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Transatlantischer Interregionalismus?

Eine Analyse der EU-NAFTA-Beziehungen aus europäischer Perspektive

©2005 Magisterarbeit 135 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den interregionalen, bilateralen und multilateralen Beziehungen zwischen der EU und der NAFTA. Die zugrunde liegende Leitfrage, die das politikwissenschaftliche Problemverständnis dieses Themas kennzeichnet, lautet: Wie sieht die EU-Politik gegenüber der NAFTA aus und wie lassen sich die Beziehungen zwischen der EU und der NAFTA charakterisieren? In diesem Kontext gilt es neben der übergeordneten Leitfrage folgende Forschungsfragen zu beantworten:
- Betreibt die EU eine explizite und dezidierte Politik gegenüber der NAFTA seit deren Gründung 1992/94?
- Wie sind die institutionalisierten und nicht-institutionalisierten Beziehungen zwischen EU und NAFTA bzw. den NAFTA-Staaten auf interregionaler, bilateraler sowie multilateraler Ebene organisiert und welche Interaktionsformen lassen sich identifizieren?
- Ist die NAFTA eine internationale Institution bzw. Organisation und kann sie als eigenständiger Akteur der internationalen Politik angesehen werden?
- Wie sieht die Zukunft des interregionalen Dialogs zwischen EU und NAFTA aus?
Leitfrage und Forschungsfragen wurden in politikwissenschaftlichen Arbeiten bisher meist nur als Nebenaspekt kurz angesprochen oder in einzelnen Passagen gestreift, nicht aber in adäquater Weise in ihrer Gesamtheit behandelt. Die Fragen blieben bisher unbeantwortet und die Problemstellung, die hier als Ausgangspunkt der Untersuchung gewählt wird, ist neu und bislang in der Literatur der politischen Wissenschaft ungelöst. Es liegt keine umfassende Monographie zur europäischen NAFTA-Politik und den EU-NAFTA-Beziehungen vor. Näheres zum Forschungsstand der EU-NAFTA-Beziehungen, des Vergleichs der beiden Integrationsprojekte aber auch des Interregionalismus allgemein wird erläutert.
Mehrere Umstände sprechen a priori gegen eine substantielle, mit Erkenntnisgewinnen verbundene Untersuchung des Gegenstandes NAFTA-Politik der EU und EU-NAFTA-Beziehungen:
- Elke Thiel schreibt 1997 in einem Aufsatz über regionale Integration und transatlantische Beziehungen: „Gleichwohl ist die EU als Verhandlungspartner eher mit den U.S.A. zu vergleichen als mit der NAFTA, die keine gemeinsame Stimme hat.“ Weiter führt sie aus: „Die wirtschaftliche Integration in der NAFTA ändert jedoch nichts daran, dass die U.S.A. für Europa der wichtigste Ansprechpartner sind.“ In diesen Aussagen wird erstens die These vertreten, dass trotz der Einbindung der U.S.A. in die NAFTA […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8910
Barber, Simon: Transatlantischer Interregionalismus? - Eine Analyse der EU-NAFTA-
Beziehungen aus europäischer Perspektive
Hamburg: Diplomica GmbH, 2005
Zugl.: Ludwig-Maximilians-Universität München, Magisterarbeit, 2005
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2005
Printed in Germany

1
I
NHALTSVERZEICHNIS
Einleitung: Regionale Integrationsprojekte als alte und neue Akteure der Weltwirtschaft ... 1
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis ... 4
Abkürzungsverzeichnis ... 5
I
Untersuchungsrahmen ... 7
1
Erläuterung der Fragestellung ... 7
2
Theoretische und methodische Perspektive ... 11
3
Materialauswahl und Forschungsstand... 14
4
Aufbau der Arbeit ... 17
II
Die EU als handelspolitischer Akteur und die NAFTA als neues Instrument regionaler
Wirtschaftskooperation ... 20
1
Integrationskonzepte von EU und NAFTA im Vergleich ... 21
1.1
Ökonomische Integration ... 22
1.2
Politische Integration... 24
2
Das institutionelle System der NAFTA ... 26
3
Europäische Handelspolitik... 30
3.1
Außenhandel als zentrales Politikfeld der EU... 30
3.2
Rechtliche Grundlagen der Gemeinsamen Handelspolitik... 32
3.3
Dimensionen der europäischen Außenhandelspolitik ... 34
III
Regionalismus und Interregionalismus ... 36
1
Entwicklungsphasen des Regionalismus... 37
2
Motive für regionale Integrationsprojekte... 38
3
Typen regionaler Handelsverträge und -abkommen... 40
4
Multilateralismus versus Regionalismus ... 41
5
Regionale Integration im Welthandelsrecht ... 44
6
Formen des Interregionalismus ... 46
IV
Die transatlantischen und multilateralen Beziehungen zwischen EU und NAFTA... 49
1
Exkurs: Der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus ... 50
2
Die interregionalen Beziehungen zwischen EU und NAFTA... 53
2.1
EU ... 54
2.1.1
Europäischer Rat ... 54

2
2.1.2
Europäisches Parlament... 54
2.1.3
Rat der EU ... 58
2.1.4
Europäische Kommission ... 59
2.1.5
Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss... 61
2.2
NAFTA ... 64
2.3
Zusammenfassung... 64
3
Die bilateralen Beziehungen der EU mit den NAFTA-Staaten ... 68
3.1
U.S.A... 68
3.2
Kanada ... 72
3.3
Mexiko ... 74
3.4
Zusammenfassung... 76
4
Die multilateralen EU-NAFTA-Beziehungen innerhalb der WTO ... 77
4.1
Die EU und die NAFTA-Staaten als Akteure in der WTO ... 78
4.2
Transatlantische und nordamerikanische Handelskonflikte in der WTO ... 80
4.2.1
Handelskonflikte zwischen der EU und den NAFTA-Staaten... 81
4.2.2
Handelskonflikte zwischen den NAFTA-Staaten... 83
4.2.3
EU und NAFTA-Staaten als Drittparteien in Handelskonflikten ... 84
4.3
Zusammenfassung... 85
V
Transatlantische Handelspolitik seit der NAFTA-Gründung ­ ein Fazit... 87
1
Phasen der europäischen NAFTA-Politik... 87
1.1
1990-1992 ... 88
1.2
1992-1994 ... 89
1.3
1994-1999 ... 89
1.4
1999-2005 ... 90
1.5
Zusammenfassung... 92
2
NAFTA ­ komplexer Akteur und internationale Organisation? ... 93
3
Charakterisierung der EU-NAFTA-Beziehungen ... 97
4
Die strategische Bedeutung Lateinamerikas für die EU-NAFTA-Beziehungen... 100
Schlussbemerkungen: Die Zukunft der interregionalen Beziehungen zwischen EU und NAFTA ... 106
Literaturverzeichnis... 116
Anhang ... 124

E
INLEITUNG
:
R
EGIONALE
I
NTEGRATIONSPROJEKTE ALS ALTE UND
NEUE
A
KTEURE DER
W
ELTWIRTSCHAFT
Die Politikwissenschaftler Werner Weidenfeld und Jürgen Turek nannten im Jahre 1995 vier
Tendenzen, welche die Entwicklung der Weltwirtschaft im Wesentlichen kennzeichnen: Globali-
sierung, Interdependenz, Liberalisierung und Wettbewerb. Ergänzend fügten sie an, dass sich
diese Phänomene der internationalen Beziehungen zwischen alten und neuen Akteuren abspie-
len.
1
Als fünftes dominierendes Element des Weltwirtschaftssystems kann man überdies die Re-
gionalisierung nennen. Mit ihr schließt sich der Kreis, denn, so stellt auch Jürgen Rüland treffend
fest: ,,Rather than being competing organizational principles of international relations, globaliza-
tion and regionalization are complementary to each other."
2
Die historische Entwicklung eines der ,,alten Akteure" in ihrer gegenwärtigen Form reicht inzwi-
schen über 50 Jahre zurück: die Integrationsgeschichte der Europäischen Union (EU). Beginnend
mit der Unterzeichnung des Vertrages zur Gründung der Europäische Gemeinschaft für Kohle
und Stahl (EGKS) im Jahre 1951 und den Römischen Verträgen (1957/58) kamen in manchmal
rascher, manchmal weniger rascher Folge in einem dialektischen Prozess von Krisen und Refor-
men und durch die Bearbeitung von alten und die Bildung von neuen left-overs in mannigfalti-
gen Verhandlungsrunden immer wieder Integrationsschritte hinzu, resultierend im status quo des
Jahres 2005 und einer EU mit 25 Mitgliedsstaaten. Die Gründung und Weiterentwicklung der
EU bis zum heutigen Tage war trotz der Dominanz der ökonomischen Integration auch immer
mit dem Versuch verbunden, eine politische Union zu errichten. Auch wenn der erste Versuch in
den 50er-Jahren scheiterte, so konnten doch durch die Verträge in den 90er-Jahren und insbe-
sondere durch die Erarbeitung einer Verfassung durch den Europäischen Konvent und dessen
Unterzeichnung am 29. Oktober 2004 in Rom wichtige Schritte in diese Richtung unternommen
werden.
Auf die Nordamerikanische Freihandelszone (North American Free Trade Area, NAFTA) kann
man ohne Frage das Attribut ,,neu" übertragen, problematischer wird es bei der Bezeichnung als
,,Akteur", wie die Analyse der europäischen NAFTA-Politik und der EU-NAFTA-Beziehungen
im Rahmen der vorliegenden Arbeit verdeutlichen wird. Wohl kaum ein anderes regionales Frei-
handelsabkommen hat seit der Unterzeichnung der Römischen Verträge für soviel Aufsehen ge-
1
Vgl. Weidenfeld, Werner/Turek, Jürgen: Standort Europa. Handeln in der neuen Weltwirtschaft, Gütersloh 1995, S.
10.
2
Rüland, Jürgen: The European Union as an Inter- and Transregional Actor. Lessons for Global Governance from
Europe's Relations with Asia, National Europe Centre Paper No. 13, Paper Presented to Conference on ,,The Euro-
pean Union in International Affairs", National Europe Centre, Australian National University, 3-4 July 2002, S. 1.
1

sorgt wie das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (North American Free Trade Agree-
ment, NAFTA) zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika (United States of America,
U.S.A.), Kanada und Mexiko. Es trat zum 1. Januar 1994 in Kraft, die Verhandlungen über die
Schaffung der trilateralen Freihandelszone fanden ab 1991 statt. Über das Freihandelsabkommen
hinaus wurden zwei Nebenabkommen, das North American Agreement on Labor Cooperation
(NAALC) und das North American Agreement on Evironmental Cooperation (NAAEC), abge-
schlossen, welche die Bereiche Arbeit und Umwelt abdecken. Das bereits bestehende Kanadisch-
U.S.-amerikanische Freihandelsabkommen (Canada-United States Free Trade Agreement,
CUSFTA) von 1989 wurde durch das NAFTA aufgehoben. Im Jahre 2003 umfasste der intrare-
gionale Handel 651 Milliarden U.S.-Dollar (in der EU-15 zum Vergleich 1.759 Milliarden U.S.-
Dollar) und machte damit einen Marktanteil am weltweiten Export von 8,9 Prozent (24,6 Prozent)
aus ­ als einziges unter sechs von der Welthandelsorganisation (World Trade Organization,
WTO) untersuchten regionalen Integrationsprojekten, so z.B. die EU, die Freihandelszone der
Vereinigung südostasiatischer Staaten (Association of Southeast Asian Nations, ASEAN) und
der Gemeinsame Markt im südlichen Lateinamerika (Mercado Común del Cono Sur, Mercosur),
konnte die NAFTA diesen Anteil im Vergleich zu 1995 erhöhen. Der Wert der extraregionalen
Exporte betrug 2003 511 Milliarden U.S.-Dollar, der Wert der extraregionalen Importe 1.085
Milliarden U.S.-Dollar.
3
Das Handelsvolumen der EU-Exporte in die NAFTA betrug 2004 270,5 Milliarden Euro, das
Handelsvolumen der NAFTA-Exporte in die EU 180,5 Milliarden Euro; dies bedeutet eine posi-
tive Handelsbilanz der EU von 90 Milliarden Euro. Im Dienstleistungsbereich betrug das Ver-
hältnis aus europäischer Perspektive 112,5 Milliarden Euro (Exporte) zu 104,5 Milliarden Euro
(Importe) für das Jahr 2003. Bei den transatlantischen Direktinvestitionen zwischen EU und
NAFTA stand 2003 eine Bilanz von 300 Millionen Euro zu Gunsten der NAFTA zu Buche.
Nach Regionen stand die NAFTA für 22,7 Prozent des gesamten Handelsvolumens der EU und
nahm damit den ersten Rang ein, vor der Europäischen Freihandelszone (European Free Trade
Area, EFTA) (11,5 Prozent), den EU-Beitrittskandidaten Bulgarien, Kroatien, Rumänien und
Türkei (6,3 Prozent), ASEAN (5,6 Prozent), Lateinamerika (5,2 Prozent) und den Mittelmeer-
ländern (4,9 Prozent).
4
3
Vgl. WTO, International Trade Statistics 2004, Genf 2004, S. 13 und 24.
4
Vgl. Europäische Kommission, http://trade-info.cec.eu.int/doclib/docs/2005/march/tradoc_113487.pdf sowie
Abbildung 2 und Tabelle 2 im Anhang dieser Arbeit.
2

Vor zehn Jahren identifizierten Forscher drei weltweit relevante regionale Integrationsprojekte ­
die EU, das bis dato umfassendste und dauerhafteste wirtschaftliche und politische
,,Integrationsexperiment", die NAFTA und die damals noch relativ locker organisierte Asiatisch-
Pazifische wirtschaftliche Zusammenarbeit (Asia-Pacific Economic Cooperation, APEC). Dar-
über hinaus wurde auf das Wachstumspotenzial von ASEAN und Mercosur hingewiesen.
5
In-
zwischen hat sich die Dynamik der wirtschaftlichen Regionalisierung und des politischen Regio-
nalismus auf allen Kontinenten beschleunigt, wodurch sich natürlich auch der internationale
Standortwettbewerb enorm verschärft hat.
6
Die EU hat auch vor diesem Hintergrund als Antwort
auf die zunehmende Globalisierung der Weltwirtschaft und des Wettbewerbs die Lissabon-
Strategie formuliert und sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, die U.S.A. bis 2010 als erfolgreichsten
Wirtschaftsraum abzulösen; inzwischen musste sie Teile ihres Programms revidieren.
7
Ein Ende der Regionalisierungs- und Regionalismustendenzen ist in der internationalen Au-
ßen(handels)politik nicht abzusehen. Sowohl von Seiten politischer Entscheidungsträger, wie
auch aus dem politikwissenschaftlichen Blickwinkel wird davon ausgegangen, dass sich Politik
und Wirtschaft auch weiterhin zunehmend im regionalen Rahmen organisieren werden und Inter-
regionalismus eines der bestimmenden Konzepte der internationalen Beziehungen sein wird.
Eines der umfangreichsten und ­ aus europäischer Perspektive ­ bedrohlichsten Projekte stellt
das Gesamtamerikanische Freihandelsabkommen (Free Trade Agreement of the Americas,
FTAA) dar, dessen Abschluss für 2005 geplant war. Nach der NAFTA ist dieser Vertrag ein wei-
teres bedeutendes Element des transatlantischen Handelssystems zwischen den Amerikas und
Europa und hat wie schon die NAFTA weitreichende Folgen für die Beziehungen der EU gegen-
über den U.S.A. und Lateinamerika.
5
Vgl. Weidenfeld/Turek, Standort Europa, 1995, S. 189.
6
Siehe Bertelsmann Stiftung: Internationales Standort-Ranking 2004. Wachstum und Beschäftigung, Gütersloh
2004.
7
Vgl. Tutt, Cordula/Rademaker, Maike: Reformscheue EU-Länder sollen an den Pranger, in: Financial Times
Deutschland vom 29.10.2004, Pinzler, Petra/Fritz-Vannahme, Joachim: Europa will nicht wachsen, in: Die Zeit vom
4.11.2004, Centrum für Angewandte Politikforschung, http://www.cap-lmu.de/aktuell/positionen/2004/kok-
bericht.php und Europäische Kommission,
http://europa.eu.int/comm/commission_barroso/president/speeches/speech_20041104_en.pdf.
3

4
A
BBILDUNGS
-
UND
T
ABELLENVERZEICHNIS
Abbildung 1: Der Gegenstandsbereich der interaktionsorientierten Policy-Forschung... 50
Abbildung 2: Interregionaler Handel zwischen EU und NAFTA... 124
Abbildung 3: Internationaler Warenhandel im Jahre 2002 ­ die EU und sonstige Hauptakteure
(in Milliarden Euro) ... 126
Abbildung 4: Anteil der EU-15 am Welthandel im Jahre 2002 (in Prozent)... 126
Abbildung 5: Entwicklung des Handels der EU-15 von 1990 bis 2003 (in Milliarden Euro)... 127
Abbildung 6: Präferenzhandelsabkommen der EU und der EFTA... 128
Abbildung 7: Wichtige Wirtschaftsgemeinschaften auf den verschiedenen Kontinenten... 129
Abbildung 8: In der WTO notifizierte regionale Handelsabkommen... 130
Tabelle 1: WTO-Handelskonflikte zwischen der EU, den U.S.A., Kanada und Mexiko (bis 20.
März 2005) ... 81
Tabelle 2: Die wichtigsten Handelspartner der EU (Staaten und Regionen) ... 125

5
A
BKÜRZUNGSVERZEICHNIS
ABl.
Amtsblatt [der Europäischen Union]
AKP
Afrika, Karibik, Pazifik
APEC
Asiatisch-Pazifische wirtschaftliche Zusammenarbeit (Asia-Pacific Economic
Cooperation)
Art.
Artikel
ASEAN
Vereinigung südostasiatischer Staaten (Association of Southeast Asian Na-
tions)
ASEM
Asia-Europe Meeting
AWTO
Agreement Establishing the World Trade Agreement
BECC
Border Environment Cooperation Commission
bzw.
beziehungsweise
CAFTA
Zentralamerikanische/s Freihandelszone/-abkommen (Central American Free
Trade Area/Agreement)
CERT
Canada-Europe Roundtable for Business
CUSFTA
Kanadisch-U.S.-amerikanische/s Freihandelszone/-abkommen (Canada-
United States Free Trade Area/Agreement)
ders.
derselbe
dies.
dieselben
DS
Dispute Settlement
DSB
Dispute Settlement Body
ebd.
ebenda
EC
European Community/-ies
EFTA
Europäische/s Freihandelszone/-abkommen (European Free Trade A-
rea/Agreement)
EG
Europäische Gemeinschaft(en)
EGKS
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl
EGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
et al.
et alii
etc.
et cetera
EU
Europäische Union
EUI
European University Institute
Eurostat
Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaften
EUV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Union
EWR
Europäischer Wirtschaftsraum
f.
folgende
ff.
fortfolgend
FSC
Foreign Sales Corporation
FTA
Free Trade Area/Agreement
FTAA
Gesamtamerikanische/s Freihandelszone/-abkommen (Free Trade
Area/Agreement of the Americas)
GASP
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
GATS
General Agreement on Trade in Services
GATT
General Agreement on Trade and Tariffs
GCC
Gulf Cooperation Council
GMO
Genetically Modified Organism
Hrsg.
Herausgeber
IRELA
Instituto de Relaciones Europeo-Latinoamericanas
JCC
Joint Cooperation Committee
KSZE
Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa

6
MEFTA
Mittelöstliche/s Freihandelszone/-abkommen (Middle East Free Trade
Area/Agreement)
Mercosur
Gemeinsamer Markt im südlichen Lateinamerika (Mercado Común del Cono
Sur)
MFN
most favoured nation
NAAEC
North American Agreement on Evironmental Cooperation
NAALC
North American Agreement on Labor Cooperation
NADBank
North American Development Bank
NAFTA
die Nordamerikanische Freihandelszone (North American Free Trade Area) /
das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (North American Free Trade
Agrement)
NATEC
North Atlantic Economic Community
NATO
North Atlantic Treaty Organization
Nr.
Nummer
NTA
Neue Transatlantische Agenda (New Transatlantic Agenda)
OAS
Organisation Amerikanischer Staaten (Organization of American States)
OECD
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(Organisation for Economic Cooperation and Development)
OPEC
Organisation Erdöl exportierender Staaten (Organisation of the Petroleum
Exporting Countries)
PTA
Preferential Trade Area/Agreement
RTA
Regional Trade Area/Agreement
S.
Seite
SACU
Südafrikanische Zollunion (Southern African Customs Union)
SAFTA
Südamerikanische/s Freihandelszone/-abkommen (South American Free Tra-
de Area/Agreement)
TABD
Transatlantic Business Dialogue
TAFTA
Transatlantische/s Freihandelszone/-abkommen (Transatlantic Free Trade
Area/Agreement)
TISC
Trade and Investment Sub-Committee
TPR
Trade Policy Review
u.a.
unter anderem
U.S.A.
Vereinigten Staaten von Amerika (United States of America)
USTR
United States Trade Representative
vgl.
vergleiche
WTO
Welthandelsorganisation (World Trade Organization)
z.B.
zum Beispiel
zit.
zitiert

7
I
U
NTERSUCHUNGSRAHMEN
1
Erläuterung der Fragestellung
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den interregionalen, bilateralen und multilateralen Be-
ziehungen zwischen der EU
8
und der NAFTA. Die zugrunde liegende Leitfrage, die das politik-
wissenschaftliche Problemverständnis dieses Themas kennzeichnet, lautet: Wie sieht die EU-
Politik gegenüber der NAFTA aus und wie lassen sich die Beziehungen zwischen der EU und
der NAFTA charakterisieren? In diesem Kontext gilt es neben der übergeordneten Leitfrage fol-
gende Forschungsfragen zu beantworten:
Betreibt die EU eine explizite und dezidierte Politik gegenüber der NAFTA seit deren
Gründung 1992/94?
Wie sind die institutionalisierten und nicht-institutionalisierten Beziehungen zwischen
EU und NAFTA bzw. den NAFTA-Staaten auf interregionaler, bilateraler sowie multila-
teraler Ebene organisiert und welche Interaktionsformen lassen sich identifizieren?
Ist die NAFTA eine internationale Institution bzw. Organisation und kann sie als eigen-
ständiger Akteur der internationalen Politik angesehen werden?
Wie sieht die Zukunft des interregionalen Dialogs zwischen EU und NAFTA aus?
Leitfrage und Forschungsfragen wurden in politikwissenschaftlichen Arbeiten bisher meist nur
als Nebenaspekt kurz angesprochen oder in einzelnen Passagen gestreift, nicht aber in adäquater
Weise in ihrer Gesamtheit behandelt. Die Fragen blieben bisher unbeantwortet und die Problem-
stellung, die hier als Ausgangspunkt der Untersuchung gewählt wird, ist neu und bislang in der
Literatur der Politischen Wissenschaft ungelöst. Es liegt keine umfassende Monographie zur
europäischen NAFTA-Politik und den EU-NAFTA-Beziehungen vor. Näheres zum Forschungs-
stand der EU-NAFTA-Beziehungen, des Vergleichs der beiden Integrationsprojekte aber auch
des Interregionalismus allgemein wird in Punkt 3 dieses Kapitels erläutert.
Mehrere Umstände sprechen a priori gegen eine substantielle, mit Erkenntnisgewinnen verbun-
dene Untersuchung des Gegenstandes NAFTA-Politik der EU und EU-NAFTA-Beziehungen:
Elke Thiel schreibt 1997 in einem Aufsatz über regionale Integration und transatlantische
Beziehungen: ,,Gleichwohl ist die EU als Verhandlungspartner eher mit den U.S.A. zu
8
Die Bezeichnung ,,EU" hat in der Umgangssprache diejenige der ,,EG" eingenommen. Dennoch bleiben EU und
EG juristisch unterschiedliche Begriffe. Aus Gründen der Vereinfachung wird im Rahmen dieser Arbeit in der Regel
von der EU die Rede sein, auch wenn es sich um Entwicklungen vor 1993 handelt oder die Europäische Gemein-
schaft(en) angesprochen werden.

8
vergleichen als mit der NAFTA, die keine gemeinsame Stimme hat." Weiter führt sie
aus: ,,Die wirtschaftliche Integration in der NAFTA ändert jedoch nichts daran, dass die
U.S.A. für Europa der wichtigste Ansprechpartner sind."
9
In diesen Aussagen wird ers-
tens die These vertreten, dass trotz der Einbindung der U.S.A. in die NAFTA weiterhin
das Verhältnis zwischen EU und U.S.A. die transatlantischen
10
Handelsbeziehungen de-
terminieren; zweitens, dass die NAFTA wegen ihrer mangelnden Institutionalisierung
nicht über ausreichend internationale Verhandlungsvollmachten verfügt um mit der EU
in Dialog treten zu können; und drittens, dass das Integrationsprojekt NAFTA die Bedeu-
tung der U.S.A. nicht relativiert hat und daher die transatlantischen Beziehungen ohne
große Berücksichtigung des Handelsregimes der NAFTA sowie der anderen Mitglied-
staaten Kanada und Mexiko weiterhin vorwiegend auf bilateraler Ebene zwischen der EU
und den U.S.A. stattfinden.
Die Argumentation Heiner Hänggis zielt ebenfalls in Richtung der Frage nach der Ak-
teurqualität der NAFTA, wenn er feststellt, dass ,,unlike the EU, NAFTA does not appear
as an actor in its own right"
11
.
Bezeichnend ist in diesem Kontext auch der Titel eines Aufsatzes von Felipe A. M. de la
Balze aus dem Jahre 2002: ,,Ebenbürtige Partner ­ Der Mercosur, die Europäische Union
und die U.S.A."
12
­ die NAFTA als Akteur wird nicht erwähnt, quasi stellvertretend für
sie ist lediglich von den U.S.A., unbestritten das dominierende Mitglied der NAFTA, die
Rede.
Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Trotz der gerade präsentierten Einschätzungen vertritt
der Verfasser die Meinung, dass eine fundamentale Analyse des Themenkomplexes EU-
NAFTA-Beziehungen durchaus begründet ist und von Nutzen für das Verständnis der internatio-
nalen Beziehungen zwischen Europa und den Amerikas ist. Die forschungsleitende These lautet:
Seit dem Inkrafttreten der NAFTA am 1. Januar 1994 und vor dem Hintergrund der Verhandlun-
gen um eine FTAA haben sich die transatlantischen Handelsbeziehungen und die EU-
Außenhandelspolitik quantitativ und qualitativ verändert.
9
Thiel, Elke: Die EU und die NAFTA. Regionale Integration und transatlantische Beziehungen, in: Aussenpolitik,
1/1997, S. 58. und 65.
10
,,Transatlantisch" wird in dieser Arbeit im weiten Sinne gebraucht und bezieht sich nicht nur auf die Beziehungen
zwischen der EU und den U.S.A., sondern auch auf das Verhältnis zu den übrigen NAFTA-Staaten und anderen
Ländern der amerikanischen Kontinente.
11
Hänggi, Heiner: Interregionalism. Empirical and Theoretical Perspectives, Paper Prepared for the Conference
,,Democracy and Trade. External Influence on Economic Integration in the Americas", Improving Responsiveness
to International Change, Roundtable 7, Davidson Conference Center, University of Southern California, Los Ange-
les, CA, May 18, 2000, S. 10.
12
Siehe Balze, Felipe A. M. de la: Ebenbürtige Partner. Der Mercosur, die Europäische Union und die U.S.A., in:
Internationale Politik, 9/2001, S. 9-16.

9
Die Untersuchung der Fragestellung erfolgt im Rahmen dieser Arbeit vornehmlich aus europäi-
scher Perspektive, d.h. in erster Linie werden die NAFTA-Politik der EU sowie die EU-NAFTA-
Beziehungen (und nicht die NAFTA-EU-Beziehungen) analysiert. Der Analysefokus richtet sich
auf die Beziehungen zwischen EU und NAFTA im Besonderen und damit unweigerlich verbun-
den auf die transatlantischen Handelsbeziehungen im Allgemeinen, d.h. auch auf die Beziehun-
gen zu anderen Staaten der amerikanischen Kontinente als den NAFTA-Mitgliedstaaten. Ge-
genstand der Untersuchung ist damit die EU-Handelspolitik gegenüber der NAFTA bzw. den
Mitgliedstaaten der NAFTA und die gegenseitigen EU-NAFTA-Beziehungen, wobei dabei na-
türlich auch andere Akteure des internationalen Handelssystems, wie z.B. die WTO, in die Un-
tersuchung miteinbezogen werden müssen.
Daraus abgeleitet werden im Rahmen dieser Arbeit die staatliche und supranationale Ebene so-
wie die institutionelle Ebene multilateraler Institutionen betrachtet, die unternehmerische Ebene
bleibt weitgehend ausgeklammert.
13
Ausnahmen bilden vereinzelte Ausführungen zu auf den
Weltmärkten agierenden nationalen und multinationalen Konzernen, z.B. im Rahmen des Tran-
satlantic Business Dialogue (TABD), oder wenn von verschiedenen Interessengruppen im Euro-
päischen Wirtschafts- und Sozialausschuss die Rede ist.
Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich von Gründung der NAFTA durch das Freihandelsab-
kommen zwischen den U.S.A., Kanada und Mexiko (initiiert im Jahre 1990, verhandelt ab 1991,
unterzeichnet am 18. Dezember 1992 und in Kraft getreten am 1. Januar 1994) bis Anfang 2005,
wobei auch kurz auf mögliche zukünftige Entwicklungen sowie Strategien und Optionen für die
europäische NAFTA-Politik und die Zukunft des interregionalen Dialogs im letzten Kapitel ein-
gegangen werden soll.
Zielsetzung dieser Arbeit ist es, einen Beitrag zum Forschungsgebiet der EU-Außenbeziehungen
im Bereich der Handelspolitik zu liefern und das Beziehungsgeflecht zwischen der wirtschaftlich
und politisch relativ weit integrierten EU auf der einen Seite und der kontinentalen Freihandels-
zone NAFTA auf der anderen Seite umfassend und in seiner Gesamtheit zu beschreiben und zu
erklären. Überdies sollen neben den vergangenen Entwicklungen und dem status quo auch po-
tentielle zukünftige Veränderungsformen und deren Qualität dargestellt werden.
13
Siehe für diese Kategorisierung der unterschiedlichen Akteurebenen Weidenfeld/Turek, Standort Europa, 1995, S.
17.

10
Die Wertmaßstäbe bei der Bearbeitung des Themas sind keineswegs normativer Natur. Die Ar-
beit geht von den genuinen Gestaltungsinteressen der Akteure der transatlantischen Handelsbe-
ziehungen aus. In erster Linie, aber nicht ausschließlich, werden dabei die Staaten der EU bzw.
die EU als teilweise supranational organisierte Institution sowie die U.S.A., Mexiko und Kanada
bzw. das Integrationsprojekt NAFTA adressiert.
Das zentrale Politikfeld, auf das sich das Erkenntnisinteresse der Arbeit konzentriert, ist der Be-
reich der europäischen Außenhandelsbeziehungen mit den Staaten der NAFTA. Handelspolitik
14
berührt die Politikfelder Wirtschaftspolitik und Außenpolitik, daher wird bei der Untersuchung
des Gegenstandes auch teilweise auf diese Politikbereiche eingegangen. Die Gemeinsame Han-
delspolitik ist integraler Bestandteil der ersten Säule der EU und grundlegend in Art. 131-134
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) festgehalten. Das globale Potenti-
al der EU als internationaler Akteur macht die Handels- und Außenwirtschaftspolitik ,,zu einem,
wenn nicht dem [Hervorhebung im Original] wichtigsten auswärtigen Handlungsfeld der EU"
15
.
So auch Willem Molle, der aussagt, dass ,,in practice [the EU´s] external relations are mostly
trade relations"
16
.
Nicht oder nur am Rande behandelt werden im Rahmen der Untersuchung dieses thematischen
Ausschnitts der internationalen Handelsbeziehungen Aspekte wie die Nord-Süd-Beziehungen in
der Weltwirtschaft, die sowohl in der EU als auch in NAFTA vorzufinden sind, die Chancen und
Risiken der Globalisierung, die untrennbar mit dem Phänomen der Regionalisierung verbunden
sind, oder die Bewertung des Erfolgs oder Misserfolgs der NAFTA in Form eines Zwischenfa-
zits zehn Jahre nach ihrer Gründung. Auch die Debatte ,,Multilateralismus versus Regionalismus,
Bilateralismus und Unilateralismus" wird nicht erschöpfend präsentiert werden können. Im übri-
gen ist es nicht Sinn und Zweck dieser Arbeit die transatlantischen Handelsbeziehungen, ver-
standen als Beziehungen zwischen der EU und den U.S.A., in all ihren Einzelheiten aufzuzeigen;
wenn es angebracht erscheint, werden sie in den Kontext der europäischen NAFTA-Politik und
der EU-NAFTA-Beziehungen eingeordnet.
14
,,Handelspolitik" wird hierbei definiert als die Summe aller Aktivitäten eines Staates oder einer Staatengruppe, die
darauf abzielen, das Ausmaß, die Zusammensetzung und die Richtung seiner bzw. ihrer Importe und Exporte von
Waren und Dienstleistungen zu beeinflussen; vgl. Cohen, Benjamin J.: American Foreign Economic Policy. Essays
and Comments, New York 1968.
15
Schmalz, Uwe: Europäische Union als internationaler Akteur, in: Woyke, Wichard (Hrsg.): Handwörterbuch
Internationale Politik, 8. aktualisierte Ausgabe, Bonn 2000, S. 111.
16
Molle, Willem: The Ecomonics of European Integration. Theorie, Practice, Policy, 4. Auflage, Aldershot 2001, S.
455.

11
2
Theoretische und methodische Perspektive
Der theoretische Bezugsrahmen umfasst u.a. Inhalte des neoliberalen Institutionalismus
17
als
Erklärungsansatz für Kooperationsmuster in den internationalen Beziehungen, aber auch Ele-
mente der diversen Integrations- und Interdependenztheorien. In einem durch ständig zunehmen-
de Verflechtungs- und Abhängigkeitsprozessen gekennzeichneten internationalen politischen
System, das insbesondere durch den stetigen Trend der Globalisierung der Weltwirtschaft ge-
kennzeichnet ist, gewinnen Institutionen, wie eng oder weit man den Begriff auch definieren
möchte, immer mehr an Bedeutung für Akteure. Institutions matter und sind notwendig für die
Verwirklichung von Akteurzielen, indem sie den diversen Akteuren vielfältige Bezugsrahmen
für deren Kooperation anbieten, wobei nicht von einer klassisch liberalen Interessenharmonie
ausgegangen wird, sondern von einem aufgeklärten rationalen Egoismus der Akteure. Reinhard
Meyers nennt vier Gründe, weshalb institutionalisierte Strukturen bestehen können:
1. Institutionen verringern die Informationsasymmetrien, wodurch Unsicherheiten von Ak-
teuren hinsichtlich der Absichten anderer Akteuren abgebaut werden.
2. Sie erhöhen die Kosten einer Aufgabe kooperativen Verhaltens, da Sanktionsmechanis-
men und -prozeduren von Institutionen (oft) ein hohes Drohpotenzial haben.
3. Die Verknüpfung von Problembereichen, das Angebot von Paketlösungen und die Ab-
wicklung kompensatorischer Tauschgeschäfte zwischen Akteuren werden begünstigt.
4. Außerdem beeinflussen Institutionen die Interessendefinitionen der Akteure ebenso wie
die Perzeption der Interessen anderer.
18
Der Begriff ,,Institution" ist nicht eindeutig. Manche institutionalisierte Verhaltensmuster konsti-
tuieren selbst handlungsfähige soziale Gebilde. Gleichzeitig haben diese Gebilde aber auch eine
normative Ordnung (Verfassung etc.). Meint man diese, dann kann z.B. auch von Staaten oder
internationalen Organisationen als Institution gesprochen werden. Diese Dualität zwischen nor-
mativer Ordnung und Akteurfähigkeit ist jedoch nicht für jede Institution gegeben. Aus der De-
finition von March/Olsen geht hervor, wie weit der Institutionen- oder Regelbegriff gefasst wer-
den kann:
,,By ,rules' we mean the routines, procedures, conventions, roles, strategies, organizational forms, and
technologies around which political activity is constructed. We also mean the beliefs, paradigms, codes,
cultures, and knowledge that surround, support, elaborate, and contradict those roles and routines."
19
17
Begründer und wichtigster Vertreter diese Theorie ist Robert O. Keohane; siehe z.B. Keohane, Robert O.: After
Hegemony. Cooperation and Discord in the World Political Economy, Princeton, NJ 1984.
18
Vgl. Meyers, Reinhard: Theorien internationaler Kooperation und Verflechtung, in: Woyke, Wichard (Hrsg.):
Handwörterbuch Internationale Politik, 8. aktualisierte Ausgabe, Bonn 2000, S. 470.
19
March, James G./Olsen, Johan P.: Rediscovering Institutions. The Organizational Basis of Politics, New York
1989, S. 22.

12
Damit wird die Meinung vertreten, dass Institutionen zwar Organisationen sein können, aber
nicht müssen. Anders sieht dieses Fritz W. Scharpf. Er zieht es vor, ,,das Konzept der Institution
auf Regelsysteme zu beschränken, die einer Gruppe von Akteuren offen stehende Handlungsver-
läufe strukturieren"
20
. Der Verfasser präferiert im Rahmen dieser Arbeit einen etwas weiter ge-
fassten Institutionenbegriff: Es kann von der EU selbst als Institution und auch etwa vom Euro-
päischen Parlament als Institution der EU gesprochen werden, wobei sie die Qualität von Akteu-
ren der ersten Ebene bzw. der zweiten Ebene haben.
Ohne jede Frage kann die EU als internationale Organisation bezeichnet werden, eine Zuordnung,
die z.B. auch Michael Zürn in seiner Typologie internationaler Institutionen vornimmt.
21
Schwieriger ist die Einordnung der NAFTA. Im Gegensatz zur EU zählt sie je nach Definition zu
den zwischenstaatlichen Organisationen oder internationalen Regimes und ist in vielerlei Hin-
sicht lediglich Instrument staatlicher Interessendurchsetzung.
22
Im Laufe der Arbeit und insbe-
sondere abschließend unter Punkt V2 erfolgt eine exakte Einordnung der NAFTA.
In dieser Arbeit wird ein vornehmlich empirisch-analytischer Forschungsansatz angewandt. Die
Arbeit will das internationale Phänomen der handelspolitischen Zusammenhänge von EU- und
NAFTA-Politik mit all ihren unterschiedlichen Dimensionen ordnen, beschreiben, in den Zu-
sammenhang des Weltwirtschaftssystems einordnen, erklären und versuchen, mit einer kurzen
Prognose die Bearbeitung der Thematik abzuschließen. Auch wenn etwa auf Interviews oder
Simulationen von Entscheidungsprozessen verzichtet wurde, so wird dem neopositivistischem
und analytischem Ansatz durch systematische Inhaltsanalysen sowohl qualitativer als auch quan-
titativer Natur sowie durch die Datenanalyse aus Sekundärmaterial, seien es frühere Untersu-
chungen oder offizielle Statistiken und Erhebungen, Rechnung getragen. Zu Recht weisen Auto-
ren wie Fritz W. Scharpf darauf hin, dass die Lösung des empirisch-analytischen Forschungsan-
satzes nicht im ,,totalen Empirismus" liegt. ,,Erklären bedeutet, das, was rätselhaft erscheint, mit
dem, was wir bereits über die Welt wissen, in Verbindung zu bringen."
23
Daher ist im Rahmen
einer empirisch-analytischen Arbeit auch die kritische Reflexion und Interpretation von sekundä-
ren Quellen gerechtfertigt.
20
Scharpf, Fritz W.: Interaktionsformen. Akteurzentrierter Institutionalismus in der Politikforschung, Opladen 2000,
S. 77.
21
Vgl. Zürn, Michael: Regieren jenseits des Nationalstaates, Frankfurt a. M. 1998, S. 176.
22
Vgl. Ghaussy, A. Ghanie: Nordamerikanische Freihandelszone, in: Andersen, Uwe/Woyke, Wichard (Hrsg.):
Handwörterbuch Internationale Organisationen, 2. Auflage, Opladen 1995, S. 296 ff. und Maull, Hanns W.: Welche
Akteure beeinflussen die Weltpolitik?, in: Kaiser, Karl/Schwarz, Hans-Peter (Hrsg.): Weltpolitik im neuen Jahrhun-
dert, Bonn 2000, S. 374 ff.
23
Scharpf, Interaktionsformen, 2000, S. 76.

13
Die Struktur des Forschungsprogramms ist für eine subsystemische Analyse der internationalen
Politik auf der Ebene der Einheiten des internationalen Systems ausgelegt, d.h. es geht primär
um die Akteure bzw. deren Ausgestaltung und Einfluss auf die internationale Politik. Somit sind
unter Akteuren allgemein die relevanten Subjekte oder Handlungseinheiten zu verstehen, die
Aufbau- und Ablauforganisation sowie Handlungszusammenhänge im internationalen Kontext
determinieren. Im Kontext dieser Arbeit stellt sich die Frage, ob die internationalen Institutionen
EU und NAFTA als eigenständige Akteure in der internationalen Politik betrachtet werden kön-
nen und damit überhaupt für die subsystemische Analyseebene relevant sind. Die Antwort auf
die Frage nach der Akteurqualität der EU kann relativ rasch mit ja beantwortet werden ­ als sup-
ranationale Organisation verfügt sie über eigene Entscheidungs- und Handlungskompetenzen,
eine Aussage, die sich ganz deutlich im Politikfeld der Gemeinsamen Handelspolitik manifestiert.
Schwieriger wird es bei der Typologisierung der NAFTA, wie der Gang dieser Arbeit deutlich
machen wird.
Zur Strukturierung der subsystemischen oder Akteurebene im Rahmen dieser Arbeit ist anzu-
merken, dass auch der Einfluss solcher Akteure untersucht wird, die nur in indirekter Weise auf
den Verlauf internationaler Politik nehmen. So z.B. können das Parlament oder der Wirtschafts-
und Sozialausschuss der EU nicht eigenständig grenzüberschreitend tätig werden, sie können für
ihre Anliegen aber innerhalb der EU werben, ihre Kompetenzen wahrnehmen und somit ihre
Interessen durch den internationalen Akteur EU indirekt nach außen tragen. Gleiches gilt etwa
für Mexiko auf der anderen Seite des Atlantiks, wenn es in der Freihandelskommission der
NAFTA tätig wird. Insgesamt betrachtet, wird bei der Untersuchung die abhängige Variable (EU
und NAFTA sowie ihre Untereinheiten) immer auf der subsystemischen Ebene angesiedelt, bei
der unabhängigen Variable variiert der Fokus teilweise zwischen subsystemischer (z.B. U.S.A.)
und systemischer Ebene (z.B. WTO).
24
Theoretisch und methodisch bedient sich der Autor im Rahmen der Analyse der Beziehungen
zwischen EU und NAFTA teilweise Elementen des Ansatzes des akteurzentrierten Institutiona-
lismus
25
nach Renate Mayntz und Fritz W. Scharpf, der erstmals umfassend 1995
26
vorgestellt
24
Siehe für diese Strukturierungsmöglichkeit anhand von Variablen Druwe, Ulrich/Hahlbohm, Dörte/Singer, Alex:
Internationale Politik, 2. leicht veränderte Auflage, Neuried 1998, S. 73 f.
25
Zentrale Bestandteile des Gegenstandsbereiches des Ansatzes des akteurzentrierten Institutionalismus sind die
Kategorien Akteure (ausgestatten mit speziellen Handlungsorientierungen und -fähigkeiten), Konstellationen und
Interaktionen sowie der institutionelle Kontext. Zusammengefasst geht der Ansatz davon aus, ,,dass soziale Phäno-
mene als das Produkt von Interaktionen zwischen intentional handelnden ­ individuellen, kollektiven oder korpora-
tiven ­ Akteuren erklärt werden müssen. Diese Interaktionen werden jedoch durch den institutionellen Kontext, in
dem sie stattfinden, strukturiert und ihre Ergebnisse dadurch beeinflusst"; Scharpf, Interaktionsformen, 2000, S. 17.

14
und 1997
27
als eigenständige Abhandlung veröffentlicht wurde.
28
In mancherlei Hinsicht bietet
der Ansatz interessante und nützliche Instrumentarien für die Bearbeitung des Themas, z.B. bei
der Beschreibung des internationalen Akteurs EU. Wichtige konzeptionelle und analytische
Werkzeuge des Ansatzes des akteurzentrierten Institutionalismus werden in einem kurzen Ex-
kurs vor der Analyse der transatlantischen (interregional und bilateral) und multilateralen Bezie-
hungen zwischen EU und NAFTA unter Punkt IV1 behandelt.
3
Materialauswahl und Forschungsstand
Die Untersuchung der Fragestellung ist per se aus politikwissenschaftlicher Perspektive erfolgt;
gleichwohl wurde zur Vervollständigung auch teilweise Literatur miteinbezogen, die einen wirt-
schafts- oder rechtswissenschaftlichen Zugang zu den Gegenstandbereichen EU und NAFTA
verfolgt. Da es sich um eine im internationalen Kontext angesiedelte Thematik handelt, spielten
neben deutschsprachiger Literatur natürlich auch englischsprachige Beiträge, insbesondere in
den U.S.A. verfasst, eine große Rolle.
Bei der Materialauswahl wurde im Rahmen dieser Arbeit sowohl auf Primär- als auch Sekun-
därmaterial zurückgegriffen. Monographien, Sammelwerkbeiträge, Zeitschriftenaufsätze, Zei-
tungsartikel und in großem Maße offizielle Dokumente und Publikationen verschiedenster Insti-
tutionen sowie Inhalte von Internetseiten
29
waren Grundlage der Datenauswertung zu den EU-
NAFTA-Beziehungen. Die amtlichen Drucksachen der EU waren zumeist der Ausgangspunkt
bei der Bearbeitung verschiedener Aspekte. Besonders hervorzuheben sind bezüglich des Inter-
nets als Quelle die äußerst aufschlussreichen und gut aufgearbeiteten Seiten der WTO, welche
die Beschaffung von Informationen in vielerlei Hinsicht erleichterten.
26
Siehe Mayntz, Renate/Scharpf, Fritz W.: Der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus, in: dies. (Hrsg.):
Gesellschaftliche Selbstregelung und politische Steuerung, Frankfurt a. M. et al. 1995, S. 39-72.
27
Siehe Scharpf, Fritz W.: Games Real Actors Play. Actor-Centered Institutionalism in Policy Research, Boulder,
CO 1997 und als deutsche Übersetzung Scharpf, Interaktionsformen, 2000.
28
Ähnliche akteur- und institutionenorientierte Herangehensweisen stammen etwa von Elinor Ostrom (Institutional
Analysis and Development), Tom R. Burns (Actor-System Dynamics) oder Michael Zürn, der seinen Ansatz als
,,situationsstrukturell" bezeichnet; siehe Ostrom, Elinor/Gardner, Roy/Walker, James: Rules, Games, and Common-
Pool Resources, Ann Arbor, MI 1994, Burns, Tom R./Baumgartner, Thomas/Deville, Philippe: Man, Decisions,
Society. The Theory of Actor-System Dynamics for Social Scientists, New York 1985 und Zürn, Michael: Interes-
sen und Institutionen in der internationalen Politik. Grundlegung und Anwendung des situationsstrukturellen Ansat-
zes, Opladen 1992.
29
Der Stand aller zitierten Internetseiten ist der 20. März 2005; er wird daher nicht mehr für jede Internetquelle
einzeln in den Anmerkungen angeführt.

15
Studien im Bereich der interregionalen
30
Beziehungen stellen ein relatives neues Forschungsge-
biet der internationalen Politik dar. Bisher konzentrierten sich diese Analysen auf wenige spezi-
fische Fälle, vor allem in Kontext der Triade
31
und deren Beziehungen zueinander. Die meisten
der empirischen Erkenntnisse zum Interregionalismus wurden aus den Untersuchungen der Be-
ziehungen zwischen EU und ASEAN oder EU und Mercosur gewonnen. Es existiert auch eine
große Fülle an Literatur zu den transatlantischen, bilateralen Beziehungen zwischen der EU und
den U.S.A., aber abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen vernachlässigt sie die Einbettung
in interregionale Strukturen und die Strukturen des Global Governance. Hierzu gehören auch die
handelspolitischen Beziehungen zwischen EU und NAFTA unter Berücksichtigung der Positio-
nen der U.S.A. und den anderen zwei Mitgliedstaaten sowie im Kontext der WTO. Im Jahre
2002 stellte Jürgen Rüland zum Stand der Interregionalismus-Forschung fest: ,,In sum, most of
the existing work on interregional relations has been descriptive, is lacking a comparative di-
mension and tentative at best in theoretical terms."
32
Außerdem führt er bezüglich des Konzeptes des Akteurs im internationalen Interregionalismus
aus:
,,More research is [...] needed on the concept of actorness. Actorness refers to the capacities of regional
organizations to develop presence, to become identifiable, aggregate interests, formulate goals and poli-
cies, make and implement decisions. Nevertheless, the ,expectation-capability' gap and actor asymme-
tries are very obvious in inter- and transregional relations [...] Yet, while supranational institutions such
as of the European Union seem to stand for comparatively strong actor qualities, this is not necessarily the
case. If decision-making procedures are too complicated and intransparent, actorness may be adversely
affected. Conversely, intergovernmental cooperation must not automatically be an indicator for weak
actorness. Intergovernmental cooperation could develop strong actor qualities, if a regional organization
is controlled by a hegemon. NAFTA and possibly Mercosur are cases in point."
33
Genau dieser Frage nach der Akteurqualität der NAFTA will diese Arbeit u.a. nachgehen und
daraus Rückschlüsse auf die Beziehungen zur EU und dessen NAFTA-Politik ziehen. Des weite-
ren fordert Jürgen Rüland, dass ,,[f]urther empirical research [...] particularily focus on the inter-
30
,,Interregional" wird im Folgenden, soweit nicht weiter gekennzeichnet oder im Zusammenhang mit ,,transregio-
nal" genannt, im weiten Sinne gebraucht, d.h. der Begriff umfasst ,,interregional" im engen Sinne und ,,transregio-
nal"; analog gilt dies für die Begriffe ,,Interregionalismus" und ,,Transregionalismus"; siehe III6 dieser Arbeit.
31
Erstmals wurde der Begriff von Kenichi Ohmae verwendet. Das Konzept der Triade hat seinen Ursprung in der
trilateralen Akteurkonstellation von EU, U.S.A. und Japan. Der Begriff wurde später ausgeweitet auf die Regionen,
in denen sich die Mitglieder der Triade befinden, also Nordamerika, (West-)Europa und den ostasiatischen Raum.
Diese Expansion ist als Konsequenz verschiedener Faktoren wie dem Ende des Ost-West-Konfliktes, dem Entstehen
des Neuen Regionalismus und dem Aufstieg Ostasiens zum dritten Zentrum der Weltwirtschaft zu verstehen. Des
Weiteren ist der verstärkte Aufbau von interregionalen Beziehungen zwischen der triadischen Regionen in den 90er-
Jahren zu nennen; siehe Ohmae, Kenichi: Triad Power. The Coming Shape of Global Competition, New York et al.
1980 und Hänggi, Heiner: ASEM and the Construction of the New Triad, in: Journal of the Asia Pacific Economy,
4/1999, S. 56-80.
32
Rüland, Jürgen: Interregionalism in International Relations. Conference Summary, Paper Prepared for the Confer-
ence on ,,Interregionalism in International Relations", University of Freiburg, 31.1.-1.2.2002, S. 1.
33
Rüland, Jürgen: Inter- and Transregionalism. Remarks on the State of the Art of a New Research Agenda, Na-
tional Europe Centre Paper No. 34, Paper Prepared for the Workshop on ,,Asia-Pacific Studies in Australia and
Europe. A Research Agenda for the Future", Australian National University, 5-6 July 2002, S. 6.

16
action between inter- and transregional fora with global fora"; auf diesen Aspekt wird im Rah-
men der Untersuchung der Rolle von EU und NAFTA innerhalb der WTO explizit eingegangen.
Welche Relevanz hat das relativ junge Untersuchungsgebiet des Interregionalismus für das Ver-
ständnis der internationalen Beziehungen? Wie kann man interregionalen Beziehungen konzep-
tuell begegnen? Welche Beziehungen sind überhaupt Teil der Fragestellung?
,,The answers are [...] diverse and ambiguous [...] They depend on definition, geography, history, policy
field, functions, actors, actorness and theoretical approach. In other words: Explaining interregionalism is
impeded by the fact that the number of explanatory variables stands in reverse proportion to empirical
evidence."
34
Das Phänomen des Interregionalismus zwischen Integrationsprojekten, davon kann ausgegangen
werden, wird trotz aller noch bestehenden Unsicherheiten und Unabwägbarkeiten eine bestim-
mende Determinante der internationalen Politik bleiben, die Politische Wissenschaft mehr und
mehr beschäftigen und das vielschichtige System des Global Governance weiterhin bereichern,
aber eben auch komplizieren.
Grundlegend für die Darstellung der NAFTA und den Vergleich mit der EU war das Buch von
Robert Kaiser ,,Regionale Integration in Europa und Nordamerika. Vergleich von Europäischer
Gemeinschaft (EG) und Nordamerikanischer Freihandelszone (NAFTA) unter besonderer Be-
rücksichtigung bundesstaatlicher Organisationsreformen in Deutschland und den U.S.A." von
1998. Er liefert in seiner komparativen Studie neue Erkenntnisse zu den historischen Grundlagen
der Integration in Europa und Nordamerika, zur Vertragsstruktur, zur Rechtsordnung und zum
institutionellen System ­ der im Rahmen dieser Arbeit wohl wichtigste Gesichtspunkt in verglei-
chender Perspektive ­ von EU und NAFTA. Die zentralen Aspekte seines Vergleichs der Me-
thode, der Ziele und der Ergebnisse der jeweiligen Integrationsbestrebungen sind zum Teil Basis
der Untersuchung der EU-NAFTA-Beziehungen. Ebenfalls in diesem Kontext zu nennen ist
,,Die Nordamerikanische Freihandelszone im Vergleich mit dem Europäischen Wirtschaftsraum",
eine rechtswissenschaftliche Abhandlung von Ralph Pethke aus dem Jahre 2004, welche die bei-
den weltweit größten Freihandelszonen der Gegenwart gegenüberstellt.
Wenn auch schon etwas älter, aber dennoch sehr hilfreich und von großer Bedeutung für die Ar-
beit war der Artikel von Elke Thiel mit dem Titel ,,Die EU und die NAFTA: Regionale Integra-
tion und transatlantische Beziehungen", erschienen in der Zeitschrift ,,Aussenpolitik" im Jahre
1997, in dem sie die Motive des Regionalisierungstrends seit Beginn der 90er-Jahre, die Unter-
34
Rüland, The European Union as an Inter- and Transregional Actor, 2002, S. 2.

17
schiede und Gemeinsamkeiten der Integrationsansätze von EU und NAFTA sowie deren Einfluss
auf die Bildung anderer regionaler Handelsregime äußerst kenntnisreich beleuchtet.
,,Regional Trading Blocs in the World Economic System" von Jeffrey A. Frankel und ,,The Eco-
nomics of Preferential Trade Agreements" in der Herausgeberschaft von Bhagwati/Panagariya
beinhalten reichhaltige theoretische und empirische Analysen zum Weltwirtschaftssystem und
der Rolle von Handelsblöcken und sind beides Standardwerke zum Themenkomplex der regiona-
len Wirtschaftskooperation.
Ebenfalls anzuführen sind zwei Veranstaltungen von 2000 bzw. 2002: zum einen ein Gesprächs-
runde zum Thema ,,Dollars, Democracy and Trade: External Influence on Economic Integration
in the Americas"
35
, veranstaltet vom Centrum für angewandte Politikforschung aus München
und dem German Marshall Fund of the United States, zum anderen eine Konferenz über Interre-
gionalismus in der internationalen Politik
36
an der Universität Freiburg. In beiden Fällen sind
reichhaltige Zusammenfassungen der Veranstaltungen und die Vortragspapiere von angesehenen
Praktikern und Theoretikern über das Internet einsehbar.
4
Aufbau der Arbeit
Im Anschluss an die Darstellung des Untersuchungsrahmens widmet sich Kapitel II den regiona-
len Integrationsprojekten EU und NAFTA und dem Vergleich einzelner Elemente. Insbesondere
wird auf das institutionelle System der NAFTA und die daraus resultierenden Implikationen für
die EU-NAFTA-Beziehungen sowie die Grundzüge der Gemeinsamen Handelspolitik der EU
eingegangen. Insbesondere soll hier auf den Verhandlungsprozess zur Formulierung und Rechts-
setzung der EU-Handelspolitik eingegangen werden, weil dadurch die relevanten Akteure im
institutionellen System der EU für die Beziehungen zur NAFTA und den NAFTA-Mitgliedern
identifiziert werden. Diese Analyse ist aus europäischer Perspektive grundlegend für die mehr-
dimensionale Untersuchung der Beziehungen zwischen EU und NAFTA im nachfolgenden Ka-
pitel.
Kapitel III behandelt die Grundlagen der Regionalismus- und Interregionalismus-Forschung; sie
sind notwendig für ein Verständnis der EU-NAFTA-Beziehungen. Hierbei werden u.a. verschie-
dene Begriffe und Konzepte geklärt, außerdem Typen von Beziehungsmustern zwischen regio-
35
Siehe Centrum für Angewandte Politikforschung, http://www.cap-lmu.de/transatlantic/topics/americas.php.
36
Siehe Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, http://www.politik.uni-freiburg.de/Interregionalism/Index.html.

18
nalen Integrationsräumen präsentiert sowie der politikwissenschaftliche Gegenstandsbereich der
regionalen Integration in den Kontext des Welthandelsrechts und dessen Institutionalisierung in
Form der WTO eingeordnet.
In Kapitel IV folgt dann ­ nach einer kurzen Präsentation von Elementen des Ansatzes des ak-
teurzentrierten Ansatzes ­ die Analyse der unterschiedlichen Ebenen, in denen die (in der Au-
ßenhandelspolitik) weitgehend supranational organisierte EU und die weitgehend intergouver-
nemental organisierte NAFTA in Beziehung treten; aus der Konstituierung der NAFTA als Frei-
handelszone und des damit verbundenen asymmetrischen Verhältnisses zwischen EU und
NAFTA resultiert zwangsläufig, dass auch und im besonderen Maße die Beziehungen der EU zu
den einzelstaatlichen Akteuren U.S.A., Kanada und Mexiko als Vertragsparteien des NAFTA
untersucht werden müssen.
In einem ersten Schritt werden die EU und NAFTA einander gegenübergestellt und deren
Beziehungen anhand der institutionellen Akteure beider Seiten erforscht. Dieser erste
Analyseschritt auf der Ebene der interregionalen Beziehungen erfolgt hauptsächlich mit
Hilfe von offiziellen Dokumenten, wobei der Schwerpunkt aufgrund des ungleich höhe-
ren Institutionalisierungsgrades und des leichteren Zugangs zu Informationsquellen auf
den Handlungsfähigkeiten und -orientierungen der EU-Institutionen liegt.
Im zweiten Schritt werden die Beziehungen zwischen der EU und den einzelstaatlichen
Akteuren U.S.A., Kanada und Mexiko untersucht, somit bewegt sich die Analyse hier auf
der Ebene der bilateralen Beziehungen. Von besonderer Bedeutung sind hier das transat-
lantische Verhältnis zu den U.S.A. im Spannungsfeld von (handels-)politischer Koopera-
tion und Konfrontation sowie die Beziehungen zum lateinamerikanischen Staat Mexiko.
Anschließend liegt der Fokus im dritten Schritt auf der Prüfung der EU-NAFTA-
Beziehungen innerhalb der WTO, also der Ebene der multilateralen Beziehungen. Um
dies zu bewerkstelligen, werden die transatlantischen Handelskonflikte betrachtet und auf
deren Akteurkonstellationen und Interaktionsformen hin überprüft.
Kapitel V dient der Systematisierung der bis dahin gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen der
Analyse der EU-NAFTA-Beziehungen und der europäischen NAFTA-Politik und befasst sich
mit der Beschreibung und Erklärung von Vergangenheit und Gegenwart der transatlantischen
Handelsbeziehungen in Form eines Fazits. Neben einem Phasenmodell der europäischen
NAFTA-Politik, der Beantwortung der Frage nach der Fähigkeit der NAFTA zum komplexen
Akteur und zur internationalen Organisation und einer Charakterisierung der EU-NAFTA-
Beziehungen wird die Darstellung der strategischen Bedeutung Lateinamerikas dargeboten.

19
Abschließend nehmen sich die Schlussbemerkungen einer Prognose der interregionalen Bezie-
hungen zwischen EU und NAFTA an und stellen die Frage: Welche Strategien und Optionen
sind je nach Handlungsorientierungen, Wahrnehmungen und Präferenzen der Akteure für die
Gestaltung der interregionalen Politiken und Beziehungen zwischen EU und NAFTA denkbar
und vor allem machbar?

20
II
D
IE
EU
ALS HANDELSPOLITISCHER
A
KTEUR UND DIE
NAFTA
ALS
NEUES
I
NSTRUMENT REGIONALER
W
IRTSCHAFTSKOOPERATION
Der zweite Teil der Überschrift dieses Kapitel ist von Edgar Göll geliehen, der 1994 in einem
Aufsatz anlässlich des Inkrafttretens des NAFTA die handelspolitischen Interessen der U.S.A.,
die Motive Mexikos und die Rolle Kanadas im Verhandlungsprozess sowie die regionalen und
globalen Auswirkungen des NAFTA untersuchte.
37
Er betonte den instrumentellen Charakter des
NAFTA ­ ähnlich wie auch Sárah Martínez Pellégrini
38
­, insbesondere für die U.S.A., aber
auch für Mexiko, und den Modellcharakter, den das NAFTA für zukünftige Freihandelsabkom-
men haben werde. Hierfür nannte er drei Gründe:
Es wurden Regelungen für umfassende Handelsbeziehungen zwischen Staaten sehr un-
terschiedlichen Entwicklungsstandes geschaffen;
Erstmals erhielten umwelt- und arbeitsrechtliche Aspekte einen Platz in einem Freihan-
delsabkommen;
Eine breite und kontrovers geführte öffentliche Debatte in den Teilnehmerländern hat ei-
nen (relativ) demokratischen Entscheidungsprozess hin zur Unterzeichnung des NAFTA
eingeleitet.
Der Fokus dieses Kapitels liegt in erster Linie auf einer kurzen Darstellung der verhältnismäßig
jungen und ­ zumindest im europäischen Raum ­ unbekannten NAFTA sowie der Gemeinsamen
Handelspolitik der EU. Ein Vergleich der NAFTA mit der EU in ausgewählten Bereichen ist für
den weiteren Fortgang der Arbeit hilfreich, ein allumfassender Vergleich zwischen EU und
NAFTA
39
und die damit verbundene tief greifende Analyse der EU
40
können und sollen im
Rahmen dieser Arbeit aufgrund der überwältigenden Masse an Inhalten und der Fülle an Litera-
tur nicht geleistet werden ­ dies würde bedeuten, ein Fass ohne Boden zu öffnen und den Fokus
37
Siehe Göll, Edgar: NAFTA als neues Instrument regionaler Wirtschaftskooperation, in: Europa-Archiv, 2/1994, S.
43-52.
38
,,NAFTA created a few common organizations but it cannot be said that any institutional framework was designed
to implement policies. The main reason is that the pursued objective is to increase free trade and not to establish
further common policy-making tools"; Pellégrini, Sárah Martínez: Regional Policies in the North American and
European Integration Agreements, in: Anyul, Martín Puchet/Punzo, Lionello F. (Hrsg.): Mexiko Beyond NAFTA.
Perspectives for the European Debate, London et al. 2001, S. 246.
39
Siehe Kaiser, Robert: Regionale Integration in Europa und Nordamerika. Vergleich von Europäischer Gemein-
schaft (EG) und Nordamerikanischer Freihandelszone (NAFTA) unter besonderer Berücksichtigung bundesstaatli-
cher Organisationsreformen in Deutschland und den U.S.A., Baden-Baden 1998.
40
Siehe z.B. Thiel, Elke: Die Europäische Union, 5. völlig neu gestaltete Auflage, München 1997, Weidenfeld,
Werner (Hrsg.): Europa-Handbuch (Band 1). Die Europäische Union. Politisches System und Politikbereiche, 3.
aktualisierte und erweiterte Auflage, Gütersloh 2004, Weidenfeld, Werner (Hrsg.): Europa-Handbuch (Band 2). Die
Staatenwelt Europas, 3. aktualisierte und erweiterte Auflage, Gütersloh 2004. und Weidenfeld, Werner/Wessels,
Wolfgang (Hrsg.): Jahrbuch der Europäischen Integration 2003/2004, Baden-Baden 2004.

21
auf das eigentliche Thema, die NAFTA-Politik der EU und die EU-NAFTA-Beziehungen, zu
verlieren.
Wendet man sich dem Vergleich zweier internationaler Integrationsprojekte wie EU und
NAFTA zu, wenn auch nur hinsichtlich einzelner zentraler Aspekte, so scheint dies auf den ers-
ten Blick ein ,,gewagtes Unternehmen"
41
zu sein. Ideen, Interessen und Institutionen von EU und
NAFTA unterscheiden sich teilweise ganz erheblich voneinander, so dass ein Vergleich der bei-
den Integrationsräume auf den ersten Blick äußerst schwierig und wenig aufschlussreich er-
scheint. Es stellt sich die Frage: Sind zwei so unterschiedlich konstituierte Regionalbündnisse
wie EU und NAFTA überhaupt vergleichbar? Stephan Clarkson argumentiert, ,,that there are
enough commonalities between the two continental systems for the comparison of their differ-
ences to be analytically and intellectually fruitful" ­ es handelt sich also bei EU und NAFTA
nicht um ,,,apples and oranges'"
42
bzw. Äpfel und Birnen.
1
Integrationskonzepte von EU und NAFTA im Vergleich
Integrationskonzepte unterscheiden sich hinsichtlich der zugrunde liegenden Zielsetzungen, der
Intensität der Zusammenarbeit, der Verteilung von Abhängigkeiten, dem Kosten-Nutzen-
Verhältnis zwischen den Einheiten und dem Grad der Homogenität bzw. Heterogenität dieser.
43
Generell geben die Ziele einer internationalen Institution die Ordnungsprobleme an, die sie bear-
beiten bzw. lösen wollen. Die wirtschaftliche und politische Dimension der beiden Integrations-
räume EU und NAFTA sind unterschiedlich ausgeprägt und folgen teilweise abweichenden
Konzeptionen; dadurch variieren natürlich auch die Zielsetzungen in erheblichem Maße. Unter-
schieden werden muss zwischen der NAFTA, die ein mehr oder weniger klar umrissenes Prob-
lem lösen will, nämlich vereinfacht gesagt den Freihandel unter ihren Mitgliedsstaaten, und der
EU, die sich die Lösung mehrerer, häufig zusammenhängender Probleme zum Ziel gesetzt hat
und neben der wirtschaftlichen eine sichtbare politische Komponente hat.
Ähnliche Ziele wie in der EU sollen auch in der NAFTA erreicht werden. Die wesentlichen In-
tegrationsziele werden dabei schon in der Präambel der NAFTA festgelegt, spezifiziert werden
sie in Art. 102 Abs. 1 NAFTA. Neben den Prinzipien der Inländerbehandlung, der Meistbegüns-
tigung und Transparenz sind dies:
41
Kaiser, Regionale Integration in Europa und Nordamerika, 1999, S. 2.
42
Clarkson, Stephen: Apples and Oranges. Prospects for the Comparative Analysis of the EU and NAFTA as Conti-
nental Systems, EUI Working Papers, RSC No. 2000/23, S. 1.
43
Vgl. Behrens, Henning/Noack, Paul: Theorien der Internationalen Politik, München 1984, S. 137.

22
,,a) eliminate barriers to trade in, and facilitate the cross-border movement of, goods and services between
the territories of the Parties;
b) promote conditions of fair competition in the free trade area;
c) increase substantially investment opportunities in the territories of the Parties;
d) provide adequate and effective protection and enforcement of intellectual property rights in each
Party´s territory;
e) create effective procedures for the implementation and application of this Agreement, for its joint ad-
ministration and for the resolution of disputes; and
f) establish a framework for further trilateral, regional and multilateral cooperation to expand and enhance
the benefits of this Agreement."
Robert Kaiser zog im Jahre 1999 in einem Vortrag Bilanz der ökonomischen und politischen
Integration im Rahmen der EU und der NAFTA und verglich beide Projekte.
44
Schon ein Jahr
zuvor hat er seinen Vergleich in umfassender und detaillierter Form in einer Monographie prä-
sentiert.
45
Er stellt fest, dass sich mit EU und NAFTA ,,zwei Prototypen regionaler Integration
gegenüberstehen, die eine unterschiedliche Integrationsmethodik besitzen, aber in Teilbereichen
zu ähnlichen Ergebnissen kommen"
46
. Die zentralen Aspekte seines Vergleichs der Methode, der
Ziele und der Ergebnisse der jeweiligen Integrationsbestrebungen werden im Folgenden kurz
skizziert und durch die Erkenntnisse anderer Autoren sowie Entwicklungen seit 1999 ergänzt;
der Vergleich des institutionellen Systems von EU und NAFTA wird dabei zunächst weitgehend
ausgeklammert und anschließend gesondert unter Punkt 2 dieses Kapitels angesprochen.
1.1
Ökonomische Integration
Mit der Errichtung einer Zollunion (1968), eines Binnenmarktes (1993) und einer Wirt-
schafts- und Währungsunion (2002) ist eine hoch integrierte internationale Organisation
in Europa entstanden. Neben der negativen Integration findet ferner eine positive Integra-
tion in einer Reihe von flankierenden Binnenmarktbereichen statt wie etwa der Sozial-,
Umwelt- oder Regionalpolitik. Die ökonomische Integration Nordamerikas vollzieht sich
auf der Basis eines Freihandelsvertrages sowie zwei begleitender Nebenabkommen für
arbeitsrechtliche (NAALC) und umweltpolitische Bestimmungen (NAAEC). Zentrales
Anliegen ist der Abbau von tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnissen für Waren,
Dienstleistungen und Kapital zwischen den Mitgliedsstaaten ­ einige Experten charakte-
risieren das NAFTA sogar eher als Investitions- denn als Handelsabkommen.
47
Als Frei-
44
Vgl. Kaiser, Robert: Von der regionalen zur kontinentalen Integration. EG und NAFTA im Vergleich, Beitrag zur
Vortragsreihe ,,Zukunft der europäischen Integration" des Studiengangs Politikwissenschaft an der Universität Bre-
men, 27.1.1999, S. 5 ff.
45
Kaiser, Regionale Integration in Europa und Nordamerika, 1998.
46
Kaiser, Von der regionalen zur kontinentalen Integration, 1999, S. 7.
47
Vgl. Göll, NAFTA als neues Instrument regionaler Wirtschaftskooperation, 1994, S. 43.

23
handelszone hat die NAFTA im Gegensatz zur EU keine gemeinsame Außenhandelspoli-
tik, auch wenn schwache Ansätze dafür erkennbar sind (z.B. Zusammenarbeit bei Anti-
Dumping-Maßnahmen gegenüber Drittstaaten). Ebenso kann die NAFTA im Gegensatz
zur EU nicht auf wirtschafts- und währungspolitische Kooperationsinstrumente zurück-
greifen. Die drei Mitgliedsländer vereinbarten eine Implementierungsphase von 15 Jah-
ren, so dass die NAFTA ihre volle Wirksamkeit nicht vor dem 1. Januar 2009 entfalten
wird.
Grundsätzlich finden in der NAFTA alle vier Freiheiten des Europäischen Binnenmarktes
ebenfalls Anwendung. Die größten Unterschiede herrschen u.a. bezüglich der Freizügig-
keit von Personen, bei der die NAFTA-Bestimmungen weit restriktiver sind als innerhalb
der EU. Hintergrund ist der Kampf der U.S.A. gegen illegale Immigration aus den mexi-
kanischen-amerikanischen Grenzgebieten
48
sowie gegen den weltweiten Terrorismus.
Abgesehen von einigen Ausnahmen erreicht die NAFTA im Dienstleistungs- und Kapi-
talverkehr annähernd den Liberalisierungsgrad der EU. Anders sieht es im Warenverkehr
aus: Entgegen des europäischen Beispiels bestehen Grenzkontrolle, weil aufgrund des
Defizits eines gemeinsamen Zollregimes importierte Sachgüter nach Ursprungslandbe-
stimmungen auf ihre Zollfreiheit im nordamerikanischen Markt überprüft werden müssen.
Formell findet in der NAFTA keine Einschränkung nationalen Kartell- und Wettbewerbs-
rechts statt, mit der Ausnahme der schon erwähnten Dumping-Kontrolle werden keine
Exekutivrechte an die supranationale Ebene abgetreten.
In der Agrarpolitik, eines der kontroversen Themen der vergangenen multilateralen Han-
delsrunden und der Nord-Süd-Beziehungen generell, wird die NAFTA die völlige Frei-
gabe des Handels innerhalb Nordamerikas voraussichtlich erst 2009 umsetzen.
Im Bereich der Umweltpolitik ist die NAFTA relativ weit fortgeschritten, eine Tatsache,
die durch das NAAEC als Nebenabkommen des NAFTA zum Ausdruck kommt. Die drei
Partnerländer einigten sich auf die Schaffung einer transnationalen Kommission zur Ü-
berwachung von Umweltschutzbestimmungen. 1993 urteilten Ghaussy/Frontzkowski:
,,Die Verbindung zwischen Handel und Umwelt rückt auch international zunehmend in den Mit-
telpunkt der Verhandlungen. Insofern könnte die Einbindung des Umweltschutzes in das
NAFTA-Abkommen auch eine weltweite Signalwirkung haben."
49
Ein vergleichbares Vorgehen findet in der Sozialpolitik statt. Es existiert kein grundsätz-
licher Unterschied zur Vorgehensweise der EU-Sozialpolitik und deren arbeitsrechtlichen
Bestimmungen, die auch auf eine Festschreibung von Mindeststandards und die Koordi-
48
Siehe hierzu OECD: Migration, Free Trade and Regional Integration in North America, Paris 1998.
49
Ghaussy, A. Ghanie/Frontzkowski, Katja: Das Nordamerikanische Freihandelsabkommen. Entstehung, Probleme
und Perspektiven, Hamburg 1993, S. 26.

24
nierung durch die Mitgliedsstaaten beschränkt bleibt. Der Vergleich der europäischen
und nordamerikanischen Aktivitäten im Bereich der Sozialpolitik und der labour stan-
dard-setting capacity bringt aber auch zu Tage, dass die EU-Politik in diesen Bereichen
insgesamt stärker ausgeprägt ist, wobei das NAALC durchaus auch für andere Regional-
abkommen interessante Elemente beinhaltet.
50
Hinsichtlich der flankierenden Bereiche des Binnenmarktes lässt sich feststellen, dass die
EU abgesehen von den eben genannten umwelt- und sozialpolitischen Feldern ein höhe-
res Integrationsniveau erreicht. Ein adäquates Gegenstück zur europäischen Regionalpo-
litik findet sich in der NAFTA nicht, ein wirkliches Pendant zu den europäischen Struk-
turfonds ist im nordamerikanischen Raum nicht vorhanden, auch wenn Ansätze zumin-
dest in bilateraler Form zwischen der U.S.A. und Mexiko anzutreffen sind.
51
1.2
Politische Integration
Abschließend zur Betrachtung und dem Vergleich der Integrationskonzepte von EU und NAFTA
muss noch geklärt werden, ob es neben einer ökonomischen, sozialen, ökologischen auch eine
politische Dimension im engen Sinne im NAFTA gibt. Die erste Dimension ist a priori durch die
Definition des NAFTA als Freihandelsabkommen gegeben, die zweite und dritte Dimension ist,
wenn auch mit Einschränkungen, durch die zwei Nebenabkommen NAALC und NAAEC abge-
deckt. Ähnlich wie Weidenfeld/Turek (,,Wenngleich die NAFTA keine politische Integration im
Sinne eines supranationalen Zusammenschlusses anstrebt, so sind die erwarteten Effekte der
Freihandelszone auch politischer Art."
52
) argumentiert auch Robert Kaiser, der schreibt:
,,Im Rahmen der NAFTA wird man [...] eine mitgliedstaatliche Koordinierung in Bezug auf innen- und
außenpolitische Aktivitäten vergeblich suchen. Zu überprüfen ist aber, ob eine politische Integration
durch den Freihandelsvertrag motiviert wird, aber außerhalb seiner Institutionen stattfindet."
53
Wie fällt die Antwort auf die Frage nach spillover effects der wirtschaftlichen Kooperation auf
eine politisch orientierte Kooperation der NAFTA-Staaten aus?
Robert Kaiser verneint die Frage im Hinblick auf die amerikanisch-kanadischen Beziehungen,
bejaht sie aber klar in Bezug auf die bilateralen Beziehungen der U.S.A. zu Mexiko. Das Urteil
bezüglich Mexiko wird von Ghaussy/Frontzkowski in ihrer sehr zeitnahen Analyse der NAFTA-
50
Siehe Teague, Paul: Standard-Setting for Labour in Regional Trading Blocs. A Comparison of the EU and
NAFTA, in: Journal of Public Policy, 3/2002, S. 325-348.
51
Siehe für Maßnahmen zur Schaffung größerer Kohäsion zwischen den NAFTA-Partnern in der amerikanisch-
mexikanischen Grenzregion im Rahmen der BECC und der NADBank Pethke, Ralph: Die Nordamerikanische Frei-
handelszone im Vergleich mit dem Europäischen Wirtschaftsraum. Integrationsrecht, Präferenzrecht, Institutionen,
Streitbeilegung, Ursprungsregeln, Ausblick, Heidelberg 2004, S. 361 ff.
52
Weidenfeld/Turek, Standort Europa, 1995, S. 26.
53
Kaiser, Von der regionalen zur kontinentalen Integration, 1999, S. 8.

25
Gründung gestützt, in der sie 1993 die These aufstellten: ,,Die NAFTA entstand in erster Linie
auf Initiative von Präsident Carlos Salinas de Gortari, der mit der NAFTA die Verbindung zent-
raler ökonomischer mit politischer Zielen anstrebte."
54
Aber auch die U.S.A. hatte im amerika-
nisch-mexikanischen Kontext politische Intentionen bei der Unterzeichnung des NAFTA. Ähn-
lich argumentiert auch Elke Thiel.
55
Joachim Lange nennt bezüglich der Interessenlage der U.S.-
Regierung neben dem allgemeinen Aspekt der wirtschaftlichen und politischen Stabilität Mexi-
kos ­ nur ein Jahr nach der NAFTA-Gründung befand sich Mexiko in einer Währungskrise (Pe-
so-Krise) ­ explizit drei Themenbereiche: mexikanische Erdölreserven, illegale Migrationsströ-
me und internationaler Drogenhandel.
56
Edgar Göll argumentiert: ,,Insgesamt wird NAFTA als
eine Art ,Versicherungspolitik' gegen eine Rücknahme der markt- und privatwirtschaftlichen
Reformen und der Öffnungspolitik Mexikos angesehen."
57
Vor diesem Hintergrund merken Au-
toren wie Jörg Dunker kritisch an, dass hauptsächlich den U.S.A. mit der Schaffung weniger am
Ziel der wirtschaftlichen Integration als vielmehr an der Durchsetzung von nationalen Interessen
gelegen ist.
58
Obwohl sich Kanada, dessen Rolle sich treffend mit der des ,,zurückhaltende[n] Dritte[n] im
Bunde"
59
umschreiben lässt, an den Verhandlungen über das NAFTA beteiligte und es ein trila-
terales Abkommen zwischen den U.S.A., Kanada und Mexiko darstellt, so steht es dennoch au-
ßer Frage, dass der Vertrag auch ohne die Beteiligung Kanadas zu Stande gekommen wäre, dann
nur zwischen den U.S.A. und Mexiko. Kanada entschloss sich für die Teilnahme am NAFTA,
um nicht ausgegrenzt zu werden, nicht aber weil es genuine politische und wirtschaftliche Inte-
ressen an eine Erweiterung des CUSFTA um Mexiko hatte.
60
,,Canada´s participation in the
process of constructing NAFTA was marginal and its preference for NAFTA was to a large ex-
tent defensive in nature."
61
Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass auch keine spillover
effects im Kontext der kanadischen Politik zu seinen NAFTA-Partnern erkennbar sind.
54
Ghaussy/Frontzkowski, Das Nordamerikanische Freihandelsabkommen, 1993, S. 1.
55
Vgl. Thiel, Die EU und die NAFTA, 1997, S. 60.
56
Vgl. Lange, Joachim: Die Politische Ökonomie des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA. Erwar-
tete wirtschaftliche Auswirkungen, Interessengruppen und der handelspolitische Entscheidungsprozess, Frankfurt a.
M. 1998, S. 195 ff.
57
Göll, NAFTA als neues Instrument regionaler Wirtschaftskooperation, 1994, S. 44.
58
Vgl. Dunker, Jörg: Regionale Integration im System des liberalisierten Welthandels. EG und NAFTA im Ver-
gleich, Frankfurt a. M. 2002, S. 344.
59
Göll, NAFTA als neues Instrument regionaler Wirtschaftskooperation, 1994, S. 45.
60
Siehe Lange, Die Politische Ökonomie des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA, 1998, S. 3 und
325 ff.
61
Schirm, Stefan A.: Globalization and the New Regionalism. Global Markets, Domestic Politics and Regional
Cooperation, Cambridge 2002, S. 141.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783832489106
ISBN (Paperback)
9783838689104
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München – Sozialwissenschaften, Geschwister-Scholl-Institut für politische Wissenschaften
Note
2,2
Schlagworte
gemeinsame handelspolitik europäische integration regionalismus akteurzentrierter institutionalismus mexiko
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Titel: Transatlantischer Interregionalismus?
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