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Corporate Governance und Sarbanes-Oxley Act - Haftungsrechtliche Anforderungen an die Unternehmensleitung und Risikomanagement von Aktiengesellschaften

Unter besonderer Berücksichtigung der IT-Sicherheit

©2005 Diplomarbeit 239 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Vorstände von Aktiengesellschaften agieren als Treuhänder fremden Vermögens. Um Anleger und Gläubiger zu schützen haben sie bei ihrem Handeln und der Organisation des Unternehmens bestimmte gesetzliche Vorschriften zu beachten. Jedoch beschäftigten sich bis Mitte der neunziger Jahre weder das Schrifttum noch die Rechtsprechung wesentlich mit der Frage der persönlichen Haftung der Vorstandsmitglieder für Fehlentscheidungen oder Pflichtverletzungen. Eine Pflichtverletzung, die zu einem Schaden bei der Gesellschaft führte, wurde in der Regel lediglich personalpolitisch sanktioniert. Die betroffenen Unternehmen sahen dabei zumindest dann von der Geltendmachung weiterer Ansprüche wie Schadensersatz oder der Strafanzeige ab, sofern der Verantwortliche keine unakzeptablen Abfindungsforderungen stellte. Verständlicherweise stehen vor allem die Vorstandsmitglieder selbst weitergehenden Forderungen kritisch gegenüber und verweisen auf eine Einschränkung der unternehmerischen Freiheit. Allerdings lassen sich auch im juristischen Schrifttum Stimmen finden, die personalpolitische Konsequenzen als „im Großen und Ganzen“ ausreichend ansahen.
Beginnend in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre setzte dann allerdings eine schnell an Fahrt gewinnende Bewegung ein. Die zahlreichen Bilanzierungsskandale und Unternehmenszusammenbrüche in jüngerer Zeit haben etlichen Anlegern große Verluste beschert und insgesamt das Vertrauen in die weltweiten Kapitalmärkte empfindlich erschüttert. Hinzu kam, dass international vergleichbare Standards für die Verantwortung der Unternehmensleitung fehlten, obwohl die Unternehmen durch die Globalisierung der Märkte zunehmend international verflechtet sind.
Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken haben Gesetzgeber und Börsenaufsichtsbehörden erhebliche Anstrengungen in Form von neuen Gesetzen und Vorschriften unternommen. Gesetzgebung und Rechtsprechung haben die Haftungsvoraussetzungen nicht nur konkretisiert, sondern vor allem auch zu Lasten der Unternehmensleitung verschärft. Bei vielen Unternehmensinsolvenzen stellte sich im nachhinein heraus, dass die Krise absehbar und abwendbar gewesen wäre, wenn die Aufsichtsratsmitglieder ihre Überwachungsaufgabe gewissenhaft wahrgenommen hätten. Aus diesem Grund ist auch die Haftung des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft in den Blickpunkt der öffentlichen Diskussion geraten.
Die nach wie vor andauernden Aktivitäten des Gesetzgebers sind Teil der international […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 9170
Wiemken, Florian/Hempel, Jan Markus: Corporate Governance und Sarbanes-Oxley Act -
Haftungsrechtliche
Anforderungen an die Unternehmensleitung und Risikomanagement
von
Aktiengesellschaften unter besonderer Berücksichtigung der IT-Sicherheit
Hamburg: Diplomica GmbH, 2006
Zugl.: Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg, Diplomarbeit, 2005
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany







II
INHALT
D
ARSTELLUNGSVERZEICHNIS
... V
A
BKÜRZUNGSVERZEICHNIS
...VII
I.
M
ANAGER UND IHR
B
ERUFSRISIKO
... 1
II.
G
RUNDLAGEN DER
O
RGANHAFTUNG
... 5
A. Einführende Grundbegriffe... 5
1. Definition und Abgrenzung ... 5
2. Szenarien der Haftung ... 7
3. Kreis der Haftpflichtigen und Anspruchsberechtigten... 7
B. Innenhaftung ... 8
1. Vorstände... 9
2. Aufsichtsräte... 22
3. Haftungsbeschränkung ... 29
C. Außenhaftung... 30
1. Deliktische Schadensersatzansprüche... 31
2. Regressansprüche ... 33
3. Haftung gegenüber den verschiedenen Anspruchstellern... 34
III.
C
ORPORATE
G
OVERNANCE
:
O
RGANHAFTUNG IM
W
ANDEL
... 47
A. Die Corporate Governance-Diskussion in Deutschland ... 48
1. Hintergründe... 48
2. Vorstellungen von Corporate Governance ... 53
B. Das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) .. 55
1. Zielsetzung ... 55
2. Erweiterung der Berichtspflichten des Vorstands (§ 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG)... 56
3. Risikomanagement und interne Kontrolle (§ 91 Abs. 2 AktG) ... 58
4. Geltendmachung von Ersatzansprüchen durch Minderheitsverlangen (§ 147 AktG)... 67
5. Mittelbare Auswirkungen des KonTraG auf die Managerhaftung ... 68
6. Zusammenfassung und abschließende Kritik ... 69
C. Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) ... 70
1. Entwicklung des DCGK ... 70
2. Wirkungsweise des DCGK... 73
3. Ausgewählte materielle Klarstellungen und Neuregelungen durch den DCGK... 75
4. Durchsetzbarkeit und Haftungsrisiken aus dem DCGK ... 84
5. Kritische Würdigung des DCGK... 91

III
D. Das Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG)... 93
1. Das TransPuG als zweite Umsetzungsstufe... 93
2. Intensivierung der Berichtspflichten (§ 90 Abs. 1 AktG)... 94
3. Obligatorische Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats (§ 111 Abs. 4 AktG) ... 94
4. Erweiterung der Prüfung des Risikofrüherkennungssystems (§ 317 Abs. 4 HGB) ... 94
E. Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz ... 95
1. Stärkung des Finanzplatzes Deutschland... 95
2. Kodifizierung von Schadensersatzansprüchen (§§ 37b, 37c WpHG)... 96
F. Das 10-Punkte-Programm ,,Unternehmensintegrität und Anlegerschutz" ... 98
1. Das Programm als dritte Umsetzungsstufe... 98
2. Verbesserung des Klagerechts der Aktionäre und ,,Business Judgment Rule" (UMAG).. 99
3. ,,Enforcement" zur Überwachung der Unternehmensabschlüsse (BilKoG) ... 102
4. Erweiterung der zukunftsorientierten Lageberichterstattung (BilReG)... 103
5. Persönliche Haftung für Falschinformationen des Kapitalmarkts (AnsVG, KapInHaG,
KapMuG)... 105
IV.
D
ER
S
ARBANES
­
O
XLEY
A
CT OF
2002... 110
A. Vorstellung des Sarbanes - Oxley Act (SOA) ... 111
1. Hintergründe und Ziele... 111
2. Inhalte und Bestimmungen des Gesetzes... 113
3. Wirkungsbereich des Gesetzes ... 116
B. Auswirkungen des SOA auf die Unternehmen ... 119
1. Vorstandshaftung und Anforderungen an das Management... 119
2. Corporate Governance und Ethikdiskussion im Kontext des SOA ... 122
3. Verstärkung des internen Kontrollsystems ... 125
C. Kritische Würdigung des SOA... 132
1. Zwischenbilanz des SOA... 132
2. SOA als Kostenfaktor... 134
3. Chancen der SOA Konformität ... 137
V.
IT-R
ISIKEN UND
IT-S
ICHERHEIT
... 140
A. Technische Anforderungen an die IT-Sicherheit ... 143
1. Begriffliche Grundlagen der IT-Sicherheit... 143
2. Gefahren für die IT-Sicherheit... 145
3. Gefährdungsebenen und Sicherheitsaspekte... 147
4. Sicherheits- und Katastrophenmanagement... 152
B. Rechtliche Anforderungen an die IT-Sicherheit ... 153
1. Im weiteren Sinn aus dem Aktiengesetz... 154
2. Im engeren Sinn aus datenschutzrelevanten Gesetzen... 155
3. Grundsätze ordnungsgemäßer Datenverarbeitung im Rechnungswesen ... 160
C. Verantwortung für die Umsetzung der Anforderungen ... 162

IV
VI.
R
ISIKOMANAGEMENT UND DIE
R
OLLE DER
IT ... 164
A. Ausgestaltung eines Risikomanagementsystems ... 165
1. Einführung eines Risikomanagementsystems... 165
2. Risikomanagement nach dem COSO II Standard... 178
3. Die Auswirkungen von Basel II auf das Risikomanagement ... 180
4. Kritische Würdigung des Risikomanagements... 184
B. Integration der IT in das Risikomanagement ... 186
1. Unterstützung des Risikomanagements durch die IT ... 186
2. Bewältigung von IT-Risiken durch IT-Governance ... 190
VII.
S
TRATEGIEN ZUR
R
ISIKOBEWÄLTIGUNG
... 194
A. Best - Practice Strategien in der IT ... 194
1. Einführung der IT Governance am Beispiel des COBIT... 194
2. Konsolidierung des COBIT mit dem COSO Standard ... 199
B. Sonstige Risikovermeidungsstrategien ... 200
1. D&O ­ Versicherungen ... 200
2. Dokumentation der Entscheidungsfindung... 201
3. Outsourcing ... 201
VIII.
Z
USAMMENFASSUNG UND
A
USBLICK
... 202
L
ITERATUR
... 205
W
EBQUELLEN
... 216

V
Darstellungsverzeichnis
Darstellung 1:
Managerhaftung im Überblick
Darstellung 2:
Verpflichtungen des Managements aus dem SOA
Darstellung 3:
Weitere Verpflichtungen des Managements aus dem
SOA
Darstellung 4:
Die Bedeutung der Section 404 für das IKS
Darstellung 5:
Das interne Kontrollsystem und seine Regelungsberei-
che
Darstellung 6:
Das integrierte COSO Rahmenwerk (COSO I Würfel)
Darstellung 7:
IDW Version des COSO Rahmenwerks
Darstellung 8:
Methodik zur Umsetzung von IKS / 302 / 404 Projek-
ten
Darstellung 9:
Bestimmung der Konformitätskosten
Darstellung 10:
Kontinuierliche Compliance und Verbesserung
Darstellung 11:
Kategorien von Gefahren für die IS-Sicherheit
Darstellung 12:
Gefahren im Schnittpunkt von Gefährdungsebenen und
Sicherheitsaspekten
Darstellung 13:
Verletzung der Vertraulichkeit
Darstellung 14:
Verletzung der Integrität
Darstellung 15:
Verletzung der Verfügbarkeit
Darstellung 16:
Verletzung der Verbindlichkeit
Darstellung 17:
Der Sicherheitskubus
Darstellung 18:
Übersicht der datenschutzrelevanten Vorschriften in
Rechnernetzen
Darstellung 19:
Acht Gebote der Datensicherheit nach Anlage zu § 9
BDSG
Darstellung 20:
Prozessstruktur des Risikomanagements
Darstellung 21:
Prozessuale Sicht des Risikomanagements
Darstellung 22:
Beispiel für eine Risikokategorisierung
Darstellung 23:
Prozessdarstellung des Unternehmens zur Identifikation
von Risiken
Darstellung 24:
Beispiel für ein Risikoportfolio
Darstellung 25:
Prozess der Risikosteuerung und -Kontrolle
Darstellung 26:
COSO II Modell mit ERM
Darstellung 27:
Drei-Säulen-Model der Basel II Vereinbarung
Darstellung 28:
Regulatorischer Ansatz bei MaRisk und Basel II
Darstellung 29:
Datenaufbereitung von relevanten Managementinfor-
mationen
Darstellung 30:
Funktionsweise der IT-Governance
Darstellung 31:
Risikoanalyse auf der Basis von IT-Grundschutz

VI
Darstellung 32:
Kriterien für Qualität, Sicherheit und Ordnungsmäßig-
keit aus COBIT
Darstellung 33:
IT-Ressourcen und ihre Bedeutung für das COBIT
Darstellung 34:
Die inneren Zusammenhänge des COBIT-Modells
Darstellung 35:
Die internen Kontrollebenen der Finanzberichterstat-
tung
Darstellung 36:
COSO / COBIT Kombination

VII
Abkürzungsverzeichnis
a.F. alte
Fassung
AICPA
American Institute of Certified Public Accountants
AktG Aktiengesetz
AMEX
American Stock and Options Exchange
AnSVG Anlegerschutzverbesserungsgesetz
AO Abgabenordnung
B2B Business-to-Business
B2C Business-to-Consumer
BaFin
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
BGB Bürgerliches
Gesetzbuch
BGH Bundesgerichtshof
BilKoG Bilanzkontrollgesetz
BilReG Bilanzrechtsreformgesetz
BS British
Standard
BSC Balanced
Scorecard
CEAC Compagnie
européenne
d'accumulateurs
CEO
Chief Executive Officer
CFO
Chief Financial Officer
CNIL
Commission nationale de l'informatique et des libertés
COBIT
Control Objectives for Information and related
Technology
COSO
Committee of Sponsoring Organizations of the
Treadway Commission
DCGK
Deutscher Corporate Governance Kodex
D&O
Director's and Officer's Liability Insurance
DV Datenverarbeitung
EDV Elektronische
Datenverarbeitung
ERM
Enterprise Risk Management
ERP
Enterprise Resource Planning
FPI
Foreign Private Issuer
GAAP
Generally Accepted Accounting Principles
GCCG
German Code of Corporate Governance
GoB Grundsätze
ordnungsgemäßer
Buchführung
HGB Handelsgesetzbuch
H.M. Herrschende
Meinung
HW Hardware
IDW
Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.
IKS Internes
Kontrollsystem
InsO Insolvenzordnung
IS Informationssystem

VIII
ISACA
Information Systems Audit and Control Association
ISO International
Organization for Standardization
IT Informationstechnologie
ITGI
IT Governance Institute
ITIL
Information Technology Infrastructure Library
IuK
Information- und Kommunikation
KapInHaG Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz
KapMuG Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz
KonTraG
Kontroll- und Transparenzgesetz
MaRisk
Mindestanforderungen an das Risikomanagement
MG Metallgesellschaft
AG
MW Manware
NASDAQ
National Association of Securities Dealers Automated
Quotations
n.F. neue
Fassung
NYSE
New York Stock Exchange
OECD
Organization for Economic Cooperation and Develop-
ment
OW Orgware
PCAOB
Public Company Accounting Oversight Board
PS Prüfungsstandard
PwC PricewaterhouseCoopers
RMIS Risikomanagement-Informationssystem
SAS
Statement of Auditing Standard
SEC
Securities Exchange Commission
SLA
Service Level Agreement
SOA
Sarbanes - Oxley Act
SOX
Sarbanes - Oxley Act
StGB Strafgesetzbuch
SW Software
TransPuG
Transparenz - und Publizitätsgesetz
UMAG Gesetz
zur
Unternehmensintegrität und Modernisierung
des Anfechtungsrechts
US United
States
VaR Value-at-Risk
WpHG Wertpapierhandelsgesetz

1
I. Manager und ihr Berufsrisiko
Vorstände von Aktiengesellschaften agieren als Treuhänder fremden Vermögens.
Um Anleger und Gläubiger zu schützen haben sie bei ihrem Handeln und der
Organisation des Unternehmens bestimmte gesetzliche Vorschriften zu beachten.
Jedoch beschäftigten sich bis Mitte der neunziger Jahre weder das Schrifttum noch
die Rechtsprechung wesentlich mit der Frage der persönlichen Haftung der Vor-
standsmitglieder für Fehlentscheidungen oder Pflichtverletzungen.
1
Eine
Pflichtverletzung, die zu einem Schaden bei der Gesellschaft führte, wurde in der
Regel lediglich personalpolitisch sanktioniert.
2
Die betroffenen Unternehmen sahen
dabei zumindest dann von der Geltendmachung weiterer Ansprüche wie Schadenser-
satz oder der Strafanzeige ab, sofern der Verantwortliche keine unakzeptablen
Abfindungsforderungen stellte. Verständlicherweise stehen vor allem die Vor-
standsmitglieder selbst weitergehenden Forderungen kritisch gegenüber und
verweisen auf eine Einschränkung der unternehmerischen Freiheit.
3
Allerdings lassen
sich auch im juristischen Schrifttum Stimmen finden, die personalpolitische Konse-
quenzen als ,,im Großen und Ganzen" ausreichend ansahen.
4
Beginnend in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre setzte dann allerdings eine
schnell an Fahrt gewinnende Bewegung ein. Die zahlreichen Bilanzierungsskandale
und Unternehmenszusammenbrüche in jüngerer Zeit haben etlichen Anlegern große
Verluste beschert und insgesamt das Vertrauen in die weltweiten Kapitalmärkte
empfindlich erschüttert. Hinzu kam, dass international vergleichbare Standards für
die Verantwortung der Unternehmensleitung fehlten, obwohl die Unternehmen durch
die Globalisierung der Märkte zunehmend international verflechtet sind.
5
Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken haben Gesetzgeber und Börsenauf-
sichtsbehörden erhebliche Anstrengungen in Form von neuen Gesetzen und
Vorschriften unternommen. Gesetzgebung und Rechtsprechung haben die Haftungs-
voraussetzungen nicht nur konkretisiert, sondern vor allem auch zu Lasten der
Unternehmensleitung verschärft.
6
Bei vielen Unternehmensinsolvenzen stellte sich im nachhinein heraus, dass die
Krise absehbar und abwendbar gewesen wäre, wenn die Aufsichtsratsmitglieder ihre
Überwachungsaufgabe gewissenhaft wahrgenommen hätten. Aus diesem Grund ist
auch die Haftung des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft in den Blickpunkt der
öffentlichen Diskussion geraten.
1
Vgl. Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 1.
2
Entweder wurde der betreffende Vorstand gemäß § 84 Abs. 1 AktG nicht wiederbestellt oder, bei
schwerwiegenden Fällen, nach § 84 Abs. 3 AktG vorzeitig abberufen. Vgl. Horn, ZIP 1997,
S. 1129 (1130).
3
Siehe Schaudwet, WiWo 41/04, S. 47.
4
So zum Beispiel Horn, ZIP 1997, S. 1129 (1130).
5
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 3.
6
Vgl. Sieg, DB 2002, S. 1759.

2
Die nach wie vor andauernden Aktivitäten des Gesetzgebers sind Teil der interna-
tional geführten Diskussion um Standards guter Unternehmensführung und
Unternehmenskontrolle (Corporate Governance). Die Diskussion hat ausgehend von
den USA mittlerweile auch Europa und Deutschland erfasst. Auffällig hierbei ist die
Tendenz, neben der Gesellschaft als juristischer Person auch die Organmitglieder
selbst zivil- und strafrechtlich in Haftung nehmen zu wollen, wenn sie ihre Sorgfalts-
pflichten verletzt haben. Die Haftung der Unternehmensleitung hat damit
komplexere und vor allem für die betroffenen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglie-
der immer schwieriger zu überblickende Ausmaße angenommen. Obwohl die Preise
spezieller Haftpflichtpolicen in jüngster Zeit explodiert sind und hohe Selbstbeteili-
gungen vorsehen, sind sich viele Vorstände und Aufsichtsräte ihrer Pflichten und der
Haftungsrisiken, die sie durch ihre Funktion in der Gesellschaft persönlich treffen,
nicht hinreichend bewusst.
Vor diesem Hintergrund stellt die vorliegende Arbeit im zweiten Kapitel zunächst
die Struktur, Systematik und wichtigsten Tatbestände der Organhaftung der Aktien-
gesellschaft dar. Hiermit wird die Grundlage für das Verständnis der im Zuge der
Corporate Governance-Diskussion entstandenen neueren Entwicklungen gelegt.
Eines der Hauptanliegen der Corporate Governance-Bewegung ist es, wirksame
Mittel und Anreize zu finden, weitere Fälle von Missmanagement in Zukunft zu
verhindern. Die Einführung und Durchsetzung der persönlichen Haftung der
Organmitglieder kann dabei aber lediglich eines der Instrumente sein, um sicherzu-
stellen, dass Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder ihre Funktion ordnungsgemäß
wahrnehmen. Das zweite wesentliche Element präventiver Art ist ein effektives, in
der eigenen Unternehmenskultur verankertes internes Kontrollsystem, das Schwach-
stellen verhindert oder zumindest frühzeitig erkennt und es den Verantwortlichen
ermöglicht, noch rechtzeitig Gegenmaßnahmen einzuleiten. So verpflichtet das
Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) den
Vorstand von Aktiengesellschaften ,,geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere
ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft
gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden".
7
Bestandsgefährdend kann für ein Unternehmen eine Vielzahl ganz unterschiedli-
cher Entwicklungen sein. Auch können sich einzelne Risiken durch gegenseitige
Wechselwirkungen erst zu bestandsgefährdenden Entwicklungen ausbilden. Im
Schrifttum wird daher immer wieder gefordert, das Überwachungssystem in ein
unternehmensweites Risikomanagementsystem einzubetten. Unklar und umstritten
ist hierbei allerdings, wie ein solches Risikomanagementsystem ausgestaltet sein
muss, da das Gesetz hierzu keine konkreten Angaben macht. Eine genaue Vorstel-
lung der gesetzlichen Anforderungen ist jedoch entscheidend für die
Organmitglieder, um sich nicht selbst wegen einer Sorgfaltspflichtverletzung durch
Unterlassen haftbar zu machen. Aus diesem Grund stellt die Arbeit im dritten Kapitel
7
§ 91 Abs. 2 AktG.

3
die relevanten neueren Gesetze, die in den vergangenen zehn Jahren im Rahmen der
Corporate Governance-Diskussion entstanden sind, vor. Ziel der Untersuchung ist es,
die Pflicht zur Einrichtung eines Risikomanagementsystems herauszuarbeiten und
Anhaltspunkte für dessen Ausgestaltung zu finden. Durch eine chronologische
Darstellung, die die einzelnen Gesetzesinitiativen jeweils in den Gesamtkontext der
Diskussion um Corporate Governance einordnet, soll außerdem gezeigt werden, mit
welcher Dynamik sich die persönliche Haftungssituation der Organmitglieder
mittlerweile verändert und welche Rolle hierbei dem Risikomanagement zukommt.
Wesentliche Impulse und Anregungen für die Weiterentwicklung des deutschen
Modells der Unternehmenskontrolle kamen mit dem US-amerikanischen Sarbanes-
Oxley Act, der deshalb anschließend im vierten Kapitel vorgestellt wird. Der
Sarbanes-Oxley Act verpflichtet auch deutsche Unternehmen, die an US-Börsen
notiert sind, für nach dem 15. Juli 2006 endende Geschäftsjahre ein internes Kon-
trollsystem über die Finanzberichterstattung einzuführen, dieses zu dokumentieren
und die Wirksamkeit jährlich von Abschlussprüfern testieren zu lassen.
8
Weiterhin
sind Chief Executive Officer (CEO) und Chief Financial Officer (CFO) eines
Unternehmens verpflichtet, den Jahresabschluss und sonstige Berichte der Gesell-
schaft persönlich zu zertifizieren. Die Bestätigung der Korrektheit bezieht sich dabei
auch auf das Vorhandensein sowie die Effektivität interner Kontrollmechanismen
und wird durch die Androhung von bis zu 20 Jahren Gefängnis strafrechtlich
flankiert.
9
Im weiteren Verlauf zeigt die Arbeit auf, wie ein Risikomanagementsystem,
welches den haftungsrechtlichen Anforderungen gerecht wird, im Unternehmen
umgesetzt werden kann. Hierzu werden Best Practise-Standards und Referenzmodel-
le vorgestellt. Der Fokus soll dabei konkret auf den Umgang mit Risiken gelegt
werden, die sich aus dem Einsatz von unternehmensweiten Informationssystemen
und deren Technologie ergeben. Hierfür gibt es vier Gründe.
Erstens ist wirtschaftlicher Erfolg von Unternehmen heute mehr denn je auf zuver-
lässige und sichere Informationstechnologie (IT) angewiesen, da die
Geschäftsprozesse über vernetzte IT-Systeme ausgeführt und abgebildet werden. Die
Wettbewerbsvorteile, die sich mit dem effizienten Einsatz von IT erzielen lassen,
haben allerdings einen Preis: Die Sicherheit der IT-Systeme ist ein wachsendes
Risiko und eine Schwachstelle für viele Unternehmen. Die Auswirkungen von
Störungen oder Angriffen auf ein Informationssystem sind nicht nur in finanziellen
Verlusten zu sehen ­ sie können unter Umständen sogar den Fortbestand des
gesamten Unternehmens bedrohen.
Zweitens wird auch der überwiegende Teil der im Unternehmen einzurichtenden
internen Kontrollmechanismen in automatisierter Form in der Unternehmenssoftware
8
Siehe Hempel, Implication on IT, 2004, S. VI.
9
Siehe Kersting, ZIP 2003, S. 233.

4
zu implementieren sein. Die IT-Sicherheit ist daher Voraussetzung für die Wirksam-
keit und Verlässlichkeit dieser Kontrollmechanismen.
Drittens hängt auch die Finanzberichterstattung des Hauses entscheidend von
einem ordnungsgemäß funktionierenden Informations- und Kontrollsystem ab, da die
Geschäftsvorgänge elektronisch erfasst werden und diese Daten dann dem internen
und externen Rechnungswesen zugrunde liegen. Insbesondere für kapitalmarktorien-
tierte Aktiengesellschaften stellen sowohl der Sarbanes-Oxley Act wie auch die
deutschen Gesetze besonders hohe Anforderungen an die Richtigkeit der Finanzbe-
richterstattung. Neben den direkten, inhärenten Risiken aus dem Einsatz von IT
ergeben sich daher weitere indirekte Risiken für Vorstände und Aufsichtsräte bei der
Finanzberichterstattung.
Schließlich ist die IT-Sicherheit auch ein Bestandteil bei der Bestimmung der
Kreditwürdigkeit eines Unternehmens. So fordert die neue Baseler Eigenkapitalver-
einbarung (,,Basel II") die Offenlegung operationeller IT-Risiken und deren
Unterlegung mit Eigenkapital.
Das persönliche Interesse der Verfasser an dem IT-Schwerpunkt ergab sich aus
dem Wunsch, ein Thema im Schnittpunkt von Wirtschaftswissenschaften, Rechts-
wissenschaften und Informatik zu bearbeiten, da dieses individuelle
Studienschwerpunkte beider Verfasser waren. Nach ihrer Auffassung bestehen nach
wie vor Kommunikations- und Verständnisprobleme zwischen Wirtschaftswissen-
schaftlern, Juristen und Informatikern, die sich aus unterschiedlichen Denkweisen
begründen. Die Motivation liegt daher darin, die verschiedenen Facetten in einer
interdisziplinären Arbeit zu beleuchten, da sich nur so ein ganzheitlicher Blick auf
die Thematik eröffnet. Die IT-Sicherheit ist als ein Kernstück des unternehmenseige-
nen Risikomanagements zu sehen, was wiederum zentrale Bedeutung für die
Finanzberichterstattung hat, von dessen Richtigkeit das Funktionieren der weltweiten
Kapitalmärkte und damit letztlich ein wesentlicher Teil der Volkswirtschaft abhängt.
Vor diesem Hintergrund setzt die Arbeit im fünften Kapitel fort mit einer kurzen
Darstellung der Anforderungen an die IT-Sicherheit aus technischer und rechtlicher
Sicht. Anschließend wird im sechsten und siebten Kapitel gezeigt, wie der Umgang
mit IT-Risiken in ein unternehmensweites Risikomanagementsystem gesetzeskon-
form eingebunden werden kann und welche weiteren Risikovermeidungsstrategien
den Organmitgliedern zur Verfügung stehen.
Im Zentrum der juristischen Betrachtung steht die Aktiengesellschaft, da die
Diskussion um Corporate Governance von den Anforderungen des Kapitalmarkts
getrieben wird und auf diesen ausgerichtet ist. Die Aktiengesellschaft spielt deshalb
eine Vorreiterrolle im Fokus der Gesetzesinitiativen auch für andere Rechtsformen.
Vor allem die (Gesellschafter-)Geschäftsführer von GmbH bzw. GmbH & Co. KG
sollten sich mit den haftungsrechtlichen Anforderungen an ihre AG-Kollegen
auseinandersetzen, da von einer Ausstrahlungswirkung auch auf diese Kapitalgesell-
schaften auszugehen ist.

5
II. Grundlagen der Organhaftung
A. Einführende Grundbegriffe
1. Definition und Abgrenzung
Die Aktiengesellschaft hat drei Organe: Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversamm-
lung. Die noch zu behandelnden Organfunktionen werden von den Organmitgliedern
wahrgenommen. Vorstand und Aufsichtsrat setzen sich im Regelfall aus mehreren
Personen zusammen, die durch einen Dienstvertrag angestellt sind, während die
Hauptversammlung aus Aktionären gebildet wird.
Mit dem Begriff der Organhaftung wird die Verpflichtung des Organmitglieds
begründet, für von ihm durch Tun oder Unterlassen verursachte Schäden einzustehen
und Ersatz zu leisten.
10
Die vorliegende Arbeit konzentriert sich dabei ausschließlich
auf die Haftung derjenigen Organmitglieder der Aktiengesellschaft, die von der
Gesellschaft durch einen schuldrechtlichen Vertrag angestellt sind und denen das
Aktiengesetz eine besondere Sorgfaltspflicht auferlegt. In der folgenden Betrachtung
bezieht sich der Begriff der Organhaftung daher auf das Vorstands- und Aufsichtsor-
gan bzw. deren Organmitglieder. Da der zunehmende Einzug von Anglizismen auch
vor dem juristischen Schrifttum nicht Halt macht, werden die Organmitglieder auch
als Manager und die Organhaftung analog als Managerhaftung bezeichnet.
11
Entstandene Schäden sind in Bezug auf die Gesellschaft vor allem in finanziellen
Verlusten zu sehen, wohingegen es bei Dritten zu Schäden durch Forderungsausfall
insbesondere im Insolvenzfall kommen kann. Ferner können Dritte in ihren absolut
geschützten Rechtsgütern
12
geschädigt werden. Das betroffene Organmitglied hat
diese Schäden nach §§ 249ff. BGB durch Naturalrestitution oder Geldzahlung zu
kompensieren, falls es hierfür haftbar ist.
13
Von der oben beschriebenen zivilrechtlichen Haftung ist die strafrechtliche Ver-
antwortung zu trennen, die dazu führen kann, dass der Manager zu Geld- und
Freiheitsstrafe verurteilt wird. Die Strafgerichtsbarkeit stellt strenge Anforderungen
vor allem in Bezug auf die Erhaltung der Vermögenswerte des Unternehmens.
Grundlage für eine strafrechtliche Verfolgung von Organmitgliedern sind daher
überwiegend die Tatbestände der Untreue oder Unterschlagung.
14
Aber auch im
10
Definition angelehnt an Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 18.
11
Es erscheint aus Sicht der Autoren gerade bei der vorliegenden Thematik sinnvoll, auch die
angelsächsisch geprägten Begriffe zu verwenden, da ein Großteil des Schrifttums zum Thema
Risikomanagement in englischer Sprache verfasst ist. Weiterhin orientiert sich die Corporate
Governance-Diskussion vielfach am angelsächsischen Recht, was im Gegensatz zum deutschen
Gesellschaftsrecht eine Zweiteilung des Managements in Vorstand und Aufsichtsrat nicht kennt.
12
§ 823 Abs. 1 BGB fasst hierunter Leben, körperliche Unversehrtheit, Gesundheit, Freiheit,
Eigentum und sonstige Rechte.
13
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 18.
14
Siehe Plück/Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, 2004, S. 166.

6
Bereich der Produkthaftung und des Umweltschutzes sind zunehmend Fälle be-
kannt.
15
Das Recht der Managerhaftung ist kein in sich geschlossenes systematisches
Regelwerk. Vielmehr bietet es gesetzliche Regelungen jeweils nur für Teilbereiche
16
,
was die Komplexität erhöht und die Erfassbarkeit und Überschaubarkeit einschränkt.
Für alle in Betracht kommenden Haftungsfälle differenziert das Schrifttum strikt
zwischen der so genannten Innenhaftung und Außenhaftung. Dieser auch als
,,Zweispurigkeit der Haftung"
17
bezeichneten Differenzierung zwischen internen und
externen Ansprüchen ist auch in der vorliegenden Arbeit zu folgen, da in der Innen-
und Außenhaftung unterschiedliche Anspruchsgrundlagen gelten.
Die Innenhaftung beschreibt die Einstandspflicht des Managers für Schäden, die
dem Unternehmen, bei dem er beschäftigt ist, durch sein Fehlverhalten entstanden
sind.
18
Während der Bereich der Innenhaftung für die Aktiengesellschaft weitgehend
gesetzlich geregelt ist
19
, ist für die Außenhaftung auf das allgemeine Haftungsrecht
zurückzugreifen. Unter der Außenhaftung werden die Ansprüche aller möglichen
anderen Stakeholder und sonstiger Dritter erfasst. Hierbei handelt es sich um
Schadensersatzforderungen deliktischer Natur, für die auf die Tatbestände im
Bürgerlichen Gesetzbuch zur unerlaubten Handlung (§§ 823ff. BGB), gegebenenfalls
in Verbindung mit Schutzgesetzen, zurückzugreifen ist. Die folgende Darstellung
verdeutlicht das Spannungsfeld zwischen Innen- und Außenhaftung, dem die Organe
ausgesetzt ist.
Darstellung 1: Managerhaftung im Überblick
Quelle: Thümmel, Haftung von Managern, 2003, S. 30.
15
Insbesondere vorsätzlich oder fahrlässig begangene Körperverletzungen, zum Beispiel Fälle wie
,,Milupa", ,,Contergan", ,,Lederspray" und ,,Holzschutzmittel". Siehe Schimmer, Haftung des
Vorstands, in: Europäische Anwaltsvereinigung e.V (Hrsg.).: Managerhaftung, 2001, S. 23 (27);
Hauschka, NJW 2004, S. 257 (258).
16
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 19.
17
Plück/Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, 2004, S. 18
18
Siehe Thümmel, AG 2004, S. 83.
19
Für die Aktiengesellschaft insbesondere durch das Aktiengesetz.

7
2. Szenarien der Haftung
Die in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen können je nach Sachverhalt und
Anspruchssteller zu einer Vielzahl ganz unterschiedlicher Konstellationen und
Haftungssituationen führen. Hierbei lassen sich grundlegend vier Szenarien unter-
scheiden.
20
Am Häufigsten und am Relevantesten sowohl im Bereich der Innen- wie auch der
Außenhaftung ist die Insolvenzsituation des Unternehmens. Nach § 31 BGB hat
grundsätzlich die Gesellschaft für einen Schaden einzustehen, der bei einem Dritten
durch Handeln oder Unterlassen des Organmitglieds im Rahmen seiner Aufgaben-
stellung eingetreten ist.
21
Bei der Außenhaftung werden sich Gläubiger mit ihren
Ansprüchen daher zunächst an die Gesellschaft wenden.
22
Sobald allerdings die
Haftungsmasse aufgrund der Insolvenz zur Befriedigung der Ansprüche der Haf-
tungsgläubiger nicht mehr ausreicht, verlagert sich die Aufmerksamkeit der
Gläubiger auf die Organe und ihre Mitglieder selbst.
23
Die Insolvenzsituation ist für
Innenhaftungsansprüche brisant, da der Insolvenzverwalter zur Vergrößerung der
Masse auch dazu tendieren wird, das Management im Innenverhältnis in Haftung zu
nehmen.
24
Weitere typische Szenarien sind die Regresssituation sowie die Verlustsituation.
Der erste Fall ergibt sich durch ein Zusammenspiel von Innen- und Außenhaftung.
Eine Gesellschaft ist von einem externen Dritten in Haftung genommen worden und
macht den hierdurch entstandenen Schaden durch einen Rückgriff (Regress) auf sein
Management im Innenverhältnis geltend. In der Verlustsituation hingegen führt die
Gesellschaft bei ihr bilanziell entstandene Verluste auf eine Fehlentscheidung des
Managements zurück und wendet sich an dieses zur Korrektur im Innenverhältnis.
Der letzte Fall, die Trennungssituation, knüpft an die bereits einleitend erwähnten
personalpolitischen Sanktionen an. Dem gekündigten Organmitglied stehen in der
Regel Abfindungsansprüche zu, denen die Gesellschaft im Falle von vorliegendem
Missmanagement Innenhaftungsansprüche entgegensetzen wird, was zu einer
Reduzierung der Abfindungssumme führt.
25
3. Kreis der Haftpflichtigen und Anspruchsberechtigten
Als mögliche Anspruchsberechtigte kommen zunächst die Gesellschaft selbst sowie
die bereits einleitend genannten Stakeholder als Dritte in Betracht. Grundsätzlich
machen die Anspruchsgläubiger ihre Ansprüche in eigenem Namen und für ihre
20
Einteilung im Folgenden angelehnt an Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 32f.
21
Vgl. Kau, BB 2000, S. 1045 (1047).
22
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 32.
23
Vgl. Menke, Haftung der Unternehmensleitung, Vortrag am 24.06.2004 an der Universität
Oldenburg, S. 4.
24
Vgl. Thümmel, BB 2002, S. 1105ff.
25
Die Möglichkeit des Vergleichs ist allerdings in § 93 Abs. 4 S. 3 mit mehreren Einschränkungen
versehen. Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 33.

8
eigene Person geltend. Als Ausnahme sind die Anteilseigner zu sehen, die ihren
Schaden, sofern er sich nur auf einen Wertverlust ihrer Beteiligung bei der Gesell-
schaft erstreckt
26
, in der Regel nur als Klage auf Ersatz für das Unternehmen selbst
geltend machen können.
27
Wenn ihr Schaden allerdings über die bei dem Unterneh-
men eingetretene Schädigung hinausgeht, können auch sie Leistung an sich selbst
verlangen, wie noch zu zeigen sein wird.
Für die Bestimmung der Haftungsadressaten ist bei der Innenhaftung auf die
gesetzlichen Regelungen des Aktiengesetzes abzustellen. Die zentralen Anspruchs-
grundlagen sind auf die Organmitglieder ausgerichtet. Als haftbare Organmitglieder
versteht das Aktiengesetz in § 93 Abs. 1 AktG die Vorstandsmitglieder und ihre nach
§ 94 AktG gleichgestellten Stellvertreter auf der einen Seite und nach § 116 AktG
die Aufsichtsratsmitglieder auf der anderen Seite.
28
Hervorzuheben ist, dass andere
Personen, z.B. leitende Angestellte, nicht angesprochen werden.
Da sich die Außenhaftung aus dem allgemeinen Haftungsrecht herleitet, ist die in
Bezug auf die Managerhaftung adressierte Personengruppe nicht näher definiert. In
der Literatur hat es sich allerdings eingebürgert, den Begriff der Organhaftung bzw.
Managerhaftung in Anlehnung an die Unterscheidung zwischen Organen und
Nichtorganen bei der Innenhaftung auszurichten.
29
Demnach bezieht sich die
Außenhaftung der Organmitglieder ebenfalls auf Vorstände und Aufsichtsräte, die
die Handelsgesellschaft organschaftlich vertreten. Die Haftung der leitenden
Angestellten ist überwiegend arbeitsrechtlicher Natur.
30
Im einschlägigen Schrifttum
wird die Frage der Managerhaftung überwiegend auf Vorstände und Aufsichtsräte
bezogen, für die sich auch in der Praxis die meisten Fälle finden lassen. Dieser
Einschränkung soll auch für die Themenstellung dieser Arbeit gefolgt werden.
Nach § 31 BGB hat grundsätzlich die Gesellschaft als juristische Person für einen
vom Organmitglied begangenen Außenhaftungsschaden einzustehen. Die Ansprüche
Dritter werden also in der Regel an die Gesellschaft zu richten sein. Wie noch zu
zeigen sein wird, kann es durch einen Rückgriff im Innenverhältnis dennoch zur
persönlichen Haftung des Managements kommen.
B. Innenhaftung
Die Innenhaftung regelt die Einstandspflicht des Organmitglieds für von ihm
verursachte Schäden, die bei dem Unternehmen, bei dem es beschäftigt ist, eingetre-
ten sind. Die Darstellung in diesem Kapitel behandelt die Voraussetzungen zum
26
So genannter Reflex-Schaden.
27
Vgl. Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 34.
28
Die Stellvertreter sind nach außen hin mit denselben Rechten ausgestattet, allerdings ist ihr
Zuständigkeitsbereich in der Regel kleiner, was sich auch auf die Haftung auswirkt.
29
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 38.
30
Vgl. Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 38, 55.

9
Eintritt einer Haftung getrennt für Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, da beide
Organe unterschiedliche Verantwortungen und Verpflichtungen in der Aktiengesell-
schaft treffen.
1. Vorstände
Der Vorstand ist gemäß §§ 76ff. AktG das Geschäftsführungs- und Vertretungsor-
gan der Gesellschaft. Er leitet die Gesellschaft eigenverantwortlich und vertritt sie
gerichtlich und außergerichtlich. Bei einem aus mehreren Personen bestehenden
Vorstand sind alle Mitglieder gemeinschaftlich zur Geschäftsführung befugt.
31
Heimbach
32
unterscheidet hierbei zwischen Organleitungsfunktion und Geschäfts-
führungsaufgabe des Vorstands. Die Leitungsfunktion aus § 76 AktG sei hierbei
funktional zu sehen und bedeute die ,,gesetzlich angeordnete Funktionsexklusivität
des Vorstands gegenüber den anderen Unternehmensorganen". Hieraus lässt sich
ableiten, dass der Vorstand an Weisungen des Aufsichtsrats nicht gebunden ist. Die
Geschäftsführungsaufgabe aus § 77 AktG geht weiter als die Organleitungsfunktion.
Sie umfasse vor allem die ,,originären Führungsaufgaben" und lasse sich im Gegen-
satz zur Leitungsfunktion mittels Ressortzuweisung in Einzelgeschäftsführungen
unterteilen, wie es insbesondere in großen Aktiengesellschaften der Regelfall ist.
33
Die einzelnen noch zu behandelnden Regelungen der Innenhaftung gehen vom
Grundsatz der Gesamtschuld aus, wonach jedes haftbare Organmitglied dem
Unternehmen gegenüber in voller Höhe zum Schadensersatz verpflichtet ist, aber das
Unternehmen den Schaden nur einmal fordern kann.
34
Die Geschäftsverteilung durch
Delegation kann unter bestimmten Voraussetzungen zu einer haftungsrechtlichen
Entlastung des einzelnen Vorstandsmitglieds führen, da es ihm unter Umständen
nicht möglich ist, in die Geschäftsbereiche der anderen Mitglieder einzugreifen.
35
Im Folgenden werden die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen, die zu einem
Haftungsanspruch gegen ein Vorstandmitglied führen können, dargestellt. Auf eine
umfassende Darstellung sämtlicher Haftungsmöglichkeiten soll an dieser Stelle
verzichtet werden, da eine umfassende und abschließende Behandlung im Hinblick
auf die Einbettung in die Gesamtthemenstellung der Arbeit nicht notwendig ist.
Vielmehr soll die Systematik der Haftungsverwirklichung erkennbar werden, um auf
dieser Basis die Spezialfelder der folgenden Kapitel haftungsrechtlich einordnen und
bewerten zu können.
31
Siehe § 77 Abs. 1 S. 1 AktG.
32
Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Heimbach, VersR 2001, S. 801f.
33
Im Hinblick auf die Organleitungsfunktion lässt sich die Gesamtverantwortung auch nicht durch
Satzung oder Geschäftsordnung delegieren.
34
Vgl. Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 52.
35
Vertiefend hierzu Heimbach, VersR 2001, S. 801 (802ff.); Münchener Kommen-
tar/Hefermehl/Spindler, § 93 AktG, Rn. 71f.

10
a) Pflichtverletzung
Die zentrale Norm der Innenhaftung des Vorstands findet sich in § 93 Abs. 2 AktG.
Hierin heißt es: ,,Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzten, sind der Gesell-
schaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner
verpflichtet".
Voraussetzung für den Tatbestand des Haftungsanspruchs ist demnach zunächst
eine Pflichtverletzung des Organs.
36
Die Pflichtverletzung kann sich dabei sowohl
durch aktives Tun wie Unterlassen realisieren.
37
Weiterhin muss ein kausaler
Zusammenhang zwischen Schaden und objektiver Pflichtverletzung vorhanden
sein.
38
Das Unternehmen hat hierbei zu beweisen, dass ihm durch eine Pflichtverlet-
zung eines Vorstandsmitglieds ein Schaden entstanden ist.
39
Ausgangspunkt der Betrachtung ist demnach zunächst die Frage, welche Pflichten
die Vorstände zu erfüllen haben. Es lassen sich im Wesentlichen drei Arten von
Quellen ausmachen, aus denen Vorstandspflichten konkret abgeleitet werden
können. Es handelt sich hierbei um
·
Sondertatbestände,
·
gesetzlich geregelte Einzelpflichten und
·
allgemeine Pflichten der Unternehmensleitung.
) Sondertatbestände
Der Katalog der Sondertatbestände ist in § 93 Abs. 3 AktG aufgelistet. Es handelt
sich um die folgenden neun Tatbestände:
40
·
Einlagenrückgewähr
·
Zahlung von Zinsen oder Gewinnanteilen an Aktionäre
·
Erwerb eigener Anteile
·
Ausgabe von Aktien vor der vollen Leistung des Ausgabebetrags
·
Verteilung von Gesellschaftsvermögen
·
Zahlung nach Insolvenzreife
·
Vergütung an Aufsichtsräte
·
Kreditgewährung an Vorstände und Aufsichtsräte
·
Ausgabe von Bezugsaktien bei bedingter Kapitalerhöhung
36
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 90.
37
Siehe Plück/Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, 2004, S. 26.
38
Siehe Münchener Kommentar/Hefermehl/Spindler, § 93 AktG, Rn. 17.
39
Vgl. Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 90.
40
Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 94ff.

11
Die gesetzlichen Vorschriften zu den einzelnen Sondertatbeständen sollen aus den
zuvor genannten Gründen nicht weiter vertieft, sondern nur zusammenfassend bzgl.
ihres Hintergrunds und der haftungsrechtlichen Auswirkungen beleuchtet werden.
Die hier genannten Fälle beschäftigen sich mit der Kapitalerhaltung des Unter-
nehmens. Dem Schutz des Gesellschaftsvermögen kommt haftungsrechtlich bei der
Aktiengesellschaft ein besonders hoher Stellenwert zu, da die Vorstände treuhände-
risch mit der Verwaltung fremden Vermögens betraut sind. Entsprechende Verstöße
gegen die Kapitalerhaltungspflicht sind konsequenterweise als sehr schwerwiegend
zu betrachten.
41
Die Vorstandsmitglieder sind daher ,,namentlich zum Ersatz
verpflichtet".
42
Gemeint ist hiermit der durch die Pflichtverletzung entstandene
Schaden.
43
Im Gegensatz zu den allgemeinen Haftungstatbeständen ist der Katalog der Son-
dertatbestände so konkret, dass die Gesellschaft einen entstandenen Schaden nicht
mehr nachweisen muss, sondern dieser in der Natur des Verstoßes vermutet wird.
44
Weitere Besonderheiten gelten in Bezug auf die Geltendmachung, das Verschulden
und den Erlass der Ansprüche, wie abschließend noch zu zeigen sein wird.
) Gesetzlich geregelte Einzelpflichten
Neben den genannten und in § 93 Abs. 3 AktG geregelten Sondertatbeständen kann
ein Haftungsanspruch im Innenverhältnis durch Verletzung weiterer im Aktiengesetz
geregelter Einzelpflichten eintreten. Es handelt sich hierbei um die neben den
allgemeinen Pflichten gesondert geregelten Aufgaben, die dem Vorstandsmitglied
aufgrund seiner organschaftlichen Stellung obliegen.
Hierzu gehört die Pflicht zur Einberufung der Hauptversammlung gemäß § 92
Abs. 1 AktG im Falle eines Verlustes der Gesellschaft, der die Hälfte ihres Grundka-
pitals erreicht. Der Vorstand hat daher das Zahlenwerk laufend zu überwachen.
45
Hiermit eng zusammenhängend ist die Insolvenzantragspflicht, die in § 92 Abs. 2
AktG geregelt ist und hohe Relevanz für den Gläubigerschutz in der Außenhaftung
hat (Insolvenzverschleppung). Die größte Gefahr wird allerdings vielmehr in einer
Inanspruchnahme der Organmitglieder durch den Insolvenzverwalter liegen
46
, wie
die in den letzten Jahren stark gestiegene und nach wie vor hohe Zahl an Firmenin-
solvenzen unterstreicht.
47
Der Insolvenzverwalter hat gemäß § 92 InsO alle Aktiva
der Masse festzustellen und wird an einer vollständigen Realisierung interessiert
sein, da auch ihn bei einer Pflichtverletzung ein persönliches Haftungsrisiko aus
41
Siehe Münchener Kommentar/Hefermehl/Spindler, § 93 AktG, Rn. 96.
42
§ 93 Abs. 3 S. 1 AktG.
43
Siehe Münchener Kommentar/Hefermehl/Spindler, § 93 AktG, Rn. 96.
44
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 93.
45
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 114.
46
Siehe Sieg, DB 2002, S. 1759 (1763).
47
Vgl. http://www.ftd.de/ub/in/1109414197035.html?nv=cd-rss .

12
§§ 60,71 InsO trifft.
48
Die Wahl des richtigen Zeitpunkts für die Antragsanstellung
kann als Gratwanderung gesehen werden, da die Gesellschaft einen zur Haftung
führenden Schaden sowohl bei einem zu frühen als auch zu spätem Zeitpunkt
erleiden kann.
49
Für die Innenhaftung ist festzuhalten, dass der Vorstand die Liquidi-
tät der Gesellschaft laufend zu beobachten hat und den Insolvenzantrag zu stellen
hat, sobald die Überschuldung offenbar wird.
50
Eine weitere Pflicht, die aufgrund ihrer Relevanz für diese Arbeit näher betrachtet
werden soll, betrifft die ordnungsgemäße Buchführung. Die Buchführungspflicht
wird zwar in § 91 Abs. 1 AktG ausdrücklich genannt, ergibt sich aber bereits aus der
Leitungsaufgabe des Vorstands, sowie aus den noch zu behandelnden allgemeinen
Sorgfaltspflichten.
51
Sie wird außerdem durch die Vorschriften der §§ 238ff. HGB
und die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB)
52
konkretisiert. Die
praktische Abwicklung der Buchführung wird in der Regel delegiert, dennoch hat der
Vorstand die Pflicht zur Kontrolle und muss jederzeit in der Lage sein, die finanziel-
le Situation der Gesellschaft zu überblicken.
53
Auch bei einer Ressortaufteilung im
Vorstand verbleibt eine Überwachungs- und Handlungspflicht für die anderen
Vorstandsmitglieder. Thümmel
54
bezeichnet Verstöße als ,,klare kaufmännische
Kunstfehler". Beispielsweise kann es durch Managementfehler im entsprechenden
Ressort zu einer falschen Gewinnermittlung kommen, wodurch das Unternehmen
einen finanziellen Schaden aufgrund einer zu hohen Steuerabführung oder Gewinn-
ausschüttung erleidet.
55
Für den Fall, dass die entsprechenden Beträge nicht mehr
zurückgefordert werden können, kann der (Finanz-)Vorstand persönlich haftbar
sein.
56
Gemäß § 90 AktG ist der Vorstand dem Aufsichtsrat gegenüber in erheblichem
Umfang berichtspflichtig. Er hat nach § 90 Abs. 1 AktG a.F. über die ,,beabsichtigte
Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der künftigen Geschäftsführung"
zu berichten. Weiterhin haben sich die Berichte zu erstrecken auf die ,,Rentabilität
der Gesellschaft" und des Eigenkapitals, ,,den Gang der Geschäfte", sowie ,,Geschäf-
te, die für die Rentabilität und Liquidität der Gesellschaft von erheblicher Bedeutung
sein können." Dem Aufsichtsratsvorsitzenden ist außerdem über sonstige wichtige
Ereignisse zu berichten, die sich auf das Unternehmen negativ auswirken könnten.
57
Schließlich kann der Aufsichtsrat nach § 90 Abs. 3 S. 1 AktG ,,jederzeit einen
48
Vgl. Sieg, DB 2002, S. 1759 (1763).
49
Vertiefend siehe Plück/Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, 2004, S. 36.
50
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 116.
51
Siehe ebd., Rn. 130.
52
Unter den GoB verstehen sich ,,allgemein anerkannte Regeln über die Führung der Handelsbücher
(Dokumentation) sowie die Erstellung des Jahresabschlusses (Rechenschaftslegung) von Unter-
nehmen". Definition von Coenenberg, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 2003, S. 36.
53
Vgl. Plück/Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, 2004, S. 42.
54
Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 131.
55
Siehe Plück/Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, 2004, S. 41f.
56
Wie erwähnt können auch die anderen Vorstände betroffen sein. Hierzu Heimbach, VersR 2001,
S. 801ff.
57
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 127.

13
Bericht verlangen über Angelegenheiten der Gesellschaft". Die Vorschrift regelt
maßgeblich das Verhältnis zwischen den beiden Organen, indem sie dem Vorstand
eine Berichtspflicht aufgibt und dem Aufsichtsrat ein Informationsrecht zugesteht.
Neben den bisher genannten gibt es im Aktiengesetz weitere Einzelpflichten, die
hier nicht thematisiert werden sollen. Weiterhin kam es durch gesetzgeberische
Initiativen vor allem seit 1998 zu einigen Ergänzungen und Konkretisierungen der
aktiengesetzlichen Vorschriften, die aufgrund ihrer speziellen und zentralen Bedeu-
tung für die Gesamtthemenstellung dieser Arbeit gesondert und ausführlich im
nächsten Kapitel behandelt werden.
58
Für die in diesem Kapitel zu erörternde Grundsystematik der Managerhaftung ist
an dieser Stelle festzuhalten, dass es bei einer Verletzung der vielfältigen organ-
schaftlichen Einzelpflichten zu einer Haftung nach den allgemeinen Regeln des § 93
Abs. 2 AktG kommen kann.
59
) Allgemeine Sorgfaltspflichten
Die bedeutendste Pflicht, die auch im Schrifttum breit und vielfältig diskutiert wird,
ist die allgemeine Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung. Sie ist zentral in
§ 93 Abs. 1 AktG geregelt und löst bei Missachtung ebenfalls eine Haftung nach den
bereits beschriebenen allgemeinen Regeln des Abs. 2 aus.
60
In § 93 Abs. 1 AktG
heißt es: ,,Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt
eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden."
Der Vorschrift kommt nach h.M. eine Doppelfunktion zu.
61
Sie normiert einerseits
den Sorgfaltsstandard und regelt damit den anwendbaren Verschuldensmaßstab
62
,
d.h. die Grenze der Haftungsverantwortlichkeit. Andererseits regelt sie auch die
Verhaltensanforderungen an die Vorstandsmitglieder in allgemeiner Form. Unter
Berücksichtigung der Tatsache, dass die bereits behandelten organschaftlichen
Vorschriften und Sondertatbestände nur bestimmte Einzelpflichten regeln, spricht
Mertens
63
in Bezug auf §
93 Abs.
1 AktG von einem ,,allgemeinen
Auffangtatbestand". Die Einzelpflichten ließen sich zwar auch aus dem allgemeinen
Auffangtatbestand herleiten, allerdings haben diese auch eine ,,selbstständige
Bedeutung". Der Sorgfaltsmaßstab des ordentlichen und gewissenhaften Geschäfts-
leiters gelte dabei als der ,,anspruchsbegründende Rechtswidrigkeitstatbestand", wie
noch zu zeigen sein wird.
58
Gemeint sind insbesondere die Vorschriften des § 91 Abs. 2 AktG zum Risikomanagement und der
mit der Corporate Governance-Diskussion eingeführte § 161 AktG.
59
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 91.
60
Siehe ebd., Rn. 91.
61
Stellvertretend siehe Kölner Kommentar/Mertens, § 93 AktG, Rn. 7.
62
Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 164.
63
Siehe Kölner Kommentar/Mertens, § 93 AktG, Rn. 7.

14
Der Maßstab normiert eine Sorgfalt, wie sie der Geschäftsleiter eines Unterneh-
mens vergleichbarer Art und Größe anwenden muss. Allerdings ist die Sorgfalt, die
ein AG-Vorstand anzuwenden hat, höher als die eines gewöhnlichen Geschäftsman-
nes.
64
Der Grund liegt darin, dass es die Aufgabe des Vorstands ist, fremdes
Vermögen treuhänderisch zu verwalten, während Geschäftsleute bei der Personenge-
sellschaft mit ihrem eigenen Vermögen ihre eigenen Interessen verfolgen. Oberstes
Gebot für den Vorstand der AG muss es daher sein, den Vorteil der Gesellschaft zu
wahren und Schaden von ihr abzuwenden.
65
Hieraus werden in der Literatur
66
im Wesentlichen die folgenden zwei Pflichten-
kreise abgeleitet: die Pflicht zur sorgfältigen Wahrnehmung der Organfunktion sowie
die Treuepflicht gegenüber dem Unternehmen.
) Ordnungsgemäße Wahrnehmung der Organfunktion
Um die Pflicht zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Organfunktion zu konkreti-
sieren, ist es nötig, die Rolle des Vorstands im Unternehmen zu betrachten. Seine
wesentliche Aufgabe ist gemäß § 76 Abs. 1 AktG die Leitung der Gesellschaft unter
eigener Verantwortung. Die Vorstandsmitglieder haben dabei das Unternehmensziel
zu berücksichtigen und sich einschlägigen betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen zu
bedienen.
67
Anerkannt ist nach h.M., dass es sich nicht um eine Erfolgshaftung
handelt, d.h., selbst wenn ein Vorstand eine zu treffende Unternehmensentscheidung
falsch beurteilt und die Entscheidung objektiv pflichtwidrig war, muss noch nicht
zwangsläufig auch eine schuldhafte Verletzung der Sorgfaltspflicht eingetreten
sein.
68
Nur wenn der Vorstand bei der Entscheidung nicht die Sorgfalt eines ordentli-
chen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt hat, kann er haftbar gemacht
werden. Wann ist nun diese Grenze überschritten?
Es ist nahe liegend, eine Pflichtverletzung anzunehmen, wenn der Vorstand
rechtswidrig handelt, d.h. gegen geltendes Recht und Gesetz verstößt. Dies wird im
Schrifttum durchgehend bestätigt.
69
Der Tätigkeitsbereich der Geschäftsleitung ist
also zumindest durch den Rahmen der gesetzlichen, satzungsgemäßen und dienstver-
traglichen Bestimmungen begrenzt.
70
Unbestritten ist ferner, dass auch geschäftliche Misserfolge und finanzielle Verlus-
te Teil des unternehmerischen Alltags sind.
71
Ebenso ist dem Vorstand wohl
zuzubilligen, gewisse unternehmerische Risiken einzugehen.
64
Siehe Münchener Kommentar/Hefermehl/Spindler, § 93 AktG, Rn. 22.
65
Siehe Dahnz, Manager und ihr Berufsrisiko, 2002, S. 26.
66
So z.B. Kölner Kommentar/Mertens, § 93 AktG, Rn. 27; Thümmel, Haftung von Managern, 2003,
Rn. 165, der auch von zwei ,,Säulen" spricht.
67
Vgl. Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 166.
68
Siehe Münchener Kommentar/Hefermehl/Spindler, § 93 AktG, Rn. 23.
69
Stellvertretend siehe Kölner Kommentar/Mertens, § 93 AktG, Rn. 34f.
70
Vgl. Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 166.
71
Siehe Horn, ZIP 1997, S. 1129 (1131).

15
Allerdings ist nach h.M. auch anerkannt, dass existenzgefährdende und unange-
messen hohe Risiken oder ausschließlich nachteilige Geschäfte nicht abgeschlossen
werden dürfen.
72
Eine weitere Präzisierung des Sorgfaltsmaßstabs ist schwierig, da
auch die betriebswirtschaftlichen Erkenntnisse keine eindeutigen in Bezug auf eine
konkrete Entscheidung ausschließlichen Handlungsanweisungen geben können.
73
Es
stellt sich daher spätestens an dieser Stelle die Frage nach dem unternehmerischen
Gestaltungsspielraum, dessen Diskussion in der Literatur breiter Raum gewidmet
wird.
74
Diese Diskussion stützt sich im Wesentlichen auf den im US-amerikanischen
Gesellschaftsrecht bereits bekannten Sachverhalt der ,,business judgment rule" und
versucht die dortigen Erkenntnisse auch auf das deutsche Recht zu übertragen. Die
,,business judgment rule" bestimmt den Rahmen, in welchem Gerichte Handlungen
der Geschäftsführung überprüfen und beurteilen dürfen, um daraus ggf. eine Haftung
der Organmitglieder zu begründen und gesteht den Managern hierbei einen gewissen
Ermessensspielraum zu.
75
Es war allerdings zunächst unklar, ob diese Lösung für
deutsche Gerichte bzw. Gesellschaften bereits de lege lata anzuerkennen ist, oder
eine Änderung des Aktienrechts notwendig war.
76
Der BGH hat in seinem bedeuten-
den ,,ARAG/Garmenbeck"-Urteil
77
vom 21. April 1997 Klarheit in dieser Frage
geschaffen, indem er in Anlehnung an die ,,business judgment rule" dem Vorstand
,,ein weites Ermessen in der Leitung der Gesellschaft" einräumt.
78
Wie in der amerikanischen ,,business judgment rule" wird auch in der hiesigen
Diskussion nun explizit festgestellt, dass ein Vorstandsmitglied Entscheidungen nicht
,,aus dem Bauch" heraus treffen darf, sondern dies auf einer ,,ausreichend breiten
Informationsgrundlage" zu tun hat, wobei er sich am Unternehmenswohl zu orientie-
ren hat.
79
Die Bestimmung des Entscheidungsspielraums ist einzelfallabhängig, d.h. die
Grundlagen der Entscheidung sind sorgfältig zu analysieren. Es besteht hierbei ein
umgekehrt proportionales Verhältnis zwischen Risikograd und dem quantitativen
Ausmaß des Risikos, das der Manager haftungsfrei eingehen kann.
80
Der Manager
muss daher ggf. den Prozess der Entscheidungsfindung anhand von Dokumentatio-
nen zur Entlastung darlegen können.
Es wäre allerdings auch bereits ohne die Entscheidung des BGH zu vertreten
gewesen, dem Vorstand einen gewissen haftungsfreien Spielraum zu gewähren. Dies
72
Siehe Münchener Kommentar/Hefermehl/Spindler, § 93 AktG, Rn. 23.
73
Vgl. Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 167.
74
So z.B. Horn, ZIP 1997, S. 1129 (1133), der zwischen ,,haftungsfreien" und ,,haftungsbegründen-
den Fehlentscheidungen" unterscheidet.
75
Siehe http://www.der-syndikus.de/briefings/us/us_010.htm .
76
Siehe Horn, ZIP 1997, S. 1129 (1134).
77
Urteil des BGH, Datum: 21.04.1997, Az: II ZR 175/95, in: BGHZ 135, 244.
78
Vertiefend siehe Götz, NJW 1997, S. 3275 (3276).
79
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 170.
80
Vgl. Götz, NJW 1997, S. 3275 (3276).

16
ergibt sich, wenn man die einleitend erwähnte Doppelfunktion des § 93 Abs. 1 AktG
wieder aufgreift und diese in Verbindung bringt mit der Aufgabe und Stellung des
Vorstands in der Gesellschaft, wie sie sich aus § 76 Abs. 1 AktG ergibt. Man muss
hierbei zu der Erkenntnis kommen, dass eine eigenverantwortliche Leitung der
Gesellschaft ohne einen eigenen Handlungs- und Ermessensspielraum wohl nicht
möglich sein wird. Dann kann der Vorstand folglich nicht aus §§ 93 Abs. 1 S. 1,
Abs. 2 S. 1 AktG haftbar gemacht werden, solange sein Entscheidungsspielraum für
die Geschäftsleitungsaufgabe unumgänglich und notwendig ist und war.
81
Die durch
das BGH-Urteil und die anschließende Diskussion in der Literatur geschaffene
Klarheit und Konkretisierung ist allerdings hilfreich und vor allem aus Sicht der
Organmitglieder zu begrüßen.
In den Bereich der ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Organfunktion gehören
weitere allgemeine Sorgfaltspflichten, die abschließend kurz angesprochen werden
sollen. Zu nennen ist hier insbesondere die Organisationspflicht. Der Vorstand hat
das Unternehmen so zu organisieren, dass die Rechte Dritter nicht beeinträchtigt
werden und Schäden von der Gesellschaft ferngehalten werden.
82
Denkbar sind auch
Verletzungen von Aufsichtspflichten
83
, die dazu führen können, dass auch ein
Organmitglied für von anderen Mitarbeitern seines Hauses verursachte Schäden
einzustehen hat.
84
Schließlich ergeben sich weitere Pflichten bei einer Ressortaufteilung der Unter-
nehmensleitung auf mehrere Personen, insbesondere die Pflicht zur Information und
Überwachung der anderen Ressorts.
85
) Treuepflicht
Neben den oben behandelten Sorgfaltspflichten, die die ordnungsgemäße Wahrneh-
mung der Organfunktion betreffen, gibt der Sorgfaltsmaßstab den
Vorstandsmitgliedern auch auf, der Gesellschaft loyal zu dienen (so genannte
Treuepflicht).
86
Die Treuepflicht begründet sich in der bereits angesprochenen
Stellung des Vorstands in der AG als treuhänderischer Verwalter fremden Vermö-
gens, woraus sich wiederum Schutz- und Fürsorgepflichten ergeben.
87
Nach h.M. bedeutet die Treuepflicht dabei nicht nur, dass Pflichten des Anstel-
lungsvertrags strikt eingehalten werden, sondern sie geht auch über die Vorschrift
des § 242 BGB zur Leistung nach Treu und Glauben hinaus.
88
Das Vorstandsmit-
81
So auch Horn, ZIP 1997, S. 1129 (1134 f.).
82
Vgl. Jauernig/Teichmann, § 823 BGB, Rn. 32.
83
Z.B. im Bereich des Bau-, Gewerbe- und Umweltrechtes.
84
Man unterscheidet primäre, sekundäre, abstrakte und konkrete Organisationspflichten. Vertiefend
hierzu siehe Deutsch, NJW 2000, S. 1745ff.
85
Vertiefend hierzu Heimbach, VersR 2001, S. 801ff.
86
Siehe Kölner Kommentar/Mertens, § 93 AktG, Rn. 57.
87
Vgl. Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 183.
88
Siehe Kölner Kommentar/Mertens, § 93 AktG, Rn. 57.

17
glied hat immer die Interessen der Gesellschaft bzw. des Unternehmens zu wahren.
89
Es muss seine berufliche Arbeitskraft für die Gesellschaft einsetzen, um seine
Organstellung voll auszufüllen.
90
Eng mit dem loyalen Einsatz zusammenhängend sind das Wettbewerbsverbot und
die Verschwiegenheitspflicht. Gemäß § 93 Abs. 1 S. 2 AktG haben die Vorstands-
mitglieder über vertrauliche Angaben und ihnen im Rahmen ihrer organschaftlichen
Tätigkeit bekannt gewordene Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Stillschweigen zu
bewahren. Die Verschwiegenheitspflicht lässt sich damit auch aus der Pflicht zur
Wahrnehmung der Organfunktion ableiten.
Das Wettbewerbsverbot ist in § 88 AktG geregelt. Demnach kann die Gesellschaft
Schadensersatz von einem Vorstandsmitglied verlangen, wenn es ohne Einwilligung
des Aufsichtsrats ein Handelsgewerbe betreibt oder sonstige eigene Geschäfte im
selben Geschäftszweig macht.
In einem nahen Zusammenhang steht die so genannte Geschäftschancenlehre, die
an die aus dem US-amerikanischen Gesellschaftsrecht bekannte ,,corporate opportu-
nity doctrine" angelehnt ist.
91
Die Geschäftschancenlehre konkretisiert die
Treuepflicht
92
und stellt im Wesentlichen zwei Anforderungen klar. Wenn das
Vorstandsmitglied geschäftlich oder privat von Geschäftschancen erfährt, die in den
Bereich der Gesellschaft fallen, darf er diese Kenntnisse nicht für sich selbst
verwenden. Andererseits darf er auf eine Geschäftschance nicht verzichten, um
hiermit einem anderen Unternehmen, an dem er selbst beteiligt ist, zu nützen.
93
Als
Schadensersatz wird der Nachteil angesehen, den die Gesellschaft dadurch erlitten
hat, dass sie die Geschäftsmöglichkeit nicht genutzt hat.
Weitere Haftungsrisiken aus der Treuepflicht liegen insbesondere im Bereich der
Unternehmensübernahme (Management Buy-Out oder Take-Over), da sich der
Vorstand hierbei permanent der Gefahr eines Interessenkonflikts ausgesetzt sieht.
94
Entscheidend für die Haftungsvermeidung ist eine strikte Einhaltung der Loyalitäts-
pflichten gegenüber der ihn beschäftigenden Gesellschaft. Insbesondere sind
Vorsichtsmaßnahmen
95
für den Fall gescheiterter Übernahmeverhandlungen
96
zu
treffen, da das ungesicherte Herausgeben von Unternehmensdaten die Haftung nach
§ 93 Abs. 2 AktG begründen kann.
97
Eine besondere Brisanz kommt dem Verhalten
89
Siehe Münchener Kommentar/Hefermehl/Spindler, § 93 AktG, Rn. 18.
90
Siehe Kölner Kommentar/Mertens, § 93 AktG, Rn. 59.
91
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 185ff.
92
Siehe Plück/Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, 2004, S. 44.
93
Siehe Kölner Kommentar/Mertens, § 93 AktG, Rn. 67.
94
Er muss einerseits die Interessen des Unternehmens und seiner Anteilseigner vertreten, hat
andererseits als Käufer allerdings möglicherweise entgegen gesetzte Interessen.
95
Zu nennen sind Geheimhaltungsvereinbarungen.
96
Die ,,Due Diligence"-Prüfung bezeichnet ,,die gebotene Sorgfalt, mit der beim Kauf bzw. Verkauf
von Unternehmensbeteiligungen oder Immobilien das Vertragsobjekt im Vorfeld der Akquisition
geprüft wird." Siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Due-Diligence-Pr%C3%BCfung .
97
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 190.

18
der Unternehmensleitung im Fall von feindlichen Übernahmesituationen
98
zu, da hier
die Gefahr der Vermengung von Unternehmensinteressen und Eigeninteressen der
betroffenen Vorstandsmitglieder besteht, wie das Beispiel Mannesmann/Vodafone
eindrucksvoll gezeigt hat.
99
b) Verschulden, Schaden und Beweislast
) Verschulden
Die Haftung des Vorstandsmitglieds setzt voraus, dass es schuldhaft gehandelt hat.
100
Der geltende Verschuldensmaßstab ist in § 93 Abs. 1 S. 1 geregelt, wonach das
Vorstandsmitglied bei der Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und
gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden hat. Damit es zur Ersatzpflicht kommt,
genügt eine vorsätzliche oder fahrlässige Verhaltensweise.
101
Der Verschuldensmaßstab ist normativer Art, d.h. der Manager kann sich nicht
durch mangelhafte Fähigkeiten oder Erfahrungen entlasten.
102
Vielmehr ist die
Antwort auf die Frage, ob das Vorstandsmitglied wie ein ordentlicher und gewissen-
hafter Geschäftsleiter gehandelt hat, anhand der ,,individuellen Anforderungen der
Aufgabe" zu beantworten.
103
Hierbei ist wieder die besondere Rolle, die der Vor-
stand als Treuhänder fremden Vermögens spielt, zu berücksichtigen, da sich hieraus
die Schärfe der Sorgfaltspflicht herleitet. Eine begangene Pflichtverletzung wird in
aller Regel ausreichen, um eine Haftung zu begründen.
104
Sobald eine Pflichtverlet-
zung vorliegt, wird diese daher meistens nicht nur objektiver sondern auch
subjektiver Natur sein, so dass ein Verschulden gegeben sein dürfte. Man kann
letztlich ein schuldhaft pflichtwidriges Verhalten bereits darin sehen, dass das
Vorstandsmitglied das Amt oder das ihm zugewiesene Ressort übernommen hat,
obwohl er der Aufgabe eigentlich nicht gewachsen war.
105
Ähnliches gilt für den Vorwurf der Fahrlässigkeit. Selbst wenn der Manager die
Pflichtwidrigkeit nicht bewusst begangen hat und er damit nicht vorsätzlich gehan-
delt hat, wird man ihm Fahrlässigkeit vorwerfen können, wenn er nicht die Sorgfalt
eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters walten lassen hat.
106
Dies
lässt sich aus der Doppelfunktion des § 93 Abs. 1 AktG in Verbindung mit der
Leitungsaufgabe des Vorstands nach § 76 Abs. 1 AktG herleiten.
107
98
So genanntes ,,hostile take-over".
99
Vertiefend siehe Brauer, NZG 2005, S. 57ff.
100
Siehe Kölner Kommentar/Mertens, § 93 AktG, Rn. 98.
101
Siehe Münchener Kommentar/Hefermehl/Spindler, § 93 AktG, Rn. 82.
102
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 193.
103
Kölner Kommentar/Mertens, § 93 AktG, Rn. 98.
104
Siehe Großkommentar/Hopt, § 93 AktG, Rn. 255.
105
Siehe Münchener Kommentar/Hefermehl/Spindler, § 93 AktG, Rn. 83.
106
Siehe ebd., Rn. 84.
107
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 194.

19
Die Haftung nach § 93 AktG gilt nur für Eigenverschulden, d.h. eine Zu- und
Anrechnung zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied anhand von individuellen
Verschuldensquoten findet nicht statt, so dass jedes Vorstandsmitglied für sein
Fehlverhalten voll selbst einstehen muss.
108
Bei mehreren pflichtwidrig handelnden
Vorstandsmitgliedern gilt das bereits angesprochene Prinzip der Gesamtschuld.
) Schaden
Damit ein Vorstandsmitglied ersatzpflichtig wird, ist als weitere Voraussetzung ein
bei dem Unternehmen entstandener Schaden notwendig. Hierbei muss die im
Haftungsrecht nach der Adäquanztheorie übliche Kausalität vorliegen, d.h. der
entstandene Schaden muss durch die Pflichtverletzung eingetreten sein.
109
Für die
Bestimmung des Schadens gelten die §§ 249ff. BGB, wonach eine Minderung des
Gesellschaftsvermögens in Betracht kommt.
110
Hierzu ist die tatsächliche Vermö-
genslage der Gesellschaft mit derjenigen zu vergleichen, die sich ergeben würde,
wenn der Vorstand pflichtgemäß gehandelt hätte. Die Differenz kann als Vermö-
gensschaden geltend gemacht werden.
111
Ferner ist nach § 252 BGB auch der
entgangene Gewinn ersatzfähig. Auswirkungen auf den Wert der Aktien spielen an
dieser Stelle (noch) keine Rolle, da das Vermögen der Gesellschaft und das der
Aktionäre voneinander getrennt zu betrachten sind.
) Beweislastverteilung
Die Beweislastverteilung kann für den Ausgang eines Haftpflichtprozesses entschei-
dende Bedeutung haben. Das Grundprinzip lautet, dass jede Partei darlegen muss,
dass alle Voraussetzungen der Norm gegeben sind, die ihr Begehren stützt, während
die Gegenseite die Voraussetzungen darzulegen hat, die dieses Begehren rechtlich
hindern, vernichten oder hemmen.
112
Bezogen auf die Innenhaftung der Vorstands-
mitglieder hätte nach dem Grundprinzip die Gesellschaft darzulegen und zu
beweisen, dass eine Pflichtverletzung vorliegt, dass Organmitglied schuldhaft
gehandelt hat, dass ein Schaden eingetreten ist, sowie dass ein Kausalzusammenhang
zwischen Schaden und Pflichtverletzung vorliegt. Das Gesetz macht in § 93 Abs. 2
108
Siehe Großkommentar/Hopt, § 93 AktG, Rn. 259.
109
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 195.
110
Es herrscht im Schrifttum allerdings ein Streit über die Frage, ob der Schadensbegriff sich auf jede
Vermögensminderung bezieht oder ob ein Schaden nur eintritt, wenn die Minderung nicht dem
Zweck des Vermögenssubjekts entspricht. Hefermehl/Spindler (Vgl. Münchener Kommen-
tar/Hefermehl/Spindler, § 93 AktG, Rn. 80.) folgen ersterer Meinung, während vor allem Mertens
(Vgl. Kölner Kommentar/Mertens, § 93 AktG, Rn. 23) eine genauere Differenzierung der Ausga-
ben nach ihrem Zwecke fordert. Demnach könnten beispielsweise Ausgaben für soziale Zwecke,
für den Goodwill oder einen gesetzlich nicht geforderten Umweltschutz u.U. als legitim anzusehen
sein, obwohl sich das Gesellschaftsvermögen zunächst ohne erkennbare Gegenleistung gemindert
hat. Nach Ansicht der Verfasser dieser Arbeit ist Hopt (Vgl. Großkommentar/Hopt, § 93 AktG,
Rn. 262) zuzustimmen, der darauf hinweist, dass diese Überlegungen bereits im Rahmen der
Diskussion zur Pflichtwidrigkeit des Handelns angestellt werden sollten.
111
Vgl. Münchener Kommentar/Hefermehl/Spindler, § 93 AktG, Rn. 79.
112
Siehe Rixecker, Beweisführung und Beweiswürdigung, in: Schlegelmich, G.: Geigel ­ Der
Haftpflichtprozess, 2004, Rn. 56.

20
S. 2 AktG allerdings eine entscheidende Ausnahme, die wohl als schärfster Teil der
Managerhaftung anzusehen ist. Falls streitig ist, ob der Vorstand die Sorgfalt eines
ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt hat, trifft den Vorstand
die Beweislast. Die Beweislastumkehr hat erhebliche Folgen, wie die folgende
Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zeigt: Die Gesellschaft braucht zur
Begründung ihres Schadensersatzanspruches nur darzulegen, dass ihr ein Vermö-
gensschaden entstanden ist und dass die Möglichkeit besteht, dass ein
Zurechnungszusammenhang zwischen dem Schaden und dem Verhalten des
Vorstandsmitglieds vorliegt.
113
Die Pflichtwidrigkeit des Verhaltens und das
Verschulden werden zu Lasten des Vorstands vermutet.
114
Er hat also darzulegen und
zu beweisen, dass er die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters hat walten
lassen.
115
Er kann sich auch exkulpieren, wenn ihm der Nachweis gelingt, dass der
Schaden auch bei Erfüllung der Sorgfaltspflicht entstanden wäre oder dass ihn kein
Verschulden trifft.
116
Der Hintergrund dieser Regelung ist in einer größeren Nähe des Vorstands zum
Beweismaterial zu sehen, da die Gesellschaft oft nicht in der Lage wäre, eine
Pflichtwidrigkeit zu beweisen.
117
Es gibt allerdings zwei Ausnahmen von der
Beweislastumkehr; im Falle der gesetzlich geregelten Einzelpflichten des Vorstands
bleibt es beim Grundprinzip.
118
Für die Sondertatbestände der Kapitalerhaltungs-
pflicht wird im Gegenzug allerdings sogar der Schadenseintritt zugunsten der
Gesellschaft vermutet. Die Beweislast geht hierbei soweit, dass das Organmitglied
nicht nur zu beweisen hat, dass kein Schaden entstanden ist, sondern auch, dass eine
Schädigung durch die Pflichtverletzung in Zukunft nicht mehr möglich ist.
119
Festzuhalten bleibt, dass mit der Umkehrung der Beweislast ein erhebliches Haf-
tungspotential für die Organmitglieder geschaffen wurde. Die Innenhaftung nähert
sich damit zumindest theoretisch einer Garantiehaftung für unerfolgreiches Mana-
gement an. Die Verschuldensvermutung kann die Angeklagten im Zivilprozess vor
große Beweisprobleme stellen.
120
Das Vorstandsmitglied muss darstellen, dass sein
Handeln im Rahmen des unternehmerischen Ermessens lag.
121
Insbesondere wenn
die zum Schaden führende Pflichtverletzung bereits lange zurück liegt oder das
Organmitglied nicht mehr bei der Gesellschaft beschäftigt ist, wird es ihm regelmä-
113
Siehe Kölner Kommentar/Mertens, § 93 AktG, Rn. 101.
114
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 200.
115
Im Schrifttum herrscht eine Meinungsverschiedenheit darüber, ob sich die Beweislast des
Vorstandsmitglieds nur auf die subjektive Pflichtwidrigkeit (Schuld) bezieht oder auch die objek-
tive Pflichtwidrigkeit (Rechtswidrigkeit) einschließt. Nach der h.M. betrifft die Beweislastumkehr
entsprechend der Doppelfunktion des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG sowohl den Vorwurf des Verschul-
dens wie auch die Pflichtwidrigkeit. Siehe z.B. Münchener Kommentar/Hefermehl/Spindler, § 93
AktG, Rn. 86; Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 202.
116
Siehe Kölner Kommentar/Mertens, § 93 AktG, Rn. 101.
117
Siehe Münchener Kommentar/Hefermehl/Spindler, § 93 AktG, Rn. 86.
118
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 200.
119
Hierzu vertiefend Münchener Kommentar/Hefermehl/Spindler, § 93 AktG, Rn. 97.
120
Siehe Plück/Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, 2004, S. 23.
121
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 201.

21
ßig schwer fallen, den Vorwurf der Pflichtwidrigkeit oder des Verschuldens zu
widerlegen. Wie sich die Organe hiervor besser schützen und absichern können, ist
zentraler Gegenstand im weiteren Verlauf dieser Arbeit.
c) Geltendmachung der Ansprüche
In den vorherigen Ausführungen war in Bezug auf den Anspruchsteller von der
,,Gesellschaft" bzw. dem ,,Unternehmen" die Rede, denen gegenüber die Organmit-
glieder im Innenverhältnis haften. Der Vorstand ist damit zugleich Haftungsadressat
wie auch gesetzlicher Vertreter des Anspruchsberechtigten. Thümmel
122
spricht
aufgrund der offenbaren Interessenskonflikte von einem ,,Strukturproblem" bei der
Innenhaftung. Welches Organ macht nun die Ansprüche gegenüber dem Vorstand
geltend?
Gemäß § 112 AktG wird die Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern
gerichtlich und außergerichtlich vom Aufsichtsrat vertreten. Er kann die Ansprüche
auch ohne einen Beschluss der Hauptversammlung eigenständig verfolgen. Seit dem
,,ARAG/Garmenbeck"-Urteil des BGH hat der Aufsichtsrat hierbei auch kein
Ermessen mehr, d.h. er ist zur Prüfung und ggf. Verfolgung der Innenhaftungsan-
sprüche verpflichtet.
123
Eine Ausnahme besteht nur, wenn die Gesellschaft durch die
Geltendmachung des Schadens wiederum in einem solchen Ausmaß geschädigt
wird
124
, dass der beanspruchte Schadensersatz im Vergleich dazu bedeutungslos
wäre.
125
Das Hauptproblem liegt darin, dass der Aufsichtsrat häufig davon absehen wird,
gegen den Vorstand wegen pflichtwidrigem Verhalten vorzugehen, da hierbei
offenbar werden würde, dass er seine eigene Überwachungspflicht versäumt hat.
Bedenkt man weiterhin, dass in vielen Gesellschaften ein vertrautes, kollegiales
Verhältnis zwischen beiden Organen besteht, wird spätestens dann die Interessens-
kollision deutlich. Trotz der hohen Anzahl an durch Missmanagement verursachten
Unternehmenskrisen der vergangenen Jahre kam es selten zur Geltendmachung von
Ansprüchen von Seiten des Aufsichtsrats.
126
Vor diesem Hintergrund bietet § 147 AktG Mechanismen, mit denen der Auf-
sichtsrat oder ein anderer Vertreter der Gesellschaft von den Aktionären gezwungen
werden kann, Ansprüche gegenüber den amtierenden oder ausgeschiedenen Vor-
standsmitgliedern geltend zu machen.
127
Die Regelung ist allerdings sehr restriktiv,
da die Aktionäre die Ansprüche im Innenverhältnis grundsätzlich
128
nicht direkt, d.h.
122
Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 207.
123
Siehe Horn, ZIP 1997, S. 1129 (1136f.).
124
Zu denken ist hierbei an eine immaterielle Beeinträchtigung des Rufs der Gesellschaft.
125
Siehe Semler, AG 2005, S. 321 (322).
126
Vgl. Sieg, DB 2002, S. 1759 (1762); Semler, AG 2005, S. 321.
127
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 210.
128
Eine direkte Geltendmachung durch die Gläubiger ist hingegen möglich, wenn ein Verstoß gegen
die neun Tatbestände der Kapitalerhaltungspflicht vorliegt oder der Vorstand grob fahrlässig
gehandelt hat. Allerdings können die Ansprüche von den Gläubigern nur direkt geltend gemacht

22
weder in eigenem Namen noch im Namen der Gesellschaft, geltend machen kön-
nen.
129
Die Ineffizienz der Regelung wird noch deutlicher, wenn man berücksichtigt,
dass, stark vereinfacht, nur Aktionäre oder Aktionärsgruppen, die mindestens 10%
oder 1 Million Euro des Grundkapitals halten, die Geltendmachung der Ansprüche
verlangen können.
130
Sie richtet sich damit ausschließlich an Großaktionäre, was
erneut problematisch
131
ist, da diese teilweise selbst im Aufsichtsrat vertreten sind
oder zumindest den Organmitgliedern nahe stehen.
132
Der Gesetzgeber hat aus diesen Gründen kürzlich erhebliche Erleichterungen zur
Klagedurchsetzung für die Aktionäre beschlossen. Da diese Änderungen im Zusam-
menhang mit der so genannten Corporate Governance-Diskussion entstanden sind,
sollen sie der thematischen Strukturierung dieser Arbeit folgend im nächsten Kapitel
ausführlich dargestellt werden.
2. Aufsichtsräte
Beim Aufsichtsrat handelt es sich um ein Innenorgan der Aktiengesellschaft. Seine
Tätigkeit bezieht sich fast ausschließlich auf die internen Vorgänge der Gesell-
schaft.
133
Die Hauptaufgabe des Aufsichtsrats ist die Überwachung des Vorstands
nach § 111 Abs. 1 AktG sowie die Berichtspflicht gegenüber den Anteilseignern. Die
Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder ist in § 116 AktG
geregelt. Darin heißt es: ,,Für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der
Aufsichtsratsmitglieder gilt § 93 über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der
Vorstandsmitglieder sinngemäß.". Die oben gemachten Ausführungen zur Innenhaf-
tung der Vorstände gelten daher im Kern auch für den Aufsichtsrat, wobei als
Haftungsmaßstab naturgemäß der Pflichtenkreis für die Aufsichtsratsmitglieder gilt,
der sich von denen der Vorstände aufgrund ihrer unterschiedlichen Organfunktion
unterscheidet.
134
Die Haftung des Aufsichtsrats ist durch die in den letzten Jahren hohe Anzahl an
AG-Insolvenzen und Unternehmenskrisen verstärkt in den Blickpunkt der öffentli-
chen Diskussion geraten.
135
Besonders hervorzuheben ist neben dem bereits
erwähnten ,,ARAG/Garmenbeck"-Urteil das Urteil des LG Bielefeld in dem Insol-
werden, wenn sie von der Gesellschaft keine Befriedigung erhalten können (z.B. in der Insolvenz-
situation), siehe § 93 Abs. 5 S. 1 und 2.
129
Siehe Kau, BB 2000, S. 1045 (1046).
130
Vgl. ebd., S. 1045 (1046).
131
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 213.
132
Zum Beispiel versuchte eine Aktionärsgruppe der Commerzbank AG erfolglos eine Sonderprüfung
nach §§ 142ff. AktG durchzuführen und nach § 147 AktG einen Vertreter zur Prüfung und Gel-
tendmachung der Schadensersatzansprüche zu bestellen, Siehe Urteil des OLG Frankfurt am Main,
Datum: 04.02.2003, Az: 5 U 63/01 ("Commerzbank AG"), in: ZIP 2003, S. 1198.
133
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 227.
134
Siehe Schimmer, Haftung des Vorstands, in: Europäische Anwaltsvereinigung e.V. (Hrsg.):
Managerhaftung, 2001, S. 23 (46).
135
Vgl. Kau, BB 2000, S. 1045 (1048).

23
venzverfahren der Balsam AG, sowie die vielfach in den Medien thematisierte
Insolvenz der Philipp Holzmann AG, Frankfurt a.M, im Jahr 1999.
136
Im Fall Holzmann hat die Staatsanwaltschaft zwischenzeitlich Anklage gegen
ehemalige Manager wegen des Verdachts der Untreue erhoben.
137
Den Beschuldig-
ten wird vorgeworfen, eine Vereinbarung mit einer Bank getroffen zu haben, wonach
die Bank Holzmann durch Kauf eines Aktienpaketes vor der Übernahme eines
Konkurrenten beschützen sollte und der Baukonzern anschließend für Verluste aus
fallenden Aktienkursen aufkommen würde. Hierbei sei der Gesellschaft ein Schaden
von 51 Millionen Euro entstanden, der durch von der Bank ausgestellte fiktive
Rechnungen von Holzmann beglichen und so verschleiert wurde.
Das Management der Balsam AG hatte jahrelang hohe Verluste aus Devisen-
Optionsgeschäften durch Luftbuchungen verschleiert und geriet schließlich in die
Insolvenz. Der Insolvenzverwalter nahm ein Aufsichtsratsmitglied in Anspruch, da
ihm bereits einige Monate vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsprechende
Hinweise über zweifelhafte Factoring-Geschäfte vorlagen, er diesen aber nicht
nachgegangen war. Der Beklagte zahlte schließlich persönlich 4,5 Millionen DM in
die Insolvenzmasse.
138
Die Summe zeigt die Dimension des hier vorliegenden
Haftungspotentials, das nicht unterschätzt werden sollte, insbesondere wenn man
berücksichtigt, dass Aufsichtsratsmitglieder ihre Tätigkeit in der Regel nebenberuf-
lich ausüben und wenig Zeit in der eigentlichen Gesellschaft verbringen.
Wie auch bereits bei der Diskussion der Vorstandshaftung sollen an dieser Stelle
nicht sämtliche Pflichten und Haftungstatbestände umfassend und abschließend
behandelt werden. Vielmehr ist es die Aufgabe dieses Kapitels, die Struktur und
Systematik der Aufsichtsratshaftung darzustellen.
Die Ausführungen erfolgen analog zur Vorstandshaftung, d.h. zunächst geht es um
die Frage, wann eine Pflichtverletzung vorliegt. Hierfür wird der Pflichtenkreis des
Aufsichtsrats abgesteckt und überblickartig vorgestellt. Anschließend werden die
weiteren Haftungsvoraussetzungen - Verschulden, Schaden und Beweislast - erörtert.
Schließlich wird der Problembereich der Geltendmachung der Ansprüche kritisch
beleuchtet. Die kritische Auseinandersetzung ist Voraussetzung, um die Notwendig-
keit für eine umfassende Diskussion der Corporate Governance und ihre
Ansatzpunkte nachvollziehen zu können.
136
Urteil des LG Bielefeld, Datum: 16.11.1999, Az: 15 O 91/98, in: ZIP 2000, S. 20.
137
Siehe FTD, 15.01.2004, S. 3.
138
Siehe Dahnz, Manager und ihr Berufsrisiko, 2002, S. 153.

24
a) Pflichtverletzung
Die Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder lassen sich wie bei den Vorstandsmitglie-
dern unterteilen in die Pflicht zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der
Organfunktion und die Treuepflicht.
139
) Ordnungsgemäße Wahrnehmung der Organfunktion
Die Überwachungsaufgabe aus § 111 Abs. 1 AktG stellt die Hauptpflicht des
Aufsichtsrats als Organ gegenüber der Gesellschaft dar.
140
Überwachungsgegenstand
sind vor allem die Führungsentscheidungen des Vorstands.
141
Diese schließen
insbesondere die Rechtmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der
Unternehmensführung ein. Der Aufsichtsrat hat auch die Rentabilität und Liquidität
der Gesellschaft sowie wichtige Einzelgeschäfte zu überwachen.
142
Zusammenfas-
send lässt sich sagen, dass der Aufsichtsrat zu prüfen hat, ob der Vorstand seine
Pflichten wie oben ausführlich behandelt ordnungsgemäß erfüllt hat.
Thümmel
143
unterscheidet bei der Überwachungsaufgabe zwischen einer vergan-
genheitsbezogenen und einer zukunftsbezogenen Komponente. Die bereits erfolgte
Tätigkeit des Vorstands sei hierbei laufend rückschauend zu kontrollieren. Anderer-
seits habe der Aufsichtsrat auch durch Beratung des Vorstands die zukünftige
Geschäftspolitik zu kontrollieren.
144
Die Geschäftsleitung bleibt aber nach wie vor in
den Händen des Vorstands, wie sich unmissverständlich aus §§ 76 Abs. 1 und 111
Abs. 4 S. 1 AktG ergibt. Der Aufsichtsrat hat allerdings die vom Vorstand für
zukünftige Maßnahmen entwickelten Vorschläge zu überprüfen (so genannte
,,strategische Kontrolle").
145
Die Unterscheidung zwischen rückschauender Nachverfolgung und strategischer
Begleitung hat vor allem durch das ,,ARAG/Garmenbeck"-Urteil des BGH Bedeu-
tung erfahren, da sie eine Auswirkung auf den Grad des Ermessens des Aufsichtsrats
hat.
146
Das Gericht hat in diesem Urteil bestätigt, dass ein Aufsichtsratsbeschluss, in
dem die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen ein Vorstandsmitglied
mehrstimmig abgelehnt wurde, nichtig sei, da offenkundige Schadensersatzansprü-
che regelmäßig geltend gemacht werden müssten.
147
Daraus lässt sich ableiten, dass
dem Aufsichtsrat kein Ermessen zusteht, wenn es darum geht zu prüfen, ob ein
139
Siehe Kölner Kommentar/Mertens, § 116 AktG, Rn. 4.
140
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 234.
141
Siehe Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 2002, Rn. 825.
142
Vgl. Dahnz, Manager und ihr Berufsrisiko, 2002, S. 145.
143
Die folgenden Ausführungen stützen sich auf Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 236f.
144
So auch Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 2002, Rn. 94.
145
Eine Konkretisierung dieser Pflicht in Bezug auf die Planung und Berichte des Vorstands ergibt
sich aus einer Gesetzesänderung des § 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG, die im Rahmen der Diskussion im
nächsten Kapitel behandelt wird.
146
Vgl. Thümmel, AG 2004, S. 83 (86f.).
147
Urteil des BGH, Datum: 21.04.1997, Az: II ZR 175/95, in: BGHZ 135, 244; siehe auch Raiser,
NJW 1996, S. 552.

25
Vorstandsmitglied seine Pflichten verletzt hat. Falls eine hinreichende Erfolgsaus-
sicht bzgl. eines Schadensersatzes besteht, hat er diesen Anspruch grundsätzlich
geltend zu machen.
148
Wenn es auf der anderen Seite um eine mitgestaltende
Kontrolle präventiver Art geht, steht neben dem Vorstand auch dem Aufsichtsrat der
bereits diskutierte unternehmerische Ermessensspielraum zu.
149
Die größte Herausforderung der Überwachungsaufgabe dürfte in der Prüfung
liegen, ob der Vorstand innerhalb seines unternehmerischen Gestaltungsspielraums
handelt, da wie oben diskutiert die Absteckung dessen Grenzen nicht immer
unmittelbar eindeutig ist. Der Aufsichtsrat hat daher die Entscheidungsprozesse zu
prüfen und sicherzustellen, dass betriebswirtschaftlich anerkannte Grundregeln
angewendet werden.
150
Um der Aufgabe gerecht zu werden, stehen dem Aufsichtsrat
verschiedene Instrumente zur Verfügung.
Das primäre Instrument sind die bereits angesprochenen Informationsrechte des
§ 90 AktG. Hiernach hat zunächst der Vorstand dem Aufsichtsrat Berichte über die
Lage des Unternehmens
151
vorzulegen. Andererseits kann der Aufsichtsrat auch vom
Vorstand von sich aus Berichte über Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen,
wie sich aus § 90 Abs. 3 S. 1 AktG ergibt. Die Vorschrift, die zunächst als reines
Auskunftsrecht erscheint, hat jedoch entscheidende Bedeutung. So ist der Aufsichts-
rat faktisch gezwungen, aus eigenem Antrieb Berichte zu verlangen, falls die ihm
vorgelegten Berichte nicht ausreichend oder unplausibel sind, will er der Gefahr
einer möglichen Haftung entgehen.
152
Was dem Aufsichtsrat zu berichten ist, ist damit zugleich auch Gegenstand seiner
Prüfung und damit eine Sorgfaltspflicht.
153
Die Vorschrift bezweckt damit eine
,,effiziente und vor allem vorbeugende Überwachung der Geschäftsführung".
154
Aufsichtsratsmitglieder begeben sich in die Gefahr einer Haftung, wenn sie z.B. trotz
Unregelmäßigkeiten in der Geschäftsführung keine Untersuchungen oder weitere
Maßnahmen veranlassen, wie es im eingangs erwähnten ,,Balsam"-Fall geschehen
ist.
155
Durch die Informationsrechte soll weitgehend verhindert werden, dass sich die
Aufsichtsratsmitglieder bei einer haftungsrechtlichen Inanspruchnahme auf Un-
kenntnis berufen können.
156
148
Die Prüfung läuft in zwei Stufen ab: Zunächst ist der Tatbestand festzustellen und das Prozesskos-
tenrisiko zu analysieren. Von der Anspruchsverfolgung kann bei hinreichender Erfolgsaussicht nur
bei gewichtigen Gegengründen abgesehen werden. Siehe hierzu Semler, AG 2005, S. 321 (322);
Kau, BB 2000, S. 1045 (1046); Henze, BB 2005, S. 165 f., der zwischen drei Stufen unterscheidet.
149
Vgl. Thümmel, AG 2004, S. 83 (87).
150
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 124.
151
Insbesondere die Rentabilität, der Umsatz sowie der Einfluss bedeutender Geschäfte.
152
Siehe Thümmel, AG 2004, S. 83 (86).
153
Vgl. Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 2002, Rn. 64.
154
Beck'scher Kurz-Kommentar/Hüffer, § 90 AktG, Rn. 1.
155
Siehe Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 2002, Rn. 828.
156
Siehe Beck'scher Kurz-Kommentar/Hüffer, § 90 AktG, Rn. 1.

26
Wie auch bei der Vorstandshaftung stellt der Tatbestand der Insolvenzverschlep-
pung für den Aufsichtsrat in der Praxis ein sehr hohes Haftungspotential dar.
157
Ist
dem Aufsichtsrat die Überschuldung der Gesellschaft bekannt, und unterlässt es der
Vorstand, den Insolvenzantrag zu stellen, begeht auch der Aufsichtsrat eine Pflicht-
verletzung, wenn er in dieser Situation nicht einschreitet.
Ein weiteres Instrument, das zum Pflichtenkreis des Aufsichtsrats gehört, ist die
Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts der Gesellschaft gemäß § 171
Abs. 1 S. 1 AktG.
158
Über das Ergebnis dieser Prüfung hat er gemäß § 171 Abs. 2
AktG der Hauptversammlung schriftlich zu berichten. Für die Prüfung kann er auch
jederzeit entsprechende Unterlagen der Gesellschaft einsehen, sowie Sachverständige
beauftragen, wie sich aus § 111 Abs. 2 AktG ergibt. Bei Unregelmäßigkeiten ist von
ihm aus § 111 Abs. 3 S. 1 AktG die Hauptversammlung einzuberufen.
Bedeutend sind auch die personalpolitischen Instrumente, die dem Aufsichtsrat zur
Verfügung stehen. Gemäß §§ 84 Abs. 1 und Abs. 3 AktG obliegt dem Aufsichtsrat
die Auswahl, Bestellung und Abbestellung der Vorstandsmitglieder. Die Aufgabe ist
damit sowohl vergangenheitsbezogen wie auch strategisch-zukunftsbezogen.
159
In
diesen Bereich fällt auch die Pflicht für eine angemessene Vorstandsvergütung zu
sorgen. Speziell die Frage der Angemessenheit der Vorstandsvergütungen bzw.
Abfindungen haben in dem ,,Mannesmann"-Prozess kürzlich für enormes Aufsehen
gesorgt.
160
Relevanter ist allerdings die Pflicht, die fachliche und persönliche
Eignung von potentiellen Kandidaten zu ermitteln und auszuwählen.
161
Obwohl die organschaftliche Funktionstrennung zwischen Vorstand und Auf-
sichtsrat durch das Aktiengesetz genau geregelt ist und dem Aufsichtsrat gemäß
§ 111 Abs. 4 S. 1 AktG keine Geschäftsführungsmaßnahmen übertragen werden
können, gibt es diesbezüglich eine Lockerung. So kann der Aufsichtsrat nach § 111
Abs. 4 S. 2 AktG festlegen, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner
Zustimmung vorgenommen werden dürfen.
162
Der Aufsichtsrat gewinnt hiermit
faktisch einen Einfluss auf die Geschäftsleitung.
163
Welche Geschäfte zustimmungs-
pflichtig sind, regelt das Gesetz nicht, so dass dem Aufsichtsrat hier ein Ermessen
zuzubilligen ist.
164
Zu einer Pflichtverletzung dürfte es aber kommen, wenn der
157
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 244.
158
Bei prüfungspflichtigen Gesellschaften wird der Aufsichtsrat in der Regel den vom Abschlussprü-
fer testierten Jahresabschluss zur Grundlage seiner Prüfung nehmen.
159
Siehe Thümmel, AG 2004, S. 83 (87).
160
Siehe vertiefend hierzu Henze, BB 2005, S. 165ff.
161
Dies erfolgt in der Praxis allerdings sinnvollerweise in der Regel in enger Abstimmung mit dem
Vorstand. Siehe vertiefend hierzu Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 2002,
Rn. 336.
162
Vgl. Hirte, Das Transparenz- und Publizitätsgesetz, in: Hirte, H. (Hrsg.): Das Transparenz- und
Publizitätsgesetz, 2003, Rn. 48.
163
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 253.
164
Im Rahmen der Corporate Governance- Diskussion hat es auch hier eine Änderung gegeben, die im
nächsten Kapitel vorgestellt wird.

27
Aufsichtsrat es versäumt, bei besonders risikoreichen Geschäften seinen Zustim-
mungsvorbehalt geltend zu machen.
165
) Treuepflicht
Neben dem Vorstand unterliegt auch der Aufsichtsrat einer Treuepflicht. Sie ist
allerdings nicht so stark ausgeprägt wie die des Vorstands, da Aufsichtsratsmitglieder
ihre Tätigkeit in der Regel nebenberuflich ausüben.
166
Aufsichtsräte werden vielfach
gerade deswegen gewählt, da sie Erfahrungen, Beziehungen oder Interessen aus
anderen Tätigkeiten mitbringen.
167
Sie unterliegen daher nach h.M. keinem Wettbe-
werbsverbot und können sich daher auch im Tätigkeitsfeld der Gesellschaft
betätigen.
168
Allerdings ist der Maßstab nach wie vor das Unternehmensinteresse,
d.h. ein Aufsichtsratsmitglied darf das Amt nicht dazu benutzen, um im Interesse
eines anderen Unternehmens nachteilig auf die Gesellschaft einzuwirken.
169
Selbiges gilt für die Geschäftschancenbindung, die ebenfalls verglichen mit derje-
nigen des Vorstands in abgeschwächter Form gilt. Das Aufsichtsratsmitglied handelt
pflichtwidrig, wenn es Informationen, die es im Rahmen seiner Amtstätigkeit
erfahren hat, im eigenen Interesse nutzt.
170
Erfährt es hiervon jedoch außerhalb seiner
Tätigkeit als Aufsichtsrat, gilt die Bindung nicht.
171
Die mit der Treuepflicht verwandte Verschwiegenheitspflicht gilt für den Auf-
sichtsrat ebenso wie für den Vorstand. Eine Abschwächung ist nicht zu erkennen, da
§ 93 Abs. 1 S. 2 AktG durch die Verknüpfung des § 116 AktG analog gilt.
172
Aufgrund der anderen vom Aufsichtsratsmitglied ausgeübten hauptberuflichen
Tätigkeiten sind Probleme allerdings abzusehen.
173
b) Verschulden, Schaden und Beweislast
In Bezug auf die weiteren Haftungsvoraussetzungen der Aufsichtsratsmitglieder
kann weitgehend auf die bereits gemachten Ausführungen zur Vorstandshaftung
verwiesen werden. Danach haben die Aufsichtsratsmitglieder ihr Amt mit der
Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsratsmitglieds zu erfüllen.
Bei einer Verletzung der oben dargestellten Pflichten, sind sie zum Ersatz des daraus
entstandenen Schadens verpflichtet, wobei ein Verschulden vom Gesetz vermutet
wird.
165
Zustimmungsvorbehalte sind üblicherweise in einer Geschäftsordnung oder der Satzung geregelt.
Siehe vertiefend hierzu Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 2002, Rn. 41ff.
166
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 265.
167
Vgl. Kölner Kommentar/Mertens, § 116 AktG, Rn. 28.
168
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 265.
169
Siehe Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 2002, Rn. 843.
170
Siehe ebd., Rn. 843.
171
Siehe Thümmel, Haftung von Managern, 2003, Rn. 266.
172
Eine Klarstellung erfolgte durch Gesetzgebungsinitiativen im Rahmen der Corporate Governance-
Diskussion, allerdings war dies auch bereits davor h.M.; siehe Lutter/Krieger, Rechte und Pflich-
ten des Aufsichtsrats, 2002, Rn. 248.
173
Siehe hierzu vertiefend ebd., Rn. 253 ff.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783832491703
ISBN (Paperback)
9783838691701
DOI
10.3239/9783832491703
Dateigröße
4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg – Wirtschafts- und Rechtswissenschaften
Erscheinungsdatum
2005 (Dezember)
Note
1,0
Schlagworte
frühwarnsystem cobit kontrollsystem corporate compliance haftung
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Titel: Corporate Governance und Sarbanes-Oxley Act - Haftungsrechtliche Anforderungen an die Unternehmensleitung und Risikomanagement von Aktiengesellschaften
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