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Mobbing - Ausgrenzungsphänomene in der Arbeitswelt

©2003 Magisterarbeit 135 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Nach einer repräsentativen Erhebung aus dem Jahr 2001 waren zu dieser Zeit 2,7 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung von Mobbing betroffen. Werden auch die bereits abgeschlossenen Mobbingfälle hinzugerechnet, war nahezu jede neunte Person (11,3 Prozent) schon langfristigen feindseligen Handlungen am Arbeitsplatz ausgesetzt. Zudem geht aus einigen Studien eine durchschnittliche Mobbingdauer von mehr als 12 Monaten hervor.
„Mobbing“, „Bossing“ (Schikane durch den Vorgesetzten) oder „Psychoterror am Arbeitsplatz“ sind Begriffe, die in den vergangenen Jahren in Zusammenhang mit spektakulären Vorfällen durch die Medien gingen. Mobbing verursacht sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern enorme volkswirtschaftliche Kosten. Der englische Terminus „Mobbing“ stammt vom englischen Verb „to mob”, welches „herfallen über, angreifen, attackieren“ bedeutet. Der „Mob“ als epistemologischer Ursprung ist in verschiedenen Sprachen zu finden, geht auf den lateinischen Begriff „mobile vulgus“ zurück und bedeutet sinngemäß aufgewiegelte Volksmenge, Pöbel, unorganisierte soziale Massengruppierung mit sehr geringem oder völlig fehlendem Organisationsgrad, in der mit hoher Wahrscheinlichkeit aggressives, meist zerstörerisches Verhalten auftritt
Der Begriff „Mobbing“ umschreibt negative Handlungen, die ein Mobbingopfer an seiner Arbeitsstätte durch einen oder mehrere Mobbingtäter erfährt. Im Mobbingverlauf wird das Opfer unter Umständen sozial ausgegrenzt, indem es schikaniert, isoliert, zur Aufgabe seiner beruflichen Position gedrängt oder sogar komplett aus dem Arbeitsprozess bzw. der Gemeinschaft gerissen wird.
Bossingmethoden erstrecken sich vom Vorwurf des Betrugs über die Forderung von unerfüllbaren Leistungen bis hin zur anhaltenden Verunglimpfung der Fähigkeiten von Mitarbeitern, um diese aus ihrem Arbeitsverhältnis zu drängen. Bei der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Mobbing ist es wichtig, dieses Phänomen von angrenzenden Themenkomplexen wie sexuelle Belästigung, Diskriminierung oder Gewalt abzugrenzen, und eventuelle inhaltliche Überschneidungen aufzuzeigen.
Problemstellung:
Diese Arbeit geht der Frage nach, welche Beziehung zwischen der Opfer- und der Täterrolle im Mobbingprozess besteht. Aus Sicht der Mobbingforschung existieren Mobbingtäter mit entsprechendem Handlungsbewusstsein. Diese Vermutung stützt sich besonders auf die meist verheerenden Folgen von Mobbing, den massiven psychischen Beeinträchtigungen, […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8993
Dietz, Tanja: Mobbing - Ausgrenzungsphänomene in der Arbeitswelt
Hamburg: Diplomica GmbH, 2005
Zugl.: Universität Hannover, Magisterarbeit, 2003
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http://www.diplom.de, Hamburg 2005
Printed in Germany

Profil
10/1996 ­
04/2004
04/2004
10/2000 ­
07/2001
09/2001
11/2001 ­
12/2001
Name:
Tanja Dietz
Adresse: Heinrich-Heine-Straße
3
30173
Hannover
Telefon: 0511/20
33
225
E-Mail: mail@tanjadietz.de
geboren am:
8. April 1975 in Hannover
Staatsangehörigkeit: deutsch
Hochschulstudium
Magisterstudium an der Universität Hannover in den Fächern
-
Sozialpsychologie mit Schwerpunkt Kulturanthropologie sowie
Arbeits- und Organisationspsychologie,
-
Anglistik mit Schwerpunkt Literatur- und Kulturwissenschaft,
-
Pädagogik mit Schwerpunkt Medienpädagogik.
Studienabschluss: Magistra Artium
-
Magisterarbeit/Sozialpsychologie: ,,Mobbing ­
Ausgrenzungsphänomene in der Arbeitswelt", Note: gut;
Hauptfachprüfung, Note: sehr gut.
-
Nebenfachprüfung/Pädagogik, Note: gut.
-
Nebenfachprüfung/Anglistik, Note: sehr gut.
Gesamtnote: gut (Notendurchschnitt: 1,6)
Teilnahme am studienbegleitenden Programm ,,Mit Leibniz
zu Bahlsen ­ Geisteswissenschaftler in die Wirtschaft"
Seminare: Betriebswirtschaftslehre, PR- und Öffentlichkeitsarbeit,
Projektmanagement, Moderations- und Präsentationstraining,
Kommunikationsworkshop, Microsoft Word- und Excel-Fortbildung.
Praktikum
Praktikantin in der Musikredaktion von radio ffn
Tätigkeiten: Internetrecherche, Bearbeitung von Höreranfragen an
die Redaktion, Protokollführung in den Abhörsitzungen, Archivarbeit
und Vorbereitung von Daten für die Marktforschung.
Befristete Tätigkeit bei radio ffn
Tätigkeiten: Archivierung und Neuordnung der Tonträger im
Musikarchiv und andere Aushilfstätigkeiten.

Nebentätigkeiten
Studentische Aushilfskraft bei der Deutschen Post AG
im Briefzentrum Pattensen. Tätigkeit in der maschinellen und
manuellen Briefsortierung.
Befristete Tätigkeit bei der Firma WABCO Westinghouse
in Hannover/Linden. Fertigung von Sensoren für die elektronische
Bremssteuerung von Nutzfahrzeugen.
Schulen
Grundschule Rethen
Albert-Einstein-Schule, Laatzen
Abschluss: Abitur
Zusatzqualifikationen
Englisch: fließend
Französisch: Grundkenntnisse
MS-Office, Internet
Fähigkeiten
-
Organisationsstärke
-
Kommunikationsstärke
-
schnelles und selbständiges Einarbeiten in neue Themengebiete
-
Büroerfahrung
-
Teamarbeit
-
zeitliche und örtliche Mobilität
-
Führerschein Klasse 3 und PKW
Private Interessen
Ich lese gern, informiere mich im Internet, erarbeite mir die
Benutzung verschiedener Anwender-Softwares und ich bin sehr
musikinteressiert.
06/1997 ­
heute
07/2000 ­
09/2000
08/1981 ­
06/1994
06/1994
Sprachen
EDV-Kenntnisse
Angestrebte Tätigkeit
Personalmanagement (HR), Erwachsenenbildung.

Inhalt
1 Einleitung 1
1.1 Epistemologischer Ursprung des Begriffs Mobbing
3
1.2 Abgrenzung von verwandten Begriffen
5
1.3 Verbreitung von Mobbing
6
1.4 Durchschnittliche Dauer von Mobbing
7
1.5 Volkswirtschaftlicher Schaden
9
1.6 Thema und Fragestellung
10
1.7 Aufbau der Arbeit
11
2 Stand der Mobbingforschung 13
2.1 Die bisherige Mobbingforschung im Überblick
13
2.2 Mobbing am Arbeitsplatz
15
2.3 Mobbingforschung im deutschen Sprachraum
19
2.4 Definition von Mobbing
21
2.5 Subjektives und objektives Mobbing
28
2.6 Mobbingphasen
30
3 Opfer und Täter 34
3.1 Das hierarchische Verhältnis zwischen Opfer und Täter
34
3.2 Das Machtungleichgewicht zwischen Opfer und Täter
36
3.3 Geschlechtsspezifisches Mobbing
37
3.4 Mobbingrisiko differenziert nach Berufsgruppe und Status
41
3.5 Die Opfer
44
3.5.1 Alter und berufliche Position der Opfer
44
3.5.2 Opfer und Opfergruppen im Mobbingprozess
46
3.5.3 Mobbingauslösende Faktoren aus der Opferperspektive
47
3.5.4 Opfermerkmale
49
3.5.4.1 Die exponierte Stellung des Opfers
50
3.5.4.2 Opferpersönlichkeit
56

3.6 Die Täter
61
3.6.1 Alter und berufliche Position der Täter
61
3.6.2 Einzeltäter und Tätergruppen im Mobbingprozess
62
3.6.3 Die Mobbingintention
63
3.7 Mobbinghandlungen und deren Kategorisierung
65
3.7.1 Gewichtung der Mobbinghandlungen
71
3.7.2 Geschlechtsspezifische Mobbinghandlungen
72
3.7.3 Mobbinghandlungen nach Alter der Opfer und Täter
73
3.7.4 Motivation der Täter zu Mobbinghandlungen
74
3.8
Tätermerkmale
76
4 Organisationale und soziale Ursachen von Mobbing 80
4.1 Organisationale Ursachen von Mobbing
80
4.2 Soziale Ursachen von Mobbing
88
4.2.1 Die Rolle der Aggression
88
4.2.2 Die soziale Ursachen von Aggression
90
5 Psychodynamische Ursachen von Mobbing 95
5.1 Die Rolle der Institution
96
5.2 Die Gruppe und ihre Dynamik
99
5.3 Die Führung der Gruppe
100
5.4 Mobbingursachen in der Gruppendynamik
102
5.4.1 Die Gruppe und die Funktion des Sündenbock
102
5.4.2 Der eskalierende Konflikt
107
5.5 Psychodynamik in der Täterpersönlichkeit
109
5.5.1 Die intrapsychischen Abwehrmechanismen
110
5.5.2 Die interpersonale Abwehr
111
6 Zusammenfassung 113
7 Literaturverzeichnis 118
8 Anhang 127

Mobbing ­ Ausgrenzungsphänomene in der Arbeitswelt
1
1 Einleitung
,,Als ich dann überlegt hatte, dass ich... lieber für mich Schluss machen wollte
und ich also die Waffe in der Hand hatte, da hab` ich dann aber überlegt, dass
ich... vielleicht mit der Waffe... zu meinem damaligen Chef gehen könnte, ne,
und halt es selber richten könnte."
1
Diese Aussage stammt von der Kindergartenleiterin Annegret Römer, die nach
zwanzigjähriger einvernehmlicher Zusammenarbeit plötzlich von ihrem Chef, dem
Bürgermeister des Ortes, schikaniert wurde. Das Gerücht, die Tochter des
Bürgermeisters wolle Römers Posten übernehmen, sprach sich zu dieser Zeit
bereits im Ort herum. Nachdem der Bürgermeister die Qualifikation Annegret
Römers in Frage gestellt, Misstrauen in ihrer Arbeitsgruppe gestreut, Kompetenzen
abgesprochen und ihr auferlegt hatte, ihren Tagesablauf minutiös aufzulisten, stand
sie am Rand einer Verzweiflungstat. Diese konnte nur verhindert werden, da sie
sich zuvor telefonisch ihrer Schwester anvertraute. Die fand Annegret Römer mit
einer Pistole in der Hand vor. Nach monatelanger Krankschreibung und einer
Rehabilitation in einer auf Mobbingopfer spezialisierten Klinik wagt die
Kindergartenleiterin ­ mittlerweile unter einem neuen Bürgermeister ­ wieder die
ersten Schritte zurück in den Berufsalltag.
,,Mobbing", ,,Bossing" (Schikane durch den Vorgesetzten) oder ,,Psychoterror am
Arbeitsplatz" sind Begriffe, die in den vergangenen Jahren in Zusammenhang mit
spektakulären Vorfällen durch die Medien gingen. Der wohl bekannteste Fall ist
die Selbstmordserie von vier Polizisten einer Neusser Polizeiwache, die durch
Kollegenmobbing in den Tod getrieben worden sein sollen.
2
Viele Kommilitonen,
Freunde und Bekannte, mit denen ich im Vorfeld der Arbeit gesprochen habe,
hatten Kenntnis vom Mobbingphänomen. Ihre Aussagen reichten von ,,Die
sogenannten Mobbingopfer sind doch selber schuld, die würden auch mobben,
wenn sie könnten!" bis hin zu ,,Ich bin mir sicher, dass ich auch schon gemobbt
wurde". Aus der epidemiologischen Untersuchung von Meschkutat u.a. im Jahr
2001 geht hervor, dass in Deutschland bereits jeder neunte Arbeitnehmer schon
1
Vgl. Gregor Bialas (Reg.), Kollegenschweine. Schikaniert und kaltgestellt, Mainz, 2003. In:
ZDF, 37°, gesendet am 11.10.2003. Es handelt sich um einen Interviewauszug aus dem Film.
2
Vgl. ,,Ich mache jetzt Schluss," in: Der Spiegel (1999, Nr. 35, S. 108-112), S. 108f. Vgl. auch
,,Hagener Polizei: Terror gegen eine Kollegin?" in: Der Spiegel Online, 03.06.2002,

Mobbing ­ Ausgrenzungsphänomene in der Arbeitswelt
2
einmal Opfer von Mobbing geworden ist.
3
Das Magazin Der Spiegel titelte im Jahr
1995: ,,Dumme Sache. Moderne Rationalisierung: Chefs ekeln unliebsame
Mitarbeiter per ,Bossing` raus ­ und sparen so die Abfindung."
4
Eingeleitet wird
der Artikel mit dem Beispiel einer Berliner Verlagssekretärin. Trotz ihrer nach
eigenen Angaben einwandfreien Arbeit wurde diese wegen angeblicher
Umstrukturierungen versetzt. Sie erfuhr eine zunehmende Einschränkung ihres
Aufgabenfeldes. Die ihr verbliebenen Tätigkeiten lagen unterhalb ihrer Fähigkeiten
und ihrer bisherigen Arbeit. Da die Mobbingbetroffene nach 14-jähriger
Betriebszugehörigkeit nicht kündbar war, wurde ihr die Suche nach einem neuen
Arbeitgeber nahe gelegt. Als sie dieser Aufforderung nicht nachkam, unterstellte
man ihr, sie sei faul. Ein Druckmittel für ihre Kündigung fand der Chef schließlich
in der Registrierung von unerlaubten Ferngesprächen (angeblich Privatgespräche),
die vom Telefon der Sekretärin aus geführt worden waren. Diese wusste nicht, wie
sie beweisen sollte, dass sie diese Gespräche nie geführt hatte. Sie reichte
schließlich die Kündigung ein, nachdem der Chef ihr gönnerhaft vorgeschlagen
hatte, die Sache auf sich beruhen zu lassen.
Nach Ansicht der Autorin des Spiegel-Artikels wird ,,das Hinausgraulen von
kaum Kündbaren, um Arbeitsgerichtsprozesse und Abfindungen zu umgehen, [...]
als modischer Manager-Kniff"
5
angewendet. Dazu befragte sie die Psychologin
Rita Elisabeth Metzner vom Landesbildungswerk der DAG Berlin-Brandenburg.
Diese berichtete von einer gerade in den neuen Bundesländern weit verbreiteten
Bossingpraxis, in denen Chefs aus dem Westen nach unlauteren Mitteln für den
Abbau ,,übergroße[r] Ossi-Belegschaften"
6
suchen würden. Inhaltlich erstrecken
sich die Bossingmethoden laut Metzner vom Vorwurf des Betrugs über die
Forderung von unerfüllbaren Leistungen bis hin zur anhaltenden Verunglimpfung
der Fähigkeiten von Mitarbeitern, um diese aus ihrem Arbeitsverhältnis zu
drängen. Auch wenn die Psychologin aus den Erfahrungen ihrer persönlichen
Arbeitspraxis berichtete, besteht wenig Zweifel, dass die beschriebenen Strategien
Onlineressource, URL: http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,199160,00.html [Stand:
03.09.2003].
3
Vgl. Bärbel Meschkutat u.a., Der Mobbing-Report. Eine Repräsentativstudie für die Bundes-
republik Deutschland (Dortmund, Berlin, Dresden: Wirtschaftsverlag NW, 3. Aufl., 2003), S. 24.
4
Ursula Nuber, Dumme Sache, in: Der Spiegel (1995, Nr. 5, S. 111f.) S. 111.
5
Nuber, S. 111.
6
Nuber, S. 112.

Mobbing ­ Ausgrenzungsphänomene in der Arbeitswelt
3
anderenorts ebenfalls angewendet werden. Der Spiegel-Artikel ,,Dumme Sache"
erschien Mitte der 1990er-Jahre, dem Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, in dem das
Phänomen Mobbing intensiv von Vertretern verschiedener Disziplinen
wissenschaftlich untersucht wurde: von Sozial-, Organisations- und
Arbeitspsychologen, von Psychoanalytikern, von Juristen, sowie von Arbeits- und
Medizinsoziologen.
1.1 Epistemologischer Ursprung des Begriffs Mobbing
Der englische Terminus ,,Mobbing" stammt vom nominalisierten ebenfalls
englischen Verbs ,,to mob", welches ,,herfallen über, angreifen, attackieren"
7
bedeutet. Der Ursprung dieses Verbs ist das Substantiv ,,the mob". Dieses Wort ist
in verschiedenen Sprachen zu finden und bezeichnet den Pöbel, eine kriminelle
Bande oder organisiertes Verbrechertum
8
(letzteres nur im englischen
Sprachraum). Es geht auf den lateinischen Begriff ,,mobile vulgus" zurück. Dafür
lautet die sinngemäße Übersetzung aufgewiegelte Volksmenge, Pöbel,
unorganisierte soziale Massengruppierung mit sehr geringem oder völlig
fehlendem Organisationsgrad, in der mit hoher Wahrscheinlichkeit aggressives,
meist zerstörerisches Verhalten auftritt.
9
Bereits 1905 klassifiziert der Soziologe
Edward Alsworth Ross den ,,Mob" im Rahmen der massenpsychologischen
Forschung als unterste Stufe der gesellschaftlichen Hierarchie, an deren Spitze die
organisierte, strukturierte Gruppe steht.
10
Berndt Zuschlag bemerkt 1994 in der
ersten Auflage seines Buches ,,Mobbing. Schikane am Arbeitsplatz" zum
Mobbingbegriff Folgendes:
7
Vgl. Werner Scholze-Stubenrecht und John Sykes (Red.), Artikel Mob, in: Duden-Oxford Groß-
wörterbuch Englisch (Mannheim, Oxford: Duden, 1990), S. 458.
8
Vgl. Werner Scholze-Stubenrecht (Red.), Artikel Mob, Der Brockhaus, Fremdwörter
(Mannheim: Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus, 2001), S. 361; vgl. Scholze-
Stubenrecht und Sykes, S. 458. In englischsprachigen Ländern wird der Begriff Mob synonym
mit dem auch in deutschsprachigen Ländern verwendeten Ausdruck ,,Mafia" gebraucht.
9
Vgl. Artikel Mob, CD-ROM LexiROM ©. Microsoft Corporation und Bibliographisches Institut
& F. A. Brockhaus, 1996. Vgl. auch Bernd Zuschlag, Mobbing. Schikane am Arbeitsplatz.
Erfolgreiche Mobbing-Abwehr durch systematische Ursachenanalyse (3. erw. Aufl., Göttingen:
Verlag für Angewandte Psychologie, 2001), S. 3.
10
Vgl. Edward Alsworth Ross, Foundations of Sociology. London: Macmillan, 3. Aufl., 1905.
Zitiert nach Kerstin Schlaugat, Mobbing am Arbeitsplatz. Eine theoretische und empirische
Analyse (München, Mering: Hampp, 1999), S. 4.

Mobbing ­ Ausgrenzungsphänomene in der Arbeitswelt
4
,,
,Mobbing` [...] wird neuerdings als Terminus Technikus benutzt zur
Bezeichnung der Handlung von Menschen, die ­ vorwiegend am
Arbeitsplatz ­ (unterstellte) Mitarbeiter/innen, Kolleginnen/Kollegen oder
Vorgesetzte schikanieren."
11
1995 schreibt Kerstin Schlaugat: ,,Der Begriff ,Mobbing` ist eine Wortschöpfung,
deren Erläuterung man im Fremdwörterlexikon noch vergebens sucht."
12
Schlägt
man heute, im Jahr 2003, im Lexikon nach, hat sowohl der Begriff Mobbing als
auch das dazu gebildete deutsche Verb ,,mobben" dort Einzug gefunden: ,,mobben
{engl.}: (einen Kollegen) ständig schikanieren, quälen, verletzen (mit der Absicht,
ihn zur Aufgabe seines Arbeitsplatzes zu veranlassen)."
13
Im angelsächsischen
Raum hat sich das Wort ,,Bullying" als Synonym für Mobbing herausgebildet.
14
,,Bullying" leitet sich von der englischen Bezeichnung für einen Tyrannen oder
brutalen Menschen, dem so genannten ,,bully" ab.
15
Der Ausdruck wird
überwiegend zur Beschreibung von körperlichen Attacken benutzt.
16
In gleicher
Weise grenzt Heinz Leymann Bullying von Mobbing insofern ab, dass ersteres
physische Gewalt, Drohungen, wie es für aggressives Verhalten im Schulbereich
typisch ist, mit einschließt. Mobbing dagegen findet Leymann zufolge seinen
Ausdruck eher in ,,sophisticated behaviours"
17
. Das schon eingangs erwähnte
,,Bossing" hat sich als Synonym für die Schikane von Mitarbeitern durch
Vorgesetzte durchgesetzt.
18
11
Bernd Zuschlag, Mobbing. Schikane am Arbeitsplatz. Erfolgreiche Mobbing-Abwehr durch
systematische Ursachenanalyse (Göttingen: Verlag für Angewandte Psychologie, 1. Aufl.,
1994), S. 3. In der weiteren Arbeit nehme ich ausschließlich Bezug auf die erweiterte Auflage
aus dem Jahr 2001.
12
Schlaugat, S. 1.
13
Vgl. Scholze-Stubenrecht (Red.), Artikel Mobbing, S. 361.
14
Vgl. Ståle Einarsen u.a., The Concept of Bullying at Work [im Folgenden ,,The Concept"
genannt], in: dies. (Hgg.), Bullying and Emotional Abuse in the Workplace. International Per-
spectives in Research and Practice (London, New York: Taylor & Francis, 2003), S. 5f.
15
Vgl. Zuschlag, S. 4; vgl. Schlaugat, S. 5f; vgl. Klaus Niedl, Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz.
Eine empirische Analyse zum Phänomen sowie zu personalwirtschaftlich relevanten Effekten
von systematischen Feindseligkeiten [im Folgenden ,,Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz"
genannt] (Mering: Hampp, 1995), S. 11.
16
Vgl. Zuschlag, S. 4. Zuschlag gibt an, dass durch die Arbeiten des Schweden Dan Olweus über
Schülermobbing der Begriff vorwiegend auf die Gewalttätigkeit unter Schülern angewandt wird.
Vgl. Peter Randall, Adult Bullying. Perpetrators and Victims (London, New York: Routledge,
1997), S. 15. Randall beschreibt allerdings vorwiegend erwachsene ,,bullies" in seinem Buch,
stellt jedoch den Bezug zu Gewalt in der Schule her.
17
Heinz Leymann, The Content and Development of Mobbing at Work [im Folgenden ,,Content
and Development" genannt], in: European Journal of Work and Organizational Psychology
(1996, Bd. 5, Nr.2, S. 165-184), S. 167.
18
Vgl. Zuschlag, S. 4.

Mobbing ­ Ausgrenzungsphänomene in der Arbeitswelt
5
1.2 Abgrenzung von verwandten Begriffen
Bei der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Mobbing ist es wichtig, dieses
Phänomen von angrenzenden Themenkomplexen wie sexuelle Belästigung,
Diskriminierung oder Gewalt abzugrenzen, und eventuelle inhaltliche Überschnei-
dungen aufzuzeigen. Sexuelle Belästigung kann unter Umständen dem Mobbing
zugerechnet werden, wenn sich der Täter dem Opfer wiederholt am Arbeitsplatz
oder in der Schule aufdrängt und das Verhalten primär der Demütigung dienen
soll. Handlungen innerhalb dieses Phänomens sind jedoch immer ein der
sexuellen Sphäre zugehöriges Fehlverhalten. Die betroffene Person empfindet die
Tat als unerwünscht und anstößig; außerdem entsteht eine für das Opfer
einschüchternde und entwürdigende Arbeitsatmosphäre.
19
Diskriminierung kann Teil einer Mobbinghandlung sein, bezieht sich aber
ausdrücklich auf die ungerechtfertigte Verwehrung von Ansprüchen infolge
bestimmter persönlicher Merkmale, wie zum Beispiel die Zugehörigkeit zu einer
ethnischen Minderheit oder einem bestimmten Geschlecht. Im Gegensatz zu
Mobbing, bei dem häufig individuelle Gründe eine Rolle spielen, wird die Diskri-
minierung durch eine von Vorurteilen motivierte Stereotypisierung generiert.
20
Gewalt am Arbeitsplatz kann bei einer weiten Auslegung des Begriffs unter
Mobbing subsumiert werden. Meist handelt es sich dabei um einen gewalttätigen
Singulärakt ­ wie zum Beispiel Körperverletzung ­ der deswegen nicht unter den
Mobbingbegriff fällt, weil dieser wiederholte feindselige Handlungen umfasst. Im
Unterschied zu Mobbing, das den eher subtilen Psychoterror beschreibt, versteht
man unter Gewalt ein offen aggressives, sich in physischen Attacken
ausdrückendes Phänomen.
21
19
Vgl. Niedl, Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz, S. 25; vgl. Ståle Einarsen, Bullying and
Harassment at Work. Epidemiological and Psychosocial Aspects [im Folgenden ,,Bullying and
Harassment" genannt], (Bergen: University of Bergen, Department of Psychosocial Science,
1996), S. 8 und 24.
20
Vgl. Niedl, Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz, S. 27f.
21
Vgl. Niedl, Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz, S. 25.

Mobbing ­ Ausgrenzungsphänomene in der Arbeitswelt
6
In der wissenschaftlichen Forschung wird Gewalt am Arbeitsplatz in erster Linie
auf arbeitsplatzexterne Faktoren, ausgehend von Kunden oder Klienten, bezogen.
Bei Mobbing hingegen werden die Mobbinghandlungen von interner Seite
(Kollegen, Vorgesetzte) initiiert. Gewalthandlungen sind hierbei als ein Teilaspekt
von Mobbing anzusehen.
1.3 Verbreitung von Mobbing
Nach der aktuellen repräsentativen Erhebung von Meschkutat u.a. und ihrer
Forschergruppe im Jahr 2001 waren zu dieser Zeit 2,7 Prozent der deutschen
Gesamtbevölkerung von Mobbing betroffen. Werden auch die bereits
abgeschlossenen Mobbingfälle hinzugerechnet, war nahezu jede neunte Person
(11,3 Prozent) schon langfristigen feindseligen Handlungen am Arbeitsplatz
ausgesetzt. Betrachtet man ausschließlich die Erwerbstätigen, so waren 5,5 Prozent
in Deutschland im Laufe des Jahres 2000 von Mobbing betroffen ­ das entspricht
nahezu jedem achtzehnten Arbeitnehmer.
22
Gemäß der Mobbingdefinition von
Leymann (wiederholte feindselige Handlungen über ein halbes Jahr/mindestens
einmal wöchentlich) sind in einer Repräsentativbefragung von Schweizer
Arbeitnehmern 7,6 Prozent Mobbing ausgesetzt. Hinzu kommen 2 Prozent
selbstdeklarierte Mobbingopfer, die nicht Leymanns Definition entsprechen.
23
In der französischen Studie von Chiaroni u.a. sind 8,4 Prozent der französischen
Gesamtbevölkerung Mobbing ausgesetzt.
24
Hoel und Cooper ermitteln in ihrer
repräsentativen Studie für Großbritannien die Mobbingbetroffenheit allein nach
22
Vgl. Meschkutat u.a., S. 23f. Die Befragten sollten anhand einer ihnen vorgelegten
Mobbingdefinition beurteilen, ob sie Mobbing ausgesetzt sind. Das Verfahren wird im
Folgenden ,,Selbstdeklaration" genannt.
23
Vgl. Ernesta von Holzen Beusch u.a., Studie: Mobbing und andere psychosoziale Spannungen
am Arbeitsplatz in der Schweiz im Auftrag des schweizerischen Staatssekretariats für Wirtschaft
(Bern, 2002), S. 22. Die Autoren machen keine Angaben, inwiefern auch abgeschlossene
Mobbingfälle berücksichtigt wurden. Ihre Ausführungen legen aber nahe, dass sich die Daten
auf aktuelle bis 12 Monate zurückliegende Fälle beziehen.
24
Josette Chiaroni u.a., Données épidémiologiques des situations de mobbing d'après une enquête
effectuée auprès des médecins du travail en région PACA [Provence-Alpes-Côte-d'Azur], un
profil type du salarié harcelé? in: Archives des maladies professionnelles. Paris: Masson, 2001.
Zitiert nach Marie-France Hirigoyen, Wenn der Job zur Hölle wird. Seelische Gewalt am
Arbeitsplatz und wie man sich dagegen wehrt (München: Beck, 2002), S. 126. Es gibt keinen
Hinweis, ob die Zahlen lediglich aktuelles oder vergangenes Mobbing mit einbeziehen.

Mobbing ­ Ausgrenzungsphänomene in der Arbeitswelt
7
Selbstdeklaration: Demnach waren 10,6 Prozent der britischen Gesamtbevölkerung
in den dem Zeitpunkt der Untersuchung vorangegangen sechs Monaten von
Mobbing betroffen.
25
Die Schwankungen sind nach Zapf auf die verschiedenen
Erhebungsmethoden zurückzuführen: In einigen Studien erfolgte eine
Selbstdeklaration, in anderen wurden die Kriterien aus Leymanns LIPT-
Fragebogen
26
angewandte, oder es wurde ein willkürlicher ,,Cut-off" in einer Skala
zu Mobbingdauer oder -intensität gesetzt.
27
Trotz der Differenzen der Zahlen
abhängig von dem Land der Erhebung und den Wertungskriterien der Studien ist
es offensichtlich, dass Mobbing eine signifikante Größe im westeuropäischen
Erwerbsleben darstellt. Nach Angabe des Statistischen Bundesamtes leben 2003
rund 82 Millionen Menschen in Deutschland.
28
Nach Meschkutat u.a. sind 2,7
Prozent der deutschen Bevölkerung im Jahr 2001 von Mobbing betroffen;
übernimmt man diesen Prozentwert in eine Schätzung der aktuellen Situation, so
sind 2,2 Millionen deutsche Mobbingopfer anzunehmen.
1.4 Durchschnittliche Dauer von Mobbing
Aus einigen Studien über Mobbing am Arbeitsplatz geht eine durchschnittliche
Mobbingdauer von mehr als 12 Monaten hervor.
29
Die Studie von Meschkutat
u.a. zeigt im Mittel eine Mobbingdauer von 16,4 Monaten für Deutschland. Die
häufigste Nennung erzielen dabei Mobbingprozesse von 12 Monaten.
30
Für
25
Vgl. Helge Hoel und Cary Cooper, Destructive Conflict and Bullying at Work (Manchester:
University of Manchester, 2000), S. 9. Innerhalb der Gruppe der Betroffenen waren 6,2 Prozent
hin und wieder, 0,6 Prozent nahezu täglich Mobbinghandlungen ausgesetzt.
26
Vgl. Niedl, Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz, S. 80f. Der LIPT-Fragebogen (Leymann
Inventory of Psychological Terrorization) wurde von Heinz Leymann nach der Auswertung von
300 qualitativen Interviews mit Mobbingopfern, Betriebspsychologen, Personalleitern usw.
entwickelt. Neben Fragen zu soziodemographischen Merkmalen von Opfern und Tätern sowie
zum Grad der sozialen Unterstützung enthält der Fragebogen einen Katalog von 45 feindseligen
Handlungen (vgl. Kapitel 3.7 Mobbinghandlungen). Des Weiteren umfasst der Fragebogen
einen Katalog von 39 Stresssymptomen und Fragen nach Auftretenshäufigkeit und der Dauer
der Handlungen.
27
Vgl. Dieter Zapf, Mobbing in Organisationen ­ Überblick zum Stand der Forschung [im
Folgenden ,,Überblick" genannt], in: Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie
(1999, Bd. 43, Nr.1, S. 1-25), S. 4.
28
Vgl. Onlineressource, URL: http://www.destatis.de/basis/d/bevoe/bevoetxt.htm [Stand: 11.10.
2003].
29
Vgl. Zapf, Überblick, S. 6; vgl. Leymann, The Content and Development, S. 167; vgl. Einarsen
u.a., The Concept, S. 8. Hoel und Cooper (vgl. S. 16) ermittelten, dass rund 21 Prozent der
Mobbingopfer über mehr als ein Jahr gemobbt werden, während rund 41 Prozent über zwei
Jahre hinaus Mobbing ausgesetzt sind.
30
Vgl. Meschkutat u.a., S. 51.

Mobbing ­ Ausgrenzungsphänomene in der Arbeitswelt
8
Norwegen ermitteln Einarsen und Skogstad einen Mittelwert von rund 18
Monaten.
31
In einer landesweiten irischen Studie von O'Moore u.a. wurde sogar
ein Schnitt Dauer von 3,4 Jahren festgestellt.
32
Hinsichtlich der beschriebenen
Schwankungen bei den Zeiträumen von Mobbinghandlungen gibt Zapf zu
bedenken, dass in einigen Studien nur die Mobbingfälle erfasst wurden, die nach
Leymanns Mobbingdefinition bereits über ein halbes Jahr angedauert haben. In
Studien, in denen auch die Fälle von Arbeitnehmern, die weniger als ein halbes
Jahr feindseligen Handlungen ausgesetzt waren, aufgenommen wurden, fällt die
Durchschnittsdauer entsprechend kürzer aus.
33
Die von Leymann in seiner
Mobbingdefinition festgelegte Mindestdauer wurde von Wissenschaftlern wie
Einarsen und Zapf zu Recht als willkürlich bezeichnet.
34
Vielmehr existiert
Mobbing nach Einarsen u.a. ,,on a continuum from occasional exposure to
negative behaviours to severe victimisation resulting from frequent and long-
lasting exposure to negative behaviours at work".
35
Dennoch ist Leymanns
Mindestdauer-Kriterium in der Wissenschaft akzeptiert und wurde in anderen
Studien angewendet, um eine Differenzierung zwischen gelegentlich auftretendem
Stress bzw. Konflikten am Arbeitsplatz und gezielter Viktimisierung zu
ermöglichen.
36
Leymann setzte die Mindestdauer als Kriterium fest, da
andauerndes Mobbing seiner Meinung nach zu ernsten psychischen und
psychosomatischen Beeinträchtigungen führen kann ­ ein Stresseffekt, der weit
über die Folgen von alltäglichem Zeitdruck oder vereinzelten Konflikten
hinausgeht. Die Dauer von einem halben Jahr als Kriterium für das Vorliegen von
Mobbing wählte Leymann deswegen, weil dieser Zeitrahmen häufig zur
Entwicklung von psychischen Störungen angenommen wird.
37
31
Vgl. Ståle Einarsen und Anders Skogstad, Bullying at Work: Epidemiological Findings in
Public and Private Organizations [im Folgenden ,,Epidemiological Findings" genannt], in:
European Journal of Work and Organizational Psychology (1996, Bd. 5, Nr. 2, S. 185-201), S.
192. Der Aufsatz ist auch im Anhang von Einarsen, Bullying and Harassment, veröffentlicht.
32
Vgl. O'Moore u.a., National Survey on Bullying in the Workplace. Dublin: The Anti-Bullying
Research Centre, Trinity College, 2000. Zitiert nach Einarsen u.a., The Concept, S. 8.
33
Vgl. Zapf, Überblick, S. 4.
34
Vgl. Zapf, Überblick, S. 6.
35
Einarsen u.a., The Concept, S. 8.
36
Vgl. dazu die in Kapitel 2 aufgeführten Studien.
37
Vgl. Heinz Leymann, Einführung: Mobbing, in ders. (Hg.), Der neue Mobbing-Bericht.
Erfahrungen, Initiativen, Auswege und Hilfsangebote [im Folgenden ,,Mobbing-Bericht"
genannt] (Reinbek: Rowohlt, 1995, S. 13-26), S. 17.

Mobbing ­ Ausgrenzungsphänomene in der Arbeitswelt
9
Die Studien zeigen alle eine Korrelation zwischen der Mobbingdauer und der
Häufigkeit der Handlungen. Mobbingopfer, die regelmäßig negativen Handlungen
ausgesetzt waren, berichteten über einen längeren Mobbingzeitraum als diejenigen,
die weniger regelmäßig gemobbt wurden.
38
1.5 Volkswirtschaftlicher Schaden
Mobbing verursacht sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern enorme
volkswirtschaftliche Kosten. Personalkosten sind in der Unternehmenskalkulation
ein nicht zu unterschätzender Faktor. Gerade hierbei verursacht Mobbing
zusätzliche Kosten durch erhöhte Personalfluktuation und krankheitsbedingte
Abwesenheit. Für die direkten Krankheitsbehandlungen sind im Jahr 2002 in
Deutschland 11,1 Milliarden Euro aufgewendet worden, für die indirekten
Behandlungen entstanden Kosten von 13,4 Milliarden Euro.
39
Betrachtet man den
vom Deutschen Gewerkschaftsbund aktuell geschätzten jährlichen
volkswirtschaftlichen Schaden von 15 bis 25 Milliarden Euro bzw. 12,5 Milliarden
Euro durch Produktionsausfall, so wird deutlich, mit welchen Kosten für die
Unternehmen das Tolerieren von Mobbing einher geht.
38
Vgl. Einarsen und Skogstad, Epidemiological Findings, S. 192; vgl. Dieter Zapf und Claudia
Groß. Mobbing ­ Konflikteskalation am Arbeitsplatz [im Folgenden ,,Konflikteskalation"
genannt], in: Forschung Frankfurt ­ Wissenschaftsmagazin der Johann Wolfgang Goethe-
Universität Frankfurt. Jg. 18, Heft 1, 2000; S. 22-33; oder Onlineressource, URL: http://
www.uni-frankfurt.de/fb05/psychologie/Abteil/ABO/forschung/mobbing_lit8.pdf [Stand: 29.08.
2003].
39
Vgl. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hg.), Psychokrieg am Arbeitsplatz
(Dortmund: Wirtschaftsverlag NW, 1. Aufl., 2003), S. 5-7. Vgl. auch Klaus Niedl, Wem nützt
Mobbing? Psychoterror am Arbeitsplatz und die Personalwirtschaft von Unternehmen [im
Folgenden ,,Personalwirtschaft" genannt], in: Heinz Leymann (Hg), Mobbing-Bericht, S. 65.
Niedl schätzt den gesamtwirtschaftlichen Schaden auf 15 Milliarden Euro.

Mobbing ­ Ausgrenzungsphänomene in der Arbeitswelt
10
1.6 Thema und Fragestellung
Der Begriff ,,Mobbing" umschreibt negative Handlungen, die ein Mobbingopfer an
seiner Arbeitsstätte durch einen oder mehrere Mobbingtäter erfährt. Im
Mobbingverlauf wird das Opfer unter Umständen sozial ausgegrenzt, indem es
schikaniert, isoliert, zur Aufgabe seiner beruflichen Position gedrängt oder sogar
komplett aus dem Arbeitsprozess bzw. der Gemeinschaft gerissen wird.
40
Diese Arbeit geht der Frage nach, welche Beziehung zwischen der Opfer- und der
Täterrolle im Mobbingprozess besteht. Aus Sicht der Mobbingforschung
existieren Mobbingtäter mit entsprechendem Handlungsbewusstsein. Diese
Vermutung stützt sich besonders auf die meist verheerenden Folgen von Mobbing,
den massiven psychischen Beeinträchtigungen, die an den Betroffenen sichtbar
werden. Da sich der überwiegende Teil der Daten in dem Forschungsgebiet aus
Berichten von Mobbingopfern zusammensetzt, kann man von einer
Opferzentrierung der Mobbingforschung sprechen.
Es wird dargelegt, inwieweit sich diese Rollen im Laufe eines Konflikts, der sich
als Mobbing manifestiert, kristallisieren, und inwieweit Opfer und Täter durch
Persönlichkeitsmerkmale, Verhalten aber auch durch ihre berufliche Situation für
ihre Rolle prädisponiert sind. Das besondere Augenmerk richte ich dabei auf die
Täter und ihre Handlungsmotivation. Da kaum Eigenberichte von Mobbingtätern
vorliegen, kann das Täterbild nur aus dem Opferblickwinkel also eingeschränkt
betrachtet werden. Bei der Differenzierung zwischen möglichem Täter und Opfer
werden auch die psychodynamischen Vorgänge untersucht. Welchen
intrapsychischen Gewinn zieht der Täter oder das Opfer aus den Handlungen bzw.
deren Erduldung? Weiter ist zu fragen, welche Rolle der Austragungsort
,,Arbeitsplatz" als soziale Institution mit zentripetalen und zentrifugalen bzw.
integrativen und dissoziativen Kräften spielt.
40
An Mobbing am Arbeitsplatz können Einzeltäter und -opfer oder Täter- und Opfergruppen
beteiligt sein. Der Lesbarkeit halber werden in dieser Arbeit die Begriffe im Singular verwendet,
sofern die Anzahl der Opfer und Täter nicht explizit thematisiert wird.

Mobbing ­ Ausgrenzungsphänomene in der Arbeitswelt
11
Um die Komplexität eines Mobbingvorgangs adäquat zu erfassen, werden
ebenfalls die Ursachen in den organisationalen und sozialen Bedingungen am
Arbeitsplatz sowie in den individuellen Prädispositionen, die zu Mobbing
beitragen können, betrachtet.
Unberücksichtigt bleiben in der vorliegenden Arbeit Präventions- und
Interventionsmaßnahmen bei Mobbing am Arbeitsplatz. Auch nehmen die
gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Opfer speziell nach Abschluss des
Mobbingprozesses unter Berücksichtigung des Themenschwerpunktes nur einen
marginalen Platz ein.
1.7 Aufbau der Arbeit
Im aktuellen Einleitungskapitel habe ich den morphologischen Ursprung des
Begriffs ,,Mobbing" umrissen und die Mobbingforschung von verwandten
Themengebieten wie Diskriminierung oder sexuelle Belästigung abgegrenzt.
Außerdem habe ich die Ergebnisse einiger Studien aus dem europäischen Raum zu
Verbreitung und durchschnittlichen Dauer von Mobbing zusammengefasst.
Anhand der verfügbaren Literatur wurde der volks- und betriebswirtschaftliche
Schaden durch Mobbing am Arbeitsplatz in Deutschland grob skizziert.
Im folgenden Kapitel ,,Stand der Mobbingforschung" werden die Entwicklung
dieser Forschungsrichtung und die Ergebnisse der Erforschung von Mobbing am
Arbeitsplatz beschrieben. Dabei beleuchte ich die verschiedenen
Mobbingdefinitionen unter den Gesichtspunkten der Art der Handlungen und des
Zeitrahmens. Abschließend gehe ich auf das Phasenmodell von Leymann ein,
welches die Zuspitzung der Mobbingsituation in dessen Verlauf widerspiegelt.
In Kapitel 3 werden Mobbingopfer und Mobbingtäter näher untersucht. Das
Machtungleichgewicht zwischen Opfer und Täter wird dabei eingangs erörtert.
Auch wird untersucht, ob geschlechtsspezifisches Mobbing existiert.

Mobbing ­ Ausgrenzungsphänomene in der Arbeitswelt
12
Das Kapitel 3.5 ,,Die Opfer" befasst sich zunächst mit den durch empirische
Erhebungen ermittelten soziodemographischen Daten wie Alter, Geschlecht und
Position. Weiter wird dargestellt, inwieweit Eigenschaften einer Person wie deren
äußere Merkmale, Persönlichkeit oder soziales Verhalten eine Viktimisierung
begünstigen. Daran schließt sich das Kapitel 3.6 ,,Die Täter" mit weitgehend
analogem Aufbau an. Zu der Beschreibung eines möglichen Mobbingtäters
kommen die typischen Mobbinghandlungen hinzu. Darauf folgend wird die
Tätermotivation untersucht. Abschließend werden die für Mobbing typischen
Handlungen erörtert und deren Gewichtung anhand von empirischen Erhebungen
dargestellt.
Mögliche Ursachen von Mobbing werden in Kapitel 4 untersucht. Sie können in
der Organisation und in der sozialen Interaktion liegen. Dabei spielen die Stress-
und Aggressionseffekte eine Rolle.
Kapitel 5 beschäftigt sich mit den Mobbingursachen in der Psychodynamik der
Beteiligten, worunter einerseits die Gruppendynamik und andererseits
verschiedene intrapsychische und psychosoziale Abwehrformen zu verstehen sind.
Zu diesem Zweck wird eingangs der Institutionenbegriff untersucht.
Den Abschluss der Arbeit bildet das Kapitel 6, in dem ich meine wichtigsten
Ergebnisse zusammenfasse.
Sofern nicht ausdrücklich thematisch nach Geschlechtern unterschieden, beziehen
sich die in der vorliegenden Arbeit verwendeten Maskulina (der Kollege, die
Täter) auf beide Geschlechter. Bei der Verwendung mehrerer Werke eines Autors
habe ich bei der ersten Nennung in den Fußnoten Kurztitel vergeben. Die Arbeit
wurde der neuen deutschen Rechtschreibung entsprechend verfasst. Zitate sind in
der Schreibweise wieder gegeben, in der sie veröffentlicht wurden.

Mobbing ­ Ausgrenzungsphänomene in der Arbeitswelt
13
2 Stand der Mobbingforschung
Obwohl die Erforschung von Mobbing am Arbeitsplatz ein junges Forschungs-
gebiet ist, wird es als das Forschungsthema der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts
bezeichnet.
41
Neben einer Anzahl von populärwissenschaftlichen Veröffent-
lichungen entstanden konkurrierende wissenschaftliche Mobbingkonzepte mit
unterschiedlichen Schwerpunkten. Dennoch haben diese ihren Ursprung
mehrheitlich in Leymanns Forschung. Nach vereinzelten Kooperationen
entwickelte sich ein interdisziplinäres Forschungsnetzwerk und es kam zur
Zusammenarbeit der führenden Forscher in verschiedenen Veröffentlichungen.
42
2.1 Die bisherige Mobbingforschung im Überblick
Der folgende Forschungsüberblick beschäftigt sich mit der Situation in
Westeuropa, ein Schwerpunkt liegt dabei auf den deutschsprachigen
Veröffentlichungen. Empirische Untersuchungen aus den USA werden deshalb in
diesem Überblick nicht berücksichtigt, da die Erforschung von feindseligem
Verhalten am Arbeitsplatz in den Vereinigten Staaten einerseits sehr heterogen
43
ist, andererseits lassen sich die ökonomischen und sozialen Strukturen
44
nicht
41
Vgl. Einarsen u.a., The Concept, S. 3.
42
Vgl. Einarsen u.a., The Concept, S. 3.
43
Vgl. Loraleigh Keashly und Karen Jagatic, By any other Name. American Perspectives on
Workplace Bullying, in: Ståle Einarsen u.a. (Hgg.), Bullying and Emotional Abuse in the
Workplace [im Folgenden ,,Bullying and Emotional Abuse" genannt], (New York: Taylor and
Francis, 2003), S. 31-61. Sie zeigen deutlich auf, dass die US-amerikanische Forschung unter
verschiedensten Leitbegriffen, wie Harassment (Belästigung, Schikane), Workplace Deviance
(Devianz am Arbeitsplatz), Workplace Aggression (Aggression am Arbeitsplatz), Workplace
Abuse (Missbrauch, Misshandlung am Arbeitsplatz), Abusive Supervision (Missbräuchliche
Führung), etc. operiert.
44
Beispielsweise geben Duncan Chappell und Vittorio Di Martino in ihrem internationalen
Vergleich ,,Violence at Work" an, dass laut Statistik Totschlag mit durchschnittlich 20 Personen
Woche der zweithäufigste Grund für Tod am Arbeitsplatz in den Vereinigten Staaten ist. Wenn
auch nur ein geringer Teil der Tötungsdelikte wegen eines Konfliktes am Arbeitsplatz
geschehen, so sind die Zahlen nach Ansicht der Autoren in den europäischen Industriestaaten
signifikant niedriger. 73 Prozent der Tötungsfälle geschehen in den USA während eines Raubs
oder anderen Straftaten und zu 38 Prozent sind Beschäftigte im Einzelhandel betroffen, dennoch
geht nahezu ein Fünftel der Fälle auf eine Auseinandersetzung mit Kollegen (9 Prozent), mit
(früheren) Mitarbeitern (5 Prozent) und mit Kunden (4 Prozent) zurück. Vgl. Duncan Chappell
und Vittorio Di Martino, Violence at Work (Geneva: International Labour Office, 2. Aufl.,
2000), S. 8, 38-40. Die Autoren haben die Daten einer Erhebung des National Institute for
Occupational Safety and Health der Vereinigten Staaten von 1996 entnommen.

Mobbing ­ Ausgrenzungsphänomene in der Arbeitswelt
14
unmittelbar auf europäische Länder übertragen. Die Forschungsrichtung, die mit
dem Begriff ,,Mobbing" verbunden ist, hat ihren Ursprung in der
Verhaltensforschung des Ethologen Konrad Lorenz (1903-1989). Obwohl die
Forschung in den 1980er Jahren begann, scheint das Phänomen deutlich älter zu
sein.
45
Schon im Jahr 1958 verwendet der österreichische Verhaltensforscher und
,,Graugansvater" Lorenz das Wort ,,Mobbing" erstmals im Rahmen einer
wissenschaftlichen Veröffentlichung zur Beschreibung des Angriffsverhaltens
einer Gruppe schwächerer gegen ein einzelnes stärkeres Wesen.
46
Zu Beginn der 1970er Jahre benutzt der schwedische Arzt Peter-Paul Heinemann
diesen Begriff für eine spezifische Art von Gruppengewalt unter Kindern, welche
sich durch ein ,,Alle-gegen-einen"-Verhalten auszeichnete.
47
So etablierte sich der
Begriff ,,Mobbing" beziehungsweise das schwedische ,,Mobbning" bereits in den
Folgejahren im schwedischen Sprachgebrauch ­ allerdings in seiner Bedeutung
auf sämtliche Angriffe von und gegen Individuen erweitert.
48
Aus Heinemanns Arbeit ging die Mobbingforschung im Schulbereich hervor.
49
Diese Forschung, welche nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist,
unterscheidet sich von der Erforschung des Arbeitsplatzmobbings insofern, dass
die ökonomischen Zwänge der erwachsenen Mobbingopfer bei den Jugendlichen
nicht vorliegen, während entwicklungspsychologische Faktoren bei juvenilem
Mobbing von weit größerer Bedeutung sind.
50
45
Vgl. Einarsen u.a., The Concept, S. 6; vgl. Oswald Neuberger, Mobbing. Übel mitspielen in
Organisationen. München (Mering: Hampp, 3. erw. Aufl., 1999), S. 7. Nach Neuberger spiegeln
sowohl Mobbingbegriff und -phänomen den Zeitgeist wider. Das Problem feindseligen
Verhaltens am Arbeitsplatz ist in der Forschung zur Arbeitszufriedenheit bereits länger bekannt.
46
Vgl. Konrad Lorenz, Hier bin ich ­ wo bist Du? Ethologie der Graugans (München: Piper,
1988), S 110. Vgl. auch Schlaugat, S. 4.
47
Vgl. Peter-Paul Heinemann, Mobbning ­ gruppvald bland barn och vuxna (Stockholm: Natur
och Kultur,1972), S 10. Zitiert nach Niedl, Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz, S. 12.
48
Vgl. Niedl, Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz, S. 12; vgl. Schlaugat, S. 5.
49
Einen Überblick über die Geschichte und Ergebnisse der Schulmobbingforschung findet sich bei
Niedl; vgl. Niedl, Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz, S. 13-15.
50
Vgl. Niedl, Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz, S. 16. Klaus Niedl plädiert dennoch für eine
Reflexion der empirischen und theoretischen Ergebnisse der Schulforschung innerhalb der
Mobbingforschung am Arbeitsplatz. Vgl. auch Schlaugat, S. 5.

Mobbing ­ Ausgrenzungsphänomene in der Arbeitswelt
15
2.2 Mobbing am Arbeitsplatz
1976 richtete sich durch die Arbeit ,,The Harassed Worker" von Carroll M.
Brodsky, Psychiaterin und Leiterin kalifornischer Schiedskommissionen,
51
die
Aufmerksamkeit auf die Schikane am Arbeitsplatz. Sie verwendet darin jedoch
nicht den Begriff ,,Mobbing", sondern spricht von ,,Harassment" (Schikane,
Belästigung), worunter sie nichts anderes versteht als systematische Feind-
seligkeiten am Arbeitsplatz.
52
Dies zeigt sich an ihrer Definition des ,,Harassment
Behavior" (siehe folgendes Kapitel) sowie an ihren Ausführungen zu dem
Verlauf, den Charakteristika der Beteiligten und den Gegenmaßnahmen"
53
.
Dennoch blieb ihre Arbeit vor allem in Europa lange unbeachtet.
54
Weitere frühe
Arbeiten, die noch nicht den Begriff ,,Mobbing" benutzen, sondern sich unter
anderen mit der ,,Pathogenität interpersonaler Beziehungen" beziehungsweise
,,Pathologie des sozialen Beziehungsgefüges` auseinandersetzen, stammen von
Diethmar Althaus (1979) sowie von Löffler und Sofsky (1986).
55
1984 entfachte der Deutsche Heinz Leymann (1932-1999), Forschungsleiter am
schwedischen Reichsinstitut für Arbeitswissenschaften, mit seiner Veröffent-
lichung einer Mobbingstudie die öffentliche Diskussion in Schweden, die
anschließend von der Presse aufgegriffen wurde.
56
51
Vgl. Carroll M. Brodsky, The Harassed Worker (Lexington, MA: Health and Company, 1976),
S. 2. Zitiert nach Niedl, Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz, S. 18. Vgl. auch Neuberger, S. 3.
Neuberger gibt an, dass sie ihre Erfahrungen im ,,California Workers` Compensation Appeals
Board" und in der ,,Nevada Industrial Commission" in ihrem Buch verarbeitet hat. Brodsky
wurde von einigen Mobbingforschern als männlich identifiziert. Aus amerikanischen
Publikationen geht jedoch hervor, dass Brodsky (Vorname Caroll M.) eine Frau ist. Vgl. Vicki
Schultz in: Yale Law Journal, 1998. Onlineressource, URL: http://cyber.law.harvard.edu/vaw00/
shultz.html. [Stand: 03.09.2003] und Ronald Turner in: The University of Houston Law Center,
2000. Onlineressource, URL: http://www.law.duke.edu/journals/djglp/articles/gen7p57.htm
[Stand: 03.09.2003].
52
Vgl. Scholze-Stubenrecht und Sykes, S. 337.
53
Schlaugat, S. 5.
54
Vgl. Einarsen u.a., The Concept, S. 4.
55
Vgl. Diethmar Althaus, Zur Psychopathologie des Alltagslebens am Arbeitsplatz (Frankfurt/
Main: Campus, 1979); vgl. Reiner Löffler & Wolfgang Sofsky, Macht, Arbeit und Humanität.
Zur Pathologie organisierter Arbeitsstrukturen. Augsburg: Cromm, 1986.
56
Vgl. Heinz Leymann und Bo-Göran Gustavsson, Psykist våld i arbetslivet. Två explorativa
undersökningar [Psychische Gewalt im Arbeitsleben. Zwei explorative Studien]. Stockholm:
Arbetarskyddstyrelsen, 1984. Zitiert nach Dieter Zapf und Heinz Leymann, Foreword, in:
European Journal of Work and Organizational Psychology (1996, Bd. 5, Nr.2, S. 161-164),
S.-161 und 164. Vgl. Heinz Leymann, Vuxenmobbning ­ om psykist våld i arbetslivet. Lund:
Studentlitteratur, 1986. Zitiert nach Niedl Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz, S. 16.

Mobbing ­ Ausgrenzungsphänomene in der Arbeitswelt
16
Die Studie basiert auf der Auswertung von 300 Interviews, die Leymann und
seine Forschungsgruppe Anfang der 80er mit schwedischen Arbeitnehmern
durchführten. Unter dem Begriff ,,Mobbing" beschäftigten sich Leymann und
seine Mitarbeiter danach intensiv mit der Erforschung dieses bestimmten Typs der
Konflikteskalation am Arbeitsplatz.
57
Die folgenden zahlreichen schwedischen
arbeitspsychologischen Forschungsbeiträge (unter anderem Thylefors (1987)
58
,
Leymann und Tallgren (1990)
59
, Leymann (1991
60
, 1992
61
), Linderoth und
Leymann (1993)
62
) führten zu einer gesteigerten Aufmerksamkeit hinsichtlich der
Mobbingthematik, darüber hinaus wurden präventive bis rehabilitative Maßnamen
ins Leben gerufen. Teil der erhöhten Sensibilisierung war auch das bereits 1976
neu geregelte schwedische Arbeitsmilieugesetz: Es besagt, dass ein Arbeitnehmer
ein Recht auf die Erhaltung seiner physischen und psychischen Gesundheit hat.
63
57
Vgl. Leymann & Gustavsson, 1984. Zitiert nach Zapf und Leymann; vgl. Heinz Leymann,
Einführung: Mobbing, in: ders., Mobbing-Bericht, S. 15f. Niedl weist darauf hin, dass es
Hinweise darauf gibt, dass der norwegische Organisationspsychologe Svein Kile das Thema
bereits 1976 unter dem Etikett ,,Mobbing im Arbeitsleben" aufgegriffen habe. Vgl. Niedl,
Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz, S. 16.
58
Ingela Thylefors, Syndabockar. Om utstötning och mobbning i arbetslivet. Stockholm: Natur
och Kultur, 1987. Zitiert nach Niedl, Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz, S. 19 und 38. In dieser
frühen schwedischen Erhebung wurden 130 Direktoren und Führungskräfte verschiedener
Unternehmen befragt. Zur Erfassung des Problembewusstseins sollten sie zu der möglichen
Existenz von Mobbing in ihrer Firma Stellung nehmen.
59
Heinz Leymann, Mobbing and Psychological Terror at Workplaces, in: Violence and Victims
(1990, Bd. 5, Nr. 2), S. 119-126. Zitiert nach Niedl, Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz, S. 38.
Hier wurde eine Erhebung mit Hilfe des von Leymann entwickelten LIPT-Fragebogens
durchgeführt.
60
Heinz Leymann, Vuxenmobbning på svenska arbetsplatser. En rikstäckande undersökning med
2438 intervjuer. Delrapport 3. Stockholm: Arbetarskyddsstyrelsen, 1991. Diese Erhebung war
eine für Schweden repräsentative Auswahl von abhängig Beschäftigten ­ insgesamt 2438
Personen ­ mit der gleichen Zielsetzung wie die 1990 durchgeführte Studie. Zitiert nach
Leymann, Mobbing-Bericht, S.194. Vgl. Niedl, Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz, S. 38.
61
Heinz Leymann, Lönebidrag och mobbad. En svag grupps psykosociala arbetsvillkor i Sverige.
Stockholm: Arbetarskyddsstyrelsen, 1992. Zitiert nach Leymann, Mobbing-Bericht, S.194. Vgl.
Niedl, Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz, S. 39. Die Studie wurde in einer Non-Profit-
Organisation mit psychisch/physisch Behinderten und nichtbehinderten Arbeitnehmern
durchgeführt. 179 Teilnehmer wurden zu ihren Erfahrungen mit Mobbing am Arbeitsplatz
befragt, außerdem sollten sie das psychosoziale Klima und den Führungsstil beurteilen.
62
S. Lindroth und Heinz Leymann, Vuxenmobbning mot en minoritetsgrupp av män inom
bornomsorgen. Stockholm: Arbetarskyddsstyrelsen, 1993. Zitiert nach Leymann, Mobbing-
Bericht, S. 194. Vgl. Niedl, Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz, S. 39. Der Schwerpunkt dieser
Studie, die mit 189 Kindergärtnern/-innen durchgeführt wurde, war die Rolle von Männern in
Frauenberufen.
63
Vgl. Heinz Leymann, Mobbing. Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man sich dagegen
wehren kann [im Folgenden ,,Mobbing" genannt], (Reinbek: Rowohlt, 1993), S. 17. Vgl. Niedl,
Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz, S. 16f; vgl. Schlaugat, S. 6.

Mobbing ­ Ausgrenzungsphänomene in der Arbeitswelt
17
Am Ende der 80er Jahre erschienen dann erste epidemiologische Mobbing-
untersuchungen in Norwegen und in Finnland von Matthiesen, Raknes und
Røkkum (1989)
64
; Skogstad, Matthiesen und Hellesøy (1990)
65
; sowie Paanen und
Vartia (1991)
66
. 1990 publizierte der norwegische Organisationspsychologe Svein
Kile die Untersuchung ,,Helsefarlig Ledelse" (Gesundheitsgefährliche Führungs-
kräfte), in der er die Schikane von Vorgesetzten ihren Untergebenen gegenüber
untersuchte.
67
1991 führten Ståle Einarsen und Bjørn Inge Raknes
68
eine umfangreiche
Erhebung durch, in der 2215 Mitglieder verschiedener norwegischer
Fachgewerkschaften per Fragebogen befragt wurden: Neben allgemeinen
Auskünften zur Mobbingbetroffenheit sollten darüber hinaus Aussagen zu
Persönlichkeit, Arbeitszufriedenheit, Rolle und Rollenkonflikt, Karriereplanung,
physischer und psychischer Gesundheit, Arbeitsplatzklima sowie zum Maß
sozialer Unterstützung getroffen werden. An der Åbo Akademi in Norwegen
erschienen wenig später eine Reihe Untersuchungen unter der Leitung von Kaj
Björkvist ­ unter anderem die epidemiologische Forschungsarbeit von Björkvist,
64
Stig B. Matthiesen, Bjørn I. Raknes und Ole Røkkum, Mobbing på arbeidsplassen. Bergen:
Forskningssenter for Arbeidsmiljø, Helse og Sikkerhet (FAHS), Universitetet i Bergen, 1989.
Zitiert nach Niedl, Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz, S. 16 und 37. Vgl. Einarsen u.a., The
Concept, S. 4. Die Studie umfasste eine Befragung von 99 Kranken- und Hilfsschwestern sowie
84 Lehrern. Das Ziel war die Feststellung von Verbreitung, Ursachen sowie Ausmaß der
gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Mobbing.
65
Anders Skogstad, Stig B. Matthiesen und Odd H. Hellesøy, Hjelpepleiernes Arbeids-
miljøkvalitet. En undersøkelse av arbeidsmiljø. Helse og Sikkerhet (FAHS), Universitetet
Bergen, 1990. Zitiert nach Niedl, Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz, S. 16 und 37. Hierbei
handelte es sich um eine Mehrthemenbefragung von 745 Hilfskrankenschwestern/-pflegern
durch Fragebogen zu Themen wie Führungsstil, Krankenstand, gesundheitliche
Beeinträchtigungen.
66
Tula Paanen und Maarit Vartia, Henkinen våkivalta työpakoilla. Kysely ­ ja haastattelututkimus
valtion työterveyshoullossa ja työterveyshoullon auttamiskeinot. Helsinki: Työterveyslaitos
psykologian osasto, 1991. Zitiert nach Maarit Vartia, The Sources of Bullying ­ Psychological
Work Environment and Organizational Climate, in: European Journal of Work and
Organizational Psychology (1996, Bd. 5, Nr.2, S. 203-214), S. 214. Sie befragten 984 Klienten
von Gesundheitsanbietern durch Fragebogen und Interviews. Ihr Ziel war die Erkenntnis über
Verbreitung, Ausprägung und Ursachen von Mobbing am Arbeitsplatz sowie Erstellung von
Hilfsprogrammen für Betroffene in Gesundheitseinrichtungen. Vgl. Niedl, Mobbing, Bullying
am Arbeitsplatz, S. 16; vgl. Einarsen u.a., The Concept, S. 4.
67
Svein Kile, Helsefarlege Leiarskap. Ein eksplorerande studie. Rapport til Norge Almen-
vitenskapleige Forsknungsråd. Bergen: Universitetet i Bergen. Zitiert nach Niedl, Mobbing,
Bullying am Arbeitsplatz, S. 17 und Einarsen u.a., The Concept, S. 4 und 28.
68
Vgl. Einarsen u.a., The Concept, S. 4. Vgl. auch Ståle Einarsen u.a., Helsemessige aspekter ved
mobbing i arbeidslivet. Modererende effekter av sosial sttte og personlighet, in: Nordisk
Psykologi (Bd. 48, Nr. 2, S. 116-137). Der Aufsatz ist auch im Anhang von Einarsen u.a.,
Epidemiological Findings, veröffentlicht.

Mobbing ­ Ausgrenzungsphänomene in der Arbeitswelt
18
Österman und Hjelt-Bäck (1994).
69
Im Jahr 1996 befragte die Finnin Maarit
Vartia 949 Angestellte der Kommunalverwaltung in einer explorativen Studie.
70
Einerseits untersucht sie darin arbeitsbedingte Mobbingrisiken, die von einem
bestimmten psychosozialen Arbeitsklima und Merkmalen der Organisation
abhängen. Andererseits versucht sie festzustellen, inwieweit ein Zusammenhang
zwischen Mobbingbetroffenheit und speziellen Persönlichkeitsmerkmalen besteht.
Die britische Journalistin Andrea Adams veröffentlichte 1992 ihr Buch ,,Bullying
at Work" ­ eine unsystematische Sammlung von Fallschilderungen. Ihre
Dokumentationen wurde zudem bei BBC Radio gesendet.
71
Darin wagten sich die
ersten Mobbingbetroffenen in Großbritannien an die Öffentlichkeit. Zu der
daraufhin einsetzenden Forschung gehören unter anderem die britischen
epidemiologischen Studien von Charlotte Rayner (1997)
72
sowie Helge Hoel und
Cary Cooper (2000)
73
. In anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Ungarn,
Italien, und den Niederlanden wurden weitere Studien publiziert.
74
69
Kaj Björkvist, Karin Österman und Monika Hjelt-Bäck, Aggression among University
Employees. Åbo: Åbo Akademi, 1994. Ebenfalls in: Aggressive Behavior (Zeitschrift) (1994,
Nr. 20, S. 173-184). Zitiert nach Einarsen u.a., The Concept, S. 4; vgl. Zapf und Leymann, S.
161. In dieser Studie wurden 338 Beschäftigte per Fragebogen interviewt. Hinzu kamen 19
qualitative Interviews. Das Ziel der Studie war die Feststellung von Verbreitung, Ursachen und
individuellen Effekten von Mobbing am Arbeitsplatz.
70
Vartia, S. 203-214.
71
Andrea Adams, Bullying at Work. How to Confront and Overcome it. London: Virago Press,
1992. Vgl. Einarsen u.a., The Concept, S. 4. Vgl. auch Niedl, Mobbing, Bullying am
Arbeitsplatz, S. 33. Andrea Adams ist 1996 plötzlich verstorben. Ihre Kollegen und Freunde
gründeten den Andrea Adams Trust, der Betroffenen Rat und Hilfestellung geben soll.
Siehe dazu Onlineressource: http://www.andreaadamstrust.org [Stand: 05.09.2003].
72
Charlotte Rayner, The Incidence of Workplace Bullying, in: Journal of Community & Applied
Social Psychology (1997, Bd. 7, S. 199-208).
73
Helge Hoel und Cary Cooper, Destructive Conflict and Bullying at Work, Manchester:
University of Manchester, 2000. Onlineressource:
http://www.csren.gov.uk/UMISreportHelgeHoel1.pdf [Stand: 03.09.2003].
74
Vgl. Einarsen u.a., The Concept, S. 4. Vgl. Hirigoyen, S. 99f.

Mobbing ­ Ausgrenzungsphänomene in der Arbeitswelt
19
2.3 Mobbingforschung im deutschen Sprachraum
Neben der vielfältigen Populärliteratur zum Thema Mobbing am Arbeitsplatz
existieren mittlerweile eine Reihe empirischer Untersuchungen. Die
populärwissenschaftlichen Arbeiten, Erfahrungsberichte oder Selbsthilfe-
handbücher basieren zum größten Teil auf Leymanns 1993 in Deutschland
veröffentlichtem Buch ,,Mobbing. Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man sich
dagegen wehren kann", in dem er seine bisherigen Forschungsergebnisse
zusammenfasst.
75
Eine differenziertere Aufarbeitung der Ergebnisse anderer
skandinavischer Untersuchungen in deutscher Übersetzung existiert bisher
nicht.
76
Interessanterweise ist der Auftakt zur deutschsprachigen Forschung in
einer populärwissenschaftlichen Publikation zu finden: Mit ihrem Artikel
,,Psychoterror im Betrieb" in Psychologie Heute (1988) machte Monica Moebius
die Thematik im deutschen Sprachraum bekannt.
77
Die Diskussion fand ihren
Niederschlag in verschiedenen Diplom- und Hausarbeiten (1993-1994), die sich
nach Klaus Niedls Auffassung ,,zum überwiegenden Teil auf die Rezeption von
empirischen Ergebnissen"
78
bezogen.
Oswald Neuberger stellt 1994 in seiner Veröffentlichung ,,Mobbing. Übel
mitspielen in Organisationen"
79
einen Bezug zwischen Leymanns
Mobbingkonzept und anderen theoretischen Konzepten (Konflikt, Stress,
Gruppendynamik usw.) her. Mit seiner durchaus kritischen Betrachtung von
Leymanns bisheriger Arbeit provozierte er eine ebenso kritische Antwort
Leymanns in dessen 1995 herausgegebenen Aufsatzsammlung ,,Der neue
Mobbingbericht. Erfahrungen, Initiativen, Auswege und Hilfsangebote".
80
Die schon mehrfach herangezogene zentrale deutschsprachige Untersuchung
stammt von Klaus Niedl. In zwei österreichischen Organisationen (Forschungs-
institut und Krankenhaus) führte er eine repräsentative schriftliche Befragung
75
Heinz Leymann, Mobbing; vgl. Einarsen u.a., The Concept, S. 4.
76
Vgl. Schlaugat, S. 6.
77
Vgl. Monica Moebius, Psychoterror im Betrieb, in: Psychologie Heute (Nr. 1/88, 1988), S. 32-
39. Vgl. Neuberger, S. 3; vgl. Niedl, Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz, S. 17.
78
Für einen Überblick über diese Arbeiten vgl. Niedl, Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz, S. 17.
79
Vgl. Neuberger, S. 159-189.
80
Vgl. Heinz Leymann, Mobbing-Bericht, S. 1.

Mobbing ­ Ausgrenzungsphänomene in der Arbeitswelt
20
durch, die überwiegend Leymanns Ergebnisse bestätigte. Mit ihrem ,,Mobbing-
Report" legten Meschkutat, Stackelbeck und Langenhoff 2002 dann eine erste
repräsentative Mobbingstudie für Deutschland vor.
81
Durch eine telefonische und
schriftliche Befragung ermittelten sie vor allem sozio-demographische Daten zur
Mobbingbetroffenheit wie Alter, Geschlecht, Status, Berufe und Branchen.
Der Arbeitspsychologe Dieter Zapf führte im Auftrag der Universität Konstanz,
der Goethe-Universität in Frankfurt am Main und der Deutschen Angestellten
Gewerkschaft einige qualitative Studien im Rahmen von Interviews mit
Mobbingbetroffenen durch. Die meisten Manuskripte sind bisher nicht
veröffentlicht. Eine Reihe der Ergebnisse liegen jedoch in Form von Aufsätzen in
anderen Veröffentlichungen vor.
82
Im Jahr 2002 publizierten von Holzen Beusch
u.a. die ,,Studie Mobbing und andere psychosoziale Spannungen am Arbeitsplatz
in der Schweiz"
83
im Auftrag des schweizerischen Staatssekretariats für
Wirtschaft. In dieser repräsentativen Telefonbefragung von 3220 Arbeitnehmern
werden vor allem die Häufigkeit und die gesundheitlichen Auswirkungen von
Mobbing untersucht.
Das 2001 erschienene Buch von Ihno Schild & Andreas Heeren ,,Mobbing.
Konflikteskalation am Arbeitsplatz" beinhaltet zwar keine neuen empirischen
Ergebnisse, ist aber deswegen bedeutsam, weil die Autoren die Informations- und
Selbsthilfeplattform www.mobbing-am-arbeitsplatz.de ins Leben gerufen haben.
Die zahlreichen wissenschaftlichen Beiträge haben zu einer Fülle von
Erkenntnissen über Mobbing am Arbeitsplatz geführt, die im Folgenden dargestellt
werden sollen. Als Einstieg eignet sich hierfür die Auseinandersetzung mit den
verschiedenen Mobbingdefinitionen.
81
Vgl. Meschkutat u.a., S. 1.
82
Vgl. Dieter Zapf, Carmen Knorz und Matthias Kulla, On the Relationship between Mobbing
Factors, and Job Content, Social Work Environment, and Health Outcomes [im Folgenden
"Relationship" genannt], in: European Journal of Work and Organizational Psychology (1996,
Bd. 5, Nr.2), S. 215-237. Vgl. Dieter Zapf, Überblick. Vgl. Zapf u.a., Konflikteskalation,
S.-22-33; oder Vgl. Dieter Zapf, Mobbing ­ eine extreme Form sozialer Belastungen in
Organisationen [im Folgenden ,,Belastungen in Organisationen" genannt], in: Hans-Peter
Musahl und Thomas Eisenhauer (Hgg.), Psychologie der Arbeitssicherheit. Beiträge zur
Förderung von Sicherheit und Gesundheit in Arbeitssystemen (Heidelberg, Asanger, 2000), S.
142-149.
83
von Holzen Beusch u.a., S. 1.

Mobbing ­ Ausgrenzungsphänomene in der Arbeitswelt
21
2.4 Definition von Mobbing
Mit dem folgenden exemplarischen Überblick über einige Mobbingdefinitionen
lässt sich das Phänomen ,,Mobbing am Arbeitsplatz" näher beleuchten. Dabei habe
ich die ausschließlich in skandinavischen Sprachen erschienenen Mobbing-
konzepte der Dissertation von Klaus Niedl entnommen.
84
Nachdem die ersten Ergebnisse der Forschung über Mobbing am Arbeitsplatz in
den Fokus des öffentlichen Interesses traten, wurde die Diskussion um die
verschiedenen Mobbingkonzepte eröffnet. Die Mobbingdefinitionen ähneln sich in
einigen Faktoren, zu denen jeder Wissenschaftler die von seinem
Forschungsschwerpunkt abhängige Sichtweise hinzu. So gibt es nach Neuberger
,,keine wahren oder richtigen [...], sondern nur zweckmäßige"
85
Definitionen von
Mobbing. Ein Konsens existiert dahingehend, dass es sich bei dem Phänomen von
feindseligen Handlungen am Arbeitsplatz kaum um einen neu aufgetretenen
Tatbestand handelt, sondern um ein bereits vor der Erforschung bestehendes
Problem, dem es bis dato an einem konzeptuellen Erklärungsrahmen fehlte.
86
Brodsky nennt 1976 als erste Autorin Indikatoren, die feindselige Handlungen am
Arbeitsplatz definieren:
,,Harassment behavior involves repeated and persistent attempts by one
person to torment, wear down, frustrate, or get a reaction from another. It is
treatment that persistently provokes, pressures, frightens, intimidates, or
otherwise discomforts another person."
87
Primärer Indikator von feindseligem Verhalten ist für Brodsky die wiederholte
und anhaltende Schikane. Damit ist sie die Vorreiterin der heute existierenden
Mobbingdefinitionen, denn die Bestimmung von Dauer und Häufigkeit negativer
Handlungen wurde zum Hauptbestandteil der meisten folgenden Definitionen.
Brodskys Aufzählung negativer Handlungen deckt eine große Bandbreite
spezifischer Handlungen ab (Zermürben, Frustrieren, Einschüchtern usw.). Als
84
Vgl. Niedl, Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz, S. 18f.
85
Neuberger, S. 11.
86
Vgl. Einarsen u.a., The Concept, S. 6; vgl. Schlaugat, S. 6.

Mobbing ­ Ausgrenzungsphänomene in der Arbeitswelt
22
weiteren Indikator für Schikane weist sie auf die bei einer schikanierten Person
hervorgerufenen Reaktionen hin (Provokation, Angst, andere
Unannehmlichkeiten). Die in ihrer Darstellung noch sehr allgemeine Aufzählung
von Folgen für die von feindseligen Handlungen Betroffenen wurden in späteren
Definitionen anderer Forscher spezifiziert (gesundheitliche Beeinträchtigungen,
Stress). In einer der ersten auf Leymanns Studie folgenden Arbeiten im Jahr 1987
definiert Thylefors Mobbing dahingehend, dass es sich
,,um eine oder mehrere Person(en) handelt, die wiederholte Male und über
längere Zeit negativen Handlungen durch ein anderes oder mehrere andere
Individuen ausgesetzt ist/sind. Man zerstört auf eine systematische Art das
Selbstwertgefühl und die Möglichkeiten einer Person."
88
Thylefors erweitert den Kreis der Betroffenen, indem auch mehrere Personen von
Mobbing betroffen sein können. sie unterstellt dem beziehungsweise den Tätern
eine systematische Vorgehensweise bei der Zermürbung des Opfers.
Svein Kile schränkt 1990 den Personenkreis möglicher Opfer und Täter nach
Status ein. Er definiert Mobbing als ,,gesundheitsgefährliche Führung" und somit
als Machtmissbrauch eines Vorgesetzten: ,,Gesundheitsgefährliche Führung
bezieht sich auf die langwierige und ausdauernde Schikane eines oder mehrerer
Untergebenen durch einen Führer."
89
1991 erstellen Einarsen und Raknes eine
detaillierte Definition von Mobbing, welches vorliegt, wenn
,,eine Person oder mehrere Personen häufiger über eine Zeit lang negativen
Handlungen (Schikane, Isolation, Kränkungen etc.) von einer anderen oder
mehreren anderen Personen ausgesetzt ist/sind. Weiter muß ein
Ungleichgewicht im Stärkeverhältnis vorhanden sein, so daß das
Mobbingopfer es schwer hat, sich zu verteidigen. Man spricht nicht von
Mobbing, wenn etwa zwei gleich starke Personen einen Konflikt austragen,
oder wenn es sich um kleine Konfliktepisoden handelt."
90
87
Brodsky, S. 2. Zitiert nach Niedl, Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz, S. 18; vgl. auch Keashly
und Jagatic, S. 33; vgl. Schlaugat, S. 7.
88
Thylefors, Syndabockar. Om utstötning och mobbning i arbetslivet (Stockholm: Natur och
Kultur, 1987), S.20. Übersetzung aus dem Schwedischen, Niedl. Zitiert nach Niedl, Mobbing,
Bullying am Arbeitsplatz, S.19.
89
Svein Kile, Helsefarlege Leiarskap. Ein eksplorerande studie. Rapport til Norge
Almenvitenskapleige Forsknungsråd (Bergen: Universitetet i Bergen), S.15. Übersetzung aus
dem Norwegischen, Klaus Niedl. Zitiert nach Niedl, Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz, S. 19;
vgl. auch Einarsen u.a., The Concept, S. 3; vgl. Schlaugat, S. 7.
90
Ståle Einarsen und Bjørn Raknes, Mobbing i arbeidslivet. En undersøkelse an forekomst og
helsemessige konsekvenser av mobbing på norske arbeidsplasser (Bergen: Forskiningssenter for
Arbeidsmiljø, Helse og Sikkerhet (FAHS) Universitetet i Bergen, 1991), S. 10. Übersetzung aus
dem Norwegischen, Klaus Niedl. Zitiert nach Niedl, Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz, S. 20.
Vgl. auch Schlaugat, S. 8.

Mobbing ­ Ausgrenzungsphänomene in der Arbeitswelt
23
Neben der Skizzierung möglicher negativer Handlungen (Schikane, Isolation,
Kränkung) betonen sie ein Ungleichgewicht im Stärkeverhältnis von Opfern und
Tätern und die damit verbundene Erschwernis der Opfer sich zu verteidigen.
Allerdings beziehen sie das Ungleichgewicht ­ entgegen Kile ­ nicht explizit auf
den beruflichen Status von Opfern und Tätern. Einarsen und Raknes geben
erstmals einen Hinweis darauf, dass Mobbing Folge eines anhaltenden Konflikts
sein kann. Hjelt-Bäck beschreibt 1992 in einer Definition von ,,Trakassering"
(schwedisch: Schikane) ebenfalls dieses Ungleichgewicht. ,,Trakassering" umfasst
,,negative und unrechte Handlungen, die von einem Individuum oder
mehreren Individuen gegen ein anderes oder mehrere andere Individuen,
welche sich nicht verteidigen können, ausgeführt werden. Die mangelnde
Verteidigungsmöglichkeit kann z.B. auf der Stellung des Individuums in der
Organisation oder darauf beruhen, daß es sich nicht sozial verteidigen kann
(z.B. weil die Widersacher eine Gruppe bilden)."
91
Die schlechtere Position der Opfer kann demnach also status- oder sozial bedingt
sein. Zwar machte Hjelt-Bäck keine Angaben über die Häufigkeit oder Dauer der
Handlungen, ergänzte aber ,,unrechte" zu den negativen Handlungen.
In seinem sehr erfolgreichen populärwissenschaftlichen Werk über Mobbing
veröffentlicht Heinz Leymann 1993 die aus meiner Sicht in der Forschung am
stärksten beachtete und zitierte Mobbingdefinition:
,,Der Begriff Mobbing beschreibt negative kommunikative Handlungen, die
gegen eine Person gerichtet sind (von einer oder mehreren anderen) und die
sehr oft und über einen längeren Zeitraum hinaus vorkommen und damit die
Beziehung zwischen Täter und Opfer kennzeichnen."
92
Leymann bezeichnet bestimmte Handlungen als negative Kommunikation. Er
benennt in dieser Definition nur einen Täter und ein Opfer; in einer früheren
Definition ging er jedoch von einer oder mehreren Personen aus.
93
In einer 1993
91
Monika Hjelt-Bäck, Arbetsplatstrakassering vid Åbo Akademi ­ en undersökning om upplevda
orsaker till, förekomst och följder av vuxentrakassering
(
Åbo: Åbo Akademi, humanistiska
fakulteten, psykologiska institutuionen, 1992), S. 4. Übersetzung aus dem Schwedischen, Klaus
Niedl. Zitiert nach Niedl, Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz, S. 20. Vgl. auch Schlaugat, S. 7f.
92
Leymann, Mobbing, S. 21.
93
"Meine Definition von Mobbing (oder gleichartiger Bezeichnungen) lautet: negative kommu-
nikative Handlungen, die sich gegen eine oder mehrere Persone(en) [sic!] richten und sehr häufig
über längere Zeit auftreten" aus Heinz Leymann, Presentation av LIPT-formuläret: konstruktion,
validering, utfall (Stockholm: Praktikerjänst, 1989), S. 7. Übersetzung aus dem Schwedischen,
Klaus Niedl. Zitiert nach Niedl, Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz, S. 18.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832489939
ISBN (Paperback)
9783838689937
DOI
10.3239/9783832489939
Dateigröße
734 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover – Geschichte, Philosophie und Sozialwissenschaften, Soziologie und Sozialpsychologie
Erscheinungsdatum
2005 (September)
Note
2,0
Schlagworte
konflikt arbeitsplatz psychologie täter
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Titel: Mobbing - Ausgrenzungsphänomene in der Arbeitswelt
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