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Elternpartizipation in der Elementarpädagogik

Entwicklung eines zukunftsorientierten Konzeptes mit Bildungschancen für Eltern unter besonderer Berücksichtigung von Familien mit Migrationshintergrund

©2004 Diplomarbeit 137 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Über Elternpartizipation wurde in der Vergangenheit bereits viel geschrieben, doch ein spezifisches richtungweisendes Konzept zu deren Umsetzung in Kindertagesstätten, insbesondere unter Berücksichtigung von Familien nicht-deutscher Herkunft, fehlt bislang.
Familien mit Migrationshintergrund liegen oft andere kulturelle Werte und Normen zugrunde und eine andere Familiensprache. Häufig haben die Eltern und zum Teil auch deren Kinder Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache, fühlen sich alleingelassen und haben Berührungsängste, auch weil sie zum Teil schlechte Erfahrungen mit anderen Institutionen gemacht haben. Aus diesem Grund ist der kontinuierliche Kontakt zwischen ErzieherIn und Eltern und das Einbeziehen der Eltern in den Kindergartenalltag gerade bei Migrantenfamilien sehr wichtig.
Um in der Gesellschaft zukünftig zurechtzukommen, müssen aber auch Eltern und Kinder der Dominanzgesellschaft lernen, mit Vielfalt umzugehen. In einer Zeit, in der Multikulturalität immer mehr Raum einnimmt, ist es wichtig, auf beiden Seiten die Angst vor dem Fremden zu nehmen. Daher ist das Einbinden aller Eltern in die Prozesse der Kindertageseinrichtung und ihre Fortbildung in Bezug auf Erziehungsfragen von hohem Stellenwert. Beispielsweise sieht Maaz einen Zusammenhang von autoritärer Erziehung und der Angst vor Fremden (latente Angst), die meist auf unbewusster Ebene abläuft.
Wenn Kinder die Werte und Normen ihrer Gesellschaft nicht demokratisch verinnerlichen, erleben sie abweichende Normen und Werte anderer Kulturen als Bedrohung, da ihnen eine solche Abweichung früher verboten wurde. Im Extremfall kann daraus Fremdenfeindlichkeit entstehen.
Die Zusammenarbeit mit Eltern ist daher sowohl ein wechselseitiger Lernprozess zwischen den ErzieherInnen und den Eltern, als auch zwischen den Eltern der verschiedenen Kulturen.
Es wäre für eine Kindertagesstätte vorteilhaft, wenn sie ihre Arbeit transparenter gestaltet und neue kommunikative Formen der Eltern- und Familienarbeit entwickelt, sowie die Kooperation mit bzw. Integration von Sozialen Diensten, wie den Familien- und Erziehungsberatungsstellen, anstrebt. Denn die neuesten Forschungen belegen, dass es sich günstig auf die Entwicklung der Kinder auswirkt, wenn Eltern und Pädagogische Fachkräfte eng zusammenarbeiten.
Daher gehen wir in dieser Arbeit von einer Kindertagesstätte aus, die als Lebensraum nicht nur für Kinder, sondern auch für deren Eltern bestimmt ist, mit der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8992
Böhme, Anke; Böhme, Thomas: Elternpartizipation in der Elementarpädagogik -
Entwicklung eines zukunftsorientierten Konzeptes mit Bildungschancen für Eltern unter
besonderer Berücksichtigung von Familien mit Migrationshintergrund
Hamburg: Diplomica GmbH, 2005
Zugl.: Freie Universität Berlin, Diplomarbeit, 2004
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2005
Printed in Germany

Anke Böhme
Diplom-Pädagogin
Eschershauser Weg 15 L
14163 Berlin
Tel. 030 / 84 72 19 71
boehme2@zedat.fu-berlin.de
Thomas Böhme
Diplom-Pädagoge
Eschershauser Weg 15 L
14163 Berlin
Tel. 030 / 84 72 19 71
boehme2@zedat.fu-berlin.de
Persönliche Daten
· geboren am 20.06.1971 in Berlin,
verheiratet
Berufliche Entwicklung
· Studium der Kleinkindpädagogik an der Freien Universität
Berlin
· Studentische Mitarbeiterin bei der Firma Hugendubel in
der Abteilung: Pädagogik, Psychologie, Kinderbuch
· Praktikum beim Projekt Kinderwelten,
Yorckstraße 4 -11, 10958 Berlin
· Im Rahmen der Ausstellung ,,Respekt für die Vielfalt in
Kinderbüchern" Erstellen verschiedener Rezensionen im
Hinblick auf stereotype und problematische Botschaften
· Entwicklung und Durchführung von Schulungen für
pädagogische Mitarbeiter im Bereich der professionellen
Präsentation von Projektergebnissen durch PowerPoint
· Zur Zeit Planung und Koordination des Projektes "Teeki"
und Erstellung der dazugehörigen Webseiten
Persönliche Daten
· geboren am 25.03.1965 in Berlin,
verheiratet
Berufliche Entwicklung
· Studium an der Fachschule für Sozialpädagogik mit dem
Abschluss als staatlich anerkannter Erzieher
· Leiter einer Eltern-Initiativ-Kindertagesstätte in Berlin-
Schlachtensee
· Studium der Erziehungswissenschaft und Psychologie
mit dem Studienschwerpunkt Kleinkindpädagogik an der
Freien Universität Berlin
· Praktikum beim Projekt Kinderwelten,
Yorckstraße 4 -11, 10958 Berlin
· Entwicklung und Durchführung von Schulungen für
pädagogische Mitarbeiter im Bereich der professionellen
Präsentation von Projektergebnissen
· Vorträge und Fortbildungen im Bereich der frühen
Kindheit ­ Pädagogik und Entwicklungspsychologie
· Zur Zeit Planung und Koordination des Projektes "Teeki"

I
Inhaltsverzeichnis:
Einleitung ...1
1.
Die Rolle von Eltern in der Elementarpädagogik in Deutschland ...9
1.1.
Elternpartizipation
1.1.1.
Die gesetzliche Regelung von Elternpartizipation...12
1.1.2.
Historische Entwicklung der Zusammenarbeit mit Eltern...16
1.1.3.
Hindernisse bei der Kooperation von ErzieherInnen und Eltern ...27
1.2.
Elternberatung und pädagogische Fortbildungsmöglichkeiten für Familien
1.2.1.
Elternberatung ...33
1.2.2.
Familienbildung...39
Literatur ...44
2.
Kinderbetreuung und Elternpartizipation in verschiedenen
europäischen Ländern ...50
2.1.
Großbritannien
2.1.1.
Allgemeiner Überblick...52
2.1.2.
Elternpartizipation am Beispiel des Pen Green Centres in Corby...60
2.2.
Schweden
2.2.1.
Allgemeiner Überblick...66
2.2.2.
Elternpartizipation am Beispiel der Vorschule Trollberget in Stockholm ...72
2.3.
Deutschland
2.3.1.
Allgemeiner Überblick...75
2.3.2.
Elternpartizipation am Beispiel der Kita Dresdner Straße in Berlin ...83
Literatur ...85

II
3.
Zusammenarbeit mit Migrantenfamilien ...93
3.1.
Die Kita als Lernort für den Erwerb Interkultureller Kompetenz
3.1.1.
Interkulturelle Pädagogik ...95
3.1.2.
Der Anti-Bias-Approach ...98
3.2.
Besondere Kriterien und praktische Anregungen für die Kindertagesstätte
3.2.1.
Beachtung der kulturspezifischen Hintergründe ...103
3.2.2.
Interaktions- und Kommunikationssituationen ...106
Literatur ...110
4.
Das zukunftsorientierte Konzept und Möglichkeiten seiner
Finanzierung ...114
4.1.
Das pädagogische Konzept
4.1.1.
Die Ziele des Konzepts...114
4.1.2.
Die konzeptionellen Grundsätze ...115
4.2.
Möglichkeiten zur Finanzierung
4.2.1.
Entrepreneurship ...119
4.2.2.
Sozial-Sponsoring...121
4.2.3.
Fundraising...123
4.2.4.
Weitere Einnahmequellen...125
Literatur ...128
Zusammenfassung und Ausblick ...130

1
Einleitung
Über Elternpartizipation wurde in der Vergangenheit bereits viel geschrieben, doch
ein spezifisches richtungweisendes Konzept zu deren Umsetzung in Kindertagesstät-
ten, insbesondere unter Berücksichtigung von Familien nicht-deutscher Herkunft,
fehlt bislang.
In der Literatur werden je nach dem zugrunde gelegten Interesse an dem Thema
,,Partizipation", also der Beteiligung von Eltern und Erziehern, unterschiedliche Beg-
riffe verwendet. Von Zusammenarbeit, Erziehungspartnerschaft, Mitwirkung, Mitbe-
stimmung, Mitarbeit, Elternarbeit, Elternbildung, Kooperation, Mitsprache, Beteili-
gung, Mitentscheidung sowie der Einbeziehung von Eltern ist die Rede.
Begriffe wie ,,Mitbestimmung" und ,,Mitentscheidung" legen beispielsweise den
Schwerpunkt mehr auf juristische Aspekte. Bei der Durchsicht der Literatur fällt dabei
auf, dass in vielen Fällen keine pädagogische Begründung für das Thema aufgeführt
wird. Politisch oder juristisch motivierte Intentionen scheinen häufig im Vordergrund
zu stehen. (vgl. Lenzen 1997, S.1052 ­ 1059)
Wird stärker das pädagogische Interesse betont, spricht man insbesondere von
,,Zusammenarbeit", ,,Kooperation", ,,Erziehungspartnerschaft" aber auch ,,Elternar-
beit". Die Begriffe ,,Zusammenarbeit" oder ,,Kooperation" beschreiben das gemein-
same Arbeiten von ErzieherInnen und Eltern im Kindergarten, welches eine prozess-
hafte Handlungsdimension, eine gegenseitige Veränderung der Handelnden, ein-
schließt. ErzieherInnen und Eltern eröffnet sich durch die Kooperation die Gelegen-
heit der wechselseitigen Anerkennung, Anregung und Korrektur in ihrer Erziehungs-
arbeit. (vgl. Leu 1998, S. 12 ­ 23) Zusammenarbeit bedeutet hier nicht, ungleiches
Fordern der einen Seite an die andere. Vielmehr verstehen wir unter Zusammenar-
beit aufeinander zugehen, sich informieren und sich gegenseitig verbindlich abstim-
men. Eltern haben das Recht auf ihre eigenen, abweichenden Auffassungen.
Dies anzuerkennen stellt eine wesentliche Basis für eine vertrauensvolle Kooperation
zwischen Elternhaus und Kindertagesstätte dar. Die Eltern sollen in den Erziehungs-
auftrag eingebunden werden, indem ihre Interessen und Bedürfnisse berücksichtigt,
die aktive Mitarbeit ermöglicht und ein Mitspracherecht eingeräumt wird.
Im Folgenden werden die Begriffe Elternpartnerschaft, Kooperation mit Eltern und
Elternzusammenarbeit verwendet, da sie am besten das Gemeinsame in den Mittel-

2
punkt stellen und sich von dem Begriff ,,Elternarbeit", welcher Anstrengung für die
ErzieherInnen und eher Trennendes als Verbindendes suggeriert, distanziert. (vgl.
Walter 2004, S. 6)
Zurzeit finden aufgrund der Globalisierung weltweite Wanderungsbewegungen statt.
Seit den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts, als aufgrund des expandierenden
Wirtschaftswachstums Gastarbeiter aus anderen Ländern angeworben wurden,
steigt die Zahl der nicht-deutschen Familien in Deutschland stetig an und damit auch
die Vielfalt der Einwohner. In der Bundesrepublik Deutschland hatten 1999 etwa 9 %
der Gesamtbevölkerung nicht die deutsche Staatsbürgerschaft. Auf Grund des
starken Zuwachses des europäischen Binnenmarktes ist weiterhin zukünftig mit einer
hohen Zuwanderungsrate zu rechnen. (vgl. Oberhuemer 2001, S. 79 ­ 81; vgl.
Militzer 2002, S. 33; vgl. Preissing 1998, S.17 ­ 18) Diese Entwicklungen finden sich
auch in den Kindertageseinrichtungen wieder. Aus diesem Grund ist es wichtig,
Familien mit Migrationshintergrund bei der Zusammenarbeit mit den Eltern beson-
ders zu berücksichtigen.
Wir verwenden in dieser Arbeit den Begriff ,,Migranten", da er Menschen sowohl
deutscher, als auch nicht deutscher Herkunft beinhaltet, deren Lebensgeschichte
eine Wanderungsbewegung aufweist. Er beschreibt die Lebenssituation der Familien
und grenzt diese nicht aus, wie der Begriff ,,Ausländer", der auch eher negative
Emotionen weckt. ,,Familien mit Migrationshintergrund" oder ,,Migrantenfamilien" sagt
nichts über die Nationalität der Familienmitglieder. Deshalb schließt der Begriff auch
bilinguale, bikulturelle Familien mit ein. (vgl. Soltendieck 2001, S. 51; Schlösser
2004, S. 9)
Familien mit Migrationshintergrund können sein:
· die zweite und dritte Generation von Familien der ehemaligen ,,Gastarbeiter",
· Familien aus einem anderen europäischen Staat,
· Flüchtlingsfamilien aus anderen Ländern,
· deutsche Aussiedlerfamilien aus Osteuropa,
· Bürgerkriegsflüchtlinge und auch
· Asylsuchende. (vgl. Soltendieck 2001, S. 51 ­ 52)

3
Familien mit Migrationshintergrund liegen oft andere kulturelle Werte und Normen
zugrunde und eine andere Familiensprache (siehe Kapitel 3).
Häufig haben die Eltern und zum Teil auch deren Kinder Schwierigkeiten mit der
deutschen Sprache, fühlen sich alleingelassen und haben Berührungsängste, auch
weil sie zum Teil schlechte Erfahrungen mit anderen Institutionen gemacht haben.
Aus diesem Grund ist der kontinuierliche Kontakt zwischen ErzieherIn und Eltern und
das Einbeziehen der Eltern in den Kindergartenalltag gerade bei Migrantenfamilien
sehr wichtig. (vgl. Birtsch / Bange 2000, S. 5)
Um in der Gesellschaft zukünftig zurechtzukommen, müssen aber auch Eltern und
Kinder der Dominanzgesellschaft lernen, mit Vielfalt umzugehen. In einer Zeit, in der
Multikulturalität immer mehr Raum einnimmt, ist es wichtig, auf beiden Seiten die
Angst vor dem Fremden zu nehmen. Daher ist das Einbinden aller Eltern in die
Prozesse der Kindertageseinrichtung und ihre Fortbildung in Bezug auf Erziehungs-
fragen von hohem Stellenwert. Beispielsweise sieht Maaz einen Zusammenhang von
autoritärer Erziehung und der Angst vor Fremden (latente Angst) die meist auf
unbewusster Ebene abläuft. Wenn Kinder die Werte und Normen ihrer Gesellschaft
nicht demokratisch verinnerlichen, erleben sie abweichende Normen und Werte
anderer Kulturen als Bedrohung, da ihnen eine solche Abweichung früher verboten
wurde. Im Extremfall kann daraus Fremdenfeindlichkeit entstehen. (vgl. Preissing
1998, S. 26 ­ 28)
Die Zusammenarbeit mit Eltern ist daher sowohl ein wechselseitiger Lernprozess
zwischen den ErzieherInnen und den Eltern, als auch zwischen den Eltern der ver-
schiedenen Kulturen. (vgl. Böhm / Böhm / Deiss ­ Niethammer 2004, S. 136)
Da dem Thema ,,Zusammenarbeit mit den Eltern" an den Fachschulen ein zu gerin-
ger Stellenwert beigemessen wird, fehlt den ErzieherInnen das notwendige Hinter-
grundwissen. (vgl. Textor 2000, S. 8; Bernitzke / Schlegel 2004, S. 7)
In vielen Veröffentlichungen zur Elternzusammenarbeit in Kindertagesstätten (Kita)
wird berichtet, dass noch immer ein Großteil von ErzieherInnen ein eher negativ
getöntes Bild von den Eltern hat. Sie meinen, dass Eltern in ihrer Lebensgestaltung
zu wenig auf die Bedürfnisse des Kindes Rücksicht nehmen und dass sie nur daran
interessiert sind, dass ihr Kind auf die Schule vorbereitet werden soll. (vgl. Walter
2004, S. 4 ­ 6) Betrachtet man dann auch noch näher die Motivation, die zur Berufs-

4
wahl ErzieherIn geführt haben, so steht an erster Stelle die Arbeit mit Kindern oder
Jugendlichen. (vgl. Stürmer 2003, S. 11)
Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, dass sich die ErzieherInnen in erster Linie
als PartnerInnen der Kinder sehen, deren Interessen es zu vertreten gilt. Auch in der
Ausbildung steht das Kind im Mittelpunkt. Dass jedes Kind in eine Familie eingebun-
den ist mit Eltern, die ihre eigenen Erziehungsvorstellungen haben, wird häufig
ausgeblendet. (vgl. Rogge 2002, S. 29)
Es wäre jedoch für die Kindertagesstätte vorteilhaft, wenn sie ihre Arbeit transparen-
ter gestaltet und neue kommunikative Formen der Eltern- und Familienarbeit entwi-
ckelt, sowie die Kooperation mit bzw. Integration von Sozialen Diensten, wie den
Familien- und Erziehungsberatungsstellen, anstrebt. Denn die neuesten Forschun-
gen belegen, dass es sich günstig auf die Entwicklung der Kinder auswirkt, wenn
Eltern und Pädagogische Fachkräfte eng zusammenarbeiten. (vgl. Bernitzke / Schle-
gel 2004, S. 12)
Daher gehen wir im Folgenden von einer Kindertagesstätte aus, die als Lebensraum
nicht nur für Kinder, sondern auch für deren Eltern bestimmt ist, mit der Perspektive,
einen Ort zu schaffen, indem sich Kinder, Jugendliche und Eltern ohne Schwellen-
angst bewegen können. Die Funktion des Kindergartens soll nicht mehr nur eine
Familienergänzende sondern auch eine Familienstützende, mit vielfältigen Bildungs-
und Beratungsangeboten sein. Eltern sind viel eher bereit, in einer ihnen gewohnten
Umgebung oder vertrauten Gruppe von Eltern zusätzliche Gesprächs-, Bildungs-
bzw. Beratungsangebote anzunehmen. (vgl. Textor 2004, S. 2)
Dabei gilt unsere besondere Aufmerksamkeit dem interkulturellen Aspekt. Bildung
und Beratung soll allen Eltern und Kindern zugute kommen. Somit stehen Eltern und
Pädagogen vor einer großen Herausforderung, da es unterschiedliche Sprachen,
Religionen und kulturell bedingte Erziehungsstile zu beachten gilt.
Im Rahmen dieser Arbeit soll versucht werden, ein Konzept für Kindertagesstätten zu
entwickeln, an dem sich ErzieherInnen orientieren können.
Während eines Praktikums beim Projekt Kinderwelten in Berlin Friedrichshain ­
Kreuzberg (siehe Punkt 3.1.2.) fiel uns auf, dass in den beteiligten Kitas der Umset-

5
zung von ,,Elternarbeit" eine Struktur fehlt. Viele ErzieherInnen sind motiviert, haben
jedoch Schwierigkeiten, mit den Eltern zusammenzuarbeiten. Zudem mangelt es
auch an Fortbildungsmöglichkeiten auf diesem Gebiet. (vgl. Teuber 1996, S. 27 )
Auch haben wir in unserem Bekanntenkreis viele Eltern erlebt, die unsicher oder
teilweise auch mit einigen Entwicklungsphasen ihres Kindes überfordert waren.
Daher soll unser Konzept ebenfalls Bildungschancen für interessierte Eltern enthal-
ten. Unter Bildungschancen verstehen wir die Möglichkeit, sich Wissen anzueignen.
In dem nun folgenden ersten Kapitel wird von Thomas Böhme die Rolle der Eltern in
der Elementarpädagogik in Deutschland beschrieben. Neben den gesetzlichen
Vorgaben werden die historischen Entwicklungen und die Hindernisse von Elternpar-
tizipation näher beleuchtet. Weitere Themen sind die Elternberatung und Fortbil-
dungsmöglichkeiten für Familien.
Im zweiten Kapitel wird die Kinderbetreuung und Elternpartizipation in verschiede-
nen europäischen Ländern illustriert. Anke Böhme veranschaulicht die Situationen in
Großbritannien und Schweden, während Thomas Böhme sich mit der Bundesrepu-
blik Deutschland befasst.
Im dritten Kapitel erörtert Anke Böhme die Zusammenarbeit von ErzieherInnen und
Migrantenfamilien. Neben der Interkulturellen Pädagogik wird der Anti-Bias-Approach
vorgestellt. Unter Beachtung der kulturspezifischen Hintergründe, Interaktions- und
Kommunikationssituationen werden des Weiteren besondere Kriterien und praktische
Anregungen für die Kindertagesstätte dargelegt.
Im vierten Kapitel stellen Anke und Thomas Böhme das neue Konzept vor, welches
aus den Inhalten der vorherigen Kapitel entwickelt wurde. Möglichkeiten, wie dieses
Konzept finanziert werden könnte, werden von Anke Böhme am Ende der Arbeit
aufgezeigt.
Einleitung und Schlusswort sind von Anke und Thomas Böhme gemeinsam ver-
fasst.
Zur Übersichtlichkeit sind die Literaturangaben den einzelnen Kapiteln zugeordnet.

6
Unser ganz besonderer Dank gilt an dieser Stelle Frau Dr. Christa Preissing, die uns
durch ihr unermüdliches Engagement für das Wohlergehen der Kinder und ihre
ansteckende Begeisterungsfähigkeit für interkulturelle Belange im Elementarbereich,
zu dieser Arbeit inspirierte.
Des Weiteren möchten wir uns bei den Mitarbeitern des Projekts Kinderwelten be-
danken, speziell bei Petra Wagner, Serap ikcan und Anke Krause, die immer ein
offenes Ohr für uns hatten und deren Literatur uns über schlecht ausgestattete
Bibliotheken hinweghalf.
Ohne die sowohl finanzielle als auch geistige Unterstützung unserer Mütter wären wir
nicht so weit gekommen. Daher gilt in erster Linie ihnen unser Dank.
Schließlich möchten wir uns vor allem bei Brigitte Stollreiter für das ausdauernde
Korrekturlesen bedanken.
Bei Prof. Dr. Herbert Striebeck möchten wir uns für die bereichernden Vorlesungen
über Hirnforschung und Sozialisation bedanken, sowie bei Prof. Dr. Jürgen Zimmer,
der uns aufzeigte, dass sich mit Ideenreichtum immer neue Wege erschließen las-
sen.

7
Literatur:
Bernitzke, Fred / Schlegel, Peter: Elternhandbuch. Bildungsverlag Eins, Troisdorf
2004
Birtsch Vera / Bange Dirk: Unbeachtet: Kinder und Jugendliche aus Migrantenfami-
lien 2000, http://www.liga-kind.de/pages/zeit4.html (15.05.2004)
Böhm, Dietmar / Böhm, Regine / Deiss ­ Niethammer, Birgit: Handbuch interkulturel-
les Lernen. Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 3. Auflage 2004
Lenzen, Dieter (Hrsg.): Pädagogische Grundbegriffe. Band 2. Ernst Klett Verlag ­
J. G. Cotta`sche Buchhandlung, Stuttgart 4. Auflage 1997
Leu, Hans Rudolf: Zum Konzept der wechselseitigen Anerkennung. In: Ministerium
für Bildung, Jugend und Sport: Auf dem Weg zu einem Bildungsauftrag von Kinder-
tageseinrichtungen. Beiträge einer Fachtagung am 27./28.1.98, Potsdam. Projektträ-
ger INFANS Berlin und Brandenburg.
Militzer, Renate: Kultur ­ ein zentraler Begriff. In: Militzer, Renate / Fuchs, Ragnhild /
Demandewitz, Helga / Houf, Monika: Der Vielfalt Raum geben. Votum Verlag GmbH,
Münster 2002
Oberhuemer, Pamela: Familien aus anderen Ländern und Kulturen in Deutschland:
Fakten und Zahlen. In: Ulich, Michaela / Oberhuemer, Pamela / Soltendieck, Monika:
Die Welt trifft sich im Kindergarten. Beltz Verlag, Weinheim, Basel, Berlin 2001
Preissing, Christa: Und wer bist Du? Ravensburger Buchverlag, Ravensburg 1998
(Praxisreihe Situationsansatz)
Rogge, Jan ­ Uwe: Nicht gegen ­ sondern miteinander ­ Zusammenarbeit mit Eltern
im Kindergarten. In: Zukunft Kindergarten. Gabal Verlag, Offenbach am Main 2002

8
Schlösser, Elke: Zusammenarbeit mit Eltern ­ interkulturell. Ökotopia Verlag, Müns-
ter 2004
Soltendieck, Monika: Kommunikation und Zusammenarbeit mit Familien aus ver-
schiedenen Kulturen. In: Ulich, Michaela / Oberhuemer, Pamela / Soltendieck, Moni-
ka: Die Welt trifft sich im Kindergarten. Beltz Verlag, Weinheim, Basel, Berlin 2001
Stürmer, Günter: basiswissen kita: Neue Elternarbeit. Herder Verlag, Freiburg 2003
Teuber, Mechthild: Tageseinrichtungen: Problemerzeugende Situationen. In: Textor,
Martin R. (Hrsg.): Problemkinder? Beltz Verlag, Weinheim und Basel 1996
Textor, Martin: Kooperation mit den Eltern. Don Bosco Verlag, München 2000
Textor, Martin R.: Hilfsangebote für Familien. In: Rieder ­ Aigner, Hildegard: Zu-
kunftshandbuch Kindertageseinrichtungen. Walhalla Fachverlag, Regensburg, Berlin
39. Auflage 2004
Walter, Melitta: Vom Konfliktfeld ,,Elternarbeit" zur ,,Erziehungspartnerschaft". Ein
wünschenswerter Wandel. In: Rieder ­ Aigner, Hildegard: Zukunftshandbuch Kinder-
tageseinrichtungen. Walhalla Fachverlag, Regensburg, Berlin 39. Auflage 2004

9
1.
Die Rolle von Eltern in der Elementarpädagogik in Deutschland
Eltern werden in der Elementarpädagogik auf unterschiedliche Weise in die instituti-
onelle Betreuungsarbeit einbezogen.
Früher galt die Elternzusammenarbeit über viele Jahre hinweg als unbeliebte Pflicht-
aufgabe. Die Suche nach etwaigen Mitarbeitsmöglichkeiten für die Eltern erfolgte
unter einem stark eingeschränkten Blickwinkel und wurde häufig von den äußeren
Rahmenbedingungen bestimmt. Die Eltern der Kindertagesstätte waren eher Besu-
cher oder Gäste der Einrichtung als gleichberechtigte Partner der ErzieherInnen.
Gegenwärtig zählt die Elternzusammenarbeit zu den zentralen Aufgaben der Kinder-
tagesstätte und wird rechtlich durch das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG)
geregelt (§ 22, Abs. 3, Satz 1 SGB VIII). Eine erfolgreiche pädagogische Arbeit
beruht daher auf der notwendigen Abstimmung mit den Eltern und ihrer wertvollen
Mitwirkung in den Einrichtungen. Dabei können auch Hindernisse und Vorurteile
auftreten, die es zu überwinden gilt. (vgl. Bernitzke / Schlegel 2004, S. 7 ­ 11)
Bis heute wurden zur Durchführung der Elternzusammenarbeit differenzierte Metho-
den entwickelt, und detaillierte Anleitungen finden sich in zahlreichen Publikationen.
Einleitend sollen daher die wichtigsten Situationen kurz dargestellt werden:
· Das Anmeldegespräch:
Elternzusammenarbeit beginnt mit der ersten Kontaktaufnahme der Eltern mit der
Kindertagesstätte. In der Regel handelt es sich um die Anmeldung des Kindes.
Von der Gestaltung dieser Situation hängt es ab, welchen Eindruck Eltern von der
Einrichtung erhalten. Dies wiederum kann ihre Bereitschaft zur Kooperation för-
dern oder behindern. Es ist also sehr wichtig, in welcher Atmosphäre das erste
Gespräch stattfindet und ob Eltern die Gelegenheit erhalten, die Räume und vor
allem die ErzieherIn, die ihr Kind betreuen wird kennen zulernen. Wichtigste Vor-
aussetzung dafür ist, dass genügend Zeit von beiden Seiten für das Erstgespräch
eingeplant wird. Das Anmeldegespräch bietet daher eine hervorragende Möglich-
keit für die Leiterin als auch für die ErzieherIn, einen ersten Schritt in Richtung Of-
fenheit und Transparenz zu tun. (vgl. Rogge 2002, S. 36; Bernitzke / Schlegel
2004, S. 75 ­ 76)

10
· Gespräche zwischen Tür und Angel:
Beim täglichen Bringen und Abholen der Kinder ergeben sich oft zwanglose Ge-
spräche, in denen Informationen ausgetauscht werden können. Ein intensives
Gespräch kann hier jedoch nicht erfolgen, da die Situation meist hektisch ist und
Eltern wenig Zeit haben. Dennoch stellen sie eine wichtige Möglichkeit dar, die
Kommunikation mit den Eltern nicht abreißen zu lassen. Zudem haben sie eine
vertrauensbildende Wirkung. In alltäglichen, oft unwichtig erscheinenden Interak-
tionen entwickelt sich im Verlauf der Zeit eine tragfähige Beziehung.
(vgl. Rogge 2002, S. 37)
· Sprechstunde:
Auf Wunsch der Eltern oder der Erzieherin werden Termine für Gespräche ver-
einbart, zu denen mehr Zeit und Ruhe nötig ist. Diese Gespräche können auch
außerhalb der Einrichtung stattfinden, von denen aber selten Gebrauch gemacht
wird. (vgl. Rogge 2002, S. 38)
· Elternabend:
Je nach anstehenden Themen finden diese für die Gesamtheit oder für eine
Gruppe von Eltern statt. Es wird allgemein empfohlen, die Themen der Tagesord-
nung mit den Eltern gemeinsam zu erstellen. Elternabende dienen in erster Linie
dazu, diese über die Arbeit im Kindergarten zu informieren. Traditionell gilt der El-
ternabend für die ErzieherInnen als eines der wichtigsten Instrumente der Eltern-
arbeit. Bei Befragungen fällt aber auf, dass 55 % der Eltern sich ihren Kindergar-
ten als Ort für Kontakte mit anderen Eltern wünschen. Sie empfinden diesen Aus-
tausch als bereichernd, nehmen diese Gespräche doch das Gefühl, in der Erzie-
hung und mit den damit verbundenen Schwierigkeiten alleine dazustehen. 45 %
der Eltern erhoffen sich Antworten auf Erziehungsfragen und erst an 16. Stelle
folgt der Wunsch nach Elternabenden. (vgl. Textor / Blank 1996, S. 6; Bernitzke /
Schlegel 2004, S.164 ­ 165)
· Feste und Feiern:
Eltern werden häufig in die Gestaltung und Vorbereitung von Festen und Feiern
miteinbezogen. Dies ist eine der Gelegenheiten, bei denen die Familien und Er-
zieherInnen zusammen etwas tun können. Auch Bastel- und Spielnachmittage er-

11
freuen sich in der Regel großer Beliebtheit. Obwohl sich dieses unbeschwerte Zu-
sammensein mit den Eltern günstig auf das allgemeine Klima auswirken kann,
sind diese Aktivitäten kein Ersatz für eine anderweitige intensive Zusammenar-
beit. (vgl. Bernitzke / Schlegel 2004, S. 222 ­ 225)
· Hospitationen:
Der Öffnung des Kindergartens hin zur Familie, dient die Hospitation. Abgesehen
aber von der Eingewöhnungsphase, in der Eltern über eine längere Zeit im Kin-
dergarten verweilen, werden Hospitationen noch selten in Anspruch genommen.
Die Vorteile der Hospitation liegen darin, dass Eltern Gelegenheit haben, das
Gruppenverhalten ihres Kindes zu beobachten, dass ihnen die Abläufe im Kinder-
garten anschaulich gemacht werden können und dass sie insgesamt einen Ein-
blick in die pädagogische Arbeitssituation der ErzieherIn erhalten. (vgl. Textor
2000, S. 47 ­ 48; Bernitzke / Schlegel 2004, S. 100 ­ 102)
Diese Aufzählung soll aber nicht den Eindruck vermitteln, dass der Kindergarten
möglichst viele Formen der Elternzusammenarbeit praktizieren muss. Vielmehr ist es
wichtig sich zu fragen, ob sie auch den Bedürfnissen und Erwartungen der Eltern
entspricht. Nur in einem Dialog können Eltern und Erzieher erfahren, wie sich das
Kind in der jeweils anderen Lebenswelt verhält. Dieser Gesprächsaustausch ist die
Grundlage für eine Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Erzieher. Eine
solche Erziehungspartnerschaft stellt am ehesten das Kindeswohl sicher.
(vgl. Rogge 2002, S. 33)
Zur Sicherung des Kindeswohls ist es ebenfalls wichtig, die Zusammenarbeit mit den
Eltern weitergehend zu überdenken. Mit einem abwechslungsreichen Angebot, wie
der Elternberatung und der Elternbildung (siehe Punkt 1.2.1. und 1.2.2.) innerhalb
der Kindertagesstätte können häufig mehr Eltern erreicht werden, als es bisher der
Fall ist.

12
1.1.
Elternpartizipation
1.1.1.
Die gesetzliche Regelung von Elternpartizipation
Die gesetzlichen Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland geben mit ihren
Aussagen zur Beteiligung von Eltern mehr vor, als in der Praxis angenommen und
umgesetzt wird. Besonders mit dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) von 1991
wird der Paradigmenwechsel hin zu Eltern als Mitarbeitende und Kooperierende auf
eine rechtlich fundierte Basis gestellt.
Gesetzliche Grundlagen auf Bundes- und Landesebene geben Auskunft und Orien-
tierung zu grundlegenden Leitlinien im Miteinander.
· Grundgesetz, Artikel 6 (2):
Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes bildet die Basis für die Auseinandersetzung
um Eltern- bzw. Staatsrecht:
,,Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die
zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche
Gemeinschaft."
Eltern haben das Recht, ihre Erziehungsziele und Erziehungsgrundsätze eigen-
verantwortlich zu bestimmen. Es kann als ein dem Staat vorgegebenes Recht be-
schrieben werden. Lediglich bei Missbrauch des Rechts bzw. der Pflicht zur Pfle-
ge und Erziehung der Kinder kommt dem Staat die Aufgabe zu, einzugreifen.
· Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), §§ 1626 bis 1711:
Das Bürgerliche Gesetzbuch ist in Deutschland seit 1900 in Kraft und wird durch
aktuelle Änderungen ergänzt oder verändert. Für die Zusammenarbeit mit Eltern
ist das vierte Buch (Familienrecht) des BGB von Bedeutung. In den Paragrafen
1626 bis 1711 sind unter anderem die elterliche Sorge und ihre Ausübung, die
Vertretung des Kindes und der Inhalt des Personensorgerechts geregelt.
· Kinder- und Jugendhilfegesetz
In diesem Gesetz, das seit dem 1. Januar 1991 in Kraft ist und damit das Ju-
gendwohlfahrtsgesetz (JWG) ablöst, ,,... das in seiner Struktur und in seinen

13
Grundzügen dem Reichsjugendwohlfahrtsgesetz (RJWG) von 1922 entsprach"
(Aden ­ Grossmann 2002, S. 278), wird bereits eine dialogische Partnerschaft
zwischen Eltern und ErzieherInnen vorgeschrieben. Die Gesetzgebung fordert
damit eindeutig, Eltern zu beteiligen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die un-
terschiedlichen Betreuungssysteme ,,Familie" und ,,Einrichtung" mit ihren unter-
schiedlichen Zielvorstellungen, Abläufen und Regeln zum Wohle des Kindes auf-
einander abzustimmen. Zwischen Eltern und ErzieherInnen besteht eine Erzie-
hungspartnerschaft, die es lebendig auszugestalten und demnach zu entwickeln
gilt.
Die gesetzlichen Grundlagen für die Zusammenarbeit mit Eltern legen den Rah-
men der Gestaltung dieser Zusammenarbeit fest und sind in ihren Formulierungen
nach wie vor aktuell. So sagt das Kinder- und Jugendhilfegesetz in Paragraf 5,
dass die Eltern nicht nur Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe (hier: Kin-
dertagesbetreuung) äußern können, sondern dass diesen Wünschen auch ent-
sprochen werden soll, sofern das nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten ver-
bunden ist. Der Gesetzgeber räumt den Eltern damit ein ,,Wunsch- und Wahl-
recht" ein. (vgl. Prott 2001, S. 306)
Weiter heißt es zu den Grundsätzen der Förderung von Kindern in Tageseinrich-
tungen im Paragraf 22, Absatz 2: ,,Die Aufgabe umfasst die Betreuung, Bildung
und Erziehung des Kindes. Das Leistungsangebot soll sich pädagogisch und or-
ganisatorisch an den Bedürfnissen der Kinder und ihrer Familie orientieren."
Anerkannt wird nunmehr auch der Bildungsauftrag des Kindergartens, der gleich-
rangig mit den Funktionen der Erziehung und Betreuung, d.h. den traditionellen
Aufgaben der Kindergärten, gesehen wird. Die Tageseinrichtungen generell sollen
sowohl den Bedürfnissen des Kindes als auch denen der Familie Rechnung tra-
gen.
Im Absatz 3 desselben Paragrafen wird auf die Zusammenarbeit mit den Eltern
näher eingegangen: ,,Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben sollen die in den Ein-
richtungen tätigen Fachkräfte und anderen Mitarbeiter mit den Erziehungsberech-
tigten zum Wohle der Kinder zusammenarbeiten. Die Erziehungsberechtigten sind

14
an den Entscheidungen in wesentlichen Angelegenheiten der Tageseinrichtung
zu beteiligen."
Die gemeinsame Verantwortung für die Erziehung der Kinder steht also im Mittel-
punkt der Beziehung zwischen beiden Seiten.
Im Paragraf 24 des KJHG erhalten die Eltern und Erziehungsberechtigten einen
Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz.
· Kindertagesbetreuungsgesetz (KitaG) § 14
Im Berliner Kindertagesbetreuungsgesetz (KitaG) Paragraf 14 sind Eltern sogar
auf Wunsch an der Konzeptionsentwicklung und deren organisatorischer und pä-
dagogischer Umsetzung zu beteiligen.
Die Gesetze verdeutlichen, dass mit Eltern gesprochen werden muss und auch
soll und das nicht nur, wenn es Probleme gibt. Daher sollten Gespräche über die
Kinder mit den Eltern regelmäßig stattfinden.
Das Gesetz folgt hiermit den gesellschaftlichen Entwicklungen. Es trägt der Tat-
sache Rechnung, dass die Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes außer-
halb der Familie ab einem bestimmten Lebensalter in Deutschland zur kulturellen
Selbstverständlichkeit geworden sind. Nicht nur, dass es die Rolle der Eltern ge-
genüber den beteiligten Institutionen stärkt, das KJHG richtet auch an die Träger
der Jugendhilfe die Aufforderung, ihre Konzepte unter Dienstleistungsaspekten
weiterzuentwickeln. (vgl. Prott 2001, S. 69 ­ 70, 129 ­ 130)
Allerdings erhielt bei der Umsetzung dieser Forderungen des KJHG zunächst die
Ausgestaltung des Kindergartenrechtsanspruchs erste Priorität. Die Einführung
des Rechtsanspruchs führte in vielen Kommunen zu einer Konzentration der per-
sonellen und finanziellen Ressourcen auf diesen Bereich, was aber zu Stagnation
und Rückgang in anderen Bereichen führte. (vgl. Aden ­ Grossmann 2002, S.
317)
Die bis dahin geführten Diskussionen bei den Trägern von Kitas, die traditionellen
Einrichtungsarten sowohl konzeptionell als auch strukturell weiterzuentwickeln,
konnten deshalb nicht umgesetzt bzw. fortgesetzt werden. Begonnene Projekte
zur Zusammenarbeit mit Eltern konnten an manchen Orten nicht weitergeführt
werden. Der Ausbau der Betreuungsangebote für Kleinkinder unter drei Jahren
und für Kinder ab sieben Jahren sowie angestrebte Mischformen wurden zu

15
Gunsten der Drei- bis Sechsjährigen bis weit in die heutige Zeit zurückgestellt.
(vgl. Prott 2001, S. 52, 305 ­ 307)
Der Versuch des Gesetzgebers, die Diskrepanz zwischen den vorhandenen An-
geboten der Tagesbetreuung und den Wünschen der Eltern zu verringern, wurde
wieder vernachlässigt.
Das KJHG war jedoch der Auslöser für eine grundsätzliche Neuorientierung in der
Elternarbeit. In den Einrichtungen wurden mit der Zeit die eigenen Aktivitäten ü-
berprüft und versucht, Elternarbeit projekthaft in das Aufgabenspektrum zu integ-
rieren. Bei Eltern und ErzieherInnen setze sich die Erkenntnis durch, dass eine
erfolgreiche Kindererziehung auf jeden Fall ihre konstruktive Zusammenarbeit
voraussetzt.
Erziehung, die sich im Elternhaus ereignet, wirkt immer in den Bereich des Kinder-
gartens hinein und auch umgekehrt. Da Eltern und ErzieherInnen vor einer gemein-
samen Erziehungsaufgabe stehen, sind die Übergänge zu einer pädagogischen
Begründung der Zusammenarbeit fließend. Das Recht der Eltern ist folglich auch nur
als treuhänderisches Recht zu verstehen. Es ist am Wohl des Kindes auszurichten
und dient nicht der Selbstverwirklichung der Eltern. (vgl. Stamer-Brandt 2004, S. 50)
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Elternrecht einen wichtigen Begrün-
dungsaspekt für die Kooperation von ErzieherInnen und Eltern darstellt. Mit ihm wird
die juristische Grundlage für das Zusammenwirken gelegt.
Bevor beide Seiten auf ihr Recht bestehen, sollten sie zunächst aber nach pädagogi-
sche Lösungen suchen.

16
1.1.2.
Historische Entwicklung der Zusammenarbeit mit Eltern
ErzieherInnen in Kindertagesstätten haben, historisch gesehen, bei der Zusammen-
arbeit mit Eltern einen weiten Weg zurückgelegt.
Um sich dem Thema Zusammenarbeit mit Eltern zu nähern, bietet sich daher ein
Blick in die Geschichte des Kindergartens in Deutschland an.
Der Aufbau öffentlicher, institutionalisierter Kleinkinderziehung war eine Reaktion auf
wirtschaftliche und politische Umwälzungen, die die Industrialisierung zum Beginn
des 19. Jahrhunderts mit sich brachte. ,,Damit sollte die finanziell prekäre Situation
der Unterschichthaushalte entschärft werden, und zwar durch die Freisetzung der
Mütter von den die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit störenden Bedingungen der
Kinderaufzucht." (Erning 1987, S. 15)
Die ersten Erziehungsanstalten entstanden aus dem Gedanken heraus, Kindheit als
eigene Lebens- und Lernphase zu betrachten und die Kinder berufstätiger Mütter, die
in der Regel zwölf und mehr Stunden pro Tag arbeiten mussten, in so genannten
,,Kleinkinderbewahranstalten" vor Verwahrlosung zu schützen.
Diese wurden hauptsächlich von christlichen Vereinen, in denen Frauen soziale
Aufgaben übernahmen, gegründet. Eine Zusammenarbeit mit den Eltern wurde nicht
erwartet und war auch von den Eltern in dieser Zeit kaum zu bewerkstelligen. (vgl.
Aden ­ Grossmann 2002, S. 24 ­ 25)
Den Gedanken zur Elternbildung verbanden erst die Väter der Kindergartenbewe-
gung, angeregt durch Rousseaus Erziehungsroman ,,Emile oder die Grenzen der
Erziehung", der neue Einsichten über die Bedeutung der frühen Kindheit vermittelte.
(vgl. Demandewitz / Fuchs / Militzer 2002, S. 29)
Für Friedrich Fröbel war die Elternbildung ein wichtiges Anliegen des von ihm im
Jahre 1840 gegründeten Kindergartens. Eltern und Erwachsene konnten hier den
richtigen erzieherischen Umgang und die spielerischen Beschäftigung mit Kleinkin-
dern erlernen (Textor 2000, S.6)
Abends oder an den Wochenenden fanden Vorträge für die Eltern zur Entwicklung
des Kindes, der Bedeutung des Spielens oder zum Einsatz der verschiedenen Frö-
belschen Spielmaterialien statt. (vgl. Ziesche / Herrnberger / Karkow 2003, S. 21 ­
22)
Zudem regte er die Gründung von Elternvereinen an, die auch die Initiatoren und
Träger der ersten Kindergärten wurden. (vgl. Aden ­ Grossmann 2002, S. 39)

17
Der Kindergarten sollte nicht die Mütter von ihrer Erziehungsarbeit entlasten, son-
dern sie gerade an das rechte Erziehen heranführen. (vgl. Berger 2000, S. 10 ­ 11)
So wurden die Mütter von den KindergärtnerInnen über die Bedürfnisse von Klein-
kindern aufgeklärt, und sie konnten lernen, wie man kleine Kinder auf naturgemäße
Weise beschäftigt. (vgl. Textor 1994 (a), S. 7)
Für Fröbel war der Kindergarten von Anfang an eine elternbildende Einrichtung. Die
Elternbildung sollte einerseits praktisch erfolgen, junge Erwachsene und Eltern
konnten in der ,,Musteranstalt Kindergarten" z.B. anschaulich in den Sinn des Spiels
eingeführt werden und den richtigen Umgang mit Kleinkindern erlernen. Andererseits
wurde auch viel Wert auf die Theorie gelegt. In diesem Zusammenhang sollten die
Eltern im Kindergarten auch über die Entwicklung des Kindes und dessen Förderung
unterrichtet bzw. belehrt werden. (vgl. Ziesche / Herrnberger / Karkow 2003, S.21 ­
22, 38 ­ 39)
Die Kindertageseinrichtungen haben daher ihre Wurzeln nicht nur im Kinderschutz,
sondern auch in der Elternbildung. Allerdings wird hier nur von Elternbildung und
nicht von Elternzusammenarbeit gesprochen. Es geht also hauptsächlich um die
Vermittlung von pädagogischen Kenntnissen durch die KindergärtnerIn.
Wie so oft in der Geschichte der Pädagogik wurde diese elternbildende Funktion des
Kindergartens im Verlauf der Zeit durch geschichtliche Ereignisse vergessen, wie
zum Beispiel das nach der gescheiterten deutschen Revolution von 1848 vom preu-
ßischen König erlassene Kindergartenverbot und die durch die Weltwirtschaftskrise
hohe Arbeitslosigkeit. (vgl. Aden ­ Grossmann 2003, S. 39)
Im 20. Jahrhundert verbesserte sich kurzzeitig die rechtliche Stellung der Eltern,
indem mit der Weimarer Reichsverfassung das ,,natürliche Recht" der Eltern aner-
kannt wurde. 1919 wurde die Bildung von Elternbeiräten vorgeschrieben. Diese
Entwicklung stand jedoch mehr in der Linie staatlicher Konsolidierung als in pädago-
gisch motivierter, am Interesse des Kindes orientierter Zusammenarbeit mit den
Eltern.
Pädagogische Impulse, wie sie von verschiedenen Reformpädagogen gefordert
wurden, blieben ohne unmittelbare Breitenwirkung, da das Verhältnis von Kindergar-
ten und Eltern nur noch unter Ausschluss pädagogischer Erwägungen betrachtet

18
wurde. Formale, rechtliche, verwaltungstechnische sowie Interessen wahrende
Argumentationen standen im Vordergrund.
Auf der Reichsschulkonferenz von 1920 wurden ,,Leitsätze" zur Professionalisierung
der KinderbetreuerInnen ausgearbeitet, darin wurde auch die Position der Eltern
erläutert. Jedoch ging es hierbei hauptsächlich darum, dass die öffentliche Kinder-
betreuung in erster Linie die Funktion hatte, berufstätige Mütter zu entlasten und
Kinder aus armen Familien einen betreuten Aufenthaltsort und elementare Versor-
gung zu sichern.
Elternarbeit wurde in dieser Zeit als pädagogische Bildungsaufgabe gesehen. Diese
richtete sich hauptsächlich an die Mütter und galt als allgemein bildende Unterstüt-
zung mit Volkshochschulcharakter. Auch wenn viele Kindergärten sich an der Tradi-
tion Fröbels orientierten, so hatte das wenig mit Zusammenarbeit zu tun. Denn
damals hatte keiner von den Eltern erwartet, dass sie sich mit pädagogischen The-
sen auseinander setzten. Dafür waren die ExpertInnen zuständig. (vgl. Aden ­
Grossmann 2002, S. 56 ­ 58; vgl. Walter 2004, S. 3)
Im Nationalsozialismus wurde die Familienerziehung zur natürlichen und deshalb
idealen Erziehungsform für das Kindergarten ­ bzw. Vorschulkind erklärt. Trotz der
damit zum Ausdruck gebrachten Geringschätzung der institutionellen Kindergarten-
erziehung war man bemüht, massiv ideologisch auf die Praxis in den Einrichtungen
einzuwirken. Dies führte zu einer zunehmenden Gleichschaltung der Institutionen,
wobei die Körperertüchtigung und die Charakterbildung der Kinder zum Mittelpunkt
der Kindergartenarbeit wurden. (vgl. Aden ­ Grossmann 2003, S. 93 ­ 97)
Auch wenn sich der Nationalsozialismus zur Familie und ihrer zentralen Bedeutung
für die Gesellschaft bekannt hatte, lag zwischen Ideologie und Praxis ein entschei-
dender Widerspruch. Die Familie erfuhr keineswegs die Förderung, die ihr ideolo-
gisch zugesichert wurde, sondern erlitt gerade im Dritten Reich einen empfindlichen
Funktionsverlust. Die Kinder wurden weitgehend dem erzieherischen Einfluss der
Eltern entzogen, die Rolle der Familie reduzierte sich auf die Erzeugung des Nach-
wuchses. An der Stelle der Eltern trat deshalb das NS-Regime, das zunehmend die
Erziehung bestimmte.
Neben der nationalsozialistischen Erziehung, wie sie sich etwa im Führer-
Gefolgschaft-Verhältnis ausdrückt, blieben traditionelle Elemente der Kindergarten-
pädagogik jedoch erhalten.

19
Die Ansätze, die es dennoch zur Zusammenarbeit mit den Eltern gegeben hatte,
wurden in dieser Zeit zunichte gemacht. (vgl. Aden ­ Grossmann 2003, S. 106 ­
109)
Nach dem zweiten Weltkrieg befand sich die institutionelle Kindergartenerziehung in
einem desolaten Zustand.
In der Folge der ersten chaotischen Jahre nach 1945 knüpfte die Bundesrepublik an
die Kindergartenstruktur der Weimarer Republik an. Dementsprechend dominierten
zunächst spiel ­ und sozialpädagogische Ansätze, die wiederum auf Fröbels sowie
auf reformpädagogischen Ideen basierten. (vgl. Baacke 1999, S. 318)
Aber das Hauptinteresse lag im Wiederaufbau der Kindertageseinrichtungen. So
vollzog sich in der Bundesrepublik in den Nachkriegsjahren ­ als Antwort auf die
wirtschaftliche und räumliche Notsituation von Kindern und ihrer Familien ­ vorerst
ein quantitativer Ausbau an Kindertageseinrichtungen. (vgl. Wehrmann 2004, S. 237)
Auf die Qualität achteten zunächst nur die wenigsten. Auch wenn man sich in dieser
Zeit wieder auf die pädagogischen Konzepte von Fröbel bezog, so geriet das Inte-
resse an der Einbeziehung der Eltern immer mehr in Vergessenheit. Zu sehr waren
die Menschen mit sich selbst beschäftigt, als sich auch noch mit Fragen der Pädago-
gik zu befassen oder viel Zeit in den Kindergarten zu investieren.
In den 50er und 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts waren als Folge daraus die
Eltern im Kindergarten nicht mehr willkommen. Zu einer bestimmten Zeit mussten sie
ihre Kinder im Vorraum abgeben und dort zu einer festgelegten Zeit wieder abholen.
Die einzige Ausnahme waren die Elternabende, die jedoch sehr selten angeboten
und zumeist als reine Vortragsabende gestaltet wurden.
Die Eltern die genauere Informationen erfragten oder sich in die pädagogische Arbeit
der Kindertagesstätte einbringen wollten, wurden als störend wahrgenommen. (vgl.
Textor 2000, S. 7)
Die institutionellen Einrichtungen sahen die Eltern und Familien eher als Objekte
denn als Subjekte pädagogischer Bemühungen und als Laien. (vgl. Bernitzke /
Schlegel 2004, S. 17)
Ihr Einfluss auf die Kinder wurde je nach politisch-pädagogischer Ausrichtung insbe-
sondere in den 1960er Jahren von den ErzieherInnen als negativ betrachtet:

20
· Die antiautoritäre Tradition sprach sich dagegen aus, Kinder in ihren Familien zu
unterdrücken und an dem Ausleben ihrer Gefühle zu hindern.
· Für die VertreterInnen einer kompensatorischen Erziehung waren vor allem
Kinder aus Unterschichtfamilien benachteiligt. Mit Hilfe dieser Erziehung sollten
die Kinder die gleichen Bildungschancen erhalten, wie Kinder aus gebildeten Fa-
milien.
· Die bildungsorientierten Kindergärten orientierten sich am schulischen Lernen.
Die Einflussnahme der Eltern wurde, wie in der Schule auch, auf ein geregeltes
Mindestmaß beschränkt.
(vgl. Preissing 2003, S. 48; vgl. Bernitzke / Schlegel 2004, S. 8)
Diesen Ansätzen, die den Elterneinfluss negativ bewerteten, stehen alternative
pädagogische Konzepte gegenüber, die der Elternzusammenarbeit und -mitwirkung
einen hohen Stellenwert beimaßen.
Kindererziehung wurde in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts plötzlich ernst-
haft von Müttern und Vätern selbst diskutiert. Die so genannte 1968er Generation,
Studentinnen und Studenten, die den Erziehungsstil ihrer Eltern als ,,autoritär" erlebt
hatten, begannen nun, sich mit Erkenntnissen des frühen Lernens und alternativen
pädagogischen Konzepten auseinander zu setzen. Von 1968 an formierte sich die
antiautoritäre Bewegung daher als eine Kampfansage an die autoritäre Gesellschaft.
Man versuchte, mit neuen Formen des Zusammenlebens, neue Erziehungsformen
wie repressionsarmer Erziehung, Kinderläden oder Eltern-Kind-Gruppen ein Gegen-
konzept zur bestehenden Familien- und Kindergartenerziehung zu entwickeln. (vgl.
Aden ­ Grossmann 2002, S. 132;vgl. Fried 2001, S. 672)
So wurde entschieden, die Kinder nicht in städtischen oder staatlichen Institutionen
aufwachsen zu lassen, sondern die Eltern schlossen sich zusammen, mieteten auf
eigene Kosten preiswerte Geschäftsräume und gründeten ,,Kinderläden". Die Eltern
konnten sich die ErzieherInnen auf diese Weise selber aussuchen. Sie übernahmen
auch abwechselnd den Kinderdienst, kochten das Mittagessen für die Kinder und
putzten die Räumlichkeiten.

21
Im Rahmen wöchentlicher Elternabende wurden die pädagogischen Handlungsfelder
gemeinsam entwickelt, an denen sich die ErzieherInnen orientieren mussten. (vgl.
Walter 2004, S. 4)
Die ersten Kinderläden entstanden in Berlin und breiteten sich später vor allem in
den Universitätsstädten der Bundesrepublik aus. Politisch engagierte Frauen schu-
fen damit eine kollektive Erziehung ihrer Kinder, die sie von ihren Hausfrauen ­ und
Mutterpflichten freisetzte und ihnen die Möglichkeit zur Emanzipation gab. An den
Kinderläden beteiligten sich insbesondere Eltern der gebildeten Mittelschicht. Dazu
zählten nicht nur Lehrer oder Sozialpädagogen, sondern auch Studenten. (vgl.
Baacke 1999, S. 345)
Die Arbeiterschicht wurde dabei aber vernachlässigt. Das lag hauptsächlich daran,
dass sich der Kinderladen in seiner Konzeption als Selbsthilfeprojekt sah. Beide
Elternteile mussten in gleicher Weise an Erziehungsfragen interessiert und in der
Lage sein, sich mit Hilfe von Büchern zu informieren und sie sollten sich kritisch mit
staatlichen oder kirchlichen Institutionen auseinandersetzen. Erschwerend kam auch
noch dazu, dass die Kinderläden als Selbsthilfeprojekt auf die aktive Mitarbeit der
Eltern angewiesen waren. Daher war es nicht möglich, das Modell der Kinderläden
auf Projekte mit Kindern zu übertragen, deren Eltern den ganzen Tag arbeiteten.
Unter dem Einfluss der antiautoritären Kinderläden entstanden im ganzen Bundes-
gebiet und Berlin viele Eltern-Kind-Gruppen. Die Ursachen für die Elterninitiativen
lagen nicht nur in der geringen Anzahl von Kindergartenplätzen, die es in dieser Zeit
gab, sondern auch in den von diesen Institutionen abweichenden Erziehungszielen
und -praktiken der aktiven Eltern. Allen gemeinsam war jedoch, dass Eltern in Zu-
sammenarbeit mit ErzieherInnen die Konzeption erarbeiteten, die familiäre Erziehung
diskutierten, sowie das eigene Verhalten kritisch reflektierten. Die Eltern wurden nicht
mehr ignoriert, sondern aktiv am Erziehungsalltag des Kinderladens beteiligt. Jedoch
unterblieb hier die Elternbildung im Fröbelschen Sinne. (vgl. Aden ­ Grossmann
2002, S.133 ­ 141)
Die Kinderladenbewegung hat damit den öffentlichen Einrichtungen des Elementar-
bereiches ein Modell entgegengesetzt, welches diese zum Nachdenken und zu
Veränderungen zwang. Von den pädagogischen Ansätzen der Kinderläden und der

22
Eltern-Initiativgruppen sind viele Anregungen ausgegangen, die von den Kindergär-
ten aufgegriffen worden sind. (vgl. Fried 2001, S. 670 ­ 674)
Das veränderte Elternverständnis beeinflusste somit auch die Regeleinrichtungen,
und das Bild der Eltern als Partner gewann an Konturen. In der pädagogischen
Diskussion wurde das Prinzip Partnerschaft auf verschiedene Ebenen übertragen.
Nicht nur die Kinder wurden als Partner wahrgenommen, auch die Eltern wurden für
die ErzieherInnen zu Partnern in der Erziehungsverantwortung. Den Eltern wurden
Kompetenzen zugebilligt, die gewinnbringend in die pädagogische Arbeit eingebracht
werden konnten. Diese für die damaligen Eltern aufwändige Rolle forderte von ihnen
aktives Mitgestalten und damit zeitliches Engagement. (vgl. Baacke 1999, S. 346 ­
347)
Rückblickend kann diese Aufbruchzeit als Vorläufer der heutigen Bestrebungen zur
Erziehungspartnerschaft gesehen werden. (vgl. Walter 2004, S. 4)
Die Elternzusammenarbeit als eine allgemein akzeptierte Aufgabe des Kindergartens
hat sich erst in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelt und durchge-
setzt. Den Anstoß hierzu gab die Erkenntnis, dass die Erziehung im Kindergarten
erfolgreicher verläuft, wenn sie von Elternarbeit begleitet bzw. unterstützt wird. Auch
wenn Ergebnisse verschiedener Modellprojekte und Erprobungsprogramme in den
letzten Jahren aufgezeigt haben, dass sich die Beziehungen zwischen Eltern und
ErzieherInnen intensiviert haben, so sind noch erhebliche Anstrengungen erforder-
lich, um Kommunikationsstörungen und zu hohe Erwartungen auf beiden Seiten zu
vermeiden.
Während der anschließenden Reform des Kindergartens Anfang der 1970er Jahre
wurden in Modellkindergärten offene Curricula für eine breit angelegte Vorschuler-
ziehung unter wissenschaftlicher Anleitung entwickelt, die sich nicht an der Schule
orientieren sollten. (vgl. Oberhuemer / Ulich 1997, S. 84)
So entstand in dieser Zeit eine kontroverse Diskussion und breite Suche nach einer
Neuorientierung des Kindergartens als Bildungseinrichtung, die zur Entwicklung des
Situationsansatzes führte, der im Folgenden kurz skizziert wird:
(vgl. Aden ­ Grossmann 2003, S. 198)
Der Situationsansatz verfolgt das Ziel, Kinder unterschiedlicher sozialer Herkunft zu
unterstützen, in gegenwärtigen und zukünftigen Lebenssituationen eigenständig,

23
solidarisch und sachkompetent zu handeln. Er thematisiert bedeutsame Lebenssitua-
tionen der Kinder und ihrer Familien. Damit wird das vielschichtige Leben selbst zum
Bezugspunkt und Inhalt des Lernens.
,,Die pädagogischen Ziele ­ Autonomie, Solidarität, Kompetenz ­ orientieren sich an
den demokratischen Grundwerten und gesellschaftlichen Entwicklungen. Sie umfas-
sen wesentliche Bereiche der Persönlichkeitsentwicklung,
der Ich ­, Sozial ­ und Sachkompetenz." (Preissing 2003, S. 13) Es geht also darum,
mit sich selbst, mit anderen und mit einer Sache gut zurechtzukommen und sich an
gesellschaftlichen Prozessen gestaltend zu beteiligen. (vgl. Preissing 2003, S. 13)
Handlungsorientierungen sind unter anderem:
· Forschendes und entdeckendes Lernen aufbauend auf der Neugier, der Kreativi-
tät und Eigeninitiative der Kinder,
· Lernen und Lehren als Aufklärung und Gestaltung von Lebenssituationen,
· Balance zwischen selbst bestimmtem und sozialverantwortlichem Leben,
· Mitwirkung von Kindern an der Gestaltung ihres Lebens,
· Interkulturelle Offenheit von Bildungsprozessen und die
· Öffnung zum Gemeinwesen. (vgl. Rieber 2002, S. 50 ­ 52, 76 ­ 89)
Ziel war ein auf die konkrete Umwelt bezogenes Lernen. Alltagssituationen sollten
Ausgangspunkt des Lernens sein. Man wollte Eltern und andere Erwachsene in die
Erziehung des Kindergartens einbeziehen und im Rahmen dieser Curricula Kinder
auf spätere Lebenssituationen vorbereiten. Die Erziehung im Kindergartens sollte
sich am Gemeinwesen orientieren und kein vorschulischer Lernort sein.
Infolgedessen wurden vorhandene Ansätze zur Gemeinwesenarbeit, Umwelterzie-
hung, multikulturellen Erziehung und Integration von Kindern mit Behinderungen
aufgegriffen und umgesetzt. (vgl. Preissing 2003, S. 49)
Es ist nicht verwunderlich, dass im geschichtlichen Kontext, der Situationsansatz wie
ein Fremdkörper wirkte, da er die große Bedeutung der Elternzusammenarbeit be-
tonte.
Als die Ziele für den Situationsansatz formuliert wurden, war die Zeit durch heftige
Auseinandersetzungen der jüngeren Generation mit den Teilen der ältern Generation
die den Nationalsozialismus mitgetragen hatten, geprägt. Den ErzieherInnen wurde

24
damals vorgeworfen, die Kinder intellektuell zu unterfordern und sich im Wesentli-
chen mit der autoritären Vermittlung solcher Tugenden wie Ordnung, Fleiß und
Sauberkeit zu befassen. (vgl. Zimmer 1998, S. 15)
Der Situationsansatz basiert auf 16 konzeptionellen Grundsätzen, die dem Grund-
verständnis des Sozialgesetzbuches SGB VIII / KJHG Rechnung tragen. Im Folgen-
den werden zwei Grundsätze näher betrachtet, da sie die Zusammenarbeit mit Eltern
hervorheben.
Der konzeptionelle Grundsatz 2 des Situationsansatzes lautet: ,,ErzieherInnen finden
im kontinuierlichen Diskurs mit Kindern, Eltern und anderen Erwachsenen heraus,
was Schlüsselsituationen im Leben der Kinder sind." (Preissing 2003, S. 18)
Im Grundsatz 13 heißt es weiter: ,,Eltern und Erzieherinnen sind Partner in der
Betreuung, Bildung und Erziehung der Kinder." (Preissing 2003, S. 33)
Beide Grundsätze betonen die Notwendigkeit einer partnerschaftlichen Verständi-
gung zwischen Eltern und ErzieherInnen, bei der die ErzieherIn die aktiv handelnde
Rolle einnimmt.
Ziel der Verständigung zwischen Eltern und ErzieherInnen ist es, die Kinder zu
unterstützen, mit sich selbst, mit anderen und mit einer Sache gut zu Recht zu kom-
men. Das kann den Kindern aber nur gelingen, wenn Einvernehmen zwischen El-
ternhaus und Kindertagesstätte herrscht.
Damit ist der Situationsansatz einer der ersten Ansätze in der 150jährigen Geschich-
te des Kindergartens, der eine wirkliche Erziehungspartnerschaft mit den Eltern
anstrebt und mit großem Erfolg umsetzt.
In der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) hat von Anfang an der Staat
Einfluss auf die Bildung und Erziehung der Kinder im Kindergarten genommen. Von
1952 an war es die Aufgabe aller pädagogischen Einrichtungen (Krippe, Kindergar-
ten), die Kinder zu sozialistischen Bürgern zu erziehen unter Einbeziehung politi-
scher Mittel. Es wurden Bildungsprogramme erlassen, deren Umsetzung verbindlich
vorgeschrieben wurde. Dem lag die Annahme zugrunde, dass sich die Kinder schon
frühzeitig nach den gesellschaftlichen Vorstellungen des Staates formen lassen.
Ein erklärtes familienpolitisches Ziel der Regierung war es, beiden Elternteilen die
Vereinbarung zwischen Familie und Beruf zu ermöglichen und den Ausbau von
Krippen- und Kindergartenganztagsplätze umzusetzen. Im Zuge der Emanzipation
der Frau und dem Arbeitskräftemangel, hervorgerufen durch den 2. Weltkrieg, sollten

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783832489922
ISBN (Paperback)
9783838689920
DOI
10.3239/9783832489922
Dateigröße
847 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Freie Universität Berlin – Erziehungswissenschaft und Psychologie
Erscheinungsdatum
2005 (September)
Note
1,0
Schlagworte
eltern elternarbeit kindertagesstätte kita
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Titel: Elternpartizipation in der Elementarpädagogik
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