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Mentale Repräsentationen und Kinematik von Bewegungen

Ein interdisziplinärer Ansatz zur Analyse strukturfunktionaler Zusammenhänge der Bewegungsorganisation

©2005 Doktorarbeit / Dissertation 312 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Zentrales Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, einen interdisziplinären Ansatz zur Analyse strukturfunktionaler Zusammenhänge der Bewegungsorganisation zu entwickeln und im Forschungsprozess einzusetzen. Unterschiedliche empirische Untersuchungen wurden dabei hinsichtlich differenzierter Fragestellungen im Bereich des Sports (Gerätturnen und Volleyball) angelegt und durchgeführt.
Ausgehend von einer Problemstellung, welche u.a. in der schwachen bzw. teils fehlenden Verbindung von Biomechanik und psychologisch orientierter Motorikforschung gesehen wird, können verschiedene Schritte der Problembearbeitung abgeleitet werden (Kap. 1).
Im ersten Schritt ist es notwendig, eine umfangreiche Analyse von Zugängen zur Struktur sportlicher Bewegungen vorzunehmen (Kap. 2). Sportliche Bewegungen lassen sich nach dieser Analyse aus struktureller Sicht auf unterschiedlichen Beschreibungsebenen analysieren. Sie können in ihrer Grundstruktur charakterisiert und spezifiziert werden. Konkrete bewegungsanalytische Zugänge werden hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile diskutiert und mit Bezug auf die Problemstellung der Arbeit eingeordnet. Neben der Bearbeitung bewegungsanalytischer Zugänge ist eine Charakterisierung von Stabilitäts- und Variabilitätseigenschaften der Bewegungsstruktur notwendig. Insbesondere die Idee invarianter Charakteristiken der Bewegungsstruktur lässt sich damit konkretisieren und weiterentwickeln. Strukturelle werden von parametrischen Invarianten unterschieden. Ein Ausblick auf integrative Perspektiven ebnet den Weg zu einem zweiten Schritt in der Problembearbeitung.
Im zweiten Schritt der Problembearbeitung (Kap. 3) werden neuartige Ansätze in der psychologisch orientierten Motorikforschung aufgegriffen, welche darauf hindeuten, dass kognitive (mentale) Repräsentationen von wesentlicher Bedeutung für die Kontrolle von (komplexen) Bewegungshandlungen sind. Sie unterliegen gemäß den Modellvorstellungen einer wahrnehmungsbasierten Invarianz und integrieren Bewegungseffekte. Ist davon auszugehen, dass sich die Bewegungseffekte im Kontext der eigenen Körperkinematik und -dynamik umsetzen und somit auch in deren Kontext gelernt werden, dann ist anzunehmen, dass biomechanische Parameter innerhalb der Bewegungsrepräsentation (genauer: deren Effekte) wirksam werden. Somit könnten direkte Bezüge zwischen mentalen Repräsentationen und der beobachtbaren Bewegungsausführung (Kinematik) vermutet werden. Die Entwicklung […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 9159
Heinen, Thomas Dipl. Sportwiss.:
Mentale Repräsentationen und Kinematik von Bewegungen -
Ein interdisziplinärer Ansatz zur Analyse strukturfunktionaler Zusammenhänge der
Bewegungsorganisation
Hamburg: Diplomica GmbH, 2005
Zugl.: Deutsche Sporthochschule Köln, Dissertation / Doktorarbeit, 2005
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Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden, und die Diplomarbeiten Agentur, die
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Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2005
Printed in Germany

Lebenslauf
Lebenslauf
Persönliche Angaben
Dipl.-Sportwiss. Thomas Heinen
- Sportpsychologie (bdp) -
- Sportphysiotherapie (nas) -
Schützheide 28
52223 Stolberg
Tel. 02402 / 936530
email: tom.heinen@t-online.de
geb. am 16.03.1978 in Aachen
ledig
Eltern:
Heinen, Bert (Dachdeckermeister, 18.03.1999)
Heinen, Anna Maria (Hausfrau)
Ausbildung
Wehrdienst
Hochschulstudien
Weitere
fach-
bezogene Studien
1984 bis 1988: Gemeinschaftsgrundschule 52223 Stolberg (Rhld.)
1988 bis 1997: Goethe-Gymnasium
52223 Stolberg (Rhld.)
1997: Allgemeine
Hochschulreife
1997
bis
1998: Grundwehrdienst an der TSH/FSHT (Technische
Schule und Fachschule des Heeres für Technik) in
Aachen.
SS 1998 bis WS 2001/02: Studium der Sportwissenschaften (Diplom)
an der Deutschen Sporthochschule Köln; Schwerpunkt im
Hauptstudium: Training und Leistung.
15.01.2002: Abschluss des Studiums der Sportwissenschaften an der
Deutschen Sporthochschule Köln als Diplom-Sportwissenschaftler.
Note der Diplomprüfung: sehr gut (1.4); Note der Diplomarbeit: sehr
gut (1.0) .
SS 1999 bis WS 2001/02: Studium der Physik (Sek II) an der
Universität zu Köln.
SS 2002 bis WS 2004/05: Promotionsstudium an der Deutschen
Sporthochschule Köln.
Seit WS 2002/03: Studium der Psychologie (Diplom) an der
Universität zu Köln.
April bis Oktober 2001: Fortbildung ,,Sportpsychologie im
Leistungssport" (120 UE). Abschluss des Curriculums am 13.12.2001.
Sept. /Okt. 2003 und März 2004: Fortbildung in Sportphysiotherapie
(200 UE). Abschluss der Fortbildung am 19.03.2004.

Lebenslauf
Weitere Ausbildung
Praktika
Trainertätigkeit
17. bis 28.01.1994: Schulpraktikum Gemeinschaftsgrundschule Breinig.
1998 bis 2005: Trainer/Übungsleiter der Förderturnriege Mädchen beim
Turnerbund 1893 Breinig e.V.
Seit 2001: Mitglied und Trainertätigkeit im Turncamp-Trainerteam des
Deutschen Turnerbundes (DTB) und seit 2000 Dozententätigkeiten bei
verschiedenen Trainerfortbildungen.
03.07.2001: Trainer-C-Lizenz Gerätturnen
28.08.2001: Trainer-C-Lizenz Trampolinturnen
01.03.2002: Trainer-B-Lizenz Gerätturnen Frauen
2002/2003: Trainertätigkeit im Turnstützpunkt Krefeld.
2004/2005: Trainertätigkeit im Turnstützpunkt G.V. Balans Kerkrade.
Sonstige berufliche
Entwicklung und
praktische Tätigkeit
April bis Dezember 2001: Studentische Hilfskraft am Psychologischen
Institut der Deutschen Sporthochschule Köln in der
Projektarbeitsgruppe ProMent bei Dr. Thomas Schack.
12.12.2001 bis 31.01.2002: Vertretungsunterricht im Fach Sport am
Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium in Duisburg-Marxloh.
15.03.2002 bis 31.12.2002: Wissenschaftliche Hilfskraft am
Psychologischen Institut der Deutschen Sporthochschule Köln.
17.03.2003 bis 17.04.2003: Wissenschaftliche Hilfskraft am
Psychologischen Institut der Deutschen Sporthochschule Köln.
Januar bis März 2001: Erstellung eines computergestützten
Erholungsfragebogens für die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Allmer am
Psychologischen Institut der DSHS Köln.
SS 2002 ­ WS 2004/05: Lehrbeauftragter für Gerätturnen am Institut
für Motorik und Bewegungstechnik (vormals Institut für
Individualsport) der Deutschen Sporthochschule Köln.
WS 2002/03 und WS 2004/05: Lehrbeauftragter für Psychologie am
Psychologischen Institut der Deutschen Sporthochschule Köln.
Seit Dez. 2003: Fachwart für Gerätturnen im Stolberger
Stadtsportverband.
April 2003 ­ Ende März 2005: Graduiertenstipendiat an der Deutschen
Sporthochschule Köln.
SS 2005 und WS 2005/06: Wissenschaftlicher Mitarbeiter am
Psychologischen Institut der Deutschen Sporthochschule Köln
(Vertretung von PD Dr. T. Schack).

Lebenslauf
Auszeichnungen /
Förderungen
05.06.2002: Toyota-Förderpreis für die beste Diplomarbeit 2001 an der
Deutschen Sporthochschule Köln.
05.06.2002: Sonderpreis der Deutschen Sporthochschule Köln für ein
besonders effektives Studium.
24.04.2003: Gewährung eines hochschulinternen
Graduiertenstipendiums der Deutschen Sporthochschule Köln von April
2003 bis Ende März 2005.
29.07.2004: Erster Platz beim Posterwettbewerb der Empiriepraktiken
des Sommersemesters 2004 am Psychologischen Institut der Universität
zu Köln.
30.06.2005: Gewinn des 1. DSHS-Nachwuchspreises, gefördert durch
den Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds (Preisgeld: 1.250 ).
23.09.2005: Dritter Platz beim DVS-Nachwuchspreis im Rahmen des
17. sportwissenschaftlichen Hochschultages vom 22.09.-24.09.2005 in
Leipzig (Preisgeld: 250 ).
Gez. Thomas Heinen, Dezember 2005.

Eidesstattliche Versicherung
Hierdurch versichere ich an Eides Statt: Ich habe diese Arbeit selbstst¨andig
und nur unter Benutzung der angegebenen Quellen angefertigt. Sie hat noch keiner
anderen Stelle zur Pr¨ufung vorgelegen. W¨ortlich ¨ubernommene Textstellen, auch
Einzels¨atze oder Teile davon, sind als Zitate kenntlich gemacht worden.
K¨oln, den 16.03.2005
Gez. Dipl.-Sportwiss. Thomas Heinen

Danksagung
Es erscheint nur angebracht einer Reihe wundervoller Menschen zu danken,
die f¨ur das Zustandekommen dieser Arbeit jeweils ihren ganz eigenen Beitrag
geleistet haben.
Allen voran m¨ochte ich meinen beiden Betreuern Herrn PD Dr. Thomas Schack
und Herr Prof. Dr. Gert-Peter Br¨uggemann f¨ur die Unterst¨utzung, das Vertrauen
in selbstst¨andiges Arbeiten und einem learning for life and science danken. Nicht
weniger Dank m¨ochte ich den Herrn Professoren Henning Allmer und J¨urgen
Nitsch (em.), stellvertretend f¨ur das Psychologische Institut der Deutschen Sport-
hochschule K¨oln f¨ur eine optimale institutionelle Unterst¨utzung aussprechen.
Anregende Diskussionen im Rahmen des Forschungsbereichs ergaben sich mit
Frank Engel, Kostas Velentzas, Wolfgang Engel, Katja Brusch, Hedi Richter,
Kurt Knirsch, PD Dr. Adamantios Arampatzis, Dr. Franz Mechsner, Dr. Swantje
Scharenberg. Die drei Erstgenannten stehen dabei stellvertretend f¨ur die Arbeits-
gruppe NKAB am Psychologischen Institut der DSHS K¨oln. F¨ur Hilfe bei der
Datenauswertung bin ich Kostas Velentzas zu Dank verpflichtet. Redaktionelle
Unterst¨utzung beim Fertigstellen der Arbeit erhielt ich von Katja Brusch, Monika
Kohnen, Eva Geburzi, Richard Spiegelberg, Stephanie Hewing, Pia Vinken und
Sonja Kishinami.
Die Untersuchungen der Arbeit w¨aren nicht zu Stande gekommen ohne Un-
terst¨utzung durch die Trainer/-innen unterschiedlicher Vereine: Evelyn Maier,
Melitta Maier, Wolfgang Emonts, Andreas Kaldenbach, Jan Bremen, Veronika
Mielke, Uschi Klein, Stephan Flockenhaus, Norbert Hilke und Matthias Lompa.
Stellvertretend f¨ur alle untersuchten Sportler und Sportlerinnen in dieser Arbeit
m¨ochte ich ganz besonders Pia Vinken, Monika Kohnen und Sonja-Dewi Tandi
meinen Dank aussprechen.
Nicht zuletzt bedanke ich mich bei der Sporthochschule K¨oln f¨ur die Gew¨ahrung
eines Graduiertenstipendiums.
Eine besondere Widmung gilt noch meiner Mutter Annemarie Heinen und meiner
Großmutter Maria R¨uttgers, die selbst in schwierigen Zeiten immer an mich
geglaubt haben.

F¨ur Herrn Bert Heinen (1936-1999).

Inhaltsverzeichnis
I
Inhaltsverzeichnis
1
Problemstellung
1
2
Zug¨ange zur Struktur sportlicher Bewegungen
6
2.1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
2.2
Beschreibungsebenen sportlicher Bewegungen . . . . . . . . . . . . . . . .
7
2.2.1
Qualitative Beschreibungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
2.2.2
Quantitative Beschreibungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
2.2.3
Semi-Quantitative Beschreibungsebene . . . . . . . . . . . . . . .
9
2.3
Zum Strukturbegriff sportlicher Bewegungen . . . . . . . . . . . . . . . .
10
2.3.1
Definition sportlicher Bewegungsaufgaben ¨uber die Spezifizierung
einer allgemeinen Grundstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
2.3.2
Aufspaltung der sportlichen Bewegung in grundlegende Elemente
mit ihren Relationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
2.4
Bewegungsanalytische Zug¨ange von sportlichen Bewegungen unter struktu-
rellen und funktionalen Gesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
2.4.1
Phasenstrukturen sportlicher Bewegungen . . . . . . . . . . . . . .
17
2.4.2
Deterministische Modelle der Bewegungsstruktur . . . . . . . . . .
25
2.4.3
Indeterministische Modelle der Bewegungsstruktur . . . . . . . . .
31
2.4.4
Prozessorientierte Analysen sportlicher Bewegungen . . . . . . . .
33
2.4.5
Modellsimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
2.4.6
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
2.5
Stabilit¨ats- und Variabilit¨atseigenschaften der Bewegungsstruktur . . . . . .
38
2.5.1
Charakterisierung des Problemfeldes
. . . . . . . . . . . . . . . .
38
2.5.2
Variabilit¨atsph¨anomene unter bewegungsanalytischer Perspektive .
40
2.6
Zusammenfassung und Ausblick auf integrative Perspektiven . . . . . . . .
52
3
Mentale Bewegungsrepr¨asentationen und ihr Bezug zur Bewegungsstruktur
56
3.1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
3.2
Modellansatz einer kognitiven Architektur von Bewegungshandlungen . . .
56
3.2.1
Antizipative Bewegungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
3.2.2
Architektur der Bewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
3.3
Mentale Repr¨asentationen von komplexen Bewegungen . . . . . . . . . . .
59
3.3.1
Charakterisierung des Problemfeldes
. . . . . . . . . . . . . . . .
60
3.3.2
Aufbau Mentaler Bewegungsrepr¨asentationen . . . . . . . . . . . .
61
3.3.3
Repr¨asentation biomechanischer Gr¨oßen
. . . . . . . . . . . . . .
68
3.3.4
Aufbau und Ver¨anderung Mentaler Repr¨asentationen im motorischen
Lernprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78

Inhaltsverzeichnis
II
3.4
Methodische Zug¨ange der Bezugsetzung von Bewegungsrepr¨asentationen
und bewegungsstrukturellen Aspekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
3.4.1
Direkte Bezugsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
3.4.2
Indirekte Bezugsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
3.5
Zusammenfassung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
4
Ableitung eines integrativen Ansatzes zur Bearbeitung sportlicher Bewegungen
unter funktionsanalytischem Aspekt
88
4.1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
4.2
Grundannahmen des Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
4.3
Forschungsmethodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
4.3.1
Untersuchungen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
4.3.2
Erfassung mentaler Bewegungsrepr¨asentationen (SDA-M) . . . . .
92
4.3.3
Erfassung bewegungsstruktureller Parameter (AViP) . . . . . . . .
113
4.3.4
Verkn¨upfung von Bewegungsstruktur und mentaler Repr¨asentation .
117
4.4
Zusammenfassung und Praxisbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
119
5
Mentale Repr¨asentationen im Ger¨atturnen (Untersuchungen 1 bis 3)
121
5.1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
121
5.2
Beschreibung der ausgew¨ahlten Bewegungsaufgabe . . . . . . . . . . . . .
122
5.3
Untersuchung 1: Differentielle Analyse mentaler Repr¨asentationen von Ro-
tationsbewegungen im Ger¨atturnen I (Experten, Novizen und Nichtturner) .
124
5.3.1
Fragestellung und Hypothesenableitung . . . . . . . . . . . . . . .
124
5.3.2
Methode
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
125
5.3.3
Ergebnisdarstellung und Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . .
128
5.3.4
Zusammenfassung und Praxisbezug . . . . . . . . . . . . . . . . .
138
5.4
Untersuchung 2: Differentielle Analyse mentaler Repr¨asentationen von Ro-
tationsbewegungen im Ger¨atturnen II (Trainer und Sportstudierende) . . . .
139
5.4.1
Fragestellung und Hypothesenableitung . . . . . . . . . . . . . . .
139
5.4.2
Methode
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
140
5.4.3
Ergebnisdarstellung und Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . .
142
5.4.4
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
156
5.5
Untersuchung 3: Differentielle Analyse mentaler Repr¨asentationen von Ro-
tationsbewegungen im Ger¨atturnen in einem Trainer/-innen ­ Turner/-innen
Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
157
5.5.1
Fragestellung und Hypothesenableitung . . . . . . . . . . . . . . .
157
5.5.2
Methode
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
158
5.5.3
Ergebnisdarstellung und Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . .
159
5.5.4
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
163
5.6
Zusammenfassung zu den Untersuchungen 1-3
. . . . . . . . . . . . . . .
164
6
Mentale Repr¨asentationen und Bewegungskinematik im Ger¨atturnen (Unter-
suchungen 4 bis 6)
165
6.1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
165
6.2
Untersuchung 4: Differentielle Analyse kinematischer Parameter bei Sal-
tofl¨ugen im Ger¨atturnen (Datenbeschaffung) . . . . . . . . . . . . . . . . .
166
6.2.1
Fragestellung und Hypothesenableitung . . . . . . . . . . . . . . .
166
6.2.2
Methode
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
167

Inhaltsverzeichnis
III
6.2.3
Ergebnisdarstellung und Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . .
174
6.2.4
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
198
6.3
Untersuchung 5: Generierung eines Vorhersagemodells f¨ur kinematische Pa-
rameter auf der Basis mentaler Repr¨asentationsdaten im Ger¨atturnen (SDA-
M-KiN-Modell) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
199
6.3.1
Fragestellung und Hypothesenableitung . . . . . . . . . . . . . . .
199
6.3.2
Methode
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
200
6.3.3
Ergebnisdarstellung und Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . .
201
6.3.4
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
215
6.4
Untersuchung 6: Evaluation des SDA-M-KiN-Vorhersagemodells
. . . . .
217
6.4.1
Fragestellung und Hypothesenableitung . . . . . . . . . . . . . . .
217
6.4.2
Methode
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
218
6.4.3
Ergebnisdarstellung und Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . .
219
6.4.4
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
228
6.5
Zusammenfassung zu den Untersuchungen 4 bis 6 . . . . . . . . . . . . . .
229
7
Mentale Repr¨asentationen und Bewegungskinematik im Volleyball (Untersu-
chungen 7 bis 9)
230
7.1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
230
7.2
Beschreibung der ausgew¨ahlten Bewegungsaufgabe . . . . . . . . . . . . .
231
7.3
Untersuchung 7: Differentielle Analyse kinematischer Parameter bei An-
griffshandlungen im Volleyball - Datenbeschaffung . . . . . . . . . . . . .
233
7.3.1
Fragestellung und Hypothesenableitung . . . . . . . . . . . . . . .
233
7.3.2
Methode
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
235
7.3.3
Ergebnisdarstellung und Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . .
238
7.3.4
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
247
7.4
Untersuchung 8: Generierung eines Vorhersagemodells f¨ur kinematische Pa-
rameter auf der Basis Mentaler Repr¨asentationsdaten im Volleyball (SDA-
M-KiN-Modell) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
248
7.4.1
Fragestellung und Hypothesenableitung . . . . . . . . . . . . . . .
248
7.4.2
Methode
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
249
7.4.3
Ergebnisdarstellung und Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . .
250
7.4.4
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
258
7.5
Untersuchung 9: Evaluation des SDA-M-KiN-Vorhersagemodells
. . . . .
259
7.5.1
Fragestellung und Hypothesenableitung . . . . . . . . . . . . . . .
259
7.5.2
Methode
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
260
7.5.3
Ergebnisdarstellung und Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . .
261
7.5.4
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
267
7.6
Zusammenfassung zu den Untersuchungen 7-9
. . . . . . . . . . . . . . .
268
8
Gesamtdiskussion und Ausblick
270
8.1
Theoretische und methodische Bezugsetzungen . . . . . . . . . . . . . . .
270
8.2
Empirische Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
272
8.3
Praktische Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
275
9
Zusammenfassung der Arbeit
276
Literaturverzeichnis
281

Kapitel 1. Problemstellung
1
1
Problemstellung
"
Die Wissenschaft kann die letzten R¨atsel der Natur nicht l¨osen. Und das ist so,
weil wir letztlich selbst ein Teil des R¨atsels sind, das wir zu l¨osen versuchen."
Max Planck
Die Bewegungsausf¨uhrung eines ge¨ubten Sportlers kann einen Beobachter in vielf¨altiger
Art und Weise faszinieren. Die hohe Flexibilit¨at und scheinbare Leichtigkeit die man wahr-
nimmt, wenn ein Turner einen doppelten Salto oder ein Volleyballer einen erfolgreichen An-
griffsschlag ausf¨uhrt wirft vielf¨altige Fragestellungen im Kontext der motorischen Kontrolle
und der beobachtbaren Bewegungsausf¨uhrung auf. Wie organisiert der Sportler seine Bewe-
gung? Welche Strategien setzt er ein? Wie nutzt er dabei biomechanische Zusammenh¨ange
und Parameter? etc.
Unterschiedliche Wissenschaftsdisziplinen versuchen Antworten auf diese Fragen aus
ebenso unterschiedlichen Perspektiven zu geben (z.B. Jeannerod, 2004; Latash, 1998). So
findet bspw. in der Sportpsychologie und Bewegungswissenschaft seit langer Zeit schon eine
(paradigmatische) Diskussion um Ans¨atze zur motorischen Kontrolle statt (motor-approach
vs. action-approach; Schack & Tenenbaum, 2004; Schmidt & Wrisberg, 2000). Weiterhin
findet sich eine ausf¨uhrliche Diskussion ¨uber fehlende Verbindungen zwischen Biomecha-
nik und verschiedenen Feldern der Motorikforschung (etwa Pressing, 1998; Rosenbaum,
1991). Bei den Diskussionen innerhalb bewegungswissenschaftlicher Forschung wird da-
bei zumeist eine Abgrenzung von biomechanischen Aspekten der Bewegungsorganisation
und der kognitiven Kontrolle der Bewegungen vorgenommen. Mit anderen Worten: Biome-
chanische Aspekte (Parameter) bleiben h¨aufig bei der Betrachtung kognitiver Aspekte der
Bewegungsorganisation ausgeklammert (oder werden qualitativ neben ihnen interpretiert)
und umgekehrt.
Die gezielte Betrachtung macht allerdings auch deutlich, dass sich zunehmend neuarti-
ge Ans¨atze zur Beschreibung und Erkl¨arung motorischer Kontrolle von Bewegungen ent-
wickeln. Sie betonen die Zielgerichtetheit von Bewegungen, die Wichtigkeit antizipierter
Bewegungseffekte und die zentrale Rolle mentaler Bewegungsrepr¨asentationen (Hoffmann,
Stoecker & Kunde, 2004; Mechsner, 2004; Schack, 2004; Schack & Tenenbaum, 2004).
Mit ihnen wird zu dem eine systematische Suche nach Verbindungen zwischen biomechani-
scher Organisation und motorischer Steuerung der Bewegung als aktuell notwendiger Schritt
angesehen (Schack, 2003; Schack & Heinen, 2003). Aus dieser Sicht sind f¨ur eine integra-
tiv angelegte Bewegungswissenschaft neben komplexen und ¨ubergreifenden Modellen auch
methodische Ans¨atze unerl¨asslich, die Bezugsetzungen zwischen verschiedenen Disziplinen
erm¨oglichen. Das ist allein deshalb erforderlich, da das Bewegungssystem nach Bernstein

Kapitel 1. Problemstellung
2
(1967) ¨uber Freiheitsgrade verf¨ugt, welche in der Regel zugunsten der L¨osung der aktuellen
Bewegungsaufgabe kontrolliert werden m¨ussen. Der sich bewegende Sportler ist dabei an die
physikalischen Gesetzm¨aßigkeiten der Umwelt gebunden. Damit werden explizite Kontroll-
strategien notwendig, die es dem Sportler erlauben sich trotz physikalisch aufgezwungener
Einschr¨ankungen erfolgreich zu bewegen (Kalveram, 2004). Die Koordination motorischer
Aktivit¨aten vollzieht sich also funktional ¨uber die Steuerung eines komplex strukturierten
Bewegungssystems. Aus dieser Perspektive werden f¨ur eine integrative Bewegungswissen-
schaft sowohl Informationen ¨uber die biomechanischen constraints des Systems (Latash,
1998a; Zatsiorsky, 1998) als auch Informationen ¨uber die motorischen Einheiten ben¨otigt
(Schack, 2004). Dazu ist es notwendig einen Ansatz zur integrativen Analyse sportlicher
Bewegungen vor dem Hintergrund der Zusammenf¨uhrung kognitiver Repr¨asentation und
biomechanischer Organisation der Bewegungen vorzulegen.
Neben theoretischen und methodischen ¨
Uberlegungen ist aber noch ein wesentlicher Be-
zug zur Sportpraxis bedeutsam. F¨ur eine verantwortungsvolle Weiterbildung von Trainern
unterschiedlicher Sportarten, werden Aussagen zur Nutzung von kognitiven Merkmalen im
Techniktraining an unterschiedlichen Stellen gefordert (Kassat, 1998; Knirsch, 2003; Neu-
maier & Krug, 2003). Die dazu notwendige Informationsbasis kann einzig durch Untersu-
chungen mittels entsprechend fundierter Methoden bereitgestellt werden. Die Optimierung
von Lehr-Lern-Prozessen liegt dabei unmittelbar auf der Hand.
Mit den bisherigen Ausf¨uhrungen sind bereits wesentliche Aufgaben und Problemberei-
che der vorliegenden Arbeit skizziert. F¨ur die Problembearbeitung sind folgende Aspekte zu
ber¨ucksichtigen und aufeinander abzustimmen:
1. Zug¨ange zur Bewegungsstruktur aus st¨arker biomechanischer Perspektive sind ent-
sprechend zu ber¨ucksichtigen. Dabei sind Strukturelemente der Zug¨ange und ihre je-
weiligen Relationen zueinander zu betrachten (z.B. Ballreich, 1996; G¨ohner, 1992;
Kassat, 1995; Schiebl, 2000; Sch¨ollhorn, 1996). Ein wesentliches Anliegen besteht
dabei darin, die Ans¨atze hinsichtlich ihrer Einsichten in bewegungsstrukturelle Aspek-
te zu analysieren. Die Ausarbeitung muss sich dabei auf solche Zug¨ange zur Struktur
sportlicher Bewegungshandlungen konzentrieren, die sich in der Biomechanik und Be-
wegungswissenschaft etabliert haben und neben strukturellen auch funktionale Aspek-
te der Bewegungsausf¨uhrung ber¨ucksichtigen. Dabei sind erg¨anzend Variabilit¨ats- und
Stabilit¨atserscheinungen der Bewegungsstruktur zu diskutieren.
2. Wird eine Ebene der biomechanischen Organisation der Bewegung von einer Ebene
der mentalen Repr¨asentation unterschieden (Schack, 2002, 2003), dann sind zur ko-
gnitiven Kontrolle von Bewegungen definierte Einheiten n¨otig, die in bestimmter Re-
lation zueinander stehen. Aufbauend auf Aspekten der Bewegungsstruktur geht es also

Kapitel 1. Problemstellung
3
um die Identifizierung von Einheiten und deren funktionaler F¨acherung in Repr¨asen-
tationsstrukturen. Dabei wird der Ansatz der perzeptuell-kognitiven Kontrolle bzw.
der kognitiven Architektur von Bewegungen zu Grunde gelegt (Schack & Tenenbaum,
2004). Die Entwicklung einer theoretischen Perspektive zur Abbildung biomechani-
scher Parameter innerhalb der Bewegungsrepr¨asentation ist dabei von wesentlicher
Bedeutung.
3. Die tats¨achliche Bezugsetzung zwischen bewegungsstrukturellen Aspekten und men-
talen Repr¨asentationen kann nur in Abstimmung mit Schritten im empirisch - metho-
dischen Bereich geschehen.
Es ist zweckm¨aßig im Hinblick auf einen integrativen Zugang und vor dem Hintergrund
der bisher skizzierten Problemstellung auf Seiten der Ebene mentaler Repr¨asentationen ei-
ne Methode zur Untersuchung begrifflicher (konzeptueller) Strukturen einzusetzen (Split-
Paradigma). Dieser Zugang erlaubt explizite Aussagen zur Strukturierung von Bewegungs-
repr¨asentationen im Langzeitged¨achtnis. Weiterhin ist auf der Ebene der beobachtbaren Be-
wegungsausf¨uhrung ein Zugang zur Bewegungsstruktur zu w¨ahlen, welcher Aussagen zu
strukturellen und funktionalen Gesichtspunkten der Bewegung liefert. Damit ist die Per-
spektive a priori als funktionsanalytisch zu kennzeichnen. Darauf aufbauend ist sowohl aus
theoretischer als auch methodischer Sicht ein empirischer Ansatz zu entwickeln, der eine
Bezugsetzung zwischen bewegungsstrukturellen Parametern und mentalen Repr¨asentatio-
nen erlaubt. Im empirisch-methodischen Teil sind daher folgende Schritte durchzuf¨uhren:
3a. Es sind Untersuchungen anzulegen, welche Aussagen zur Strukturierung mentaler Be-
wegungsrepr¨asentationen im Langzeitged¨achtnis und deren Zusammenhang zur Ex-
pertise und Bewegungsausf¨uhrung erm¨oglichen. Falls sich Repr¨asentationen mit zu-
nehmendem Expertiseniveau in ihrer Variationsbreite einschr¨anken, sollte das in der
Bewegungsausf¨uhrung sichtbar werden. Dabei kann weiterhin die Frage gestellt wer-
den, ob sich zum einen Unterschiede in der Bewegungsrepr¨asentation zwischen Sport-
lern (Experten und Novizen) und Nichtsportlern zeigen und zum Anderen ob auch
Personen mit sportwissenschaftlicher Ausbildung (Trainer und Sportstudierende) ¨uber
unterschiedliche Repr¨asentationen verf¨ugen. Abschließend w¨are (auch im Hinblick
auf die Sportpraxis) zu fragen, in wieweit Trainer mit ihren Sportlern ¨uber strukturell
¨ahnliche Repr¨asentationen verf¨ugen.
3b. Falls die biomechanische Organisation von Bewegungen in Abh¨angigkeit der zu Grun-
de liegenden Repr¨asentationen geschieht, dann m¨ussten sich Bezugsetzungen zwi-
schen biomechanischen Parametern und Daten mentaler Repr¨asentationen auf empi-
rischen Wege ermitteln lassen. Zur Beantwortung dieser Fragen ist, wie oben bereits

Kapitel 1. Problemstellung
4
kurz angedeutet, ein empirisch-methodisches Vorgehen zu etablieren, das Aussagen
zur Abbildung biomechanischer Parameter innerhalb der mentalen Repr¨asentation von
Bewegungen liefert. Vor dem Hintergrund der anzulegenden Untersuchungen aus 3a
sind damit weitere Untersuchungen verbunden. Diese m¨ussten zun¨achst Aussagen zu
strukturellen Aspekten der Bewegungsausf¨uhrung zulassen (Steuerstrategien, Varia-
bilit¨atsaspekte etc.) bevor darauf aufbauend empirische Bez¨uge zwischen der Ebene
mentaler Repr¨asentationen und der Ebene der beobachtbaren Bewegungsausf¨uhrung
hergestellt werden k¨onnte. Die empirischen Bez¨uge sind in einem Modell zu konden-
sieren, welches einer Evaluation zu unterziehen ist.
Mit der Umsetzung der empirisch-methodischen Schritte (3a und 3b) sind grunds¨atzliche
Aussagen zum kognitiven Aufbau und zur Bezugsetzung von kognitiver Kontrolle und bio-
mechanischer Organisation von Bewegungen zu erwarten.
1
Die Problemstellung abschlie-
ßend werden die einzelnen Arbeitsschritte pr¨azisiert:
Kapitel 2 beginnt mit einer Darstellung des ersten theoretischen Inhaltsbereichs der vor-
liegenden Arbeit, n¨amlich Zug¨angen zur Struktur sportlicher Bewegungen. Nach einem Ein-
stieg in Beschreibungsebenen wird der Strukturbegriff sportlicher Bewegungen konkreti-
siert. Darauf aufbauend findet eine umfangreiche Diskussion etablierter bewegungsanaly-
tischer Zug¨ange zu sportlichen Bewegungen unter strukturellen und funktionalen Gesichts-
punkten statt. Das Kapitel endet mit einer Betrachtung von Variabilit¨ats- und Stabilit¨atsph¨ano-
menen der Bewegungsstruktur und der Darstellung erster integrativer Perspektiven im Rah-
men des Strukturverst¨andnisses.
Kapitel 3 widmet sich dem zweiten theoretischen Inhaltsbereich der vorliegenden Ar-
beit. Mit Bezug zu den Ausf¨uhrungen in Kapitel 2 sollen Fragen der Repr¨asentation von Be-
wegungsabl¨aufen und ihr Bezug zur Bewegungsstruktur genauer behandelt werden. Dabei
wird insbesondere einem Modellansatz zur kognitiven Architektur von Bewegungshandlun-
gen (Schack, 2002) Aufmerksamkeit geschenkt. Eingebettet in diesen Modellansatz werden
mentale Repr¨asentationen in ihrem perzeptuell-kognitiven Aufbau und ihrem Bezug zu bio-
mechanischen Gr¨oßen, genauer: deren Abbildung, dargestellt. Die Darstellung der Entwick-
lung und Ver¨anderung mentaler Repr¨asentationen soll sich an unterschiedlichen Phasen der
Fertigkeitsgewinnung orientieren.
Mit der abschließenden Betrachtung methodologischer Aspekte der Bezugsetzung von
Bewegungsrepr¨asentationen und bewegungsstrukturellen Aspekten in Kapitel 3 findet der
¨
Ubergang in Kapitel 4 statt. Hier wird aufbauend auf den theoretischen und methodischen
Aspekten aus Kapitel 2 und 3 ein integrativer Ansatz zur Bearbeitung sportlicher Bewe-
1
Auf Grund der Ergebnisse der empirischen Bezugsetzung zwischen mentalen Repr¨asentationen und kine-
matischen Parametern k¨onnte dar¨uber hinaus ein grundlegendes Problem handlungstheoretischer ¨
Uberlegun-
gen weiter erschlossen werden. Dabei handelt es sich um die sog. Diskrepanz zwischen physikalischer und
ph¨anomenaler Welt (vgl. Nitsch & Munzert, 1997).

Kapitel 1. Problemstellung
5
gungen entwickelt, welcher in insgesamt neun Untersuchungen kondensiert wird. Nach der
Konkretisierung der eigenen Untersuchungen werden die Untersuchungsans¨atze zur Erfas-
sung der Struktur mentaler Repr¨asentationen und der Bewegungskinematik dargestellt. Die
Verkn¨upfung der beiden Datenpools wird in einem eigenen Abschnitt thematisiert. Das Ka-
pitel endet mit der Darstellung des Praxisbezugs des eigenen Ansatzes.
In Kapitel 5 werden die Untersuchungen 1 bis 3 dargestellt. Als Bewegungsaufgabe wur-
de der turnerische Salto vorw¨arts am Minitrampolin gew¨ahlt. Im ersten Experiment werden
Turner/-innen (Experten und Novizen) und Nichtturner/-innen hinsichtlich der Strukturie-
rung mentaler Repr¨asentationen analysiert und miteinander verglichen und mit der tats¨achli-
chen Bewegung interpretativ in Beziehung gesetzt. In Untersuchung 2 werden Aspekte der
mentalen Strukturierung bei Personen mit sportwissenschaftlicher Ausbildung (Trainer/-
innen und Sportstudierende) thematisiert. In Untersuchung 3 wird die Frage nach der struk-
turellen ¨
Ahnlichkeit mentaler Repr¨asentationen in einem Vergleich von Trainer/-innen mit
ihren Turner/-innen gestellt und diskutiert.
In Kapitel 6 werden bei derselben Bewegungsaufgabe Aspekte der Bewegungsstruktur
und der Bezugsetzung zwischen mentalen Repr¨asentationen und kinematischen Parametern
empirisch hinterfragt. Untersuchung 4 dient dabei prim¨ar der Beschreibung bewegungsstruk-
tureller (kinematischer) Aspekte bei turnerischen Saltofl¨ugen. In Untersuchung 5 findet die
theoretische und methodische Verkn¨upfung von Daten mentaler Repr¨asentationen und Daten
der Bewegungsstruktur statt. Spezifische Modelle zur Vorhersage kinematischer Parameter
auf der Basis mentaler Repr¨asentationen werden entwickelt. Dabei wird in erster Linie der
Frage nachgegangen inwieweit die strukturelle Abbildung kinematischer Parameter inner-
halb der mentalen Repr¨asentation empirisch nachweisbar wird. Zur Qualit¨atspr¨ufung des so
generierten Modells findet in Untersuchung 6 eine Evaluation an einer weiteren Stichprobe
statt.
Parallel zu Kapitel 6 wird in Kapitel 7 das gleiche Vorgehen angewandt. In diesem Kapi-
tel kann entschieden werden, ob sich funktionale Bez¨uge zwischen bewegungsstrukturellen
Aspekten und mentalen Repr¨asentationen empirisch auch beim frontalen Angriffsschlag im
Volleyball nachweisen lassen.
In Kapitel 8 wird es m¨oglich differenzierte Bez¨uge zwischen den empirischen Befunden
der Forschungskomplexe und den theoretischen Annahmen herzustellen. Weiterhin wird auf
Perspektiven und k¨unftige Schritte empirischer Forschung eingegangen, welche durch den
entwickelten integrativen Ansatz er¨offnet werden. Praktische Konsequenzen werden vor dem
Hintergrund der empirischen Befunde diskutiert.
Die Arbeit schließt in Kapitel 9 mit einer zusammenfassenden Darstellung der theoreti-
schen Ans¨atze und empirischen Studien die Arbeit ab.

Kapitel 2. Zug¨ange zur Struktur sportlicher Bewegungen
6
2
Zug¨ange zur Struktur sportlicher Bewegungen
"
Es wird jedoch immer deutlicher, daß die Natur einen anderen Plan verfolgt.
Ihre Grundgesetze beherrschen die Welt wie wir sie wahrnehmen, keineswegs
unmittelbar; sie schaffen vielmehr eine Grundlage, von der wir uns kein geisti-
ges Bild machen k¨onnen, ohne Unwesentliches hineinzubringen."
Paul Dirac
2.1
Einleitung
Sportliche Bewegungen werden durch ein funktionales Zusammenspiel verschiedener Sy-
steme realisiert. Das soll einleitend anhand eines Beispiels erl¨autert werden. Abbildung 2.1
zeigt, dass die an der Bewegung beteiligten Systeme ¨uber Konvergenzebenen (grau unterlegt
in Abb. 2.1) miteinander in Beziehung stehen. Auf jeder dieser Ebenen spielen verschiede-
motorisches Neuron
Muskel
Gelenk
funktionelle Gliederkette
beobachtbare Bewegungsausführung
höhere neuronale Strukturen
Repräsentationen
Abb. 2.1: Schematische Darstellung der an der Motorik beteiligten Systeme (grau unterlegt). Als Re-
sultat des Zusammenspiels der grau unterlegten Konvergenzebenen kann die beobachtbare
Bewegungsausf¨uhrung gesehen werden. Aus psychologischer Sichtweise sind f¨ur die Bewe-
gungssteuerung noch Repr¨asentationen von Bedeutung (erweitert nach Gollhofer, Gruber
& Bruhn, 2003; Winter, 1990).
ne Komponenten zusammen und werden hinsichtlich ihres Effektes summativ wirksam. So
geht die Nettobilanz aus Erregungs- und Hemmungsprozessen auf Seiten der motorischen
Neurone als Aktivierung in den Muskel ein. Die Summation aller um ein Gelenk wirksamer
Muskeln kann als Nettodrehmoment im betreffenden Gelenk bestimmt werden. Das Resul-
tat des Zusammenspiels der Konvergenzebenen ist die beobachtbare Bewegungsausf¨uhrung
welche in vorliegender Arbeit ein zentraler Betrachtungsgegenstand ist. Aus Sichtweise der

Kapitel 2. Zug¨ange zur Struktur sportlicher Bewegungen
7
Biomechanik kann sie in Termen der Physik beschrieben werden. Aus einer (sport-) psycho-
logischen Sichtweise sind Bez¨uge zu (internen) Repr¨asentationen von wesentlicher Bedeu-
tung f¨ur das Verst¨andnis der Bewegungssteuerung (Kap. 3).
Im Mittelpunkt des Interesses der weiteren Ausf¨uhrungen stehen komplexe sportliche
Bewegungen. Sie sind zielgerichtet und werden willk¨urlich ausgef¨uhrt. Sie m¨ussen erlernt
werden und es sind K¨orper- und Segmentbewegungen zur Ausf¨uhrung n¨otig (Magill, 2001).
Nach einem Einstieg in Beschreibungsebenen von Bewegungen (Abschn. 2.2) soll ein defini-
torischer Ausgangspunkt f¨ur den Strukturbegriff sportlicher Bewegungen festgelegt werden
(Abschn. 2.3). Zug¨ange zur Beschreibung und Ordnung von sportlichen Bewegungen aus
struktureller Sicht werden in Abschnitt 2.4 vorgelegt. Abschnitt 2.5 stellt Variabilit¨ats- und
Stabilit¨atsaspekte dar, die sich in beobachtbaren Bewegungen finden lassen. Das Kapitel
endet mit einer Zusammenfassung (Abschn. 2.6).
2.2
Beschreibungsebenen sportlicher Bewegungen
Bevor der eigentliche Strukturbegriff bearbeitet wird, scheint eine Darstellung der Beschrei-
bungsebenen von sportlichen Bewegungen angebracht. Diese Darstellung soll deutlich ma-
chen, welche prinzipiellen Sichtweisen bei strukturellen Aspekten der Bewegung eingenom-
men werden k¨onnen. Eine qualitative (Abschn. 2.2.1) und eine quantitative Beschreibungs-
ebene (2.2.2) mit je eigenen Beschreibungsmerkmalen k¨onnen voneinander unterschieden
werden. In neuerer Zeit setzen sich immer st¨arker auch hybride Ans¨atze durch, die versu-
chen eine Integration von qualitativen und quantitativen Sichtweisen herzustellen. (2.2.3).
1
2.2.1
Qualitative Beschreibungsebene
Um sportliche Bewegungen in ihrer Ganzheitlichkeit zu erfassen, wurden von Meinel (1960,
1971) sog. qualitative Bewegungsmerkmale definiert. Dazu z¨ahlen bspw. der Bewegungs-
rhythmus, der Bewegungsfluss oder die Bewegungsgenauigkeit. Bewegungen werden aus
qualitativer Sicht nicht durch eine Anh¨aufung von Kennwerten und Kennwertverl¨aufen ge-
sehen, sondern es wird versucht, den Charakter des Bewegungsverlaufs in seiner Qualit¨at
zu erfassen. Qualitative Bewegungsmerkmale beziehen sich daher zumeist auf die Wahr-
nehmung der Bewegungsausf¨uhrung durch einen Beobachter (R¨othig, 1996; Loosch, 1999).
Auf Seiten dieses Beobachters muss ein großes Erfahrungswissen um die (qualitative) Struk-
tur der beobachteten Bewegung vorliegen, um sie in ihrer Ganzheitlichkeit zu erfassen und
(insbesondere) zu bewerten. Damit ergibt sich aber auch ein potentieller Nachteil in der qua-
1
Wie wichtig diese erste Unterscheidung in quantitative und qualitative Beschreibungsebene ist, sieht man
auch in der modernen Psychologie. Hier wird vom quantitativem und qualitativem Paradigma gesprochen und
ganze Lehrb¨ucher sind der einen oder anderen Tradition verschrieben (Bortz & D¨oring, 2003).

Kapitel 2. Zug¨ange zur Struktur sportlicher Bewegungen
8
litativen Bewegungsbeobachtung. Sie ist h¨aufig stark dem subjektiven Eindruck unterlegen.
Zwei unterschiedliche Beobachter k¨onnen ein gleiches Merkmal bei der gleichen Bewegung
ganz unterschiedlich wahrnehmen. Zudem k¨onnen Beschreibungsmerkmale aus qualitativer
Sicht in einer Sportart mehrdeutig belegt sein und so in der Kommunikation zwischen zwei
Beobachtern zu Missverst¨andnissen f¨uhren (Ballreich & Preiß, 2000). Moderne Ans¨atze
der Bewegungsanalyse versuchen zwar teilweise die Ganzheitlichkeit der Bewegung auch
quantitativ zu erfassen, die messtechnische Bearbeitung qualitativer Bewegungsmerkmale
ist oftmals jedoch ¨außerst aufwendig und kann in der Regel nicht den wahrgenommenen
Eindruck der Bewegungsausf¨uhrung bzw. deren Struktur wiedergeben (Ballreich & Preiß,
2000; Loosch, 1999). Der Ansatz der klassischen Phasengliederung nach Meinel & Schna-
bel (1998; Abschn. 2.4.1) k¨onnte als ein solch qualitativer Zugang zur sportlichen Bewegung
charakterisiert werden.
2.2.2
Quantitative Beschreibungsebene
W¨ahrend von einer qualitativen Beschreibungsebene her versucht wird, die Ganzheitlichkeit
einer Bewegung zu erfassen, summiert die quantitative Beschreibungsebene die physikali-
schen Gr¨oßen, mit Hilfe derer z.B. Orts- und Zeitparameter, Geschwindigkeiten oder Win-
kel in bestimmten Abschnitten der Bewegung beschrieben werden (Loosch, 1999). Auch
wenn komplexe Parameter-Zeit-Verl¨aufe gemessen werden k¨onnen (sog. Prozessorientie-
rung; Jaitner, 2002; Sch¨ollhorn, 1996), findet dennoch h¨aufig eine Fokussierung auf be-
stimmte zeitdiskrete Auspr¨agungen von Beschreibungsmerkmalen statt (sog. Produktori-
entierung; Br¨uggemann, 1983). Quantitative Beschreibungsmerkmale k¨onnen temporaler,
kinematischer oder dynamischer Art sein (Preiß, 1996). Zeitliche Merkmale stellen dabei
das Fundament einer bewegungstrukturellen Betrachtung dar. Darauf aufbauend werden
dann zumeist kinematische (z.B. Geschwindigkeiten in translatorischen und rotatorischen
Bewegungen) und dynamische (z.B. Kr¨afte in translatorischen und rotatorischen Bewegun-
gen) gemessen (oder berechnet) und dem Zeitverlauf der Bewegung zugeordnet. Im Kon-
text einer quantitativ-kinematischen Bewegungsbeschreibung w¨urden auf dieser Ebene so-
mit alle Parameter subsumiert, die sich mit der Geometrie der Bewegung befassen (Dons-
koi, 1975). Auf der quantitativen Beschreibungsebene wird die Bewegung messbar und
die Beschreibungsmerkmale k¨onnen je nach Fragestellung nahezu beliebig umfangreich
ausgew¨ahlt werden. Mit Hilfe verschiedener statistischer Methoden, k¨onnen Aussagen zu
quantitativ-strukturellen Aspekten der untersuchten Bewegung gemacht werden. Die quan-
titative Ebene bietet im biomechanischen Kontext einen zentralen Betrachtungsstandpunkt,
die Bewegung im Außenaspekt zu erfassen (Loosch, 1999). Empirische wie sportpraktische
Vorteile sind darin zu sehen, dass mit Hilfe entsprechender Messmethoden eine sehr gu-
te Festlegung der unterschiedlichen Parameterauspr¨agungen von Bewegungen gelingt und

Kapitel 2. Zug¨ange zur Struktur sportlicher Bewegungen
9
diese direkt zur Trainingssteuerung genutzt werden k¨onnen (Soll-Vorgaben, G¨ute des Bewe-
gungsablaufes etc.). Es muss jedoch wie oben darauf hingewiesen werden, dass es mit Hilfe
quantitativer Methoden kaum m¨oglich ist, die Ganzheitlichkeit der Bewegung zu erfassen
und damit den Wahrnehmungseindruck eines Beobachters wiederzugeben. Die sog. deter-
ministische Modellierung der Bewegung (Abschn. 2.4.2) ist als rein quantitativer Ansatz bei
der Analyse sportlicher Bewegungen zu verstehen.
2.2.3
Semi-Quantitative Beschreibungsebene
Aus der bisherigen Darstellung des quantitativen und qualitativen Zugangs l¨asst sich ab-
leiten, dass sich die qualitative und quantitative Beschreibungsebene nicht gegenseitig aus-
schließen. Im sportpraktischen wie auch im empirischen Vorgehen kann sich eine Mischstra-
tegie in der Beurteilung sportlicher Bewegungsabl¨aufe bew¨ahren. Dieser Ansatz wird auch
qualitativ-quantitativ, hybrid oder semi-quantitativ genannt. Entsprechend bietet es sich an,
dann von einer semi-quantitativen Beschreibungsebene zu sprechen. Diese Ebene integriert
dabei zumeist Informationen aus qualitativer und quantitativer Sicht unter einem Zwecka-
spekt (Mechling & Effenberg, 1999). Die Struktur der Bewegung wird also im Hinblick auf
das Bewegungsziel aus einer Mischperspektive betrachtet. Diese Mischstrategie wird auch
an verschiedenen Stellen empfohlen (Ballreich & Preiß, 2000; Loosch, 1999), da im sport-
lichen Training h¨aufig die reine quantitative Beurteilung sehr zeitaufwendig und oftmals
nicht m¨oglich ist. Ballreich & Preiß (2000) konnten bspw. in einer Vergleichsstudie zei-
gen, dass Zeitmerkmale und Geschwindigkeitsmerkmale bei relativ langsamen Bewegungen
gut gesch¨atzt werden k¨onnen. Andere Parameter (L¨ange, Winkel etc.) konnten nur mit sehr
geringer ¨
Ubereinstimmung zwischen dem gemessenen Realwert von einer Gruppe von Be-
obachtern gesch¨atzt werden. Daraus leiten die Autoren die Forderung ab, prinzipiell quan-
titative Merkmale im Lernprozess als Entscheidungsgrundlage heran zu ziehen, diese aber
immer mit der qualitativen Bewegungsbeurteilung zu verkn¨upfen und daraus Handlungsan-
weisungen bzw. Methodiken abzuleiten. F¨ur die vorliegende Arbeit erscheint es also sinnvoll
zu sein auch hybride Ans¨atze der Bewegungsbeschreibung und -beobachtung zu verfolgen,
da diese eine Verkn¨upfung zwischen dem Gesamteindruck der Bewegung und einzelner Pa-
rameterwerte herstellen k¨onnen.
Neben der Sportwissenschaft (Krug, 2004) wird auch in der modernen Motorikforschung
h¨aufig eine hybride Betrachtungsebene eingenommen (exemplarisch siehe etwa Broderick
& Newell, 1999: Koordinationsmuster beim Ballprellen; Gottlieb, 2001: ballistische impact-
Bewegungen; Shim, Latash & Zatsiorsky, 2003; Latash & Jaric, 2002 sowie States & Wright,
2001: manipulative Bewegungen; Schomaker & Plamondon (1990): Handschrift; Toussaint,
Commisaris, Dieen, Reijnen, Praet & Beek, 1995: Gewichtheben). Dabei geht es neben der

Kapitel 2. Zug¨ange zur Struktur sportlicher Bewegungen
10
Fixierung auf wenige Beschreibungsparameter zumeist um die (qualitative) Beschreibung
und Aufkl¨arung von Zusammenh¨angen (und Mechanismen) zwischen beschreibenden Para-
metern und der Kontrolle der Parameter in Bezug auf die L¨osung der Bewegungsaufgabe.
Der Ansatz des Funktionsphasenkonzeptes nach G¨ohner (1992) k¨onnte bspw. als solch ein
eigenst¨andiger, hybrider Ansatz beim analytischen Zugang zur Bewegungsstruktur charak-
terisiert werden (Abschn. 2.4.1).
2.3
Zum Strukturbegriff sportlicher Bewegungen
Nachdem im vorhergehenden Abschnitt eine erste Unterscheidung in Beschreibungsebenen
der sportlichen Bewegung vorgenommen wurde, ist es im Folgenden zweckm¨aßig, sportli-
che Bewegung unter strukturellen Aspekten zu verstehen und zu diskutieren. Die Wahl der
Beschreibungsebene sagt a priori nur wenig ¨uber strukturelle Aspekte der Bewegung aus,
da mit der Beschreibungsebene ganz unterschiedliche bewegungsanalytische Zug¨ange ver-
bunden sein k¨onnen. Bevor im Abschnitt (2.4) auf etablierte bewegungsanalytische Zug¨ange
zu einer Struktur der sportlichen Bewegung eingegangen wird, ist es vorweg sinnvoll, struk-
turelle Aspekte sportlicher Bewegungen zu thematisieren. Schritt 1 ist dabei die Definition
sportlicher Bewegungsaufgaben ¨uber die Spezifizierung einer allgemeinen Grundstruktur
(Abschn. 2.3.1). Im zweiten Schritt soll dann ein Verst¨andnis der sportlichen Bewegung sel-
ber unter struktureller Sichtweise dargestellt werden (Abschn. 2.3.2).
2.3.1
Definition sportlicher Bewegungsaufgaben ¨uber die Spezifizierung ei-
ner allgemeinen Grundstruktur
Zur Definition sportlicher Bewegungen ¨uber die Spezifizierung einer allgemeinen Grund-
struktur, ist es zun¨achst notwendig, die sportliche Bewegungsaufgabe als zentrale Begriff-
lichkeit zu verstehen und diese zu spezifizieren. Bernstein hat schon 1947 darauf hingewie-
sen, dass es Sinn macht von der sog. Bewegungsaufgabe zu sprechen, da Bewegungsfer-
tigkeiten
"
keine stabile[n] effektorische[n] Formel[n] irgendeiner Reihenfolge von Nerven -
Muskelimpulsen" sind (rezitiert aus Bernstein, 1996, S. 7). Es geht vielmehr darum einen
Weg zu finden, der es einem erlaubt, die gestellte Bewegungsaufgabe zu l¨osen. Die Begriffs-
vielfalt in der sportwissenschaftlichen Literatur ist dabei weit reichend. So gibt es etwa die
Begrifflichkeit des Technikleitbildes, welches als personenunabh¨angiges optimales L¨osungs-
verfahren einer sportlichen Bewegungsaufgabe verstanden wird (Neumaier & Krug, 2003).
Eine Anpassung des Technikleitbildes an personenabh¨angige Voraussetzungen und F¨ahig-
keiten wird Zieltechnik genannt.
2
Wie auch immer die tats¨achliche Bezeichnung ist, es kann
2
In der amerikanischen Motorikliteratur wird der hier benutzte Begriff des Technikleitbildes im weiteren
Sinne als motor skill oder action bezeichnet. Zieltechnik wird dort movement genannt (Magill, 2001). Die

Kapitel 2. Zug¨ange zur Struktur sportlicher Bewegungen
11
festgehalten werden, dass sich im Sport eine Reihe von (Bewegungs-) Aufgaben stellen, die
mittels eines motorischen Verfahrens zu l¨osen sind (Grosser, Br¨uggemann & Zintl, 1986).
Je nach sportlicher Disziplin spielen ganz unterschiedliche Faktoren in ebenso unterschiedli-
cher Gewichtung bei der Definition der eigentlichen Aufgabe eine wesentliche Rolle. G¨ohner
(1979, 1987 & 1992) legt dazu einen Ansatz vor, der jede sportliche Bewegung durch die
Konkretisierung unterschiedlicher Faktoren hinreichend charakterisieren kann. Durch seinen
Ansatz werden Rahmen- und Ausgangsbedingungen f¨ur eine weitere Analyse der sportlichen
Bewegung(-saufgabe) festgelegt. Dabei soll im folgenden jede Nennung der Begrifflichkeit
der sportlichen Bewegung auch gleichzeitig ihren Aufgabencharakter implizieren. Der Aus-
gangspunkt ist dabei, dass sportliche Bewegungen immer zielbezogen sind und eine geeig-
nete Steuerung des Bewegungsapparates zur Zielerreichung verlangen.
Die Bewegungsaufgabe kann sich sportart- und situationsspezifisch stellen. Aus dieser
Sichtweise heraus tr¨agt G¨ohner 5 Faktoren zusammen, die in ihrem Zusammenhang als
allgemeine Grundstruktur aller sportlichen Bewegungsaufgaben verstanden werden k¨onnen
(G¨ohner, 1992; Abb. 2.2). Durch sie wird eine erste Klassifikation von Bewegungshandlun-
Bewegungsziele
Regelbedingungen
Movendumattribute
Umgebungsbedingungen
Bewegerattribute
beeinflussen
und
einer sportlichen
Operationen
Verlaufsformen
Bewegung
Abb. 2.2: Grundstruktur der sportlichen Bewegungsaufgabe nach G¨ohner (1979, 1987 & 1992).
gen aufgrund unterschiedlicher Auspr¨agungen der in Abbildung 2.2 dargestellten System-
komponenten m¨oglich. Die Systemkomponenten
· Bewegungsziel,
· Bewegungsregeln,
· Movendum (Bewegungsobjekt),
· Beweger (Bewegungssubjekt) und der
· Bewegungsraum
grundlegende Idee bleibt jedoch erhalten: Unterschiedliche Personen k¨onnen unterschiedliche Bewegungs-
techniken einsetzen um das gleiche Bewegungsziel zu erreichen.

Kapitel 2. Zug¨ange zur Struktur sportlicher Bewegungen
12
definieren in ihrem Zusammenspiel die Bewegungsaufgabe. Bei genauerer Betrachtung wird
der starke Bezug zu handlungstheoretischen Positionen deutlich (Haywood & Getchell, 2001;
Nitsch & Munzert, 1997). Jedoch liegt dem Ansatz von G¨ohner eine f¨ur die Sportpraxis dif-
ferenziertere Binnengliederung zu Grunde. Die einzelnen Komponenten sollen im folgenden
kurz charakterisiert werden.
Es wurde bereits festgestellt, dass Bewegungsleistungen im Sport stets durch bestimm-
te Ziele definiert sind. Resultatsorientierte Ziele (etwa m¨oglichst hoch zu springen) k¨onnen
von verlaufsorientierten Zielen (etwa einen Salto m¨oglichst sch¨on zu turnen) unterschieden
werden (Grosser, Br¨uggemann & Zintl, 1986). Somit k¨onnen hier im Groben zun¨achst zwei
Klassen von Bewegungsaufgaben unterschieden werden. Bei sog. Formbewegungen geht
es darum, die
"
Realisierung einer bestimmten Form der Bewegung selbst" vorzunehmen
(Sobotka, 1974). Zweckorientierte Bewegungen haben es zum Ziel, das Bewegungsobjekt
instrumentell einzusetzen. Bewegungsziele sind eng gekn¨upft an Regelbedingungen. In den
meisten Sportarten ist das Erbringen von Bewegungsleistungen durch Regeln (positiv wie
negativ) beeinflusst. Beispielsweise erlaubt die Regel eines Sprungbretteinsatzes im Turnen
ganz bestimmte Bewegungsleistungen, die ohne ein Sprungbrett nicht m¨oglich w¨aren. So
ergibt sich h¨aufig ein Wechselspiel aus biomechanischer Notwendigkeit und ¨asthetischer
Wirksamkeit, welches eng an die Regelbedingungen gekoppelt ist. Hochmuth (1982) be-
merkt dazu, dass die Bewegungsvorschriften mitunter auch das Ziel verfolgen, die klas-
sischen Bewegungsabl¨aufe zu erhalten.
3
Das Movendum (oder das Bewegungsobjekt) wird
immanent mit der sportlichen Bewegung assoziiert. Das heißt, dass beim Bewegen stets auch
eine raum-zeitliche Verschiebung eines Objektes stattfindet. In der Leichtathletik finden sich
h¨aufig Wurfobjekte, die zum Movendum deklariert werden. Beim Turnen ist das Moven-
dum der Athlet selber. Hier wird bereits der Bezug zur Systemkomponente des Bewegers
deutlich. Der sich bewegende Mensch wird immer einen Bezug zur Bewegungsausf¨uhrung
besitzen, selbst wenn diese teilweise fremdgesteuert (z.B. beim Fallschirmspringen) ist. In
manchen F¨allen wird er selbst zum Movendum, in anderen F¨allen zum Beweger des Moven-
dums. Abschließend muss noch ber¨ucksichtigt werden, dass jede sportliche Bewegungsauf-
gabe in einem bestimmten Raum statt findet, welcher die Bewegungsaufgabe entscheidend
beeinflussen kann (z.B. f¨allt es einem h¨aufig leichter sich schnell in Luft, als in Wasser zu
bewegen). G¨ohner (1992) fasst die Gemeinsamkeiten sportlicher Bewegungsaufgaben wie
folgt zusammen:
"
Das Gemeinsame aller sportlichen Bewegungsaufgaben l¨asst sich somit dar-
auf zur¨uckf¨uhren, dass stets ein materielles Movendum von einem Beweger in
3
Dieses Ziel wurde bspw. in neuerer Zeit konsequent bei der Entwicklung des Sprungtisches im Ger¨attur-
nen verfolgt. Es haben Diskussionen dar¨uber statt gefunden, die Oberfl¨ache des Tisches mit hoher Elastizit¨at zu
konstruieren, um neue Bewegungsm¨oglichkeiten erschließen zu k¨onnen. Am Ende der Diskussionen stand je-
doch fest, keine stark elastische Oberfl¨ache zuzulassen, sondern im Wesentlichen die Elastizit¨atseigenschaften
des bisher verwendeten Sprungpferdes zu erhalten (Schweizer, 2002).

Kapitel 2. Zug¨ange zur Struktur sportlicher Bewegungen
13
einem spezifischen Bewegungsraum unter Einhaltung von Regeln auf ein Bewe-
gungsziel hin bewegt wird" (G¨ohner, 1992; S.40).
Es wird deutlich, dass die Grundstrukturierung sportlicher Bewegungsaufgaben im Hinblick
auf das Bewegungsziel vorgenommen wurde. Damit ist h¨aufig eine Außenperspektive ver-
bunden, da sich das Bewegungsziel i.d.R. durch Beobachtung erschließt. Aspekte der Innen-
perspektive k¨onnen im Systemelement des Bewegers verankert werden. Auf diese wird an
einer sp¨ateren Stelle einzugehen sein (Kap. 3).
Der Vorschlag von G¨ohner (1979, 1987 & 1992) kann als ein Versuch verstanden werden,
sportliche Bewegungsaufgaben zu spezifizieren und dadurch von anderen Bewegungsaufga-
ben abzugrenzen. Spezifische andere Klassifizierungsans¨atze sportlicher Bewegungen gibt
es in großer Anzahl in der vorliegenden Literatur (z.B. Adams, 1971; Br¨uggemann, 1989,
1994b; Gentile, 1972, 2000; Hochmuth, 1982; Rieling, 1967; Leuchte, 1993; Ludwig, 1994;
Magill, 2001; Poulton, 1957; Sobotka, 1974). Manche der Ans¨atze sind sportart¨ubergreifend,
andere sind sportartspezifisch. Ihnen allen liegt die Idee zu Grunde, sportliche Bewegungen
voneinander abzugrenzen und ¨uber die Herstellung dieser ¨
Ahnlichkeits- bzw. Un¨ahnlich-
keitsbeziehungen Aussagen ¨uber die Ziele und die Ausf¨uhrung einer sportlichen Bewegung
zu treffen. Es wird in dieser Arbeit auf den Ansatz von G¨ohner fokussiert, da er sowohl
einen sportart¨ubergreifenden als auch sportartspezifischen Zugang darstellen kann und da-
bei nichts an Flexibilit¨at bei der Betrachtung der jeweiligen sportlichen Bewegungsaufgabe
verliert. Wenngleich die o.a. Differenzierung der allgemeinen Grundstruktur einer sportli-
chen Bewegungsaufgabe trivial erscheinen mag, so hat die wissenschaftliche Bearbeitung
sportlicher Bewegungsaufgaben doch nichts an Aktualit¨at verloren. In der Triade aus mo-
torischem Lernen, motorischer Kontrolle und motorischer Entwicklung stellt die sportliche
Bewegungsaufgabe (genauer: deren L¨osung) einen Komplex dar, den es zu verstehen gilt.
Nach der Spezifizierung der allgemeinen Grundstruktur einer sportlichen Bewegungsaufga-
be in diesem Abschnitt erscheint es daher sinnvoll, im folgenden Abschnitt auf strukturel-
le Aspekte der Bewegungsaufgabe einzugehen (Abschn. 2.3.2) und diese im Hinblick auf
m¨ogliche analytische Zug¨ange zu diskutieren (Abschn. 2.4). Mit anderen Worten: Der vor-
gestellte Ansatz charakterisiert die untersuchte Bewegungsaufgabe in ihren Rahmen- und
Ausgangsbedingungen. Weitere strukturelle Betrachtungen sollen Einsichten in den Aufbau
der Bewegung selber liefern.
2.3.2
Aufspaltung der sportlichen Bewegung in grundlegende Elemente mit
ihren Relationen
Sportliche Bewegungen sind sehr komplexe Gebilde (G¨ohner, 1992) und k¨onnen im Pro-
blemkreis zwischen Struktur und Funktion angesiedelt werden. Bereits 1967 wies Rieling
darauf hin, dass die Zergliederung einer Bewegung in ihre Bestandteile (Elemente oder Teil-

Kapitel 2. Zug¨ange zur Struktur sportlicher Bewegungen
14
bewegungen) ein erster notwendiger Schritt zum Verst¨andnis der Bewegung (und damit zur
Aufkl¨arung ihrer Struktur) ist. Ein zweiter notwendiger Schritt war nach Rieling darin zu se-
hen, die Beziehungen zwischen den Elementen der Bewegung zu erfassen, um so den ganz-
heitlichen Charakter von Bewegungen zu erhalten und zu durchdringen. An dieser Sichtwei-
se hat sich bis heute im Wesentlichen nichts ge¨andert. Die Bewegungslehre des Sports sieht
weiterhin eine Aufgabe darin, praktikable Ans¨atze zur Strukturierung und Binnengliederung
von Bewegungen vorzulegen. Meinel & Schabel (1998) bemerken dazu:
"
Durch die Aufhellung der Struktur eines Objektes [des sportlichen Bewegungs-
ablaufes] wird es [er] als System gekennzeichnet und von anderen Systemen
abgehoben" (S.77).
Unter der Struktur einer sportlichen Bewegung versteht man die Relationen, die die Ele-
mente dieser Bewegung miteinander verbinden (Mechling, 1992). Diesem zun¨achst defini-
torischen Ausgangspunkt liegen zwei zentrale Begriffe zu Grunde. Zum einen geht es bei
der Definition um Relationen, also Beziehungen, die innerhalb einer sportlichen Bewegung
Bestand haben. Zum anderen geht es um strukturelle Elemente dieser Bewegung, die ¨uber
eben diese Relationen miteinander verkn¨upft sind (siehe auch Schiebl, 2000). Diese Form
der Zergliederung einer sportlichen Bewegung ist Ausgangspunkt f¨ur viele bewegungsana-
lytische Konzepte. Daran kn¨upft sich die konzeptabh¨angige Wahl der Strukturelemente und
in dessen Folge eine perspektivenabh¨angige Wahl der Relationen zwischen den Elementen
an. Vom Standpunkt der beobachtbaren Bewegungsausf¨uhrung her gesehen, handelt es sich
bei den Strukturelementen oftmals um physikalisch beschreibbare Elemente.
Neben der Betrachtung von Strukturelementen und Relationen erscheint es zunehmend
sinnvoll, auch funktionale Aspekte der Bewegungsstruktur zu betrachten. Der sich bewegen-
de Mensch kann als dynamisches und adaptives System charakterisiert werden (Haken &
Haken-Krell, 1994). Vom Standpunkt einer integrativen Bewegungswissenschaft ist es daher
h¨ochst interessant zu erkennen, dass Struktur und Funktion bei menschlichen Bewegungen
eng miteinander verflochten sind (Mechling, 1992). Besonders im sportlichen Kontext sind
die meisten Bewegungen zielbezogen (G¨ohner, 1992). Die Relationen der strukturellen Ele-
mente der jeweiligen Bewegung werden in Abh¨angigkeit des Bewegungsziels zwischen den
Elementen und zum Bewegungsziel differieren. Manche Elemente k¨onnen funktional direkt,
andere k¨onnen indirekt mit dem Bewegungsziel in Verbindung stehen. Sie k¨onnen weiterhin
direkt oder indirekt mit anderen Elementen in Verbindung stehen, die ihrerseits wieder einen
bestimmten Bezug zum Bewegungsziel hin aufweisen. Diese komplexen Zusammenh¨ange
zwischen den Strukturelementen stellen ein regelrechtes Gef¨uge von Relationen und Ele-
menten dar. Aus Sichtweise der Kinematik (als Feld der Biomechanik) k¨onnte das bspw.
bedeuten, dass man von einer kinematischen Struktur der Bewegung sprechen k¨onnte. Die
Strukturelemente und ihre Relationen einer Bewegung w¨urden dabei in Termen der Kine-
matik beschrieben. Das genannte Relationsgef¨uge w¨urde dann zu einem kinematischen Pa-

Kapitel 2. Zug¨ange zur Struktur sportlicher Bewegungen
15
rametergef¨uge (Krug, 2004; Schack & Heinen, 2003).
Der Ansatz zur Erfassung der Struktur von Bewegungen ist im Prinzip nicht neu. Bereits
1975 legte Donskoi einen Versuch vor, Bewegungen in ihrer Struktur zu erfassen. Diesem
Ansatz wohnt die Sichtweise inne, Bewegungshandlungen als komplexe Bewegungssyste-
me zu verstehen. Damit verbunden ist die bereits genannte prinzipielle Zergliederung der
Bewegung (des Bewegungssystems) in Subsysteme unterschiedlicher Ordnungen, die einer
hierarchischen Organisation unterliegen. Die Subsysteme ihrerseits bestehen zumeist aus
bestimmten Elementen, die untereinander in Wechselbeziehung (innere Wechselwirkungen)
stehen. Zudem findet Bewegung immer im Kontext ¨außerer Einfl¨usse statt. Diese sind als
¨außere Wechselwirkungen des Systems zu verstehen. Alle diese Verbindungen und Verh¨alt-
nisse sind gesetzm¨aßig. Das heißt aber nicht, dass sie konstant sind, sondern ver¨anderlich
(Donskoi, 1975). Diese Ver¨anderlichkeit ist jedoch wiederum gesetzm¨aßig. Dieses ist die
erste Sichtweise, n¨amlich die vom Gesamtsystem ¨uber die Subsysteme auf die Elemente der
Subsysteme. Aus umgekehrter Perspektive entwickelt sich aus dem Zusammenspiel der Ele-
mente das jeweilige Subsystem und aus dem Zusammenspiel der Subsysteme das jeweilige
Bewegungssystem in seiner Ganzheitlichkeit. So werden bspw. neue Bewegungsquantit¨aten
m¨oglich (die koordinierte Aktion der Streckmuskeln des Beines macht erst einen Absprung
m¨oglich). Die Bewegungsstruktur ist nach Donskoi (1975) mehrstufig. Jedes Untersystem
hat seine eigene Binnenstruktur, die in die allgemeine Bewegungsstruktur eingeschlossen ist
(Abb. 2.3). Es lassen sich eine Reihe von Strukturseiten (Substrukturen) finden, die f¨ur sich
genommen in ihrer Eigenheit als isolierte Module sowohl aus der theoretischen Perspekti-
ve, als auch aus empirischer Perspektive bearbeitet werden k¨onnen. Mit direktem Bezug zur
Bewegungsstruktur kann die sog. kinematische und die dynamische Struktur sowie die Infor-
mationsstruktur gesehen werden. W¨ahrend die kinematische Struktur die Bewegung nach der
Form und dem Charakter in Raum und Zeit beschreibt, betrachtet man bei der dynamischen
Struktur die Ursachen des Bewegungsablaufes (Donskoi, 1975). Informationsstrukturen be-
schreiben alle Vorg¨ange der Steuerung und Regelung bei der Bewegungsausf¨uhrung, die im
Wesentlichen auf neuronaler Ebene ablaufen. Neben diesen speziellen Subsystemen der Be-
wegungsstruktur gibt es nach Donskoi (1975) noch verallgemeinerte Strukturen (z.B. die
Phasenstruktur), die wiederum die bereits dargestellten Strukturen integrieren k¨onnen und
nahe zum Gesamtcharakter der Bewegungshandlung stehen. So zeigt z.B. die Phasenstruktur
des Bewegungssystems die Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Bewegungspha-
sen auf, die sich durch die Integration von kinematischen, dynamischen und informationalen
Strukturen ergeben. Mit dem Ansatz Donskois (1975) wird sowohl ein Blick auf isolierte
Bereiche der Bewegungsstruktur als auch auf ihre Gesamtheit m¨oglich.
Nach Festsetzung des definitorischen Ausgangspunktes der Struktur sportlicher Bewe-
gungen, der Darstellung unterschiedlicher Betrachtungsweisen und der Spezifizierung der

Kapitel 2. Zug¨ange zur Struktur sportlicher Bewegungen
16
Struktur des Bewegungssystems
Bewegungsstruktur
Informationsstruktur
kinematische
dynamische
Raumstruktur
Zeitstruktur
Raum-Zeit.Struktur
Kraftstruktur
anatomische
Phasenstruktur
Koordinationsstruktur
rhythmische
sensorische
psychologische
effektorische
Einteilung in Arten
Teilnahme bei der Formierung der Arten
Abb. 2.3: Vielfalt der Strukturen eines Bewegungssystems aus einer eher biomechanischen Sichtweise
(nach Donskoi, 1975). Unter dem Begriff der Art ist hier eine Substruktur innerhalb der
Bewegungsstruktur zu verstehen.
Begrifflichkeiten f¨ur den Sport, wird es nun notwendig sein, auf analytische Zug¨ange zur
Struktur sportlicher Bewegungen einzugehen. Dabei sollen vor allem solche Ans¨atze Be-
trachtung finden, die sich im Laufe der Zeit aus sportpraktischer und aus bewegungswissen-
schaftlicher Sicht etabliert haben.
2.4
Bewegungsanalytische Zug¨ange von sportlichen Bewegungen unter
strukturellen und funktionalen Gesichtspunkten
In Anlehnung an den vorigen Abschnitt sollen in diesem Abschnitt bewegungsanalytische
Zug¨ange von sportlichen Bewegungsaufgaben unter strukturellen und funktionalen Gesichts-
punkten dargestellt und diskutiert werden. Um einen Vergleich zwischen den bewegungsana-
lytischen Ans¨atzen m¨oglich zu machen, werden nach o.a. Ausf¨uhrungen die Strukturelemen-
te und Relationen sowie die Beschreibungsebene der jeweiligen Ans¨atze herausgearbeitet
(siehe auch Schiebl, 2000). Weiterhin soll die Aussagekraft des jeweiligen Ansatzes insbe-
sondere vor dem Hintergrund eines funktionalen Verst¨andnisses der Bewegungsstruktur und
im Kontext des sportpraktischen Nutzens diskutiert werden. Neben klassischen Ans¨atzen
zur phasenbezogenen Gliederung sportlicher Bewegungen (Abschn. 2.4.1) werden auch ver-
schiedene weitere etablierte Ans¨atze (Abschn. 2.4.2, 2.4.3, 2.4.4, 2.4.5) zu besprechen sein.

Kapitel 2. Zug¨ange zur Struktur sportlicher Bewegungen
17
2.4.1
Phasenstrukturen sportlicher Bewegungen
Modelle von Phasenstrukturen werden im Sport h¨aufig genutzt, wenn es darum geht, eine
erste Strukturierung des Ablaufes einer Bewegungshandlung herzustellen. Eine Bewegungs-
phase stellt bei diesem Vorgehen immer einen Geschehensabschnitt innerhalb der Bewegung
dar (G¨ohner, 1992). Etablierte Ans¨atze der Zerlegung des Bewegungsablaufes in Phasen
werden in folgender Reihenfolge bearbeitet: 1. die Gliederung in exakte Zeitphasen, 2. die
klassische Phasengliederung nach Meinel & Schnabel (1998), 3. die Gliederung in Funk-
tionsphasen nach G¨ohner (1992) und 4. die Durchdringung der konstitutiven Bewegungs-
struktur nach Kassat (1995).
Exakte Zeitphasen
Die Begrifflichkeit des Bewegungsablaufes impliziert bereits eine erste m¨ogliche Binnen-
gliederung, n¨amlich die Zerlegung in exakte Zeitphasen (Ballreich & Kuhlow, 1986; G¨ohner,
1992). Damit ist die Zergliederung der Bewegung in solche Abschnitte gemeint, die zeitlich
eindeutig definiert werden k¨onnen. Die Festlegung der Phasen basiert dabei zumeist auf wei-
tergehenden ¨
Uberlegungen zur Bewegungsmechanik. Die Strukturierung einer Bewegung in
exakte Zeitphasen kann dabei nahezu beliebig verfeinert werden. Ein Vorteil der Gliede-
rung ist, dass bei entsprechender methodischer Ausstattung (z.B. Hochfrequenzvideo oder
Kraftmessungen), der Beginn und das Ende einer Zeitphase mit einer sehr hohen Genauig-
keit gemessen werden kann. Als weiterer Vorteil ist zu sehen, dass sportliche Bewegungen
in ihrem Ablauf in fast beliebiger Weise durch Zeitphasen strukturiert werden k¨onnen. Es
ist dabei auch nicht ausgeschlossen, dass eine Zeitphase sich ¨uber mehrere andere Zeitpha-
sen oder Teile davon erstreckt, wenn das Untersuchungsziel dieses notwendig macht. Auch
wenn diese Art der Untergliederung zu formal exakten Ergebnissen f¨uhrt, m¨ussen diese Er-
gebnisse nicht unbedingt inhaltlich bedeutsam sein.
Um gewisse funktionale Aspekte mit in die Analyse einfließen zu lassen, werden Bewe-
gungen h¨aufig zun¨achst in gest¨utzte und ungest¨utzte Phasen untergliedert (Donskoi, 1975).
Diese Grobstrukturierung ist von Vorteil, da in beiden Phasentypen ganz bestimmte physi-
kalische Gesetze gelten, die als Relationen in weiteren Bewegungsstruktur-bezogenen Ana-
lyseschritten zur Anwendung kommen k¨onnen. So zeichnet sich eine gest¨utzte Phase immer
durch den Einfluss von Reaktionskr¨aften aus, die auf den sich bewegenden K¨orper wirken.
In ungest¨utzten Phasen sind bestimmte Bewegungsgr¨oßen konstant (Drehimpuls, horizonta-
le Geschwindigkeit etc.) da außer der Gravitation keine externen Kr¨afte und Momente auf
den Sportler wirken.
Die Definition der Zeitphasen geschieht jedoch zun¨achst in abstrakter Weise. Erst be-
zogen auf ein untersuchtes Probandenkollektiv k¨onnen durch die Definition der Zeitphasen

Kapitel 2. Zug¨ange zur Struktur sportlicher Bewegungen
18
f¨ur jeden einzelnen Probanden Zeitdauern ermittelt und unter funktionaler Sichtweise weiter
betrachtet werden, woraus sich unmittelbar der sportpraktische Nutzen ableitet. So kann die
Aussage einer bestimmten St¨utzdauer w¨ahrend einer Absprungphase im Rahmen der Bewe-
gungssteuerung (Dehnungs-Verk¨urzungs-Zyklus) sowie im Rahmen des Trainingszustandes
des jeweiligen Probanden interpretiert werden.
Die Gliederung einer Bewegung in Zeitphasen kann als erste relativ einfache Binnen-
gliederung verstanden werden. Sie sagt isoliert betrachtet nichts ¨uber funktionale Zusam-
menh¨ange zwischen den Phasen aus. Allein der temporale Charakter der Phasen bestimmt
deren Relationen zueinander (vorher, nachher, w¨ahrend). Zur Aufkl¨arung funktionaler Zu-
sammenh¨ange bedarf es also weiterer analytischer Betrachtungen. Die Strukturierung mit-
tels exakter Zeitphasen ist prim¨ar quantitativer Natur, kann jedoch auch einer qualitativen
Sichtweise (z.B. Bewegungsrhythmus) gen¨ugen.
Klassische Phasengliederung
Sportliche Bewegungen (insbesondere azyklische Bewegungen) zeichnen sich dadurch aus,
dass aus qualitativer Sicht w¨ahrend der Ausf¨uhrung zumeist ein Bewegungsh¨ohepunkt er-
reicht wird, oder stattfindet. Meinel (1971) und sp¨ater Meinel & Schnabel (1998) beschrei-
ben f¨ur die meisten sportlichen Bewegungen eine Dreigliederung in Vorbereitungsphase,
Hauptphase und Endphase. Diese wohl bekannteste Strukturierung wird von den Autoren
auch die
"
allgemeine Grundstruktur sportlicher Bewegungsakte"(S.78) genannt. Die einzel-
nen Phasen stellen demnach die Strukturelemente des Ansatzes dar und sie sind ¨uber un-
terschiedliche Relationen miteinander verbunden. Den Phasen k¨onnen ferner jeweils eigene
Funktionen zugeordnet werden. W¨ahrend der Vorbereitungsphase in der Regel die Aufgabe
der Schaffung von optimalen Ausgangsbedingungen zukommt, wird die Hauptphase durch
die Erreichung des Bewegungsziels bestimmt. Die Endphase beschreibt das Ende der Be-
wegung und ist meistens durch einen statischen Zustand charakterisiert (Meinel & Schna-
bel, 1998). W¨ahrend die Grundstruktur in dieser allgemeinen Form allerdings bei nur we-
nigen sportlichen Bewegungen vorkommt, k¨onnen zumeist Modifikationen der allgemeinen
Struktur gefunden werden. So findet bspw. bei den meisten zyklischen Bewegungen eine
Zweigliederung statt (Verschmelzung von Vorbereitungs- und Endphase). Die Phasen tre-
ten dabei in einem alternierenden Verlauf auf. Auch bei azyklischen Bewegungen k¨onnen
Phasenverschmelzungen auftreten, und zwar immer dann, wenn Bewegungskombinationen
mehrerer azyklischer Bewegungen ausgef¨uhrt werden. Solche Kombinationen sind vor al-
lem im Ger¨atturnen zu finden. Eine Endphase wird dann oftmals zur Vorbereitungsphase f¨ur
einen anschließenden Bewegungsablauf. Diese Verschmelzung kann mitunter soweit gehen,
dass eine ganze azyklische Bewegung als Vorbereitungsphase deklariert wird. Das ist z.B.
h¨aufig bei der Radwende im Ger¨atturnen der Fall. Es k¨onnen auch zwei Bewegungsakte par-

Kapitel 2. Zug¨ange zur Struktur sportlicher Bewegungen
19
allel ablaufen (z.B. ein Wurf w¨ahrend eines Sprungs), die ¨uber eine jeweils eigene Struktur
verf¨ugen. Eine leichtathletische Bewegung kann auch durch mehrere Vorbereitungsphasen
gekennzeichnet sein (z.B. Speerwurf; Meinel & Schnabel, 1998, S.85). Die Grundstruktur
sportlicher Bewegungshandlungen nach Meinel & Schnabel (1998) ist zur Verdeutlichung
in Abbildung 2.4 dargestellt. Insgesamt lassen sich drei verschiedene Arten von Relationen
Vorbereitungs-
phase
Haupt-
phase
End-
phase
Zweckbeziehung
Ergebnisbeziehung
kausale Beziehung
Abb. 2.4: Allgemeine Struktur sportlicher Bewegungshandlungen (mod. nach Meinel & Schnabel,
1998).
zwischen den Strukturelementen unterscheiden. Es m¨ussen Zweckbeziehungen von Ergeb-
nisbeziehungen und kausalen Beziehungen unterschieden werden. Eine Zweckbeziehung
liegt dann vor, wenn eine Phase einer anderen funktionell untergeordnet ist bzw. diese im
Sinne des Bewegungsablaufes beeinflusst. Von einer Ergebnisbeziehung wird dann gespro-
chen, wenn das Ergebnis einer Phase von einer anderen abh¨angt. Eine kausale Beziehung
liegt vor, wenn die Existenz einer Phase durch eine andere erst zustande kommt (f¨ur weitere
Ausf¨uhrungen siehe Meinel & Schnabel, 1998, S.83ff.).
Die Einteilung der Bewegungsstruktur durch die Phasengliederung bleibt trotz allem re-
lativ grob und eine weitere Differenzierung ist mit dem genannten Ansatz oft nicht m¨oglich.
Als Vorteil dieses Phasenkonzeptes kann die Orientierung an der ¨außerlich sichtbaren Be-
wegungsausf¨uhrung genannt werden (Grosser, Hermann, Tusker & Zintl, 1987). Diese steht
h¨aufig im Zusammenhang mit der Beobachtung und Beurteilung qualitativer Bewegungs-
merkmale, so dass der Ansatz entsprechend auf der qualitativen Beschreibungsebene veror-
tet werden muss. Es findet nur eine geringe Beachtung funktionaler Zusammenh¨ange statt,
auch wenn er von den Autoren als Ansatz mit funktionaler Betrachtung deklariert wird. Die
funktionale Betrachtung bleibt im Wesentlichen auf existenzielle Beziehungen zwischen den
Phasen beschr¨ankt. Der Ansatz eignet sich aus unserer Sicht daher eher dazu, die Beschrei-
bung der Charakteristik einer Bewegungshandlung zur vervollst¨andigen. Detaillierte Aus-
sagen ¨uber eine differenzierte strukturelle Gliederung eines Bewegungsablaufes liefert der
Ansatz hingegen nicht.

Kapitel 2. Zug¨ange zur Struktur sportlicher Bewegungen
20
Gliederung in Funktionsphasen
Die Idee funktionsanalytischer Zug¨ange zu sportmotorischen Bewegungshandlungen geht
auf Fetz (1972) sowie Rieling u.a. (1967, 1969) zur¨uck (f¨ur einen ¨
Uberblick siehe Leuchte,
2004). Sie wurde von G¨ohner (1979, 1987, 1992) aufgegriffen und in differenzierter Form
als sportarten¨ubergreifendes Gliederungssystem weiterentwickelt. Der Ausgangspunkt war
u.a. die Unvollst¨andigkeit des Ansatzes zur klassischen Phasenstruktur sportlicher Bewe-
gungshandlungen (Meinel & Schnabel, 1998). In der Gliederung in Funktionsphasen ist die
klassische Phasengliederung im Prinzip enthalten, jedoch zeichnet sich der Ansatz durch
variablere Differenzierungsm¨oglichkeiten aus. Grundlegender Bestandteil dieses Zugangs
ist die sog. Funktionsphase. Die Zergliederung des Bewegungsablaufes geschieht in sol-
che Analyseeinheiten (meistens zeitlich definierte Geschehensabschnitte), denen bestimmte
Funktionen bei der Erreichung des Bewegungsziels zugeordnet werden k¨onnen. Die Funk-
tionsphase wird als Strukturelement dieses Zugangs deklariert. Sie ist durch jeweils spezifi-
sche Aktionen charakterisiert, die der Zielerreichung dienen sollen. Die Aktion der Phase ist
das, was der Beweger tun soll. Die Funktion (der Aktion) ist im Hinblick auf das zu errei-
chende Bewegungsziel im Kontext der Regelbedingungen zu suchen. Die Begr¨undung ein-
zelner Funktionsphasen geschieht h¨aufig ¨uber biomechanische Argumentationen. Im Kon-
text der Rahmenbedingungen m¨ussen notwendige Funktionen von solchen, die einen mehr
oder weniger großen Operationsspielraum besitzen unterschieden werden. Auch kann es
zu Folge-Funktionen, als notwendige Kompensationen, w¨ahrend der Bewegungsausf¨uhrung
kommen. Die Gesamtheit aller Funktionen kann in einer Hierarchie von Teilzielen gesehen
werden (G¨ohner, 1987).
Der funktionsanalytische Zugang ist in Abbildung 2.5 dargestellt. Hauptfunktionsphasen
lassen sich von verschiedenen Hilfsfunktionsphasen unterscheiden. Hauptfunktionsphasen
Bewegungsziel
Hauptfunktionsphasen
vorbereitende
Hilfsfunktionsphasen
unterstützende
Hilfsfunktionsphasen
überleitende
Hilfsfunktionsphasen
Abb. 2.5: Allgemeine (hierarchische) Funktionsstruktur sportlicher Bewegungen (erweitert nach
G¨ohner, 1987).
kommen mindestens einmal im Bewegungsablauf vor (bei azyklischen Bewegungen) oder
mehrmals (bei zyklischen). Durch sie wird das eigentliche Ziel der Bewegung mitbestimmt

Kapitel 2. Zug¨ange zur Struktur sportlicher Bewegungen
21
(G¨ohner, 1992; Loosch, 1999). Wie die Abbildung zeigt, lassen sich die Hilfsfunktionspha-
sen in Einleitende, Unterst¨utzende und ¨
Uberleitende unterteilen. In Bezug zu ihrer Wertigkeit
k¨onnen sie noch erster, zweiter oder dritter Ordnung sein. Einleitende Hilfsfunktionsphasen
haben insbesondere die Aufgabe des Erreichens bestimmter Ortsstellen oder Lagen, aber
auch bestimmter Bewegungszust¨ande. Der Anlauf (z.B. im Turnen) ist ein typisches Beispiel
daf¨ur. Unterst¨utzende Hilfsfunktionsphasen treten nach G¨ohner immer dann auf, wenn es
um die Verwendung von Bewegerteilen, die Optimierung der Wirkungszeit oder die bessere
Ausnutzung von Kontaktstellen geht. Ein Beispiel w¨are etwa die Absprunggestaltung beim
Trampolinsprung. Abschließend diskutiert G¨ohner noch ¨uberleitende Hilfsfunktionsphasen,
die zum einen ein ¨
Ubersteuern der Zielsituation verhindern sollen (und damit prinzipiell
auch im Sinne Meinel & Schnabels (1998) als Endphase definiert werden k¨onnten). Zum an-
deren sollen sie den Anschluss an nachfolgende Operationen erm¨oglichen. Damit weisen sie
auch kompensatorischen Charakter auf. Ein Beispiel w¨are das Aussteuern der Rotation durch
Aufstrecken des K¨orpers beim Salto. Eine wichtige Unterscheidung f¨ur erfolgreiches sportli-
ches Handeln kommt der Gewichtung einzelner Phasen zu. W¨ahrend Hauptfunktionsphasen
von zielimmanenter Bedeutung sind, k¨onnen manche Hilfsfunktionsphasen essentiell sein,
andere nicht unbedingt. Unterschiedliche Hilfsfunktionsphasen k¨onnen zeitgleich ablaufen
oder nacheinander. Zeitliche Phasen¨uberg¨ange und Phasen¨uberlappungen k¨onnen stattfin-
den. In manchen F¨allen ist die Phasenstrukturierung auf Zeitpunkte auszurichten, die sich
erst w¨ahrend der Bewegungsausf¨uhrung ergeben. Ein wichtiger Vorteil gegen¨uber der klas-
sischen Phasenstruktur ist, dass Funktionsphasengliederungen in ihrer Feinheit und Reihung
flexibel sind (G¨ohner, 1992). So kann bspw. f¨ur das Beispiel des Stoßens im Gewichtheben
eine sechsphasige Funktionsgliederung angelegt werden (ebenda).
Die Relationen dieses funktionsanalytischen Zugangs sind auf funktionale Kopplungen
bzw. Abh¨angigkeiten zu fokussieren. Sind zwei Phasen voneinander funktional abh¨angig, so
stehen sie in Relation zueinander. Dabei unterscheidet G¨ohner im Wesentlichen drei unter-
schiedliche Relationsarten. Die erste Art sind sog. Folgeabh¨angigkeiten zwischen verschie-
denen Phasen einer Bewegung. Eine Phase ist die direkte Folge einer vorhergehenden Pha-
se. Die Folgeabh¨angigkeit bekommt damit einen deterministischen Charakter, und es lassen
sich nach G¨ohner zumeist physikalische Parameter finden, die das jeweilige Ziel der Pha-
se beschreiben (z.B. Treibh¨ohe bei Flugphasen). Weiterhin existieren bedingt-gesetzm¨aßige
Folgeabh¨angigkeiten, bei denen sich der Zusammenhang zweier Phasen zwar durchaus noch
aus physikalischen ¨
Uberlegungen ableiten l¨asst, es aber zus¨atzliche Einflussfaktoren durch
die Eigenarten des Bewegers geben kann. Der dritte Relationstyp sind die sog. ¨
Aquivalenz-
relationen. Funktional gleichwertige Aktionen sind prinzipiell austauschbar und k¨onnen zu
einer Aktionsklasse zusammengefasst werden. Sie stehen demnach in einer identischen Re-
lation zueinander. W¨ahrend die beiden erstgenannten Arten von Relationen einen starken Be-

Kapitel 2. Zug¨ange zur Struktur sportlicher Bewegungen
22
zug zu einem funktionalen Strukturverst¨andnisses sportlicher Bewegungen besitzen, kommt
der zuletzt genannten Relation eher eine trainingsmethodische Bedeutung zu. Hier geht es
um den Versuch, in Abh¨angigkeit der Individualit¨at des Sportlers, Mittel zu finden, die die
Bewegungsaufgabe (oder Teile davon) besser l¨osen als bisherige Mittel, bei funktionaler
Gleichwertigkeit (G¨ohner, 1992).
Die Funktionsanalyse einer sportlichen Bewegung schafft Erkenntnis ¨uber funktionale
Abh¨angigkeitsrelationen einzelner Phasen und deren hierarchischen Strukturierung zuein-
ander. Bewegungsspielr¨aume und Bewegungsnotwendigkeiten k¨onnen phasenbezogen cha-
rakterisiert werden, was auch Aspekte der Variabilit¨at der Bewegungsausf¨uhrung ber¨uck-
sichtigen kann. Der Ansatz steht auch im Zusammenhang mit der Optimierung sportlicher
Bewegungen, nach dem immer nach funktional h¨oherwertigen Aktionen einzelner Phasen
gesucht wird.
G¨ohner (1992) formuliert zwei unterschiedliche Zug¨ange bei der Funktionsanalyse: Beim
induktiven, aktionszentrierten Zugang wird von einer realen Bewegungsausf¨uhrung ausge-
gangen (meist auf Video festgehalten) und in den dort erkennbaren Bestandteilen auf dem
Hintergrund von biomechanischem und sportmotorischem Wissen nach funktionalen Bele-
gungen gesucht. Beim deduktiven, zielzentrierten Zugang wird vom Bewegungsziel und den
Rahmenbedingungen ausgegangen und daraus unter Ber¨ucksichtigung ¨uberhaupt m¨oglicher
Aktionen des Bewegers nach zweckbestimmten Aktionen gesucht (G¨ohner, 1992, S.126).
Diese Idee steht auch in engem Bezug zu den sog. constraints beim Bewegungshandeln (sie-
he Abschn. 2.5.2). Es ist auch ein Mischzugang denkbar, bei dem es sinnvoll sein kann, eine
induktive Analyse vorzunehmen und dann deduktiv verschiedene Aktionen im Sinne einer
Technikoptimierung gegen andere auszutauschen. Funktionale Belegungen einzelner Pha-
sen k¨onnen oftmals durch biomechanische Argumentationen abgesichert werden, in vielen
F¨allen verbleibt jedoch eine erfahrungsabh¨angige Wenn-Dann-Argumentation. Eine expe-
rimentelle Best¨atigung dieser Argumentation steht in der Regel aus (Loosch, 1999). F¨ur
untersuchte Bewegungen fordert G¨ohner deshalb die Validierung der postulierten Funktion
der einzelnen Phasen mittels empirisch-analytischer Verfahren (z.B. Korrelationsanalysen,
siehe auch Mechling & Effenberg, 1999). Somit kann die Funktionsanalyse einen Zugewinn
an Einsichten ¨uber die Struktur sportlicher Bewegungshandlungen liefern, sofern die Funk-
tionen und Relationen zwischen den Phasen in eindeutiger Weise (mathematisch) zu formu-
lieren sind. Verschiedene Aspekte (z.B. Individualit¨at des Bewegungssystems etc.) k¨onnen
dabei ebenfalls Ber¨ucksichtigung finden. Sportpraktische Bez¨uge sind direkt ersichtlich Der
Zugang nach G¨ohner kann als hybrider Ansatz beschrieben werden. Qualitative Merkmale
k¨onnen phasenbezogen durch quantitative erg¨anzt werden und umgekehrt. Der Ansatz ist
f¨ur die vorliegende Arbeit in sofern von Bedeutung, da f¨ur die Ableitung des eigenen Vorge-
hens in Kapitel 4 ein funktionsanalytischer Zugang zur Bewegungsstruktur sowohl aus der

Kapitel 2. Zug¨ange zur Struktur sportlicher Bewegungen
23
Perspektive der beobachtbaren Bewegungsausf¨uhrung als auch aus der Perspektive mentaler
Bewegungsrepr¨asentationen (Kap. 3) genutzt werden soll.
Konstitutive Bewegungsstrukturen
Der Ansatz konstitutiver Bewegungsstrukturen geht auf Kassat (1995) zur¨uck und wurde
von ihm als Weiterung der bisherigen Ans¨atze zur Phasenstrukturierung (G¨ohner, Meinel,
Meinel & Schnabel, etc.) entwickelt. Die Vorgehensweise erfordert die durchg¨angige Orien-
tierung am Zweck (bzw. Ziel) der untersuchten Bewegungsausf¨uhrung und kann daher noch
am ehesten mit dem deduktiv, zielzentrierten Ansatz von G¨ohner (1992, s.o.) in Verbin-
dung gebracht werden. Nach dieser stringenten Zielorientierung sind nach Kassats Meinung
demnach alle Elemente der Bewegungsstruktur in bestimmter Weise determiniert. Daraus
ergeben sich dann auch die Relationen zwischen den Elementen, die es Sinne der Analyse
herauszuarbeiten gilt. Entscheidend f¨ur die Erschließung der konstitutiven Struktur (kurz:
k-Struktur) sind sog. Bewegungsprinzipien, die der Bewegung zu Grunde liegen und sich
stark an den Bewegungsm¨oglichkeiten des Athleten und seinen individuellen Vorausset-
zungen orientieren. Abbildung 2.6 stellt die k-Struktur in ihrer Funktion zwischen Bewe-
gungsaufgabe und Bewegungsablauf dar. Sie subsumiert in ihrer Funktion die Menge an
Bewegungsaufgabe
konstitutive
Bewegungsstruktur
Anwenden
der Struktur
Ein Bewegungsablauf
Geschehensebene
Denkebene
Erschließen
der Struktur
a
1
a
2
a
3
a
4
a
5
a
6
a
7
Abb. 2.6: Darstellung der konstitutiven Bewegungsstruktur in ihrer Position als Mittler zwischen Be-
wegungsaufgabe und Bewegungsablauf (a = Aktion). Die angezielten Effekte sind in der
black-box der k-Struktur verborgen bzw. f¨ur viele Bewegungen noch nicht hinreichend be-
arbeitet und aufgekl¨art (Kassat, 1995, S.107). F¨ur weitere Erl¨auterungen siehe Text.

Kapitel 2. Zug¨ange zur Struktur sportlicher Bewegungen
24
Ausf¨uhrungsm¨oglichkeiten eines Bewegungsablaufes zur L¨osung einer Bewegungsaufgabe.
Die k-Struktur besteht aus auszuf¨uhrenden Aktionen und den daraus resultierenden Effekten
f¨ur die Gesamtbewegung. Zwischen ihnen herrschen Relationen, die jeweils die Aktion und
den Effekt verkn¨upfen (die Aktion Beine anhocken beim Salto hat bspw. den Effekt Vermin-
derung des Drehwiderstandes). Die Strukturelemente der k-Struktur sind somit im weite-
sten Ursache-Wirkungsbeziehungen zwischen Aktion(en) und Effekt(en). Es ist dabei aber
nicht vom monokausalen Charakter zwischen einer Aktion und einem Effekt auszugehen.
Genau genommen ist jede Gelenkaktivit¨at immer mit einer Beeinflussung anderer Segmen-
te verbunden (sog. Drehmomentreaktion; Kassat, 1993). Diese Aktion-Effekt-Verkn¨upfun-
gen haben daher quasi-kausalen Charakter. Die Ver¨anderung einer Aktion kann eine direkte
Ver¨anderung des angestrebten Effektes nach sich ziehen. Allerdings wird ein Effekt nicht
allein von einer Aktion bestimmt, sondern immer multifaktoriell durch einen ganzen Akti-
onskomplex. Innerhalb dieses Komplexes finden sich (Teil-) Aktionen mit einem mehr oder
weniger starken Bezug zum angestrebten Effekt.
F¨ur den Analytiker geht es darum zu verstehen, wie das Bewegungsgeschehen insge-
samt (also alle Aktion-Effekt-Kopplungen) abl¨auft. Es werden prinzipiell alle Bewegungs-
abschnitte und Teilbewegungen auf ihren Zielbezug hin hinterfragt. Aus dieser Art der Befra-
gung lassen sich zusammenh¨angende Bewegungskomplexe herausfiltern, die auch als eine
Einheit innerhalb der Struktur diskutiert werden m¨ussen, da sie (meistens) einen Haupteffekt
besitzen (Beispiele daf¨ur w¨aren z.B. auch funktionelle Synergien; Kap. 3). Zudem k¨onnen
verschiedene biomechanische Prinzipien bei der Diskussion und Hinterfragung des Bewe-
gungsablaufes zum Einsatz kommen.
Der Zugang von Kassat (1995) weist einen starken Bezug zu Lehr-Lern-Prozessen, und
damit zur Sportpraxis, auf. Es wird nicht gefragt, was der ¨
Ubende aus einer Außensicht
genau machen muss um das Bewegungsziel zu erreichen. Es wird vielmehr versucht dem
¨
Ubenden Ursache-Wirkungsbeziehungen innerhalb des Bewegungsablaufes zu vermitteln,
die ihn einer L¨osung des Bewegungsproblems n¨aher bringen. Problematisch ist die schwie-
rige mathematische Formulierung der Aktion-Effekt-Verkn¨upfungen, da sich diese meist auf
qualitativ-verbale Beschreibungen der Bewegungsstruktur beschr¨anken (vgl. Schiebl, 2000).
So wird von Kassat (1995) beim parallelen Skifahren die Hauptaktion Seitfallen in Bezie-
hung zu den Haupteffekten Seitlage, Kantenverhalten und Skiseitkr¨afte gesetzt. Eine ma-
thematische Beschreibung der Seitlage beim Skifahren durch geometrische Betrachtung des
K¨orperschwerpunktes ist noch denkbar. Der Effekt des Kantenverhaltens ist aus Sicht der
Biomechanik jedoch nur schwer zu quantifizieren. Mit der Terminologie G¨ohners (1992)
k¨onnten die Kassatschen Aktion-Effekt-Verkn¨upfungen auch als Funktionsphasenrelationen
verstanden werden. Die ¨
Ubergange zwischen den bisher genannten Ans¨atzen sind an dieser
Stelle sicherlich fließend.

Kapitel 2. Zug¨ange zur Struktur sportlicher Bewegungen
25
Kassat muss zu Gute gehalten werden, dass er die k-Struktur auf der Denkebene ansiedelt
und damit ihre Projektion bzw. Anwendung die individuelle Bewegungsausf¨uhrung stark
determiniert. Somit ist der Ansatz Kassats als erster Ansatz zu sehen, der versucht das beob-
achtbare Geschehen mit repr¨asentierten Aspekten der Bewegungsstruktur in Beziehung zu
setzen. Im Vorgriff auf Kapitel 3 ist der Ansatz von Kassat gar nicht so weit entfernt von dem
zu diskutierenden theoretischen Modell von Schack (2002), welches auf Seiten der menta-
ler Bewegungsrepr¨asentationen den theoretischen Ausgangspunkt f¨ur diese Arbeit bilden
soll. Es erscheint in diesem Kontext insbesondere die von Kassat vorgenommene Gewich-
tung einzelner Aktion-Effekt-Verkn¨upfungen von Wichtigkeit zu sein, nach der unterschied-
liche Aktionen im Gesamtkomplex einen unterschiedlichen Beitrag am Zustandekommen
verschiedener Effekte haben k¨onnen. Zudem erweist sich die von Kassat eingesetzte Frage-
technik bei der Analyse der Bewegungsstruktur als bis dato neues und innovatives Verfahren
beim Verst¨andnis der Bewegungsstruktur. Der vorgestellte Ansatz ist demnach kompatibel
zu den bisher dargestellten Ans¨atzen zur Gliederung sportlicher Bewegungen. Die Anrei-
cherung der k-Struktur um quantitative Daten ist ebenso m¨oglich (wenn auch nicht immer
einfach) wie die Einnahme einer qualitativen Sichtweise.
2.4.2
Deterministische Modelle der Bewegungsstruktur
Ein bewegungsanalytischer Zugang, der auf eine lange Tradition in der Sportwissenschaft
und (speziell) der Biomechanik verweisen kann, ist eine von Hay (1978) entwickelte Me-
thode zur Analyse sportlicher Bewegungen. Diese wurde von Hay selber (Hay, 1980) und
anderen Autoren (Ballreich, 1996; Br¨uggemann, 1983) in vielen sportlichen Bereichen ein-
gesetzt und weiterentwickelt.
4
Sie ist als Versuch zu verstehen eine komplexe Bewegungs-
struktur durch biomechanische Einfluss- und Zielgr¨oßen zu beschreiben. Zwischen diesen
Gr¨oßen (als Strukturelemente der Methode) bestehen Relationen, die durch physikalische
Gesetzm¨aßigkeiten abgebildet sind. Somit sind die Relationen a priori als funktional zu cha-
rakterisieren, da sie in der Regel kausalen Charakter besitzen. Deterministische Modelle
k¨onnen sehr einfach gehalten oder unter hohem mathematischem Aufwand generiert wor-
den sein (z.B. Glitsch, 2001; Yeadon, 2000). Bei der Analyse der Bewegungsstruktur sind
zun¨achst eine oder mehrere Zielgr¨oßen zu beschreiben. H¨aufig sind die Zielgr¨oßen durch
die Regelbedingungen in einzelnen Sportarten vorgegeben (z.B. die Sprungweite im Weit-
sprung). In manchen F¨allen (z.B. im Ger¨atturnen) wird auch eine Expertenbefragung not-
wendig sein. Den Zielgr¨oßen ist jedoch gemein, dass in ihnen bestimmende Gr¨oßen der
jeweiligen sportlichen Leistung gesehen werden. Nach Festlegung der Zielgr¨oße(n) sind die
Einflussvariablen auf die Zielgr¨oße(n) zu identifizieren.
4
Von vielen Anwendern wird das Vorgehen auch als Baustein-Methode beschrieben, da einzelne Elemente
der Bewegungsstruktur modular bearbeitet werden k¨onnen.

Kapitel 2. Zug¨ange zur Struktur sportlicher Bewegungen
26
Ein deterministischer (oder funktionaler) Zusammenhang liegt dann vor, wenn bei vor-
gegebenen Werten
x
1
, x
2
, . . . , x
n
der Einflussgr¨oßen
X
1
, X
2
, . . . , X
n
die Zielgr¨oße
Y
0
nur
einen eindeutigen Wert annehmen kann (Ballreich, 1996). Die Zielgr¨oße (
Y
0
) ist dann ei-
ne Funktion der Einflussgr¨oße(n):
Y
0
= f (X
1
, X
2
, . . . , X
N
). Die Einflussgr¨oßen k¨onnen je
nach dem auf weitere Gr¨oßen deduziert werden. So kann bspw. die Flugweite im Stand-
weitsprung durch die Einflussgr¨oßen der Abfluggeschwindigkeit, der relativen Abflugh¨ohe
und des Abflugwinkels beschrieben werden (Ballreich, 1996). Die Abfluggeschwindigkeit
ihrerseits wird durch die Anfangsgeschwindigkeit bei Beginn des Absprunges und die Ge-
schwindigkeits¨anderung w¨ahrend des Absprunges beschrieben (Ballreich, 1996, S.146). De-
terministische Modelle lassen sich nach diesem Beispiel hierarchisch aufbauen. Einfl¨usse
auf Zielgr¨oßen k¨onnen auf immer tieferen Modellstufen sehr genau abgesch¨atzt werden.
Abbildung 2.7 soll exemplarisch die Ableitung der Sprungh¨ohe
h bei (Salto-) Fl¨ugen nach
Abspr¨ungen darstellen. Das in Abbildung 2.7 deterministische Modell der Sprungh¨ohe des
h
h
1
h
2
v
0
a
0
v
0x
v
0z
v
x1
v
z1
m
ò
e
t
t
x
dt
F
1
ò
e
t
t
z
dt
F
1
1. Modellstufe
2. Modellstufe
3. Modellstufe
4. Modellstufe
Abb. 2.7: Deterministische Ableitung der Sprungh¨ohe h bei Saltofl¨ugen nach Abspr¨ungen im
Ger¨atturnen. Das Beispiel ist Br¨uggemann (1983) entnommen (h
1
=H¨ohe des KSP
¨uber der Absprungstelle, h
2
=Treibh¨ohe des KSP im Flug, v
0
=Abfluggeschwindigkeit,
0
=Abflugwinkel, v
ox
, v
0z
=Abfluggeschwindigkeiten des KSP in horizontaler und verti-
kaler Richtung, v
x1
, v
z1
=Anfangsgeschwindigkeiten beim Aufsprung in horizontaler und
vertikaler Richtung, m=K¨orpermasse des Athleten,
t
e
t
1
F
x
dt,
t
e
t
1
F
z
dt=Kraftst¨oße in hori-
zontaler und vertikaler Richtung beim Absprung).
K¨orperschwerpunktes betrachtet strukturell zun¨achst nur Einfl¨usse auf die Bahn des K¨orper-
schwerpunktes. Weitere Faktoren (z.B. Winkelver¨anderungen in den Gelenken) w¨aren prin-
zipiell in das Modell integrierbar (Br¨uggemann, 1983). Indirekt wird an diesem Beispiel
die Beziehung zu einer funktionalen Sichtweise innerhalb der Bewegungsstruktur deutlich.
So determiniert der Absprung (und dort zun¨achst die Abfluggeschwindigkeit beim Verlas-
sen des Bodens) die Sprungh¨ohe im nachfolgenden Flug. Funktional gedacht, hieße das f¨ur

Kapitel 2. Zug¨ange zur Struktur sportlicher Bewegungen
27
den Absprung, dass ihm die Funktion der Erzeugung einer optimalen Abfluggeschwindig-
keit zugeschrieben werden m¨usste. Die Deduktionsstufe bestimmt außerdem die notwendi-
ge Messmethodik. W¨ahrend raum-zeitliche Parameter (KSP-Lage, Geschwindigkeit) relativ
einfach mit einer kinematischen Analyse quantifiziert werden k¨onnen, sind f¨ur die Messung
von Kraftst¨oßen bereits aufwendigere Messmethodiken notwendig.
Je tiefer man auf den Modellstufen des deterministischen Ansatzes gelangt, desto eher
werden die Grenzen der Methode erreicht. ¨
Anderungen von Geschwindigkeiten oder Dreh-
momenten werden in erster Linie durch Eigenaktivit¨at des Sportlers erreicht und damit
letztlich durch Muskelkr¨afte. Zudem kommt es w¨ahrend der Bewegungsausf¨uhrung zu In-
teraktionen von K¨orpersegmenten, die nicht unerheblichen Anteil an der L¨osung der Be-
wegungsaufnahme nehmen k¨onnen (Kassat, 1993). Beschleunigungen in K¨orpersegmenten,
die durch muskul¨are Aktivit¨at erzeugt werden, k¨onnen nicht mehr in Form von elementaren
physikalischen Gesetzen auf ihre Zielgr¨oßen zur¨uckgef¨uhrt werden. Das vormals determini-
stische Problem wird auf dieser Betrachtungsebene zu einem und nicht-triviale Annahmen
zur L¨osung des Problems werden n¨otig.
5
Weiterhin versagt die Methode bei der Betrachtung
der Ganzheitlichkeit sportlicher Bewegungen, da sie zumeist keine Verlaufsformen von Pa-
rametern ber¨ucksichtigt.
Der Gewinn dieser Methode liegt jedoch ganz eindeutig in vielf¨altigen Anwendungen, die
zu einem besseren Verst¨andnis sportlicher Bewegungen und damit zu einem umfangreichen
Katalog (Hay, 1978) zur Konstruktion elementarer deterministischer Modelle f¨ur eine Viel-
zahl sportmotorischer Techniken f¨uhrten (Ballreich, 1996, S.151-157). Auch wenn einige
der Funktionsgleichungen des Kataloges kritisch zu hinterfragen sind, da an einigen Stel-
len nicht unwesentliche Vereinfachungen vorgenommen werden, erh¨alt der Praktiker damit
jedoch eine fantastische Entscheidungshilfe. Er kann zum einen festlegen, welche Parame-
ter ¨uberhaupt f¨ur welche Bewegungen von trainingspraktischer Relevanz sind und schult
zum anderen sein Verst¨andnis f¨ur funktionale Zusammenh¨ange innerhalb einer Bewegungs-
struktur. Die Beschreibungsebene (streng) deterministischer Zug¨ange ist in erster Linie eine
Quantitative.
6
Variabilit¨atsaspekte werden mittels dieses Zuganges indirekt ber¨ucksichtigt.
5
Das mathematische System enth¨alt dann mehr Unbekannte als Gleichungen und ist damit nicht mehr
eindeutig l¨osbar (Br¨uggemann, 1994a; Nigg, 1999). Es ist somit unterdeterminiert. Es muss mit Hilfe von
mathematischen Optimierungsstrategien (z.B. Reduktion von Unbekannten) bearbeitet werden um es einer
deterministischen L¨osung zu zuf¨uhren. In der Biomechanik ist dieses Problem der Unbestimmtheit als Ver-
teilungsproblem bekannt (Nigg, 1999) und tritt h¨aufig bei Belastungsanalysen auf. Durch die genannten Opti-
mierungsstrategien werden gehen h¨aufig wesentliche Informationen ¨uber das zu analysierende System verloren
(Br¨uggemann, 1994a). Die vom Modell erhaltenen Befunde sind damit stark von den Modellannahmen und Re-
chenalgorithmen (z.B. zur Gl¨attung der Daten) und der Verf¨ugbarkeit von zus¨atzlich erhobenen Daten abh¨angig
(Gao & Br¨uggemann, 1995). So wurden bspw. von Br¨uggemann & Krahl (2000) Aussagen zur Belastung in-
nerer Strukturen vorgelegt, welche bei einem rein deterministischen Vorgehen nicht h¨atten bearbeitet werden
k¨onnen.
6
Es sei noch erw¨ahnt, dass neuere Untersuchungen im Ger¨atturnen deterministische Modelle mit tats¨achli-
chen Trainermeinungen und erhaltenen Bewertungen in Beziehung setzen um so eine gewisse Aufkl¨arung ¨uber

Kapitel 2. Zug¨ange zur Struktur sportlicher Bewegungen
28
Die Bezugsetzungen zwischen den Strukturelementen geschehen auf Grund physikalischer
Gesetzm¨aßigkeiten, so dass die Variabilit¨at in einem Parameter unmittelbar einen Effekt im
anderen Parameter hat. Zur Erkl¨arung von Variabilit¨atsaspekten eignet sich dieser Zugang
daher nur bedingt.
Der deterministische Zugang zur Bewegungsstruktur wurde von Nicol, Figgen, Natrup
und Peikenkamp (1990) aufgegriffen und in ein generelles biomechanisches System sport-
licher Bewegungen transferiert.
7
Das Bewegungssystem des Sportlers wird dadurch model-
liert, dass es in Subsysteme zerlegt wird. Diese Subsysteme werden durch ¨aquivalente me-
chanische Systemelemente ersetzt und stellen demnach die Strukturelemente des Ansatzes
dar (Nicol, et al., 1990). Die komplexe Bewegung wird dann so zergliedert, dass Einfach-
bewegungen ¨ubrig bleiben. Unter Einfachbewegungen verstehen die Autoren Zeitabschnit-
te (Phasen) f¨ur die eine bestimmte Aufgabe formuliert werden kann, die nur (und nur) in
diesem Zeitabschnitt zu erledigen ist (G¨ohner, 1992). Ein Beispiel soll dies verdeutlichen:
Der Bewegungsverlauf kann beim Angriffsschlag im Volleyball in die drei Subsysteme a)
K¨orper des Spielers ohne Schlagarm, b) Schlagarm und c) Ball unterteilt werden. F¨ur die je-
weiligen Subsysteme k¨onnen eigenst¨andige Teilziele genannt werden. Das Subsystem Arm
kollidiert mit dem Ball und gibt ihm dadurch eine Geschwindigkeit, was mathematisch als
Stoßvorgang zu rekonstruieren ist. Dazu wird das Subsystem Arm als Masse-Feder-Modul
modelliert. Das Subsystem K¨orper hat den Spieler u.a. so in Position zu bringen, dass das
Subsystem Arm den Schlag ausf¨uhren kann. Der K¨orper wird ebenfalls als Masse-Feder-
Modul modelliert. Der Ball als nicht ideal-elastischer K¨orper kann mathematisch mit Hilfe
der Gesetze des Stoßprozesses und der Flugparabel beschrieben werden (Abb. 2.8). Nicol et
al. (1990) beschreiben 10 solcher Aufgabenphasen, die f¨ur die Subsysteme definiert werden
k¨onnen. Die Praktikabilit¨at des Vorgehens geht sicherlich mit der Komplexit¨at des verwen-
deten Modells und dem biomechanischen Wissen des Anwenders einher. Daher stellt sich die
Frage ob das vorgeschlagene Modulsystem tats¨achlich so einfach in die Praxis zu ¨ubertragen
ist. Eine weitere Problematik ergibt sich dadurch, dass die Definition von Aufgabenphasen-
grenzen schwierig ist, da (Aufgaben-) Phasen in der Realit¨at h¨aufig ineinander ¨ubergehen
und teilweise ¨uberlappen. Die Modellierung wird dadurch erheblich erschwert. Weiterhin
muss bemerkt werden, dass z.B. bei o.a. Gliederung des Volleyballschlages Interaktionen
der K¨orperglieder (z.B. Drehmomentreaktionen zwischen Beinen, Rumpf und Schlagarm;
Kassat, 1993) nicht ber¨ucksichtigt werden. Damit gehen f¨ur die Bewegungssteuerung es-
sentielle Informationen in der Modellierung verloren. Positiv zu vermerken ist, dass sich
unterschiedliche Module miteinander verbinden lassen. So kann in einer Modellsimulation
Determinanten einer erfolgreichen Bewegungsausf¨uhrung, die entsprechend hoch bewertet wird, zu erlangen
(Takei, Blucker, Nohara & Yamashita, 2000).
7
Das Modulsystem von Nicol et al. (1990) erscheint auf den ersten Blick recht praktikabel. Es verwundert,
dass dieses System in der sportwissenschaftlichen Forschung bislang kaum genutzt wurde.

Kapitel 2. Zug¨ange zur Struktur sportlicher Bewegungen
29
System-Komponente I:
Athletin ohne rechten Arm
(KSP-Verlauf)
System-Komponente II:
Rechter Arm
System-Komponente III:
Ball
KIN
FFA
ACC
PRE
IMP
FFD
ACC
FFA
Abb. 2.8: Zergliederung des Angriffsschlages im Volleyball in Systemkomponenten und Aufgabenpha-
sen (nach Nicol et al., 1990). Die Aufgabenphasen sind exemplarisch ausgew¨ahlt. Insge-
samt wird der Angriffsschlag ¨uber 11 unterschiedliche Aufgabenphasen beschrieben. Ath-
let: KIN = Anlauf, ACC = Absprung, FFA = Flugphase. Rechter Arm: ACC + FFA = Bewe-
gung der Schlaghand nach vorne. Ball: PRE = Flugphase nach Stellspiel, IMP = Treffpunkt
mit der Hand, FFD = Flug nach Schlag (f¨ur weitere Aufgabenphasenerl¨auterungen siehe
Nicol et al. (1990) oder G¨ohner (1992)).
etwa die Teilbewegung des Schlages so mit der Sprungbewegung verbunden werden, dass
z.B. unterschiedliche Sprungh¨ohen als Anfangsbedingungen in das Modul des Stoßes ein-
gehen (G¨ohner, 1992). Auch wenn sich einige Schwierigkeiten des Modulsystems finden
lassen, so ist der Gedanke der funktionsanalytischen Gliederung in deterministisch bearbeit-
bare Module dennoch h¨ochst interessant. Allein die Idee der Zergliederung in diese Module
¨offnet dem Anwender Augen f¨ur die Funktionen der Subsysteme und deren Interaktion in
der Bewegungsausf¨uhrung. Die Sichtweise des modularen Ansatzes ist eine Quantitative,
die durch qualitative, phasenbezogene Zieldefinitionen erg¨anzt werden kann. Abschließend
sei noch eine Anmerkung zum Ansatz von Nicol et al. (1990) gemacht: Ein und derselbe
Stoßvorgang beim Angriffsschlag im Volleyball kann durch unterschiedliche Armbewegun-
gen beim gleichen Athleten zu Stande gekommen sein. Unterschiedliche Armbewegungen
k¨onnten jedoch bei mehreren Bewegungsausf¨uhrungen auf Grund unterschiedlicher Aus-
gangsbedingungen notwendig gewesen sein. Die Frage verbleibt, ob der Ansatz von Nicol
et al. (1990) Variabilit¨atsaspekte des Bewegers in hinreichender Weise ber¨ucksichtigt.

Kapitel 2. Zug¨ange zur Struktur sportlicher Bewegungen
30
Eine zweite Weiterung deterministischer Modelle wie sie bei Hay (1978) oder Ballreich
(1996) zu finden sind, wird von Sust (1996) vorgeschlagen. Der Autor ber¨ucksichtigt nicht
nur physikalisch-mathematische Zusammenh¨ange zwischen biomechanischen Parametern,
sondern auch mathematische Zusammenh¨ange zwischen physiologischen, motorischen, ana-
tomischen und weiteren Parametern. So bleibt die Sichtweise nicht auf die klassische Me-
chanik beschr¨ankt (wie sie bspw. bei Ballreich (1996) zu finden ist), sondern es findet eine
Weiterung des deterministischen Ansatzes statt. Sust (1996) verwendet zur Modellierung
sog. Submodelle, die jeweils bestimmte Teilsysteme des sich bewegenden Menschen abbil-
den. Ein Submodell ist z.B. das Modell der rheologischen K¨orper, mit dem sich elastische
Elemente des Bewegungsapparates modellieren lassen. Ein anderes Submodell modelliert
die Schaltfunktionen der Motoneurone zur Reizung der Muskelfasern. Diese Submodelle
werden zu den Einflussgr¨oßen im Rahmen des gesamten Modells und stellen demnach die
Strukturelemente des Ansatzes dar. Ihre Verkn¨upfung (Relation) wird dadurch hergestellt,
dass (mathematische) Ausgangsgr¨oßen eines Submodells zu Eingangsgr¨oßen eines anderen
Submodells werden. Die Beziehungen zwischen den Submodellen stellen demnach Funkti-
onsgleichungen dar. Die Integration aller Submodelle in das Gesamtmodell setzt voraus, dass
hier eine Kompatibilit¨at zwischen den Ein- und Ausgangsgr¨oßen herrscht. Interessant dabei
ist, dass der Modellansatz von Sust (1996) auch Wechselwirkungen zwischen den einzelnen
Strukturelementen (Submodellen) ber¨ucksichtigt. So kann bspw. das Submodell Klassische
Punktmechanik in Wechselwirkung mit dem Submodell Geometriefunktion stehen. Der Vor-
teil des Ansatzes von Sust ist darin zu sehen, dass je nach Untersuchungsgegenstand das
Modell unterschiedlich komplex aufgebaut sein kann. Sind die konkreten mathematischen
Zusammenh¨ange zwischen den Submodellen bekannt, dann kann aus den Anfangsbedingun-
gen bei Kenntnis der Konstanten des Modells der Ablauf der Bewegung berechnet werden.
Aber auch der umgekehrte Weg ist m¨oglich, nach dem aus der erfassten Bewegung die Werte
von Invarianten (z.B. K¨orperbaumerkmalen) bestimmt werden k¨onnen (Sust, 1996, S.199).
Ein Schwachpunkt des Modellansatzes ist darin zu sehen, dass der Autor bei der Wahl der
Modellform von einer Quasi-Konstanz biomechanischer Parameter bei maximaler subjek-
tiver Anstrengung des Athleten ausgeht. Aus dieser angenommenen Quasi-Konstanz wird
gefolgert, dass man damit bei der Voraussage von Parametern von einer determinierten Vor-
aussage ¨uber das Modelloriginal ausgehen kann. Es stellt sich also die Frage ob der Model-
lansatz bei geschildertem Ausgangspunkt 1. in hinreichender Weise Variabilit¨atsph¨anomene
menschlicher Bewegungen ber¨ucksichtigt und 2. den feinmotorischen Bewegungen gerecht
wird, die in der Regel nicht unter maximaler subjektiver Anstrengung ausgef¨uhrt werden.
Es f¨allt auf, dass die deterministischen Zug¨ange zur Bewegungsstruktur auf der einen
Seite eine hohe Praktikabilit¨at und G¨ute aufweisen, auf der anderen Seite aber wesentliche
Aspekte der Bewegungsstruktur (z.B. Variabilit¨at) nur oberfl¨achlich oder gar nicht ber¨uck-

Kapitel 2. Zug¨ange zur Struktur sportlicher Bewegungen
31
sichtigen. Nichts desto trotz erh¨alt der Anwender mittels deterministischer Modelle einen
umfangreichen Einblick in bewegungsstrukturelle Aspekte (siehe dazu auch persiflierend
Nigg, 1999; S. 434). F¨ur vorliegende Arbeit sind deterministische Modellierungen in so-
fern von Bedeutung, da durch sie bereits bestehende physikalische Zusammenh¨ange bei der
Analyse bewegungsstruktureller Daten ber¨ucksichtigt werden k¨onnen.
2.4.3
Indeterministische Modelle der Bewegungsstruktur
Von dem deterministischen Zugang zur Bewegungsstruktur kann grunds¨atzlich ein sog. in-
deterministischer Zugang unterschieden werden. Empirischer Ausgangspunkt dieses Zugan-
ges sind u.a. die Einschr¨ankungen von rein deterministischen Zug¨angen bei der Analyse der
Bewegungsstruktur. Ballreich (1996) meint dazu:
"
W¨ahrend es in der Mechanik m¨oglich ist, komplexe Systeme in zu untersuchen-
de Subsysteme zu zergliedern - also Teilmodelle zu bilden - und diese durch eine
relativ geringe Anzahl von Variablen zu beschreiben, ist dieses Vorgehen in der
Biomechanik ohne Informationsverluste nicht m¨oglich. Bei jeder Bildung eines
Teilmodells [. . . ] gehen Informationen verloren, die sich nicht additiv aus der
Summe aller Teile wieder erhalten lassen" (Ballreich, 1996, S.121).
Beim indeterministischen Zugang geht es zun¨achst auch darum eine oder mehrere Ziel-
gr¨oßen durch weitere Einflussgr¨oßen zu beschreiben. Die Strukturelemente des indetermini-
stischen Vorgehens sind wie beim deterministischen Zugang in erster Linie biomechanische
Parameter.
8
Der Zusammenhang ist wie beschrieben indeterministisch (stochastisch), d.h.
eine Zielgr¨oße kann bei vorgegebenen Werten der Einflussgr¨oßen verschiedene Auspr¨agun-
gen einer Werteverteilung annehmen. Die Beschreibungsebene indeterministischer Modelle
ist in erster Linie quantitativ. Wenn man so will, kann auch der sich bewegende Mensch
als indeterministisches System charakterisiert werden. Viele Gr¨oßen kommen erst durch das
Zusammenspiel unterschiedlicher, nicht direkt in Verbindung stehender Parameter zustande,
was den sich bewegenden Menschen hochgradig redundant macht. Bei biologischen Syste-
men ist zu erwarten, dass bei vielen Parametern zuf¨allige und nicht kontrollierbare Einfl¨usse
nicht untersch¨atzt werden d¨urfen. Ist eine Kovariation innerhalb der Bewegungsstruktur ei-
nes nicht direkt mit der Zielgr¨oße in Verbindung stehenden Parameters zu erwarten, so kann
dieser Zusammenhang beim indeterministischen Zugang auf statistischem Wege gepr¨uft
werden. Der Parameter kann theoriegeleitet festgelegt worden sein (auf Grund bestehender
wissenschaftlicher Modelle), als auch mit Hilfe multivariater, explorativer Techniken gefun-
den worden sein. ¨
Uberzuf¨allig hohe Zusammenh¨ange zwischen den Variablen werden dann
in der Regel mit Hilfe weiterer multivariater Techniken (multiple Regressionsanalyse, Vari-
8
Auch Parameter anderer Analyseverfahren k¨onnen beim indeterministischen Zugang als m¨ogliche Ein-
flussgr¨oßen untersucht werden. F¨ur bewegungsstrukturelle Fragestellungen verbleibt der Fokus selbstverst¨and-
lich auf biomechanischen Parametern.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783832491598
ISBN (Paperback)
9783838691596
DOI
10.3239/9783832491598
Dateigröße
4.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Deutsche Sporthochschule Köln – Geistes- und Sozialwissenschaften, Psychologie
Erscheinungsdatum
2005 (Dezember)
Note
1,0
Schlagworte
bewegungswissenschaft bewegung volleyball
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