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Das Rechtsinstitut der Liebhaberei

Ein Ergebnis einer einzelfallabhängigen Rechtsprechung des BFH

©2005 Diplomarbeit 161 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die Anzahl von Aufsätzen und Urteilen zur Liebhabereithematik sind kaum noch zu überblicken. Vor allem im Schrifttum gibt es viele verschiedene Ansichten, auf welche Weise das Rechtsproblem der Liebhaberei am besten zu lösen wäre. Aber auch die Rechtsprechung legt zentrale Vorgaben, die im Wesentlichen für die Rechtsprechung nach 1984 auf dem Grundsatzbeschluss des Großen Senats vom 25.06.1984 GrS 4/82 basieren, unterschiedlich aus. Zudem unterliegt die Rechtsprechung einem stetigen Wandel, der die Aufgabe für den betroffenen Rechtsanwender nicht erleichtert.
Mit dem Begriff ‚Liebhaberei’ wird das tatsächliche Phänomen einer nicht auf Erwerb ausgerichteten Tätigkeit gekennzeichnet. Wenn in der Bearbeitung der Thematik der subjektive oder objektive Liebhabereibegriff verwendet wird, so ist dies bereits Ausdruck der rechtlichen Beurteilung des tatsächlichen Phänomens. Der Begriff der Liebhaberei ist im Steuerrecht nicht geregelt. Er wird bisher nur in § 8 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO aufgeführt. Eine detaillierte Erläuterung des Begriffs erfolgt in der Verordnung allerdings nicht.
Dementsprechend existieren keine Rechtsnormen, die die Liebhaberei explizit durch Voraussetzung, Tatbestandsmerkmale und Rechtsfolgen klären. Aus diesem Grund ist der Liebhabereibegriff ein unbestimmter Rechtsbegriff im Steuerrecht, der seit der Entscheidung des PrOVG vom 14.12.1894 stetig weiterentwickelt wurde, aber auch mehrfach einen Wandel nachvollziehen musste. Die Rechtsprechung zur Liebhaberei ist daher Richterrecht, das einige Schwierigkeiten in sich birgt. Eine wesentliche Schwäche des Richterrechts ist, dass es auf neu in das Einkommensteuergesetz eingebrachte Sonderregeln und Ausnahmen lediglich ex post reagieren kann, was zu Missverständnissen und Unverständnis bei den betroffenen Steuerpflichtigen führen kann.
In besonderen Maße liebhabereiverdächtig sind beispielsweise Rennställe, Pferdezucht, Motorboothandel (insb., wenn der Gewerbetreibende selbst einen Motorbootsführerschein besitzt), freie Künstler und Schriftsteller. Aber auch Druckereien, Getränkegroßhandel, Rechtsanwälte oder Steuerberater, bei denen der sog. Anscheinsbeweis aufgrund der typischen Eignung zur Einkünfteerzielung, für das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht spricht, können Liebhabereitätigkeiten sein. Darum muss grundsätzlich festgestellt werden, dass Liebhaberei bei allen sieben Einkunftsarten in unterschiedlicher Häufigkeit auftreten kann.
Der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 9325
Manuel, Schramm: Das Rechtsinstitut der Liebhaberei -
Ein Ergebnis einer einzelfallabhängigen Rechtsprechung des BFH
Druck Diplomica GmbH, Hamburg, 2006
Zugl.: Helmut Schmidt Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg,
Diplomarbeit, 2005
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany

II
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis... II
Abkürzungsverzeichnis... V
1 Einleitung
und
Problembeschreibung... 1
1.1 Gang der Untersuchung... 4
2
Liebhaberei ­ allgemeine Grundsätze... 7
2.1 ,,Ständige Rechtsprechung" des BFH seit dem Grundsatzbeschluss des
Großen Senats vom 25.06.1984... 7
2.1.1 Der Wechsel vom objektiven zum subjektiven Liebhabereibegriff... 9
2.1.2 Der Grundsatzbeschluss des Großen Senats vom 25.06.1984... 10
2.1.3 Zweigliedriger Tatbestand als Kern der Rechtsprechungspraxis... 15
2.2 Allgemeine
einkommensteuerrechtliche Relevanz/Irrelevanz der zu
beurteilenden Tätigkeiten... 17
2.3 Kontinuität und Diskontinuität der Liebhabereirechtsprechung des
BFH nach 1984... 18
2.3.1 Steuerrechtliche
Ermittlungsvorschriften und Beweislastregelung... 19
2.4 Historie der Liebhaberei vor dem Hintergrund der Einkommensteuer-
gesetze von 1891, 1920, 1925 und 1934... 27
2.5 Rechtfertigungsgründe für das Rechtsinstitut der Liebhaberei... 33
2.5.1 Fiskalzweck... 34
2.5.2 Leistungsfähigkeitsprinzip...
35
2.5.3 Abgrenzung der Erwerbssphäre (§ 2 Abs. 1 EStG) zur Privatsphäre
(§12 EStG) ... 39
2.5.4 Zusammenfassende eigene Stellungnahme und Ansichten aus dem
Schrifttum... 44
3
Liebhaberei ­ allgemeine Tatbestandsmerkmale und Beweisanzeichen... 46
3.1 Einkünfteerzielungsabsicht
-
Grundlagen...
47
3.1.1 Objektiver
Tatbestand... 51
3.1.2 Subjektiver
Tatbestand...
53
3.1.2.1 Gewinnerzielungsabsicht... 54
3.1.2.2 Überschusserzielungsabsicht... 57
3.1.2.3 Eckdaten im Verhältnis von Gewinn- und Überschusseinkünften... 60
3.2 Totalerfolg... 61
3.2.1 Anlaufverluste... 64

III
3.3 Totalerfolgsprognose...
66
3.4 Einflussfaktoren der Totalerfolgsprognose... 69
3.4.1 Beurteilungseinheit...
70
3.4.1.1 BFH-Urteil vom 25.06.1996 VIII R 28/94 zu einer Hubschrauber-
vermietung einer KG... 73
3.4.1.2 Fazit... 75
3.4.2 Totalerfolgsperiode...
77
3.5 ,,Persönliche Gründe oder Neigungen" ... 80
3.5.1 Der Anscheinsbeweis gemäß der Rechtsprechung des BFH nach 1984... 82
3.5.1.1 BFH-Urteil vom 19.11.1985 VIII R 4/83 zu einem Getränkegroß-
handel... 83
3.5.1.2 BFH-Urteil vom 22.04.1998 XI R 10/97 zu einer Rechtsanwalts-
kanzlei... 86
3.5.1.3 Fazit... 88
3.5.2 Nebenberufliche
Einkünfte...
92
3.5.2.1 BFH-Urteil vom 24.02.1999 X R 106/95 zu einer nebenberuflichen
Vermietung eines Motorboots... 93
4
Grundsätzliche Fallgestaltungen bei Annahme von Liebhaberei... 96
4.1 Einkünfteerzielungsabsicht von Beginn an... 96
4.1.1 Betriebsgewinne als kaum zu widerlegendes Indiz für Gewinnerzie-
lungsabsicht... 96
4.1.2 Subjektive
Mängel
in
der Betriebsführung... 98
4.2 Fehlen
der
Einkünfteerzielungsabsicht von Beginn an... 99
4.2.1 Bewirtschaftung von Streuobstwiesen mit geringem Rohertrag... 100
4.3 Wegfall der Einkünfteerzielungsabsicht zu einem späteren Zeitpunkt... 101
4.3.1 Liebhaberei bei sog. Generationenbetrieb... 102
4.4 Beginn der Einkünfteerzielungsabsicht zu einem späteren Zeitpunkt... 105
4.5 Zwischenzeitliche
Liebhabereiphase...
107
5 Spezielle Beweisanzeichen für Liebhaberei... 108
5.1 Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15-17 EStG)... 108
5.1.1 Anscheinsbeweis...
110
5.1.2 Relevanz von Umstrukturierungsmaßnahmen und das Motiv der
Steuerersparnis... 112
5.1.2.1 Sonderfall:
Verlustzuweisungsgesellschaften...
116
5.2 Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) ... 119
5.2.1 Anscheinsbeweis...
121
5.2.2 Erforderlichkeit der Einkünfteerzielungsabsicht auch in der Schluss-
phase
einer
freiberuflichen Tätigkeit... 123
5.2.2.1 Fazit... 126

IV
5.3 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) ... 126
5.3.1 Anscheinsbeweis...
129
5.3.1.1 Totalüberschussprognose bei der Vermietung von Ferienimmobilien... 133
5.3.1.2 BFH-Urteil vom 06.10.2004 IX R 30/03 zur verbilligten Vermietung
einer Luxuswohnung... 135
5.4 Fazit... 138
6 Schlussbemerkungen... 140
Literaturverzeichnis... VIII
Eidesstattliche Erklärung... XIII

V
Abkürzungsverzeichnis
Abs.
Absatz
AfA
Absetzung
für
Abnutzung
AG
Aktiengesellschaft
AO
Abgabenordnung
Ar
Flächenmaß
Art.
Artikel
AStG
Außensteuergesetz
AV
Anlagevermögen
Az.
Aktenzeichen
BB
Betriebs-Berater
(Zeitschrift)
BFH
Bundesfinanzhof
BFH/NV
Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Urteile des BFH
BFHE
Entscheidungen
des
Bundesfinanzhofes
BGB
Bürgerliches
Gesetzbuch
BMF
Bundesministerium
der
Finanzen
BStBl.
Bundessteuerblatt
BVerfG Bundesverfassungsgericht
BVerfGE Bundesverfassungsgerichtsentscheidung
bzw.
beziehungsweise
ca.
circa
d.
h.
das
heißt
DB
Der
Betrieb
(Zeitschrift)
DM
Deutsche
Mark
DStR
Deutsches
Steuerrecht
(Zeitschrift)
DStZ
Deutsche Steuer Zeitung (Zeitschrift)
ebd.
ebenda
EFG
Entscheidungen
der
Finanzgerichte
EK
Eigenkapital
EStG
Einkommensteuergesetz(e)
EStDV
Einkommensteuer-Durchführungsverordnung
etc.
et
cetera
FA
Finanzamt/Finanzämter

VI
ff
folgende
[Seiten]
FG
Finanzgericht(e)
FGO
Finanzgerichtsordnung
FK
Fremdkapital
FR
Finanzrundschau
(Zeitschrift)
GbR
Gesellschaft
bürgerlichen
Rechts
gem.
gemäß
GewStDV
Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung
GG
Grundgesetz
ggf.
gegebenenfalls
GmbH
Gesellschaft
mit beschränkter Haftung
GmbH & Co. KG
Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Co. Kommanditgesellschaft
GrS
Großer
Senat
grds.
grundsätzliche(n)
ha
Hektar
HFR
Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung
h. M.
herrschende Meinung
i. d. R.
in der Regel
insb.
insbesondere
i.
S.
im
Sinne
i. S. d.
im Sinne des
i. V. m.
in Verbindung mit
JbFSt
Jahrbuch für Fachanwälte für Steuerrecht (Zeitschrift)
KG
Kommanditgesellschaft
KGaA
Kommanditgesellschaft
auf
Aktien
LStDV
Lohnsteuer-Durchführungsverordnung
Mio.
Million(en)
m. w. N.
mit weiteren Nachweisen
Nr.
Nummer
Nrn.
Nummern
NWB
Neue-Wirtschafts-Briefe
(Zeitschrift)
o. b.
oben beschrieben(en)
OFH
Oberster
Finanzgerichtshof
o.
g.
oben
genannte(n)
OHG
Offene
Handelsgesellschaft

VII
o.
N.
ohne
Namen
PKW
Personenkraftwagen
PrOVG Preußisches
Obererwaltungsgericht
Qm
Quadratmeter
RFH
Reichsfinanzhof
RFHE
Entscheidungen
des
Reichsfinanzhofes
Rn.
Randnummer
Rz.
Randzeichen
S.
Seite(n)
sog.
so
genannte(r)
StuW
Steuer
und
Wirtschaft
(Zeitschrift)
StVj
Steuerliche
Vierteljahresschrift
(Zeitschrift)
u.
Ä.
und
Ähnliches
u.
a.
unter
anderem
UStG
Umsatzsteuergesetz
u. s. w.
und so weiter
u.
U.
unter
Umständen
UV
Umlaufvermögen
v.
vom
vgl.
vergleiche
v.
H.
vom
Hundert
VO
Verordnung
vs.
versus
WRV
Weimarer
Reichsverfassung
z.
B.
zum
Beispiel
z.
T.
zum
Teil

1
1 Einleitung und Problembeschreibung
Die Anzahl von Aufsätzen und Urteilen
1
zur Liebhabereithematik sind kaum noch
zu überblicken. Vor allem im Schrifttum gibt es viele verschiedene Ansichten, auf
welche Weise das Rechtsproblem der Liebhaberei am besten zu lösen wäre. Aber
auch die Rechtsprechung legt zentrale Vorgaben, die im Wesentlichen für die
Rechtsprechung nach 1984 auf dem Grundsatzbeschluss des Großen Senats vom
25.06.1984 GrS 4/82
2
basieren, unterschiedlich aus. Zudem unterliegt die Recht-
sprechung einem stetigen Wandel, der die Aufgabe für den betroffenen Rechtsan-
wender nicht erleichtert.
Honisch (im Jahr 2000 Richter am FG Vellmar) erörtert in seinem Aufsatz ,,Zu
den Inflationstendenzen bei der Liebhaberei" die seinerzeit neuesten Rechtspre-
chungsentwicklungen und äußert sich zugleich kritisch zu einigen Entscheidungen
der bisherigen BFH-Rechtsprechung, die seit dem Grundsatzbeschluss des Großen
Senats vom 25.06.1984 ergangen sind. Er resümiert, dass er sich nun seit nunmehr
16 Jahren u. a. mit der Liebhaberei auseinandergesetzt habe und schon so manche
Obersätze des BFH aneinandergereiht hätte, ,,ohne durch diese in die Lage ver-
setzt worden zu sein, [diese] systematisch subsummieren [sic] zu können".
3
Die
theoretischen Ansätze führten dabei den Rechtsanwender oft im Kreise herum,
weshalb i. d. R. nur die intensive Aufklärung des Sachverhalts im Einzelfall als
,,Ausweg" verbleibe. Die Hoffnung, dass es auf Grundlage des o. g. Beschlusses
gelungen sei, ,,den unruhigen Geist einzufangen und von seinem schöngeistigen
Kopf auf seine steuerrechtlichen Füße zu stellen"
4
, konnte daher nicht in Gänze
erfüllt werden. Die Stellungnahme Honischs macht nach Ansicht des Verfassers
deutlich, dass die Entscheidungen der Finanzgerichtsbarkeit zur Liebhaberei i. d.
R. einzelfallabhängig und nur in begrenztem Maße verallgemeinerungsfähig sind.
Das Rechtsinstitut der Liebhaberei, mit dem sich die Diplomarbeit ,,Das Rechtsin-
stitut der Liebhaberei ­ ein Ergebnis einer einzelfallabhängigen Rechtsprechung
des BFH" auseinandersetzt, ist daher relativ komplex.
1
Gemäß JURIS sind über 900 Urteile allein in den Jahren 1984 - 2005 durch die Finanzgerichts-
barkeit und über 350 Urteile allein durch den BFH ergangen. In: world-wide-web [gefunden am
23.03.2005]: http://jurisweb.de.
2
Vgl. Abschnitt 2.1.
3
Honisch (2000): Zu den Inflationstendenzen bei der Liebhaberei, S. 546.
4
Weber-Grellet (1992a): Wo beginnt die Grenze zur ,,Liebhaberei"? (Teil I), S. 561.

2
,,Mit dem Begriff ,Liebhaberei' wird das tatsächliche Phänomen einer nicht auf
Erwerb ausgerichteten Tätigkeit gekennzeichnet."
5
Wenn in der Bearbeitung der
Thematik der subjektive oder objektive Liebhabereibegriff verwendet wird, so ist
dies bereits Ausdruck der rechtlichen Beurteilung des tatsächlichen Phänomens.
Der Begriff der Liebhaberei ist im Steuerrecht nicht geregelt. Er wird bisher nur in
§ 8 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO aufgeführt. Eine detaillierte Erläuterung
des Begriffs erfolgt in der Verordnung allerdings nicht. Dementsprechend existie-
ren keine Rechtsnormen, die die Liebhaberei explizit durch Voraussetzung, Tat-
bestandsmerkmale und Rechtsfolgen klären. Aus diesem Grund ist der Liebha-
bereibegriff ein unbestimmter Rechtsbegriff im Steuerrecht, der seit der Entschei-
dung des PrOVG vom 14.12.1894 stetig weiterentwickelt wurde, aber auch mehr-
fach einen Wandel
6
nachvollziehen musste. Die Rechtsprechung zur Liebhaberei
ist daher Richterrecht, das einige Schwierigkeiten in sich birgt. Eine wesentliche
Schwäche des Richterrechts ist, dass es auf neu in das Einkommensteuergesetz
eingebrachte Sonderregeln und Ausnahmen lediglich ex post reagieren kann, was
zu Missverständnissen und Unverständnis bei den betroffenen Steuerpflichtigen
führen kann.
Mittels der Liebhabereirechtsprechung sollen einkommensteuerrechtlich relevante
von einkommensteuerrechtlich irrelevanten Tätigkeiten (Liebhaberei) abgegrenzt
werden. Die Rechtsprechung versucht die steuerpflichtige Erwerbsphäre des § 2
Abs. 1 EStG von der Privatsphäre i. S. v. § 12 EStG abzugrenzen
7
. Das zentrale
Tatbestandmerkmal für die abschließende Beurteilung, ob eine Liebhaberei vor-
liegt, ist in diesem Zusammenhang die Einkünfteerzielungsabsicht
8
des Steuer-
pflichtigen, bei deren Fehlen alle positiven und negativen Einkünfte aus der Tä-
tigkeit keine steuerbaren Einkünfte i. S. des EStG sind und darum als nicht aus-
gleichs- und abzugsfähig erachtet werden müssen.
9
Gemäß der Rechtsprechung ist
,,Liebhaberei" als Tätigkeit aus persönlichen Gründen oder Neigungen (Hobby,
Passion, ...) unter den Begriff der Einkommensverwendung für gemischte Zwecke
und nicht unter den Begriff Einkünfteerzielung zu subsumieren.
10
5
Ebd. Weber-Grellet (1992a), S. 561.
6
Vgl. Abschnitt 2.1 u. 2.4.
7
Vgl. Abschnitt 2. 5.
8
Vgl. Abschnitt 3.
9
Vgl. Hecht (2002): Ist der Begriff der ,,Liebhaberei" im Vermietungs- und Verpachtungsbereich
noch aktuell?, S. 227.
10
Vgl. Tipke/Lang (2002): Steuerrecht, § 9 Rz. 128.

3
Ein häufig auftretendes Problem ist, dass eine klare Zuordnung der Tätigkeiten
zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre oder zur einkommens-
teuerrechtlich irrelevanten Privatsphäre nicht ohne weiteres möglich ist. Aus die-
sem Grund wird mit Hilfe von Beweisanzeichen, die aufgrund des speziellen Ein-
zelfalles sowie wegen einkunftsartspezifischer Besonderheiten variieren, auf das
Vorliegen oder Fehlen der Einkünfteerzielungsabsicht geschlossen. Derartige Be-
weisanzeichen werden in der weiteren Bearbeitung erörtert.
In besonderen Maße liebhabereiverdächtig sind beispielsweise Rennställe, Pferde-
zucht, Motorboothandel (insb., wenn der Gewerbetreibende selbst einen Motor-
bootsführerschein besitzt), freie Künstler und Schriftsteller. Aber auch Druckerei-
en, Getränkegroßhandel, Rechtsanwälte oder Steuerberater, bei denen der sog.
Anscheinsbeweis aufgrund der typischen Eignung zur Einkünfteerzielung, für das
Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht spricht, können Liebhabereitätigkeiten
sein. Darum muss grundsätzlich festgestellt werden, dass Liebhaberei bei allen
sieben Einkunftsarten in unterschiedlicher Häufigkeit auftreten kann.
Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt aus den oben ausgeführten Gründen
zunächst darauf, grundsätzliche, die Liebhaberei betreffende Aussagen herauszu-
arbeiten, um im Weiteren auf speziellere und dementsprechend komplexere Sach-
verhalte kritisch eingehen zu können. Fragen, die in diesem Rahmen beantwortet
werden, sind beispielsweise: Auf welchen Grundsätzen beruht die Rechtspre-
chung des BFH nach 1984 und wie werden sie - wenn Auslegungsspielräume be-
stehen - ausgelegt? Welche Relevanz haben andauernde Verluste? Wer trägt die
Beweislast? Was ist ein Anscheinsbeweis? Welche Rechtfertigungsgründe sind
für das Rechtsinstitut der Liebhaberei in Betracht zu ziehen? Worum geht es
rechtlich bei der Einkünfteerzielungsabsicht (objektiver/subjektiver Tatbestand)?
Welche Bedeutung hat die Ergebnisprognose und was ist bei der Ermittlung des
Totalgewinns bzw. des Totalüberschusses zu berücksichtigen? Welche Relevanz
haben ,,persönliche Gründe und Neigungen"? Welche Besonderheiten existieren
in der Rechtsprechung im Bereich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, selbständi-
ger Arbeit und Vermietung und Verpachtung? Die oben gestellten Fragen ermög-
lichen letztendlich in ihrer Gesamtheit abschließend zu klären, was unter Liebha-
berei aus Sicht der Rechtsprechung zu verstehen ist sowie in welchen Fällen das
Rechtsinstitut der Liebhaberei Anwendung finden kann.
Grundsätzlich sollte der Leser jedoch nicht erwarten, dass diese Diplomarbeit zu
einer abschließende Klärung des Rechtsproblems der Liebhaberei führt, da viele

4
Aspekte und Widersprüche aus Vergangenheit und Gegenwart der Rechtspre-
chung - die ebenfalls thematisiert werden sollen - erst noch durch die Rechtspre-
chung oder im Optimalfall durch den Gesetzgeber geklärt werden müssen. Mögli-
cher Weise bleiben auch gewisse Fragen aufgrund der o. b. hohen Komplexität
der Thematik ungeklärt. Die Beantwortung dieser Frage ist von der zukünftigen
Entwicklung abhängig und muss deshalb zunächst unbeantwortet bleiben.
Einleitend soll dem Leser die bereits vielfach angesprochene Komplexität der
Liebhabereithematik durch folgende zwei Beispiele aus der Rechtsprechung ver-
anschaulicht werden:
In beiden Streitfällen waren die Kläger Rechtsanwälte (A und B), die Einkünfte
aus selbständiger Arbeit (§§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 18 EStG) erzielt hatten. Zudem ergin-
gen beiden Entscheidungen durch den XI. Senat des BFH.
Im ersten Streitfall erwirtschaftete A in den Streitjahren 1978 bis 1981 einen Ver-
lust von ca. 580 000 DM, den er mit positiven Einkünften aus seiner Beteiligung
an der Firma A verrechnen wollte. Für die Jahren 1971 bis 1992 betrugen die Ver-
luste aus der Rechtsanwalttätigkeit sogar ca. 985 000 DM. Der XI. Senat kam in
diesem Fall zu dem Urteil, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht als Liebha-
berei beurteilt werden dürfe.
11
Im zweiten Fall hatte B in den Streitjahren 1987 bis 1999 Verluste in Höhe von
ca. 100 000 DM erwirtschaftet. Seinen Lebensunterhalt konnte er mit Versor-
gungsbezügen aus seiner früheren Tätigkeit als Beamter unterhalten. Der XI. Se-
nat wies in diesem Streitfall die Beschwerde gegen Nichtzulassung der Revision,
als unzulässig zurück. Das Urteil des FG Düsseldorf, das die Gewinnerzielungs-
absicht verneint hatte bzw. die Tätigkeit als Liebhaberei beurteilt hatte, wurde
somit rechtskräftig.
12
1.1 Gang
der Untersuchung
Im zweiten Abschnitt ,,Liebhaberei ­ allgemeine Grundsätze" soll im Abschnitt
2.1 der Grundsatzbeschluss des Großen Senats vom 25.06.1984 in seinen Grund-
zügen erörtert werden, um im Weiteren die auf diesem Urteil aufbauenden Ent-
11
Vgl. BFH-Urteil v. 22.04.1998 XI R 10/97. In: world-wide-web [gefunden am 10.03.2005]:
http://jurisweb.de; Vgl. auch Abschnitt 2.2.2.2
12
BFH-Beschluss v. 28.11.2002 XI B 12-14/00. In: world-wide-web [gefunden am 10.03.2005]:
http://jurisweb.de

5
scheidungen der verschiedenen Senate des BFH auf Gemeinsamkeiten und Unter-
schieden überprüfen zu können. Mit dem Ziel ein besseres Verständnis beim Le-
ser für den Stellenwert des o. g. Beschlusses zu entwickeln, soll zu Beginn der
Wechsel vom objektiven zum subjektiven Liebhabereibegriff durch einen histori-
schen Rückblick auf die Rechtsprechung des BFH vor dem Grundsatzbeschluss
des Großen Senats erfolgen. Der sog. ,,zweigliedrige Tatbestand" schließt diesen
Abschnitt ab. Der Abschnitt 2.2 erörtert grundlegende Sachverhalte bezüglich der
einkommensteuerrechtlichen Relevanz/Irrelevanz einer zu beurteilenden Tätig-
keit. Die Kontinuität und Diskontinuität der Liebhabereirechtsprechung des BFH
unmittelbar nach 1984 ist Gegenstand des Abschnitts 2.3, in dem auf die als ,,ge-
sichert" geltende ständige Rechtsprechung des BFH nach 1984 eingegangen wird.
Die unterschiedliche Auslegung der Vorgaben des Großen Senats durch die ver-
schiedenen Senate des BFH wird in späteren Abschnitten thematisiert. Die Be-
weislastregelung im Rahmen der Liebhaberei wird in dem Abschnitt 2.3.1 behan-
delt. Die zentrale Frage, die hier beantwortet werden soll, lautet: Wer trägt wann,
wofür die Beweislast und welche Bedeutung hat der Anscheinsbeweis im Rahmen
der Beweislastregelung. Im Abschnitt 2.4 werden Parallelen und Unterschiede der
Rechtsprechung auf der Grundlage der Einkommensteuergesetze von 1891, 1920,
1925 und 1934 aufgezeigt. Hier sei bereits jetzt darauf hingewiesen, dass mögli-
che Parallelen zur heutigen Rechtsprechung stets vor dem Hintergrund der dama-
ligen Zeit und der damals geltenden Gesetzeslage zu sehen sind. In diesem Zu-
sammenhang wird auf die Bedeutung und den Einfluss der zum jeweiligen Zeit-
punkt vorherrschenden Theorien auf die Einkommensteuergesetze eingegangen,
deren wesentliche Grundsätze ebenfalls Erwähnung finden werden. Die im
Schrifttum angeführten Rechtfertigungsgründe (Fiskalzweck, Leistungsfähig-
keitsprinzip und Abgrenzung der Erwerbsphäre zur Privatsphäre) für die Liebha-
berei werden im Abschnitt 2.5 erörtert. Der abschließende Abschnitt 2.5.4 bein-
haltet eine zusammenfassende eigene Stellungnahme, die mit Meinungen aus dem
Schrifttum bekräftigt werden soll.
Im dritten Abschnitt ,,Liebhaberei ­ allgemeine Tatbestandsmerkmale und Be-
weisanzeichen" soll geklärt werden, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen,
damit Einkünfte erzielt werden bzw. wann Einkünfteerzielungsabsicht oder Lieb-
haberei vorliegt. Hierzu wird in Abschnitt 3.1 die Einkünfteerzielungsabsicht im
Allgemeinen und die unter dem Oberbegriff Einkünfteerzielungsabsicht zusam-
mengefassten Gewinnerzielungsabsicht und Überschusserzielungsabsicht erörtert.

6
In den anschließenden Abschnitten werden die für die Einkünfteerzielungsabsicht
relevanten Begriffe bzw. Formulierung Totalerfolg, Totalerfolgprognose sowie
deren Einflussfaktoren (Beurteilungseinheit, Totalerfolgsperiode) und ,,persönli-
che Gründe und Neigungen" thematisiert. In Zusammenhang mit den ,,persönliche
Gründe und Neigungen" wird nochmals auf die grundsätzliche Bedeutung des
Anscheinsbeweises sowie auf die Liebhabereirechtsprechung des BFH zu neben-
beruflichen Einkünften eingegangen. In Abschnitt 3 wird erstmals die Komplexi-
tät des einzelfallabhängigen Rechtsinstituts der Liebhaberei deutlich. Er bildet
daher die Grundlage für das weitere Verständnis und zugleich den Schwerpunkt
der Diplomarbeit.
Grundsätzliche Fallkonstruktionen, in Form von Parallelen bei ergangenen Urtei-
len, werden im Abschnitt vier ,,Grundsätzliche Fallgestaltungen bei Annahme von
Liebhaberei" erörtert. Es sollen die vom Einzelfall und von den einkunftsartspezi-
fischen Besonderheiten abhängigen Urteile der Finanzgerichtsbarkeit in Bezug auf
zentrale Ausgangsituationen systematisiert werden. Hierbei muss eine weiterge-
hende Beurteilung stets unter Berücksichtigung des vom Einzelfall abhängigen
Sachverhalts erfolgen, dem das betreffende Urteil zu Grunde gelegen hat. Die
Abschnitte 4.1 bis 4.5 behandeln folgende Fallgestaltungen: Einkünfteerzielungs-
absicht von Beginn an, Fehlen der Einkünfteerzielungsabsicht von Beginn an,
Wegfall der Einkünfteerzielungsabsicht zu einem späteren Zeitpunkt, Beginn der
Einkünfteerzielungsabsicht zu einem späteren Zeitpunkt sowie die zwischenzeitli-
che Liebhabereiphase.
Im Abschnitt fünf ,,Spezielle Beweisanzeichen für Liebhaberei" liegt der Schwer-
punkt auf ausgewählten Problemstellungen bei den Einkünften aus Gewerbebe-
trieb (Abschnitt 5.1), selbständiger Arbeit (Abschnitt 5.2) und Vermietung und
Verpachtung (Abschnitt 5.3). Zu Beginn des jeweiligen Abschnitts werden die
grundlegenden Tatbestandsmerkmale der jeweiligen Einkunftsart erörtert. An-
schließend werden der Anscheinsbeweis sowie einige, mit diesem in Zusammen-
hang stehende, Problemstellungen in Bezug auf die jeweilige Einkunftsart erör-
tert. Dem Leser soll in Abschnitt fünf anhand von jüngst ergangenen Urteilen ein
Einblick in die aktuelle Rechtsprechungspraxis der Finanzgerichtsbarkeit eröffnet
werden sowie die Relevanz von einkunftsartspezifischen Besonderheiten mit Hilfe
von ausgewählten Problemstellungen exemplarisch darstellen.

7
2 Liebhaberei ­ Allgemeine Grundsätze
Im zweiten Abschnitt sollen dem Leser grundlegende Kenntnisse vermittelt wer-
den. Hierzu wird einleitend der Grundsatzbeschluss des Großen Senats vom
25.06.1984 in seinen wesentlichen Teilen erörtert. Anschließend wird auf die ein-
kommensteuerrechtliche Relevanz/Irrelevanz einer Tätigkeit im Allgemeinen so-
wie auf die Beweislastregelung im Rahmen des Abschnitts ,,Kontinuität und Dis-
kontinuität der Liebhabereirechtsprechung nach 1984" eingegangen. Zudem wird
ein historischer Rückblick vorgenommen und letztendlich auf mögliche Rechtfer-
tigungsgründe sowie deren Relevanz eingegangen.
2.1
,,Ständige Rechtsprechung" des BFH seit dem Grundsatzbe-
schluss des Großen Senats vom 25.06.1984
Im Schrifttum wird dem Beschluss des Großen Senats vom 25.06.1984 ein beson-
derer Stellenwert beigemessen, der nach von Gehlen und Paus gar eine ,,Wende"
in der Rechtsprechung dargestellt hat.
13
Diese Formulierung ist durchaus berech-
tigt, da der BFH auf Grundlage dieses Beschlusses offiziell und gemäß Weber-
Grellet sogar ,,uneingeschränkt" vom objektiven zum subjektiven Liebhabereibe-
griff zurückgekehrt ist. Mit der Rückkehr zum subjektiven Liebhabereibegriff
schloss sich der Große Senat der überwiegenden Meinung im Schrifttum an, das
bereits seit langem eine Rückkehr zur subjektiven Betrachtung gefordert hatte.
Weber-Grellet sieht in diesem Schritt sogar eine ,,Hinwendung zum Gesetz". Ex-
plizit führt er die §§ 2 Abs. 1, 15 Abs. 2 Satz 1, 15 Abs. 3 und 12 EStG an.
14
Pferdemenges schließt allerdings nicht aus, dass man auch von einer ,,gemischt
subjektiv - objektiven Betrachtungsweise" sprechen könne, da die Abgrenzung
von Liebhabereitätigkeiten von den steuerlich relevanten Tätigkeiten sowohl von
subjektiven, als auch objektiven Merkmalen abhängig sei.
15
In der weiteren Bearbeitung der Thematik wird ersichtlich werden, dass zwar die
Ermittlung zwangsläufig über objektive Merkmale erfolgt, die Rückschlüsse auf
13
Vgl. Gehlen von (1989): Die Abgrenzung von Liebhaberei und einkommensteuerlich relevanter
Betätigung aus betriebswirtschaftlicher Sicht, S. 40ff; Paus (1992): Ungelöste Probleme der Lieb-
haberei, S. 129.
14
Vgl. Weber-Grellet (1992a): Wo beginnt die Grenze zur ,,Liebhaberei"? (Teil I), S. 562.
15
Vgl. Pferdemenges (1990): Einkünfteerzielungsabsicht, S. 58; Raupach/Schenking (2002): Ein-
kommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz Kommentar, § 2 Rn. 386ff.

8
die subjektive Seite erlauben, jedoch die abschließende Beurteilung letztendlich
im Wesentlichen subjektiv geprägt ist. Die Finanzgerichtsbarkeit hat daher zu-
nächst das Gewicht der verschiedenen Beweisanzeichen im finanzgerichtlichen
Verfahren abzuwägen und kann daher den speziellen Einzelfall nur auf Grundlage
der Gesamtumstände der Verhältnisse abschließend beurteilen. Aus diesem Grund
erscheint der ,,subjektive Liebhabereibegriff" angemessener zu sein und soll somit
in der weiteren Bearbeitung verwendet werden. Um den subjektiven Liebhaberei-
begriff von dem objektiven Liebhabereibegriff differenzieren und um die Trag-
weite des Grundsatzbeschlusses des Großen Senats vom 25.06.1984 nachvollzie-
hen zu können, wird zunächst auf die Rechtsprechung des BFH in den Jahren vor
1984 eingegangen.
2.1.1 Der Wechsel vom objektiven zum subjektiven Liebhaberei-
begriff
Bis zum Jahre 1969 lag gemäß BFH-Rechtsprechung eine einkommensteuerrecht-
lich relevante Tätigkeit immer dann vor, wenn die Kriterien einer ,,wirtschaftli-
chen Betriebsführung" als erfüllt erachtet wurden und ein ,,nachhaltiger Gewinn"
nach Abschluss der Anlaufphase vorlag. Die Beurteilung sollte stets nach den
objektiven Verhältnissen erfolgen, wobei der subjektiven Einstellung des Steuer-
pflichtigen in Grenzfällen eine gewisse Bedeutung beigemessen werden sollte.
16
Die Urteilsbegründungen des BFH der Jahre 1970 bis 1984 (im Hinblick auf die
Tätigkeiten des § 2 Abs. 1 Nrn. 1-3 EStG) sind von einem rein objektiven Liebha-
bereibegriff gekennzeichnet. Es ist festzustellen, dass i. d. R. die Vorstellungen
und Gründe des Steuerpflichtigen keine Berücksichtigung in den Urteilsbegrün-
dungen des BFH fanden. In den damaligen Entscheidungen vertrat der BFH stets
die Auffassung, dass eine Liebhaberei dann vorläge, ,,wenn nach den im Einzelfall
erkennbaren objektiven Verhältnissen erkennbar ist, daß [sic] ein Betrieb nicht
nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt wird oder trotzdem (nach sei-
ner Wesensart) auf die Dauer gesehen nicht nachhaltig mit Gewinn arbeiten
kann".
17
Somit wurde eine Tätigkeit, unabhängig von der Beachtung wirtschaftli-
cher Grundsätze im Rahmen der Betriebsführung, einkommensteuerrechtlich un-
16
Vgl. ebd. Pferdemenges (1990), S. 60.
17
BFH-Urteil v. 22.11.1979 IV R 88/76, BStBl. II 1980, S. 153 m. w. N.. Zitiert nach Pferdemen-
ges (1990): Einkünfteerzielungsabsicht, S. 61.

9
beachtlich, wenn sie auf Dauer gesehen zu Verlusten nach Abschluss der Anlauf-
phase führte.
Für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 EStG) galt
diese rein objektive Betrachtungsweise nicht. Im Rahmen dieser Einkunftsart war
eine Feststellung von persönlichen Motiven oder privaten Neigungen erforderlich,
um die Tätigkeit als Liebhabereitätigkeit zu qualifizieren. Ein mangelnder Über-
schuss der Einnahmen über die Werbungskosten (Verlust) war somit allein nicht
ausreichend. Ein Anzeichen für einen sich andeutenden Wandel in der Rechtspre-
chung war die Entscheidung des VIII. Senats des BFH vom 21.10.1980. In seiner
Urteilsbegründung betonte der VIII. Senat, dass es schwer vorstellbar sei, ,,daß
[sic] jemand Gebäude oder Räume in Gebäuden ohne Überschusserzielungsab-
sicht, lediglich aus persönlicher Neigung an Fremde vermietet."
18
Ob diese faktische Ungleichbehandlung von Einkunftsarten im bereich der Lieb-
habereirechtsprechung zu jener Zeit als gesetzeskonform beurteilt wurde, konnte
der Literatur nicht entnommen werden. Festzustellen ist hingegen, dass der objek-
tive Liebhabereibegriff auf erhebliche Ablehnung im Schrifttum stieß.
19
2.1.2 Der Grundsatzbeschluss des Großen Senats vom 25.06.1984
Nach Söffing wurde dieser Entwicklung der höchstrichterlichen Liebhaberei-
rechtsprechung mit dem Beschluss des Großen Senats vom 25.06.1984 ein Ende
gesetzt.
20
Dieser Grundsatzbeschluss wurde gemäß JURIS in über 950 Entschei-
dungen der Finanzgerichte und in über 210 Beiträgen in Fachzeitschriften, u. Ä.
zitiert, was seine Bedeutung für die weitere Rechtsprechung der FG und des BFH
belegt.
21
Mit diesem Beschluss antwortete der Große Senat auf einen Vorlagebeschluss des
IV. Senats des BFH, der über die Rechtmäßigkeit von negativen Gewinnfeststel-
lungen der Jahre 1969 bis 1971 für eine GmbH & Co. KG zu entscheiden hatte.
Das Unternehmen war 1969 auf Veranlassung einer New Yorker Reederei ge-
gründet worden und hatte als Unternehmensgegenstand den Bau und Betrieb eines
18
BFH-Urteil v. 21.10.1980 VIII R 81/79, BStBl. II 1981, S. 452.
19
Vgl. Meilicke (1979): ,,Liebhaberei" im Einkommensteuerrecht ­ ein Lieblingskind richterlicher
Gesetzgebung, S. 337; Kruse (1980): Grundfragen der Liebhaberei, S. 228; Zustimmend hingegen
Job (1977): Die steuerrechtliche Liebhaberei", S. 81ff.
20
Vgl. Söffing (1992): Einkünfteerzielungsabsicht - Liebhaberei, S. 235ff.
21
Gemäß JURIS. In: world-wide-web [gefunden am 10.03.2005]: http://jurisweb.de.

10
Container-Schiffes (sog. ,,Bremer Modell"). Zugleich diente der o. g. Beschluss
als Antwort auf einen Vorlagebeschluss des I. Senats vom 17.02.1982.
22
Der Große Senat äußerte sich in diesem Grundsatzbeschluss überwiegend zur
Gewinnerzielungsabsicht, die für die einkommensteuerlich relevanten Tätigkeiten
im Sinne des § 2 Abs. 1 Nrn. 1-3 EStG (Gewinneinkunftsarten) von Relevanz ist.
Der Begriff ,,Liebhaberei" wurde allerdings nicht explizit verwendet. Aus der Ur-
teilsbegründung ergibt sich jedoch, dass das Vorliegen oder Fehlen der Einkünf-
teerzielungsabsicht nicht nur für die betrieblichen Einkünfte von Relevanz ist,
sondern auch die einkommensteuerlich relevanten Tätigkeiten im Sinne § 2 Abs. 1
Nrn. 4-7 EStG (Überschusseinkunftsarten) betroffen sind.
23
Der Große Senat legte in seinem Beschluss fest, dass für das Vorliegen einer Ein-
kunftsart gemäß § 2 Abs. 1 Nrn. 1-7 EStG eine Einkünfteerzielungsabsicht
24
vor-
ausgesetzt werden müsse. Die Argumentation des Großen Sentas lautete wie folgt:
,,Bei der Ermittlung des Einkommens für die Einkommensteuer sind nur solche
positiven oder negativen Einkünfte anzusetzen, die unter die Einkünfte des § 2
Abs. 1 Nrn. 1-7 EStG [sic]
25
fallen. Kennzeichnend für diese Einkunftsarten ist,
daß [sic] die ihnen zugrunde [sic] liegenden Tätigkeiten oder Vermögensnutzun-
gen auf eine größere Zahl von Jahren gesehen der Erzielung positiver Einkünfte
oder Überschüsse dienen. Fehlt es an dieser Voraussetzung, so fallen die wirt-
schaftlichen Ergebnisse auch dann nicht unter eine Einkunftsart, wenn sie sich
ihrer Art nach unter § 2 Abs. 1 EStG [sic] einordnen ließen."
26
Daraus folgt, dass
jede unter den objektiven Tatbestand einer Einkunftsart fallende Tätigkeit, die
ohne Einkünfteerzielungsabsicht ausgeführt wird, als Liebhabereibetätigung zu
definieren ist. Zudem wird das Merkmal einer generellen Einkünfteerzielungsab-
sicht gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG abgeleitet, das als immanentes Merkmal aller
Einkunftsarten zu verstehen ist.
27
Der Große Senat begründete diese Entscheidung mit dem Zweck des EStG, der in
der Beschaffung von Mittel für die öffentliche Hand liege. Dabei sei der Steuer-
pflichtigen entsprechend seiner Leistungsfähigkeit heranzuziehen. Um diesen
Zweck zu erreichen, könnten bzw. sollten auf die Dauer gesehen nur positive Ein-
22
Vgl. Wissel (1997): Einkünfteerzielungsabsicht und Einkommensbegriff, S. 143.
23
Vgl. Pferdemenges (1990): Einkünfteerzielungsabsicht, S. 62.
24
Oberbegriff für Gewinnerzielungs- und Überschusserzielungsabsicht
25
Im BFH-Beschluss v. 25.06.1984 (GrS 4/82, BStBl. II 1984, S. 766) wird stets auf den, zumin-
dest auf Grundlage des heutigen EStG, ,,falschen" § 2 Abs. 3 EStG verwiesen. In der weiteren
Bearbeitung wird daher die heute zutreffende Norm - § 2 Abs.1 EStG - verwendet.
26
BFH-Beschluss v. 25.06.1984 GrS 4/82, BStBl. II 1984, S. 766.
27
Vgl. Weber-Grellet (1992a): Wo beginnt die Grenze zur ,,Liebhaberei"? (Teil I), S. 562.

11
künfte für die Besteuerung erfasst werden.
28
Dementsprechend sind neben Verlus-
ten und Gewinnen/Einnahmen, die durch eine Tätigkeit erwirtschaftet werden, die
zu keiner der sieben Einkunftsarten zugeordnet werden können (Lotteriegewinne;
Preise, die jemand für sein Lebenswerk erhält, ...)
29
, auch Verluste und Gewin-
ne/Einnahmen, die ohne Einkünfteerzielungsabsicht erwirtschaftet wurden (Lieb-
haberei) nicht steuerbar.
30
Der Verlustbegriff ist nur unzulänglich in die Termino-
logie des EStG integriert, aus diesem Grund soll im Rahmen der Bearbeitung Ver-
luste als negative Einkünfte verstanden werden, bei denen Überschüsse der Er-
werbsaufwendungen über die Erwerbsbezüge vorliegen.
31
Der Große Senat stellte klar, dass die Einkünfteerzielungsabsicht eine innere Tat-
sache sei, die nur anhand äußerlicher Merkmale beurteilt werden könne. Aus die-
sem Grund müsse aus ,,objektiven Umständen" auf das Vorliegen oder Fehlen der
Absicht geschlossen werden, wobei einzelne Umstände einen ,,Anscheinsbeweis
(prima-facie-Beweis)" liefern könnten, der vom Steuerpflichtigen entkräftet wer-
den könne.
32
Der Große Senat führte in seinem Beschluss vom 25.06.1984 je ein Beweisanzei-
chen für und gegen das vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht an, die er als
Merkmal des gewerblichen Unternehmens i. S. des § 15 Nr. 1 Satz 1 EStG als
Streben nach Betriebsvermögensmehrung in Gestalt eines Totalgewinns
33
ver-
standen hat. In diesem Sinne sei der Gewinn im Begriff Gewinnabsicht als Kenn-
zeichen eines gewerblichen Unternehmens als Totalgewinn aufzufassen, was sich
aus der Funktion des Merkmals ergäbe. Zur Charakterisierung der in § 2 Abs. 1
Nrn. 1-3 EStG aufgeführten Gewinneinkünfte sei es erforderlich, auf den Total-
gewinn abzustellen, weil nur so eine Abgrenzung von Tätigkeiten innerhalb und
außerhalb einer der im EStG bezeichneten Einkunftsarten möglich sei.
34
Der To-
talgewinn ist gemäß diesem Beschluss ,,als Gesamtergebnis des Betriebes von der
Gründung bis zur Veräußerung oder Aufgabe oder Liquidation (§ 16 Abs. 2, 3
28
Vgl. BFH-Beschluss v. 25.06.1984 GrS 4/82, BStBl. II 1984, S. 766.
29
Birk (2003): Steuerrecht, § 6 Rn. 535.
30
Gemäß § 23 Abs. 3 EStG sind Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nur in Höhe des
erzielten Gesamtgewinns aus privaten Veräußerungsgeschäften des gleichen Kalenderjahres aus-
gleichsfähig. Verluste die den Gesamtgewinn des gleichen Kalenderjahres übersteigen dürfen nicht
nach § 10 d EStG abgezogen werden. Sie mindern hingegen nach Maßgabe des § 10 d EStG die
Verluste, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum
oder in folgenden Veranlagungszeiträumen erzielt oder erzielt hat. Dies gilt für Verluste aus priva-
ten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 EStG.
31
Vgl. Tipke/Lang (2002): Steuerrecht, § 1 Rz. 60ff.
32
Vgl. BFH-Beschluss v. 25.06.1984 GrS 4/82, BStBl. II 1984, S. 767; Vgl. Auch Abschnitt 2.2.
33
Vgl. Abschnitt 3.2.
34
Vgl. BFH-Beschluss v. 25.06.1984 GrS 4/82, BStBl. II 1984, S. 766.

12
i.V.m. § 4 Abs. 1, § 5 EStG)"
35
zu verstehen. Hierin besteht ein weiterer wesentli-
cher Unterschied zu der früheren Rechtsprechung, da diese nur den nachhaltigen,
wenn auch nur bescheidenen, Gewinn nach Abschluss der Anlaufphase für maß-
geblich hielt. Der BFH hat, in Anschluss an den Beschluss des Großen Senats
vom 25.06.1984, jedoch die verlustbelastete Vergangenheit einschließlich der
Anfangsverluste als zwingend ausgleichsfähig erachtet.
36
Diese Aussage ist ge-
mäß der neuesten Entwicklungen in der Rechtsprechung allerdings nur noch be-
grenzt gültig, da der BFH z. T. von der o. g. Definition des Totalgewinns ab-
weicht und darüber hinaus weitere Kriterien bei der Ermittlung des maßgeblichen
Beurteilungszeitraumes, der sog. Totalerfolgsperiode, berücksichtigt.
37
Als Beweisanzeichen für das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht führt der
Große Senat eine Betriebsführung an, ,,bei der der Betrieb nach seiner Wesensart
und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen dazu geeignet und be-
stimmt ist, mit Gewinn zu arbeiten".
38
Dieses erfordere eine in die Zukunft gerich-
tete und langfristige Beurteilung, wofür die Verhältnisse eines bereits abgelaufe-
nen Zeitraums wichtige Anhaltspunkte bieten könnten.
39
Der oben zitierte Grund-
satz wird in späteren Urteilen durch die verschiedenen Senate des BFH unter-
schiedlich ausgelegt. Dies ist im Wesentlichen - abgesehen von der Würdigung
der Gesamtumstände des speziellen Sachverhalts - auf die Formulierungen ,,ge-
eignet" und ,,bestimmt" zurückzuführen. In der Beurteilung der Geeignetheit dürf-
te allerdings ein größerer Auslegungsspielraum bestehen, als in der der Bestimmt-
heit eines Betriebes, Gewinne zu erzielen. Diese Problematik soll im Abschnitt
3.5.1 in Verbindung mit dem Anscheinsbeweis anhand von ergangenen Urteilen
des BFH detaillierter erörtert werden.
Als Beweisanzeichen gegen das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht bei
einer Personengesellschaft führt der Große Senat an, dass ,,wenn die Personenge-
sellschaft nach Art ihrer Betriebsführung keine Mehrung ihres Gesellschafterver-
mögens in Gestalt eines positiven Totalergebnis erreichen kann und ihre Tätigkeit
nach der Gestaltung des Gesellschaftervertrages allein darauf angelegt ist, ihren
Gesellschaftern Steuervorteile"
40
zu vermitteln. In diesem Fall liege der Grund für
35
BFH-Beschluss v. 25.06.1984 GrS 4/82, BStBl. II 1984, S. 766.
36
Vgl. Weber-Grellet (1992a): Wo beginnt die Grenze zur ,,Liebhaberei"? (Teil I), S. 564.
37
Vgl. BFH-Urteil v. 26.02.2004 IV R 43/02, DStZ 2004, S. 342; Hessisches FG, Urteil v.
17.03.1999, 8 K 6110/91, DStRE 2000, S. 66; FG Münster, Urteil v. 14.12.2000, 2 K 188/97 F,
DStRE 2001, S. 961.
38
BFH-Beschluss v. 25.06.1984 GrS 4/82, BStBl. II 1984, S. 767.
39
Vgl. BFH-Beschluss v. 25.06.1984 GrS 4/82, BStBl. II 1984, S. 767.
40
BFH-Beschluss v. 25.06.1984 GrS 4/82, BStBl. II 1984, S. 767.

13
die Fortführung der verlustbringenden Tätigkeit allein im Lebensführungsbereich
der Gesellschafter. Diese seien dann nur daran interessiert, ihre persönliche Steu-
erbelastung aus anderen Tätigkeiten oder Vermögensnutzungen zu mindern oder
zu vermeiden.
Die Gewinnerzielungsabsicht i. S. einer ,,bloßen Steuerersparnis" ist für sich ge-
nommen nicht zur Kennzeichnung eines gewerblichen Unternehmens geeignet.
41
Im Umkehrschluss bedeutet diese Feststellung, dass sie im Regelfall allein ebenso
wenig als Begründung für eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht geeignet ist.
Ansonsten sieht der Große Senat die ,,planmäßig betriebenen Minderung von Per-
sonensteuern" als einen ,,sonstigen wirtschaftlichen Vorteil" im weiteren Sinne,
der unter dem ,,mehrdeutigen" Gewinnbegriff (§ 1 Abs. 1 GewStDV) subsumiert
werden kann.
42
Dementsprechend führte der BFH in seinem Urteil vom
21.06.2004 aus, dass eine aus dem Verlustausgleich resultierende Steuerersparnis
für sich genommen im Regelfall kein einkommensteuerrechtlich unbeachtliches
Motiv im Sinne der Liebhabereirechtsprechung darstelle. Zur Begründung führte
der X. Senat aus, dass in der bisherigen Rechtsprechung die Steuerersparnis nur
dann tragend als persönliches Motiv für die Hinnahme von Verlusten herangezo-
gen worden sei, wenn es sich um eine Verlustzuweisungsgesellschaft gehandelt
habe, deren Geschäftskonzept darauf beruhe, zunächst buchmäßige Verluste aus-
zuweisen, um zu einem späteren Zeitpunkt steuerfreie oder -begünstigte Veräuße-
rungsgewinne erzielen zu können.
43
Der Große Senat wies darauf hin, dass alle Umstände des Einzelfalls zu berück-
sichtigen seinen. Dauernde Verluste könnten hingegen nicht allein ausschlagge-
bend für das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht sein. ,,Bei längeren Verlustpe-
rioden muß [sic] aus weiteren Beweisanzeichen die Feststellung möglich sein, daß
[sic] der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner
Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausübt."
44
Ent-
scheidend ist hierbei das im Handeln dokumentierte Wollen, also eine objektivier-
te Absicht und nicht der verbal geäußerte Wille des Steuerpflichtigen. Somit
kommt dem Bereich der ,,persönlichen Gründe und Neigungen" mit der Rückkehr
zum subjektiven Liebhabereibegriff eine entscheidende Bedeutung zu.
45
41
Vgl. BFH-Beschluss v. 25.06.1984 GrS 4/82, BStBl. II 1984, S. 767.
42
Vgl. BFH-Beschluss v. 25.06.1984 GrS 4/82, BStBl. II 1984, S. 766.
43
Vgl. BFH-Urteil v. 21.06.2004, BStBl. II 2004, S. 1066.
44
BFH-Beschluss v. 25.06.1984 GrS 4/82, BStBl. II 1984, S. 767.
45
Vgl. Weber-Grellet (1992a): Wo beginnt die Grenze zur ,,Liebhaberei"? (Teil I), S. 562ff..

14
Das zumindest die Finanzgerichte bis zum heutigen Tage einige Schwierigkeiten
in der Berücksichtung dieses Sachverhalts haben, wird in dem bereits erwähnten
Urteil des X. Senats vom 21.06.2004 deutlich. In diesem Urteil führt der X. Senat
an, dass ein wesentlicher Grund für die Aufhebung finanzgerichtlicher Urteile
durch den BFH, in denen das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht durch die
FG verneint worden war, häufig in der fehlenden ausdrücklichen Feststellung von
persönlichen Motiven gelegen habe. Der BFH habe seit der erneuten Hinwendung
zum subjektiven Liebhabereibegriff in keinem einzigen Fall die Gewinnerzie-
lungsabsicht von Steuerpflichtigen, die nicht typischerweise in der Nähe des Hob-
bybereichs anzusiedeln war, allein wegen der Tatsache langjährig erwirtschafteter
Verluste verneint.
46
Der Große Senat verwies darauf, dass bei einer Tätigkeit die Gewinnabsicht später
einsetzen oder wegfallen könne und somit eine einkommensteuerrechtlich rele-
vante Tätigkeit später beginnen oder auch wegfallen könnte, als es dem tatsächli-
chen Betriebsbeginn entsprechen würde.
47
Eine Betriebsaufgabe mit der Folge der
Überführung des Betriebsvermögens in das Privatvermögen ist darin allerdings
nicht zu sehen. Andererseits gilt ein Gewerbebetrieb als eröffnet, wenn ein Steu-
erpflichtiger eine zunächst nicht vorhandene Gewinnerzielung fasst.
48
Aufgrund
dieser Aussage könnte davon ausgegangen werden, dass der BFH schon im Jahr
1984 eine Fortschreibung bzw. Variation des Prognosezeitraums für denkbar er-
achtet hatte oder zumindest Raum für weitere Rechtsfortbildung schaffen wollte.
Eine derartige Argumentation steht allerdings den durch den Großen Senat getä-
tigten Ausführungen zur Bedeutung und Definition des Totalgewinns entgegen.
Ebenso entspricht sie nicht dem Charakter der Totalerfolgsprognose, die den To-
talerfolg als ex ante Größe ermittelt.
49
46
Vgl. BFH-Urteil v. 21.06.2004, BStBl. II 2004, S. 1065.
47
Vgl. BFH-Beschluss v. 25.06.1984 GrS 4/82, BStBl. II 1984, S. 767.
48
Vgl. Seeger (2004): EStG, § 2 Rn. 28.
49
Theisen (1999): Die Liebhaberei ­ Ein Problem des Steuerrechts und der Betriebswirtschaftli-
chen Steuerlehre, S. 262.

15
2.1.3 Zweigliedriger Tatbestand als ,,Kern" der ständigen Recht-
sprechung
Nach der h. M. im Schrifttum erfolgt die Prüfung, ob eine Liebhabereitätigkeit
vorliegt, grundlegend in zwei Schritten.
50
Diese Vorgehensweise wird aus der
ständigen Rechtsprechung des BFH abgeleitet. Speziell wird auf das Urteil des
BFH vom 19.11.1985 (VIII R 4/83)
51
verwiesen, das sich gemäß Honisch als ,,äu-
ßerst hilfreich" für die Vorgehensweise im Rahmen der weiteren Liebhaberei-
rechtsprechung erwiesen habe.
52
Nach Stein verkörpert der durch den BFH krei-
erte ,,zweigliedrige Liebhabereibegriff" ebenfalls eine zweistufige Prüfung.
53
Weber-Grellet bezeichnet die Einkünfteerzielungsabsicht als einen ,,zweigliedri-
gen Tatbestand", bei dem zunächst eine Ergebnisprognose erfolgen soll, für die
eine in die Zukunft gerichtete langfristige Beurteilung erforderlich sei. Die Ver-
hältnisse der Vergangenheit könnten hierbei wichtige Anhaltspunkte liefern. Ist
diese Ergebnisprognose negativ soll geprüft werden, ob die zu Grunde liegende
Tätigkeit einkommensteuerrechtlich irrelevant ist. Umgekehrt seien Einkünfte
steuerbar, wenn die Ergebnisprognose positiv ist oder wenn trotz negativer Er-
gebnisprognose keine einkommensteuerrechtlich irrelevante Motivation eingrei-
fe.
54
Diese schlichte Definition reduziere die einschlägigen Passagen der Urteile
der Finanzgerichte auf ihren Kern, trenne die maßgeblichen Kriterien voneinander
ab und zwinge auf diese Weise zur systematischen Prüfung. Die Schwierigkeiten
lägen für den Rechtsanwender bei der Ermittlung der Ergebnisprognose und der
Beurteilung der maßgebenden Veranlassung, aus der das prognostizierte Ergebnis
resultiere.
55
Korn/Fuhrmann führen aus, dass Einkünfte aus Gewerbebetrieb nur dann vorlä-
gen, wenn der Steuerpflichtige einen betrieblichen Totalgewinn erstrebe. Bei ih-
nen erfolgt die Prüfung ebenfalls in zwei Schritten:
56
Zunächst soll eine Progno-
seberechnung Auskunft geben, ob der Betrieb einen Totalgewinn erwirtschaften
50
Vgl. Weber-Grellet (1998): Liebhaberei im Ertragssteuerrecht, S. 873; Korn/Fuhrmann (2004a):
Entwicklungen und Zweifelsfragen zur ,,Liebhaberei" im Einkommensteuerrecht -Teil 1-, S. 394;
Braun (2000): Objektivierung der Gewinnerzielungsabsicht bei der Liebhaberei, S. 283f.
51
Vgl. auch Abschnitt 3.5.1.1.
52
Vgl. Honisch (2000): Zu den Inflationstendenzen bei der Liebhaberei, S. 545.
53
Vgl. Stein (2004): Verlustausgleich oder Liebhaberei bei der Vermietung von Grundstücken, S.
49.
54
Vgl. Weber-Grellet (1998): Liebhaberei im Ertragssteuerrecht, S. 873.
55
Vgl. Weber-Grellet (1992a): Wo beginnt die Grenze zur ,,Liebhaberei"? (Teil I), S. 563.
56
Vgl. Korn/Fuhrmann (2004a): Entwicklungen und Zweifelsfragen zur ,,Liebhaberei" im Ein-
kommensteuerrecht -Teil 1-, S. 394.

16
kann oder - bei bereits erfolgter Beendigung - erwirtschaftet hat (= Ergebnisprog-
nose). Ist dieses anzunehmen oder zu bejahen, so müsse aus dieser äußeren Tatsa-
che auf eine entsprechende innere Absicht des Steuerpflichtigen geschlossen wer-
den. Das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht sei dann grundsätzlich anzu-
nehmen. Sie resultiere allerdings nicht zwingend aus diesen Erkenntnissen, da
beim bloßen Ausnutzen einer sich einmalig bietenden Gelegenheit die Gewinner-
zielungsabsicht trotz Totalgewinn fehlen könne. Ist die Ergebnisprognose hinge-
gen negativ, so sei zu prüfen, ob der prognostizierte oder der bereits festgestellte
Totalverlust aufgrund einkommensteuerrechtlich beachtlicher oder unbeachtlicher
Motive hingenommen wurde. Losgelöst von der Prüfungsfolge sei allerdings zu
beachten, dass das Vorhandensein oder Fehlen der Einkünfteerzielungsabsicht im
Wesentlichen auf Schlussfolgerungen tatsächlicher Art beruhe. An derartige tat-
sächliche Feststellung i. S. v. § 118 Abs. 2 FGO ist das Revisionsgericht gebun-
den. Daher müsse ,,besonderes Gewicht auf die richtige und umfassende Darle-
gung der maßgeblichen Umstände spätestens im finanzgerichtlichen Verfahren
gelegt werden"
57
.
Die Ausführungen von Korn/Fuhrmann, als auch die von Weber-Grellet verwei-
sen auf die Schwierigkeiten, die bei der beschriebenen zweigliedrigen Prüfung zu
berücksichtigen sind. Zudem muss vor der Prüfung, ob eine Einkünfteerzielungs-
absicht vorliegt, die Einkunftsart feststehen, da auch die einkunftsartspezifischen
Besonderheiten für die weitere Prüfung von hoher Relevanz sind.
58
Dementspre-
chend muss der ,,zweigliedrige Tatbestand" zwar als hilfreiche Systematisierung
angesehen werden, kann aber keineswegs als der finale Lösungsweg erachtet wer-
den. Vermutlich vermeidet der BFH daher selbst die Begriffe ,,zweigliedriger
Tatbestand" oder ,,zweigliedriger Liebhabereibegriff". Die Beurteilung der Ein-
künfteerzielungsabsicht ist somit ein relativ komplizierter Rechtsanwendungspro-
zess, dessen Komplexität zum einen mit der Natur der Einkünfteerzielungsabsicht
als innere Tatsache und zum anderen mit der einzelfallabhängigen Beurteilung
begründet werden kann.
57
Ebd. Korn/Fuhrmann (2004a), S. 394.
58
Vgl. BFH-Urteil v. 29.03.2001 IV R 88/99, BStBl. II 2002, S. 791.

17
2.2 Allgemeine einkommensteuerliche Relevanz/Irrelevanz der
zu untersuchenden Tätigkeiten
Aus § 15 Abs. 2 Satz 1 und § 15 Abs. 3 Satz 1 EStG folgt, das die Einkünfteerzie-
lung eine darauf gerichtete Absicht voraussetzt.
59
Die Einkünfteerzielungsabsicht
ist daher als die Absicht des Steuerpflichtigen, nachhaltig positive Einkünfte
durch Erwerbstätigkeit bzw. Vermögensnutzung zu erwirtschaften, zu verstehen.
60
Liegt die Einkünfteerzielungsabsicht vor, so sind die aus der jeweiligen Tätigkeit
stammenden Einkünfte grundsätzlich einkommensteuerrechtlich relevant. Steuer-
rechtlich negative Auswirkungen für den Steuerpflichtigen ergeben sich insofern
nur, wenn nicht Verlustverrechnungsbeschränkungen, sachliche Steuerbefreiun-
gen oder Ähnliches einer Berücksichtigung der positiven oder negativen Einkünf-
te entgegenstehen.
61
Alle positiven oder negativen Einkünfte, die ohne Einkünfteerzielungsabsicht er-
zielt werden, sind keine steuerbaren Einkünfte i. S. des EStG. Aus diesem Grund
sind weder negative Einkünfte in Form von Verlusten, die u. U. als Überschüsse
der Betriebsausgaben über die Betriebseinnahmen (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG)
oder als Überschuss der Werbungskosten über die Einnahmen (§§ 2 Abs. 2 Nr. 2,
8, 9, 9a EStG) angefallen sind, noch etwaige Gewinne oder Überschüsse einkom-
mensteuerrechtlich relevant. Sie wirken sich somit steuerrechtlich weder einkom-
mensmindernd noch einkommenserhöhend aus.
62
Ausgenommen von diesem
Grundsatz sind Einkünfte, die einen der beiden Ausnahmetatbestände der §§ 17,
23 EStG erfüllen. ,,Der Grund hierfür ist darin zu erblicken, daß [sic] das im Zu-
sammenhang mit subjektiv nicht steuerbaren Tätigkeiten eingesetzte Vermögen
als Privatvermögen zu qualifizieren ist."
63
Dementsprechend sind positive oder
negative Einkünfte, die ohne Einkünfteerzielungsabsicht erzielt wurden, nicht bei
der Steuerbemessungsgrundlage (= Quantifizierung des Steuerobjekts ,,Einkom-
men") zu berücksichtigen, da derartige Einkünfte als nicht steuerbar erachtet wer-
den.
64
59
Vgl. Seeger (2004): EStG § 2 Rn. 22.
60
Vgl. Braun (2000): Objektivierung der Gewinnerzielungsabsicht bei der Liebhaberei, S. 283.
61
Vgl. Pferdemenges (1990): Einkünfteerzielungsabsicht, S. 193.
62
Vgl. BFH ­ Beschluss vom 25.06.1984 GrS 4 /82, BStBl. II 1984, S. 766.
63
Pferdemenges (1990): Einkünfteerzielungsabsicht, S. 193.
64
Vgl. ebd. Tipke/Lang (2002), § 1 Rz. 23ff.

18
2.3 Kontinuität und Diskontinuität der Liebhabereirechtspre-
chung des BFH nach 1984
In Abschnitt 2.3 sollen steuerrechtliche Ermittlungsvorschriften und die Beweis-
lastregelung erörtert werden. Einleitend wird am Beispiel des IV. Senats veran-
schaulicht, welche Schwierigkeiten in der Übergangsphase zum subjektiven Lieb-
habererbegriff zu bewältigen waren. In diesem Zusammenhang werden einige
grundsätzliche Aussagen zum Anscheinsbeweis erfolgen, der in den Abschnitten
3.5.1 und fünf nochmals anhand von Fällen aus der Rechtsprechung detaillierter
behandelt wird.
Die verschiedenen Senate des BFH haben den Übergang vom objektiven zum
subjektiven Liebhabereibegriff überwiegend unmittelbar nach dem Beschluss des
Großen Senats vom 25.06.1984 nachvollzogen. Einzig der IV. Senat konnte sich
in seinem Urteil vom 15.11.1984, das die erste Liebhabereientscheidung nach
dem Grundsatzbeschluss war, noch nicht endgültig vom objektiven Liebhaberei-
begriff lösen.
65
Ein Indiz für diese These ist folgende Aussage aus seinem Urteil,
in dem es um eine Reitschule mit Pferdeverleih und Pensionspferdehaltung ging.
Diese hatte mit andauernden Verlusten gearbeitet und letztendlich den Betrieb
eingestellt. ,,Der Beweis, daß [sic] ein über Jahre hinweg mit Verlust arbeitender
Betrieb nicht mit der Absicht der Gewinnerzielung geführt wird, der Steuerpflich-
tige vielmehr aus nicht wirtschaftlichen Gründen diese ständige finanzielle Belas-
tung trägt, kann aber in der Regel dann als erbracht gelten, wenn feststeht, daß
[sic] der Betrieb nicht nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt wird und
nach seiner Wesenart und der Art seiner Bewirtschaftung auf Dauer gesehen nicht
nachhaltig mit Gewinnen arbeiten kann."
66
Der IV. Senat legt bei seiner Entschei-
dung noch ausschließlich objektive Maßstäbe zu Grunde, was gegen die Vorgabe
des Großen Senats verstoßen hat. Dieser hatte ausdrücklich betont, dass aus
objektiven Umständen auf das Vorliegen oder Fehlen der Absicht geschlossen
werden müsse. Dabei könne eine Betriebsführung, ,,bei der der Betrieb nach sei-
ner Wesensart und der Art der Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen dazu
geeignet und bestimmt ist, mit Gewinnen zu arbeiten"
67
, ein Beweisanzeichen für
das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht sein. Allerdings ist zu beachten,
dass der Begriff ,,geeignet" nicht genau definiert ist. Weshalb diesbezüglich ein
65
Vgl. Hutter (1998): Die persönlichen Motive und deren Feststellung in der Liebhaberei-
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, S. 344ff.
66
BFH-Urteil v. 15.11.1984 IV R 139/81, BStBl. II 1985, S. 205.
67
BFH-Beschluss v. 25.06.1984 GrS 4/82, BStBl. II 1984, S. 767.

19
Begriff ,,geeignet" nicht genau definiert ist. Weshalb diesbezüglich ein relativ
großer Auslegungsspielraum für die Finanzgerichtsbarkeit existiert.
Letztendlich vollzog auch der IV. Senat mit seiner Entscheidung vom 28.11.1985,
in der es um eine Pferdezucht ging, den Übergang zum subjektiven Liebhaberei-
begriff. In diesem Urteil erachtete er es für nicht ausreichend, dass das FG allein
aufgrund andauernder Verluste auf das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht des
Steuerpflichtigen geschlossen hatte. Zwar lägen Motive für eine Pferdehaltung
und -zucht gerade bei derartigen Tätigkeiten häufig im privaten Bereich, dieser
Umstand allein sei aber nicht zwingend. Aus diesem Grund müsse das FG ermit-
teln, wie es zur Aufnahme einer Pferdzucht gekommen sei, welche Überlegungen
der Kläger hierbei hinsichtlich einer Gewinnerzielungsabsicht angestellt habe und
er seine Maßnahmen an diesem Ziel ausgerichtet habe.
68
2.3.1 Steuerrechtliche Ermittlungsvorschriften und Beweislastre-
gelung
Die Leitlinien für die Ermittlung von Steuersachverhalten, mit der die Steuerver-
anlagung beginnt, sind in den §§ 85 bis 95 AO zusammengefasst. Diese Leitlinien
sollen zunächst grundlegend erörtert werden:
(1) Legalitätsprinzip und Sicherstellungsauftrag
69
Die Finanzbehörden haben die Steuern nach Maßgabe der Gesetze festzusetzen (§
85 AO). Dies bedingt die Gesetzmäßigkeit und Tatbestandsmäßigkeit der Besteu-
erung. Der § 85 Satz 2 AO fordert, dass die Finanzbehörden in jedem Einzelfall
prüfen, ob der spezielle Sachverhalt nicht doch eine konkrete Ermittlung rechtfer-
tigt. Der § 85 AO verbietet allerdings zugleich im Sinne einer Begrenzungsnorm
eine Ermittlung ins Blaue. Somit ist er sowohl Antriebs- als auch Begrenzungs-
norm.
Der BFH äußerte sich zu dieser Thematik wie folgt: ,,Ein Auskunftsersuchen ist ...
nur dann nicht rechtmäßig, wenn irgendwelche Anhaltspunkte für steuererhebli-
che Umstände fehlen"
70
. Dementsprechend muss jeder Steuerpflichtige mit der
Aufklärung seines Steuerfalls und der damit verbundenen potentiellen Kontrolle
68
Vgl. BFH-Urteil v. 28.11.1985 IV R 178/83, BStBl. II 1986, S. 293.
69
Vgl. Jakob (2001): Abgabenordnung, Rn. 191ff.
70
BFH-Urteil v. 23.10.1990, BStBl. II, S. 643. Zitiert nach: Jakob (2001): Abgabenordnung, Rn.
194.

20
rechnen. Ein Ermessen steht den Finanzbehörden diesbezüglich nicht zu, sofern
sie auf der Grundlage von Rechtsvorschriften von Amts wegen tätig werden müs-
sen (§ 86 AO). Besondere Verfahren der Sachverhaltsaufklärung, die der Erfül-
lung der Aufgabe des § 85 AO dienen, sind die Außenprüfung (§§ 193 ­ 207 AO),
die Steuerfahndung (§ 208 AO) und die Steueraufsicht in Zoll- und Verbrauchs-
steuersachen (§§ 209 ­ 217 AO, § 27b UStG).
71
(2) Untersuchungsgrundsatz
72
Gemäß den §§ 88, 199 AO sind die Ermittlungen von Amts wegen sowohl zu
Gunsten wie auch zu Ungunsten des Steuerpflichtigen durchzuführen. Die Anre-
gung zu sachdienlichen Erklärungen und Anträgen fällt in den Bereich der Für-
sorgepflicht der Behörde, die nicht mit einer allgemeinen Auskunftspflicht gleich-
zusetzen ist. Das Ziel der Ermittlungen ist die Offenlegung des wahren Sachver-
halts. Dies bedingt, dass grundsätzlich alle Erkenntnisquellen offen stehen.
(3) Verwertungsverbot
73
Die vorgeschriebenen Formen der Sachverhaltsermittlung sind einzuhalten. Wer-
den sie nicht beachtet (möglich bei Fehlverhalten im Rahmen der Außenprüfung
oder Steuerfahndungsverfahren), dürfen die gewonnenen Erkenntnisse - obwohl
sie bekannt geworden sind - nicht beachtet werden. Zudem ist die Wahrheitsfor-
schung gegenüber hochrangigen Individualgütern nachrangig.
(4) Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen und Dritter
Die steuerrechtliche Grundlage für die Ermittlung der Einkünfteerzielungsabsicht
basiert im Wesentlichen auf den §§ 88, 90 AO. Der § 88 AO flankiert das Legali-
tätsprinzip (ist was zu tun?) durch den Untersuchungs- und Amtsermittlungs-
grundsatz (was und wie ist es zu tun?). Nach den §§ 90ff. AO ist die Haupter-
kenntnisquelle für die Ermittlung des Sachverhalts der Steuerpflichtige. Dritte
sind hingegen nur als subsidiär zu erachten. Die §§ 90 ff. AO ergänzen und be-
grenzen dementsprechend die Ermittlungspflicht der Finanzbehörde.
74
71
Vgl. Tipke/Lang (2002): Steuerrecht, Rz. 224.
72
Vgl. Jakob (2001): Abgabenordnung, Rn. 191ff.
73
Vgl. ebd. Jakob (2001), Rn. 191ff.
74
ebd. Jakob (2001), Rn. 198ff.

21
(5) Rechtliches Gehör
Das Eingriffsrecht der AO wird durch das rechtliche Gehör (§ 91 AO) beherrscht,
wobei die rechtlichen Folgen bei einem Verstoß gering sind, da bis zum Ab-
schluss des Einspruchverfahrens Verstöße durch Anhörung geheilt werden können
(§ 126 Abs. 1 Nr. 3 AO).
Die Sachverhaltsermittlung erweist sich in der Praxis häufig als schwierig, da der
Steuerpflichtige dazu neigt, die für ihn steuergünstige Absicht geltend zu machen.
Die Einkünfteerzielungsabsicht ist im Sinne des § 1 Abs. 1 GewStDV eine innere
Tatsache, die ,,wie alle sich in der Vorstellung des Menschen abspielenden Vor-
gänge nur anhand äußerlicher Merkmale beurteilt werden kann"
75
. Aus diesem
Grund muss aus ,,objektiven Umständen" auf das Vorliegen oder Fehlen der Ab-
sicht geschlossen werden, wobei einzelne Umstände einen ,,Anscheinsbeweis
(prima-facie-Beweis)" liefern können, der vom Steuerpflichtigen entkräftet wer-
den kann.
76
Diese eher einseitig erfolgte Aussage des Großen Senats spiegelt al-
lerdings nicht in Gänze den Stand der ständigen Rechtsprechung wider, da ein
Anscheinsbeweis sowohl für
77
als auch gegen
78
das Vorliegen der Einkünfteerzie-
lungsabsicht eines Steuerpflichtigen sprechen kann.
Unter ,,objektiven Umständen" sind objektiv vorhandene und äußerlich erkennba-
re Sachverhaltsmerkmale (Indizienbeweise, gesetzliche Vermutungen, Anscheins-
beweise, ...) zu verstehen, auf deren Grundlage eine Einkünfteerzielungsabsicht
vorliegen oder fehlen kann. Indizienbeweise beziehen sich unmittelbar oder nur
mittelbar auf die steuerrelevante Tatsache. Der Anscheins- oder ,,prima-facie-
Beweis" beinhaltet hingegen den Einsatz von Sätzen der allgemeinen Lebenser-
fahrung. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung
79
kann deren Beweiswert von
unterschiedlichem Gehalt für die Überzeugungsbildung der Richter sein.
80
Mit
dem Anscheinsbeweis, der auch als Beweis des ersten Anscheins bezeichnet wird,
können die Richter fehlende konkrete Indizien bei der Beweiswürdigung mit Hilfe
von Erfahrungssätzen, die auf typischen Geschehensabläufen basieren, überbrü-
75
BFH-Beschluss v. 25.06.1984 GrS 4/82, BStBl. II 1984, S. 767.
76
Vgl. BFH-Beschluss v. 25.06.1984 GrS 4/82, BStBl. II 1984, S. 767.
77
Vgl. BFH-Urteil v. 25.06.1996 VIII R 28/94, BStBl. II 1996, S. 202.
78
Vgl. BFH-Beschluss v. 25.06.1984 GrS 4/82, BStBl. II 1984, S. 767.
79
Grundsatz freier Beweiswürdigung: Nach Sachverhaltsaufklärung und Beweiswürdigung müs-
sen Finanzamt wie Finanzgerichte (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) die ,,Überzeugung" gewonnen haben,
dass der die Gesetzesanwendung stützende Sachverhalt vorliegt. Hierfür ist ein hoher Grad an
Wahrscheinlichkeit erforderlich.
80
Vgl. Weber-Grellet (1992b): Wo beginnt die Grenze zur ,,Liebhaberei"? (Teil II), S. 603ff.

22
cken. Somit erleichtert der Anscheinsbeweis der beweisbelasteten Partei die Be-
weisführung.
Der Anscheinsbeweis wird allerdings nicht erst durch den Beweis des Gegenteils
entkräftet. Für eine Entkräftung ist ausreichend, dass ein atypischer Geschehens-
ablauf im konkreten Fall möglich ist.
81
Somit kann der Steuerpflichtige
82
/das FA
83
den Anscheinsbeweis mit Indizien für einen atypischen Geschehensablauf er-
schüttern. Andauernde Verluste des Steuerpflichtigen reichen hingegen allein
nicht aus. Ist der Anscheinsbeweis erschüttert, so entscheidet das Gericht nach
seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen Überzeugung,
wobei in derartigen Fällen derjenige die objektive Beweislast trägt, der sich auf
die Ableitung einer bestimmten Rechtsfolge berufen möchte.
84
Z. B. der Steuer-
pflichtige, wenn er positive Einkünfte mit Verlusten einer anderen, seines Erach-
tens steuerrechtlich relevanten, Tätigkeit ausgleichen will oder das FA, wenn es
Gewinne besteuern oder Verluste, aufgrund der Annahme von Liebhaberei, nicht
berücksichtigen will. Die Beweislast selbst bleibt allerdings in diesem Rahmen
unberührt.
85
Die objektive Beweislast verteilt die Rechtsprechung in Anlehnung an die Rosen-
bergsche Normenbegünstigungstheorie wie folgt: ,,Die Finanzbehörde trägt die
Beweislast grds. für die steuerbegründenden und -erhöhenden Tatsachen (z. B.
Einnahmen), der Steuerpflichtige dagegen für die steuerentlastenden und
-mindernden Tatsachen (z. B. Ausgaben)."
86
Die Normenbegünstigungstheorie
führt allerdings im Regelfall zu keineswegs sachgerechten Ergebnissen. Aus die-
sem Grund wird sie nach Maßgabe der sphärenorientierten Beweisrisikoverteilung
zu den folgenden beiden ,,fundamentalen Beweisregeln" modifiziert:
87
(1) Liegt das Sachaufklärungsdefizit innerhalb der Sphäre des nach Normbegüns-
tigungstheorie Beweisbelasteten, so hat die Finanzbehörde eine Beweislastent-
scheidung zu treffen.
81
Vgl. Jakob (2001): Abgabenordnung, § 4 Rn. 210ff.
82
Vgl. BFH-Beschluss v. 25.06.1984 GrS 4/82, BStBl. II 1984, S. 767.
83
Vgl. BFH-Urteil v. 25.06.1996 VIII R 28/94, BStBl. II 1996, S. 202; Vgl. BFH-Urteil v.
19.11.1985 VIII R 4/83, Rn 28. In: world-wide-web [gefunden am 10.03.2005]:
http://jurisweb.de.
84
Vgl. Vgl. BFH-Urteil v. 19.11.1985 VIII R 4/83, Rn 28. In: world-wide-web [gefunden am
10.03.2005]: http://jurisweb.de. ;BFH-Urteil v. 25.06.1996 VIII R 28/94, BStBl. II 1996, S. 202.
85
Vgl. Hutter (1998): Persönliche Motive und deren Feststellung in der Liebhabereirechtspre-
chung, S. 348.
86
Tipke/Lang (2002): Steuerrecht, § 21 Rz. 217.
87
Vgl. ebd. Tipke/Lang(2002), § 21 Rz. 217.

23
(2) Liegt das Sachaufklärungsdefizit außerhalb der Sphäre des nach Normbegüns-
tigungstheorie Beweisbelasteten, so ist das Beweismaß herabzusetzen (§ 162 AO).
Die Beweislastgrundregeln finden u. U. Anwendung, wenn Finanzgericht oder
Finanzbehörde auf Grundlage der erhobenen Beweise und deren Würdigung keine
Überzeugung über die Richtigkeit der behaupteten Tatsachen bilden konnten und
nicht geklärt werden konnte, zu wessen Lasten die Unaufklärbarkeit geht.
88
Dieser
Ansatz bewirkt nach Tipke/Lang einen befriedigenden Ausgleich der Interessen
der Steuerpflichtigen einerseits und der Lastengemeinschaft der Steuerzahler an-
dererseits.
Nach Erachten Weber-Grellets ist eher die Frage, ob auf Grundlage der festge-
stellten Tatsachen die Einkünfteerzielungsabsicht positiv oder negativ festgestellt
werden kann, der Regelfall bei vermuteten Liebhabereitätigkeiten und weniger die
Frage, ob einzelne Tatsachen nichterweislich sind. Sollten sich in Ausnahmefällen
Konstellationen ergeben, bei denen die einzelnen Kriterien in Waage bleiben, ,,so
ist die Einkünfteerzielungsabsicht nicht gegeben; ebenso wie die Beweislast trägt
der Steuerpflichtige auch das Risiko der Rechtsanwendung, die sog. Argumentati-
onslast"
89
.
Neben den Indizienbeweisen und dem Anscheinsbeweisen muss die gesetzliche
Vermutung erörtert werden, die ebenfalls zu einem Anscheinsbeweis führen
kann.
90
Weber-Grellet erachtet die Terminologie ,,Vermutungen" als unscharf und
missverständlich definiert, weshalb sie nach seiner Ansicht allenfalls in Verbin-
dung mit gesetzlichen Beweisregeln (§§ 158, 159, 161 AO) verwendet werden
soll. Gemäß § 158 AO löst die formelle Ordnungsmäßigkeit einer Buchführung
die Vermutung ihrer sachlichen Richtigkeit aus. Diese Vermutung kann allerdings
widerlegt werden, wenn konkrete Umstände auf Mängel hindeuten. Die objektive
Beweislast obliegt in einem derartigen Fall dem FA.
91
In diesem Zusammenhang konkretisieren die §§ 140ff. AO einerseits die dem
Steuerpflichtigen obliegenden allgemeinen Mitwirkungspflicht gemäß § 90 AO
für die Ermittlung des Sachverhalts im Rahmen der Führung von Büchern und
Aufzeichnungen. Andererseits haben sie eine Beweisfunktion, so dass die Steuer-
pflichtigen, anhand ihrer Bücher und Aufzeichnungen, steuerrechtliche relevante
88
Vgl. Jakob (2001): Abgabenordnung, § 4 Rn. 213.
89
Weber-Grellet (1992b): Wo beginnt die Grenze zur ,,Liebhaberei"? (Teil II), S. 604.
90
Vgl. Weber-Grellet (1992b): Wo beginnt die Grenze zur ,,Liebhaberei"? (Teil II), S. 603f.
91
Vgl. ebd. Jakob (2001), § 4 Rn. 211.

24
Sachverhalte gegenüber den Finanzbehörden nachweisen und offen legen kön-
nen.
92
Die in § 140 AO enthaltene Verpflichtung, dass derjenige, der nach han-
delsrechtlichen Vorschriften Bücher zu führen hat, dieses auch für die Zwecke der
Besteuerung zu tun hat, wird als ,,derivative steuerliche Buchführungspflicht"
bezeichnet.
93
Somit macht der § 140 AO die zahlreichen außersteuerlichen Buch-
führungs- und Aufzeichnungspflichten für das Steuerrecht nutzbar, indem er diese
zu steuerlichen Pflichten transformiert. Die Buchführungs- und Aufzeichnungs-
pflicht muss gemäß § 140 AO in anderen Gesetzen als den Steuergesetzen fest-
gehalten sein. Als andere Gesetze kommen jegliche andere Rechtsnormen (§ 4
AO) in Betracht. Als Grundlage für die Buchführungs- und Aufzeichnungspflich-
ten gelten dementsprechend die §§ 238ff HGB (Buchführungs- und Aufzeich-
nungspflichten für Kaufleute)
94
.
Der § 141 AO (originäre steuerrechtliche Buchführungspflichten) ist subsidiär
gegenüber dem § 140 AO. Er regelt im Wesentlichen die Pflicht zur Buchführung
für Fälle, die nicht unter den § 140 AO zu subsumieren sind. Dies sind i. d. R.
Fälle für die keine handelsrechtliche Verpflichtung zur Buchführung besteht. Die
§§ 145 ff. AO erweitern die formalen handelsrechtlichen Vorschriften über die
Ordnungsmäßigkeit der Buchführung.
95
Die oben vorgenommene Differenzierung ist keineswegs allumfassend, da die
Rechtsprechung eine Vielzahl von Terminologien verwendet. Beispielsweise ist
die Rede von Vermutungen, von Anscheins- und Anzeichenbeweisen, von Le-
benserfahrung, allgemeinen Erfahrungssätzen und typischer Betrachtungsweise,
von Beweisanzeichen und Gegenbeweisen, Entkräftung und Widerlegung. Diese
Terminologische Vielfalt legt die Vermutung nahe, dass sowohl bei den FG, als
auch beim BFH eine gewisse Unsicherheit bei der Ermittlung der Einkünfteerzie-
lungsabsicht im konkreten Einzelfall besteht.
96
Dementsprechend darf unter kei-
nen Umständen bei der Beurteilung, ob eine Einkünfteerzielungsabsicht vorliegt
oder nicht, auf eine objektivierende Beurteilung verzichtet werden.
Die objektiven äußeren Merkmale müssen prognostisch beurteilt werden.
97
Dabei
kommt es für die gegenwärtige Einkünfteerzielungsabsicht darauf an, ,,ob nach
den gegenwärtigen äußeren Umständen der Tätigkeit oder der Vermögensnutzung
92
Cöster (2004): Abgabenordnung, § 140 Rn. 1ff.
93
Vgl. Bähr/Fischer-Winkelmann (2001): Buchführung und Jahresabschluss, S. 5.
94
Vgl. Cöster (2004): Abgabenordnung, § 140 Rn. 11ff.
95
Vgl. Bähr/Fischer-Winkelmann (2001): Buchführung und Jahresabschluss, S. 5.
96
Vgl. Weber-Grellet (1992b): Wo beginnt die Grenze zur ,,Liebhaberei"? (Teil II), S. 602.
97
Vgl. auch Abschnitt 3.

25
ein Totalgewinn bzw. -überschuss wahrscheinlich ist"
98
. Die Rechtsprechung hat
diesbezüglich darauf verwiesen, dass eine Kalkulation über 50 oder gar 100 Jahre
jedoch ,,zu viele spekulative Komponenten" enthalte.
99
Zudem muss die Progno-
sebeurteilung angepasst und Steuerbescheide früherer Veranlagungszeiträume
nach § 174 Abs. 4 AO geändert werden, wenn die aufgrund objektiver Erfah-
rungstatsachen erwarteten Rahmenbedingungen nicht eintreten.
Im Normalfall des § 157 Abs. 1 AO ist die Steuerfestsetzung nach Abschluss der
Sachverhaltsaufklärung im Ermittlungsverfahren endgültig, d. h. der Steuerbe-
scheid (§ 155 Abs. 1 Satz 1 u. 2 AO) erhält formelle und materielle Bestandskraft
und ist somit unanfechtbar. Eine Änderung kann dann nur noch erfolgen, wenn
die Voraussetzungen einer der §§ 172ff. AO vorliegen. Eine anders begründete
Änderung verstieße gegen die rechtstaatlichen Grundprinzipien der Rechtssicher-
heit und des Vertrauensschutzes.
100
Aus diesem Grund war der Gesetzgeber ver-
mutlich bestrebt einen Ausgleich herbeizuführen, indem er - sofern Aufklärungs-
hindernisse existieren - die Steuer unter Vorbehalt der Nachprüfung ergehen (§
164 AO) oder sie vorläufig erfolgen bzw. aussetzen lassen kann (§ 165 AO).
Nachprüfungs- und Vorläufigkeitsvorbehalt sind unselbständige Nebenbestim-
mungen des Steuerbescheids (§ 120 AO) und schieben den Eintritt der materiellen
Bestandskraft hinaus. Sie können aus diesem Grund nur zusammen mit der Steu-
erfestsetzung angefochten werden. Die §§ 164 und 165 AO unterscheiden sich im
Wesentlichen dadurch, dass die Vorläufigkeit des § 164 AO den gesamten Steuer-
bescheid betrifft und bei § 165 AO die Vorläufigkeit auf einzelne Punkte be-
schränkt bleiben muss.
101
Vereinfacht ausgedrückt kann gesagt werden, dass in
Fällen des § 164 AO der Sachverhalt abschließend aufgeklärt werden könnte, das
FA aber die Ergebnisse weiterreichender Ermittlungen noch abwarten will. Bei §
165 AO bestehen jedoch noch Ungewissheiten, die einer abschließenden Aufklä-
rung entgegenstehen.
Weber-Grellet ist der Ansicht, dass das Verfahren bei vermutlichen Liebhaberei-
fällen in Grenzfällen über § 165 AO offen gehalten werden kann und muss, je-
doch u. U. die vorhandenen Tatsachen Anlass dazu geben, dass die notwendige
Beurteilung sofort getroffen werden sollte. Er gesteht ein, dass eine über Jahre
dauernde Ungewissheit nicht als befriedigend eingestuft werden kann und es so-
98
Tipke/Lang (2002): Steuerrecht, § 9 Rz. 127.
99
Vgl. ebd. Tipke/Lang (2002), § 9 Rz. 127.
100
Vgl. ebd. Tipke/Lang (2002), Rz. 280.
101
Jakob (2001): Abgabenordnung, Rn. 300 u. 309.

26
gar bedenklich wäre, ,,alle ,liebhabereiverdächtigen Gestaltungen' schematisch -
ohne dass dies im konkreten Fall angezeigt ist - jahrelang vorläufig zu veranla-
gen"
102
. Grundsätzlich gilt: Je ,,mehr die Tätigkeit im Grenzbereich steuerlich
relevanter Tätigkeit angesiedelt ist, desto intensiver muß [sic] die Prüfung - ggf.
auch in zeitlicher Hinsicht - ausfallen"
103
.
Für die Fälle, bei denen die Einkünfteerzielungsabsicht nicht endgültig festgestellt
werden können, erfolgt darum eine vorläufige Festsetzung nach § 165 AO. Dies
hat u. U zur Folge, dass u. U. Verluste, die vorläufig anerkannt wurden, zu einem
späteren Zeitpunkt nicht mehr anerkannt werden dürfen, da die verlustbringende
Tätigkeit nachträglich als einkommensteuerrechtlich irrelevante Liebhaberei ein-
gestuft werden muss. In Konsequenz ist ihre voraussetzungslose und unbefristete
Änderung gemäß § 171 Abs. 8 AO möglich, solange die Ungewissheit, bezüglich
des Vorliegens der Voraussetzung für die Entstehung der Steuer (§ 38 AO), nicht
beseitigt ist.
104
Die vorläufige Steuerfestsetzung ist im Umkehrschluss aufzuhe-
ben, zu ändern oder endgültig festzusetzen, sobald die Ungewissheit beseitigt ist,
da ansonsten die gleichwohl ausgesprochene Vorläufigkeit unwirksam ist.
105
Sub-
jektive und gegenwärtig nicht behebbare Ungewissheiten befreien jedoch nicht
von der Pflicht, Rechtsfragen sofort zu entscheiden und Tatsachen aufzuklären
(§§ 85, 88 AO). Nach Beseitigung der Ungewissheit sind keine Änderungen mehr
möglich. Ausgenommen hiervon sind Billigkeitsmaßnahmen zu Gunsten des
Steuerpflichtigen.
106
Gemäß § 165 Abs. 1 Satz 3 AO muss der Umfang und der
Grund der Vorläufigkeit angegeben werden, dabei kann die Steuerfestsetzung mit
oder ohne Sicherheitsleistung ausgesetzt werden.
107
Zudem kann die vorläufige
Steuerfestsetzung mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung
verbunden werden (§165 Abs. 3 EStG).
102
Weber-Grellet (1993): Die leidige Gewinnerzielungsabsicht ­ Erwiderung auf Vinzenz, DStR
1993, 550, S. 981.
103
Ebd. Weber-Grellet (1993), S. 981.
104
Cöster (2004): Abgabenordnung, § 165 Rn 16ff.
105
Vgl. § 165 Abs. 2 AO
106
Jakob (2001): Abgabenordnung, § 5 Rn. 302.
107
Vgl. § 165 Abs. 1 Satz 3 AO.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783832493257
ISBN (Paperback)
9783838693255
DOI
10.3239/9783832493257
Dateigröße
781 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg – Wirtschafts- und Organisationswissenschaften
Erscheinungsdatum
2006 (Februar)
Note
1,0
Schlagworte
einkünfte grundsatzbeschluss liebhaberbegriff anscheinsbeweis steuer
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Titel: Das Rechtsinstitut der Liebhaberei
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