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Das EU-Emissionshandelssystem und kommunaler Klimaschutz

Handlungsansätze für Kommunen

©2005 Diplomarbeit 129 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
In der Diplomarbeit werden die Wechselbeziehungen zwischen dem EU-Emissionshandelssystem, dem kommunalen Klimaschutz und den Instrumenten der Raumplanung aufgezeigt. Konkret werden der Beitrag des EU-Emissionshandelssystems für den kommunalen Klimaschutz überprüft und Übertragungspotenziale für die kommunale Ebene identifiziert. Das gegenwärtig stark diskutierte Instrument des Emissionshandels wird hier aus einer neuen Perspektive betrachtet, in dem die aktuelle Bedeutung und die Chancen des Zertifikatehandels für die Kommunen herausgearbeitet werden. Die Arbeit richtet sich deshalb vor allem an kommunale Akteure und Personen aus Wissenschaft und Forschung. Durch die interdisziplinäre Herangehensweise ist den Themen Emissionshandel, kommunaler Klimaschutz und Raumplanung ein eigener Analyseteil gewidmet, welcher jeweils den aktuellen Wissenstand präzise zusammenfasst und bewertet. Somit ist die Arbeit auch für Interessenten empfehlenswert, die einen schnellen Überblick über eines der genannten Themen gewinnen möchten. Die an der Universität Dortmund an der Fakultät Raumplanung verfasste Arbeit weist darüber hinaus durch die Kooperation mit der B.A.U.M. Consult GmbH Hamm (Bundesdeutscher Arbeitskreis für umweltbewusstes Management) und zahlreichen Experteninterviews einen starken Praxisbezug auf.
Das EU-Emissionshandelssystem bietet den betroffenen Unternehmen verschiedene Instrumente an, um die eingegangenen Reduktionsziele im Zuge des Kyoto-Protokolls zu erreichen: Im Emissionshandel handeln die Betreiber von CO2-verursachende Anlagen untereinander mit CO2-Zertifikaten, um ihre Emissionsziele kostengünstig zu erreichen; die Instrumente des Projektbasierten Klimaschutzes (Clean Development Mechanism, Joint Implementation, Nationale Ausgleichsprojekte) stehen den Betreibern von CO2-verursachenden Anlagen ergänzend zur Verfügung, wobei sich die Nationalen Ausgleichsprojekte noch in der Diskussion befinden.
Der kommunale Klimaschutz kann durch eine räumliche und eine institutionelle Dimension charakterisiert werden. Kommunaler Klimaschutz bezieht sich auf die emissionsrelevanten Akteure in den einzelnen Energieverbrauchssektoren auf dem Gemeindegebiet. Die Kommune als Institution ist es hingegen, die sich zum einen selbst in der Rolle eines CO2-Verursachers befindet (zum Beispiel durch die kommunalen Einrichtungen), zum anderen weitere CO2-Verursacher durch entsprechende Maßnahmen in verschiedenen Handlungsfeldern […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8881
Bornefeld, Benjamin: Das EU-Emissionshandelssystem und kommunaler Klimaschutz -
Handlungsansätze für Kommunen
Hamburg: Diplomica GmbH, 2005
Zugl.: Universität Dortmund, Diplomarbeit, 2005
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2005
Printed in Germany

Verzeichnisse
i
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis ... iii
Tabellenverzeichnis ... iii
Abkürzungsverzeichnis... iv
1. Einleitung... 1
1.1 Ausgangssituation und Problemstellung ... 1
1.2 Ziel der Arbeit ... 3
1.3 Aufbau... 5
1.4 Methodik ... 8
2. Grundlagen... 11
2.1 Das Kyoto-Protokoll und das EU-Emissionshandelssystem... 11
2.1.1 Funktionsweise des Emissionshandels... 13
2.1.2 Projektbasierter Klimaschutz beim Emissionshandel ... 17
2.1.3 Relevanz für die kommunale Ebene ... 23
2.2 Kommunaler Klimaschutz: Ausgangssituation... 24
2.2.1 Einführung... 24
2.2.2 Kommunale CO
2
-Bilanzierung ... 27
2.2.3 Exkurs: Energie- und Klimaschutzmanagement in Kommunen... 30
2.2.4 Fazit 34
2.3 Raumplanung und kommunaler Klimaschutz... 36
2.3.1 Einführung... 36
2.3.2 Bauleitplanung und kommunaler Klimaschutz... 38
2.3.3 Planungsrechtliche Steuerung von Emissionsquellen gemäß der
Emissionshandelsrichtlinie... 44
2.4 Zusammenführung: Begründung und Ableitung der Handlungsansätze ... 45
2.4.1 Kommunaler Klimaschutz und projektbasierter Klimaschutz:
Städtepartnerschaften und der Clean Development Mechanism ... 46
2.4.2 Kommunaler Klimaschutz und projektbasierter Klimaschutz: Ökosiedlungen
als Nationale Ausgleichsprojekte... 47
2.4.3 Kommunaler Klimaschutz und Emissionshandel: Übertragung auf kommunale
Einrichtugen ... 47

Verzeichnisse
ii
3. Handlungsansätze für Kommunen ...50
3.1 Handlungsansatz I: Städtepartnerschaften und projektbasierter Klimaschutz...50
3.1.1 Städtepartnerschaften in Deutschland...50
3.1.2 Fallbeispiel Hamburg...51
3.1.3 Hamburgs Städtepartnerschaften und projektbasierter Klimaschutz...54
3.2 Handlungsansatz II: Ökosiedlungen als Nationale Ausgleichsprojekte ...59
3.2.1 Einführung ...59
3.2.2 Fallbeispiel Hannover-Kronsberg...61
3.3 Handlungsansatz III: Emissionshandel für kommunale Einrichtungen...69
3.3.1 Einführung ...69
3.3.2 Handelsmodell für die kommunalen Einrichtungen ...70
3.3.3 Fallbeispiel: Mögliche Auswirkungen des Modells auf die Stadt Augsburg .81
4. Bewertung der Handlungsansätze ...84
4.1 Bewertungskriterium 1: CO
2
-Reduktionspotenzial ...84
4.2 Bewertungskriterium 2: Umsetzungspotenzial und Hemmnisse ...86
4.3 Bewertungskriterium 3: Steuerungsmöglichkeiten der Bauleitplanung ...88
4.4 Bewertungskriterium 4: Sekundäre Effekte...90
5. Ergebnisse und Empfehlungen...93
5.1 Handlungsansatz I: Städtepartnerschaften und projektbasierter Klimaschutz...93
5.2 Handlungsansatz II: Ökosiedlungen als Nationale Ausgleichsprojekte ...94
5.3 Handlungsansatz III: Emissionshandel für kommunale Einrichtungen...95
5.4 Fazit 95
6. Zusammenfassung ...98
Quellenverzeichnis ...102
Anhangverzeichnis ...111

Verzeichnisse
iii
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Aufbau und Struktur der Arbeit...5
Abb. 2: Instrumenteneinsatz zur Erreichung der Kyoto-Reduktionsziele...13
Abb. 3: Prinzip des Emissionshandels...15
Abb. 4: Anteile der klimarelevanten Bereiche beim eea®...31
Abb. 5: Auszug aus dem Maßnahmenkatalog des eea® ...32
Abb. 6: Bezüge der Handlungsansätze zum Emissionshandelssystem und zum
kommunalen Klimaschutz...46
Abb. 7: Aktionsplan für Klimaschutzkooperation in Hamburg ...57
Abb. 8: Vergleich der jährlichen CO
2
-Einsparung am Kronsberg mit einer
Referenzsiedlung...64
Abb. 9: Vergleich CO
2
-Ausstoß im Bereich Raumwärme beim unsanierten und
sanierten Altbau ...66
Abb. 10: Reduktionsvorgaben für den Emissionshandel ...74
Abb. 11: Funktionsweise des Emissionshandel am Beispiel der Kommunen...78
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: CDM-Aktivitäten von Projektentwicklern...19
Tab. 2: Projektbasierter Klimaschutz im EU-Emissionshandelssystem...22
Tab. 3: Abgrenzung der Energieverbrauchssektoren ...29
Tab. 4: Planungsrechtliche Umsetzungsmöglichkeiten und Minderungspotentiale von
Maßnahmen zur CO
2
-Reduktion...40
Tab. 5: Vergleich kommunaler Klimaschutz und Emissionshandel...48
Tab. 6: Akteure und ihre Rolle bei der Initiierung von Klimaschutzprojekten
in Hamburg ...56
Tab. 7: Vergleich der Kennzahlen Referenzsiedlung/Kronsberg...63
Tab. 8: Bewertung der Handlungsansätze im Überblick...92

Verzeichnisse
iv
Abkürzungsverzeichnis
a Jahr
AG Arbeitsgemeinschaft
AIJ
Acitivities Implemented Jointly
ARL
Akademie für Raumforschung und Landesplanung
B&SU
Beratungs- und Servicegesellschaft Umwelt mbh
BauGB Baugesetzbuch
BauNVO Baunutzungsverordnung
BHKW Blockheizkraftwerk
BMU
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
BP British
Petrol
B-Plan Bebauungsplan
CDM
Clean Development Mechanism (Mechanismus für umweltverträgliche
Entwicklung)
CER
Certified Reduction Units (Zertifikate aus CDM-Projekten)
CO
2
Kohlendioxid
CSD
Commission on Sustainable Development
DEHSt Deutsche
Emissionshandelsstelle
DIFU
Deutsches Institut für Urbanistik
ebd. Ebenda
eea®
European Energy Award®
EEG Erneuerbare
Energien
Gesetz
EH-RL Emissionshandelsrichtlinie
EKZ Energiekennzahl
ETS
Emissions Trading System ­ Emissionshandelssystem
EU Europäische
Union
EVU Energieversorgungsunternehmen
ff.
auf den Folgeseiten
GEMIS
Globales Emissions-Modell Integrierter Systeme
GHD
Sektor Gewerbe, Handel und Dienstleistungen
GG Grundgesetz
GVK
Grenzvermeidungskosten

Verzeichnisse
v
GWh Gigawattstunde
HWWA Hamburg
Welt-Wirtschafts-Archiv
i. d. R.
in der Regel
ICLEI
International Council for Local Environmental Initiatives
ifeu
Institut für Energie und Umweltschutz GmbH, Heidelberg
JI
Joint Implementation (,,Gemeinsame Umsetzung")
KEM Kommunales
Energiemanagement
Kfz Kraftfahrzeug
KMU
Kleine und mittlere Unternehmen
KW Kilowatt
KWh Kilowattstunde
MW Megawatt
NP Nationales
Ausgleichsprojekt
PWC PriceWaterhauseCoopers
REN-Programm
Rationelle Energieverwendung und Nutzung unerschöpflicher Energie-
quellen
ROG Raumordnungsgesetz
s. Siehe
s. o.
siehe oben
SO
2
Schwefeldioxid
t Tonne
THG
Treibhausgase
UBA Umweltbundesamt
UNFCCC
United Nation Framework Convention on Climate Change
USA
United States of America ­ Vereinigte Staaten von Amerika
vgl.
Vergleiche
WBGU
Wissenschaftlicher Beirat für Globale Umweltveränderungen

1
1. Einleitung
1.1 Ausgangssituation und Problemstellung
Im Zuge der globalen Klimapolitik wurde die kommunale Ebene bisher weitgehend nicht
berücksichtigt. Konsequenter Klimaschutz auf kommunaler Ebene kann jedoch wesentliche
Beiträge leisten, um die Reduktionsziele im Rahmen des Kyoto-Protokolls und darüber
hinaus zu erreichen. Die Städte und Gemeinden haben zahlreiche Handlungsmöglichkeiten,
mit denen sie eine nachhaltige und klimaverträgliche Entwicklung aktiv gestalten können.
Auf der Konferenz von Rio 1992 wurde explizit die lokale Ebene als Umsetzungsraum ei-
ner Nachhaltigen Entwicklung definiert: ,,Think global, act local" (vgl. BMU 1992: 231ff.).
Um die eingegangen Reduktionsverpflichtungen des Kyoto-Protokolls möglichst kosten-
günstig umzusetzen, wurde in der EU ein eigenständiges Emissionshandelssystem einge-
richtet. Durch den Emissionshandel soll erreicht werden, dass klimawirksame Treibhausga-
se dort vermindert werden, wo dies am wirtschaftlichsten ist. Wer Emissionen kostengüns-
tig vermeiden kann, bietet Zertifikate
1
zum Verkauf an, die wiederum von Emittenten mit
höheren Vermeidungskosten nachgefragt werden. Der Emissionshandel verfolgt einen sekt-
oralen Ansatz, d. h. es werden bislang nur energieintensive Anlagen
2
bestimmter Industrien
erfasst, die zusammen voraussichtlich rd. 46% der gesamten Treibhausgase
in der EU im
Jahr 2010 verursachen werden (vgl. Energieagentur NRW 2004: 7). Es wird gegenwärtig
diskutiert, andere emissionsrelevante Sektoren (zum Beispiel Flugverkehr) in das Handels-
system zu integrieren.
Neben dem Emissionshandel als solchem stehen den betroffenen Akteuren weitere Instru-
mente des Kyoto-Protokolls zur Erreichung ihrer Reduktionsverpflichtungen zur Verfü-
gung. Dies sind vor allem die so genannten projektbasierten Mechanismen Clean Develop-
ment Mechanism (Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung, CDM), Joint Imple-
mentation (Gemeinsame Umsetzung, JI) und Nationale Ausgleichsprojekte (NP). Diese
1
Ein Zertifikat beinhaltet ein ,,marktfähiges Recht auf Inanpruchnahme der Umwelt" (Endres 2000: 127). Ein
Emissionszertifikat bezeichnet ein Instrumentarium der globalen Umweltpolitik, das im Rahmen des
Emissionsrechtehandels eingesetzt wird und zum Ausstoß bestimmter Mengen von klimarelevanten Ga-
sen berechtigt. Alternativ werden die Begriffe Emissionserlaubnisscheine (vgl. Endres 2000: 120), Um-
weltzertifikate, Emissionsberechtigungen, Emissionsrechte, Emissionslizenzen und Verschmutzungs-
rechte verwendet (vgl. Lexikon-Definition 2004).
2
Generell umfasst der Emissionshandel alle energieintensiven Anlagen bzw. Tätigkeiten, die in Anlage I der
Emissionshandelsrichtlinie aufgeführt werden. Dazu zählen z. B.: Feuerungsanlagen mit einer Feue-
rungswärmeleistung > 20 MW, Anlagen zur Herstellung von Kalk, Glas, keramischen Erzeugnissen, Pa-
pier und Pappe
(
vgl. Kommission der europäischen Gemeinschaft 2001 (Emissionshandels-Richtlinie).

1 Einleitung
2
Mechanismen sollen den Emissionshandel ergänzen: Ein Industrieland beteiligt sich dabei
an einem Treibhausgasminderungsprojekt und erhält im Gegenzug eine Emissionsgut-
schrift, die es auf seine Emissionsreduktionsverpflichtung anrechnen lassen oder veräußern
kann. Emissionen
3
lassen sich häufig in Entwicklungs- und Transformationsländern auf-
grund der geringeren Energieeffizienz der Volkswirtschaften kostengünstiger reduzieren als
in den hoch industrialisierten Staaten (vgl. Michaelowa 2004: 137). Für die Projektabwick-
lung muss eine Körperschaft (zum Beispiel ein Unternehmen oder eine Fondsgesellschaft)
des Gastlandes beteiligt werden. Hier stellt sich die Frage, ob die Kommunen
4
mit ihren
bestehenden Kontakten im Rahmen von Städtepartnerschaften und den Erfahrungen in der
entwicklungspolitischen Zusammenarbeit hier als Akteur aktiv werden können. Die Bedeu-
tung des projektbasierten Klimaschutzes durch die Mechanismen CDM, JI und NP für den
kommunalen Klimaschutz ist bislang unter diesem Aspekt noch nicht zusammenfassend
untersucht worden.
Die Kommunen tragen durch die Entwicklung von Klimaschutzkonzepten, der Umsetzung
von konkreten Maßnahmen vor Ort sowie durch den Transport des Klimaschutzgedankens
in die Bevölkerung wesentlich zur Erreichung der nationalen Vereinbarungen zum Klima-
schutz bei. Das besondere Potenzial der kommunalen Klimaschutzpolitik besteht in der
Integration eines breiten Spektrums emissionsrelevanter Handlungsfelder. Dabei befinden
sich die Kommunen in einer Doppelrolle, indem sie zum einen direkt für den Ausstoß von
Emissionen verantwortlich sind (zum Beispiel in den kommunalen Einrichtungen), zum
anderen weil sie weitere emissionsrelevante Akteure über eine Vielfalt von praktischen
Problemlösungsansätzen beeinflussen können. Für die Stadt Heidelberg wurde zum Beispiel
ein umfassendes CO
2
-Minderungskonzept entwickelt und zu großen Teilen bereits umge-
setzt (vgl. ifeu 2004 a). Vor allem in dem Sektor der kommunalen Einrichtungen gibt es
bundesweit noch ein erhebliches Verringerungspotenzial von bis zu 30% (vgl. UBA 2000:
10). Ein wichtiges Handlungsfeld des kommunalen Klimaschutzes liegt im Bereich der
3
Die Begriffe Emissionen, Treibhausgase und CO2 werden in der Arbeit synonym verwendet. Unter Treib-
hausgasen (THG) werden in dieser Arbeit die sechs sog. Kyoto-Gase gefasst: Kohlendioxid CO2, Methan
(CH4), Distickstoffoxid (N2O), Teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (H-FkW/HFC), Perfluorierte,
Kohlenwasserstoffe (FKW/PFC), Schwefelhexafluorid (SF6) (vgl. Oberthühr/Ott 2000: 418). Die Kyoto-
Gase werden zur Vereinfachung aufgrund ihrer Klimawirksamkeit (Global Warming Potential) faktori-
siert und auf einen Nenner gebracht, welcher sich in CO2-Äquivalente ausdrückt. Das Klimagas Methan
hat z.B. eine 23-mal höhere Treibhausgaswirkung als CO
2
. 100 t Methan bedeuten demnach 2.300 t CO2-
Äuquivalente (vgl. Fischer/Kallen 1997: 87.).
4
Kommune wird hier wie folgt definiert: Kommune umfasst die Stadt, die Gemeinde und den Kreis; Träger der
kommunalen Selbstverwaltung; Kommune ist Gebietskörperschaft, ist also auf ein Territorium bezogen
und hat Rechtspersönlichkeit (vgl. Dieckmann 1995: 543). Kommune wird deshalb als politisch-
administrative Institution betrachtet, welche als Akteur wesentliche Entscheidungskraft bei der Umset-

1 Einleitung
3
räumlichen Planung. Planungsrelevante Instrumente können einen wesentlichen Beitrag
zum kommunalen Klimaschutz im Sinne einer nachhaltigen Raumentwicklung leisten, z.B.
durch eine energieeffiziente Bauleitplanung und durch die Entwicklung von emissionsärme-
ren Energie- und Verkehrskonzepten. Der Zusammenhang zwischen dem Emissionshan-
delssystem als umweltökonomischem Instrument, den Kommunen als räumliche Umset-
zungsebene und der Bauleitplanung als maßgeblichem Instrument des Städtebaurechts wur-
de bislang noch nicht untersucht.
Häufig stehen politische Hemmnisse und finanzielle Restriktionen der Umsetzung von in-
novativen Klimaschutzlösungen im Wege. Auch vor dem Hintergrund knapper öffentlicher
Haushaltskassen sind die Möglichkeiten zu prüfen, inwiefern das Emissionshandelssystem
­ welches hauptsächlich eine höhere Kosteneffizienz im Gegensatz zu beispielsweise ord-
nungsrechtlichen Instrumenten verspricht ­ für die kommunale Ebene als praktikables In-
strument eingesetzt werden kann.
1.2 Ziel der Arbeit
Im Rahmen dieser Arbeit wird analysiert, ob und wieweit ein ursprünglich räumlich für die
globale Klimaschutzpolitik und thematisch für den Sektor Industrie- und Energiewirtschaft
konzipiertes Instrument wie das Emissionshandelssystem auf die kommunale Ebene über-
tragen werden kann. Das Emissionshandelssystem besteht aus verschiedenen Instrumenten,
die jeweils gesondert für die kommunale Handlungsebene betrachtet werden. Diese umfas-
sen:
· den Emissionshandel, d. h. den Handel mit Emissionszertifikaten zwischen
Unternehmen, die von der EU-Emissionshandelsrichtlinie betroffen sind;
· den projektbasierten Klimaschutz: Darunter werden die Instrumente Clean Deve-
lopment Mechanism (CDM), Joint Implemenation (JI) und Nationale Ausgleichs-
projekte (NP) verstanden. Diese Instrumente sollen den Emissionshandel ergänzen,
indem CO
2
-Einsparungen aus umgesetzten Klimaschutzprojekten für Reduktions-
verpflichtungen zusätzlich genutzt werden dürfen.
zung von Maßnahmen zukommt. Die Kommune bezeichnet also in erster Linie nicht die Fläche eines
Gemeindegebietes.

1 Einleitung
4
Mit der vorliegenden Arbeit werden die möglichen Beitrage des EU-
Emissionshandelssystems für den kommunalen Klimaschutz analysiert und Übertragungs-
potenziale für die kommunale Ebene identifiziert. Hauptziel der Arbeit ist die Entwicklung,
Darstellung und Bewertung von Handlungsansätzen zur Verbesserung des kommunalen
Klimaschutzes unter Einbeziehung der oben genannten Instrumente des EU-
Emissionshandelssystems. Durch die Handlungsansätze können zukünftig neue Anreiz-
strukturen im Bereich des kommunalen Klimaschutzes entstehen, welche dazu beitragen,
kosteneffiziente CO
2
-Reduktionen zu realisieren. Da der kommunale Klimaschutz wesent-
lich durch planungsrelevante Instrumente gesteuert werden kann, wird insbesondere über-
prüft, welche Bedeutung der Bauleitplanung als wichtigstem Instrument der kommunalen
Planungshoheit im Kontext der Handlungsansätze zukommt.

5
1.3 Aufbau
Der Aufbau und die Struktur der Arbeit werden in der Abb. 1 veranschaulicht. Die einge-
rundeten Ziffern am Rand der einzelnen Überschriften der Abbildung visualisieren die Ka-
pitelnummern bis zur zweiten Gliederungsebene.
Ausgehend von der Darstellung der Ausgangssituation und Problemstellung, der Zielset-
zung, dem Aufbau der Arbeit und der angewendeten Methodik in der Einleitung
(Kapitel 1),
werden in Kapitel 2 die notwendigen Grundlagen für die Formulierung der Handlungsan-
sätze erarbeitet:
Im ersten Abschnitt (Kapitel 2.1) werden das Kyoto-Protokoll und das EU-
Emissionshandelssystem näher vorgestellt. Dazu gehört zum einen die Erläuterung der
Funktionsweise des Emissionshandels, zum anderen die Vorstellung des projektbasierten
Klimaschutzes (CDM, JI und NP) im Rahmen des Emissionshandels. Der erste Abschnitt
wird abgeschlossen, in dem die bisherige Relevanz des Emissionshandelssystems für die
kommunale Ebene herausgestellt wird.
Abb. 1: Aufbau und Struktur der Arbeit

2 Grundlagen
6
ZUSAMMENFASSUNG
GRUNDLAGEN
Raumplanung und
kommunaler
Klimaschutz
Kyoto-Protokoll und
das EU-Emissions-
handelssystem
Kommunaler
Klimaschutz
EINLEITUNG
1
2
Städtepartnerschaften
und projektbasierter
Klimaschutz
3.1
Ökosiedlungen als
Nationale Ausgleichs-
projekte
3.2
ERGEBNISSE UND EMPFEHLUNGEN
BEWERTUNG DER HANDLUNGSANSÄTZE
Fazit
Emissionshandel für
kommunale
Einrichtungen
3.3
4
2.1
5
2.2
2.3
Problemstellung
Zielsetzung
Aufbau
Methodik
HANDLUNGSANSÄTZE
CO
2
-
Reduktions-
potenzial
Umsetzungs-
potenzial und
Hemmnisse
Sekundäre
Effekte
Steuerungsmö-
glichkeiten der
Bauleitplanung
3
6
4.4
4.3
4.2
4.1
1.4
1.3
1.2
1.1
Städtepartnerschaften
und projektbasierter
Klimaschutz
5.1
Ökosiedlungen als
Nationale Ausgleichs-
projekte
5.2
Emissionshandel für
kommunale
Einrichtungen
5.3
5.4
Quelle: eigene Darstellung
Es folgt der zweite Abschnitt (Kapitel 2.2) des Grundlagenteils, in dem der kommunale
Klimaschutz untersucht wird. Da letztendlich der zukünftige Beitrag des EU-

2 Grundlagen
7
Emissionshandelssytems für den kommunalen Klimaschutz in der Arbeit ermittelt werden
soll, ist es notwendig, sich den gegenwärtigen Stand der kommunalen Klimaschutzaktivitä-
ten vor Augen zu führen, um mögliche Anknüpfungspunkte aufzudecken. Nach einer Ein-
führung und notwendigen Begriffsbestimmungen wird das Instrument der kommunalen
CO
2
-Bilanzierung vorgestellt. Sie dient als Entscheidungsgrundlage für Klimaschutzmaß-
nahmen und erhebt in unterschiedlicher Detailtiefe die Emissionen in den jeweiligen kom-
munalen Energieverbrauchssektoren. In ihr werden aber nicht die qualitativen Aspekte ab-
gebildet, denen im kommunalen Klimaschutz eine wichtige Bedeutung zukommt. Diese
Lücke wird durch einen Exkurs geschlossen, in dem ein Energiemanagementsystem vorge-
stellt wird, welches die Energie- und Klimaschutzaktivitäten in den Kommunen systema-
tisch untersucht und evaluiert.
In dem darauf folgenden Abschnitt (Kapitel 2.3) wird insbesondere das Verhältnis zwischen
Raumplanung und kommunalem Klimaschutz untersucht. Nach einer terminologischen Ab-
grenzung des Begriffs Raumplanung werden die Bezüge zum kommunalen Klimaschutz
aufgezeigt. Aufgrund der komplexen Beziehungen zwischen Raumplanung und dem loka-
len Klimaschutz wird an dieser Stelle vor allem das Instrument der Bauleitplanung heraus-
gegriffen.
Im letzten Abschnitt des Grundlagenteils (Kapitel 2.4) werden die Ergebnisse des Grundla-
genteils zusammengeführt und die Auswahl der drei Handlungsansätze wird begründet.
Aufbauend auf den Ergebnissen des Grundlagenteils folgt in Kapitel 3 die Entwicklung und
Darstellung von Handlungsansätzen für Kommunen zur Verbesserung des kommunalen
Klimaschutzes. Diese Ansätze beziehen sich jeweils auf ein Instrument des Emissionshan-
delssystems (projektbasierter Klimaschutz: CDM; projektbasierter Klimaschutz: NP; Emis-
sionshandel).
Der erste Handlungsansatz Städtepartnerschaften und projektbasierter Klimaschutz (Kapitel
3.1) untersucht, welche Bedeutung der projektbasierte Mechanismus CDM für Kommunen
hat. Zu diesem Ansatz gehört eine kurze Einführung in das Thema Städtepartnerschaften in
Deutschland. Anhand des Fallbeispiels der Stadt Hamburg werden die Ausgangsbedingun-
gen für die Durchführung von CDM-Projekten im Rahmen des EU-
Emissionshandelssytems untersucht. Hierauf aufbauend wird ein bereits existierendes Kon-
zept für die Nutzung des Instruments CDM unter Einbeziehung von Städtepartnern in Ham-
burg vorgestellt.

2 Grundlagen
8
Beim zweiten Handlungsansatz (Kapitel 3.2) geht es um die mögliche Integration von Öko-
siedlungen als Nationale Ausgleichsprojekte in das EU-Emissionshandelssystem. Zunächst
wird der Bezug zum EU-Emissionshandelssystem hergestellt und diskutiert, welche Emis-
sionen grundsätzlich einer Siedlung zuzurechnen sind. Anhand des Fallbeispiels der Öko-
siedlung Hannover-Kronsberg werden die Emissionen der Ökosiedlung mit denen einer
nach konventionellen Standards errichteten Referenzsiedlung verglichen und die erzielten
CO
2
-Einsparungen in handelbare Zertifikate umgerechnet.
Der dritte Handlungsansatz (Kapitel 3.3) findet außerhalb des gegenwärtigen EU-
Emissionshandelssystems statt und nutzt die Theorie des Zertifikatehandels für den Emissi-
onshandel für kommunale Einrichtungen. Der Einstieg erfolgt über eine kurze Einführung
in den Energieverbrauchssektor kommunale Einrichtungen. Hierauf aufbauend erfolgt die
Bearbeitung des eigentlichen Handelsmodells für die kommunalen Einrichtungen. Zum
Abschluss des Kapitels werden die möglichen Auswirkungen des Handelsmodells auf die
Einrichtungen der Stadt Augsburg untersucht.
In Kapitel 4 erfolgt schließlich die Bewertung der Handlungsansätze, die in Kapitel 3 vor-
gestellt wurden. Dazu werden
ausgehend von dem eingangs definierten Ziel, den kommuna-
len Klimaschutz zu verbessern, die Bewertungskriterien CO
2
-Reduktionspotenzial, Umset-
zungspotenzial und Hemmnisse, Steuerungsmöglichkeiten der Bauleitplanung sowie sekun-
däre Effekte ausgewählt und erläutert. Die Kriterien werden im Folgenden auf jeden Hand-
lungsansatz separat angewendet.
In Kapitel 5 werden die Ergebnisse aus der Bewertung der Arbeit zusammengefasst, Emp-
fehlungen für kommunalen Entscheidungsträger abgeleitet sowie offene Fragestellungen der
einzelnen Handlungsansätze diskutiert.
Die Zusammenfassung im letzten Kapitel (Kapitel 6) bildet den Abschluss der Diplomar-
beit.
1.4 Methodik
Das Thema Emissionshandel ist vor allem seit der Einführung gemäß der EU-
Emissionshandelsrichtlinie Gegenstand zahlreicher Untersuchungen. Die Disziplin Raum-
planung hat sich bislang nur am Rande mit den raumrelevanten Aspekten des Emissions-
handels auseinandergesetzt (vgl. Zimmermann 2004). Dementsprechend ist das Thema

2 Grundlagen
9
weitgehend neuartig und musste erst grundsätzlich erarbeitet werden. Zu diesem Zweck
wurden Experteninterviews mit Fachleuten aus Wissenschaft und Praxis geführt. Die
Grundlagen der Arbeit (Kapitel 2) wurden im Rahmen einer umfangreichen Literaturre-
cherche erarbeitet. Der konzeptionelle Teil der Arbeit besteht aus drei Handlungsansätzen,
die speziell für Kommunen entwickelt werden bzw. worden sind. In jedem Handlungsansatz
werden Analyseelemente integriert, um die Lesbarkeit und Verständlichkeit zu erhöhen.
Eine strikte Trennung von Analyse und Konzept ist im Kontext dieser Arbeit nicht zielfüh-
rend und hätte den Umfang des Grundlagenteils gesprengt sowie die Zuordnung zu den
einzelnen Handlungsansätzen erschwert.
Die Handlungsansätze unterscheiden sich jeweils in der methodischen Herangehensweise.
Der erste Handlungsansatz Städtepartnerschaften und projektbasierter Klimaschutz (Kapitel
3.1) basiert auf verfügbarer Literatur in diesem Bereich. Dabei wird ein im Wesentlichen
bestehendes Konzept vorgestellt und in den Kontext der Zielsetzung der Arbeit eingeordnet
und bewertet. Der zweite Handlungsansatz Ökosiedlungen als Nationale Ausgleichsprojekte
(Kapitel 3.2) nutzt Untersuchungen des ifeu-Institutes Heidelberg über den Stadtteil Hanno-
ver Kronsberg. Die durchgeführten Berechnungen und die Einordnung in den Kontext des
EU-Emissionshandelssystems in diesem Teil werden eigenständig durchgeführt bzw. erar-
beitet. Im letzten Handlungsansatz Emissionshandel für kommunale Einrichtungen (Kapitel
3.3) wird ein eigenes Modell entwickelt, welches zum einen auf Analogien zum EU-
Emissionshandel basiert und zum anderen auf z. T. unveröffentlichtes Material zurückgreift.
Expertengespräche
Als Erhebungsmethode wird das mündliche leitfadengestützte Expertengespräch gewählt
(vgl. Kromny 1991: 287). Vorbereitet wurde vom Autor ein Gesprächsleitfaden (s. An-
hang), der zum überwiegenden Teil offene Fragestellungen zu den unten abgegrenzten
Themenbereichen enthält. Der Vorteil der offenen Fragestellungen liegt einerseits darin,
dem Befragten die Möglichkeit zu geben, den Verlauf und die Struktur des Gesprächs aktiv
mitzugestalten. Andererseits hat auch der Interviewer die Möglichkeit, auf bestimmte The-
men näher einzugehen (vgl. Schnell et al. 1992: 330 ff.).
Nach Diekmann (1995: 414) besteht der erste Schritt im Rahmen eines Interviews darin,
Hypothesen oder die deskriptiven Ziele der Befragung zu benennen. Weitere Schritte sind
die Auswahl der Interviewpartner und die Absprache von Gesprächsterminen sowie die
Konstruktion und Überprüfung des Gesprächsleitfadens. Bei der Entwicklung eines Frage-
bogens muss auf mehrere Aspekte geachtet werden. Dazu zählt, dass der Bogen klar, kurz,

2 Grundlagen
10
verständlich und übersichtlich gehalten sein muss (vgl. Friedrichs 1990: 236). Unterschie-
den wird die so genannte Makroplanung und Mikroplanung. Nachdem die deskriptiven
Ziele der Untersuchung formuliert sind, werden in der Makroplanung thematische Blöcke
festgelegt. In diesem Fall wurden die vier thematischen Blöcke Emissionshandel allgemein,
projektbasierte Mechanismen im Emissionshandel, kommunaler Klimaschutz und CO
2
-
Bilanzierung und kommunaler Emissionshandel gebildet. In der Mikroplanung werden dann
für jeden thematischen Block die jeweiligen Einzelfragen formuliert und in einer sinnvollen
Reihenfolge zusammengestellt (vgl. Diekmann 1995: 414).
Auswahl der Experten
Da die Arbeit ein breites inhaltliches Themenspektrum umfasst, wurden Experten unter-
schiedlicher Fachrichtungen ausgewählt. Dieses sind zunächst Personen aus Wissenschaft
und Praxis, die zu aktuellen Fragen des Emissionshandels und des kommunalen Klima-
schutzes arbeiten. Außerdem wurde mit Personen von privaten Beratungsunternehmen Kon-
takt aufgenommen, um die eigens entwickelten Ideen einschätzen zu können. Die Liste mit
den befragten Personen sowie die entsprechenden Gesprächsprotokolle sind im Anhang zu
finden.
Durchführung der Interviews
Die Experteninterviews wurden im Zeitraum September 2004 bis Januar 2005 durchgeführt.
Als Ort der Befragung diente in den meisten Fällen das Büro der Befragten an ihrem Ar-
beitsplatz. Der Gesprächsleitfaden wurde den entsprechenden Personen bereits einige Tage
vor dem Interview zugesendet, hierdurch wurde den befragten Personen die Möglichkeit
gegeben, sich auf das Gespräch vorzubereiten. Die Dauer der Interviews lag durchschnitt-
lich bei eineinhalb bis zwei Stunden. Die entscheidenden Aussagen der Interviewten wur-
den protokolliert. Die Erkenntnisse aus den leitfadengestützten Experteninterviews wurden
im Anschluss der Befragung strukturiert und den jeweiligen thematischen Blöcken zuge-
ordnet.

2 Grundlagen
11
2. Grundlagen
Die Grundlagen der Arbeit setzen sich aus drei Teilen zusammen. Der erste Teil (Kapitel
2.1) umfasst die Erläuterung des politischen und rechtlichen Rahmes des EU-
Emissionshandelsystems. Im zweiten Teil (Kapitel 2.2) wird der kommunale Klimaschutz
analysiert, um einerseits Defizite und anderseits Anknüpfungspunkte für die weiter Arbeit
zu identifizieren. Im danach folgenden dritten Teil (Kapitel 2.3) wird die Bedeutung der
Instrumente der Raumplanung für den kommunalen Klimaschutz schwerpunktmäßig analy-
siert und deren Bedeutung für den weiteren Fortlauf der Arbeit herausgestellt. Im letzten
Kapitel des Grundlagenteils (Kapitel 2.4) werden die Anforderungen und Vorraussetzungen
des EU-Emissionshandelssystem sowie des kommunalen Klimaschutzes zusammengeführt
und Handlungsansätze für Kommunen abgeleitet.
2.1 Das Kyoto-Protokoll und das EU-Emissionshandelssystem
Das Kyoto-Protokoll aus dem Jahre 1997 verpflichtet die beteiligten 39 Industriestaaten,
den Ausstoß klimaschädlicher Gase bis 2012 um 5,2% gegenüber 1990 zu senken. Bislang
haben 141 Staaten das Protokoll ratifiziert, dabei haben Entwicklungsländer bislang keine
Reduktionsverpflichtungen übernommen (vgl. BMU 2005). Das Kyoto-Protokoll kann erst
der Anfang im multilateralen Klimaschutz sein, da sich die Wissenschaft weitestgehend
einig ist, das die Treibhausgasverringerung wesentlich höher ausfallen muss, um den Kli-
mawandel wirksam abzumildern (vgl. Potsdam Institut für Klimafolgenforschung 2004; vgl.
WGBU 2003). Klimaszenarien verdeutlichen, dass zur Stabilisierung des bestehenden CO
2
-
Niveaus in der Atmosphäre eine sofortige Reduktion der CO
2
-Emissionen auf weniger als
20% des heutigen Gesamtausstoßes erforderlich wäre (vgl. Lucht/Spangenberg 2004: 5).
Damit das Protokoll in Kraft treten kann, muss es von mindestens 55 Vertragsstaaten ratifi-
ziert werden, die zusammen mindestens 55% der CO
2
-Emissionen der Industrieländer auf
der Basis des Ausstoßes von 1990 auf sich vereinigen müssen. Nachdem Russland das Kyo-
to-Protokoll im Jahr 2004 ratifiziert hat, konnte es am 16. Februar 2005 offiziell in Kraft
treten (vgl. BMU 2005).
Zur Umsetzung der Zielvorgaben erlaubt das Kyoto-Protokoll zusätzlich zu den vorhande-
nen umweltpolitischen Instrumenten (Ordnungspolitische Eingriffe, Steuerrechtliche Maß-
nahmen, Selbstverpflichtung der Wirtschaft) den Einsatz von umweltökonomischen Instru-
menten, den sog. flexiblen Mechanismen der internationalen Klimapolitik (vgl. Energie-

2 Grundlagen
12
agentur NRW 2004: 6). Diese umfassen den internationalen Emissionshandel und die sog.
projektbasierten Mechanismen Clean Development Mechanism (vgl. Artikel 12 des Kyoto-
Protokolls) und Joint Implementation (vgl. Artikel 6 des Kyoto-Protokolls).
Die Europäische Union hat das Kyoto-Protokoll ebenfalls ratifiziert und will das Redukti-
onsziel gemeinsam durch alle Mitgliedstaaten erreichen. Im Rahmen dieser Zielgemein-
schaft hat sie sich verpflichtet, die durchschnittlichen Emissionen während der Jahre 2008
bis 2012 um acht Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 zu verringern. Innerhalb der EU
werden diese Reduktionsverpflichtungen unterschiedlich auf die Mitgliedsstaaten aufgeteilt.
Deutschland hat sich im Rahmen dieser EU-internen Lastenverteilung (Burden Sharing)
bereit erklärt, 21% einzusparen.
Um die eingegangen Reduktionsverpflichtungen auf europäischer Ebene möglichst kosten-
günstig umzusetzen, wurde in der EU eigenständiges Handelssystem eingerichtet, welches
mit den Reduktionsverpflichtungen des Kyoto-Protokolls und der Lastenverteilung inner-
halb der EU kompatibel ist. In dieses System wurde auch die Nutzung der projektbasierten
Mechanism CDM und JI integriert, die später näher vorgestellt werden. Der europäische
Emissionshandel zusammen mit den projektbasierten Mechanismen wird im Folgenden als
EU-Emissionshandelsystem (EU Emissions Trading System- EU-ETS) bezeichnet.
Abb. 2 verschafft einen ersten Überblick über den Instrumenteneinsatz zur Erreichung der
Kyoto-Reduktionsziele.

2 Grundlagen
13
Abb. 2: Instrumenteneinsatz zur Erreichung der Kyoto-Reduktionsziele
Kyoto-Reduktionsziele
EU-Emissionshandelssystem
Emissionshandel
Nationale Maßnahmen in
den EU-Staaten
Ordnungspolitik,
Selbstverpflichtungen;
Steuerrechtliche und
sonstige Maßnahmen
Clean Development
Mechanism (CDM)
Joint Implementation
(JI)
Nationale Ausgleichsprojekte (NP)
(noch nicht zugelassen)
Verkehr
Industrie
Raumwärme
Kleinverbrauch
Abfallwirtschaft
Land- und Forstwirtschaft
Abfallwirtschaft
Sonstige Treibhausgase
neben den Kyoto-Gasen
Kyoto-Reduktionsziele
EU-Emissionshandelssystem
Emissionshandel
Nationale Maßnahmen in
den EU-Staaten
Ordnungspolitik,
Selbstverpflichtungen;
Steuerrechtliche und
sonstige Maßnahmen
Clean Development
Mechanism (CDM)
Joint Implementation
(JI)
Nationale Ausgleichsprojekte (NP)
(noch nicht zugelassen)
Verkehr
Industrie
Raumwärme
Kleinverbrauch
Abfallwirtschaft
Land- und Forstwirtschaft
Abfallwirtschaft
Sonstige Treibhausgase
neben den Kyoto-Gasen
Quelle: eigene Darstellung nach Energieagentur NRW 2004
2.1.1 Funktionsweise des Emissionshandels
Wer klimaschädliches Kohlendioxid ausstößt, muss im Emissionshandel die Summe der
Emissionen über eine ausreichende Zahl an CO
2
-Emissionszertifikaten abdecken. Die E-
missionsrechte werden über den sog. Nationalen Allokationsplan (NAP) den Anlagen zuge-
teilt. Aus diesem geht hervor, wie viele Emissionszertifikate ein Mitgliedstaat der EU im
Dreijahreszeitraum 2005 ­ 2007 (erste Handelsperiode) insgesamt zuzuteilen beabsichtigt
und wie diese Zertifikate auf die betroffenen Anlagen verteilt werden sollen (vgl. NAP
2004).
Stehen dem Verursacher nicht genügend Zertifikate zur Verfügung, kann er seinen Ausstoß
durch den Einbau klimafreundlicher Technologien verringern oder zusätzliche Zertifikate
erwerben. Die Gesamtmenge an Berechtigungen ist hierbei begrenzt. Ein Zukauf an Berech-

2 Grundlagen
14
tigungen bedeutet damit, dass an anderer Stelle CO
2
vermindert wurde. Für den weltweiten
Klimaschutz ist es unerheblich, wo Treibhausgas-Emissionen abgebaut werden ­ entschei-
dend ist, dass sie insgesamt abgebaut werden.
Das EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS) hat zum Ziel, den Ausstoß des klimaschädli-
chen Gases CO
2
ökonomisch effizient zu begrenzen. Die europäische Kommission schätzt
den gesamteuropäischen Kostenvorteil gegenüber konventionellen Instrumenten auf rd. 2,4
Mrd. pro Jahr (vgl. Kommission der europäischen Gemeinschaften 2001: 50).
Den Wirtschaftssektoren Energie und Industrie und jeder betroffenen Anlage werden Min-
derungsziele zugeordnet und in diesem Umfang Emissionsberechtigungen kostenlos zur
Verfügung gestellt. Diese Zuteilungsmethode wird als Grandfathering
5
bezeichnet. Die
Berechtigungen sind handelbar und dienen so als eine Art Gutschrift. Erreicht das Unter-
nehmen die Ziele durch eigene CO
2
-Minderungsmaßnahmen, kann es nicht benötigte Be-
rechtigungen am Markt verkaufen. Alternativ kann es Berechtigungen am Markt zukaufen,
wenn eigene Minderungsmaßnahmen teurer ausfallen würden. Welche Option ein Unter-
nehmen wählt, hängt von den internen Grenzvermeidungskosten
6
(GVK) des Unternehmens
ab.
Erfüllt das Unternehmen seine Minderungsverpflichtung nicht, werden Sanktionen fällig,
die in der ersten Handelsperiode (2005-2007) 40 pro Tonne Kohlendioxid betragen. Die
nicht erreichte Minderungsverpflichtung muss im Folgejahr zusätzlich erbracht werden.
Dazu ein Beispiel (s. Abb. 3): Die Unternehmen A und B sollen zusammen 10% ihrer E-
missionen abbauen. Während für das Unternehmen B die notwendigen Investitionen zum
Emissionsabbau relativ hoch sind, sind die Investitionen im Unternehmen A niedriger.
Durch den Emissionshandel ist es für das Unternehmen A wirtschaftlich attraktiv, 20% sei-
ner Emissionen abzubauen und die dann nicht genutzten Emissionsrechte an das Unterneh-
men B, das selbst keine Emissionsminderung umgesetzt hat, zu verkaufen. Das Klima-
schutz-Ziel ist in jedem Fall erreicht: 10% der Emissionen der Unternehmen A und B wur-
den abgebaut
7
(vgl. Deutsche Emissionshandelsstelle - DEHSt 2004).
5
Zu den verschieden Möglichkeiten der Zuteilung von Emissionszertifikaten siehe auch: Endres 2000: 127.
6
Grenzvermeidungskosten (auch Marginal abatement costs, MAC): Die bei der Vermeidung einer zusätzlichen
Tonne von Treibhausgasen bezogen auf das aktuelle Niveau entstehenden Kosten (vgl. Energieagentur
NRW 2004: 80).
7
Umfangreiche Informationen zu politischen, rechtlichen und technischen Aspekten des Emissionhandels: s.
Lucht, Michael; Spangenberg, Gorden (Hrsg.) (2004): Emissionshandel ­ Ökonomische Prinzipien,
rechtliche Regelungen und technische Lösungen für den Klimaschutz; Oberhausen. Springer Verlag.

2 Grundlagen
15
Abb. 3: Prinzip des Emissionshandels
Anlage
A
Anlag
e B
Bisheriger CO
2
-Ausstoß:
5.000 t
Verfügbare Zertifikate:
4.500 t
Zukünftiger CO
2
-Ausstoß:
4.000 t
Verkauf: 500 t
Bisheriger CO
2
-Ausstoß:
5.000 t
Verfügbare Zertifikate:
4.500 t
Zukünftiger CO
2
-Ausstoß:
5.000 t
Zukauf: 500 t
Das Ziel der CO
2
-Minderung ist erreicht. Anlage A hat mit dem Verkauf der
Zertifikate Geld verdient, Anlage B hat sich aufwändige Investitionen erspart
Anlage
A
Anlag
e B
Bisheriger CO
2
-Ausstoß:
5.000 t
Verfügbare Zertifikate:
4.500 t
Zukünftiger CO
2
-Ausstoß:
4.000 t
Verkauf: 500 t
Bisheriger CO
2
-Ausstoß:
5.000 t
Verfügbare Zertifikate:
4.500 t
Zukünftiger CO
2
-Ausstoß:
5.000 t
Zukauf: 500 t
Das Ziel der CO
2
-Minderung ist erreicht. Anlage A hat mit dem Verkauf der
Zertifikate Geld verdient, Anlage B hat sich aufwändige Investitionen erspart
Quelle: eigene Darstellung nach Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) 2004
Emissionshandel in Deutschland
In Deutschland nehmen 1.849 Anlagen von rund 1.200 Unternehmen der Sektoren Energie
und Industrie am EU-Emissionshandelssystem teil (vgl. BMU 2004 b). Aufgrund ihrer Grö-
ße stoßen die in Nordrhein-Westfalen installierten Anlagen rund 40 Prozent aller bundes-
weiten Kohlendioxid-Emissionen aus (vgl. Ministerium für Verkehr, Energie und Landes-
planung NRW 2005). Im Durchschnitt der Jahre 2000-2002 betrugen die CO
2
-Emissionen
der Sektoren Energie und Industrie 505 Mio. t. CO
2
. Die Menge wird dann um einen sog.
Erfüllungsfaktor reduziert, d. h. die Zertifikatsmenge wird insgesamt reduziert, um die Un-
ternehmen zu Emissionsreduktionen an ihren Anlagen zu bewegen. Daraus ergibt sich eine
Gesamtmenge von 480 Mio. t pro Jahr, die die Unternehmen bis 2012 emittieren dürfen.
Diese Menge wird nun den betroffenen Unternehmen als Emissionszertifikate zur Verfü-
gung gestellt. Das bedeutet, dass sie insgesamt diese Menge an CO
2
verursachen dürfen.
Das entspricht eine durchschnittliche Reduktion um 3,4% (vgl. Zahrnt 2004: 59).

2 Grundlagen
16
Die Kommunen sind bislang nur als Besitzer von entsprechenden Anlagen direkt von dem
Emissionshandel betroffen: aktuell nehmen bundesweit 160 kommunale Versorgungsunter-
nehmen mit ca. 400 Anlagen am Emissionshandel teil.
8
Das bedeutet, dass sich rd. 21% der
vom Emissionshandel betroffenen Anlagen im kommunalen Besitz befinden.
Effizienzvorteile gegenüber anderen umweltpolitischen Instrumenten
Beim Zertifikatshandel wird das angestrebte Minderungsziel im theoretischen Modell in
jedem Fall erreicht. Allerdings weiß man im Voraus nicht genau, wie hoch der Zertifikats-
preis sein wird, damit der Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage nach Zertifikaten
zustande kommt. Vergleicht man den Zertifikatshandel zum Beispiel mit der Ökosteuer,
stellt sich die Situation anders dar. Hier wird der Preis für die Energieträger (z.B. Mineralöl)
festgesetzt. Damit lässt sich aber keine Aussage über den tatsächlichen Verbrauch durch die
Marktteilnehmer abzeichnet. Obwohl auch hier das Ziel verfolgt wird, den Verbrauch von
Energie zu reduzieren, kann im Hinblick auf dieses Ziel die Abgabe zu hoch oder zu niedrig
gewählt worden sein. Allerdings können die Marktakteure aufgrund der langfristig festge-
legten Steuersätze bessere Wirtschaftlichkeitsberechnungen durchführen und Investitionen
planen (vgl. Baake 2004). Die Zertifikate hingegen können erheblichen Schwankungen
unterworfen sein (vgl. Endres 2000: 171ff.). Während die Ökosteuer die grundsätzliche
Möglichkeit bietet, die angestrebten Einsparziele zu übertreffen, bietet der Zertifikatshandel
diesen Anreiz nicht. Sobald die erzielten Emissionsminderungen größer sind als das gesetz-
te Minderungsziel, zerfällt die Nachfrage nach Zertifikaten und der Preis geht gegen Null.
9
Versucht man ein bestimmtes Umweltziel durch Auflagen zu erreichen (z.B. jeder Haus-
besitzer muss eine Wärmedämmung an seinem Haus anbringen, die festgelegten Mindestan-
forderungen entspricht), so wird das Umweltziel durch individuelle, nicht übertragbare
Verpflichtungen verfolgt. Dieser Weg ist jedoch sehr kostenintensiv und führt zu individu-
ellen Härten sowie einem erheblichen Kontrollaufwand (vgl. Baake 2004). Bei einer Ener-
gie- oder Ökosteuerlösung kann sich der betroffene Marktteilnehmer der Steuerbelastung
(teilweise) entziehen, indem er entsprechende Maßnahmen zur Effizienzsteigerung im E-
nergiebereich (zum Beispiel effizientere Beleuchtung) oder durch die Umstellung auf koh-
lenstoffärmere Brennstoffe in seinem Handlungsbereich durchführt. Dem Markteilnehmer
wird also nicht vorgeschrieben, in welchem Bereich er etwas ändern muss. Er wird diejeni-
8
Auskunft von Wolfgang Prangenberg, Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Verbandes kommunaler
Unternehmen e.V. (VKU). am 01.02.2005.
9
Eine ausführliche Diskussion der Vor- und Nachteile von umweltpolitischen Instrumenten findet sich in
Endres 2000: 117-185.

2 Grundlagen
17
gen Maßnahmen umsetzen, die er für wirtschaftlich am interessantesten hält. Eine Zertifi-
katslösung begrenzt die Inanspruchnahme eines bestimmten Umweltgutes (in diesem Falle
klimarelevante Gase). Sie lässt durch den Handel von Zertifikaten aber offen, an welchen
Stellen die Emissionsminderungsmaßnahmen durchgeführt werden. Durch die Handelbar-
keit der Zertifikate wird bewirkt, dass ­ ein funktionierender Markt vorausgesetzt ­ die E-
missionseinsparungen dort vorgenommen werden, wo sie im Hinblick auf alle verpflichte-
ten Akteure am wirtschaftlichsten realisiert werden können.
Praktische Erfahrungen mit dem Handel von CO
2
-Zertifikaten gibt es hingegen wenige. In
Dänemark sind Kraftwerksbetreiber seit 1999 verpflichtet, mit Verschmutzungsrechten zu
handeln. In Großbritannien existiert seit 2001 ein nationales Emissionshandelssystem auf
freiwilliger Basis, welches seit 2005 in das EU-Emissionshandelssystem überführt worden
ist (vgl. UK Department for Environment, Food and Rural Affairs 2004). Außerdem gibt es
in den USA seit 1990 ein SO
2
-Handelssystem zur Bekämpfung des Sauren Regens (vgl.
Endres 2000: 137-140).
Einige Erfahrungen liegen auch mit internen Modellen eines Zertifikatshandels zwischen
einzelnen Betrieben eines Unternehmens vor (zum Beispiel BP)
10
. Weiterhin wurden so-
wohl in Hessen
11
als auch in Baden-Württemberg
12
Simulationen mit interessierten Unter-
nehmen durchgeführt. Es handelt sich in beiden Fällen um eine Simulation des Emissions-
handels, ohne dass ,,echte CO
2
-Zertfikate" gehandelt wurden.
2.1.2 Projektbasierter Klimaschutz beim Emissionshandel
Das Kyoto-Protokoll erlaubt den industrialisierten Ländern (Annex-B-Staaten)
13
- d.h. jenen
Vertragsstaaten des Protokolls, die sich zu einer Emissionsreduktion von Treibhausgasen
verpflichtet haben - die Nutzung der so genannten projektbasierten Mechanismen Joint
Implementation (JI) und Clean Development Mechanism (CDM). Dabei beteiligt sich ein
Annex-B-Staat - oder ein von diesem Staat anerkanntes Unternehmen - an einem Treib-
hausgasminderungsprojekt im Ausland. Hierzu zählen z.B. Projekte im Bereich der erneu-
10
Zur Funktionsweise des BP-internen Emissionshandels: vgl. Future e. V. 2004.
11
ERM Lahmeyer (2001): Pilotprojekt ,,Planspiel zum CO
2
-Emissionshandel". Abschlussbericht ­ Ergebnisse
und Empfehlungen.
12
Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg: Flexible Instrumente im Klimaschutz, Stuttgart
2001
13
Die sog. Annex-B-Staaten umfassen im Wesentlichen die industrialisierten Länder der OECD und Osteuro-
pas; sie sind im Anhang B des Kyoto-Protokolls aufgeführt ­ daher der Name (vgl. Lucht/Spangenberg
2004: 8).

2 Grundlagen
18
erbaren Energien oder der Verbesserung der Energieeffizienz, wie etwa Windparks oder
Maßnahmen zur Verbesserung des Wirkungsgrads von Feuerungsanlagen. Im Gegenzug
erhält der Investor eine Emissionsgutschrift, die er auf seine Emissionsreduktionsverpflich-
tung anrechnen lassen oder veräußern kann. Anfang April 2004 haben sich die EU-
Mitgliedstaaten und das EU-Parlament in einem politischen Kompromiss darauf verstän-
digt, dass Emissionsberechtigungen, die aufgrund von CDM- und JI-Klimaschutzprojekten
ausgegeben werden, in das EU-Emissionshandelssystem einbezogen werden können. Damit
wird den Anlagenbetreibern ermöglicht, einen Teil ihrer Klimaschutzverpflichtungen in der
ersten Handelsperiode (2005 bis 2007) durch CDM-Projekte und ab der zweiten Handelspe-
riode (2008-2012) zusätzlich durch JI-Projekte zu erfüllen (vgl. Kommission der europäi-
schen Gemeinschaften 2003). Ausgenommen von dieser Regelung sind Atomkraftwerke
sowie so genannte Senken-Projekte
14
. Besondere Regeln gelten auch für große Staudamm-
projekte (vgl. DEHSt 2004).
Joint Implementation (JI)
Von einem JI-Projekt spricht man, wenn ein Annex-B-Land ein Emissionsminderungspro-
jekt in einem anderen Annex-B-Land finanziert. Da in den ehemaligen Planwirtschaften
Osteuropas die Energieeffizienz häufig gering ist und viele kostengünstige Emissionsmin-
derungsmöglichkeiten bestehen, ist damit zu rechnen, dass JI-Projekte vor allem in diesen
Ländern durchgeführt werden. Bisher existiert noch keine etablierte Abwicklungsstruktur
für JI-Projekte. Z.Z. werden sog. Activities Implemented Jointly (AIJ) als ,,Test-JI" durchge-
führt, um Erfahrungen mit diesem Instrument zu gewinnen.
Clean Development Mechanism (CDM)
CDM entspricht im Prinzip dem beschriebenen JI, nur wird in diesem Fall von einem An-
nex-B-Staat ein Projekt in einem Entwicklungs- oder Schwellenland realisiert (nicht Annex-
B-Staat), das dem Kyoto-Protokoll beigetreten ist. Hierzu zählen auch Länder wie Brasilien,
China und Indien. Da die institutionelle Vorraussetzungen für die Abwicklung von CDM im
Gegensatz zu JI weitgehend bestehen, wird dieser Mechanismus detaillierter vorgestellt.
Die Bundesregierung fördert Maßnahmen und Aktivitäten zum CDM in Entwicklungslän-
dern in insbesondere durch das Klimaschutzprogramm für Entwicklungsländer (vgl. BMZ
14
Als Senken bezeichnet man Kohlenstoffreservoire, die das Treibhausgas Kohlendioxid aus der Atmosphäre
aufnehmen und speichern können. Wissenschaftlich ungeklärt ist Frage, wie viel CO
2
Wälder speichern
können (vgl. Energieagentur NRW 2004: 85).

2 Grundlagen
19
2002). Die Anerkennung von CDM-Projekten erfolgt nach anspruchsvollen, von den Ver-
tragsstaaten vereinbarten Kriterien. Das Hauptziel von CDM ist die Einbindung von Ent-
wicklungsländern in das internationale Klimaschutzregime. Das Kyoto-Protokoll besagt,
dass CDM-Projekte die nachhaltige Entwicklung in den Gastländern fördern sollte (vgl.
Artikel 12 Abs. 2 des Kyoto-Protokolls). Sie müssen das Kriterium der Zusätzlichkeit erfül-
len, um eine wirkliche Emissionsminderung zu erreichen, d. h. das Projekt hätte nicht ohne-
hin stattfinden dürfen, der Klimaschutz muss also ,,Selbstzweck" sein. Die CDM Kriterien
fordern daher die Berechnung eines Referenzszenarios (Baseline)
15
, welches die Emissio-
nen bilanziert, die ohne das Projekt entstehen würden. Aus der Differenz zwischen der Ba-
seline und den Emissionen des durchgeführten Projekts wird die Anzahl der Zertifikate be-
rechnet und den Investoren zur Verfügung gestellt. In den Niederlanden wurde jetzt das
erste CDM-Projekt offiziell registriert. Durch das Projekt sollen die Methangas-Emissionen
einer Deponie in Rio de Janeiro um jährlich 31.000 Tonnen gesenkt werden, die in ihrer
Klimawirksamkeit rund 670.000 Tonnen CO
2
entsprechen. Der Preis der gewonnen Zertifi-
kate aus dem Projekt beläuft sich auf 3,35 Euro je Tonne CO
2
(vgl. UNFCCC 2004). Tab. 1
verschafft einen Überblick über die Projekttypen von weiteren von deutschen Unternehmen
geplanten CDM-Projekten.
Tab. 1: CDM-Aktivitäten von Projektentwicklern
Projekttyp Land
Erwartete
Emissionsminderung
Kategorie
Produktion und Nutzung von Pflanzenöl als
Dieselersatz in der Landwirtschaft und Perso-
nennahverkehr in Santa Cruz de la Sierra (1)
Bolivien
30.000 CO
2
in der Pilot-
phase
Erneuerbare
Energien
Windpark auf Galapagos (1)
Ecuador
105.000 t CO
2
insge-
samt; 50.000 t bis 2012
Erneuerbare
Energien
Solarkocher-Leasing-Service (1)
Haiti
40.800 t CO
2
über 15
Jahre
Erneuerbare
Energien
Reduzierung von Treibhausgasemissionen
durch die Erfassung von Begleitgas bei einem
Ölfeld (2)
Aserbaidschan
Ca. 15.250 t CO
2
im
Jahr
Energieeffizienz
Reduzierung von Treibhausgasemissionen
durch den Bau eines Windparks am Kaspi-
schen Meer (2)
Aserbaidschan ca. 19.000 t CO
2
jährlich
Erneuerbare
Energien
Quelle: eigene Darstellung nach: (1) BMU (2004 c); (2) Fichtner GmbH & Co. KG (2004)
15
Die Baseline dient dazu, die Auswirkungen des Emissionsminderungsprojekts zu ermitteln. Hierzu wird im
Vorfeld der Projektdurchführung und bei seiner Überprüfung ein Referenzszenario entwickelt, das die
Situation ohne
die Durchführung des Projektes abschätzen soll (vgl. Energiestiftung Schleswig-Holstein
2004).

2 Grundlagen
20
Ein ökonomisch tragfähiges CDM-Projekt muss aufgrund der noch hohen Transaktionskos-
ten
16
zu einer Emissionsminderung von mind. 20.000 Tonnen CO
2
im Jahr führen. Vor al-
lem Methangasvermeidungsprojekte sind dann aufgrund ihrer hohen Klimawirksamkeit
interessant (vgl. Michaelowa et. al. 2003).
Besonderheiten im Rahmen des CDM sind die sog. Kleinprojekte (CDM Small Scale) und
der Gold-Standard für Projekte. Kleinprojekte werden definiert als:
· Erneuerbare Energien Projekte bis 15 Megawatt (MW)
· Energieeffizienzprojekte mit einer Energieeinsparung bis 15 Gigawattstunden
(GWh) pro Jahr
· Andere Projekte, die eine jährliche Emissionsreduktion von 15.000 Tonnen CO
2
nicht überschreiten (vgl. BMU 2004 c: 18)
Kleinprojekte bringen aufgrund ihres zumeist dezentralen und arbeitsintensiven Charakters
oft hohe Entwicklungs- und Armutsminderungseffekte für die lokale Bevölkerung mit sich.
Außerdem gibt es in ländlichen Gebieten oder ärmeren Ländern oft kein Potenzial für
Großprojekte. Häufig sind dann Kleinprojekte die einzig sinnvolle Entwicklungsoption für
die Integration in den CDM (vgl. Green 2002).
Kleinprojekte sind jedoch mit einer Reihe von Problemen behaftet. Zunächst können sie
aufgrund ihrer relativ kleinen Emissionsminderung, die oft nur ein Nebeneffekt der Projekt-
durchführung sind, die hohen Transaktionskosten kaum bewältigen. Deshalb wurde die
Ausarbeitung eines vereinfachten Verfahrens für CDM beschlossen, das die Probleme z. T.
entschärft. Die Kleinprojekte könnten wirtschaftlicher werden, in dem sie einen besonderen
Qualitätsstandard, den sog. Gold-Standard, erfüllen. (vgl. Wuppertal Institut 2003 b). Wenn
das Projekt neben der Emissionsvermeidung weitere ökologische und soziale Effekte her-
vorbringt, kann dies die Vermarktung der Zertifikate verbessern. Händler sind für besonders
gut bewertete Projekte bereit, einen höheren Preis zu zahlen. Eine andere diskutierte Mög-
lichkeit ist die Durchführung von Klimaschutzprojekten außerhalb des CDM-Regimes. Zer-
tifikate aus solchen Projekten sollen auch die üblichen anspruchsvollen Kriterien erfüllen,
allerdings außerhalb der CDM-Bürokratie abgewickelt werden. Diese Zertifikate hätten
16
Grundsätzlich entstehen bei der Durchführung eines Emissionshandels Kosten für einzelne erforderliche
Arbeitsschritte. Diese Kosten werden allgemein als Transaktionskosten bezeichnet. Darunter fallen z. B.
Suchkosten für die Auswahl der Projekte und Verwaltungs- und Genehmigungskosten (vgl. Energieagen-
tur 2004: 86).

2 Grundlagen
21
keine Gültigkeit im Rahmen des EU-Emissionshandels, könnten aber in bislang gesetzlich
noch nicht regulierten Bereichen Emissionen kompensieren, z.B. im Flugverkehr (vgl.
Wuppertal Institut 2003 b: 18).
Weiterhin bestehen vor allem Know-how- und Kapazitätsprobleme. Die Nutzung des CDM
durch lokale entwicklungspolitische Initiativen ist vor allem eine Frage des Wissens über
die personellen und organisatorischen Ressourcen, die oft bei den beteiligten Akteuren nur
unzureichend vorhanden sind. Der CDM-Projektzyklus ist mit hohen technischen Anforde-
rungen verbunden und geht über die die üblichen Projekte der Entwicklungszusammenar-
beit hinaus. werden (vgl. Wuppertal Institut 2004 a: 8). Die meisten lokalen Initiativen sind
daher auf Unterstützung von außen angewiesen.
Nationale Ausgleichsprojekte (NP)
Nationale Ausgleichsprojekte (NP) sind ­ ähnlich wie CDM- oder JI-Projekte ­ Klima-
schutzprojekte, bei denen die Emissionsminderungen zur Ausgabe von Emissionszertifika-
ten an den Projektentwickler führen. Anders als bei JI muss bei der Projektabwicklung kein
ausländischer Partner -sei es ein Tochterunternehmen oder ein ausländischer Fonds- invol-
viert werden. Dadurch werden vor allem die Transaktionskosten minimiert. Deutsche Un-
ternehmen können im eigenen Land Projekte durchführen und finanzieren und erhalten da-
durch Zertifikate, die sie am Markt anbieten können (vgl. Wuppertal Institut 2003 a: 4).
Nationale Ausgleichsprojekte
17
werden vorerst vom Gesetzgeber nicht anerkannt. Vor allem
das Problem der Zusätzlichkeit und die Doppelzählungsproblematik im Zusammenhang mit
NP sind Gründe für das vorläufige Scheitern. Zunächst zum Problem der Zusätzlichkeit.
Durch die Ausgabe von NP-Zertifikaten erhält ein Projektentwickler eine finanzielle Förde-
rung, die mit dem ursprünglichen Zweck der Investition nichts zu tun hat. Aus Sicht des
Gesetzgebers ist es sinnvoll, solche Projekte nicht zu fördern, die entweder keine Förderung
brauchen, sofern sie ausreichend gefördert sind (z. B. durch das EEG
18
) oder deren Durch-
führung gesetzlich vorgeschrieben sind (z. B. Verpflichtung durch das Bundesimmissions-
schutzgesetz zur Deponiegasabsaugung). Es wird also ein Abgrenzungsproblem zwischen
NP und anderen Politikinstrumenten sichtbar, welches als Problem der Zusätzlichkeit be-
zeichnet wird (vgl. Wuppertal Institut 2003 a: 5). Die Doppelzählungsproblematik kann am
17
In der aktuellen Diskussion werden die Begriffe Domestic Offset Projects, Nationale Ausgleichsprojekte und
unilaterale Projekte verwendet. Im englischen Sprachraum trifft man auf die Begriffe National Projects,
Carbon Offset Projects und Unilateral Projects. In dieser Arbeit wird der Begriff Nationale Ausgleichs-
projekte (NP)gewählt, um das Kompensationsprinzip zu betonen.
18
Gesetz über den Vorrang erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG); letzte Novellierung
am 21.07.2004.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783832488819
ISBN (Paperback)
9783838688817
DOI
10.3239/9783832488819
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Dortmund – Fakultät Raumplanung
Erscheinungsdatum
2005 (Juli)
Note
1,3
Schlagworte
emmissionshandel raumplanung klimaschutz umweltschutz treibhausgas
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