Nachhaltiger Energieträger Biodiesel?
Ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Bewertung eines alternativen Treibstoffs
©2003
Diplomarbeit
110 Seiten
Zusammenfassung
Inhaltsangabe:Einleitung:
Im Hinblick auf die Neuverteilung der Machtverhältnisse im Nahen Osten und die daraus resultierende Unsicherheit ist die Frage nach der zukünftigen Versorgung mit fossilen und nicht erneuerbaren Energieträgern aktueller denn je.
Auch ein Blick in die mittelbare Zukunft gibt Anlass zur Sorge. Sollten die gegenwärtigen Trends des Abbaus natürlicher, nicht erneuerbarer Ressourcen unvermindert andauern, so werden die Probleme, die heutzutage schon fühlbar und erkennbar sind, in ungefähr 50 Jahren eine weitaus gegenständlichere Bedrohung darstellen. Die Knappheit von Öl, Metallen, Frischwasser und anderen Ressourcen wird deutlich zunehmen, Konflikte in der Welt intensivieren und den Preis vieler Basisgüter erheblich erhöhen.
Es wäre jedoch eine blinde und vermessene Annahme zu behaupten, zumindest in der Gegenwart, die Industrienationen dieser Welt würden auch ohne diese Ressourcen auskommen. Tatsache ist, dass die Entwicklung des Wohlstandes und der Gesellschaft einherging mit einem zunehmenden Verbrauch fossiler Energien. Diese grundlegende Verknüpfung von BSP Wachstum pro Kopf und dem Pro-Kopf-Verbrauch kommerzieller Energie zu widerlegen und durch innovative Maßnahmen eine Entkopplung zu erreichen ist der Wunsch vieler, die auf regenerative Energien ihre Hoffnung und ihre Anstrengungen setzen. Hier kommt nachhaltige Entwicklung als Denkmodell einer ganzheitlichen Perspektive zum Tragen.
Die Generierung von Öl aus nachwachsenden Rohstoffen scheint für eine Vielzahl von Problemen, die mit der ungleichen Verteilung sowie mit der Nichterneuerbarkeit fossiler Energieträger einhergehen, Lösungsmöglichkeiten zu bieten. Der umgangssprachlich Biodiesel genannte Treibstoff, der eine Anzahl unterschiedlicher Kraftstoffe aus regenerativen Energien zusammenfasst, besitzt nach Meinung einiger Wissenschaftler und Politiker große Potentiale, um jene, sich durchaus noch verstärkende Probleme, wenn nicht zu lösen, aber doch zu umgehen. Diese Potentiale sind sowohl im Hinblick auf die Problematik des Treibhauseffektes durch den CO2 -Ausstoß bei dem Verbrauch von Erdöl zu sehen als auch hinsichtlich der Möglichkeit, die Importabhängigkeit des Energiesektors in Deutschland zu verringern.
Andererseits gibt es eine Vielzahl von Kritikern, die der Meinung sind, dass aus Rapssaat hergestellter Biodiesel eine ineffiziente Maßnahme zur Förderung alternativer Energien darstellt und dessen Unterstützung eine Minderung der […]
Im Hinblick auf die Neuverteilung der Machtverhältnisse im Nahen Osten und die daraus resultierende Unsicherheit ist die Frage nach der zukünftigen Versorgung mit fossilen und nicht erneuerbaren Energieträgern aktueller denn je.
Auch ein Blick in die mittelbare Zukunft gibt Anlass zur Sorge. Sollten die gegenwärtigen Trends des Abbaus natürlicher, nicht erneuerbarer Ressourcen unvermindert andauern, so werden die Probleme, die heutzutage schon fühlbar und erkennbar sind, in ungefähr 50 Jahren eine weitaus gegenständlichere Bedrohung darstellen. Die Knappheit von Öl, Metallen, Frischwasser und anderen Ressourcen wird deutlich zunehmen, Konflikte in der Welt intensivieren und den Preis vieler Basisgüter erheblich erhöhen.
Es wäre jedoch eine blinde und vermessene Annahme zu behaupten, zumindest in der Gegenwart, die Industrienationen dieser Welt würden auch ohne diese Ressourcen auskommen. Tatsache ist, dass die Entwicklung des Wohlstandes und der Gesellschaft einherging mit einem zunehmenden Verbrauch fossiler Energien. Diese grundlegende Verknüpfung von BSP Wachstum pro Kopf und dem Pro-Kopf-Verbrauch kommerzieller Energie zu widerlegen und durch innovative Maßnahmen eine Entkopplung zu erreichen ist der Wunsch vieler, die auf regenerative Energien ihre Hoffnung und ihre Anstrengungen setzen. Hier kommt nachhaltige Entwicklung als Denkmodell einer ganzheitlichen Perspektive zum Tragen.
Die Generierung von Öl aus nachwachsenden Rohstoffen scheint für eine Vielzahl von Problemen, die mit der ungleichen Verteilung sowie mit der Nichterneuerbarkeit fossiler Energieträger einhergehen, Lösungsmöglichkeiten zu bieten. Der umgangssprachlich Biodiesel genannte Treibstoff, der eine Anzahl unterschiedlicher Kraftstoffe aus regenerativen Energien zusammenfasst, besitzt nach Meinung einiger Wissenschaftler und Politiker große Potentiale, um jene, sich durchaus noch verstärkende Probleme, wenn nicht zu lösen, aber doch zu umgehen. Diese Potentiale sind sowohl im Hinblick auf die Problematik des Treibhauseffektes durch den CO2 -Ausstoß bei dem Verbrauch von Erdöl zu sehen als auch hinsichtlich der Möglichkeit, die Importabhängigkeit des Energiesektors in Deutschland zu verringern.
Andererseits gibt es eine Vielzahl von Kritikern, die der Meinung sind, dass aus Rapssaat hergestellter Biodiesel eine ineffiziente Maßnahme zur Förderung alternativer Energien darstellt und dessen Unterstützung eine Minderung der […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
ID 9195
Kaup, Felix: Nachhaltiger Energieträger Biodiesel? -
Ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Bewertung eines alternativen Treibstoffs
Hamburg: Diplomica GmbH, 2006
Zugl.: Freie Universität Berlin, Diplomarbeit, 2003
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis... I
Abbildungsverzeichnis ...IV
Tabellenverzeichnis...V
Abkürzungsverzeichnis ...VI
1. Zielsetzung, Methode und Vorgehen: ...1
2. Nachhaltigkeit und Biodiesel als Resultat ? ...4
2.1. Chronologie nachhaltiger Entwicklung...4
2.2. Zieldreieck oder die Säulen der Nachhaltigkeit ...5
2.2.1. Ökologische
Dimension ...6
2.2.2. Ökonomische
Dimension ...8
2.2.3. Gesellschaftliche
Dimension...9
2.2.4.
Integration der drei Dimensionen...10
2.3. ,,Starke" und ,,Schwache" Nachhaltigkeit...12
2.4. Vorgeschichte und Vorbedingungen der Gewinnung von Biodiesel aus Raps
in Deutschland ...13
2.4.1.
Die Ressource Öl...14
2.4.2.
Umwelt- und Klimaschutz...16
2.4.3.
Die europäische Agrarpolitik und -wirtschaft ...19
2.4.4.
Rapsanbau in Deutschland ...25
3. Bewertung der Wertschöpfungskette Biodiesel ...30
3.1. Ökonomische Analyse...32
3.1.1. Preisentwicklung
von
Dieselkraftstoff ...32
3.1.2.
Herstellkosten von Biodiesel...34
3.1.3.
Situation für den Konsumenten/Verbraucher...45
3.1.4. Importsubstitution ...49
3.1.5.
Steuermindereinnahmen durch Subventionspolitik...52
3.1.6.
Zusammenfassung der ökonomischen Analyse ...54
3.2. Ökologische Bewertung ...57
3.2.1.
Energiebilanzen und Schadstoffemissionen...58
3.2.2. Die
N
2
O Debatte...65
3.2.3.
Schadstoffemissionen bei dem Verbrauch von Dieselkraftstoff und
RME...69
3.2.4.
Biodiesel und die Ziele nachhaltiger Entwicklung der
Bundesregierung ...72
3.2.5.
Zusammenfassung der ökologischen Analyse ...75
3.3. Gesellschaftliche Bewertung...77
3.3.1.
Beschäftigungseffekte durch Biodiesel ...77
3.3.2. Beschäftigungszuwachs
als
Ziel nachhaltiger Entwicklung ...81
3.4. Opportunitätskosten...82
3.5. Zusammenfassung der Bewertung von Biodiesel ...85
4. Alternative
Einsatzgebiete von Biodiesel...87
5. Fazit und Ausblick...92
Literaturverzeichnis...95
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Die Säulen der Nachhaltigkeit...6
Abb. 2: Anteile der EU - Staaten an der mengenmäßigen Rapsproduktion...26
Abb. 3: Anbaufläche wichtiger Kulturpflanzen (in %, Stand 2000) ...27
Abb. 4: Bewertung
von Pflanzenöl als Treibstoff durch Experten verschiedener
Branchen...31
Abb. 5: Entwicklung des Tankstellenpreises für fossilen Dieselkraftstoff ...33
Abb. 6: Vergleich der Emissionen DK zu RME ohne/mit Oxi-Kat...71
Abb. 7: CO
2
- Minderungskosten verschiedener Alternativen...84
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Anbau von Raps als nachwachsender Rohstoff in Deutschland 2001/2002 27
Tab. 2: Anbau von NonFood Raps und reine Begrünung auf Stillegungsflächen ..35
Tab. 3: Gesamtkosten beim Anbau von NonFood Raps ...37
Tab. 4: Vergleich der Anbaukosten von Energieraps und reiner Stillegung...38
Tab. 5: Erzeugerpreise für NonFood Raps...39
Tab. 6: Bereitstellungskosten für Biodiesel (RME) ...43
Tab. 7: Sektoraler Verbrauch von Dieselkraftstoff in der Bundesrepublik
Deutschland (in 1000 t) ...49
Tab. 8: Substitutionsquote von Biodiesel am Gesamtverbrauch von Dieselkraftstoff
in %...51
Tab. 9: Energieeinsatz zur Gewinnung und Bereitstellung von Dieselkraftstoff in %
des Energieinhalts vom Endprodukt...60
Tab. 10: Energieeinsatz zur Gewinnung und Bereitstellung von Dieselkraftstoff ..61
Tab. 11: Vergleich der Energie- und Schadstoffbilanzen bei der Herstellung von
RME und Dieselkraftstoff ...65
Tab. 12: N
2
OEmissionen auf Brache und Anbauflächen nachwachsender
Rohstoffe ...67
Tab. 13: Vergleich der Schadstoffbilanzen bei der Herstellung von RME und
Dieselkraftstoff...68
Tab. 14: CO
2
-Emissionsbilanz von Dieselkraftstoff/RME ...70
Tab. 15: Reduktion der CO2 - Emissionen bis 2005 (Bezugsjahr 2000) ...73
Tab. 16: Einkommens- und Investitionseffekte der Produktionskette Raps Biodiesel
in Millionen ...78
Tab. 17: Belastung von Oberflächenwasser bei der Herstellung von Kraftstoffen ..89
Abkürzungsverzeichnis
AGQM
Arbeitsgemeinschaft Qualitätsmanagement Biodiesel e.V.
BayStMELF Bayerisches
Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten
BMBF
Bundesministerium für Bildung und Forschung
BMU
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
BMVEL
Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft (ehemals BML)
BMWi
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
CH
4
Methan
CO
2
Kohlendioxid
dt Dezitonne
EEG
Erneuerbare-Energien-Gesetz
EMU
Electronic Managing Unit
FAL
Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft
FNR
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V.
GAP
Gemeinsame
Agrarpolitik
GATT
General Agreement on Tariffs and Trade
ha Hektar
IEA
Internationale
Energie-Agentur
kWh
Kilowatt/
Stunde
MIT
Massachusetts Institute of Technology
N
2
O
Lachgas
OPEC
Organization of Petroleum Exporting Countries
PJ
Peta Joule (Peta = 10
15
)
RME
Rapsölmethylester
SRU
Sachverständigenrat
für
Umweltfragen
UBA
Umweltbundesamt
UFOP
Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen e.V
WSSD
World Summit on Sustainable Development
WTO
World Trade Organisation
Nachhaltiger Energieträger Biodiesel?
1
1.
Zielsetzung, Methode und Vorgehen:
,, Es war schon immer teurer einen Acker zu pflügen, das Feld zu bestellen und
Getreide zu ernten, als die Kornscheune nebenan zu plündern."
1
Im Hinblick auf die Neuverteilung der Machtverhältnisse im Nahen Osten und
die daraus resultierende Unsicherheit ist die Frage nach der zukünftigen Versorgung
mit fossilen und nicht erneuerbaren Energieträgern aktueller denn je.
Auch ein Blick in die mittelbare Zukunft gibt Anlass zur Sorge. Sollten die
gegenwärtigen Trends des Abbaus natürlicher, nicht erneuerbarer Ressourcen
unvermindert andauern, so werden die Probleme, die heutzutage schon fühlbar und
erkennbar sind, in ungefähr 50 Jahren eine weitaus gegenständlichere Bedrohung
darstellen. Die Knappheit von Öl, Metallen, Frischwasser und anderen Ressourcen
wird deutlich zunehmen, Konflikte in der Welt intensivieren und den Preis vieler
Basisgüter erheblich erhöhen.
2
Es wäre jedoch eine blinde und vermessene Annahme zu behaupten, zumindest in
der Gegenwart, die Industrienationen dieser Welt würden auch ohne diese
Ressourcen auskommen. Tatsache ist, dass die Entwicklung des Wohlstandes und
der Gesellschaft einherging mit einem zunehmenden Verbrauch fossiler Energien.
Diese grundlegende Verknüpfung von BSP Wachstum pro Kopf und dem Pro-
Kopf-Verbrauch kommerzieller Energie zu widerlegen und durch innovative
Maßnahmen eine Entkopplung zu erreichen ist der Wunsch vieler, die auf
regenerative Energien ihre Hoffnung und ihre Anstrengungen setzen.
3
Hier kommt
nachhaltige Entwicklung als Denkmodell einer ganzheitlichen Perspektive zum
Tragen.
Die Generierung von Öl aus nachwachsenden Rohstoffen scheint für eine Vielzahl
von Problemen, die mit der ungleichen Verteilung sowie mit der Nichterneuerbarkeit
1
Zitat nach Helmut Lamp, MbB und Vorsitzender der Bundesinitiative Biodiesel in: Miller, J.:
Perspektiven der Pflanzenölkraftstoffe, in: Technologie- und Förderzentrum im Kompetenzzentrum
für Nachwachsende Rohstoffe (Hrsg.): Rapsölkraftstoff in Traktoren und Blockheizkraftwerken, S. 8.
2
Vgl. Doorman, F.: Global Development: Problems, Solutions, Strategy; A proposal for socially just,
ecologically sustainable growth, S. 12.
3
Vgl. Nitsch, M.: Amazonien und wir, in: Klima Global Arte Amazonas (Hrsg.), S. 48, siehe auch
Anhang Graphik 1.
Nachhaltiger Energieträger Biodiesel?
2
fossiler Energieträger einhergehen, Lösungsmöglichkeiten zu bieten. Der
umgangssprachlich ,,Biodiesel" genannte Treibstoff, der eine Anzahl
unterschiedlicher Kraftstoffe aus regenerativen Energien zusammenfasst, besitzt
nach Meinung einiger Wissenschaftler und Politiker große Potentiale, um jene, sich
durchaus noch verstärkende Probleme, wenn nicht zu lösen, aber doch zu umgehen.
Diese Potentiale sind sowohl im Hinblick auf die Problematik des Treibhauseffektes
durch den CO
2
-Ausstoß bei dem Verbrauch von Erdöl zu sehen als auch hinsichtlich
der Möglichkeit, die Importabhängigkeit des Energiesektors in Deutschland zu
verringern.
Andererseits gibt es eine Vielzahl von Kritikern, die der Meinung sind, dass aus
Rapssaat hergestellter Biodiesel eine ineffiziente Maßnahme zur Förderung
alternativer Energien darstellt und dessen Unterstützung eine Minderung der
gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt zur Folge hat.
Die hier vorliegende Diplomarbeit wird die unterschiedlichen Aspekte,
Argumentationen, Daten und Forschungsberichte darstellen, vergleichen und
diskutieren. Die Verwendung von Biodiesel als Substitut für mineralischen
Dieselkraftstoff wird einer umfassenden Analyse unterzogen, unter Zuhilfenahme
ökonomischer, ökologischer und gesellschaftlicher Kriterien von Nachhaltigkeit. Da
Nachhaltigkeit eine ganzheitliche Perspektive propagiert, wird die abschließende
Bewertung auf Grundlage der kumulierten Ergebnisse eben genannter Kriterien
basieren.
Ziel der Arbeit ist es festzustellen, inwieweit die Substitution von Dieselkraftstoff
durch Biodiesel dem Anspruch nachhaltiger Entwicklung entspricht und ob das
Substitut langfristig als alternativer Energieträger zukunftsfähig ist. Es soll
herausgefunden werden, wie groß das Potential des alternativen Kraftstoffs Biodiesel
ist und wo die Grenzen der Substitution liegen.
Es ist noch anzuführen, dass sich der Fokus vor allem auf das Substitut
Rapsölmethylester (RME) richten wird, da nur dieser Treibstoff eine nennenswerte
Marktleistung erreicht.
Zur Klärung der Fragestellung ist es zunächst notwendig, die Kriterien, Ansätze und
hier zu betrachtenden Modelle die sich im Laufe der Nachhaltigkeitsdebatte
entwickelt haben kurz darzustellen, um einen Gesamtüberblick geben zu können.
Auf die drei Dimensionen nachhaltiger Entwicklung wird hier im besonderen
eingegangen, da diese die Grundlage der abschließenden Bewertung von Biodiesel
Nachhaltiger Energieträger Biodiesel?
3
im Hinblick einer umfassenden ganzheitlichen Perspektive bilden werden. Damit
wird sich im hierauf folgenden Kapitel 2 auseinandergesetzt. Darüber hinaus werden
verschiedene Entwicklungen thematisiert, wie der Umweltschutz und die Entstehung
der Gemeinsamen Agrarpolitik, die Erklärungen für den Anbau von Raps zur
Herstellung von Biodiesel geben können. Hinzu kommt ein kurzer Abriss der
Entwicklungsgeschichte des Rapsanbaus in Deutschland.
In Kapitel 3 wird anhand verschiedener Indikatoren die Wertschöpfungskette
(,,Lebensweg") von Biodiesel untersucht. Ökonomische, ökologische und
gesellschaftliche Aspekte von Nachhaltigkeit bilden die Rahmenbedingungen zur
Bewertung des Dieselkraftstoffsubstituts. Unter ökonomischen Gesichtspunkten, die
mit den ökologischen im Vordergrund der Analyse stehen, wird die Frage der
Wettbewerbsfähigkeit unter einzel- und gesamtwirtschaftlicher Perspektive von
Biodiesel von Relevanz sein. Die Kosten und Erträge entlang der
Wertschöpfungskette werden betrachtet.
Bei den ökologischen Aspekten werden die Energiebilanzen und Emissionswerte von
Dieselkraftstoff und seinem Substitut im Vordergrund stehen. Die gesellschaftliche
Dimension setzt sich mit der Frage nach dem Erhalt von Arbeitsplätzen in der
Landwirtschaft auseinander. Mögliche Alternativen zu dem Einsatz von Biodiesel als
Instrument der CO
2
-Reduktion werden bei der Frage nach den Opportunitätskosten
dargestellt.
In Kapitel 4 soll Biodiesel unter dem Gesichtspunkt spezifischer Anwendungen
betrachtet werden. Es steht die Frage im Vordergrund, inwieweit ein regionaler oder
sektoraler Einsatz die Vorteile von Biodiesel stärker herausstellen kann.
Kapitel 5 wird abschließend ein Fazit zu den zustande gekommenen Ergebnissen und
einen Ausblick auf mögliche Entwicklungen alternativer Energien gegeben.
Zu beachten ist weiterhin, dass es schon in den 90er Jahren zahlreiche Publikationen
und Untersuchungen zu der Frage nach dem Ersatz von Dieselkraftstoff gegeben hat.
Es ist jedoch anzumerken, dass sich der aktuelle Kenntnisstand und die
Rahmenbedingungen nicht nur hinsichtlich neuer Emissionswerte sondern auch
bezüglich der politischen Lage und der Wissenschaft (Gentechnik) so entscheidend
geändert haben, dass eine erneute Darstellung und Bewertung aktueller Studien und
Untersuchungen notwendig geworden ist.
Nachhaltiger Energieträger Biodiesel?
4
2.
Nachhaltigkeit und Biodiesel als Resultat ?
Die Begriffe Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung sind spätestens seit
dem Weltumweltgipfel in Rio de Janeiro 1992, auf dem ,,Sustainable
Development" als neues Entwicklungsziel verabschiedet wurde, zu Schlagwörtern
geworden und in aller Munde. Der vergangenen September (10 Jahre nach Rio)
einberufene ,,World Summit on Sustainable Development" in Johannesburg
proklamierte noch einmal deutlich den Anspruch nachhaltiger Entwicklung als
umfassendes und ganzheitliches Lösungsmodell ökonomischer, ökologischer und
sozialer Missstände. Die Notwendigkeit eines nachhaltigen Wirtschaftens wird
kaum noch ernsthaft bestritten.
4
Der Grund, weshalb Nachhaltigkeit in diesem
Kontext der Bewertung von Biodiesel als Modell verwendet wird, liegt zunächst
in dem Versuch dieses schwer greifbare Konzept Nachhaltigkeit tatsächlich in
einem konkreten Beispiel anzuwenden.
Der sehr weite und dehnbare Begriff und eine fehlende internationale Definition
haben dazu geführt, dass der ursprüngliche Sinn und der Kontext des
Wortgebrauches verwässert wurde. Es ist deshalb notwendig, die Inhalte des
Leitbildes ,,Sustainable Development" zu systematisieren und die wesentlichen
Charakteristika weiter auszudifferenzieren.
5
2.1. Chronologie nachhaltiger Entwicklung
Der Begriff nachhaltige Entwicklung taucht in der Öffentlichkeit erstmals mit
dem sogenannten BrundtlandReport der Weltkommission für Umwelt und
Entwicklung auf, der 1987 erschien. In diesem Bericht wird nachhaltige
Entwicklung beschrieben als das vorausschauende Wirtschaften einer
gegenwärtigen Generation.
Nachhaltigkeit impliziert eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart
befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse
nicht befriedigen können.
4
Vgl. Schneider, G.: Energiepolitik zwischen Nachhaltigkeit und Liberalisierung, S. 103.
5
,,Sustainable Development" lässt sich nur unzureichend ins Deutsche übersetzen. Der Begriff
nachhaltig wurde ursprünglich im 19. Jhrdt. in der Forstwirtschaft entwickelt. In dieser Arbeit
werden die Begriffe Nachhaltigkeit und nachhaltige Entwicklung synonym mit dem englischen
Ausdruck ,,Sustainable Development" verwendet.
Nachhaltiger Energieträger Biodiesel?
5
Die Leitbilder nachhaltiger Entwicklung basieren aber nicht nur auf einer
politischen Bewusstseinsbildung, sondern im besonderen auf den beiden
Meadows Studien des ,,Club of Rome", die am MIT (Massachusetts Institute of
Technology) von Wissenschaftlern erarbeitet wurden.
6
Da das Konstrukt Nachhaltigkeit seit über 15 Jahren in unterschiedlichsten
Wissenschaften und Fachrichtungen Untersuchungsobjekt ist, gibt es eine kaum
überschaubare Anzahl an Modellen und Konzeptionen auf diesem Gebiet.
7
Die
hier dargestellten Ansätze sind deshalb ausgesucht worden, da sie hinsichtlich der
späteren Bewertung und Analyse von Biodiesel die geeignetsten zu sein scheinen.
Die Problematik des ganzheitlichen Lösungsansatzes und die unterschiedlichsten
Definitionen des Begriffs der Nachhaltigkeit machen es notwendig, klare
Abgrenzungen und Konzepte zu definieren, um in einer wissenschaftlichen Arbeit
Modelle und Konzepte nachhaltiger Perspektiven anzuwenden.
Nachhaltige Entwicklung wird von dem Rat von Sachverständigen für
Umweltfragen als Impulsgeber neuer gesellschaftspolitischer Grundlagenreflexion
bezeichnet. Die wegweisende Bedeutung des Konzeptes liegt darin, dass die
ökologische Ressourcenfrage aus ihrer gegenwärtigen Isolierung herausgeholt
wird und als unabdingbarer Bestandteil der gesellschaftlichen Gesamtentwicklung
gesehen wird.
8
2.2. Zieldreieck oder die Säulen der Nachhaltigkeit
Das Bild des Zieldreiecks der globalen und nationalen Nachhaltigkeit ist in
ökonomische, ökologische und sozial kulturelle Zielvorstellungen respektive
Leitbilder zu untergliedern. Die drei Säulen der Nachhaltigkeit werden in der
Literatur synonym für den Begriff des Zieldreiecks verwendet.
Nachhaltigkeit umfasst somit ein ökonomisches Element (Allokation und
Wachstum), ein ökologisches Element (inter- und intragenerative Gerechtigkeit)
und drittens ein sozial-gesellschaftliches (Schutz und Erhalt der natürlichen
Umwelt als Lebensgrundlage des Menschen).
9
Hervorzuheben ist die Idee des
6
Titel der amerikanischen Ausgaben: ,,Limits to Growth", New York 1972 & ,,Beyond the
Limits", New York 1992.
7
Vgl. Müller Christ, G.: Nachhaltiges Ressourcenmanagement, Eine wirtschaftsökologische
Fundierung, S.51f.
8
Vgl. Ebenda, S.55.
9
Vgl. Gerken, L., Renner, A.: Nachhaltigkeit durch Wettbewerb, S. 1.
Nachhaltiger Energieträger Biodiesel?
6
Konzeptes, dass sich die einzelnen Elemente nicht unabhängig von einander
realisieren lassen. Ihre Vernetzung und die gemeinsame Umsetzung aller
Elemente ist ausschlaggebend und unabdingbar mit dem Gedanken nachhaltiger
Entwicklung verwoben. Die tripolare Interpretation des Begriffes geht zunächst
auch von der Gleichrangigkeit der Dimensionen aus.
Ökologische Säule
- Nutzung erneuerbarer Ressourcen nicht über Regenerationsrate
- Nutzung nicht - erneuerbarer Ressourcen nicht über Substitutionsrate
- Stoffeinträge nicht über die Tragfähigkeit & Anpassungsfähigkeit d. Natur
- Unterlassung unvertretbarer Risiken
Ökonomische Säule Sozial kulturelle Säule
- Angemessenes Einkommen - Demokratie und Rechtsstaat
-
Außenwirtschaftliches Gleichgewicht
- Soziale Integration
-
Preisstabilität - Gesellschaftliche Wohlfahrt
-
Abbau regionaler Wirtschaftsgefälle - Hoher Beschäftigungsgrad
-
Ausgeglichener Staatshaushalt - Gerechte Verteilung d. Lebenschancen
-
Effiziente Allokation
Abb. 1: Die Säulen der Nachhaltigkeit; Eigene Darstellung nach Rogall (2000)
Die hier dargestellten Zielvorstellungen sollen zunächst nur beispielhaft erläutern,
welches Spektrum die Leitbilder nachhaltiger Entwicklung umfassen. Im Laufe
der Arbeit wird jedoch dezidiert auf einzelne Punkte eingegangen, woraufhin
diese als Bewertungsgrundlage für den Einsatz von Biodiesel im Rahmen der
Nachhaltigkeit angeführt werden. Aus den relativ abstrakten Leitbildern (siehe
Abb. 1) nachhaltiger Entwicklung müssen differenzierte Qualitäts- und
Handlungsziele abgeleitet werden.
10
2.2.1. Ökologische Dimension
Die zugrundeliegende Annahme ist, dass zivilisatorische Entwicklungsprozesse
zur Überforderung der Ausgleichmechanismen der Umwelt führen. Aufgrund
möglicher Irreversibilität ökologischer Prozesse wäre die Stabilität der
Umweltfunktionen und deren Konstanz nicht mehr gegeben. Als
Umweltfunktionen werden die Bereitstellung endlicher und regenerierbarer
10
Vgl. Rogall, H.: Von der globalen zur betrieblichen Idee der Nachhaltigkeit, in: Dybe,
G./Rogall, H. : Die ökonomische Säule der Nachhaltigkeit. Annäherungen aus
gesamtwirtschaftlicher, regionaler und betrieblicher Perspektive, S. 22f.
Nachhaltiger Energieträger Biodiesel?
7
Ressourcen, die Aufnahme und Assimilation von Emissionen und Abfällen und
die Sicherung allgemeiner ökologischer (bspw. klimatischer) Kreisläufe
verstanden. Der Erhalt dieser Funktionen für heutige und zukünftige Generationen
ist das angestrebte Ziel ökologischer Nachhaltigkeit.
Es müssen daher Umweltqualitätsziele entwickelt werden, die helfen diese
Funktionen näher zu bestimmen indem sie einen bestimmten sachlich - räumlich
und zeitlich angestrebten Zustand der Umwelt auf globaler, regionaler oder
lokaler Ebene sowie die damit vereinbarten maximalen stofflichen und
landschaftsstrukturellen Belastungen angeben. Handlungsziele sollen die zur
Erreichung der Umweltqualitätsziele notwendigen Schritte formulieren.
11
Bei der Umsetzung dieser Regeln ergeben sich allerdings Definitionsprobleme.
Daher hat die Bundesregierung in ihrem Strategiepapier zur nachhaltigen
Entwicklung, das im Vorfeld des WSSD in Johannesburg erschienen ist, ähnliche
aber funktionale Leitbilder formuliert.
Das Leitbild nachhaltiger Entwicklung untergliedert sich in der Strategie der
Bundesregierung in vier Hauptziele:
1. Generationengerechtigkeit
2. Lebensqualität
3. Sozialer Zusammenhalt
4. Internationale Verantwortung
In Anlehnung an diese Ziele wurden 21 Indikatoren entwickelt, die den
Leitbildern zugeordnet wurden. Die ,,Schlüsselindikatoren" sollen helfen
aufzuzeigen welche Fortschritte erreicht wurden und wo Deutschland auf dem
Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung steht.
12
Einige der Kennziffern haben
direkte Relevanz für die Untersuchung des Dieselkraftstoffäquivalents Biodiesel.
Diese Indikatoren sollen im folgenden kurz dargestellt werden, da auch anhand
dieser die Frage nach der Nachhaltigkeit des Treibstoff Biodiesel abgeprüft und
bewertet werden soll.
11
Vgl. BMU (Hrsg.): Umweltgutachten des SRU zur Umsetzung einer dauerhaft
umweltgerechten Entwicklung (Kurzfassung), S. 11.
12
Vgl. Die Bundesregierung: Perspektiven für Deutschland; Unsere Strategie für eine nachhaltige
Entwicklung, S. 89.
Nachhaltiger Energieträger Biodiesel?
8
Klimaschutz: Treibhausgase reduzieren
Die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung zielt darauf ab die Emissionen des
gravierendsten Treibhausgases CO
2
bis 2005 gegenüber 1990 um 25% zu
reduzieren.
Erneuerbare Energien: Zukunftsfähige Energieversorgung aufbauen
Ziel ist es, den Anteil erneuerbarer Energien am Primärenergieverbrauch von
2,1% im Jahr 2000 auf 4,2 im Jahr 2010 zu verdoppeln.
Ernährung: Gesunde Nahrungsmittel umweltverträglich produzieren
Ökologischen Anbau bis 2010 auf 20% der Gesamtfläche erhöhen. Reduktion des
Stickstoffeintrages von 116,6 kg/ha (2000) auf 89 kg/ha 2010.
13
Aus den dargestellten Zielen geht hervor, dass eine deutliche Reduktion der Stoff-
und Energieströme notwendig wird, um zukunftsverträglich wirtschaften zu
können.
2.2.2. Ökonomische
Dimension
Die Erhöhung der Wohlfahrt steht hier im Vordergrund. Eine solche kann nur
dann stattfinden, wenn die sich ausweitende Schere zwischen
einzelwirtschaftlicher und gesamtwirtschaftlicher Rationalität verhindert wird.
Aus diesem Grunde müssen die unerwünschten Nebenwirkungen
einzelwirtschaftlicher Rationalität in den gesamtökonomischen Entscheidungs-
prozess rückgekoppelt werden. Dies kann, nach Meinung der Enquete
Kommission, nur durch entsprechende Intervention des Staates mit Blick auf die
langfristige Überlebensfähigkeit der marktwirtschaftlichen Ordnung gelingen.
14
Denn im Vergleich zu der Akzeptanz von Langzeitbelastungen wie bei den
Neoklassiker, gilt bei einem nachhaltigen Ansatz ein striktes
Verschlechterungsverbot aufgrund der intergenerationalen Gerechtigkeit. Das
System der Durchlaufwirtschaft muss einer dem natürlichen System ähnlichen
Kreislaufwirtschaft weichen.
13
Vgl. Ebenda, S. 95, 97, 113.
14
Vgl. Enquete Kommission: Abschlussbericht: Schutz des Menschen und der Umwelt Ziele
und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung, S. 27.
Nachhaltiger Energieträger Biodiesel?
9
Es ist jedoch darauf zu achten, dass die ökonomische Säule nicht von
ökologischen Faktoren in den Hintergrund gedrängt wird. Der Fokus auf die
gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt soll natürlich auch die Sicherung der materiellen
Lebensbedingungen der Einzelnen garantieren (Bspw. Mobilität für alle).
Ziele ökonomischer Nachhaltigkeit sind auch ein außenwirtschaftliches
Gleichgewicht und ein ausgeglichener Staatshaushalt. Die Befürworter von
Biodiesel sehen auch hier einen Grund für die Förderung des
Dieselkraftstoffsubstituts. Die Verwendung von Biodiesel in Autos und
Heizwerken führt zu einem Minderverbrauch von Dieselkraftstoff, was eine
Importsubstitution von Erdöl und somit die Chancen auf ein außenwirtschaftliches
Gleichgewicht erhöht. Auch wird von dieser Seite immer wieder auf eine somit
verminderte Abhängigkeit Deutschlands von Energieimporten hingewiesen.
2.2.3. Gesellschaftliche
Dimension
Die sozial kulturellen Ziele nachhaltiger Entwicklung sind noch weiter von
einem gesellschaftlichen Konsens entfernt als die ökologischen und
ökonomischen Ziele, da sie noch stärker von den jeweilig eingenommenen
gesellschaftspolitischen Positionen abhängen. Eine Einigung über Ziele ist
deshalb so schwierig, weil hier kein unbestrittenes Zielsystem existiert.
15
Eine
Ausgestaltung und Strukturierung sozialer bzw. gesellschaftlicher Nachhaltigkeit
könnte aber dazu führen, dass sich im Verlauf gesellschaftlicher Entwicklung
auch die ökonomischen und ökologischen Dimensionen von Nachhaltigkeit
maßgeblich an einem nachhaltigen Gesellschaftsmodell orientieren und dadurch
beeinflusst werden.
In dieser Arbeit wird sich mit der Frage der Beschäftigungspolitik
auseinandergesetzt. Inwieweit sichert oder fördert der Anbau von Raps zu
Zwecken der Substitution von Diesel Arbeitsplätze und Einkommen in der
Landwirtschaft und generiert somit entsprechenden volkswirtschaftlichen Nutzen.
Das Strategiepapier der Bundesregierung bietet auch hier einen Indikator zur
Messung nachhaltiger Entwicklung an, anhand dessen die Auswirkungen der
Erzeugung von Biodiesel auf die Arbeitssituation in der Landwirtschaft betrachtet
werden.
15
Vgl. Rogall, H.: Neue Umweltökonomie Ökologische Ökonomie, S. 198f.
Nachhaltiger Energieträger Biodiesel?
10
Beschäftigung: Beschäftigungsniveau steigern
Die Bundesregierung strebt an, die Erwerbstätigenquote bis 2010 auf 70% im
Vergleich zu 65,4% im Jahr 2000 zu erhöhen.
16
2.2.4. Integration der drei Dimensionen
Nachhaltige Entwicklung zielt also auf die Substanzerhaltung der
Produktionsfaktoren des gesellschaftlichen Fortschritts ab.
17
Vorhandene
Ressourcen dürfen eingesetzt werden, aber nur unter der Prämisse, dass sie später
wiederhergestellt werden.
Die eigentliche Schwierigkeit ist die Operationalisierung der drei
Nachhaltigkeitsdimensionen. Dabei ist es erforderlich, die verschiedenen Ansätze
so zu kombinieren, dass sie möglichst als ganzheitliche Maßnahmen umzusetzen
sind. Die mögliche Lösung des Problems liegt darin Win Win Situationen zu
schaffen. Das bedeutet, dass beispielsweise dann ökonomische Ziele erfüllt
worden sind, wenn gleichzeitig ökologische und soziale Ziele erreicht werden
konnten. Strukturen und Prozesse müssen so eingerichtet werden, dass sich zwei
oder drei Dimensionen gleichzeitig, ohne sich gegenseitig einzuschränken oder zu
behindern, entwickeln können.
Eine realistische Betrachtung muss jedoch davon ausgehen, dass es
Spannungsfelder zwischen den einzelnen Dimensionen geben kann, die nicht
wegdefiniert werden können. Sie müssen erkannt und durch Verstehen der
Eigenheiten mit Hilfe von Abwägungsprozessen adäquat bearbeitet werden.
Tatsache ist, dass es zum Erreichen von Reduktionszielen, die einer nachhaltigen
Entwicklung gerecht werden, zu einer Umstrukturierung heutiger
Produktionsprozesse und Konsumgewohnheiten kommen muss. Für eine derartige
Neuorientierung reicht jedoch kein einzelnes Instrument oder Maßnahme aus,
sondern es ist ein grundlegender Paradigmenwechsel notwendig.
18
Folgende Strategiepfade nachhaltiger Entwicklung sind in diesem Rahmen in die
Überlegungen mit einzubeziehen und konsequent umzusetzen:
19
16
Vgl. Die Bundesregierung: a.a.O., S 121f.
17
Vgl. Müller Christ, G.: a.a.O., S.71.
18
Vgl. Enquete Kommission: a.a.O., S. 24.
19
Vgl. Rogall, H.: Neue Umweltökonomie, S. 92f.
Nachhaltiger Energieträger Biodiesel?
11
Effizienzstrategie (ökologische Modernisierung vorhandener Produkte):
Aufgrund der Internalisierung externer Kosten wird ein Forschungs- und
Entwicklungswettlauf zwischen den Unternehmen angestrebt mit dem Ziel, immer
ressourceneffizientere und schadstoffärmere Produkte herzustellen. Als Beispiel
lassen sich hier die Effizienzsteigerungen bei der Entwicklung von
emissionsarmen Kraftfahrzeugen, bzw. deren Motoren anführen, die durch
strengere, staatlich auferlegte, Abgasnormen erreicht wurden.
20
Substitutions- oder Konsistenzstrategie (neue nachhaltige Produkte):
Es geht hierbei nicht um die Weiterentwicklung bereits bestehender Technologien
oder Produkte, sondern Ziel dieser Strategie ist der Einsatz neu oder anders
gestalteter Produkte, die zwar die gleiche Funktion erfüllen, jedoch
umweltverträglicher sind (Erneuerbare Energien anstatt Verbrennung fossiler
Energieträger; Bahn statt KfZ).
Suffizienzstrategie (Selbstbegrenzung, Lebensstiländerung):
Ziel hier ist eine Bewusstseinsbildung (bspw. Entstehen einer Umweltethik), die
im besonderen durch eine Änderung der strukturellen und gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen zu einer Lebensstiländerung und somit zu einem Wandel im
Nachfrageverhalten der wirtschaftlichen Akteure führen kann.
Um allerdings den unmäßigen Ressourcenverbrauch, vor allem in den
Industriestaaten, einzuschränken und eine nachhaltige Entwicklung zu
gewährleisten, ist es erforderlich, sämtliche beschriebenen Strategien umzusetzen.
Tatsache ist jedoch, dass die Menschen in den Industrienationen kaum gewillt
sind, auf ihren hohen Ausstattungsstandard und den enormen Energieverbrauch zu
verzichten. Dagegen leben die Menschen in den Entwicklungsländern
notgedrungen asketisch. Dabei darf ihnen das Recht auf Fortschritt nicht
vorenthalten werden Dieser Widerspruch beruht auf dem Nord-Süd-Gefälle und
ist systemimmanent. Die Auflösung dieser Problematik scheint unüberwindlich.
Daher muss ein Mittelweg zwischen Askese und grenzenlosem Hedonismus
gefunden werden, der als globales Modell zukunftsfähig ist.
20
Das Wuppertal-Institut und die Enquete Kommission fordern einer Steigerung der
Ressourceneffizienz um einen Faktor 4, bzw. sogar Faktor 10. Vgl. Rogall, H.: Neue
Umweltökonomie, S. 336.
Nachhaltiger Energieträger Biodiesel?
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Die Industriestaaten müssen sich zu notwendigen Einschränkungen bekennen und
dem Rest der Welt beweisen, dass ein Leben im Wohlstand auch auf anderem
Wege erreichbar ist. Andererseits müssen Transformations- und
Entwicklungsländer erkennen, dass sie trotz ihres Rechtes auf und auch der
Notwendigkeit von Entwicklung die Belange ökologischer Systeme und
Zusammenhänge nicht vernachlässigen dürfen.
21
Die Effizienzstrategie könnte
den Menschen möglicherweise die notwendige Zeit verschaffen, bis Substitutions-
und Suffizienzstrategien Akzeptanz gefunden haben und umgesetzt werden
können.
2.3. ,,Starke"
und
,,Schwache" Nachhaltigkeit
Die Wertigkeit der Ziele der drei Säulen wird unterschiedlich interpretiert. Die
relevante Frage hier ist die nach der Gleichgewichtigkeit der einzelnen
Zielebenen. Je nach Gewichtung resultieren daraus die beiden Grundrichtungen
der starken und schwachen Nachhaltigkeit, die innerhalb ihrer Ausrichtungen
noch unterschiedliche Grade aufweisen können.
22
Starke nachhaltige Entwicklung
wird unter dem Aspekt verstanden, dass der Gesamtbestand des gesellschaftlichen
als auch des natürlichen Kapitals kontinuierlich wächst. Folglich muss der
natürliche Bestand zumindest konstant gehalten werden. Das natürliche Kapital
kann nicht durch künstliche Leistungen ersetzt werden. Starke Nachhaltigkeit
bietet keine Substitutionsmöglichkeiten zwischen beiden Kapitalen.
Vertreter dieser Position fordern ein Umsteuern, da die Belastungsgrenzen der
Natur nahezu erreicht sind. Dieser Prozess des Wandels umfasst technische und
verhaltensverändernde Strategien. Befürworter der radikalen nachhaltigen
Entwicklung hingegen plädieren für ein sofortiges radikales Umschwenken ohne
jegliche Rücksichtsnahme auf individuelle Präferenzen der Wirtschaftsubjekte,
um schnellstmögliche Reduktion des Ressourcenverbrauchs zu erzielen.
23
Eine
solche Positionierung würde von der Gesellschaft eher als ,,Öko-Diktatur"
verstanden und die Chancen auf eine derartige Umsetzung wären verschwindend
gering.
21
Vgl. Scheer, H.: Solare Weltwirtschaft, S. 105f.
22
Die Ausprägungen sind unter sehr schwacher, schwacher, starker und radikaler Nachhaltigkeit
zu subsumieren.
23
Vgl. Rogall, H.: Neue Umweltökonomie, S. 204.
Nachhaltiger Energieträger Biodiesel?
13
Schwache Nachhaltigkeit geht dahingegen davon aus, dass zumindest der
Gesamtbestand konstant bleiben muss. Der Großteil von Ökonomen und
Politikern vertritt diese Position, in der die Konsumentensouveränität nicht in
Frage zu stellen ist. Die Ausprägung sehr schwacher Nachhaltigkeit wird als reine
Anwendung der klassischen Ressourcenökonomie verstanden. Somit kann
natürliches Kapital problemlos durch künstlich Erschaffenes substituiert werden.
Eine Schädigung der natürlichen Lebensgrundlagen kann durch produzierte
Sachwerte ausgeglichen werden und die Umwelt- und Ressourcenprobleme
können durch technische Verfahren gelöst werden. Bei der schwachen
Nachhaltigkeit werden staatliche Ge- und Verbote für besonders wichtige
Schutzgüter akzeptiert.
Die Vertreter schwacher Nachhaltigkeit sehen somit geringe Notwendigkeit für
Änderungen der Rahmenbedingungen durch die Politik. Hier wird des weiteren
jedoch von der Notwendigkeit starker Nachhaltigkeit ausgegangen, da es für die
Lebenshaltungsfunktionen der Umwelt und die Multifunktionalität der natürlichen
Systeme keine gleichwertigen Substitute geben kann.
24
2.4. Vorgeschichte
und
Vorbedingungen der Gewinnung
von Biodiesel aus Raps in Deutschland
Im vorangegangenen Abschnitt wurden Nachhaltigkeit und Wege zu einer
entsprechenden Entwicklung hin dargestellt. Hier steht die Frage im Vordergrund,
welche gesellschaftlichen Umstände und politischen Motivationen für den
Rapsanbau in Deutschland als Plattform für die Förderung als alternativer
Energieträger ursächlich waren. Für den verstärkten Einsatz nachwachsender
Rohstoffe anstelle fossiler Brennstoffe werden hauptsächlich fünf Argumente
angeführt:
1. Verantwortungsvoller Umgang mit nicht nachwachsenden Ressourcen aus
Verantwortung gegenüber zukünftiger Generationen
2. Verringerung der Abhängigkeit von Ölimporten
3. Sicherung von Einkommen und Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft
4. Landwirtschaftliche Nutzung von Flächen, die nicht mehr für die
Nahrungsmittelproduktion genutzt werden sollen
24
Vgl. Barbian, D.: Ökonomie und Sustainable Development; Entwicklung eines Ansatzes zur
Umsetzung von Nachhaltigkeit, S. 9f.
Nachhaltiger Energieträger Biodiesel?
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5. Reduktion der Kohlendioxidemissionen, um einen Beitrag gegen den
Treibhauseffekt zu leisten
25
Es gilt festzustellen, ob schon bei der Entwicklung von Raps zu einem
Dieselkraftstoffsubstitut die Idee nachhaltiger Entwicklung zugrunde lag.
2.4.1. Die
Ressource
Öl
Nach der ersten Energiekrise im Jahre 1973 und der daraus resultierenden
Vervierfachung des Erdölpreises wurden in verschiedensten Ländern Programme
zur Förderung alternativer Energieträger aufgebaut. Besonders in den Ländern,
die von billigen Erdölimporten hochgradig abhängig waren stellte sich die Frage,
wie mit solch drastischen Ölpreiserhöhungen zukünftig umgegangen werden
sollte und ob es zu dem vorherrschenden Energieträger Erdöl Alternativen gäbe.
26
Ölbelieferungskrisen, Preisdiktate und selbst militärische Auseinandersetzungen
um Erdölquellen und -gebiete machten in der Vergangenheit wie auch in der
heutigen Zeit wiederholt die Abhängigkeit der meisten Volkswirtschaften vom
,,Schwarzen Gold" deutlich. Aufgrund von Kohle- und Kernenergie konnte
Deutschland zumindest die Stromversorgung weitgehend über nationale Anbieter
decken. Die verschwindend geringen Förderkapazitäten von Rohöl sind jedoch
Ausdruck des immensen Importbedarfs von fossilen Kraftstoffen und Heizöl. Der
jährliche Rohölbedarf in der Bundesrepublik im Jahre 2001 betrug rund 105 Mio.
t, stammte zu 98% aus Importen und wurde zu 54% auf dem Verkehrssektor und
zu 30% auf dem Wärmemarkt eingesetzt.
27
Mobilität und die zunehmende Motorisierung der Gesellschaft konnte sich jedoch
nur durch zunehmenden Verbrauch von raffineriertem Erdöl weiterentwickeln. Im
Jahr 2002 waren 55,2 Millionen Fahrzeuge in Deutschland gemeldet und die Zahl
der Autos nimmt weiter zu. Prognosen gehen von einer Zunahme des
Personenverkehrs im Jahre 2015 im Vergleich zu 1997 um rund 22% aus.
28
25
Vgl. Umweltbundesamt Texte 4/93: Ökologische Bilanz von Rapsöl bzw. Rapsölmethylester als
Ersatz von Dieselkraftstoff (Ökobilanz Rapsöl), S. 5.
26
Die brasilianischen Regierung beschloss im November 1975 die Einführung des nationalen
Alkoholprogramms PROALCOOL zur Substitution von Benzin durch Biomasse.
27
Vgl. BMWi: Nachhaltige Energiepolitik für eine zukunftsfähige Energieversorgung, S. 88.
28
Vgl.BMU: Der Umweltreport, S. 30.
Nachhaltiger Energieträger Biodiesel?
15
Ein weiterer Faktor, der die Frage nach Substitutionsmöglichkeiten von Rohöl
verstärkt, ist die Unsicherheit bezüglich des zu erwartenden Zeitraums, in dem
Erdöl als fossiler Energieträger noch zur Verfügung stehen wird. Ein Ende der
Ölvorkommen, die mit heutigen Technologien wirtschaftlich gefördert werden
können, wird auf Grundlage des von der IEA (Internationale Energie-Agentur)
angenommenen Produktionswachstums, bei konservativen Schätzungen in etwa
25 Jahren und bei großzügigen in etwa 55 Jahren erreicht.
29
Diese Ungewißheit
verhindert zusätzlich, dass die schon heute erkennbare und zukünftig noch
weitaus einschränkendere Knappheit als Faktor in die Preisbildung der realen
Erdölpreise mit eingerechnet wird.
Eine Abnahme der sogenannten statistischen Reichweite bei der Einschätzung der
gesamten Erdölvorkommen kann nur durch Maßnahmen verhindert werden, die
auf Effizienzsteigerungen, Ersatz durch Substitute und eine Etablierung von
Suffizienzstrategien beruhen.
30
Diese Maßnahmen entsprechen den drei
Strategiepfaden nachhaltiger Entwicklung, deren Umsetzung bei der Integration
aller Dimensionen notwendig ist. Ein Ersatz von Erdöl durch neuartige und sogar
vollständige Substitute (sogenannte ,,Backstop Technologies"), wird aufgrund der
Möglichkeit der OPEC, Preissysteme durch erhöhte Fördermengen zu regulieren,
nach Ansicht einiger Forscher erst nach dem kompletten Verbrauch der Ölvorräte
stattfinden.
31
Dagegen steht die Tatsache, dass Erdöl eine endliche Ressource ist, die nicht nur
in absehbarer Zeit erschöpft ist, sondern auch als weltweit bedeutendster
Energielieferant eine riesige Lücke in der globalen Energieversorgung
hinterlassen wird. Dies ist in den letzten Jahren auch der Bundesregierung immer
bewusster geworden. Die daraus resultierende Notwendigkeit, neue Wege und
Substitutionsmöglichkeiten zu suchen, mag als ein Teilaspekt, der zu einer
Unterstützung der Gewinnung von Kraftstoffäquivalenten aus nachwachsenden
Rohstoffen geführt hat, gelten.
29
Vgl. Kageson, P.: Growth versus the Environment: Is there a Trade off ?, S. 119f.
30
Vgl. Busch, A.: Nachhaltige Entwicklung, Grenzen monetärer Operationalisierung und
konzeptionelle Folgerungen, S. 78f.
31
Vgl. Heal, G./Chichilnisky, G.: Oil and the international Economy, S. 18f
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2003
- ISBN (eBook)
- 9783832491956
- ISBN (Paperback)
- 9783838691954
- DOI
- 10.3239/9783832491956
- Dateigröße
- 1.1 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Freie Universität Berlin – Wirtschaftswissenschaften, Volkswirtschaft am Lateinamerikanischen Institut
- Erscheinungsdatum
- 2005 (Dezember)
- Note
- 1,0
- Schlagworte
- biokrafstoff energie nachhaltigkeit schadstoffemission umweltschutz
- Produktsicherheit
- Diplom.de