk-
samkeit getestet und - wenn möglich - die Strukturen dieser biogenen Substanzen aufgeklärt
werden. Einen einleitenden Überblick in die Vielfalt bisher detektierter und isolierter extra-
zellulärer Verbindungen aus Cyanobakterien und speziell aus Kulturen von Nodularia
spumigena soll in dem folgenden Kapitel vermittelt werden. Zuvor soll in einem Exkurs in die
Morphologie und Systematik der im Mittelpunkt dieser Untersuchung stehende Organismus
vorgestellt werden.

Stand des Wissens
_________________________________________________________________________
3
2 Stand des Wissens
2.1. Morphologie und Systematik der Cyanobakterien - unter besonderer Berücksich-
tigung von
Nodularia spumigena
Wie in Abbildung 2.1. erkennbar, zeigen Cyanobakterien eine typische prokaryotische Zell-
organisation. Das Cytoplasma ist nicht in Kompartimente eingeteilt, das heißt, es existieren
keine klar abgegrenzten Organellen, sondern alle funktionellen Bestandteile der Zelle sind über
das Cytoplasma verteilt. Trotzdem lässt sich das Cytoplasma grob in zwei Regionen einteilen,
eine periphere und eine zentrale. Die zentrale Region, auch Nucleoplasma genannt, weist eine
leicht granulierte Struktur durch die Anwesenheit von Ribosomen auf. Weiterhin enthält sie die
stark verdrillten ringförmigen Chromosomen. In der peripheren Region befindet sich das
Photosynthesemembransystem, welches durch Invaginationen der Plasmamembran ausgebildet
wird. Diese Region wird auch als Chromatoplasma bezeichnet. Das Cytoplasma von
Cyanobakterien enthält eine Reihe verschiedener Einschlüsse, welche meistens der Bevor-
ratung mit Nährstoffen dienen, um unter extremen Umweltbedingungen zu überleben (TAND-
EAU DE MARSAC & HOUTNARD 1993).
Abbildung 2.1. Querschnitt durch eine typische Zelle eines Cyanobakteriums (VAN DEN HOEK et al.
1993).

Stand des Wissens
_________________________________________________________________________
4
Als Kohlenstoff und Energiereserve dienen Glycogengranula. Der Reservestoff wird Cyano-
phyceanstärke genannt und ist ein dem tierischen Glykogen ähnliches Glucan. Lipide werden in
Lipidtröpfchen nahe der äußeren Membran gespeichert, sie dienen hauptsächlich der
Membransynthese. Cyanophycingranula sind essentiell für den Stickstoffumsatz und bestehen
aus einem einzigartigen Polypeptid, welches nur aus zwei Aminosäuren aufgebaut ist; Arginin
und Asparaginsäure. Die Speicherung des Phosphatvorrates erfolgt in sogenannten Volutin-
körpern, während die Enzyme der Photosynthese in Carboxysomen gelagert werden.
Das Cytoplasma ist von einer Membran, dem Plasmalemma begrenzt. Außerhalb des
Plasmalemmas schließt sich eine Gram-negative Zellwand an, die noch von einer schleimigen
Kapsel umgeben sein kann. Cyanobakterien umfassen Mikroorganismen, die morphologisch
grob in zwei Gruppen eingeteilt werden können: die einzelligen coccoidalen sowie die mehr-
zelligen filamentösen Formen. Coccoidale Formen, wie z.B.
Microcystis aeruginosa
, bestehen
aus einfachen Einzelzellen, deren Form oval, kugelig oder zylindrisch sein kann. Sie liegen
entweder als freie Zellen oder als Zellaggregate in einer schleimigen Matrix vor (Kolonien).
Coccoidale Einzelzellen können einen Durchmesser von 0,4 bis über 40 µm aufweisen. Die
Reproduktion der Cyanobakterien erfolgt generell durch Teilung (VAN DEN HOEK et al. 1993).
Bei filamentösen Formen, wie
N. spumigena
, kann der Durchmesser bis zu 100 µm betragen, in
der diametralen Ebene jedoch weisen diese nur einen sehr geringen Durchmesser auf. Sie
stellen somit kleine Scheiben dar, die sich zu einem langen Faden aneinander reihen
(DEMOULIN & JANSSEN 1989). Spezies, die echte Verzweigungen ausbilden, bilden auch
Hormogonien. Diese Strukturen wurden von DESIKACHARY (1959) als kurze, bewegliche
Ketten gleichgeformter Einzelzellen definiert, wobei nicht alle Hormogenien in dieses Schema
passen. Hormogonien spielen eine entscheidende Rolle bei vielen wichtigen physiologischen
Prozessen in Cyanobakterien (TANDEAU DE MARSAC 1994). Im Wesentlichen handelt es sich
hierbei um modifizierte Filamente, die der Reproduktion und Verbreitung dienen (vgl. Abbildung
2.4.). In Organismen mit Heterocyten sind diese morphologisch einfacher gebaut als andere
Filamente, besitzen aber große Vorräte an Stickstoff, Phosphor sowie weitere Nährstoffe
(RIPPKA et al. 1979, RIPPKA & HERDMANN 1992). Das Photosynthesesystem der Cyano-
bakterien liegt typischerweise in der peripheren Region des Cytoplasmas. In einzelligen Formen
besteht es meistens aus ein paar Membranschichten, die konzentrisch um die zentrale Region
angeordnet sind. In filamentösen Formen sind die Membranen komplizierter angeordnet. Das
Membransystem wird als Thylakoid bezeichnet. In die Lipiddoppelschicht der Thylakoidmembran
sind die lipophilen Photosynthesepigmente, wie Chlorophyll a und verschiedene Carotenoide
eingebaut (HALL & RAO 1999). Chlorophyll a ist das einzige Chlorophyll, das Cyanobakterien
synthetisieren. -Caroten ist anscheinend in allen Cyanobakterienspezies anzutreffen, wohin-

Stand des Wissens
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5
gegen das Vorkommen von verschiedenen Xanthophyllen, wie Zeaxanthin, Oscillaxanthin oder
Myxoxanthophyll von Art zu Art unterschiedlich ist. Eine weitere wichtige Rolle im Photo-
synthesesystem der Cyanobakterien spielen die Phycobilisomen (vgl. Abbildung 2.2.). Sie
bestehen aus wasserlöslichen Proteinen, Biliproteinen c-Phycocyanin und c-Allophycocyanin,
sowie c-Phycoerythrin (KOHL & NICKLISCH 1988).
Abb. 2.2. a) Struktur eines Thylakoiden. b) Aufbau eines Phycobillisoms (VAN DEN HOEK et al. 1993).
In Abbildung 2.3. sind Akineten der Cyanobakterie
Nodularia spumigena
aus einer Plankton-
probe dargestellt. Akineten stellen größere und robustere Zellen als die vegetativen Formen dar.
Diese werden unter ungünstigen Umweltbedingungen gebildet, wobei es von Spezies zu
Spezies verschieden ist, welche Faktoren für die Ausbildung Akineten verantwortlich sind
(WHITTON 1992). Ihre Aufgabe ist es, die Art während Austrocknungs- oder Nährstoff-
mangelphasen zu erhalten, um später wieder vegetative Formen bilden zu können (Abbildung
2.4.). Sie sind größtenteils auf Spezies mit Heterocyten beschränkt (CARR 1979, WHITTON &
CARR 1982).
Cyanobakterien können Stickstoff in Form von Nitrat, Nitrit, Ammonium, Hydroxylamin.
Harnstoff, Kasein, Aminosäuren und als elementaren Stickstoff assimilieren. Es ist von der
jeweiligen Spezies sowie von den physiologischen Gegebenheiten abhängig, welche Stickstoff-
quellen effizient genutzt werden können; alle Cyanobakterienarten können jedoch mit Nitrat als

Stand des Wissens
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6
Stickstoffquelle wachsen (HOLM-HANSEN 1968). Von großer biologischer Bedeutung ist der
Umstand, dass heterocytenbildende Cyanobakterien elementaren Stickstoff fixieren können
(WHITTON & CARR 1982).
Abb. 2.3. Akineten von
Nodularia spumigena
Abb. 2.4. Bildung von Akineten und
Hormogonien am Beispiel der
Gattung
Nodularia
(DIXIT et al.
1985). Aus dem ursprünglichen
Trichom (a) entstehen Hormogonien
(b) durch Bildung von ,,Trennschei-
ben" (T). Akineten werden durch An-
reicherung mit Reservestoffen (c)
und Verdickung der Zellwand (d)
gebildet. Aus den Akineten bildet
sich ein Trichom (e bis h).
Der Enzymkomplex Nitrogenase katalysiert hierbei die ATP-verbrauchende Reaktion, bei der
elementarer Stickstoff zu zwei Ammoniummolekülen reduziert wird. Der Nitrogenase-Enzym-
komplex ist extrem sauerstoffempfindlich und kann somit nur unter anaeroben Bedingungen
funktionieren (CARR & BRADLEY 1973). Durch direkten Kontakt mit Sauerstoff wird der

Stand des Wissens
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7
Enzymkomplex inaktiviert und es werden sogar begleitende Proteine zerstört (FAY 1983). Daher
findet dieser Vorgang normalerweise in so genannten Heterocyten statt. Bei den Heterocyten
handelt es sich um spezialisierte Zellen, die in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen
zwischen die vegetativen Zellen eingebaut werden. Sie sind dickwandiger und in ihnen findet
keine Photosynthese statt, so dass sie als sauerstofffreier Raum der Stickstofffixierung dienen
können (FLORES & HERRERO 1994). Manche Cyanobakterien haben Strategien entwickelt um
Stickstoff auch ohne Heterocyten zu fixieren, über die Mechanismen um den Schutz des
Nitrogenasekomplexes vor Sauerstoff zu gewährleisten ist dagegen wenig bekannt (TANDEAU
DE MARSAC 1994).
Heterocyten bilden sich gewöhnlicherweise in Labor-Kulturen erst aus, wenn die Konzentration
von Stickstoffquellen im Medium minimalisiert wird (FOGG 1944, CASTENHOLZ & WATER-
BURY 1989). Diese Beobachtung wird bestätigt durch die Tatsache, dass in vielen Freiland-
Untersuchungen Heterocytenbildung nur in sehr stickstoffarmer Umgebung zu beobachten ist
(FOGG et al. 1973, MARINO et a. 1990).
Viele fädige Cyanobakterien wie
N. spumigena
sind fähig sich fortzubewegen, wenn sie sich in
Kontakt zu einem Substrat befinden auf dem es möglich ist zu gleiten. Die Organismen nutzen
diese Fähigkeit einerseits um Zonen optimaler Bestrahlungsstärke in ihrer Umgebung
aufzusuchen, aber auch um sich in Form von Hormogonien auf symbiotische Wirte zu
zubewegen. Der Mechanismus dieser Fortbewegung ist noch nicht vollständig geklärt, hierbei
werden derzeitig zwei Hypothesen diskutiert. Angenommen wird einerseits, dass sich das
Cyanobakterium durch den Ausstoß von Exopolysacchariden aus bestimmten Poren durch
Scherkräfte auf einer Oberfläche bewegen kann (BOLD & WYNNE 1985), bzw. andererseits
dass es sich durch Kontraktion bestimmter Filamente fortbewegt (HALFEN & CASTENHOLZ
1971).
Die ersten taxonomischen Einteilungen der Cyanobakterien wurden um 1753 von LINNAEUS
vorgenommen, während des 19. und 20. Jahrhunderts wurden diese weiterentwickelt. Die
klassische Taxonomie der Cyanobakterien richtete sich nach morphologischen Gesichtspunkten
und beschrieb an die 2000 verschiedene Arten und 150 Gattungen (GEITLER 1932). In den
Siebzigerjahren begann die Einteilung der Cyanobakterien nach dem bakteriologischen Aspekt.
Hierbei bildeten physiologische Kriterien wie die Pigmentzusammensetzung, die Fettsäure-
analytik und die Nitrogenaseaktivität, sowie genomische Aspekte wie Genomgröße und DNA-
Zusammensetzung die Grundlage der Klassifizierung (HERDMAN 1979a, HERDMAN et al.
1979b, KENYON et al. 1972, RIPPKA et al. 1979). Aus diesen Daten ergibt sich die, dem
botanischen System sehr ähnliche, Einteilung in zwei Unterklassen mit sechs Ordnungen
(STRASBURGER et al. 2002). In Abbildung 2.6. erfolgt eine taxonomische Einordnung der

Stand des Wissens
_________________________________________________________________________
8
Cyanobakterie
Nodularia spumigena
nach CAMPBELL (1997)
sowie KOMÁREK & ANAGNOS-
TIDIS (1989). Hiernach gehört
N. spumigena
der Ordnung Nostocales an. Die dieser Ordnung
zughörigen Familien besitzen eine Reihe gemeinsamer Merkmale wie z.B. die Bildung von
Trichomen sowie das Wachstum durch interkalare Zellteilung in nur einer Raumrichtung.
Weiterhin können Heterozyten und Akineten beobachtet werden.
Abbildung 2.5. Trichome von
Nodularia spumigena
. a) Skizziert von NORDIN & STEIN (1980) und b) bei
1000facher Vergrößerung. Maßstab: 20 µm.
Zur Vermehrung dienen Hormogonien und Akineten (WILMOTTE 1994). Spezies, die von einer
Gallertscheide umgeben sind können nach RIPPKA & HERDMAN (1992) unechte
Verzweigungen bilden. Einige Arten sind an den Querwänden eingeschnürt und besitzen
dadurch kugelige oder ovale Zellmorphologien (VAN DEN HOEK et al. 1993). Die Gattung
Nodularia
wird der Familie der Nostocaceae zugeordnet (KOMÁREK & ANAGNOSTIDIS 1989).
Die Trichome sind hier von einer mehr oder weniger festen Gallertscheide umgeben (vgl.
Abbildung 2.5.). NORDIN & STEIN (1980) beschreiben lediglich zwei Arten der Gattung

Stand des Wissens
_________________________________________________________________________
9
Nodularia
,
N. harveyana
und
N. spumigena
. Durch ultrastrukturelle Merkmale, wie Gasvesikel,
Konsistenz der Gallert-scheide und die Anzahl der Thylakoide, konnten jedoch weitere Spezies,
wie die in der Ostsee vertretene
N. baltica
und
N. litorea
unterschieden werden (KOMÁREK et
al. 1993, LAMPERT & SOMMER 1999).
Abbildung 2.6. Taxonomische Einordnung der Organismen am Beispiel von
Nodularia spumigena
und
Anabaena oscillarioides
. Abbildung erfolgt in Annäherung an CAMPBELL (1997).

Stand des Wissens
_________________________________________________________________________
10
2.2. Cyanobakterielle Sekundärmetabolite aus Nährlösungen
Chemisch gesehen gehören Sekundärmetabolite aus Cyanobakterien in unterschiedlichste
Stoffklassen: unter anderem -Lactone (MASON et al. 1982, PATTERSON et al. 1994),
cyclische Oligosaccharide (ENTZEROTH et al. 1986), Lipopolysaccharide (BOHLMANN et al.
1964, SATO & MURATA 1982, POHL 1982, KAEBERNICK & NEILAN 2001), Fettsäure-Derivate
(CARDELLINA & MOORE 1980, MOORE et al. 1996, JÜTTNER & WU 2000), polychlorierte
Aromaten (FALCH et al. 1993), cyclische Peptide, Alkaloide (BECKER 1994), darunter Indol-
Alkaloide (PARK et al. 1992, MOORE 1984) und Isonitril-Alkaloide (SMITKA et al. 1992),
Pyrrolidin-Diine (HAGMANN & JÜTTNER 1996; PAPKE et al. 1997) und Amide (AINSLIE et al.
1985, GERWICK et al. 1987). Hier sollen vor allem cyanobakterielle Exopolysaccaride (2.2.1.),
Fett- und Aminosäuren (2.2.2.) sowie Toxine (2.2.3.) näher betrachtet werden.
2.2.1. Exopolysaccharide
Seit langem ist bekannt, dass Cyanobakterien große Mengen an Polysacchariden bilden können
(DREWS & WECKESSER 1982). Wie schon in den vorherigen Kapiteln erwähnt, dienen diese
Polysaccharide den Cyanobakterien zu verschiedenen Zwecken. Sie spielen eine große Rolle in
der Koloniebildung und Fortbewegungsmöglichkeit durch Gleiten. Des Weiteren sind sie beteiligt
an symbiotischen Prozessen, der Anpassung an verschiedene Lebensräume und den
Überlebensstrategien bei Austrocknung (BERTOCCHI et al. 1990, MORVAN et al. 1997,
PAINTER 1993, DE PHILIPPIS & VINCENZINI 1989). Viele Cyanobakterien sind von einer
schleimigen Schicht umgeben, welche als Kapsel, Scheide, Schleim oder Glycocalyx
ausgebildet wird. Dieses extrazelluläre Material besteht hauptsächlich aus so genannten
Exopolysacchariden. Man kann drei Typen von Exopolysacchariden unterscheiden (SAMY et al.
1999, LI et al. 2001):
· Die Scheide, eine dünne einheitlich strukturierte Schicht, die direkt auf der äußeren
Zellmembran aufliegt und die aus konzentrischen oder radialen Fibrillen besteht.
· Die Kapsel (CPS = capsular polysaccharid), eine unstrukturierte Zone, die aber noch eng
mit der Zelloberfläche verbunden ist.
· Der Schleim (RPS = released polysaccharide), der entweder nur locker mit der Zelle
assoziiert ist oder vereinzelt im Nährmedium vorliegt.

Stand des Wissens
_________________________________________________________________________
11
Die Extraktion der Scheide wird mittels Dichtezentrifugation, nach Homogenisierung der Zellen,
im Saccharosegradienten vorgenommen (BERTOCCHI et al. 1990). Die CPS erhält man durch
eine Behandlung des Zellpellets mit warmen Wasser, Puffer oder Natriumchlorid-Lösung
(NAKAGAWA et al. 1987, VINCENZINI et al. 1990, PLUDE et al. 1991). RPS können durch
Ethanolfällung des biomassefreien Nährmediums gewonnen werden. Die meisten Studien
beschäftigen sich entweder mit den CPS oder den RPS, da diese leichter zu isolieren sind und
in wesentlich größeren Mengen vorhanden sind.
Im Allgemeinen ist zwischen den CPS und den RPS eines Cyanobakteriums kein signifikanter
Unterschied in der Monosaccharidzusammensetzung zu beobachten. Dies wurde durch mehrere
Arbeiten zu verschiedenen Cyanobakterienspezies wie
Anabaena flos-aquae
,
Palmella mucosa
oder
Cyanospira capsulta
belegt (MOORE & TISCHER 1964, VINCENZINI 1990, NICOLAUS et
al. 1999). Manche Arbeiten zeigten, dass für CPS und RPS die gleichen Monosaccharid-
bestandteile vorkamen, wenn auch in verschiedener quantitativer Verteilung (GLOAGUEN et al.
1995a). Aufgrund der geringen Unterschiede zwischen CPS und RPS kann angenommen
werden, dass es sich bei RPS nur um von der Zelloberfläche abgelöste CPS handelt, darum
werden im Weiteren beide unter dem Begriff Exopolysaccharide (EPS) zusammengefasst.
Glucuron- und/oder Galacturonsäure sind in fast allen bisher untersuchten EPS vorhanden. Das
EPS von
Microcystis wesenbergii
besteht nur aus Uronsäuren (FORNI et al. 1997). In allen
anderen EPS konnten zusätzlich bis zu neun verschiedene Neutralzucker nachgewiesen
werden. Normalerweise ist Glucose das Hauptmonosaccharid, aber auch Uronsäure, Xylose,
Arabinose, Fucose, Rhamnose und Mannose können in großen Mengen vorhanden sein.
Galactose wurde bisher nur in den EPS von
Anabaena sphaerica
als dominanter Zucker
nachgewiesen. Weitere Bestandteile von EPS können Ribose, Osamine oder Methylzucker sein.
Charakteristische Gruppen sind Pyruvat und Acetat. Es ist bemerkenswert, dass einige EPS
ebenfalls Sulfat-Gruppen besitzen, von denen angenommen wurde, sie könnten nur von
Eukaryonten produziert werden (SUTHERLAND 1994).
Weiterhin wurde in fast allen EPS Proteinanteile gefunden. Bisher konnte noch kein
Zusammenhang zwischen der systematischen Einteilung der Cyanobakterien und den von ihnen
abgegebenen Polysacchariden gefunden werden. Die meisten bisher vorliegenden Studien
befassen sich nur mit der Zuckerzusammensetzung der Polysaccharide, strukturelle Daten
liegen kaum vor. Dies liegt vor allem an der hohen strukturellen Komplexität der
Cyanobakterienpolysaccharide. Es ist noch fraglich, ob sie überhaupt eine regelmäßige Struktur
besitzen oder nach dem Zufallsprinzip zusammengesetzt werden. Strukturelle Untersuchungen
von EPS aus
Cyanospira capsulata
konnten eine sich wiederholende Sequenz von acht oder
zehn verzweigten Monosacchariden nachweisen (MARRA et al.1990). Für die Struktur des EPS

Stand des Wissens
_________________________________________________________________________
12
von
Nostoc commune
wurde eine 1,4-verknüpfte Xylose-Galaktose-Hauptkette mit Ribofuranose
und 3-O-[-(R)-1-carboxyethyl-]-D-Glucuronsäure als Seitenketten vorgeschlagen (HELM et al.
2000). Für die Hauptfraktion des EPS von
Aphanocapsa halophytica
wurde eine Hauptkette aus
Glucose, Arabinose, Fucose, Mannose und Glucuronsäure mit Verzweigungspunkten an der
Mannose nachgewiesen; als Seitenketten werden Glucose und Glucuronsäure angenommen (LI
et al. 2001). Für das EPS von
Mastigocladus laminosus
wurde eine sich wiederholende
Sequenz von 15 Monosacchariden vorgeschlagen (GLOAGUEN et al.1995b, 1997, 1999).
2.2.2. Fett- und Aminosäuren
Lipide und essentielle Fettsäuren werden von einigen Vertretern der Cyanobakterien in großer
Menge gebildet (SKULBERG 2000). Sie können daher sowohl zur Nahrungsergänzung einge-
setzt werden, wie zum Beispiel
Spirulina
sp. (RICHMOND 1988), als auch der gezielten
Gewinnung von ungesättigten Fettsäuren dienen.
Mikroalgen und Cyanobakterien enthalten sowohl gesättigte als auch ungesättigte Fettsäuren,
die zum größten Teil als Triglyceride, Phospholipide und Glycolipide gebunden vorliegen. Sie
dienen den Organismen einerseits als Energiequelle und als Lieferant verschiedener
Metaboliten, andererseits sind sie Bestandteile der Biomembranen. Freie Fettsäuren kommen
nur selten vor. Die häufigsten gesättigten Fettsäuren in Cyanobakterien sind die geradzahligen
C
12:0
- bis C
18:0
-Fettsäuren. Ungesättigte Fettsäuren werden meistens in größerer Vielfalt
produziert, so reicht die Kettenlänge von C
14
bis C
20
und die Anzahl der Doppelbindungen von 1
bis 4 (SKULBERG 2000). Diese sind besonders interessant für den medizinisch-pharmazeu-
tischen Bereich, vor allem die ungesättigten Fettsäuren Linolsäure und -Linolensäure (COHEN
et al. 1992, 1993). In Kulturen von
Nodularia spumigena
konnten beide Linolsäureformen, und
, nachgewiesen werden, wobei die -Form nur in Spuren vorhanden war. Des Weiteren konnte
ein relativ hoher Anteil an Palmitinsäure verzeichnet werden (VENZKE 2005).
Eine weitere verwendungsrelevante Inhaltsstoffklasse von Mikroalgen sind Proteine bzw.
Aminosäuren. Die Aminosäurezusammensetzung variiert zwischen den Arten und hängt
außerdem von den Kulturbedingungen und dem Alter der Kultur ab (BECKER & VENKATARA-
MANN 1982, SIEGEL & BRÜCKNER 1998). Die beiden Hauptaminosäuren in den Proteinen von
Mikroalgen sind Glutamin- und Asparaginsäure; weitere häufig vorkommende Aminosäuren sind
Lysin, Tryptophan, Alanin und Phenylalanin, dagegen sind die schwefelhaltigen Vertreter Cystein
und Methionin meist in nur geringen Mengen vorhanden oder fehlen ganz (BOROWITZKA 1988).
Auch ist es möglich aus Cyanobakterien Vitamine, vor allem Vitamin B
6
und B
12
, zu gewinnen
(BOROWITZKA 1995). Als weitere interessante Inhaltsstoffe findet man Sterole und Terpene

Stand des Wissens
_________________________________________________________________________
13
(WU & JÜTTNER 1988), vor allem Cholesterolderivate (KOHLHASE & POHL 1988) sowie
Carotinoide (AHMAND & WEEDON 1953a, 1953b) und Polysaccharide (FISCHER 1996), die
als Geliermittel in der Lebensmitteltechnologie eingesetzt werden können.
2.2.3 Cyanobakterielle Toxine
Toxische cyanobakterielle Wasserblüten sind weltweit anzutreffen, sie können in Seen, Flüssen
und Küstengewässern vorkommen. Ihr Auftreten zeigt meistens eine schlechte Wasserqualität
an, denn Cyanobakterien vermehren sich am besten in überdüngten, stickstoffreichen
Gewässern (SIVONEN & JONES 1999). Wasserblüten sind gefürchtet wegen der toxischen
Verbindungen, die von den Cyanobakterien freigesetzt werden können. Ihre Auswirkung auf
Mensch und Tier können neurotoxischer, hepatotoxischer, cytotoxischer oder anderer Natur sein
(CARMICHAEL et al. 1990, CARMICHAEL 1997, CRAWFORD & SWOBODA 2000). Im Zuge
der Untersuchungen der toxischen Substanzen, die bei einer Wasserblüte freigesetzt werden,
konnten eine Reihe von Sekundärmetaboliten mit interessanten chemischen und biologischen
Eigenschaften nachgewiesen werden. Strukturell gehören die cyanobakteriellen Toxine drei
unterschiedlichen Stoffklassen an: den cyclischen Peptiden, den Alkaloiden und den
Lipopolysacchariden (LPS) (CODD et al. 1999). Alkaloide können neurotoxisch, cytotoxisch,
sowie dermatotoxisch wirken oder die Proteinsynthese hemmen. Lipopolysaccharide wirken
reizend, ihr genauer Wirkmechanismus ist jedoch noch nicht vollständig aufgeklärt (BOYER et
al. 1984).
Abb. 2.7. Struktur von Nodularin-R
. Mdhb steht für 2-(Methylamino)-2-dehydrobuttersäure und Adda für
(2S, 3S, 8S, 9S)-3-Amino-9-methoxy-2,6,8-trimethyl-10-phenyldeca-4E,6E-diensäure.

Stand des Wissens
_________________________________________________________________________
14
Zu den wichtigsten Neurotoxinen gehören die Alkaloide Anatoxin-a, Anatoxin-a(s) und die
Saxitoxine, die im englischsprachigen Raum auch Paralytic Shellfish Poisons (PSPs) genannt
werden (NAMIKOSHI et al. 1989, 1994). Zu den cyclischen Hepatotoxinen gehören cyclische
Pentapeptide (Nodularine) und Heptapeptide (Microcystine). Nodularine werden vorwiegend von
Nodularia spumigena
hergestellt, einer Spezies, die auch in Meerwasserhabitaten vorkommt.
Die chemische Struktur von Nodularin-R ist in der Abbildung 2.7. dargestellt und lautet cyclo-
(DMeAsp1-L-Arg2-Adda3-D-Glu4-Mdhb5), wobei D-MeAsp für D-
erythro
-ß-Methylasparagin-
säure und Mdhb für 2-(Methylamino)-2-dehydrobuttersäure steht (BRUUN et al. 1951). Wie
Microcystine besitzen Nodularine die charakteristische ß-Aminosäure Adda ((2S, 3S, 8S, 9S)-3-
Amino-9-methoxy-2, 6, 8-trimethyl-10-phenyldeca-4E, 6E-diensäure) (RINEHART et al. 1988,
CUNDY et al.1998).
Es existieren nur wenige Strukturvarianten von Nodularin. Diese unterscheiden sich durch
Methylierung, Demethylierung oder in der Konfiguration der Doppelbindung der Adda-Seiten-
kette von Nodularin-R. Eine weitere Strukturvariante enthält statt der polaren L-Aminosäure
Arginin (R) die hydrophobe Aminosäure L-Valin (V) in Position 2. Nodularin-V, auch Motuporin
genannt, wurde in einem Meeresschwamm (
Theonella swinhoei
) gefunden (DE SILVA et al.
1992). Da dieser Meeresschwamm in Symbose mit Cyanobakterien existiert, ist es wahr-
scheinlich, dass auch Motuporin cyanobakteriellen Ursprungs ist. Die Kristallstruktur der
cyclischen Hepatotoxine als Komplex mit dem Rezeptor und die Struktur in Lösung wurden
mittels Röntgenbeugung bzw. NMR bestimmt. In Lösung nimmt sowohl Microcystin als auch
Nodularin eine starre Wannenkonformation ein. Einzig die Seitenketten von Adda und Arginin
besitzen eine höhere Flexibilität (HARADA 1996). Diese Seitenketten stehen im Mittel fast
senkrecht zueinander (vgl. Abbildung 2.8.).
Microcystine und Nodularine sind relativ stabile chemische Verbindungen (HARADA et al. 1996).
Bei neutralem pH- Wert, Raumtemperatur und Dunkelheit sind sie über Monate stabil. Die
reaktiveren Teilstruk-turen dieser Substanzen sind einerseits die konjugierte Doppelbindung der
Adda-Seitenkette und andererseits die Enamid-Struktur der Aminosäure 7 (
N
-Methyldehydro-
alanin). Da die Adda-Seitenkette eine wichtige Rolle bei der Erkennung durch die Rezeptoren
(Proteinphosphatasen) ausübt, führen Änderungen der Konformation oder Struktur meist zu
einer Verminderung der Toxizität. Oxidative Prozesse und UV-Strahlung greifen die konjugierte
Doppelbindung der Adda-Seitenkette an (HUMPHREY et al. 1996). Diese Prozesse werden in
der Trinkwasseraufbereitung häufig eingesetzt und sind eingehend untersucht worden. Als
Oxidationsmittel wurden Chlor, Natriumhypochlorid, Calciumhypochlorid, Wasserstoffperoxid,
Kaliumpermanganat und Ozon eingesetzt (NICHOLSON et al. 1994, TSUJI et al. 1997). Ozon
hat die höchste Effektivität in der Zerstörung von gelösten Microcystinen und Nodularinen

Stand des Wissens
_________________________________________________________________________
15
(ROSITANO et al. 1998). UV-Strahlung im Bereich des Absorptionsmaximums und Photo-
katalyse mit Titandioxid haben zwei photochemische Reaktionen zur Folge. Einerseits werden
die Doppelbindungen isomerisiert, andererseits wird eine [2+2]-Cycloaddition zwischen dem
Phenylring und einer Adda-Doppelbindung beobachtet (KENDE & SMITH 1988, KAYA & SANO
1998).
Abb. 2.8. Struktur von Microcystin-LR , Röntgenstruktur (Brookhaven-Datenbank).
Die Änderung der all-trans-Konformation der Adda- Doppelbindung durch UV-Strahlung führt zu
einer drastischen Verminderung der Toxizität. Allerdings wird durch diese Reaktion ein Gleich-
gewichtszustand zwischen Z- und E-Konformation erreicht, der dazu führt, dass ein voll-
ständiges Abreagieren zu einer untoxischen Variante unmöglich wird. Die enzymatische
Hydrolyse der Microcystine und Nodularine wird nur selten beobachtet (LATHI et al. 1997). Dies
liegt einerseits an der cyclischen Struktur der Peptide und damit dem Fehlen von N- oder C-
terminalen Amino-säuren und andererseits an dem Vorhandensein von fünf bzw. vier nicht
proteinogenen Amino-säuren. Microcystine und Nodularine werden deshalb von den üblichen
Proteasen, wie z. B. Trypsin, nicht hydrolysiert. HERESZTYN und NICHOLSON (1997), SHEP-
HARD (1998), JONES et al. (1999) sowie IKAWA et al. (2001) konnten zeigen, dass Nodularin
in Gewässern, in denen es häufiger zu cyanobakteriellen Blüten kommt, schneller abgebaut wird
als in solchen, in denen selten Blüten auftreten. Da der Prozess von Kupfersulfat inhibiert
wurde, folgerten sie einen bakteriellen Abbau. Dieses Ergebnis würde bedeuten, dass im Falle
einer Gewässerbehandlung mit Kupfersulfat nicht nur mehr Toxine durch Absterben der
Cyanobakterien freigesetzt werden, sondern auch der bakterielle Abbau inhibiert würde.

Problemstellung
_________________________________________________________________________________
16
3 Problemstellung
Massenentwicklungen von Cyanobakterien, so genannte ,,Wasserblüten" (NAUMANN
1922),
wurden in der Vergangenheit sowohl im unmittelbaren Bereich der Küste von Nord- und Ostsee
als auch in vielen kommunalen Badegewässern Nordwestdeutschlands während der Sommer-
monate beobachtet. Die Cyanobakterie Nodularia spumigena gehört zu den Toxinprodu-
zierenden ,,blütenbildenden" Spezies und konnte in einem Monitoring im Rahmen eines am
Forschungszentrum T
ERRAMARE
durchgeführten Forschungsprojektes in den Jahren 2000,
2003, 2004 und 2005 jeweils zu Beginn der Badesaison im Wilhelmshavener ,,Banter See"
erfasst werden. Die Produktion des Hepatotoxins Nodularin führte in den genannten Jahren zu
einer Sperrung dieses oligotrophen Naherholungsgewässers. Gleichzeitig konnte eine Verrin-
gerung der Abundanz anderer Cyanobakterien- und Mikroalgenspezies beobachtet werden
(LIEBEZEIT & SCHOLZ 2005). Ein erstes chemisches Screening eines Seewasserfiltrats,
angereichert aus Planktonmischproben des Banter Sees (
*1
), ergab schwach positive Reak-
tionen bei den Stoffgruppen der Alkaloide und Flavonoide. Weiterhin konnte eine relative
Toxizität von 86,9% im LUMIStox-Test nachgewiesen werden. Im Rahmen der vorliegenden
Arbeit sollen mögliche Effekte der Kulturlösungen von Nodularia spumigena auf andere
Mikroorganismen wie Mikroalgen, Cyanobakterien, Bakterien und Pilze untersucht werden, die
im Vorfeld der Untersuchung aus dem Banter See isoliert wurden (SCHOLZ & LIEBEZEIT a und
b, eingereicht). Mögliche Effekte einiger variierter abiotischer Faktoren, wie Temperatur und
Lichtintensitäten, auf die Substanzsynthese bzw. ­exkretion sollten hierbei mit einbezogen
werden. Durch Einsatz instrumenteller Analytikmethoden, wie DC, GC, GC/MS und HPLC,
sollen dann Einblicke in das Gesamtspektrum der in die Nährlösungen ausgeschiedenen
Substanzen gewonnen werden und soweit möglich zu einer Identifizierung der wirksamen
allelopathischen Verbindung/Verbindungen führen. Folgende Zielsetzungen lassen sich zusam-
menfassen:
·
Anzucht der Cyanobakterienspezies N. spumigena unter variierten Kulturbedingungen.
·
Suche nach determinierten Substanzklassen in einem chemischen Screening.
·
Prüfung der biologischen Aktivität, unter Berücksichtigung der Fragestellung nach
Effekten der synthetisierten Substanzen auf unterschiedliche Mikroorganismen aus dem
Brackwasserhabitat ,,Banter See". Darüber hinaus Test der cytotoxischen Aktivität.
·
,,Fingerprint" und Vergleich der unterschiedlichen Ansätze hinsichtlich der produzierten
Substanzen mittels DC, HPLC und GC. Strukturaufklärung mittels Einsatz von GC/MS.
*1
Unveröffentlichter Bericht an das Umweltbundesamt der Stadt Wilhelmshaven.

Material und Methoden
_________________________________________________________________________________
17
4 Material und Methoden
4.1.
Nodularia spumigena
Die Stammkultur von
Nodularia
spumigena
wurde vom Leibnitz-Institut für Ostseeforschung
Warnemünde zur Verfügung gestellt, da alle Versuche, diese Spezies aus dem Banter See zu
kultivieren, fehlschlugen. Für die Kultivierung von
N. spumigena
wurde eine modifizierte f/2-
Nährlösung nach GUILLARD & RYTHER (1962) verwendet (Tab. 4.1.). Zur Herstellung von
einem Liter Medium wurde zu 997 ml Wasser je 1 mL der Stammlösungen A, B und C
zugegeben. Die Zusammensetzung der Lösungen B und C sind den Tabellen 4.2. bzw. 4.3. zu
entnehmen. Eine für die Kultivierung dieser Spezies notwendige Salinität von 10 wurde durch
Verdünnung von Meerwasser mit VE-Wasser in einem Verhältnis von 3:7 erreicht.
Stammlösung
Menge [ml/L]
Bestandteil
Konz. Stammlösung
A
1
NaH
2
PO
4
* 2H
2
O
75 g/ 1000 mL
B
1
Spurenelement-Lösung
siehe Tab. 2.3
C
1
Vitamin-Stammlösung
siehe Tab. 2.4.
Tab. 4.1. f/2-Nährlösung (modifiziert nach GUILLARD & RYTHER 1962).
mL
Stammlösung
Konzentration [g/ 1000 mL]
Na
2
EDTA
4,360
FeCl
3
* 6H
2
O
3,15
CuSO
4
* 5H
2
O
0,01
ZnSO
4
* 7H
2
O
0,022
CoCl
3
* 6H
2
O
0,01
MnCl
3
* 4H
2
O
0,18
1 mL
NaMoO
4
* 2H
2
O
0,006
Tabelle 4.2. Zusammensetzung der Spurenelement-Lösung für das f/2-Medium (Lösung B).

Material und Methoden
_________________________________________________________________________________
18
mL
Stammlösung
Konzentration [g/ 1000 mL]
Vitamin B
12
0,0005
Biotin
0,0005
1 mL
Thiamine HCl
0,1
Tabelle 4.3. f/2 Vitamin-Stammlösung (Lösung C).
Das Nährmedium, bestehend aus Lösung A sowie dem VE/Seewasser mit einer Salinität von
10 , wurde 20 min bei 121 °C autoklaviert. Nach Abkühlen erfolgte die Zugabe der Lösungen
B und C. Steril verschlossen und bei 4 °C gelagert war das Medium über einen längeren Zeit-
raum haltbar.
4.1.1. Stammhaltung und Vorkultivierung von
N. spumigena
Aus Stammkulturen entnommene
Nodularia spumigena
wurde für die spätere Anzucht zur
Biomassegewinnung vorkultiviert. Die Vorkultivierung (vgl. Abbildung 4.1.) erfolgte steril bei
18 ± 2 °C in 100 mL Erlenmeyerkolben mit 50 mL Nährmedium auf einem Schüttelinkubator
(115 rpm). Die Lichtstärke betrug durchschnittlich 80 + 10 µE PAR m
-2
s
-1
bei einer täglichen
Beleuchtungsdauer von 15 h. In etwa 1-2 Wochen waren die Kulturen hochgewachsen.
Abbildung 4.1. Vorkulturen und Stammhaltung von
N. Spumigena
.

Material und Methoden
_________________________________________________________________________________
19
4.1.2. Up scale und Versuchsbedingungen
Für das up scale wurden jeweils 100 mL der Vorkulturen von
Nodularia spumigena
in 2000 mL
Erlenmeyerkolben, gefüllt mit 900 mL Nährmedium, überführt. Belichtet wurde mit durchschnitt-
lich 80 + 10 µE PAR m
-2
s
-1
aus einer Warmlichtröhre (Osram L36 W/76-1 Natura de Luxe,
Germany), die waagrecht in einem Abstand von 4,5 cm vor den Kulturen angebracht war. Nach
2-3 Wochen wurde die Biomasse geerntet. Die Züchtung zur Biomassegewinnung erfolgte für
die Standardkultur (Ansatz IV) unter keimarmen Bedingungen in 6 Liter­Batchkulturen unter
Belichtung (80 + 10 µE PAR m
-2
s
-1
), ständiger Belüftung bis zum Erreichen der stationären
Wachstumsphase bzw. Absterbephase. Die Temperierung der Kulturen erfolgte in einem
klimatisierten Raum bei 18 + 2 °C. Der Wachstumsverlauf wurde mit Hilfe mikroskopischer
Zählungen der Kultursuspensionsdichte verfolgt. Für die vorliegende Diplomarbeit wurde die
Auswirkung unterschiedlicher abiotischer Faktoren auf die Substanzproduktion untersucht.
Hierbei wurde
Nodularia spumigena
in drei Versuchsreihen unter veränderten Parametern
kultiviert (Versuche I-III, vgl. Tab. 4.4.).
Versuchsreihe
bzw. Ansatz
veränderter Faktor
Versuchsbedingungen
I
Temperatur
80 µE m
-2
s
-1
; T = 30
o
C
II
Licht/Temperatur
30 µE m
-2
s
-1
; T = 4
o
C
III
Licht
30 µE m
-2
s
-1
; T = 18
o
C
IV
-
Phytoplankton Mischprobe
V
Standard
80 µE m
-2
s
-1
; T = 18
o
C
Tabelle 4.4. Übersicht der Versuchsreihen, sowie deren variierten Bedingungen.
4.1.3. Beprobung der 6 L-Batchkulturen
Die Beprobung der Versuchsreihen erfolgte in Abständen von 48-72 h, indem der Belüftungs-
schlauch entfernt und je 20 mL der Kulturlösung in sterile Kulturröhrchen überführt wurde. Ca.
1500 mL wurden zusätzlich für die weitere Aufarbeitung der Standardkultur entnommen und, wie
in den Kapiteln 4.1.5. und 4.1.6. beschrieben, behandelt. Das Probevolumen wurde anschlies-
send durch Zugabe von sterilem Kulturmedium wieder aufgefüllt.

Material und Methoden
_________________________________________________________________________________
20
Eine erste Auswertung der Proben erfolgte durch Zellzählung und führte zur Determination der
jeweiligen Wachstumsphase, in der die Standard- sowie die Versuchskulturen sich befanden.
Auf diese Weise konnten insgesamt fünf Proben (N0, N1, N2, N3, N4 und N5) aus der
Standardkultur gewonnen werden, die jede für sich eine Wachstumsphase repräsentierte und im
weiteren Verlauf analysiert werden sollte (vgl. Abbildung 4.2.). Dagegen wurde je 20 mL Probe
aus den Versuchsreihen I, II und III lediglich zu Auszählungszwecken verwendet und nach
Beendigung der Kultivierung das Kulturvolumen als Gesamtprobe behandelt (vgl. Tabelle 4.5.).
Weiterhin erfolgte im Verlauf der Untersuchung zu Vergleichszwecken die Aufarbeitung einer
Planktonmischprobe des Banter Sees (Ansatz IV).
Abbildung 4.2. Wachstumskurve der Cyanobakterie
Nodularia spumigena
in 1000 mL-Batchkultur unter
Standardkulturbedingungen (Vorkultur). Die Pfeile weisen auf den Zeitpunkt der jeweiligen Probenahme
hin.
4.1.4. Auswertung der Zellzählungen (nach Uthermöhl 1958)
Jeweils drei Unterproben von 5 mL Volumen wurden zur Zellzahlbestimmung in einer Utermöhl-
Zählkammer angereichert mit, 10 µL Lugol´scher Lösung fixiert und nach einer Sedimentations-
zeit von mindestens 12 h mit einem Umkehrmikroskop quantitativ ausgewertet. Dazu wurden
jeweils 50 Quadrate ausgezählt. Die mittlere Standardabweichung betrug 12 %.
Wachstumskurve von
Nodularia spumigena
unter normalen Kulturbedingungen
t [h]
0
200
400
600
800
1000
Zellen pro mL
8000
10000
12000
14000
16000
18000
20000
22000

Material und Methoden
_________________________________________________________________________________
21
Die Anzahl der Individuen pro Liter Seewasser = ZN
LS
wurden über die Auszählergebnisse der
mikroskopischen Untersuchungen wie folgt berechnet (Gleichung 4.1. sowie 4.2.):
V
A
F
Z
N
=
Gleichung 4.1.
1000
=
KF
N
ZN
LS
Gleichung 4.2.
ZN
LS
= Individuen pro Liter Seewasser
N = Individuen pro Milliliter in der aufkonzentrierten Probe
KF = Faktor der Aufkonzentration der Probe = V
Probe
/ V
Konzentrat
Z =
gezählte Individuen (auf 50 Rasterquadrate bezogen)
F =
Grundfläche der Utermöhl-Zählkammer = 506,71 mm
2
A =
Flächeninhalt der gezählten Rasterquadrate (bei 400x Vergrößerung) = 5,28125 mm
2
V =
eingesetztes Probevolumen = 5 ml
Für die grafische Auswertung in Kapitel 5.1. erfolgte allerdings lediglich die Angabe von Zellen pro
mL, da hierbei eine Hochrechnung der Ergebnisse auf Zellen pro Liter nicht notwendig war.
4.1.5. Ernte der Kulturlösungen von
N. spumigena
Durch zwei Filtrationsschritte erfolgte die Trennung der Biomassen von den Nährmedien. Zuerst
erfolgte eine erste Separation der fädigen Cyanobakterien von dem Nährmedium unter
Verwendung eines Planktonnetzes (Fa. H
YDRO
-B
IOS
, Kiel)
mit einer Maschenweite von zehn
Mikrometer. Im Folgenden wurden die Proben in einer Unterdruckfiltrationskammer über einen
Glasfaser Mikrofilter (Whatman No 1822047, D 47 mm) von der restlichen Biomasse befreit. Die
abgefilterte Biomasse wurde nach Abzentrifugation des Restmediums für die Frischgewichts-
bestimmung gewogen. Anschließend wurden die Biomassen gefriergetrocknet (Gefriertrock-
nungsanlageLyovac GT2, Finn Aqua, Santasalo-Sohlberg GmbH) und bei ­18 °C aufbewahrt,
während die Nährlösungen aufgeteilt, im Rotationsverdampfer bei 40
o
C und einem Druck von
ca. 70 mbar eingeengt, gefriergetrocknet, gewogen und schließlich bis zur weiteren
Aufarbeitung bei ­18 °C gelagert wurden. In Kapitel 9.4. befindet sich eine Übersicht der jeweils
in den unterschiedlichen Extraktionen eingesetzten Nährlösungsvolumina. Die im weiteren

Material und Methoden
_________________________________________________________________________________
22
Verlauf bearbeiteten Proben sowie deren genauen Bezeichnungen sind in Tabelle 4.5.
aufgeführt.
Probe
Versuch bzw. Ansätze
Probe N0
Beprobung der Standardkultur (Ansatz IV; 80 µE m
-2
s
-1
;
T = 18
o
C) zum Zeitpunkt t = 0 h
Probe N1
Lag-Phase
Probe N2
Beginn der exponentiellen Wachstumsphase
Probe N3
Ende der exponentiellen Wachstumsphase
Probe N4
Stationäre Phase
Probe N5
Absterbe Phase
Probe NI
Gesamtprobe: T = 30
o
C; 80 µE s
-1
m
-2
Probe NII
Gesamtprobe: T = 4
o
C; 30 µE s
-1
m
-2
Probe NIII
Gesamtprobe: T = 18
o
C; 30 µE s
-1
m
-2
Probe NIV
Planktonmischprobe: Banter See
Tabelle 4.5. Übersicht der Proben.
4.1.6. Aufarbeitung der Nährlösungen
4.1.6.1. Extraktion mit Methanol (nach FRANZ & KÖHLER 1992)
Vor Beginn der Extraktion wurden alle benötigten Utensilien jeweils dreimal mit n-Hexan und
Dichlormethan (DCM) gespült. Der getrocknete Rückstand aus je ca. 250 bzw. 500 mL (vgl.
Kapitel 9.4.) Nährlösung wurde nach dem Zerreiben in einer Reibschale in ein 200 mL
Becherglas gegeben, mit 70 mL Methanol 96 % versetzt und mittels Magnetkern und
Magnetrührer durchmischt. Anschließend wurde die Suspension 10 min lang gerührt, danach
bei 5000 x g 10 min lang abzentrifugiert (Heraeus Labofuge GL) und der Überstand in einen
250 mL Erlenmeyerkolben abdekantiert. Der Rückstand wurde noch zweimal mit jeweils 70 mL
Methanol 96 % 10 min im Ultraschallbad extrahiert. Die Lösungen wurden jeweils in
entsprechende Rundkolben filtriert (Glasfaser Mikrofilter Fa. Whatman, D 47 mm) und bei 40
o
C
am Rotationsverdampfer auf ca. 1 mL eingeengt. Anschließend in Präparategläschen überführt
und in einem evakuierten Exsiccator getrocknet. Tabelle 4.6. gibt eine Übersicht der durch
Anwendung dieser Methode gewonnen Extrakte.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783832495770
ISBN (Paperback)
9783838695778
DOI
10.3239/9783832495770
Dateigröße
1.7 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelmshaven; Standort Wilhelmshaven – Technik, Abteilung Naturwissenschaftliche Technik
Erscheinungsdatum
2006 (Mai)
Note
1,5
Schlagworte
sc/ms algenkultivierung dünnschichtchromatographie säulenchromatographie bioassay
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Titel: Screening und Identifizierung allelopathischer Substanzen aus Nährlösungen der Cyanobakterie Nodularia spumigena
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