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Die Verantwortung von Unternehmen

Konzeptualisierung und kritische Analyse

©2004 Diplomarbeit 98 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
„Sie genießen – wir spenden.“ So lautete der Slogan, mit dem die deutsche Brauerei Krombacher für ihr im Juli 2004 ausgelaufenes „Krombacher Regenwald Projekt“ warb. Im Rahmen des Projektes, das Mitte 2004 bereits seit drei Jahren lief, überwies die Brauerei bislang ca. 2,3 Millionen Euro an Spendengeldern zu Gunsten des Erhalts des zentralafrikanischen Regenwaldes an die Regenwaldstiftung des World Wildlife Fund (WWF) Deutschland. Aber auch die Firma Krombacher profitierte von der Kooperation mit dem WWF und konnte ihren Umsatz dank einer massiven Werbekampagne entgegen der allgemeinen Marktentwicklung auf ein Rekordniveau steigern.
Aktionen wie das „Krombacher Regenwald Projekt“ können als unternehmerische Reaktion auf eine sich ändernde Haltung der Gesellschaft gegenüber der Wirtschaft gedeutet werden. So interpretiert etwa der WWF den erfolgreichen Verlauf der Zusammenarbeit mit Krombacher als Zeichen dafür, „dass die Menschen von Firmen erwarten, dass sie nicht allein an ihre Gewinne denken, sondern auch Verantwortung übernehmen.“ Insbesondere die Unternehmensskandale der letzten Jahre, die öffentlich geführte Diskussion um überhöhte Vorstandsgehälter und Abfindungen sowie die voranschreitende Globalisierung trugen dazu bei, dass das Vertrauen der Öffentlichkeit gegenüber Großkonzernen stark erschüttert wurde.
Vor diesem Hintergrund sehen sich Unternehmen dem Druck verschiedenster Anspruchsgruppen ausgesetzt, die die bloße Gewinnorientierung großer Konzerne öffentlich anprangern und von diesen in zunehmendem Maße ein verantwortungsbewussteres Handeln in allen Bereichen der Gesellschaft einfordern. Diese Einschätzung stützt eine im Jahre 2003 veröffentlichte Umfrage, in der immerhin 80% der befragten Personen die Meinung vertraten, Unternehmen hätten neben einer ökonomischen auch eine moralische Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, die über ihre eigentliche Geschäftstätigkeit hinausgeht. Das Thema „Verantwortung von Unternehmen“ hat somit in den letzten Jahren aufgrund der veränderten gesellschaftlichen Erwartungshaltung wesentlich an Aktualität gewonnen und zwingt Unternehmen zunehmend zum Umdenken. So veröffentlichen mittlerweile mehr als die Hälfte der deutschen DAX-Unternehmen sog. „Corporate Responsibility Reports“, die über die bloße Aufzählung betriebswirtschaftlicher Kennzahlen hinausgehen und zudem eine unternehmerische Verantwortungsübernahme in den Bereichen Umwelt und Soziales dokumentieren […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 9060
Fischer, Tobias: Die Verantwortung von Unternehmen - Konzeptualisierung und kritische
Analyse
Hamburg: Diplomica GmbH, 2005
Zugl.: Ludwig-Maximilians-Universität München, Diplomarbeit, 2004
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http://www.diplom.de, Hamburg 2005
Printed in Germany

"Corporation:
An ingenious device for obtaining profit
without responsibility."
Ambrose Bierce (1842 - 1914)

I
INHALTSVERZEICHNIS
Seite
INHALTSVERZEICHNIS ...I
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ...III
ANHANGSVERZEICHNIS ... IV
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ... V
1
Einleitung...1
1.1 Hinführung...1
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit ...3
2
Der individualethische Begriff der Verantwortung...5
2.1 Etymologische Wurzeln des Wortes ,,Verantwortung" ...5
2.2 Der Begriff ,,Verantwortung" im allgemeinen Sprachgebrauch ...6
2.3 Die formale Struktur des Verantwortungsbegriffs...7
2.4 Rahmenbedingungen der Verantwortungszuschreibung...11
2.5 Typen der Verantwortung...12
2.5.1 Handlungs(-ergebnis)verantwortung ...13
2.5.2 Aufgaben- und Rollenverantwortung ...13
2.5.3 Moralische Verantwortung ...15
2.5.4 Rechtliche Verantwortung...17
2.6 Zwischenfazit und Ausblick ...18
3
Handlungs- und Verantwortungsfähigkeit von Unternehmen...19
3.1 Theoretische Grundlagen zum Begriff ,,Unternehmen"...20
3.1.1 Systemtheoretische Sichtweise des Unternehmens...20
3.1.2 Das Zielsystem eines Unternehmens ...21
3.2 Unternehmen als Aggregate kollektiver Handlungen ...22
3.2.1 Reduzierbarkeit der unternehmerischen Verantwortung auf
Individuen ...23
3.2.2 Kritische Würdigung des methodologischen Individualismus ...24
3.2.2.1 Verlängerung der Handlungsketten ...24
3.2.2.2 Determination des individuellen Handelns durch
überindividuelle Ziele ...25
3.2.2.3 Strategische Interaktionen im Unternehmen...26
3.2.3 Kritische Würdigung des Aggregatmodell...29
3.3 Unternehmen als intentional handelnde ,,Personen" ...30
3.3.1 Intentionalität als Voraussetzung der Verantwortungsfähigkeit ...30

II
3.3.2 Erweiterte Prinzipien korporativer Verantwortungszuschreibung...32
3.3.3 Kritische Würdigung des Personenmodells ...34
3.4 Unternehmen als sekundäre Handlungssubjekte...34
3.4.1 Individuelles Handeln konstituiert das korporative Handeln ...35
3.4.2 Nichtreduzierbarkeit des sekundären Handelns ...36
3.4.3 Kritische Würdigung ...36
3.5 Zwischenfazit und Ausblick ...37
4
Inhaltliche Bestimmung der korporativen Verantwortung ...38
4.1 Korporative Handlungs(-ergebnis)verantwortung...39
4.2 Aufgaben- und Rollenverantwortung des Unternehmens...40
4.2.1 Monistisches Verständnis der korporativen Aufgaben- und
Rollenverantwortung...41
4.2.2 Pluralistisches Verständnis der Aufgaben-/Rollenverantwortung
eines Unternehmens ...44
4.2.2.1 Der Stakeholder-Ansatz...44
4.2.2.2 Gesellschaftlich formulierte Rollenanforderungen ...46
4.2.2.3 Sanktionspotenzial der gesellschaftlichen Anspruchsgruppen ..
...49
4.2.2.4 Die ,,licence to operate" als Legitimationsgrundlage des
Unternehmens ...51
4.2.3 Kritische Würdigung ...52
4.3 Moralische Verantwortung von Unternehmen ...53
4.3.1 Das Gewinnprinzip als Legitimation moralischen Handelns ...54
4.3.2 Handlungsspielräume begründen die moralische Verantwortung..54
4.4 Rechtliche Verantwortung von Unternehmen...56
4.4.1 Zivilrechtliche Verantwortung von Unternehmen ...57
4.4.2 Verantwortung des Unternehmens im öffentlichen Recht...59
4.4.3 Kritische Würdigung ...61
5
Schlussbetrachtung und Ausblick ...63
ANHANG ...66
LITERATURVERZEICHNIS...72

III
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Seite
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit ...4
Abbildung 2: Sinnrichtungen des Wortes Verantwortung...6
Abbildung 3: Elemente der Verantwortungsrelation ...8
Abbildung 4: Abstufungen der moralischen Verantwortung ...16
Abbildung 5: Ausprägung der formalen Elemente nach Verantwortungstyp ...19
Abbildung 6: Das Zielsystem des Unternehmens ...21
Abbildung 7: Matrizen der Entscheidungssituation ...27
Abbildung 8: Zuschreibungsmodelle korporativer Verantwortung ...38
Abbildung 9: Verantwortungstypen nach Lenk...39
Abbildung 10: Monistisches Verständnis der Aufgaben-/Rollenverantwortung .43
Abbildung 11: Bereitgestellte Ressourcen der Anspruchsgruppen ...45
Abbildung 12: Umwelt des Unternehmens...46
Abbildung 13: Pluralistisches Verständnis der Aufgaben-/Rollenverantwortung
...52
Abbildung 14: Haftungsregelungen nach Rechtsform...58
Abbildung 15: Schuldfähigkeit nach StGB ...66
Abbildung 16: Deliktsfähigkeit nach BGB...67
Abbildung 17: Aufgaben der strategischen Zielsetzung im Unternehmen...67
Abbildung 18. Ausgewählte Anspruchsgruppen des Unternehmens ...69
Abbildung 19: Anspruchsgruppen des Unternehmens und ausgewählte
Interessen...69
Abbildung 20: Lebenszyklusmodell gesellschaftlicher Ansprüche ...70
Abbildung 21: Leitbild der Siemens AG ...70
Abbildung 22: Erscheinungsformen korporativer Verantwortung ...71

IV
ANHANGSVERZEICHNIS
Seite
A.1 Schuldfähigkeit als Zuschreibungsvoraussetzung strafrechtlicher Verant-
wortung...66
A.2 Deliktsfähigkeit als Zuschreibungsvoraussetzung zivilrechtlicher Verantwor-
tung...67
A.3 Zielfunktionen...67
A.4 Zuschreibungsmodelle der kollektiven Verantwortung... 68
A.5 Anspruchsgruppen der Unternehmensumwelt... 69
A.6 Ausgewählte Interessen der Stakeholder... 69
A.7 Lebenszyklusmodell gesellschaftlicher Ansprüche... 70
A.8 Das Leitbild der Siemens AG...70
A.9 Ausprägungsformen der korporativen Verantwortung... 71

V
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
AktG = Aktiengesetz
BGB = Bürgerliches Gesetzbuch
CC = Corporate Citizenship
CID = Corporation´s Internal Decision Structure
CR = Corporate Responsibility
CSR = Corporate Social Responsibility
EPA = Extended Principle of Accountability
EU = Europäische Union
EuGH = Europäischer Gerichtshof
GmbH = Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GmbHG = GmbH-Gesetz
i.d.R. = in der Regel
i.e.S. = im engeren Sinne
i.w.S. = im weiteren Sinne
Mhd. = Mittelhochdeutsch
NGG = Gewerkschaft für Nahrung,Genuss und Gaststätten
NGO = Non-Governmental Organization
OWiG = Ordnungswidrigkeitengesetz
PRA = Principle of Responsive Adjustment
StGB = Strafgesetzbuch
WWF = World Wildlife Fund

1
1 Einleitung
1.1 Hinführung
,,Sie genießen ­ wir spenden."
1
So lautete der Slogan, mit dem die deutsche
Brauerei Krombacher für ihr im Juli 2004 ausgelaufenes ,,Krombacher Regen-
wald Projekt" warb. Im Rahmen des Projektes, das Mitte 2004 bereits seit drei
Jahren lief, überwies die Brauerei bislang ca. 2,3 Millionen Euro an Spenden-
geldern zu Gunsten des Erhalts des zentralafrikanischen Regenwaldes an die
Regenwaldstiftung des World Wildlife Fund (WWF) Deutschland.
2
Aber auch
die Firma Krombacher profitierte von der Kooperation mit dem WWF und konn-
te ihren Umsatz dank einer massiven Werbekampagne entgegen der allgemei-
nen Marktentwicklung auf ein Rekordniveau steigern.
3
Aktionen wie das ,,Krombacher Regenwald Projekt"
4
können als unternehmeri-
sche Reaktion auf eine sich ändernde Haltung der Gesellschaft gegenüber der
Wirtschaft gedeutet werden. So interpretiert etwa der WWF den erfolgreichen
Verlauf der Zusammenarbeit mit Krombacher als Zeichen dafür, ,,dass die Men-
schen von Firmen erwarten, dass sie nicht allein an ihre Gewinne denken, son-
dern auch Verantwortung übernehmen."
5
Insbesondere die Unternehmens-
skandale der letzten Jahre
6
, die öffentlich geführte Diskussion um überhöhte
Vorstandsgehälter und Abfindungen sowie die voranschreitende Globalisierung
trugen dazu bei, dass das Vertrauen der Öffentlichkeit gegenüber Großkonzer-
nen stark erschüttert wurde.
7
Vor diesem Hintergrund sehen sich Unternehmen
dem Druck verschiedenster Anspruchsgruppen ausgesetzt, die die bloße Ge-
winnorientierung großer Konzerne öffentlich anprangern und von diesen in zu-
nehmendem Maße ein verantwortungsbewussteres Handeln in allen Bereichen
1
Krombacher Brauerei GmbH & Co. KG (Regenwald 2004).
2
Vgl. Trebing, Lars (Regenwald 2004).
3
Während der Gesamtumsatz der Brauwirtschaft von 2002 auf 2003 um 2,8% auf 9,0 Mrd.
Euro abnahm, konnte Krombacher seinen Umsatz um 12,0% auf 515,8 Mio. Euro steigern. Vgl.
Gewerkschaft für Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) (Branchenbericht 2004); Reich, Ingo
(Krombacher 2003).
4
Das ,,Krombacher Regenwald Projekt" zählt zum Cause-Related-Marketing und spiegelt eine
Neuausrichtung des Marketings wider, welches fortan nach Kotler, als ,,wohlfahrtsbedachtes"
Marketing sowohl ethische, als auch gesellschaftliche Überlegungen in die Aktivitäten des Un-
ternehmens einbeziehen sollte. Vgl. hierzu Kotler, Philip et al. (Grundlagen 2001), S. 41; Kotler,
Philip (Marketing 2000), S. 25; Smith, Craig N. (Corporate Philanthropy 1994), S. 111.
5
WWF Deutschland (Krombacher 2004).
6
Bsp. Enron, Mannesmann.
7
Vgl. Lewis, Stewart (Reputation 2003), S. 358.

2
der Gesellschaft einfordern.
8
Diese Einschätzung stützt eine im Jahre 2003
veröffentlichte Umfrage, in der immerhin 80% der befragten Personen die Mei-
nung vertraten, Unternehmen hätten neben einer ökonomischen auch eine mo-
ralische Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, die über ihre eigentliche
Geschäftstätigkeit hinausgeht.
9
Das Thema ,,Verantwortung von Unternehmen"
hat somit in den letzten Jahren aufgrund der veränderten gesellschaftlichen Er-
wartungshaltung wesentlich an Aktualität gewonnen und zwingt Unternehmen
zunehmend zum Umdenken. So veröffentlichen mittlerweile mehr als die Hälfte
der deutschen DAX-Unternehmen sog. ,,Corporate Responsibility Reports"
10
,
die über die bloße Aufzählung betriebswirtschaftlicher Kennzahlen hinausgehen
und zudem eine unternehmerische Verantwortungsübernahme in den Berei-
chen Umwelt und Soziales dokumentieren sollen.
Schon aus diesen kurzen Ausführungen wird deutlich, dass die beschriebenen
veränderten Rahmenbedingungen der Diskussion um die Verantwortung von
Unternehmen eine neue Qualität verleihen und somit in Bezug auf unternehme-
risches Handeln eine umfassendere Untersuchung des Verantwortungsbegriffs
notwendig erscheint. Insbesondere in der amerikanischen Wirtschaftsliteratur
findet sich unter den Schlagwörtern ,,Corporate Social Responsibility"
11
, ,,Corpo-
rate Responsibility"
12
oder ,,Corporate Citizenship"
13
eine Vielzahl von Abhand-
lungen zur begrifflichen und inhaltlichen Bestimmung der Verantwortung von
Unternehmen, die sich jedoch häufig überschneiden und teilweise sogar wider-
sprechen.
Zur genaueren Bestimmung und Analyse des korporativen Verantwortungsbeg-
riffs, kann der Rückgriff auf philosophische Hintergrundkonzepte einen wesent-
lichen Beitrag leisten.
14
Denn gerade in der Philosophie des 20. Jahrhunderts
ist eine intensive Ausdifferenzierung des Verantwortungsbegriffs zu beobach-
ten.
15
Insbesondere in der philosophischen Disziplin der Ethik
16
entwickelte sich
8
Vgl. Waddock, Sandra A.; Bodwell, Charles; Graves, Samuel B. (Responsibility 2002), S. 133.
9
Vgl. Lewis, Stewart (Reputation 2003), S. 358.
10
Vgl. Selbach, David; Löhr, Sarah (Weitwinkel 2004), S. 33.
11
Vgl. Waddock, Sandra A. (Universes 2004), S. 10.
12
Vgl. Waddock, Sandra A. (Universes 2004), S. 10.
13
Vgl. Waddock, Sandra A. (Universes 2004), S. 26.
14
Vgl. Summer, Ludwig (Ethik 1998), S. IV.
15
Auch die Theologie setzt sich mit dem Verantwortungsbegriff auseinander. Allerdings bezieht
sie Verantwortung meist auf die Verantwortung vor Gott. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit
wird die theologische Perspektive nicht weiter ausgeführt. Vgl. hierzu Schwartländer, Johannes
(Verantwortung 1974), S. 1579.
16
Vgl. Srnka, Katharina (Ethik 1997), S. 2.

3
die Verantwortung, nicht zuletzt auch durch die im Jahre 1919 von Max Weber
eingeführte Unterscheidung zwischen ,,Gesinnungs- und Verantwortungs-
ethik"
17
, zu einem ,,Leitbegriff"
18
, der fortan einen ganzen ,,Typus ethischer The-
orien"
19
charakterisieren sollte. Die Analyse des Begriffs ,,Verantwortung" erfolg-
te hier jedoch aus dem Blickwinkel der Individualethik, d.h. Verantwortung ist
zunächst ausschließlich auf Individuen bezogen.
20
Dies führt bei der Auswei-
tung des Verantwortungskonzepts auf Unternehmen zu theoretischen Schwie-
rigkeiten, da in diesem Fall nicht länger einzelne Individuen, sondern gesamte
Unternehmungen im Blickpunkt stehen.
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag dazu leisten, das Konstrukt ,,Verant-
wortung" zu konzeptualisieren und anschließend auf Unternehmen zu übertra-
gen. Im Mittelpunkt der weiteren Ausführungen stehen insbesondere folgende
Fragestellungen, die in den einzelnen Kapiteln beantwortet werden sollen:
· Was ist unter Verantwortung aus Sicht der Ethik zu verstehen?
· Kann der individualethische Verantwortungsbegriff auf Unternehmen
übertragen werden bzw. sind Unternehmen überhaupt verantwortungs-
fähig?
· Für wen oder was tragen Unternehmen Verantwortung?
· Gegenüber wem haben Unternehmen eine Verantwortung wahrzuneh-
men bzw. vor wem haben sie diese zu vertreten?
Zunächst erfolgt in Kapitel 2 eine theoretische Auseinandersetzung mit dem
Verantwortungsbegriff, der sich durch seine vielseitige, oftmals diffuse Verwen-
dung auszeichnet. Dies geschieht zunächst aus dem Blickwinkel der Individual-
ethik. Im Einzelnen sollen die wesentlichen Merkmale des individualethischen
Verantwortungsbegriffs erarbeitet, die Voraussetzungen der Verantwortungszu-
schreibung erläutert und verschiedene Verantwortungstypen unterschieden
werden. Zielsetzung des zweiten Kapitels der Arbeit ist es, anhand der erarbei-
17
Vgl. Banzhaf, Günter (Philosophie 2002), S. 17.
18
Molitor bezeichnet Verantwortung gar als den zentralen Begriff der Ethik. Vgl. hierzu Molitor,
Bruno (Wirtschaftsethik 1989), S. 35.
19
Bayertz, Kurt (Verantwortung 1995), S. 3.
20
Vgl. Noll, Bernd (Unternehmensethik 2002), S. 36.

4
teten theoretischen Grundlagen eine Basis für die anschließende Ausweitung
des Verantwortungsbegriffs auf Unternehmen zu schaffen.
Im dritten Kapitel der Arbeit werden die gewonnenen Erkenntnisse auf Unter-
nehmen übertragen und deren eigenständige Verantwortungsfähigkeit analy-
siert. Hierzu wird zunächst ein Unternehmensmodell vorgestellt, das sich an der
Systemtheorie der Betriebswirtschaftslehre orientiert.
Im Anschluss befasst sich Kapitel 4 mit der inhaltlichen Bestimmung der unter-
nehmerischen Verantwortung. Anhand von Beispielen soll der Bezug zur Praxis
hergestellt sowie die einzelnen Verantwortungstypen auf Unternehmen übertra-
gen und inhaltlich konkretisiert werden. Abschließend soll das Konstrukt ,,Ver-
antwortung von Unternehmen" kritisch analysiert und die wesentlichen Ergeb-
nisse der Arbeit noch einmal zusammengefasst werden.
Aus der beschriebenen Zielsetzung bzw. Vorgehensweise ergibt sich folgende
Struktur der Arbeit, die in Abbildung 1 grafisch zusammengefasst ist.
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit
21
21
Eigene Abbildung.

5
2 Der individualethische Begriff der Verantwortung
,,Alles was uns gewöhnlich, normal und selbstverständlich erscheint, sollte uns
befremden."
22
Diese Erkenntnis Bertolt Brechts steht sinnbildlich für den Begriff
Verantwortung. Kaum ein anderes Wort der deutschen Sprache zeichnet sich
durch eine solch selbstverständliche Verwendung im alltäglichen Sprach-
gebrauch aus und ist dabei so komplex und vielseitig zu deuten. Tagtäglich gibt
es nicht nur unterschiedlichste Gründe nachzufragen, wer für etwas verantwort-
lich ist, sondern auch Anlässe genug, zu ergründen, was es eigentlich ist oder
sein kann, das wir mit dem Begriff ,,Verantwortung" ausdrücken wollen. Doch
sucht man nach einer Definition von Verantwortung, wird man schnell feststel-
len, dass ein allgemein akzeptiertes Begriffsverständnis nicht auszumachen
ist.
23
Um die Bedeutung des Begriffs ,,Verantwortung" konkretisieren zu können, be-
fasst sich der nachfolgende Abschnitt in einem ersten Zugriff mit seiner sprach-
lichen Herkunft und der ursprünglichen etymologischen Bedeutung des Wortes
,,Verantwortung". Im Anschluss daran werden Beispiele für seine sprachliche
Verwendung gegeben, aus denen nachfolgend der formale Charakter des Ver-
antwortungsbegriffs abgeleitet werden soll. Kapitel 2.4 befasst sich anschlie-
ßend mit den Voraussetzungen, die für die Zuschreibung von Verantwortung
erfüllt sein müssen. Zum Abschluss des Kapitels werden die verschiedenen
Verantwortungstypen vorgestellt.
2.1 Etymologische Wurzeln des Wortes ,,Verantwortung"
Das Verb ,,verantworten" ist ein relativ neues Wort der deutschen Sprache, das
im Mittelhochdeutschen (,,verantwürten"
24
) erstmals in der zweiten Hälfte des
14. Jahrhunderts auftauchte.
25
Ursprünglich wurde es, analog zum lateinischen
Begriff ,,respondere"
26
, vorwiegend im Rechtsleben des Mittelalters verwendet.
Verantworten bedeutete zunächst, vor Gericht auf eine Anklage zu antworten
bzw. ein Handeln zu rechtfertigen, wenn einem eine bestimmte Tat und deren
Folgen vorgeworfen wurden.
27
Das zugehörige Substantiv ,,Verantwortung",
22
Bertolt Brecht zitiert in Specht, Nina (Entertainment 2002), S. 2.
23
Vgl. Kyora, Stefan (Unternehmensethik 2001), S. 11; Lenk, Hans (Wissenschaft 1992), S. 25.
24
Duden (Wörterbuch 1995), S. 3625.
25
Vgl. Davis, Winston (Modern Virtue 2001), S. 2.
26
Aus dem lateinischen Verb ,,respondere" (antworten) leitet sich auch das englische Substantiv
,,responsibility" ab. Vgl. hierzu Bayertz, Kurt (Verantwortung 1995), S. 16.
27
Vgl. Schwartländer, Johannes (Verantwortung 1974), S. 1579.

6
dessen Spuren sich bis in das 15. Jahrhundert zurückverfolgen lassen, um-
schreibt laut Duden ursprünglich eine ,,Verpflichtung, für etwas einzutreten oder
die Folgen zu tragen"
28
. In den vergangenen Jahrhunderten hat sich der seman-
tische Anwendungsbereich des Begriffs ,,Verantwortung" über den juristischen
Kontext hinaus erheblich erweitert.
2.2 Der Begriff ,,Verantwortung" im allgemeinen Sprachgebrauch
In der deutschen Sprache der Gegenwart spricht man im alltäglichen Gebrauch
in unterschiedlicher Weise von Verantwortung. Seit dem Aufkommen des Beg-
riffs Verantwortung im Mittelalter hat sich eine Vielzahl von weiteren Wörtern
desselben Wortstammes (z.B. verantwortbar, verantwortlich) sowie zahlreiche
Redewendungen (z.B. jemanden zur Verantwortung ziehen) herausgebildet, auf
deren exakte Bedeutung im Rahmen der vorliegenden Arbeit allerdings nicht
näher eingegangen werden soll. Die kurze Darstellung der nachfolgend ange-
führten, semantischen Sinnrichtungen von Verantwortung erhebt somit sicher-
lich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die verschiedenen kontextabhängigen
Bedeutungen verdeutlichen vielmehr, wie unterschiedlich der Begriff Verantwor-
tung verwendet wird und geben darüber hinaus erste Hinweise auf die ver-
schiedenen Ausprägungen und Elemente des Verantwortungskonstrukts.
Mieg identifiziert wenigstens drei sprachliche Sinnrichtungen bei der Verwen-
dung des Wortes ,,Verantwortung" (vgl. Abb. 2), die im Folgenden kurz erläutert
werden.
Abbildung 2: Sinnrichtungen des Wortes Verantwortung
29
1. Verantwortung im Sinne von Fürsorge ist als Handeln für andere Men-
schen zu verstehen.
30
Beispielhaft sind Sätze wie ,,Eine Mutter trägt die
Verantwortung für ihre Kinder." In diesem Zusammenhang erfolgt eine Zu-
28
Duden (Herkunftswörterbuch 2001), S. 888.
29
Eigene Abbildung in Anlehnung an Mieg, Harald (Verantwortung 1994), S. 11.
30
Vgl. Mieg, Harald (Verantwortung 1994), S. 11.

7
ordnung von Zuständigkeiten, d.h. es wird festgelegt, für wen oder was ein
handelndes Subjekt verantwortlich ist.
31
2. Die
zweite
Sinnrichtung sieht Verantwortung als Legitimation von Macht.
32
In diesem Kontext kann Verantwortung als Grundlage und Rechtfertigung
einer Machtposition gesehen werden, aus der sich umfangreiche Befugnis-
se ableiten lassen. Je größer beispielsweise der Zuständigkeitsbereich ei-
nes Managers ist, d.h. je mehr Verantwortung er trägt, desto einflussreicher
und wirkungsvoller wird letztendlich auch seine Machtposition im Unter-
nehmen sein. Verantwortung ist in diesem Sinne also eng verknüpft mit Zu-
ständigkeiten, die als Rollen auf Individuen übertragen werden
33
, z.B. als
Verantwortung eines Personalvorstands, der die gesamte Personalpolitik im
Unternehmen U verantwortet und somit gleichzeitig für alle Mitarbeiter die-
ses Unternehmens zuständig bzw. verantwortlich ist.
3. Gemäß der dritten Sinnrichtung ist Verantwortung als Verantwortlichkeit
zu verstehen.
34
Verantwortlichkeit setzt ein konkretes menschliches Han-
deln voraus, das Ursache eines (negativen) Ereignisses ist. Einem Verant-
wortungssubjekt wird die Schuld für die (negativen) Folgen seines Handelns
zugeschrieben, es wird kausal dafür verantwortlich gemacht.
35
Beispielhaft
sind Sätze wie ,,Der Attentäter ist für den Tod von 10 Menschen verantwort-
lich." oder ,,Die lang anhaltende Trockenheit war für den Waldbrand verant-
wortlich." Im letztgenannten Falle wird zwar ebenfalls die Ursache eines Er-
eignisses identifiziert, das jedoch in diesem Zusammenhang nicht auf das
Handeln eines menschlichen Individuums zurückzuführen ist und somit
auch niemandem zugerechnet werden kann. In diesem sprachlich recht
häufig vorkommenden Fall erfolgt die Verwendung des Adjektivs ,,verant-
wortlich" in einem übertragenen Sinne, bezeichnet also lediglich eine Ursa-
che-Wirkungs-Beziehung und ist somit rein deskriptiven Charakters.
2.3 Die formale Struktur des Verantwortungsbegriffs
Die in Kapitel 2.2 aufgeführten Beispiele geben bereits erste Hinweise über die
Struktur des Verantwortungsbegriffs. Im Beispiel des Attentäters muss ein Indi-
31
Vgl. Banzhaf, Günter (Philosophie 2002), S. 149.
32
Vgl. Mieg, Harald (Verantwortung 1994), S. 12.
33
Vgl. Schwartländer, Johannes (Verantwortung 1974), S. 1583.
34
Vgl. Mieg, Harald (Verantwortung 1994), S. 11.
35
Vgl. Bayertz, Kurt (Verantwortung 1995), S. 5.

8
viduum für seine Handlung (die Tötung unschuldiger Opfer) eintreten bzw. die
Verantwortung für deren Folgen übernehmen.
36
Der Verantwortungsbegriff
bringt somit verschiedene Elemente in Beziehung zueinander, in diesem Fall
ein Subjekt (den Attentäter), das für ein Objekt (im Sinne einer durchgeführten
Handlung z.B. der Tötung vieler Menschen) eintreten bzw. dafür die Verantwor-
tung zu übernehmen hat. Diese drei Elemente, das ,,Eintreten-Müssen" stellt in
diesem Zusammenhang als relationale Verknüpfung ein eigenes Element dar,
bilden gewissermaßen den Kern der Verantwortungsrelation.
37
Lenk identifiziert bezüglich des formalen Charakters des Verantwortungsbegriffs
insgesamt sechs Relationen.
38
Diese sind in Abbildung 3 grafisch dargestellt.
Abbildung 3: Elemente der Verantwortungsrelation
39
Nach Lenk ist ein Verantwortungssubjekt gegenüber einem Adressaten für
ein Objekt vor einer Instanz in Bezug auf ein bestimmtes Kriterium im Rah-
men eines Verantwortlichkeitsbereiches verantwortlich.
Verantwortung ist demnach ein ,,mehrstelliger Relationsbegriff"
40
. Die einzelnen
Elemente der Verantwortungsrelation sollen im Folgenden jeweils kurz genauer
erläutert werden.
36
Vgl. hierzu Punkt 3 im Kapitel 2.2.
37
Vgl. Fetzer, Joachim (Verantwortung 2004), S. 88.
38
Vgl. Lenk, Hans (Humanität 1998), S. 273.
39
Eigene Abbildung in Anlehnung an Lenk, Hans (Wissenschaft 1992), S. 81.
40
Grimm, Bernhard, A. (Macht 1996), S. 69.

9
· Der relationale Verantwortungsbegriff bezieht sich zunächst auf das Subjekt
der Verantwortung: Jemand verantwortet etwas. Verantwortungssubjekte
müssen eindeutig identifizierbar sein. Dies setzt eine eigene Identität vor-
aus.
41
Wie bereits erwähnt, werden in der Individualethik per definitionem
ausschließlich (menschliche) Individuen als Subjekte der Verantwortungsre-
lation betrachtet.
42
In Kapitel 3 der Arbeit wird im Rahmen der Ausweitung
des Verantwortungsbegriffs auf Unternehmen zudem überprüft, ob auch Un-
ternehmen als Verantwortungssubjekte in Frage kommen.
· Das Verantwortungssubjekt ist für ein Verantwortungsobjekt verantwort-
lich. Dies können beispielsweise ein Ereignis, ein Objekt oder eine Handlung
(im Sinne eines Tun oder Unterlassens) und die damit verknüpften Hand-
lungsfolgen sein.
43
Liegen bestimmte Voraussetzungen vor, hat das Subjekt
neben dem eigenen Handeln auch fremdes Handeln zu vertreten.
44
· Das Verantwortungssubjekt hat sich für das Verantwortungsobjekt gegen-
über einem Verantwortungsadressaten zu rechtfertigen. Dieser kann,
muss aber nicht, mit der Verantwortungsinstanz übereinstimmen.
45
Adressa-
ten und Instanzen stellen also zumindest formal immer zwei unterschiedli-
che Elemente der Verantwortungsrelation dar.
· Instanzen, vor denen man für sein Handeln zur Verantwortung gezogen
wurde, waren in der ursprünglichen Wortbedeutung des Verantwortungsbeg-
riffs die Gerichte.
46
Nach Höffe kommen als Verantwortungsinstanzen aber
auch Mitmenschen, der Staat, Institutionen und Organisationen, das eigene
Gewissen oder Gott in Frage.
47
· Die Verantwortungsinstanz beurteilt das Objekt der Verantwortung, z.B. die
Folgen einer Handlung, anhand bestimmter Kriterien. Bayertz weist darauf
hin, dass die normative ,,Zurechnung von Verantwortung stets mit einem
Werturteil"
48
verbunden ist, das bei der Beurteilung des Objekts von der In-
41
Vgl. Fetzer, Joachim (Verantwortung 2004), S. 142.
42
Vgl. Wuttke, Stephan (Controlling 2000), S. 35f.
43
Vgl. Lenk, Hans (Ethik 1997), S. 90.
44
So haften beispielsweise Eltern bei Verletzung ihrer Aufsichtspflicht für ihre Kinder. Vgl. hier-
zu Lenk, Hans (Wissenschaft 1992), S. 82.
45
Vgl. Maring, Matthias (Korporative Verantwortung 2001), S. 14 sowie Kapitel 4.2.2.4.
46
Vgl. Kapitel 2.1.
47
Vgl. Höffe, Otfried (Verantwortung 2002), S. 275.
48
Bayertz, Kurt (Verantwortung 1995), S. 13.

10
stanz zugrunde gelegt wird.
49
In den meisten Fällen muss sich ein Subjekt
für sein Tun oder Unterlassen verantworten, wenn bestehende gesellschaft-
liche Normen, moralische Wertemuster, Richtlinien, Sitten oder Standards
nicht beachtet werden.
50
Beispielsweise erfolgt die normative Bewertung ei-
nes Handelns im Bereich der rechtlichen Verantwortung anhand gesetzlich
festgehaltener Rechtsnormen.
51
Missachtet bzw. verstößt ein Verantwor-
tungssubjekt in seinem Handeln gegen diese, wird es dafür unweigerlich vor
der zuständigen Instanz (der Gerichtsbarkeit) zur Verantwortung gezogen.
· Als letztes formales Element der Verantwortungsrelation führt Lenk einen
bestimmten Verantwortungs- bzw. Handlungsbereich an
52
, in dessen
Rahmen das Subjekt verantwortlich ist und somit die Verantwortung auf die-
sen begrenzt wird.
53
Was genau unter der Relation des Verantwortungs-
bzw. Handlungsbereichs zu verstehen ist, wird jedoch in Lenks Ausführun-
gen nicht näher erläutert.
54
Die vorangegangene kurze Analyse der einzelnen Elemente der Verantwor-
tungsrelation soll dem Leser als Grundlage zur Unterscheidung verschiedener
Verantwortungstypen in Kapitel 2.5 dienen. Die vorgestellten Verantwortungsty-
pen unterscheiden sich dabei in der inhaltlichen Ausprägung der einzelnen for-
malen Bestandteile.
55
Je nach Situation, in der von Verantwortung die Rede ist,
können neben den Verantwortungssubjekten und den Objekten, für die Verant-
wortung übernommen wird, auch die Instanzen vor denen die Subjekte zur Ver-
antwortung gezogen werden sowie die Beurteilungskriterien variieren.
Als weiteres Unterscheidungsmerkmal, das allerdings nicht den Elementen der
Verantwortungsrelation zugerechnet wird, sei der Vollständigkeit halber an die-
ser Stelle auch die zeitliche Komponente der Verantwortung genannt.
56
Je-
mand ist für sein Handeln hinsichtlich eines bestimmten Zeitpunktes verantwort-
lich. In der ethischen Diskussion der letzten Jahrzehnte wurde Verantwortung
als retrospektiver Begriff gesehen. Verantwortung ergibt sich gemäß dieser
49
Vgl. Schüz, Matthias (Werte 1999), S. 147.
50
Vgl. Lenk, Hans (Ethik 1997), S. 90.
51
Vgl. zur rechtlichen Verantwortung Kapitel 2.5.4.
52
Vgl. Lenk, Hans (Wissenschaft 1992), S. 82.
53
Vgl. Fetzer, Joachim (Verantwortung 2004), S. 90.
54
Vgl. Lenk, Hans (Wissenschaft 1992), S. 82.
55
Vgl. Kyora, Stefan (Unternehmensethik 2001), S. 13.
56
Lenk definiert die verschiedenen Zeitmodi als ,,sekundäre Unterscheidungen". Vgl. hierzu
Lenk, Hans (Wissenschaft 1992), S. 82.

11
Auffassung stets ex post, beispielsweise aus den Folgen einer bereits gesche-
henen Handlung heraus.
57
Der moderne Verantwortungsbegriff der Ethik ist
hingegen eher prospektiver Natur und zielt somit auch auf die Vermeidung
zukünftiger Schäden bzw. auf die Erhaltung und/oder Herstellung gewünschter
Zustände ab.
58
Diese sog. ,,Ethik der Zukunftsverantwortung"
59
betrachtet also
insbesondere die zukünftigen Folgen eines Handelns.
60
2.4 Rahmenbedingungen der Verantwortungszuschreibung
Der Sinn und Zweck des Verantwortungsbegriffs besteht nach Bayertz darin,
eine Beziehung zwischen Subjekten und Objekten als Kernelemente
61
der Ver-
antwortungsrelation herzustellen.
62
Das ist ,,immer dann gelungen, wenn das
Objekt einem Subjekt zugerechnet"
63
werden kann. Das Subjekt kann mit dem
Objekt durch eine kausale Ursache-Wirkungs-Beziehung verknüpft sein. Doch
die bloße Kausalität reicht für eine sinnvolle Verantwortungszuschreibung nicht
aus.
64
Damit eine normative Zurechnung bzw. Zuschreibung von Verantwortung
erfolgen kann, müssen weitere Rahmenbedingungen bezüglich der Handlungs-
fähigkeit eines Subjekts berücksichtigt werden. Diese sollen im Folgenden kurz
erläutert werden. Neben einer eindeutigen Identifizierbarkeit des Subjekts im
Sinne seiner eigenen Identität
65
sind seine Intentionalität, die Vorhersehbar-
keit der Handlungsfolgen sowie die Freiwilligkeit der Handlung Prämissen
seiner Handlungs- und Verantwortungsfähigkeit.
66
· Ein Subjekt kann dann für eine Handlung und deren Folgen verantwortlich
gemacht werden, wenn es diese tatsächlich so ausführen wollte bzw. inten-
diert hatte. Die Intentionalität des Handelnden ergibt sich dabei aus einer
bewussten Entscheidung für eine bestimmte, aus verschiedenen Hand-
lungsalternativen ausgewählte Handlung.
67
57
Vgl. Banzhaf, Günter (Philosophie 2002), S. 90.
58
Vgl. Bayertz, Kurt (Verantwortung 1995), S. 45.
59
Grimm, Bernhard, A. (Macht 1996), S. 79 sowie Kapitel 5.
60
Ropohl spricht in diesem Zusammenhang auch von den sekundären Handlungsfolgen. Vgl.
hierzu Ropohl, Günther (Technik 1987), S. 156.
61
Vgl. Kapitel 2.3.
62
Vgl. Bayertz, Kurt (Verantwortung 1995), S. 64.
63
Bayertz, Kurt (Verantwortung 1995), S. 64.
64
Vgl. Kapitel 2.2: ,,Die lang anhaltende Trockenheit war für den Waldbrand verantwortlich."
Obwohl die Trockenheit kausale Ursache für den Waldbrand war, kann sie dennoch nicht dafür
verantwortlich gemacht werden. Die Verantwortungszuschreibung erfolgt also im übertragenen
Sinne (deskriptiv) und nicht normativ.
65
Vgl. Fetzer, Joachim (Verantwortung 2004), S. 142.
66
Vgl. Fetzer, Joachim (Verantwortung 2004), S. 92.
67
Vgl. Bierhoff, Hans W. (Verantwortungsbereitschaft 1995), S. 230.

12
· Verantwortung kann einem Subjekt auch für alle Handlungsfolgen zuge-
schrieben werden, die als solche vorhersehbar, aber nicht unbedingt inten-
diert waren. Dies ist dann der Fall, wenn sich das Subjekt der möglichen ne-
gativen Konsequenzen von bestimmten Handlungen grundsätzlich bewusst
ist
68
und diese durch sein Handeln billigend in Kauf nimmt.
· Die
Freiwilligkeit der Handlung eines Subjekts setzt voraus, dass es nicht
durch äußere Zwänge (z.B. Erpressungen) oder durch innere Faktoren (z.B.
Geisteskrankheit) determiniert ist.
69
Verantwortung kann einem Subjekt also
nur für das ,,willens- und vernunftgesteuerte"
70
Handeln bzw. dessen Folgen
zugeschrieben werden.
Gerade im Bereich der rechtlichen Verantwortung ist die Berücksichtigung die-
ser Rahmenbedingungen bei der Frage der Verantwortungszuschreibung von
großer Bedeutung. Insbesondere die Determination des Handelns kann im
Recht zu einer Delikts- bzw. Schuldunfähigkeit des Handlungssubjektes führen,
wodurch letztlich die Zuschreibung von rechtlicher Verantwortung unmöglich
wird.
71
Sie soll neben drei weiteren Typen der Verantwortung im folgenden Ab-
schnitt näher erläutert werden.
2.5 Typen der Verantwortung
In der philosophischen Literatur, insbesondere im Bereich der Ethik, ist eine
Vielzahl unterschiedlicher Klassifizierungen und Modelle verschiedener Verant-
wortungstypen zu finden, die im Einzelnen nicht alle erläutert werden können.
Nachfolgend werden insgesamt vier Typen unterschieden: die übergeordnete
Handlungs(-ergebnis)verantwortung, die Aufgaben- und Rollenverantwor-
tung, die moralische Verantwortung sowie die rechtliche Verantwortung.
72
Da sich die einzelnen Verantwortungstypen in der Praxis oftmals überschneiden
und eine trennscharfe Abgrenzung somit unmöglich machen, ist die vorgenom-
mene formale Unterscheidung jedoch rein analytischer Natur.
73
68
Vgl. Bierhoff, Hans W. (Verantwortungsbereitschaft 1995), S. 229.
69
Vgl. Bayertz, Kurt (Verantwortung 1995), S. 8ff.
70
Grimm, Bernhard, A. (Macht 1996), S. 73.
71
Vgl. hierzu Kapitel 2.5.4 sowie ausführlich zur Schuldfähigkeit Abbildung 15 sowie zur Delikts-
fähigkeit Abbildung 16 in Anhang.
72
Grundlage der Differenzierung ist die Einteilung der Verantwortungstypen nach Lenk. Die
vorgestellten Verantwortungstypen können ihrerseits noch weiter ausdifferenziert werden. Vgl.
hierzu Lenk, Hans (Ethik 1997), S. 91ff; Banzhaf, Günter (Philosophie 2002), S. 83ff; Maring,
Matthias (Korporative Verantwortung 2001), S. 14f; Lenk, Hans (Wissenschaft 1992), S. 27ff;
Lenk, Hans (Technik 1987), S. 116ff; Lenk, Hans (Humanität 1998), S. 283.
73
Vgl. Lenk, Hans (Humanität 1998), S. 283.

13
2.5.1 Handlungs(-ergebnis)verantwortung
Der am weitesten gefasste und gewissermaßen nächstliegende Verantwor-
tungstyp ist die Handlungs(-ergebnis)verantwortung. Sie wird häufig auch als
(positive) Kausalhandlungsverantwortung
74
bezeichnet und schreibt dem Hand-
lungssubjekt die Verantwortung für die beabsichtigten und unbeabsichtigten
Ergebnisse, Folgen und Nebenfolgen seines eigenen Handelns zu.
75
Einen Untertyp der Handlungs(-ergebnis)verantwortung stellt die negative Kau-
salhandlungsverantwortung dar. Sie bezeichnet Fälle, in denen Unterlassungen
bzw. Nichthandeln in einem kausalen Zusammenhang mit einem negativen Er-
gebnis (Schaden) stehen, beispielsweise im Falle von unterlassener Hilfeleis-
tung.
76
Die Zuschreibung von Handlungs(-ergebnis)verantwortung erfolgt zu-
nächst deskriptiv, kann aber als Voraussetzung für die normative Verantwor-
tungszuschreibung durch andere Verantwortungstypen aufgefasst werden.
77
Die Handlungs(-ergebnis)verantwortung kann hierzu auf verschiedene Aufga-
ben und Rollen bezogen oder auch moralisch bzw. rechtlich gedeutet werden.
78
Neben der bloßen Kausalität der Handlung muss in diesen Fällen für die norma-
tive Zuschreibung von Verantwortung auch die Handlungsfreiheit oder die Inten-
tionalität des Subjekts berücksichtigt werden.
79
Somit ist dieser erste Verantwortungstyp zunächst nur als eine übergeordnete,
schematische Einteilung zu sehen, die auf konkretere Bereiche, Erwartungen,
ethische Normen oder auch Verträge bezogen und ergänzt werden muss.
80
2.5.2 Aufgaben- und Rollenverantwortung
Eine Möglichkeit der Konkretisierung stellt die Aufgaben- und Rollenverant-
wortung dar. Sie bezeichnet die Verantwortung, die mit der Übernahme be-
stimmter Rollen, Funktionen oder Ämter einhergeht.
81
Hierbei ist das Subjekt für
die Erfüllung der mit der Rolle verknüpften Erwartungen bzw. der damit verbun-
denen Aufgaben und Pflichten verantwortlich.
82
Die Rollen(-anforderungen)
74
Vgl. Lenk, Hans (Technik 1987), S. 116.
75
Vgl. Ropohl, Günther (Technik 1987), S. 156.
76
Vgl. Lenk, Hans (Ethik 1997), S. 92.
77
Vgl. Maring, Matthias (Korporative Verantwortung 2001), S. 24.
78
Vgl. Maring, Matthias (Korporative Verantwortung 2001), S. 14f.
79
Vgl. hierzu Kapitel 2.4.
80
Vgl. Maring, Matthias (Korporative Verantwortung 2001), S. 14.
81
Vgl. Höffe, Otfried (Verantwortung 2002), S. 275.
82
Vgl. Lenk, Hans (Ethik 1997), S. 92.

14
werden meist von der übertragenden Instanz formuliert und können in Form
eines formellen Vertrags (z.B. Arbeitsvertrag) festgelegt sein.
83
Die Verantwortung, die sich aus solchen übertragenen Aufgaben und Rollen
ergibt, bezieht sich also meist auf bestimmte, von der übertragenden Instanz
formell festgelegte Ziele oder vorgegebene Normen
84
und ist somit zunächst als
,,moralisch neutral"
85
einzustufen. Beispielsweise ist jeder Angestellte im Rah-
men einer vertraglich festgelegten ,,Job Description" für Handlungen und Unter-
lassungen gegenüber seinem Arbeitgeber (als Verantwortungsinstanz und Ver-
antwortungsadressat) verantwortlich. Die mit einer Rolle bzw. Aufgabe verbun-
denen Anforderungen können durch die übertragende Instanz im Zeitverlauf
neu definiert werden.
86
Das Subjekt hat sich also den ständig veränderten Rol-
lenanforderungen anzupassen, da es bei Missachtung bzw. Verstößen gegen
die formulierten Erwartungen die Legitimation verliert, weiterhin die Rolle aus-
zuführen.
87
Erfüllt beispielsweise ein Angestellter die an ihn gerichteten, ver-
traglich festgelegten Erwartungen längerfristig nicht, wird er wahrscheinlich ent-
lassen und die Rolle neu besetzt werden.
Diese strikte Abgrenzung der Aufgaben- und Rollenverantwortung von der mo-
ralischen Dimension wird in der Literatur jedoch kritisch behandelt. Banzhaf
weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ,,mit unseren Rollen als Mitar-
beiter eines Unternehmens, als Eltern oder Mitbürgerinnen ganz bestimmte mo-
ralische Erwartungen von Leistungsbereitschaft über Loyalität bis hin zur Um-
sicht oder Sorgfalt verbunden"
88
sind. Gemäß Banzhafs Argumentation richtet
sich die Aufgaben- und Rollenverantwortung somit nicht ausschließlich an den
vorgegebenen Erwartungen, Zielen und Werten der übertragenden Instanz,
sondern auch an übergeordneten, in einer Gesellschaft verankerten (morali-
schen) Anforderungen und Erwartungen aus. Demnach können sich die mit ei-
ner spezifischen Aufgabe bzw. Rolle verknüpften Verantwortlichkeiten auch in-
formell, aus allgemeingültigen Wertvorstellungen sowie moralischen Grundwer-
83
Vgl. Fetzer, Joachim (Verantwortung 2004), S. 91.
84
Die entsprechenden Ziele und Normen sind meist im Zielsystem bzw. in den Unternehmens-
grundsätzen verankert. Vgl. hierzu Kapitel 3.1.2.
85
Lenk, Hans (Technik 1987), S. 115.
86
Vgl. Farmer, Richard N., Hogue, Dickerson W. (Corporate 1985), S. 18.
87
Vgl. Farmer, Richard N., Hogue, Dickerson W. (Corporate 1985), S. 19.
88
Banzhaf, Günter (Philosophie 2002), S. 85.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783832490607
ISBN (Paperback)
9783838690605
DOI
10.3239/9783832490607
Dateigröße
4.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München – Fakultät für Betriebswirtschaft
Erscheinungsdatum
2005 (Oktober)
Note
1,7
Schlagworte
responsibility citizenship shareholder stakeholder unternehmensethik
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