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Vorweggenommene Erbfolge im Privatvermögen unter besonderer Berücksichtigung wiederkehrender Leistungen

©2005 Diplomarbeit 132 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die vorweggenommene Erbfolge ist keine Erfindung unserer Zeit. Die Intention, den Nachlass bereits zu Lebzeiten definitiv zu ordnen, bestand zu allen Zeiten, und ebenso der Wunsch, zumindest die wirtschaftlichen Folgen ihrer Verwirklichung erst nach dem Tod des Übertragenden in vollem Umfang eintreten zu lassen. „Übergabeverträge“ waren im 19. Jahrhundert im landwirtschaftlichen Bereich verbreitet und hatten dort eine klare Zielsetzung: Die Bewirtschaftung eines Bauerhofs auch in der nächsten Generation zu sichern.
Zwar stellte sich angesichts zweier Weltkriege, Vertreibung, Weltwirtschaftskrise und Inflation die Frage nach der Sicherung von Vermögenswerten für frühere Generationen naturgemäß nur vereinzelt. In den vergangenen Jahren ist die Bedeutung der Vermögensnachfolge jedoch stark gewachsen. Ursächlich hierfür sind der zunehmende Wohlstand und der anstehende Generationswechsel der Gründergeneration.
Schätzungen zufolge werden bis zum Jahr 2010 in Deutschland rund 2 Billion Euro an Geld-, Immobilien- und Sachwerten vererbt werden. Über 1 Million Häuser werden dadurch ihre Eigentümer wechseln. Der Schwerpunkt der Gestaltung einer Vermögensnachfolge von Todes wegen liegt auf dem Gebiet des Erbrechts. Zunehmend wird Vermögen allerdings nicht nur vererbt, sondern es wird schon durch lebzeitige Rechtsgeschäfte übertragen.
Weitere Ursachen für die stark ansteigende Zahl der Vermögensübertragungen ist die zunehmende Alterserwartung der Menschen und das Bedürfnis, auch im hohen Alter durch Versorgungsleistungen – z.B. in der Form familiärer Pflegeleistungen – abgesichert zu sein. Die Erfahrung wiederholter Leistungskürzungen im staatlichen Gesundheitssystem bei gleichzeitig steigenden Gesundheitsausgaben und der Ungewissheit der weiteren Entwicklung verstärken die Besorgnis vieler Menschen.
Die vorliegende Arbeit nimmt daher die Novellierung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von wiederkehrenden Leistungen im Zusammenhang mit der Übertragung von Privatvermögen zum Anlass, einen aktuellen Einblick in die Regeln der vorweggenommenen Erbfolge zu geben.
Da Vermögensübertragungen im privaten Bereich diejenigen von Betriebsvermögen zumindest quantitativ deutlich übersteigen, beschränken sich die nachfolgenden Ausführungen auf Vermögensübertragungen im Privatvermögen. Dessen ungeachtet gelten die darzulegenden Grundsätze auch bei der Übertragung von Betriebsvermögen, wobei zahlreiche Besonderheiten bedingt durch die […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8886
Woeber, Rolf: Vorweggenommene Erbfolge im Privatvermögen unter besonderer
Berücksichtigung wiederkehrender Leistungen
Hamburg: Diplomica GmbH, 2005
Zugl.: FH Nordhessen, Standort Kassel, Diplomarbeit, 2005
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2005
Printed in Germany

Rolf Woeber
Schleiermacherstraße 13 ­ 95447 Bayreuth
E-mail: inforocket@web.de
Lebenslauf
geboren am:
21. Juni 1975
in: Aschaffenburg
Schule:
09/86 ­ 06/96
Friedrich Dessauer Gymnasium Aschaffenburg, Abitur
Studium:
11/96 ­ 06/03
08/03 ­ 06/05
Studium der Rechtswissenschaften mit
wirtschaftswissenschaftlicher Zusatzausbildung an der
Universität Bayreuth
Studium im Fach Wirtschaftsrecht an der Fachhochschule
Nordhessen zum Diplom Wirtschaftsjurist (FH), Note 1,3
Schwerpunkt: Kanzleimanagement; Teilnahme an den
Schwerpunktveranstaltungen Steuern & Revision
Praktika:
07/95 ­ 08/95
Auslandspraktikum Takata/Petri AG, Detroit USA, Reporting
08/ 01
RA Kanzlei Huth & Kollegen, Erstellung von Rechtsgutachten
03/ 00 und 03/ 01
01/ 04 ­ 04/ 04
08/ 04 ­ 09/ 04
Landgericht Aschaffenburg, richterlich begleitete
Prozessbeobachtung
Insolvenzverwalter Wegener & Köke, Göttingen
Massegutachten in Regel- und
Verbraucherinsolvenzverfahren
Steuerbüro Nolte & Menz, Göttingen, Erstellung kleinerer
Jahresabschlüsse
studienbegleitend
Nebentätigkeit als selbständiger Hausverwalter (WEG)
· Verwaltung von privatem Wohnungseigentum
· Neuvermietungen, Überwachung des Zahlungsverkehrs, Erstellung
von betriebswirtschaftlichen Auswertungen, Abrechnungen und
Jahresabrechnungen
Weitere Kenntnisse & Fähigkeiten:
Computer: Hervorragende
Kenntnisse des Microsoft Office Pakets,
Praktische Tätigkeit mit Datev Programmen
Sprachen:
Englisch (Gut - Sprachaufenthalte in GB, USA und Südafrika)
Französisch
(Grundkenntnisse)
Führerscheine:
Klasse 1 und 3
Bayreuth, Juli 2005

Inhaltsverzeichnis
1
Bedeutung lebzeitiger Vermögensübertragungen und Einführung in die Problematik... 1
1.1
Einordnung und Begriffsbestimmung ...3
1.1.1
Zivilrechtlicher Begriff ...3
1.1.2
Steuerrechtlicher Begriff...4
1.2
Gestaltungskriterien ...4
1.2.1
Motive der Bedachten...4
1.2.2
Motive des Übergebers ...5
1.2.3
Steuerrechtliche Beweggründe ...7
2
Rechtliche Grundlagen der vorweggenommenen Erbfolge ... 8
2.1
Zivilrechtliche Regelungen der Vermögensnachfolge ...9
2.1.1
Der Übergabevertrag als Gestaltungsmittel der vorweggenommenen Erbfolge...9
2.1.2
Arten der Zuwendung ...10
2.1.3
Die Frage nach der Bedeutung der Einteilung und Systematisierung nach Vertragstypen ...16
2.2
Steuerrechtliche Regelungen der Vermögensnachfolge ...17
2.2.1
Schenkungsteuer ...18
2.2.2
Einkommensteuer ...32
3
Einzelne Gestaltungen der vorweggenommenen Erbfolge ... 40
3.1
Wohnungsrecht...40
3.1.1
Voraussetzungen ...41
3.1.2
Rechte und Pflichten...42
3.2
Wart und Pflege...43
3.2.1
Zweck der Verpflichtung...43
3.2.2
Umfang der Verpflichtung...44
3.2.3
Auswirkungen auf Kreditfähigkeit ...45
3.3
Leibgeding (Leibzucht, Auszug, Altenteil)...45
3.3.1
Begründung und Inhalt des Leibgedingsvertrages...46
3.3.2
Beschränkung der Zwangsvollstreckung ...46
3.3.3
Steuerrecht...47
3.4
Nießbrauch...47
3.4.1
Definition des Nießbrauchs ...48
3.4.2
Die Entstehung des Nießbrauchsrechts ...48
3.4.3
Inhalt und Ausgestaltungsmöglichkeiten des Nießbrauchs ...48
3.4.4
Schenkungsteuerliche Behandlung des Nießbrauchs...52
3.4.5
Einkommensteuerliche Behandlung des Nießbrauchs...53
3.5
Vermögensübertragung gegen wiederkehrende Leistungen (Versorgungsleistungen)...56
3.5.1
Abgrenzung zwischen Rente und dauernder Last...56
3.5.2
Leistungen im Austausch mit einer Gegenleistung ­ entgeltliches Geschäft...57
3.5.3
Versorgungsleistungen ­ unentgeltliches Geschäft ...57
3.5.4
Unterhaltsleistungen - § 12 Nr. 2 EStG...59
3.5.5
Entwicklung der Rechtsprechung der einzelnen Senate des BFH...59
3.5.6
Die Rentenerlässe I. + II. des BMF ...61
3.5.7
Kernaussagen der Beschlüsse des Großen Senats vom 12.05.2003 ...63

3.5.8
Der Rentenerlass III des BMF ...65
3.6
,,Leistungsstörungen" im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge...69
4
Stellungnahme und Ausblick ... 69
Anhang:...I
Prüfschema bei Vermögensübergabe gegen wiederkehrende Leistungen ­ Detailsystematik II
Gesamtzusammenfassung: Übertragung von Privatvermögen...III
Mustervertrag: ... IV
Abbildungsverzeichnis... VI
Abkürzungsverzeichnis...VII
Verzeichnis der verwendeten Gesetze...X
BMF-Schreiben ...XII
Änderungen/Klarstellungen durch den 3. Rentenerlass...XIII
Literaturverzeichnis ... XVI

1
1
Bedeutung lebzeitiger Vermögensübertragungen und Einführung in die
Problematik
Die vorweggenommene Erbfolge ist keine Erfindung unserer Zeit. Die Intention, den Nachlass
bereits zu Lebzeiten definitiv zu ordnen, bestand zu allen Zeiten, und ebenso der Wunsch, zu-
mindest die wirtschaftlichen Folgen ihrer Verwirklichung erst nach dem Tod des Übertragenden
in vollem Umfang eintreten zu lassen. ,,Übergabeverträge" waren im 19. Jahrhundert im land-
wirtschaftlichen Bereich verbreitet und hatten dort eine klare Zielsetzung: Die Bewirtschaftung
eines Bauerhofs auch in der nächsten Generation zu sichern.
1
Zwar stellte sich angesichts zweier Weltkriege, Vertreibung, Weltwirtschaftskrise und Inflation
die Frage nach der Sicherung von Vermögenswerten für frühere Generationen naturgemäß nur
vereinzelt. In den vergangenen Jahren ist die Bedeutung der Vermögensnachfolge jedoch stark
gewachsen. Ursächlich hierfür sind der zunehmende Wohlstand und der anstehende Generati-
onswechsel der Gründergeneration.
Schätzungen zufolge werden bis zum Jahr 2010 in Deutschland rund 2 Billion Euro an Geld-,
Immobilien- und Sachwerten vererbt werden.
2
Über 1 Million Häuser werden dadurch ihre Ei-
gentümer wechseln. Der Schwerpunkt der Gestaltung einer Vermögensnachfolge von Todes
wegen liegt auf dem Gebiet des Erbrechts. Zunehmend wird Vermögen allerdings nicht nur
vererbt, sondern es wird schon durch lebzeitige Rechtsgeschäfte übertragen.
Weitere Ursachen für die stark ansteigende Zahl der Vermögensübertragungen ist die zuneh-
mende Alterserwartung der Menschen und das Bedürfnis, auch im hohen Alter durch Versor-
gungsleistungen ­ z.B. in der Form familiärer Pflegeleistungen ­ abgesichert zu sein. Die Erfah-
rung wiederholter Leistungskürzungen im staatlichen Gesundheitssystem bei gleichzeitig stei-
genden Gesundheitsausgaben und der Ungewissheit der weiteren Entwicklung verstärken die
Besorgnis vieler Menschen.
1
Das öffentliche Interesse an der Erhaltung lebensfähiger landwirtschaftlicher Betriebe wurde bereits im BGB in der Fassung von 1896 zum
Ausdruck gebracht: Ein Verkürzung von Pflichtteilsansprüchen war erlaubt, wenn der Nachlass zu einem ,,Landgut" gehört, § 2312 III BGB.
2
Vgl. Focus 2003, Seite 184.

2
Die vorliegende Arbeit nimmt daher die Novellierung
3
der einkommensteuerrechtlichen Be-
handlung von wiederkehrenden Leistungen im Zusammenhang mit der Übertragung von Pri-
vatvermögen zum Anlass, einen aktuellen Einblick in die Regeln der vorweggenommenen Erb-
folge zu geben.
Da Vermögensübertragungen im privaten Bereich diejenigen von Betriebsvermögen zumindest
quantitativ deutlich übersteigen, beschränken sich die nachfolgenden Ausführungen auf Ver-
mögensübertragungen im Privatvermögen. Dessen ungeachtet gelten die darzulegenden Grund-
sätze auch bei der Übertragung von Betriebsvermögen, wobei zahlreiche Besonderheiten be-
dingt durch die drohende Aufdeckung stiller Reserven zu berücksichtigen sind.
4
Nach einer Einführung in die Terminologie erfolgt die Untersuchung möglicher Motive, die zu
lebzeitigen Vermögensübertragungen führen.
Im Anschluss werden rechtliche Grundlagen der vorweggenommenen Erbfolge dargestellt. Im
Rahmen einer zivilrechtlichen Analyse erfolgt eine Charakterisierung des Übergabevertrages
und möglicher Zuwendungsarten. Hierbei werden zunächst die isolierte Schenkung, gemischte
Schenkung, Schenkung unter Auflage, Ausstattung sowie die Pflicht und Anstandsschenkung
als typische Zuwendungsarten vorgestellt.
In aller Regel knüpfen an die zivilrechtliche Übertragung schenkungsteuerliche und ertragsteu-
erliche Konsequenzen an, die in einer ausführlichen, mit Beispielen und Grafiken illustrierten
Darstellung erläutert werden.
Angesichts der Vielzahl möglicher Übergabeformen werden wichtige Vertragstypen nochmals
gesondert untersucht. Zu diesen gehören insbesondere Nießbrauchsrechte, Wohnungsrechte und
Altenteile. In diesem Kontext erfolgt eine ausführliche Auseinandersetzung der besonders pra-
xisrelevanten Neuregelungen von Vermögensübertragungen gegen wiederkehrende Leistungen
(Renten, Unterhaltsleistungen und dauernden Lasten).
Abschließend erfolgt eine kritische Stellungnahme zu den wiederkehrenden Leistungen, ver-
bunden mit einem Appell an den Gesetzgeber und den Beteiligten von Übergabeverträgen.
3
Vgl. BMF v. 16.9.2004, IV C 3 ­ S 2255 ­ 354/04, BStBl I 2004, 922, DStR 2004, 1696 (abgedruckt im Anhang).
4
Näher dazu Möckel, Erbfolge, S. 24ff.

3
1.1 Einordnung und Begriffsbestimmung
1.1.1 Zivilrechtlicher Begriff
Auch wenn sich im Gesetz keine Legaldefinition des Begriffs der ,,vorweggenommenen Erb-
folge" findet, wird er doch in verschiedenen Rechtsnormen verwendet
5
oder am Rande berührt.
6
Die Rechtsprechung versteht vorweggenommene Erbfolgeregelungen als ,,Verträge, durch die
bei Lebzeiten mit Rücksicht auf die künftige Erbfolge der Erblasser
7
sein Vermögen oder
wesentliche Teile seines Vermögens überträgt."
8
Es handelt sich somit nicht um Verfügungen von Todes wegen, sondern um lebzeitige. Folglich
findet das Schenkungsrecht Anwendung
9
. Vermögensempfänger müssen dabei selbst nicht erb-
oder pflichtteilsberechtigt sein
10
. Auch nicht verwandte Dritte kommen als künftige ­ rechtsge-
schäftlich bestimmte ­ Erben in Betracht.
Der Umfang der Übertragung muss einen ,,im Verhältnis zum Gesamtvermögen des Veräuße-
rers erheblichen Vermögenswert"
11
darstellen. Abzugrenzen ist die Erheblichkeit beispielsweise
von Gelegenheitsgeschenken. In der Praxis hat sich unabhängig vom Gesamtvermögen jedoch
nahezu jeder Gegenstand als taugliches Übertragungsobjekt bewährt. Am Häufigsten werden ­
in dieser Reihenfolge ­ (bebauter) Grundbesitz, Unternehmen, Gesellschaftsanteile und Wert-
papiere übertragen.
Die Beschränkung auf einen begrifflich nicht hinreichend bestimmbaren ,,wesentlichen" Ver-
mögensteil ist gerade bei Großvermögen überholt und zu eng. Entscheidend ist nicht der absolu-
te Wert des übertragenen Vermögens, sondern das aus Parteivereinbarung und Vertragsgestal-
tung ersichtliche Motiv, die Gleichstellung mit den Fällen wirklicher Erbfolge.
12
Der durch die vorweggenommene Erbfolge Bedachte erhält somit schon zu Lebzeiten etwas,
was ihm voraussichtlich sonst erst mit späterem Erbfall zugefallen wäre.
In der Literatur wird der Begriff ,,vorweggenommene Erbfolge" dennoch mit unterschiedlichem
Inhalt verwendet. Meist bezeichnet man damit alle Vermögensübertragungen unter Lebenden,
die in der Erwartung vorgenommen werden, dass der Erwerber im Erbfall das Vermögen ohne-
hin auf Grund Gesetz oder letztwilliger Verfügung erhalten würde und sollte. Die vorwegge-
5
So z.B. § 17 I HöfeO, § 593a BGB.
6
§ 511 BGB [i.d.F. der Bekanntmachung v. 1.1.1980. Geändert durch Gesetz vom 13. 9.2001 (BGBl. I. S. 2376) ­ mit der Schuldrechtsreform
entfallen] ,§§ 1374 II S. 2, 1477 II S. 2, 1478 II Nr. 2 BGB.
7
Im folgenden Text werden bei Personenbezeichnungen wegen der besseren Lesbarkeit grundsätzlich nur die männlichen Personen genannt; sie
werden als Gattungsbegriffe verstanden, die stets auch die entsprechenden weiblichen Personen einschließen.
8
RG, Beschl. v. 09.07.1927, RGZ 118, 20; BGH, Urteil vom 30.01.1991 IV ZR 299/89, DNotZ 1992, S. 32.
9
Vgl. Olzen, vorweggenommene Erbfolge, S. 24ff.
10
Vgl. Schaller, Grundstücksübertragungsverträge, S. 4.
11
Waldner, vorweggenommene Erbfolge, S. 18 Rd. 3
12
Vgl. Schaller, Grundstücksübertragungsverträge, S. 5 unter Bezugnahme auf Urt. v. 23.04.1932, RGZ 136, 149f.

4
nommene Erbfolge eröffnet dabei zivilrechtlich wie steuerrechtlich eine Vielzahl von Gestal-
tungsmöglichkeiten.
1.1.2 Steuerrechtlicher Begriff
Der steuerrechtliche Begriff der vorweggenommenen Erbfolge unterscheidet sich vom zivil-
rechtlichen: Unter vorweggenommer Erbfolge sind ,,Vermögensübertragungen unter Leben-
den mit Rücksicht auf die künftige Erbfolge"
13
zu verstehen.
Der Übernehmer soll nach dem Willen der Beteiligten wenigstens teilweise eine unentgeltliche
Zuwendung erhalten
14
. Der Vermögensübergang tritt nicht kraft Gesetztes, sondern aufgrund
einzelvertraglicher Regelungen ein.
15
Eine Beschränkung auf bestimmte Vermögensteile erfolgt
nicht. Um jedoch in den Genuss steuerrechtlicher Vorteile zu kommen, ist der Kreis möglicher
Empfänger teilweise enger gefasst. Beispielsweise können bei Vermögensübertragungen gegen
Versorgungsleistungen neben gesetzlich Erbberechtigten nur ausnahmsweise und unter be-
stimmten Voraussetzungen ,,nahe stehende Dritte" Empfänger des Vermögens sein.
16
1.2 Gestaltungskriterien
Die Entscheidung zur lebzeitigen Vermögensübergabe
17
hat bei den Beteiligten unterschiedli-
che Motive und Beweggründe. Auch in der Gewichtung ist keine Regel erkennbar. Die Ziele
zwischen Übergeber und Übernehmer reichen von der Deckungsgleichheit bis zu vollkommen
konträren Interessen.
Gerade beim Übergeber spielen steuerliche Aspekte und der Wunsch, ,,Steuern zu sparen"
18
,
oftmals eine überbewertete Rolle. Sie sollten jedoch niemals der einzige Grund zur Regelung
des ,,Tabuthemas Erbfolge"
19
sein. Vielmehr sollten Gestaltungsmöglichkeiten genutzt werden,
um bereits zu Lebzeiten die Interessen möglichst aller Beteiligten zu wahren.
1.2.1 Motive der Bedachten
Die Interessen der Bedachten sind bei vorweggenommener Erbfolge insbesondere darauf ge-
richtet
früher über Vermögensgegenstände verfügen zu können, welche sie sonst eventuell erst
beim Erbfall erhielten.
13
DB 46./1993, BMF-Schreiben vom 13.1.1993, Rn. 1
14
Beschluss des Großen Senats des BFH vom 05.07.1990, BStBl 1990 II S. 847, BMF Schreiben vom 13.01.1993, BStBl I 1993 S. 80ff.
15
BMF - Schreiben vom 13.1.1993, Rn. 1, BStBl I S. 80, ber. BStBl. I S. 464
16
Vgl. BMF v. 16.9.2004, IV C 3 ­ S 2255 ­ 354/04, BStBl I 2004, 922, Tz. 35.
17
Der Begriff ,,Vermögensübergabe" wird im Folgenden nicht als auf ,,unentgeltliche Vermögensübertragungen gegen Versorgungsleistungen"
beschränkt verwendet, sondern ist umfassend im wörtlichen Sinn zu verstehen. Zur Typisierung der ,,Vermögensübergabe" siehe 3.5 S. 56ff.
18
Möckel, Erbfolge, S. 95.
19
Opoczynski/Leske, Erben und Vererben, S. 75.

5
die Existenzgründung und den Existenzaufbau durch eine Starthilfe
20
zu sichern.
sich bei Investitionen in die Übergabeobjekte abzusichern.
eine geeignete Gegenleistung für Pflege und Versorgungsleistungen zu erhalten.
potentielle Liquiditätsengpässe bei Erbfällen zu vermeiden.
So können durch das Zusammentreffen von Verbindlichkeiten aus Erbschaftssteuer und
Pflichtteilsansprüchen bei der Vererbung von Unternehmen erhebliche Belastungen ent-
stehen, die für den Erben bei einer Veräußerung mit überproportionalen Werteinbußen
verbunden sind. Da beide Ansprüche sofort fällig und nur in den Grenzen der
§ 28 ErbStG bzw. § 2331a BGB gestundet werden, sind Probleme gerade bei Vererbung
von Unternehmen vorprogrammiert.
21
eine Verminderung oder Verhinderung von Steuerlasten (siehe Nr. 1.2.3, S. 7) zu erzie-
len.
1.2.2 Motive des Übergebers
Der Entschluss des künftigen Erblassers, die gewillkürte oder gesetzliche Erbfolge vorwegzu-
nehmen und sich schon zu Lebzeiten von dem zugewendeten Vermögensgegenstand zu trennen,
kann bestimmt werden durch das Bestreben,
von den Lasten der Verwaltung und Erhaltung des Übergabeobjekts befreit zu werden.
die Unternehmensnachfolge zu sichern und zu überwachen.
die Nachfolge in den Gegenstand noch selbst zu regeln und nicht eine Zersplitterung
wirtschaftlicher Einheiten wie z.B. Grundbesitz, Unternehmen oder Sammlungen im
Streit der Erben zu riskieren.
weichende Erben nach eigenen Vorstellungen vertraglich abzufinden.
sich eine Altersvorsorge durch vorbehaltene Nutzungsrechte und ausbedungene Versor-
gungsleistungen zu sichern.
eine Verminderung oder Verhinderung von Steuerlasten
22
zu erzielen.
23
20
Matt, Gestaltung der Erbfolge, S. 8.
21
Das Bundeskabinett hat in diesem Zusammenhang am 4. Mai 2005 dem Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Unternehmensnachfolge in
der vom Bundesminister der Finanzen vorgelegten Fassung zugestimmt. Die Generationenfolge in mittelständischen Familienunternehmen soll
danach von der Erbschaft- und Schenkungsteuer entlastet werden, wenn von Todes wegen oder zu Lebzeiten übergehende Unternehmen von den
Nachfolgern fortgeführt werden.
Ziel des Gesetzes ist damit die Erhaltung und Sicherung von Unternehmen als Garanten von Arbeitsplätzen, als Stätte des produktiven
Wachstums und in ihrer gesellschaftlichen Funktion als Ort beruflicher und sozialer Qualifikation.
Durch das Gesetz soll die auf produktiv eingesetztes Vermögen entfallende Erbschaft- und Schenkungsteuer über einen Zeitraum von zehn
Jahren gestundet werden. In diesem Zeitraum wird die Steuerschuld in gleichen Jahresraten unter der Voraussetzung der Betriebsfortführung
abgeschmolzen. Führt der Erwerber den Betrieb über zehn Jahre fort, entfällt die Steuer damit gänzlich. Die vorgeschlagene Regelung dient auch
dazu, familiengeführte Unternehmen von den Unwägbarkeiten eines Mittelentzugs durch die Erbschaft- und Schenkungsteuer zu befreien, denen
große Aktiengesellschaften und Konzerne mit Publikumsbeteiligungen nicht direkt ausgesetzt sind. Sie soll insoweit die Chancengleichheit
mittelständischer Unternehmen gegenüber Großunternehmen verbessern.
22
Waldner, vorweggenommene Erbfolge, S. 33 Rd. 22.
23
Siehe Nr. 1.2.3, S. 7.

6
1.2.2.1 Pflichtteilsminderung
Die vorweggenommene Erbfolge kann auch genutzt werden, um störende Pflichtteilsansprüche
ins Leere laufen zu lassen oder zu minimieren. Hierfür gibt es drei Wege:
Falls zwischen Schenkung und Tod des Übergebers mehr als zehn Jahre verstrichen
sind, kann der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteilsergänzungsanspruch des § 2325 III
BGB nicht mehr geltend machen.
Ferner besteht die Möglichkeit mit dem Übernehmer und Pflichtteilsberechtigten einen
Pflichtteilsverzicht aus Anlass der vorweggenommenen Erbfolge zu vereinbaren
24
.
Selbst wenn angesichts der Lebenserwartung des Übergebers das Erreichen der Frist des
§ 2325 III BGB unwahrscheinlich ist und auch sonst ein freiwilliger Pflichtteilsverzicht
nicht erreicht werden kann, ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch in der Regel ungüns-
tiger als der Pflichtteilsanspruch.
So ist bei der Wertbestimmung für den ordentlichen Pflichtteil der Erbfall der maßgebli-
che Zeitpunkt § 2311 I S. 1 BGB. Im Rahmen von Ausgleichung und Angleichung ist
hingegen auf den Zeitpunkt der Zuwendung abzustellen. Wertsteigerungen bleiben nach
dem sog. ,,Niederstwertprinzip"
25
unberücksichtigt.
Gerade bei Unternehmensanteilen und Sammelobjekten ist zwischen Schenkung und
Erbfall oftmals eine nicht zu verachtende Wertsteigerung zu erwarten, die im Falle der
vorweggenommenen Erbfolge nicht ausgeglichen werden.
Hat derjenige, der Pflichtteilsergänzung verlangt, vom Erblasser seinerseits Zuwendun-
gen erhalten, werden diese nach §§ 2327, 2315 BGB auf den Pflichtteilsergänzungsan-
spruch, nicht aber auf den Pflichtteilsanspruch angerechnet, auch wenn der Erblasser bei
der Zuwendung keine Anrechnungsbestimmung getroffen hat.
26
Darüber hinaus haftet
der Beschenkte durch den Verweis auf § 818 III BGB nur soweit er noch bereichert ist
(§§ 2329, 812ff BGB).
1.2.2.2 Umgehung von Testierverboten
In einigen Fällen, in denen der Übergeber bereits durch den Abschluss eines Erbvertrages ohne
Rücktrittsvorbehalt (§ 2289 BGB) und beim Gemeinschaftlichen Testament nach dem Tod des
Erstversterbenden (§ 2271 II BGB) gebunden ist, können vorweggenommene Erbfolgeregelun-
gen eine Lösung darstellen. Entscheidend ist, dass der Übergeber nicht an Rechtsgeschäften
24
Auf den Pflichtteil kann durch notariell zu beurkundenden Vertrag verzichtet werden, §§ 2346 II, 2348.
25
Mayer, ZEV Report, S. 170.
26
Vgl. Waldner, vorweggenommene Erbfolge, S. 34 Rd. 24.

7
unter Lebenden gehindert ist (§ 2286 BGB). Er hat ohnehin keine besseren Alternativen, wes-
halb er die Risiken des § 2287 BGB (Schutz der Vertragserben vor Schenkungen) und Unwäg-
barkeiten durch die Rechtsprechung in Kauf nehmen wird.
1.2.3 Steuerrechtliche Beweggründe
Dass sich Übergeber und Übernehmer bei Gestaltungen der lebzeitigen Vermögensnachfolge
von steuerlichen Motiven leiten lassen, ist ebenso häufig wie grundsätzlich legitim. Dies gilt vor
allem für die gleitende Vermögensnachfolge in Abständen unter Ausnutzung schenkungsteuer-
licher Fristen. Bedenklich kann es dagegen sein, sich vom sicheren oder vermuteten Wegfall
steuerlicher Privilegien zu übereilten Entäußerungen bestimmen zu lassen. Auch sonstige steu-
erliche Motive, etwa die Schaffung von Abschreibungsvolumen für Investitionen des Überneh-
mers, sind im Einzelfall legitim.
Ausnutzung schenkungsteuerlicher Fristen
Bei ,,größeren" Vermögen ist die Fristenregelung des § 14 ErbStG häufig ein Grund für frühzei-
tig beginnende, zeitlich gestufte Nachfolgeregelungen. Nach dieser Vorschrift leben alle 10
Jahre die steuerlichen Freibeträge des § 16 ErbStG wieder auf und können erneut ausgenutzt
werden. Durch geschickte Planungen kann damit beispielsweise mehrfach ein Freibetrag in
Höhe von 205.000 für Schenkungen an Kinder in Anspruch genommen werden.
27
Doch auch bei Zuwendungen über die Freibeträge hinaus kommen die in den unteren Stufen
günstigeren Steuersätze des § 19 ErbStG zur Anwendung.
28
Ausnutzung künftig wegfallender Vorteile
Das sichere oder vermutete Wegfallen von Steuervorteilen hat immer wieder zu wahren Über-
gabewellen geführt. Die aufgrund des Vorlagebeschlusses des BFH
29
an das BVerfG wegen
Verfassungswidrigkeit der Grundstücksbewertung und der Privilegierung des Betriebsvermö-
gens vermuteten künftigen Änderungen
30
haben seit 2003 zu einem unerwarteten Übergabe-
boom geführt, und zwar auch in Fällen relativ kleinen Vermögens.
27
Vgl. Spiegelberger, Vermögensnachfolge, Rd. 65
28
Vgl. Tabelle der Steuersätze in § 19 I ErbStG: So steigen die Steuersätze in der Steuerklasse I von 7% bis auf 30% des Wertes des steuerpflich-
tigen Erwerbes an.
29
Beschluss vom 22.5.2002, 1 II R 61/99, BStBl. II 2002, 598
30
Seit 1.1.1996 erfolgt der Wertansatz nach dem Grundbesitzwert, der nach den §§ 138ff. BewG auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer
festgestellt wird. Der Wert unbebauter Grundstücke wird auf der Grundlage der um 20% ermäßigten Bodenrichtwerte ermittelt (§ 145 BewG).
Die Bodenrichtwerte werden aus tatsächlichen Verkäufen abgeleitet und entsprechen dem aktuellen örtlichen Verkehrsniveau. Bebaute
Grundstücke werden im Regelfall mit dem 12,5fachen der durchschnittlichen Jahresnettokaltmiete unter Abzug einer Wertminderung wegen
Alters bewertet (§ 146 II BewG): Bei Ein- und Zweifamilienhäusern sowie bei Eigentumswohnungen, die ausschließlich Wohnzwecken dienen,
wird der Wert um 20 % erhöht (§ 146 V/ VIII BewG).

8
Sonstige steuerliche Motive
Im Einzelfall können auch sonstige steuerliche Gründe dafür sprechen, im Wege der lebzeitigen
Vermögensnachfolge eine neue familiäre Vermögensverteilung herzustellen. Will etwa der
Sohn das elterliche Hausgrundstück ausbauen oder sanieren, so verschafft ihm der Eigentums-
erwerb die Möglichkeit steuerlicher Abschreibungen von Gegenleistungen an Übergeber und
weichende Geschwister sowie von eigenen Aufwendungen auf das Grundstück oder das neu
gebildete Wohnungseigentum.
31
Weitere steuerliche Motive (z.B. Progressionsvorteile), die sich
insbesondere im Rahmen bestimmter Gestaltungen eröffnen, werden an späterer Stelle näher
ausgeführt.
32
2
Rechtliche Grundlagen der vorweggenommenen Erbfolge
Aus den unterschiedlichen Beweggründen, die zum Abschluss von Übergabeverträgen führen,
ist zu erkennen, dass das Zivilrecht und das hiervon beeinflusste Steuerrecht die maßgeblichen
Rechtsgrundlagen bilden. Auch wenn in den letzten Jahren zunehmend sozialversicherungs-
rechtliche Aspekte tangiert sind, spielt das Sozialrecht bei der Entscheidung zur vorwegge-
nommenen Erbfolge (noch) keine Rolle.
Obwohl die zu Grunde liegenden Besteuerungstatbestände durch Berührungspunkte mit dem
Zivilrecht geprägt sind, folgt das Steuerrecht (leider) nur selten den zivilrechtlichen Grundsät-
zen.
Das bürgerliche Recht geht davon aus, dass die Vertragspartner auf der Grundlage der Gleich-
berechtigung und Selbstbestimmung ihre Beziehungen untereinander eigenständig regeln. Die
Vielfalt zivilrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten ist damit Ausdruck der Privatautonomie.
Das Steuerrecht verfolgt demgegenüber nicht das Ziel, dem Bürger einen gesetzlichen Rahmen
für die freie Entfaltung seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zur Verfügung zu stellen. Es dient als
Finanzierungsinstrument des Staates dazu, die Mittel für die Gewährleistung dieses Rahmens zu
beschaffen, indem es Vorteile abschöpft und lenkend zum Wohle der Allgemeinheit eingreift.
33
Aus diesem Grunde werden zunächst zivilrechtliche Grundlagen und im Anschluss daran steu-
errechtliche Problemfelder der vorweggenommen Erbfolge dargestellt.
31
Vgl. § 10e EStG
32
Vgl. z.B. Nr. 3 ab S. 40.
33
Vgl. Hallerbach, Einfluß des Zivilrechts, DStR, S. 2127.

9
2.1 Zivilrechtliche Regelungen der Vermögensnachfolge
2.1.1 Der Übergabevertrag als Gestaltungsmittel der vorweggenommenen
Erbfolge
2.1.1.1 Der Begriff des Übergabevertrages
Regelmäßig werden Vermögensübertragungen zur vorweggenommenen Erbfolge mit weiteren
Vereinbarungen verknüpft, um die Versorgung und Sicherung des Zuwendenden oder Dritter zu
gewährleisten. So finden sich Vorbehalte beschränkt dinglicher Rechte wie Nießbrauch und
Wohnungsrecht, Vereinbarungen über wiederkehrende Leistungen, Ausgleichszahlungen an
weichende Erben und Erbverzichtserklärungen, um einige häufige vorkommende Regelungen
zu nennen.
Diese detaillierten und einzelfallbezogenen Regelungen werden zumeist in einem obligatori-
schen Vertrag, dem sog. Übergabevertrag, fixiert.
34
2.1.1.2 Entstehung des Übergabevertrages
Historisch entstammt der Übergabevertrag aus der bäuerlichen Hofübergabe. Es war und ist
zunehmend üblich, dass der alternde Bauer seinen Hof bereits zu Lebzeiten als betriebsfähige
Einheit, d.h. möglichst ungeteilt, auf eines seiner Kinder überträgt. Je nach der landschaftlichen
Überlieferung wurden und werden dafür in manchen Gegenden Deutschlands auch andere Beg-
riffe gebraucht, z.B.: Übertragungsvertrag, Gutsüberlassungsvertrag, Leibgedingsvertrag, Leib-
zugsvertrag, Altenteils- oder Auszugsvertrag.
35
Der Begriff Übergabevertrag ist aber die heute
meist gebrauchte Bezeichnung. Er ist nicht mehr auf die bäuerliche Berufswelt beschränkt, son-
dern gilt umfassend für alle Verträge im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge.
2.1.1.3 Elemente des Übergabevertrages
Übergabeverträge zeichnen sich heute i.d.R. durch drei Elemente aus
36
:
Die Vermögensübertragung auf den Begünstigten,
Abfindungsregelungen zu Gunsten eventuell weichender Erben sowie Erbverzichtser-
klärungen und
Regelungen zur Versorgung bzw. Sicherstellung der künftigen Rechtstellung des Über-
gebers hinsichtlich der übertragenen Vermögensmasse.
34
Vgl. Schmidt, vorweggenommene Erbfolge, S. 8.
35
Vgl. MüKo/Kollhosser, § 516 Rd. 41.
36
Vgl. Olzen, vorweggenommene Erbfolge, S. 21.

10
2.1.1.4 Vertragstyp
Die Rechtsnatur eines ,,typischen" Übergabevertrages ist wirtschaftlich ein gemischter Genera-
tionenvertrag. Da das Schuldrecht weder dem Numerus Clausus der Vertragstypen noch einem
Typenzwang unterliegt, kann er in den Grenzen der Rechtsordnung inhaltlich beliebig ausges-
taltet werden. Für den nicht näher kodifizierten, unbenannten Vertragtypus gelten die allgemei-
nen Regeln des Schuldrechts, § 311 BGB
37
; daneben kann soweit Ähnlichkeiten mit typischen
Verträgen bestehen, auf Vorschriften des jeweiligen Vertragstyps zugegriffen werden.
38
Dabei wird der Inhalt des Vertrages nur teilweise von der sonst bei Verträgen üblichen Ausge-
wogenheit von Leistung und Gegenleistung, sondern vielmehr von der Familienbeziehung der
Beteiligten geprägt. Er enthält sowohl entgeltliche wie auch unentgeltliche Regelungen.
Der entgeltliche Teil wird gebildet durch die - je nach der konkreten Vertragsgestaltung vom
Übernehmer übernommenen - Auflagen und versprochenen Gegenleistungen. Der darüber hi-
nausgehende Wert des übertragenen Vermögens ist unentgeltliche Zuwendung, für die die for-
mellen und materiellen Voraussetzungen des Schenkungsrechts zu beachten sind (§§ 516ff
BGB).
Die Differenzierung zwischen entgeltlicher und unentgeltlicher Übertragung ist spätestens bei
der Ermittlung erbrechtlicher Anrechnungs- und Ausgleichspflichten gegenüber weichenden
Erben von Bedeutung, da nur der unentgeltliche Teil zu berücksichtigen ist.
39
2.1.2 Arten der Zuwendung
Vorweggenommene Erbfolgeregelungen zeichnen sich dadurch aus, dass nicht nur die reine
Schenkung (isolierte Schenkung) vereinbart wird. Wie nachfolgende Zusammenfassung der
häufigsten Zuwendungsarten zeigt, gibt es diverse Gestaltungsmöglichkeiten, deren rechtliche
Qualifikation unterschiedlich ist.
Die isolierte Schenkung
Die gemischte Schenkung
Die Schenkung unter Auflage
Die Ausstattung
Die Pflicht- und Anstandsschenkung
37
Vgl. Palandt/Heinrichs Überbl. v. § 311 Rd. 14f.
38
Vgl. Soergel/Wolf, § 305 Rd. 26; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 311 Rd. 19.
39
Siehe dazu näher Nr. Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden., S. Fehler! Textmarke nicht definiert..

11
2.1.2.1 Die isolierte Schenkung
Hauptgegenstand vorweggenommener Erbfolgeregelungen sind Schenkungen. Bei einer unent-
geltlichen, gegenleistungsfreien Übertragung (isolierte Übertragung) überträgt der zukünftige
Erblasser Vermögensteile auf seinen zukünftigen Erben.
Nach der gesetzlichen Definition
40
ist Schenkung eine Zuwendung, durch die jemand aus sei-
nem Vermögen einen anderen bereichert, wenn beide darüber einig sind, dass die Zuwendung
unentgeltlich erfolgt. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise beinhaltet sie zwei Merkmale:
Eine objektive Bereicherung des Empfängers aus dem Vermögen eines anderen und sub-
jektiv eine Einigung der Vertragsparteien über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung. Es
ist damit nicht ausreichend, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung nur ein objektives
Missverhältnis besteht.
41
In der Praxis ist es jedoch oftmals schwierig eine Zuwendung eindeutig als unentgeltlich zu
qualifizieren. Nach h.L.
42
bedeutet Unentgeltlichkeit keine Verknüpfung mit einer Gegenleis-
tung. In der h.L. werden daher teilweise feinsinnige Abgrenzungen von konditionalen
43
und
kausalen44 Verknüpfungen getroffen deren Vorliegen eine Schenkung ausschließen. Unstreitig
keine Schenkung liegt jedoch bei der stärksten Form einer Verknüpfung ­ dem Synallagma vor.
Langenfeld zweifelt zu Recht den ,,heuristischen Wert"
45
dieser Unterscheidungen an und re-
sümiert folgerichtig: Bedeutsam ist, ,,dass die eine Schenkung ausschließende Gegenleistung
nicht vermögensrechtlicher Art sein muss."
46
So liege schon keine Schenkung mehr vor, wenn
ein Ehepartner den anderen durch eine Zuwendung zur Rückkehr in die Ehe bewegen will.
2.1.2.2 Die gemischte Schenkung
Erbringt der Erwerber dagegen einmalige oder laufende Geld- oder Sachleistungen, die nicht
aus dem übertragenen Vermögen geleistet werden, dann stehen Leistung und Gegenleistung in
einem Austauschverhältnis. Macht die Gegenleistung nur einen Teil des Werts des übertragenen
Vermögens aus, das seinerseits real unteilbar (z.B. eine Immobilie) ist, liegt eine sog. ,,gemisch-
40
Vgl. § 516 BGB.
41
BGH WM 1956, 353.
42
Vgl. MüKo/Kollhosser, § 516 Rd. 13ff.
43
Z.B. wenn jemand ein Grundstück erwirbt und von einem Dritten, der ein eigenes Interesse an dem Kauf hat, für den Fall des Kaufs das Ver-
sprechen eines Zuschusses erhält.
44
Z.B. ein Erbe überträgt einem Miterben das Miteigentum an einer Sache, um einen gerechten Erbausgleich herbeizuführen. (Beispiele in
Anlehnung an Langenfeld, Grundstückszuwendungen, S. 253 Rd. 612).
45
Ders., a.a.O., S. 253 Rd. 613.
46
Ders., a.a.O., S. 253f. Rd. 613. Im Weiteren nimmt derselbe jedoch Zuwendungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge fast ausnahms-
los aus dem Anwendungsbereich des § 516 BGB aus da seine auf Vertragszwecken beruhende Typologie für eine Schenkung den Vertragszweck
der Freigiebigkeit voraussetzt. Bei der vorweggenommenen Erbfolge seien jedoch regelmäßig andere Vertragszwecke (siehe 1.2 S.4) ausschlag-
gebend. M.E ist diese Trennung wenig sinnvoll, verleitet sie doch zum denken in Schablonen und schafft neue Abgrenzungsprobleme wenn wie
üblich mehrere Vertragszwecke nebeneinander vorliegen.

12
te Schenkung" vor.
47
Sie besteht aus einem entgeltlichen und einem unentgeltlichen Teil, die in
einem beliebigen Verhältnis stehen können, solange überhaupt Einigkeit über die teilweise Un-
entgeltlichkeit besteht.
48
Die bei einer gemischten Schenkung entstehenden Rechtsfragen beru-
hen auf diesem Spannungsverhältnis zwischen entgeltlichem und unentgeltlichem Teil.
So gilt für die Sorgfaltspflicht des Veräußerers und seine Haftung für Mängel bei der Schen-
kung nicht Kaufrecht, sondern ein nach §§ 521 - 524 BGB geminderter Haftungsmaßstab; bei
der gemischten Schenkung ist dieser aber nur auf den unentgeltlichen Teil anwendbar, wenn
nicht im Interesse des Veräußerers dieser Haftungsmaßstab auf den ganzen Vertrag erstreckt
wird.
49
Gerät der Schenker in Not (§ 528 BGB), kann bei gemischter Schenkung in jedem Fall nur ein
laufender Geldbetrag gefordert werden, bis der unentgeltlich übertragene Teil aufgezehrt ist.
Ein Widerruf der Schenkung wegen groben Undanks wird von der Rechtsprechung nur dann
zugelassen, wenn der unentgeltliche Teil überwiegt;
50
auch dann kann die Herausgabe des Ge-
schenks nur Zug um Zug gegen Wertausgleich des entgeltlichen Teils verlangt werden.
2.1.2.3 Die Schenkung unter Auflage
Leistungen des Erwerbers zur Versorgung des Veräußerers bei gleichzeitiger Übernahme von
dessen bisheriger Existenzgrundlage sind (zivilrechtlich) keine Gegenleistungen des Erwerbers
für die Übertragung des Vermögens, sondern eine aus dem zugewandten Vermögen zu leistende
Auflage, da sie nach der Vorstellung der Vertragsteile aus dem übertragenen Vermögen erwirt-
schaftet werden sollen.
51
Auch steuerlich handelt es sich um ,,vorbehaltene Vermögenserträge"
52
. Besonders plastisch
wird dieser Gedanke beim Vorbehalt eines Nießbrauchs
53
oder eines Wohnungsrechts
54
am
Grundbesitz. Der Veräußerer überträgt hier sein Vermögen unter dem Vorbehalt der lebenslan-
gen eigenen Nutzung; er kürzt damit lediglich den Wert der Zuwendung.
55
Allgemein formu-
liert liegt in folgenden Fällen eine ,,Schenkung unter Auflage" vor: Der Vermögenswert wird
insgesamt, also nicht nur teilweise unentgeltlich übertragen; die Versorgungsleistungen stellen
eine Beschränkung des übertragenen Vermögens, nicht aber eine mit der Vermögensübertra-
47
Ist die höherwertige Zuwendung ausnahmsweise real teilbar, handelt es sich nicht um eine ,,gemischte Schenkung", sondern um zwei getrennte
Verträge, z.B. Kauf und Schenkung.
48
Vgl. dazu BGH Urteil vom 18.5.1999 - X ZR 158/97, NJW 1999, S. 2887.
49
Vgl. Waldner, vorweggenommene Erbfolge, S. 21 Rd.6.
50
BGH, NJW 1999, 1623.
51
Vgl. BGHZ 3, 206 (211).
52
BFH, BStBl. 1990 II S. 847.
53
Siehe Nr. 3.3.3, S.47.
54
Siehe Nr. 3.1, S. 40.
55
Vgl. Olzen, vorweggenommene Erbfolge, S. 31.

13
gung rechtlich verknüpfte Gegenleistung dar.
56
Der Veräußerer kann aber von dem Erwerber
die Erfüllung der Auflage verlangen. Nach § 527 BGB kann er bei Nichtvollzug auch das Ge-
schenk zurückfordern, freilich beschränkt auf das, was zur Erfüllung der Auflage erforderlich
ist, so dass bei der Übertragung von Sachen nicht diese selbst zurückgefordert werden können,
sondern lediglich der Geldbetrag, der dem Wert der Aufwendungen entspricht, die zur Erfül-
lung der Auflage hätten gemacht werden müssen. Wenn der Erwerber eine Leistung erbringen
muss, liegt eine Leistungsauflage vor, wenn sich der Veräußerer ein Recht vorbehält, eine
Nutzungs- oder Duldungsauflage.
57
2.1.2.4 Die Ausstattung, § 1624 BGB
Ein angesichts der komfortablen Vermögenslage vieler Übergeber immer häufiger werdender
Vertragstyp ist die Ausstattung eines Kindes.
Der historische Ursprung der heute in § 1624 BGB legaldefinierten Ausstattung findet sich in
der Aussteuer.
58
Hierunter verstand und versteht man Zuwendungen, die ,,einer Tochter bei der
Verheiratung zur Einrichtung des Haushaltes gewährt"
59
wurden.
Sowohl der Kreis der potentiellen Begünstigten als auch die Übergabeobjekte erfuhren zwi-
schenzeitlich eine Erweiterung. Heute versteht man unter Ausstattung, was einem Sohn oder
einer Tochter mit Rücksicht auf die Verheiratung oder auf die Erlangung einer selbständigen
Lebensstellung zur Begründung oder zur Erhaltung der Wirtschaft oder Lebensstellung vom
Vater oder der Mutter zugewendet wird.
60
Der bestimmende Vertragszweck ist damit die ,,mate-
rielle Starthilfe zum letzten Schritt in die Selbständigkeit."
61
Obwohl es einen gesetzlichen An-
spruch des Kindes auf Ausstattung im deutschen Recht nicht mehr gibt,
62
wird doch zumindest
eine sittliche Verpflichtung der Eltern zu einer zumutbaren Ausstattung angenommen.
63
Zuwendungen gelten jedoch nur soweit als Ausstattung, als sie das nach den Vermögensver-
hältnissen der Eltern ,,angemessene Maß" nicht überschreiten. Ist dies dennoch der Fall
64
, dann
56
Vgl. Palandt/Weidenkaff, § 516 Rd. 8.
57
Näheres zur steuerrechtlich relevanten Unterscheidung der unterschiedlichen Auflagen unter Nr.2.2.1.8, S. 28.
58
Vor Aufhebung des § 1620 BGB a.F. bestand für die Eltern eine Rechtspflicht, ihrer Tochter eine Aussteuer zu gewähren. Nach der Aufhebung
dieser Vorschriften bleibt anerkannt, dass zumindest eine sittliche Verpflichtung der Eltern zur Gewährung einer angemessenen Ausstattung
besteht (Vgl. Sandweg, ehebedingte Zuwendungen, NJW 1989, S. 1966).
59
Brockhaus multimedial 2004 Stichwort Ausstattung.
60
Vgl. § 1624 BGB.
61
Staudinger/Coester, § 1624 Rd. 1.
62
Vgl. Langenfeld, Grundstückszuwendungen, S. 262 Rd. 635.
63
Vgl. MüKo/Hintz, § 1624 Rd. 2 m.w.N.
64
Da die objektive Sachlage, nicht aber die Bezeichnung der Parteien maßgeblich ist, ist eine Feststellung im Vertrag darüber, welcher Anteil der
Zuwendung nach Meinung der Vertragsteile Ausstattung welcher Anteil Schenkung ist unerheblich, (Vgl. Waldner, vorweggenommene Erbfol-
ge, S. 23 Rd. 8.)

14
ist die Zuwendung teilweise Ausstattung und teilweise Schenkung, wodurch vergleichbare
Probleme wie bei der gemischten Schenkung entstehen.
65
Was unter dem objektiv zu bestimmenden Merkmal ,,angemessenes Maß" zu verstehen ist kann
nur durch eine Gesamtschau der Wirtschafts- und Vermögenslage des Übergebers beurteilt
werden. Danach darf die Zuwendung weder übermäßig sein, noch den Kern des eigenen Ver-
mögens der Eltern betreffen. Mit anderen Worten: Der Ausstattungsgedanke (Stichwort: ,,innere
Zielrichtung"
66
) muss immer maßgeblich bleiben, und das verbleibende Vermögen sollte die
Eltern noch ausreichend versorgen.
Als taugliches Ausstattungsobjekt kommt jeder Vermögenswert in Betracht. Die Zuwendun-
gen reichen ­ je nach den Vermögensverhältnissen der Eltern ­ von kleinen Geldbeträgen über
Wertpapiere bis zu Grundstückszuwendungen (z.B. Bauplätzen), Eigentumswohnungen und
ganzen Mietshäusern.
2.1.2.4.1 Rechtsfolgen der Ausstattung
Bei Ausstattungsverträgen handelt es sich um einen eigenen familienrechtlichen Vertragstyp
67
,
der vom Gesetzgeber durch die weitgehende Ausschaltung des Schenkungsrechts privilegiert
wurde. So kommen weder die Formvorschriften des § 518 BGB (notarielle Beurkundung bzw.
Handschenkung), die Beschränkung der Haftung des Schenkers auf Vorsatz und grobe Fahrläs-
sigkeit
68
noch die Möglichkeit zur Rückforderung im Falle der Verarmung des Schenkers zur
Anwendung, § 528ff BGB.
Ausdrücklich nicht von den Regelungen des Schenkungsrechts ausgenommen sind jedoch die
Vorschriften bei Rechts- und Sachmängeln.
69
.
Eine den Voraussetzungen des § 1624 BGB genügende, nicht übermäßige und als Ausstattung
vereinbarte Zuwendung unterliegt nicht der Pflichtteilsergänzung nach § 2325 BGB ­ dort wird
ja gerade der Schenkungscharakter vorausgesetzt. ,,Hierdurch wird die Möglichkeit eröffnet,
einem von mehreren Abkömmlingen, den man auch als späteren Erben vorgesehen hat, eine je
nach den Umständen des Einzelfalles erhebliche Zuwendung zu machen, ohne Pflichtteilser-
gänzungsansprüche der weichenden Geschwister befürchten zu müssen."
70
Im Rahmen der
Auseinandersetzung gesetzlicher Erben ist die Ausstattung dagegen auszugleichen
71
. Diese
Ausgleichungspflicht ist anlässlich der Zuwendung durch den Übergeber abdingbar. Zu beach-
65
Stichwort: Welche Grundsätze und Haftungsstufen sind bei Leistungsstörungen einschlägig?
66
Waldner, vorweggenommene Erbfolge, S. 22f. Rd. 8.
67
Vgl. Langenfeld, Grundstückszuwendungen, S. 261 Rd. 631.
68
Vgl. § 521f. BGB.
69
Vgl. § 1624 II BGB i.V.m. §§ 523f BGB.
70
Langenfeld, Grundstückszuwendungen, S. 261 Rd. 631.
71
Vgl. § 2050 I BGB.

15
ten ist ferner, dass die Berücksichtigung der Ausstattung bei der Pflichtteilsberechnung nach
§ 2316 III BGB nicht einseitig ausgeschlossen werden kann. Hierfür bedarf es der Zustimmung
des Betroffenen im Rahmen eines Pflichtteilsverzichtsvertrages.
72
2.1.2.4.2 Abgrenzung zur vorweggenommenen Erbfolge
Als Alternative zur Ausstattung bieten sich die Gestaltungsmöglichkeiten der vorweggenom-
menen Erbfolge an. Letztlich entscheidend ist die Intention des Übergebers. Wird eine Absiche-
rung im Alter, evtl. mit Rückforderungsrechten oder der Vorbehalt von Nutzungen beabsichtigt,
so ist die Übergabe grundsätzlich dem Schenkungsrecht zuzuordnen. Im Falle der Ausstattung
findet das Schenkungsrecht mit allen Konsequenzen (z.B. im Falle der Verarmung des Schen-
kers) keine Anwendung. Nachfolgende Abbildung zeigt daher einige typische Abgrenzungskri-
terien zwischen der Ausstattung und der vorweggenommenen Erbfolge. Der Überschneidungs-
bereich verdeutlicht, dass eine eindeutige Abgrenzung nicht immer möglich ist, da eine Ausstat-
tung auch dann vorliegen kann, wenn die Zuwendung für den mit ihr verfolgten Zweck nicht
erforderlich ist, und neben dem Hauptzweck der Ausstattung (subjektives Merkmal) noch ande-
re Motive eine Rolle spielen.
Abbildung 1: Abgrenzung Ausstattung ­ vorweggenommene Erbfolge
72
Vgl. Langenfeld, Grundstückszuwendungen, S. 264 Rd. 640.
vorweggenommene Erbfolge
Hauptzweck: materielle Starthilfe
in die Selbständigkeit des Kindes
Freie Verfügungsbefugnis
Unwiderruflichkeit, Endgültigkeit
(auch im Falle der Verarmung!)
damit Anreiz zu Folgeinvestitio-
nen in Übergabeobjekt
Übertragung eines im Verhältnis
zum Gesamtvermögen nicht er-
heblichen Vermögenswertes
Möglicher Zweck: Materielle
Sicherheit im Alter der Eltern
eingeschränkte Verfügungsbe-
fugnis
Rückforderungsrechte
Nutzungsvorbehalte (z.B.: Nieß-
brauch)
Wert der Zuwendung übermäßig/
betrifft Kern des elterlichen Ver-
mögens
Ausstattung

16
2.1.2.5 Die Pflicht und Anstandsschenkung
Besondere Formen der Schenkung sind die Pflicht- und die Anstandsschenkung. Unter letzterer
versteht man kleinere Zuwendungen wie übliche Gelegenheitsgaben zu besonderen Tagen und
Anlässen (Geburtstag, Hochzeit etc) oder beispielsweise auch Trinkgeld.
73
Schon aufgrund des
geringen Wertes fallen sie aus dem Anwendungsbereich der vorweggenommenen Erbfolge.
Bei Pflichtschenkungen besteht diese (unbestimmte) Wertgrenze dagegen nicht.
74
Rechtsgrund
für Pflichtschenkungen ist das ,,Gebote der Sittlichkeit"
75
. Nicht ausreichend ist dabei eine
besondere persönliche Verbundenheit.
76
Eine Pflichtschenkung setzt eine sittliche Pflicht vor-
aus, die Schenkung zu bewirken.
77
Schenkungen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge sind zwar i.d.R. unter den Geboten
der Sitte gerechtfertigt, erreichen jedoch nicht den Grad der Gebotenheit. Dieser soll im Falle
einer belohnenden Schenkung für Pflegeleistungen durch Verwandte erst erreicht sein, wenn
besondere Umstände vorliegen, die das Ausbleiben einer solchen Belohnung als sittlich anstö-
ßig erscheinen lassen,
78
z.B. wenn die Pflegeleistungen unter schweren persönlichen Opfern
erbracht werden und der Leistende deswegen in eine Notlage gerät.
79
Eine Zuwendung aus Dankbarkeit für langjährige Dienste im Haushalt oder für unentgeltliche
Pflege und Versorgung kann einer sittlichen Pflicht entsprechen, wenn die spätere Schenkung
im Rahmen dessen liegt, was der Erwerber als Belohnung für diese Leistungen erwerten durf-
te;
80
das gilt auch dann, wenn der Nachlass dadurch ausgeschöpft wird.
Pflicht- und Anstandsschenkungen können nicht wegen Verarmung des Schenkers zurückge-
fordert
81
und nicht wegen groben Undanks widerrufen werden (§ 534 BGB); ebenso wenig
können Sie Anlass eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs sein (§ 2330 BGB).
2.1.3 Die Frage nach der Bedeutung der Einteilung und Systematisierung
nach Vertragstypen
Der Erkenntniswert obiger Einteilung ist ­ vom Steuerrecht (das aber nicht der zivilrechtlichen
Einteilung folgt) abgesehen ­ nur gering; vor allem die Grenze zwischen Leistungsvorbehalt
und Gegenleistung ist fließend. Deutlich wird dies etwa durch den Umstand, dass ein Vertrag,
73
Vgl. Palandt/Edenhofer, § 2330 Rd. 2.
74
BGH MDR 82, 39.
75
MüKo/Kollhosser, § 534 Rd. 6.
76
Vgl. BGH NJW 1986, 1926.
77
BGH, NJW 1984, 2939; OLG Koblenz, FamRZ 2002, 772.
78
Vgl. VGH Mannheim, NJW 2000, 376 (377).
79
Vgl. BGH, NJW 1986, 1926 = LM § 534 BGB Nr. 3 m.w.N.
80
BGH, NJW 1986, 1926.
81
Vgl. Waldner, vorweggenommene Erbfolge, S. 21f Rd. 7.

17
Steuerrechtliche Problemfelder der vorweggenommenen Erbfolge
Einkommensteuer:
Schenkungsteuer:
übrige:
Versorgungsleistungen
AK/Veräußerungs-
gewinn
Tarifbegünstigung
Grundstücksbewertung
§13a ErbStG
Freibeträge
USt
GrESt
Eigenheimzulage
bei dem die Gegenleistung des Veräußerers die Leistung von Wart und Pflege ist, teils als
Schenkung unter Auflage
82
, teils als gemischte Schenkung
83
beurteilt wird. Ebenso wird die
Übernahme von Verbindlichkeiten des Veräußerers, die auf dem übertragenen Vermögen abge-
sichert sind, teils als Schenkung unter Auflage
84
, teils als gemischte Schenkung
85
angesehen.
Es ist steuerrechtlich auch ohne große Bedeutung, ob eine Ausstattung vorliegt oder es für eine
solche entweder an dem subjektiven Merkmal der Ausstattungsabsicht oder dem objektiven der
Angemessenheit angesichts der Vermögensverhältnisse der Eltern fehlt, da auch Ausstattungen
unter Geschwistern auszugleichen sind (§ 2050 I BGB) und diese auch im Sozialhilferecht und
im Schenkungsteuerrecht ohne weiteres wie Schenkungen behandelt werden.
86
2.2 Steuerrechtliche Regelungen der Vermögensnachfolge
Die vorweggenommene Erbfolge berührt im Steuerrecht regelmäßig nachfolgende drei Prob-
lemfelder.
Dem Thema dieser Arbeit entsprechend erfolgt eine Konzentration auf Übergaben aus dem Pri-
vatvermögen.
87
82
So BGH, NJW 1989, 2122.
83
So LG Passau, RdL 1975, 70; Mayer, Übergabevertrag, Rd. 9.
84
So BFH, BStBl. 1990 II 847.
85
So Schmitz, Übertragung privaten Grundvermögens, DStR 1993, S. 499.
86
Vgl. ausführlich hierzu Waldner, vorweggenommene Erbfolge, S. 23f. Rd. 9.
87
Der Vollständigkeit halber sei bei Übertragungen von Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichen Vermögen und Beteiligungen auf die
Problemfelder in den Regelungen der §§ 6 III EStG, 13a, 19a ErbStG, R51-69 ErbStR, hingewiesen. Siehe dazu stellvertretend für andere Lan-
genfeld, Grundstückszuwendungen, S. 22 Rd. 44f.
Abbildung 2: Steuerrechtliche Problemfelder der vorweggenommenen Erbfolge

18
2.2.1 Schenkungsteuer
2.2.1.1 Ausführung der Schenkung
Unentgeltliche Vermögensübertragungen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge unter-
liegen dem Erbschafts- und Schenkungsteuergesetz. Besteuert wird der sog. steuerpflichtige
Erwerb. Hierbei handelt es sich um den Wert des übertragenen Vermögens abzüglich bestimm-
ter Freibeträge.
Im Gegensatz zum oben dargestellten Zivilrecht ist im Schenkungsteuerrecht
88
die objektive
Bewertung maßgeblich ­ unberücksichtigt bleiben damit subjektive Bewertungen der Parteien.
Der Grund für diese Abweichung: Ein Gleichlauf mit der subjektiven zivilrechtlichen Sichtwei-
se würde ­ im Streben nach niedrigen Bemessungsgrundlagen ­ eine gleichmäßige Besteuerung
ausschließen.
Ihre Rechtfertigung erfährt die Schenkungsteuer aus der durch die Bereicherung eingetretenen
gesteigerten Leistungsfähigkeit des Beschenkten. Obwohl die Gesetzgebung des Erbschaftsteu-
errechts in Deutschland beim Bund liegt, stehen die Einnahmen ausschließlich den Ländern zu,
(Art. 105 II, 72 II, 106 II Nr. 2 GG)
89
.
Gerade bei volatilen Zuwendungen ist es im Rahmen der Besteuerung wichtig, den genauen
Zeitpunkt der Entstehung der Schenkungsteuer zu bestimmen; für Schenkungen unter Lebenden
ist dies die ,,Ausführung der Zuwendung"
90
.
Für den häufigsten Fall, der Übertragung von Immobilien, gilt die Schenkung steuerrechtlich als
ausgeführt, wenn der Schenker und Beschenkte unter Wahrung der gesetzlich vorgeschriebenen
Form sich über den Eigentumsübergang einig sind, und der Schenker die Eintragung der Eigen-
tümerstellung in das Grundbuch bewilligt hat. Es ist nicht erforderlich, dass der Beschenkte den
Umschreibungsantrag beim Grundbuchamt gestellt hat.
91
Für den Fall, dass die Umschreibung unterbleibt, weil die zu Grunde liegende Schenkungsabre-
de aufgehoben wird, kommt es nicht zur Zuwendung des Grundstücks, weil es bei Vertragsauf-
hebung noch dem Schenker gehörte. In der Aufhebung liegt folglich weder eine Rückschen-
kung des Grundstücks noch eine anderweitige Zuwendung seitens des ursprünglich Bedachten.
88
Das Erbschaftsteuerrecht erfasst die Vermögensbereicherung durch Erbfolge und ebenso die Bereicherung aufgrund von Schenkungen und
Zweckzuwendungen (§1 II ErbStG). Dies beruht auf dem Gedanken, dass die Schenkung eine Art vorweggenommene Erbfolge darstellt und die
Nichterfassung zu Umgehungen der Erbschaftsteuer führen würde. Für beide Vorgänge gilt daher dasselbe Gesetz. Soweit Besonderheiten des
Todesfalles (z.B. §§ 5 I, 17, 10 V ErbStG) vorliegen, wird explizit darauf hingewiesen ­ ansonsten werden die Termini nebeneinander verwendet.
89
Vgl. Weirich, Erben und Vererben, S. 546 Rd. 1334.
90
Vgl. § 9 I Nr. 2 ErbStG.
91
BFH v. 26.9.1990 ­ II R 150/58, BStBl. II 1991, 320; R23 I ErbStR.

19
2.2.1.2 Bewertung
Da Schenkungen im Gegensatz zu anderen Übertragungen keine Gegenleistung
92
wie bei-
spielsweise ein Kaufpreis gegenübersteht, bedarf der übertragene Vermögenswert zur Ermitt-
lung des steuerlichen Erwerbes einer besonderen Bewertung. Maßgeblicher Zeitpunkt für diese
Bewertung ist wiederum die Entstehung der Steuerschuld (s.o. §§ 9, 11 ErbStG).
Die schenkungsteuerliche Bewertung des erworbenen Vermögens richtet sich, soweit der Ge-
setzgeber nicht etwas anderes vorschreibt
93
, nach den allgemeinen Vorschriften des Bewer-
tungsgesetzes.
Bargeld und Geldforderungen werden mit ihrem Nominalwert (Nennwert) angesetzt. Für Wert-
papiere gilt der Kurswert und bewegliche Sachen werden mit ihrem Verkehrswert
94
angesetzt.
Privilegiert sind Immobilien, deren Bewertung nach dem Grundbesitzwert zum Zeitpunkt der
Entstehung der Steuer festgestellt wird (§ 12 III ErbstG).
95
Obwohl seit 1996 nicht mehr die
noch niedrigeren Einheitswerte berücksichtigt werden, ist die Bewertung mit dem Grundbe-
sitzwert in der Regel deutlich günstiger als der jeweilige Verkehrswert.
Die Kosten, die dem Erwerber mit der Erlangung des Erwerbes entstehen (z.B. Notar- und
Grundbuchkosten), sind abzuziehen (§ 10 V Nr. 3 ErbStG ist über § 1 II ErbStG auf Schenkun-
gen unter Lebenden sinngemäß anzuwenden).
96
2.2.1.3 Steuerbefreiungen, Freibeträge und Steuersätze
Der nach dem BewG bewertete Vermögensgegenstand, der Steuerwert der Bereicherung, wird
um die persönlichen Freibeträge des Beschenkten gekürzt. Anschließend wird auf den sich
dann ergebenden Wert des steuerpflichtigen Erwerbs der Steuersatz entsprechend der jeweili-
gen Steuerklasse des Beschenkten und des Wertes der Schenkung angewandt. Im Einzelnen
gilt hierzu folgendes:
Eine Reihe von gesetzlich genau bestimmten Erwerben ist ganz oder teilweise von der Steuer
befreit (§ 13 ErbStG). So bleibt unter bestimmten Voraussetzungen der Erwerb von Hausrat bis
41.000 und anderer beweglicher Gegenstände bis zum Wert von 10.300 steuerfrei (§ 13 I
Nr. 1a, b ErbStG). Die Befreiung gilt jedoch ausdrücklich nicht für Zahlungsmittel, Wertpapie-
re, Münzen, Edelmetalle und Edelsteine. Übliche Gelegenheitsgeschenke sind generell steuer-
92
Zu steuerrechtlichen Behandlung der gemischten Schenkung siehe Nr. 2.2.1.7, S. 27
93
Vgl. § 12 II ­ VI ErStG.
94
Vgl. § 9 BewG.
95
Zur Berechnung siehe FN 30, S. 7.
96
Vgl. Moench, Erbschaft- und Schenkungsteuer, § 10 Rd. 4.

20
frei (Nr. 14). Aufgrund der strengen Einschränkungen sind die meisten Befreiungen im Rahmen
der vorweggenommenen Erbfolge damit nur von geringer Bedeutung.
97
Sofern nicht schon eine Steuerbefreiung nach § 13 ErbStG einschlägig ist, sind die Freibeträge
und Steuerklassen im Schenkungssteuerrecht von herausragender Bedeutung. Ihre Höhe hängt
vom nachfolgend dargestellten Verwandtschaftsgrad ab.
Das ErbStG unterscheidet nachfolgende drei Steuerklassen (§ 15 ErbStG):
Zur Steuerklasse I gehören der Ehegatte, die Kinder und Stiefkinder, die Abkömmlinge
der Kinder und Stiefkinder sowie die Eltern und Voreltern bei Erwerben von Todes we-
gen.
Zur Steuerklasse II gehören die Eltern und Voreltern, soweit sie nicht zur Steuerklasse
I gehören, die Geschwister, die Abkömmlinge ersten Grades von Geschwistern, die
Stiefeltern, die Schwiegerkinder, die Schwiegereltern sowie der geschiedene Ehegatte.
Zur Steuerklasse III gehören alle übrigen Erwerber und die Zweckzuwendungen. Zu
dieser ungünstigsten Steuerklasse gehören also auch Verlobte und (noch
98
) der Partner
einer gleichgeschlechtlichen eingetragenen Lebenspartnerschaft.
Nach § 16 ErbStG werden folgende Freibeträge gewährt:
dem Ehegatten 307.000
den Kindern und Stiefkindern sowie den Kindern verstorbener Kinder oder Stiefkinder
205.000
den übrigen Personen der Steuerklasse I 51.200
den Personen der Steuerklasse II 10.300
den Personen der Steuerklasse III 5.200
Mehrere Vermögenserwerbe innerhalb von zehn Jahren von derselben Person sind bei der Er-
mittlung zusammenzurechnen
99
. Diese Regelung ist gleichzeitig der entscheidende Gestal-
tungsparameter zur Reduzierung der Schenkungsteuer. Ist eine Zuwendung teilbar (z.B. Geld-
vermögen), sollten die Freibeträge in möglichst jungen Jahren ausgeschöpft werden, so dass sie
nach Ablauf der Zehnjahresfrist erneut zur Verfügung stehen, wenn der Zuwendende noch am
Leben ist.
97
Vgl. Waldner, vorweggenommene Erbfolge, S. 117 Rd. 134.
98
Dafür: Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes v. 11.02.2004 BT Drucksache 15/2477; Verneinend: FG
Düsseldorf 1.12.2003, DStR 2004 S. 414; MüKo/Leipold, Einl. Erbrecht Rd. 201.
99
Vgl. § 14 ErbStG.

21
Der Tarif.
Die Schenkungsteuer wird nach Abzug der jeweiligen Freibeträge nach folgenden Prozentsät-
zen erhoben:
Steuerklasse
Wert des steuerpflichti-
ge Erwerbs bis ein-
schließlich ...
I
II
III
52.000
256.000
512.000
5.113.000
12.783.000
25.565.000
über 25.565.000
7 %
11 %
15 %
19 %
23 %
27 %
30 %
12 %
17 %
22 %
27 %
32 %
37 %
40 %
17 %
23 %
29 %
35 %
41 %
47 %
50 %
Tabelle 1. Steuertarife der Schenkungsteuer in Abhängigkeit der Steuerklassen (vgl. § 19 I
ErbStG)
Bei genauerem Hinsehen wird aus obiger Tabelle die ,,doppelte Progression"
100
des Steuertarifs
deutlich: Die Steuer steigt mit zunehmendem Verwandtschaftsgrad von Steuerklasse zu Steuer-
klasse und gleichzeitig steigt die Steuer in sieben Schritten mit der Höhe des steuerpflichtigen
Erwerbes.
Der progressive Anstieg des Steuertarifs kann bei Übertragungen im Wege der vorweggenom-
menen Erbfolge jedoch geschickt reduziert oder ganz vermieden werden:
a)
Durch eine zeitliche Streckung können die Freibeträge mehrfach ausgenutzt und die
verbleibende Progression für Vermögensteile dennoch gemindert werden.
b)
Eine Aufteilung auf mehrere Personen führt durch den mehrfachen Ansatz des Freibe-
trages und die Minderung der Progression zu einer niedrigeren steuerlichen Gesamtbe-
lastung.
101
Da gerade in den Grenzbereichen der Steuertariftabelle (z.B. 52.500 ) der Anstieg unerträglich
stark steigt, existiert in § 19 III ErbStG eine Regelung des Härteausgleichs.
102
Dessen ungeachtet verdeutlicht nachfolgendes Beispiel die Vorteile einer zeitlichen Streckung
einer Schenkung durch mehrfache Ausnutzung des Freibetrages und gleichzeitig niedrigerem
Steuersatz:
100
Weirich, Erben und Vererben, S. 566 Rd. 1390.
101
Vgl. ders., a.a.O.
102
Zur Anwendung des Härteausgleichs siehe Beispiel 4, S. 30.

22
Beispiel:
Tante T schenkte ihrer Nichte N am 1.1.2000 umgerechnet 50.000 . Die zweite Schenkung über
ebenfalls 50.000 erfolgt in Variante 1 bereits am 1.1.2007 während in Variante 2 die Schen-
kung erst am 1.1.2010 vorgenommen wird.
Variante 1
Variante 2
Schenkung A: 01.01.2000
50.000
Schenkung A: 01.01.2000
50.000
./. Freibetrag, § 16 I Nr. 4 ErbStG
10.300
./. Freibetrag, § 16 I Nr. 4 ErbStG
10.300
zu versteuern
39.700
zu versteuern
39.700
Steuersatz § 19 I ErbStG: 12%
4.764
Steuersatz § 19 I ErbStG: 12%
4.764
Schenkung B: 01.01.2007
50.000
Schenkung B: 01.01.2010
103
50.000
Kein erneuter Freibetrag, § 16 I Nr. 4
ErbStG
0
./. Freibetrag, § 16 I Nr. 4 ErbStG
Erneute Ausnutzung!
10.300
zu versteuern § 14 ErbStG
(50.000 + 50.000 - 10.300 )
89.700
zu versteuern
39.700
Steuersatz § 19 I ErbStG:
17%
15.249
Steuersatz § 19 I ErbStG:
12%
4.764
./. bereits gezahlte Steuer
4.764
Zahllast
10.485 Zahllast
4.764
Gesamtsteuerbelastung
15.249 Gesamtsteuerbelastung:
9.528
Im ersten Fall beträgt der Steuersatz bei einmaliger Inanspruchnahme des Freibetrages 17% von
89.000 . Im Gegensatz dazu ist in Variante 2 bei wiederholter Inanspruchnahme des einschlä-
gigen Freibetrages jeweils nur ein Steuersatz in Höhe von 12% anzunehmen.
2.2.1.4 Gestaltungsmissbrauch durch Kettenschenkung und Adoption?
Im Bestreben, einen möglichst hohen Freibetrag auszunutzen und eine niedrige Steuerklasse
zwischen Übergeber und Empfänger beanspruchen zu können, werden vermehrt Gestaltungen
praktiziert, die von der Finanzverwaltung leicht als steuerrechtlicher Gestaltungsmissbrauch
gewertet werden, § 42 AO.
Adoption
Wenn der Übergeber und der Empfänger nicht miteinander verwandt sind, kann durch eine A-
doption des Empfängers und damit einhergehender Umstufung in Steuerklasse I eine deutliche
Steuerersparnis erreicht werden.
104
103
Im formulierten Beispiel beträgt der Zeitraum zwischen den Schenkungen nicht zufällig genau zehn Jahre. Für die Fristberechnung sind die
§§ 187ff BGB zumindest nicht unmittelbar anwendbar, da sie eine vorlaufende und nicht einer rücklaufende Frist zum Regelungsgegenstand
haben. Im Rahmen des § 14 ErbStG wird der letzte Erwerb mit früheren Erwerben zusammengerechnet; es erfolgt also eine Betrachtung in die
Vergangenheit. Nach h.M. ist eine Zusammenrechnung von Zuwendungen, die wie hier am ,,gleichen Kalendertag" erfolgen, nicht vorzunehmen.
Die Praxisrelevanz dieses Beispiels zeigt sich gerade bei großzügigen wiederkehrenden Geburtstagsgeschenken. (Vgl. Meincke, § 14 Rd. 8
m.z.w.N.; Weinmann in Christoffel/Geckle/Pahlke, § 14 Rd. 6).
104
Vgl. Elser/Meininger, Gestaltungshinweise zur Erbschaftsteuerminderung, DStR 2000, S. 1719; Korezkij, Erbschaftsteuer, ZEV 2004, S. 62,
Waldner, vorweggenommene Erbfolge, S. 118 Rd. 137.

23
Theoretisch ist die Annahme auch eines Volljährigen als Kind ausdrücklich in § 1767 BGB
vorgesehen. In der Praxis unterliegen die Voraussetzungen zivil- und steuerrechtlich jedoch
einer strengen Prüfung. Während zivilrechtlich vor dem Vormundschaftsgericht das "Eltern-
Kind-Verhältnis"
105
zu begründen ist, kommt steuerrechtlich der Prüfung des Missbrauchs von
Gestaltungsmöglichkeiten Bedeutung zu. Falls danach unter objektiven Umständen von einer
unangemessenen Gestaltung und dem Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten auszugehen
ist, entsteht der Steueranspruch so als ob der Empfänger in der Steuerklasse III verblieben wäre.
Kettenschenkungen
In der Regel ist eine Adoption weder sinnvoll noch erforderlich, da bei der vorweggenommenen
Erbfolge die sog. Kettenschenkung ­ wenn sie entsprechend durchgeführt ist - eine Möglichkeit
ist, ganz legal Steuern zu sparen.
Sie ist anzunehmen, wenn der Schenker auf dem Umweg über einen Zwischenempfänger einen
Dritten unmittelbar bedenken will. Der Schenker muss also, mit anderen Worten, als Endzweck
die Bereicherung des Dritten aus dem Vermögen des Schenkers wollen.
106
Auf diesem Umweg können je nach Empfänger unterschiedliche Freibeträge und Steuersätze
ausgenutzt werden.
Zur Veranschaulichung folgende zwei Beispiele:
1) Es wäre unvernünftig, Vermögen im Weg der vorweggenommenen Erbfolge auf ein Kind
und ein Schwiegerkind als Berechtigte zu gleichen Teilen zu übertragen (Abbildung 3. links).
Besser ist die in Abbildung 3 rechts dargestellte Schenkung an ein Kind, dem es dann überlas-
sen bleibt, den halben Anteil an seinen Ehegatten weiter zu übertragen.
Abbildung 3: Kettenschenkung I
105
§ 1767 I BGB. Dabei ist auf den Vergleich mit dem Verhältnis zwischen Eltern und ihren erwachsenen leiblichen Kindern abzustellen. Nicht
ausreichende Gründe sind z.B. der vordringliche Wunsch die Vorteile des Erbschaftsteuerrechts, einen Adelstitel oder eine Aufenthaltserlaubnis
zu erreichen (Weirich, Erben und Vererben, S. 409 Rd. 982).
106
Vgl. Schuhmann, vorweggenommene Erbfolge im Privatvermögen, S. 23f.
Vater
Vater
Tochter
Schwiegersohn
Tochter
Schwiegersohn
Freibetrag:
10.300
Freibetrag:
205.000
Freibetrag:
205.000
Freibetrag:
307.000
1
2

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783832488864
ISBN (Paperback)
9783838688862
DOI
10.3239/9783832488864
Dateigröße
993 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
DIPLOMA Fachhochschule Nordhessen; Abt. Kassel – unbekannt
Erscheinungsdatum
2005 (Juli)
Note
1,3
Schlagworte
erbrecht bmf-schreiben rentenerlass steuerrecht versorgungsleistungen
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