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Erstellung eines Konzeptes zum informatorischen Unbundling in einem mittelständischen, vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen

©2005 Diplomarbeit 83 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Bis zur Liberalisierung des europäischen Strom- und Gasmarktes im Jahre 1998 agierten Energieversorgungsunternehmen als Monopolisten mit unterschiedlichen Gesellschaftsstrukturen. Für den Kunden war ein Anbieterwechsel nicht möglich. Er musste seine Energie, von dem ihm zugeteilten Versorgungsunternehmen und zu einem vorgegebenen Preis beziehen, der sich kostenorientiert gestaltete und bei Tarifkunden von einer staatlichen Preisaufsicht genehmigt werden musste. Die Öffnung der Elektrizitäts- und Erdgasmärkte auf Grundlage der EU-Richtlinien von 1996 und 1998 hatte zum Ziel, die Effizienz im Energiesektor und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu verbessern und letztlich auch den Preis für den Endkunden zu senken.
Es hat sich jedoch im Laufe der Jahre gezeigt, dass die Struktur des deutschen liberalisierten Strom- und Gasmarktes nach wie vor nicht marktwirtschaftlich ausgerichtet ist. Die bis heute beibehaltene Wertschöpfungskette Erzeugung, Handel, Übertragung und Vertrieb in demselben vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen schafft den Unternehmen Anreize, ihre Monopolstellung gegen Wettbewerber weiterhin einzusetzen. Sie sind somit in der Lage, den funktionierenden Wettbewerb zum Nachteil fremder Netznutzer auf verschiedene Art und Weise zu stören und hemmen damit den Wettbewerb.
Um dem entgegenzuwirken, haben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union neue Richtlinien über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitäts- und Erdgasbinnenmarkt (Beschleunigungsrichtlinien) erlassen. Sie fordern eine Trennung der einzelnen Geschäftsbereiche zum gesellschaftsrechtlichen, organisatorischen, buchhalterischen und informatorischen Unbundling. Hierdurch entstehen neue Unternehmenstypen, die sich unabhängig voneinander im Energiemarkt bewegen.
Obwohl die wesentlichen Regelungsvorgaben zum Unbundling in der nationalen Umsetzung der Beschleunigungsrichtlinien - dem Zweiten Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts - festgelegt sind und diese ca. 95% der internen Unternehmensausrichtung umfassen, warten viele Energieversorger mit dem Beginn der Umsetzung dieser Vorschriften ab. Diese Tendenz ist gerade im Bereich des informatorischen Unbundling zu erkennen und das, obwohl die Entflechtung gravierende Auswirkungen auf die Informationstechnologie hat.

Gang der Untersuchung:
Die vorliegende Diplomarbeit setzt sich im speziellen mit dem Themengebiet des informatorischen […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 9051
Börgartz, Marc: Erstellung eines Konzeptes zum informatorischen Unbundling in einem
mittelständischen, vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen
Hamburg: Diplomica GmbH, 2005
Zugl.: FOM - Fachhochschule für Oekonomie und Management Essen,
Diplomarbeit, 2005
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2005
Printed in Germany

I
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis ...III
Abbildungsverzeichnis ... V
1 Einführung...1
1.1 Ausgangslage ... 1
1.2 Thematische Abgrenzung und Vorgehensweise ... 2
2 Grundlagen...5
2.1 Rahmenbedingungen der deutschen Energiewirtschaft ... 5
2.2 Ziele des Unbundling... 8
2.3 Formen des Unbundling ... 10
2.4 Anforderungen an das informatorische Unbundling ... 13
2.5 Vorgehensweise zur Erstellung eines Umsetzungskonzepts ... 16
3 Geschäftsprozessanalyse...19
3.1 Identifikation der kritischen Geschäftsprozesse ... 19
3.2 Hausanschlusswesen... 25
3.2.1
Prozessbeschreibung ... 26
3.2.2
Prozessbewertung ... 27
3.3 Lieferantenwechsel ... 28
3.3.1
Prozessbeschreibung ... 29
3.3.2
Prozessbewertung ... 30
3.4 Verbrauchsabrechnung ... 31
3.4.1
Prozessbeschreibung ... 33
3.4.2
Prozessbewertung ... 34
3.5 Betroffene Organisationseinheiten und Anwendungssysteme ... 35
4 Systemanalyse...38
4.1 Abrechnungssystem... 38
4.1.1
Beschreibung des Systems ... 38
4.1.2
Zukünftige Weiterentwicklung seitens der Anbieter ... 40
4.2 Customer-Relationship-Management-System... 41
4.2.1
Beschreibung des Systems ... 41
4.2.2
Zukünftige Weiterentwicklung seitens des Anbieters... 43
4.3 Energiedatenmanagement-System ... 44

II
4.3.1
Beschreibung des Systems ... 44
4.3.2
Zukünftige Weiterentwicklung seitens der Anbieter ... 45
4.4 Abhängigkeiten und Schnittstellen der Systeme ... 45
5 Umsetzungskonzept ...48
5.1 Kriterien zum Umsetzungskonzept... 48
5.2 Organisatorische Maßnahmen ... 49
5.2.1
Grundsätzliche Lösungsalternativen... 50
5.2.2
Handlungsempfehlungen... 53
5.3 Informationstechnische Maßnahmen ... 54
5.3.1
Abrechnungssystem ... 55
5.3.2
Customer-Relationship-Management-System ... 59
5.3.3
Energiedatenmanagement-System ... 62
5.4 Zusammenfassung der Maßnahmen... 64
6 Fazit ...66
Literaturverzeichnis ...67
Rechtsprechungsverzeichnis...75

III
Abkürzungsverzeichnis
bzw.
beziehungsweise
CCS
Customer Care & Service
CRM Customer-Relationship-Management
CRM-System Customer-Relationship-Management-System
EDI Electronic
Data
Interchange
EDM-System Energiedatenmanagement-System
EEG Erneuerbare-Energien-Gesetz
EnWG Energiewirtschaftsgesetz
EnWG-E
Zweites Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschafts-
rechts
ERP
Enterprise Resource Planning
EU Europäische
Union
EVU Energieversorgungsunternehmen
F. Folie
ggf. gegebenenfalls
Hrsg. Herausgeber
i. d. R.
in der Regel
IDE
Intercompany Data Exchange
IDEX-GE
Intercompany Data Exchange Extended ­ German Elec-
tricity
inkl. inklusive
IS-U
Industry Solution Utilities
o. O.
ohne Ort
o. V.
ohne Verfasser
S. Seite
u. a.
unter anderem
u. U.
unter Umständen
Vgl. Vergleiche
VV I
Verbändevereinbarung über Kriterien zur Bestimmung
von Durchleitungsentgelten I

IV
VV II
Verbändevereinbarung über Kriterien zur Bestimmung
von Durchleitungsentgelten II
VV II plus
Verbändevereinbarung über Kriterien zur Bestimmung
von Durchleitungsentgelten II plus
www
world wide web
XI Exchange
Infrastructure
z. B.
zum Beispiel

V
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Vorgehensweise ... 3
Abbildung 2: Meilensteine im deutschen Energiemarkt... 7
Abbildung 3: Die Wertschöpfungskette eines EVU... 9
Abbildung 4: Formen und Stufen des Unbundling ... 12
Abbildung 5: Spannungsfelder beim informatorischen Unbundling ... 15
Abbildung 6: Geschäftsprozessanalyse ... 17
Abbildung 7: Auswahl der kritischen Geschäftsprozesse ... 20
Abbildung 8: Fragebogen zur Identifikation kritischer Geschäftsprozesse ... 21
Abbildung 9: Erfassungsformular zur Geschäftsprozessanalyse... 23
Abbildung 10: Beispielhafte Organisationsstruktur ... 24
Abbildung 11: Prozess Hausanschlusswesen ... 27
Abbildung 12: Prozess Lieferantenwechsel... 30
Abbildung 13: Arten der Abrechnung ... 32
Abbildung 14: Prozess Verbrauchsabrechnung ... 33
Abbildung 15: Übersicht der Diskriminierungspotenziale ... 35
Abbildung 16: Der IDEX-GE Ramp-Up Prozess... 41
Abbildung 17: Unbundling-Konzept EVI ... 43
Abbildung 18: IT-Systemlandschaft... 46
Abbildung 19: Alternativmodelle aufbauorganisatorischer Maßnahmen... 51
Abbildung 20: Unbundlingkonforme Organisationsstruktur ... 54
Abbildung 21: Alternativmodelle zum Abrechnungssystem... 56
Abbildung 22: Handlungsempfehlung CRM-System ... 61
Abbildung 23: Handlungsempfehlung EDM-System... 63
Abbildung 24: Zusammenfassung der Handlungsempfehlungen ... 64

1
1 Einführung
1.1 Ausgangslage
Bis zur Liberalisierung des europäischen Strom- und Gasmarktes im Jahre
1998 agierten Energieversorgungsunternehmen als Monopolisten mit unter-
schiedlichen Gesellschaftsstrukturen. Für den Kunden war ein Anbieterwechsel
nicht möglich. Er musste seine Energie, von dem ihm zugeteilten Versorgungs-
unternehmen und zu einem vorgegebenen Preis beziehen, der sich kostenori-
entiert gestaltete und bei Tarifkunden von einer staatlichen Preisaufsicht ge-
nehmigt werden musste. Die Öffnung der Elektrizitäts- und Erdgasmärkte auf
Grundlage der EU-Richtlinien von 1996 und 1998 hatte zum Ziel, die Effizienz
im Energiesektor und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu
verbessern und letztlich auch den Preis für den Endkunden zu senken.
1
Es hat sich jedoch im Laufe der Jahre gezeigt, dass die Struktur des deutschen
liberalisierten Strom- und Gasmarktes nach wie vor nicht marktwirtschaftlich
ausgerichtet ist.
2
Die bis heute beibehaltene Wertschöpfungskette Erzeugung,
Handel, Übertragung und Vertrieb in demselben vertikal integrierten Energie-
versorgungsunternehmen schafft den Unternehmen Anreize, ihre Monopolstel-
lung gegen Wettbewerber weiterhin einzusetzen. Sie sind somit in der Lage,
den funktionierenden Wettbewerb zum Nachteil fremder Netznutzer auf ver-
schiedene Art und Weise zu stören und hemmen damit den Wettbewerb.
Um dem entgegenzuwirken, haben das Europäische Parlament und der Rat der
Europäischen Union neue Richtlinien über gemeinsame Vorschriften für den
Elektrizitäts- und Erdgasbinnenmarkt (Beschleunigungsrichtlinien) erlassen. Sie
fordern eine Trennung der einzelnen Geschäftsbereiche zum gesellschafts-
rechtlichen, organisatorischen, buchhalterischen und informatorischen
3
Un-
1
Vgl. Dannischewski, J. (2003), S. 36 ff.; Vgl. Hölzer, F. (2000), S. 97 f.
2
Vgl. Lamprecht, F. (2004), S. 573
3
Die Begriffe ,,informatorisches Unbundling" und ,,informationelles Unbundling" werden im Rah-
men dieser Arbeit gleichgesetzt.

2
bundling.
4
Hierdurch entstehen neue Unternehmenstypen, die sich unabhängig
voneinander im Energiemarkt bewegen.
Obwohl die wesentlichen Regelungsvorgaben zum Unbundling in der nationa-
len Umsetzung der Beschleunigungsrichtlinien - dem Zweiten Gesetz zur Neu-
regelung des Energiewirtschaftsrechts - festgelegt sind und diese ca. 95% der
internen Unternehmensausrichtung umfassen, warten viele Energieversorger
mit dem Beginn der Umsetzung dieser Vorschriften ab.
5
Diese Tendenz ist ge-
rade im Bereich des informatorischen Unbundling zu erkennen und das, obwohl
die Entflechtung gravierende Auswirkungen auf die Informationstechnologie
hat.
6
1.2 Thematische Abgrenzung und Vorgehensweise
Die vorliegende Diplomarbeit setzt sich im speziellen mit dem Themengebiet
des informatorischen Unbundling auseinander. Ziel soll es sein, ein Konzept zu
erstellen, das es mittelständischen, vertikal integrierten Energieversorgungsun-
ternehmen erleichtert, die gesetzlichen Anforderungen zum informatorischen
Unbundling effizient zu erfüllen. Die Arbeit soll und kann jedoch kein allgemein-
gültiges ,,Rezept" sein, da hierfür die Strukturen der mehr als 1.700 deutschen
Strom- und Gasnetzbetreiber zu unterschiedlich sind.
7
Vielmehr soll dem Leser
ein Leitfaden zur Vorgehensweise mit typischen Beispielen dargelegt werden,
der es ihm ermöglicht, durch organisatorische und informationstechnische
Maßnahmen, die gesetzlichen Anforderungen zum informatorischen Unbundling
zu erfüllen. Das Thema informatorisches Unbundling soll jedoch nicht isoliert
betrachtet werden, sondern in Verbindung mit Wechselwirkungen angrenzender
Themenfelder, wie z. B. dem organisatorischen Unbundling, Kostengesichts-
punkte und Synergieeffekte.
4
Vgl. Schäffner, D. (2004), S. 1
5
Vgl. Noormann, W. (2005), S. 34
6
Vgl. o. V. (2005c), S. 12
7
Vgl. o. V. (2005f), o. V. (2005a)

3
Die vorliegende Arbeit gliedert sich im Wesentlichen in die vier Blöcke Aus-
gangslage / Abgrenzung, Grundlagen, Konzept und Bewertung (siehe Abbil-
dung 1).
1. Einführung
3. Geschäftsprozessanalyse
4. Systemanalyse
5. Umsetzungskonzept
6. Fazit und Ausblick
Ausgangslage /
Abgrenzung
Konzept
Bewertung
2. Grundlagen
Grundlagen
1. Einführung
3. Geschäftsprozessanalyse
4. Systemanalyse
5. Umsetzungskonzept
6. Fazit und Ausblick
Ausgangslage /
Abgrenzung
Konzept
Bewertung
2. Grundlagen
Grundlagen
Abbildung 1: Vorgehensweise
Nach der Einführung in Kapitel 1 werden die Grundlagen in Kapitel 2 gelegt und
stellen sowohl die rechtlichen als auch die sachlichen Voraussetzungen für die-
se Arbeit dar. Nach der Konkretisierung des Begriffs ,,Unbundling" im Allgemei-
nen und ,,informatorisches Unbundling" im Speziellen wird die Vorgehensweise
zur Erstellung des Umsetzungskonzepts erläutert. Diese Vorgehensweise wird
in dem Block ,,Konzept" aufgegriffen und beginnt in Kapitel 3 mit der Identifikati-
on von kritischen Geschäftsprozessen. Anhand von drei ausgewählten Prozes-
sen findet eine Prozessbewertung hinsichtlich des Einflusses auf das informato-
rische Unbundling statt. Die Erkenntnisse hieraus werden in eine allgemeine,
die Organisation und Anwendungssysteme betreffende Problematik, überführt.

4
Die betroffenen Anwendungssysteme werden anschließen in Kapitel 4 sowohl
einzeln als auch in Abhängigkeit untereinander beschrieben. In Kapitel 5 wer-
den die zuvor erworbenen Erkenntnisse im Rahmen eines Umsetzungskon-
zepts zusammengeführt und Handlungsempfehlungen ausgesprochen. Das 6.
Kapitel fasst die gewonnenen Erkenntnisse in Form eines Fazits zusammen.

5
2 Grundlagen
2.1 Rahmenbedingungen der deutschen Energiewirtschaft
Seit Mitte der neunziger Jahre wurden in Deutschland verschiedene Wirt-
schaftszweige liberalisiert und somit dem staatlichen Schutz mit dem Ziel ent-
zogen, durch Wettbewerb effizientere Lösungen zu ermöglichen.
8
Im besonde-
ren Fokus standen so genannte Netzindustrien, die durch umfangreiche Infra-
strukturen gekennzeichnet sind. Ein Wettbewerb in diesem Bereich ist nur mög-
lich, wenn potentielle Wettbewerber nicht durch irreversible Mehreintrittskosten
abgeschreckt werden.
9
In Netzindustrien lassen sich grundsätzlich drei Arten unterscheiden, die einen
diskriminierungsfreien Netzzugang gewährleisten, nämlich die vertikale Desin-
tegration, der verhandelte Netzzugang und der regulierte Netzzugang.
10
Die
vertikale Desintegration ist die ,,vollständige, eigentumsrechtliche bzw. instituti-
onelle Trennung des Netzes und der Dienstebene" und wird auch als ,,Unbund-
ling" bezeichnet.
11
Dem steht der verhandelte und regulierte Netzzugang ge-
genüber, der den Netzinhaber verpflichtet, anderen Marktteilnehmern (mit oder
ohne eigene Netzinfrastruktur) einen diskriminierungsfreien Netzzugang zu er-
möglichen. Diese Diskriminierungsfreiheit kann durch Verhandlungen der
Marktteilnehmer (verhandelter Netzzugang) oder durch staatliche Regulierung
(regulierter Netzzugang) gelöst werden.
12
Der diskriminierungsfreie Netzzugang
erfordert jedoch einen sehr hohen Regelungsbedarf.
Im Gegensatz zu den staatlich regulierten Sektoren Telekommunikation und
Post wurde für den Energiebereich eine Verhandlungslösung gewählt. Die Ent-
scheidung für diese Lösung beruhte auf der europäischen Liberalisierungsricht-
linie zur Energieversorgung, die die Option eines verhandelten oder regulierten
8
Vgl. o. V. (2002b)
9
Vgl. Cohnen, B.; Grau, T.; Latkovic, K. (2003), S. 43
10
Vgl. Holz, S. (2004), S. 4
11
Eisenkopf, A. (2003), S. 451
12
Vgl. Holz, S. (2004), S. 4

6
Netzzugangs beinhaltet.
13
Die Bundesrepublik Deutschland entschied sich als
einziges Mitgliedsland für die Verhandlungslösung, behielt sich jedoch im Falle
eines Scheiterns der Verhandlungen vor, einen diskriminierungsfreien Netzzu-
gang zu gewährleisten.
14
Die Verhandlungen der Verbändevereinbarungen für Strom und Gas wurden -
auf der Grundlage des Energiewirtschaftsgesetzes vom 24.04.1998
15
- von di-
versen Wirtschaftverbänden geführt. Diese sollten die Interessen sowohl der
Anbieter- als auch der Nachfragerseite vertreten. Im Jahre 1998 trat die ,,Ver-
bändevereinbarung über Kriterien zur Bestimmung von Durchleitungsentgelten"
(VV I) in Kraft, die aufgrund wachsender Kritik der Nachfragerseite durch eine
überarbeitete Version (VV II) im Jahre 1999 ersetzt wurde.
16
Ein auf europäischer Ebene vorgelegter Entwurf einer modifizierten EU-
Stromrichtline im März 2001 sah nur noch die beiden Ansätze der vertikalen
Desintegration und des regulierten Netzzugangs vor.
17
Der in Deutschland prak-
tizierte verhandelte Netzzugang gelangte somit in die Defensive was zur Folge
hatte, dass die Verbände im Dezember 2001 eine erweiterte Verbändeverein-
barung (VV II plus) erarbeiteten, die durch ein Höchstmass an Selbstregulie-
rung eine europarechtlich drohende Regulierungsbehörde verhindern sollte.
18
In der EU-Beschleunigungsrichtline vom 26.06.2003 sind die Mitgliedsstaaten
nun verpflichtet worden, bis zum 01.07.2004 eine Regulierungsbehörde für
Strom und Gas einzurichten.
19
Ferner schreibt sie vor, dass vertikal integrierte
Energieversorgungsunternehmen ihren Netzbetrieb von den wettbewerblich
tätigen Bereichen im Hinblick auf Rechtsform, Organisation und Entschei-
dungsgewalt, sowie im Hinblick auf die interne und externe Informationsweiter-
13
Vgl. Europäische Kommission (1996)
14
Vgl. Holz, S. (2004), S. 5
15
Vgl. EnWG (1998)
16
Vgl. Brunekreeft, G.; Keller, K. (2003), S. 151
17
Vgl. Holz, S. (2004), S. 9
18
Vgl. Brunekreeft, G.; Keller, K. (2003), S. 151
19
Vgl. Europäische Kommission (2003a); Vgl. Europäische Kommission (2003b)

7
gabe und bei der Rechnungslegung entflechten müssen. Somit ist auch
Deutschland verpflichtet, seine Versorgungsunternehmen zu ,,unbundeln" und
einen entsprechenden nationalen Ordnungsrahmen zu schaffen. Dieser Ord-
nungsrahmen spiegelt sich aktuell im Entwurf des zweiten Gesetzes zur Neure-
gelung des Energiewirtschaftsrechts vom 15.04.2005 wieder.
20
Diesem Entwurf
wurde - in leicht geänderter Form - am 18.06.2005 in der 4. Lesung der Be-
schlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zugestimmt und wird voraus-
sichtlich zum 01.08.2005 in Kraft treten.
21
Da diese Fassung mit Druck der vor-
liegenden Arbeit noch nicht amtlich ist und Änderungen zum informatorischen
Unbundling nicht vorgenommen wurden, liegt den weiteren Ausführungen der
Entwurf des zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts
(EnWG-E) zugrunde.
Die Entwicklung der deutschen Energiewirtschaft in Bezug auf den Grad des
Marktzugangs ist in Abbildung 2 dargestellt.
VV I
Grad des
Marktzugangs
Unbundling
Verhandelter
Netzzugang
Regulierter
Netzzugang
Monopol
Zeit
22.05.1998
13.12.1999
13.12.2001
26.06.2003
voraussichtlich
01.08.2004
vor
22.05.1998
VV II
VV II
plus
EnWG
Monopol-
situation
EU-Beschleunigungs-
richtlinie
VV I
Grad des
Marktzugangs
Unbundling
Verhandelter
Netzzugang
Regulierter
Netzzugang
Monopol
Zeit
22.05.1998
13.12.1999
13.12.2001
26.06.2003
voraussichtlich
01.08.2004
vor
22.05.1998
VV II
VV II
plus
EnWG
Monopol-
situation
EU-Beschleunigungs-
richtlinie
Abbildung 2: Meilensteine im deutschen Energiemarkt
20
Vgl. EnWG-E (2005)
21
Vgl. o. V. (2005m), S. 2

8
2.2 Ziele
des
Unbundling
In der ökonomischen Theorie werden verschiedene Netzindustrien herkömmlich
als natürliche Monopole betrachtet. Als natürliches Monopol bezeichnet man ein
Unternehmen, das als einzelnes einen relevanten Markt zu günstigeren Kondi-
tionen versorgen kann als mehrere Unternehmen.
22
Da der Bau konkurrierender
Parallelleitungen in der leitungsgebundenen Energiewirtschaft fast nie wirt-
schaftlich ist, ist diese Situation bei Energieversorgungsunternehmen gegeben.
Ein Wettbewerb im Bereich des Netzbetriebs ist somit nicht sinnvoll.
In den benachbarten Geschäftsbereichen des Netzbetriebs, insbesondere der
Erzeugung und dem Vertrieb ist Wettbewerb jedoch möglich und wird von den
Beschleunigungsrichtlinien auch ausdrücklich gewünscht.
23
Dieser Wunsch be-
inhaltet jedoch Konfliktpotential, da es sich bei den meisten deutschen Energie-
versorgern um vertikal integrierte Unternehmen handelt, die die gesamte Wert-
schöpfungskette mit den Bereichen Erzeugung, Handel, Übertragung und Ver-
trieb abbilden (siehe Abbildung 3). Da diese Wertschöpfungskette sowohl den
Bereich des natürlichen Monopols, als auch den wettbewerblichen Bereich ab-
bildet, wird diesen Unternehmen ein Anreiz geboten, ihre Monopolstellung ge-
gen Wettbewerber zum Vorteil konzernverbundener Unternehmen einzuset-
zen.
24
Diese Störung des Wettbewerbs kann beispielsweise durch strategisch
eingesetzte Investitionen in das Netz, hohe Netznutzungsentgelte oder diskri-
minierende Zugangsbedingungen erfolgen.
25
22
Vgl. Dannischewski, J. (2003), S. 37
23
Vgl. Cord, M.; Hannes, B.; Hartmann, B. (2003), S. 252
24
Vgl. ebenda, S. 252
25
Vgl. Kurth, M. (2004), F. 4

9
Natürliches Monopol
(Regulierung)
Wettbewerb
(Keine Regulierung)
Wettbewerb
(Keine Regulierung)
Vertrieb
Übertragung
Handel
Erzeugung
(Netzbetrieb)
Natürliches Monopol
(Regulierung)
Wettbewerb
(Keine Regulierung)
Wettbewerb
(Keine Regulierung)
Vertrieb
Übertragung
Handel
Erzeugung
(Netzbetrieb)
Abbildung 3: Die Wertschöpfungskette eines EVU
26
Durch Unbundling-Maßnahmen soll somit das natürliche Monopol ,,Netz" von
den wettbewerbsorientierten Unternehmensbereichen entflochten, die Transpa-
renz des Netzbereichs erhöht und eine wirksame Aufsicht über das Netz er-
reicht werden. Primäres Ziel ist somit die Sicherstellung eines funktionsfähigen
Wettbewerbs auf den Energiemärkten und die Verhinderung von Diskriminie-
rung durch vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen in Bezug auf
wettbewerblich gestaltete wirtschaftliche Aktivitäten.
27
Um die Einhaltung dieser Unbundling-Maßnahmen zu überwachen, schreibt die
EU-Beschleunigungsrichtline allen Mitgliedsstaaten vor, eine Regulierungsbe-
hörde zu installieren. Diese Aufgabe nimmt in Deutschland die Bundesnetz-
agentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahn (Bundes-
netzagentur, Regulierungsbehörde) wahr.
28
Sie hat den Auftrag, die Chancen-
gleichheit und Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs sicherzustellen und Verstö-
ße entsprechend zu ahnden.
29
Besondere Herausforderungen liegen bei der
Verhinderung von Quersubventionen, der Gewährleistung eines diskriminie-
rungsfreien Netzzugangs, der Balance zwischen Investitionsanreizen und
26
In Anlehnung an: Kurth, M. (2004), F. 7
27
Vgl. Cord, M.; Hannes, B.; Hartmann, B. (2003), S. 252
28
Vgl. EnWG-E (2005), § 54 (1)
29
Vgl. Kurth, M. (2004), F. 11

10
Preiswürdigkeit und der Wahrnehmung eines weit reichenden Monitoring.
30
Wettbewerb und Effizienz sowie Wachstum und Verbesserung der unternehme-
rischen Leistungsfähigkeit stehen hierbei in einem besonderen Spannungsver-
hältnis von Wettbewerb und Regulierung (Anreizregulierung).
31
Um die unternehmensintern getroffenen Maßnahmen zur Sicherstellung einer
diskriminierungsfreien Ausübung des Netzgeschäfts zu überwachen, sind verti-
kal integrierte Energieversorgungsunternehmen verpflichtet, ein Gleichbehand-
lungsprogramm aufzustellen und dieses der Regulierungsbehörde bekannt zu
machen.
32
Das Programm ist jährlich zu erstellen und fungiert als Schnittstelle
zwischen Energieversorgungsunternehmen und Bundesnetzagentur.
33
Neben den zusätzlichen Aufgaben und Schwierigkeiten, die bei der Umsetzung
im Rahmen des Unbundling erwartet werden, gibt es auch Chancen für das
einzelne Unternehmen und die gesamte Branche. Die Möglichkeit, lange ange-
strebte Veränderungen der Strukturen umzusetzen und Geschäftsprozesse zu
optimieren, liegt im Zuge der Entflechtung förmlich auf der Hand.
34
Die Verbes-
serung der Kostentransparenz und die ggf. daraus resultierende Reduzierung
der Kosten machen das einzelne Unternehmen und somit auch die gesamte
Energiewirtschaft auf dem internationalen Energiemarkt wertbewerbsfähiger.
2.3 Formen des Unbundling
Mit Blick auf die Regelungsintensität lassen sich grundsätzlich fünf verschiede-
ne Typen des Unbundling unterscheiden. Hierbei handelt es sich um die in den
30
Vgl. ebenda, F. 4
31
Vgl. Roels, H. (2005), S. 152
32
Vgl. EnWG-E (2005), § 8 (5)
33
Vgl. Koenig, C.; Rasbach, W.; Stelzner, P. (2005), S. 29
34
Vgl. Noormann, W. (2005), S. 34

11
§§ 7­10 EnWG-E beschriebenen Formen der Entflechtung, die nachfolgend
kurz erläutert werden:
(1) Ownership Unbundling
35
Vollständige Trennung der Wettbewerbs- von den Monopolbereichen in
der Form, dass das Eigentum an einem Versorgungsnetz in eine eigen-
ständige Rechtspersönlichkeit überführt wird. Jegliche Form einer gesell-
schaftsrechtlichen Bindung zu den anderen Bereichen wird unterbunden.
Diese Form des Unbundling wird gesetzlich nicht gefordert, kann jedoch bei
zukünftigen Fusionen von Netzbetreibern eine Rolle spielen.
(2) Legal Unbundling (§ 7 EnWG-E)
36
Der Netzbetreiber muss hinsichtlich seiner Rechtsform unabhängig von an-
deren Tätigkeitsbereichen des Energieversorgungsunternehmens sein.
(3) Organisatorisches Unbundling (§ 8 EnWG-E)
37
Die Teilbereiche Netzbetrieb und Vertrieb wird organisatorisch so vonein-
ander getrennt, dass ein erhöhter Grad an Eigenständigkeit zwischen den
Unternehmensbereichen geschaffen wird.
(4) Informatorisches Unbundling (§ 9 EnWG-E)
38
Die Offenlegung von wirtschaftlich relevanten Informationen des Netz-
betreibers, die Vorteile für den wettbewerblichen Teil des Energieversor-
gers erbringen, muss in nichtdiskriminierender Weise erfolgen.
(5) Buchhalterisches Unbundling (§ 10 EnWG-E)
39
Integrierte Unternehmen müssen in ihrer internen Buchführung getrennte
Konten für die Bereiche Erzeugung, Übertragung, Verteilung und Versor-
35
Vgl. Cord, M.; Hannes, B.; Hartmann, B. (2003), S. 252
36
Vgl. Klisch, T.; Bockhacker, F.-H. (2005), S. 32
37
Vgl. ebenda, S. 32
38
Vgl. ebenda, S. 32
39
Vgl. ebenda, S. 32

12
gung in der Weise führen, als ob sie getrennte Unternehmenseinheiten wä-
ren.
Es gelten jedoch nicht alle Regelungen gleichermaßen für jedes Energieversor-
gungsunternehmen. Der § 7 (2) EnWG-E beschreibt die de-minimis-Regelung,
die Unternehmen mit weniger als 100.000 Kunden, die mittel- oder unmittelbar
im Versorgungsnetz des Energieversorgungsunternehmens angeschlossen
sind, vom organisatorischen und legal Unbundling befreit.
40
Die de-minimis-
Regelung gilt jedoch nicht für Unternehmen, die zwar weniger als 100.000 Kun-
den haben, jedoch zu einem Konzern gehören, der bestimmenden Einfluss auf
die Tätigkeit des Energieversorgungsunternehmens hat (Konzernklausel).
41
An-
gesichts der zunehmenden Verflechtung zwischen großen und kleinen Versor-
gungsunternehmen wird die Anzahl derer, die die de-minimis-Regelung anwen-
den können, immer kleiner.
42
Abbildung 4 stellt die Formen des Unbundling in
Abhängigkeit von der Unternehmensgröße dar.
Ownership Unbundling
-
-
Legal Unbundling
-
X
Organisatorisches Unbundling
-
X
Informatorisches Unbundling
X
X
Buchhalterisches Unbundling
X
X
Netz
Holding
Vertrieb
Netz
Holding
Vertrieb
Netz
Holding
Vertieb
Netz
Holding
Vertrieb
Netz
Vertrieb
07
/20
07
En
W
G
-E
08
/20
05
Kleine EVU
(< 100.000 Kunden)
Große EVU
(> 100.000 Kunden
+ Konzernklausel)
Form des Unbundling
Ownership Unbundling
-
-
Legal Unbundling
-
X
Organisatorisches Unbundling
-
X
Informatorisches Unbundling
X
X
Buchhalterisches Unbundling
X
X
Netz
Holding
Vertrieb
Netz
Holding
Vertrieb
Netz
Holding
Vertieb
Netz
Holding
Vertrieb
Netz
Vertrieb
07
/20
07
En
W
G
-E
08
/20
05
Kleine EVU
(< 100.000 Kunden)
Große EVU
(> 100.000 Kunden
+ Konzernklausel)
Form des Unbundling
Abbildung 4: Formen und Stufen des Unbundling
43
40
Vgl. Dudenhausen, R.; Latkovic, R.; König, R. (2003), S. 10
41
Vgl. Cohnen, B.; Latkovic, K.; Wietzke, S. (2004), S. 2
42
Vgl. Cord, M.; Hannes, B.; Hartmann, B. (2003), S. 253
43
In Anlehnung an: Klisch, T.; Bockhacker, F.-H. (2005), S. 32

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783832490515
ISBN (Paperback)
9783838690513
DOI
10.3239/9783832490515
Dateigröße
2.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
FOM Essen, Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige GmbH, Hochschulleitung Essen früher Fachhochschule – Wirtschaftsinformatik
Erscheinungsdatum
2005 (Oktober)
Note
1,3
Schlagworte
liberalisierung is-u strom enwg entflechtung
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Titel: Erstellung eines Konzeptes zum informatorischen Unbundling in einem mittelständischen, vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen
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