Regulierungsmechanismen des Arzneimittelmarktes
Auswirkung preis- und mengenpolitischer Instrumente auf die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung
©2005
Diplomarbeit
89 Seiten
Zusammenfassung
Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Das Thema dieser Diplomarbeit ist die Auswirkung regulatorischer Eingriffe in Form politisch motivierter Gesundheitsreformen auf die Arzneimittelausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung in den Jahren 1989 bis 2003.
Im Mittelpunkt stehen hierbei preispolitische und mengenpolitische Regulierungsansätze. Vor allem der Einfluss der Festbetragsregelung, der Arzneimittelbudgets, der generischen Substitution und der Negativliste werden anhand der Ausgabenentwicklung für erstattungsfähige Arzneimittel auf ihr Kostendämpfungspotenzial analysiert.
Der theoretische Teil der Arbeit befasst sich neben einer Legaldefinition des Begriffs Arzneimittel mit deren Klassifikationsmöglichkeiten.
Des weiteren wird der deutsche Arzneimittelmarkt auf vorhandene Marktmängel und Marktversagen untersucht, aus deren Diskussion abgeleitet wird, inwiefern staatliche Eingriffe überhaupt gerechtfertigt sind und worauf diese Eingriffe abzielen.
In einem weiteren Schritt wird auf die begriffliche Abgrenzung von Regulierung eingegangen. Es wird erörtert, worum es sich bei Regulierung handelt, wie diese vorgenommen werden kann und welche Ziele verfolgt werden. Im Zuge dessen folgt die Diskussion dreier Hauptregulierungs-Mechanismen.
Der empirische Teil der Arbeit befasst sich einleitend mit einer aktuellen Analyse des deutschen Pharmamarktes (Marktgröße, Umsatz, Unternehmen, Anzahl Arzneimittel usw.). Ferner wird ein kurzer historischer Abriss politischer Reformen der Jahre 1989 bis 2003 gegeben und die aktuelle Situation des GMG geschildert.
Nachfolgend wird die o.g. Wirkungsanalyse anhand realer Zahlen des GKV-Arzneimittelindex vorgenommen.
Neben einer Vielzahl selbsterklärender Grafiken und Abbildungen enthält die Diplomarbeit umfangreiches Zahlenmaterial zur Ausgabenentwicklung, zur Preisentwicklung, zu den Festbeträgen und zur Zusammensetzung der GKV-Arzneimittelausgaben (Komponentenzerlegung). Ein umfangreiches Literatur- und Rechtsquellenverzeichnis erleichtert die weitergehende Recherche.
Einleitung:
Der Arzneimittelmarkt unterliegt in Deutschland, ähnlich wie in vielen Ländern Europas, einer umfassenden staatlichen Regulierung. Als Teil des Marktes für Gesundheit und Gesundheitsgüter existieren hierbei neben den ökonomischen auch soziale Aspekte, denen bei der Betrachtung Rechnung getragen werden muss. Dabei sind insbesondere die sozialen Gesichtspunkte Ansatz für ordnungspolitische Maßnahmen, die Eingriffe in das […]
Das Thema dieser Diplomarbeit ist die Auswirkung regulatorischer Eingriffe in Form politisch motivierter Gesundheitsreformen auf die Arzneimittelausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung in den Jahren 1989 bis 2003.
Im Mittelpunkt stehen hierbei preispolitische und mengenpolitische Regulierungsansätze. Vor allem der Einfluss der Festbetragsregelung, der Arzneimittelbudgets, der generischen Substitution und der Negativliste werden anhand der Ausgabenentwicklung für erstattungsfähige Arzneimittel auf ihr Kostendämpfungspotenzial analysiert.
Der theoretische Teil der Arbeit befasst sich neben einer Legaldefinition des Begriffs Arzneimittel mit deren Klassifikationsmöglichkeiten.
Des weiteren wird der deutsche Arzneimittelmarkt auf vorhandene Marktmängel und Marktversagen untersucht, aus deren Diskussion abgeleitet wird, inwiefern staatliche Eingriffe überhaupt gerechtfertigt sind und worauf diese Eingriffe abzielen.
In einem weiteren Schritt wird auf die begriffliche Abgrenzung von Regulierung eingegangen. Es wird erörtert, worum es sich bei Regulierung handelt, wie diese vorgenommen werden kann und welche Ziele verfolgt werden. Im Zuge dessen folgt die Diskussion dreier Hauptregulierungs-Mechanismen.
Der empirische Teil der Arbeit befasst sich einleitend mit einer aktuellen Analyse des deutschen Pharmamarktes (Marktgröße, Umsatz, Unternehmen, Anzahl Arzneimittel usw.). Ferner wird ein kurzer historischer Abriss politischer Reformen der Jahre 1989 bis 2003 gegeben und die aktuelle Situation des GMG geschildert.
Nachfolgend wird die o.g. Wirkungsanalyse anhand realer Zahlen des GKV-Arzneimittelindex vorgenommen.
Neben einer Vielzahl selbsterklärender Grafiken und Abbildungen enthält die Diplomarbeit umfangreiches Zahlenmaterial zur Ausgabenentwicklung, zur Preisentwicklung, zu den Festbeträgen und zur Zusammensetzung der GKV-Arzneimittelausgaben (Komponentenzerlegung). Ein umfangreiches Literatur- und Rechtsquellenverzeichnis erleichtert die weitergehende Recherche.
Einleitung:
Der Arzneimittelmarkt unterliegt in Deutschland, ähnlich wie in vielen Ländern Europas, einer umfassenden staatlichen Regulierung. Als Teil des Marktes für Gesundheit und Gesundheitsgüter existieren hierbei neben den ökonomischen auch soziale Aspekte, denen bei der Betrachtung Rechnung getragen werden muss. Dabei sind insbesondere die sozialen Gesichtspunkte Ansatz für ordnungspolitische Maßnahmen, die Eingriffe in das […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
ID 8857
Seidlitz, Matthias: Regulierungsmechanismen des Arzneimittelmarktes -
Auswirkung preis- und mengenpolitischer Instrumente auf die Arzneimittelausgaben der
gesetzlichen Krankenversicherung
Hamburg: Diplomica GmbH, 2005
Zugl.: Humboldt-Universität zu Berlin, Diplomarbeit, 2005
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Das Thema dieser Diplomarbeit ist die Auswirkung regulatorischer Eingriffe in Form
politisch motivierter Gesundheitsreformen auf die Arzneimittelausgaben der
Gesetzlichen Krankenversicherung in den Jahren 1989 bis 2003.
Im Mittelpunkt stehen hierbei preispolitische und mengenpolitische
Regulierungsansätze. Vor allem der Einfluss der Festbetragsregelung, der
Arzneimittelbudgets, der generischen Substitution und der Negativliste werden anhand
der Ausgabenentwicklung für erstattungsfähige Arzneimittel auf ihr
Kostendämpfungspotenzial analysiert.
Der theoretische Teil der Arbeit befasst sich neben einer Legaldefinition des Begriffs
Arzneimittel mit deren Klassifikationsmöglichkeiten.
Des weiteren wird der deutsche Arzneimittelmarkt auf vorhandene Marktmängel und
Marktversagen untersucht, aus deren Diskussion abgeleitet wird, inwiefern staatliche
Eingriffe überhaupt gerechtfertigt sind und worauf diese Eingriffe abzielen.
In einem weiteren Schritt wird auf die begriffliche Abgrenzung von Regulierung
eingegangen. Es wird erörtert, worum es sich bei Regulierung handelt, wie diese
vorgenommen werden kann und welche Ziele verfolgt werden. Im Zuge dessen folgt die
Diskussion dreier Hauptregulierungs-Mechanismen.
Der empirische Teil der Arbeit befasst sich einleitend mit einer aktuellen Analyse des
deutschen Pharmamarktes (Marktgröße, Umsatz, Unternehmen, Anzahl Arzneimittel usw.).
Ferner wird ein kurzer historischer Abriss politischer Reformen der Jahre 1989 bis 2003
gegeben und die aktuelle Situation des GMG geschildert.
Nachfolgend wird die o.g. Wirkungsanalyse anhand realer Zahlen des GKV-
Arzneimittelindex vorgenommen.
Neben einer Vielzahl selbsterklärender Grafiken und Abbildungen enthält die Diplomarbeit
umfangreiches Zahlenmaterial zur Ausgabenentwicklung, zur Preisentwicklung, zu den
Festbeträgen und zur Zusammensetzung der GKV-Arzneimittelausgaben
(Komponentenzerlegung). Ein umfangreiches Literatur- und Rechtsquellenverzeichnis
erleichtert die weitergehende Recherche.
2
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis...2
Abbildungsverzeichnis...3
Tabellenverzeichnis...4
Abkürzungsverzeichnis...5
1 Einführung...6
2 Charakteristika des Marktes für Arzneimittel...7
2.1 Arzneimittel als besonderes Gut...7
2.1.1
Begriffliche
Einordnung...7
2.1.2 Klassifikationsmethoden von Arzneimittel...8
2.2 Marktmängel als Grundlage staatlicher Einflussnahme...11
3 Instrumente staatlichen Handels...18
3.1 Gegenstand und Richtung der Regulierung...18
3.2 Preispolitische Instrumente...20
3.3 Distributionspolitische Instrumente...25
3.4
Mengenpolitische
Instrumente...27
4 Wirkungsanalyse preis- und mengenpolitischer Regulierungsmaßnahmen am
Beispiel der Gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland...30
4.1 Der deutsche Arzneimittelmarkt...30
4.2 Geschichtlicher Rückblick und aktuelle Rahmenbedingungen der GKV...33
4.3
Wirkungsanalyse
preispolitischer Instrumente...41
4.3.1 Einfluss der Festbetragseinführung...47
4.3.2 Einfluss der generischen Substitution...52
4.4 Wirkungsanalyse mengenpolitischer Instrumente...57
4.4.1 Arzneimittelbudget...58
4.4.2
Negativliste...61
5 Schlusswort...64
Anhang...66
Abbildungen...66
Tabellen...74
Literaturverzeichnis...80
Weiterführende Literatur...83
Internetquellenverzeichnis...83
Rechtsquellenverzeichnis...86
3
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Vertriebliche Klassifikation von Arzneimitteln...66
Abbildung 2: Arzneimittelausgaben in Deutschland pro Kopf...66
Abbildung 3: GKV-Gesamtausgaben und Anteil Arzneimittel...67
Abbildung 4: Entwicklung des GKV-Gesamtbudgets...67
Abbildung 5:
Entwicklung der GKV-Arzneimittelausgaben und Umsatz des GKV-
Fertigarzneimittelsmarktes...68
Abbildung 6a: Komponentenzerlegung des GKV-Arzneimittelumsatzes...44
Abbildung 6b: Komponentenzerlegung des GKV-Arzneimittelumsatzes...45
Abbildung 7: Preisindex Festbetragsmarkt und Nicht-Festbetragsmarkt...50
Abbildung 8: Entwicklung des Arzneimittelpreisindex...68
Abbildung 9: Entwicklung des Umsatzanteils neuer Wirkstoffe...69
Abbildung 10: Anteil Generika am Gesamtmarkt...54
Abbildung 11: Mittlere Preisdifferenz pro Packung von Generika und Original-
präparaten...69
Abbildung 12: Einsparungen bei den Arzneimittelausgaben durch Generika-
verordnung...70
Abbildung 13: Anzahl generikafähiger Wirkstoffe...70
Abbildung 14: Entwicklung der Durchschnittskosten pro Generika- und Original-
verordnung...71
Abbildung 15: Entwicklung Verordnungen und Umsatz von Spezialpräparaten...71
Abbildung 16: Entwicklung des Umsatzanteils patentgeschützter Wirkstoffe...72
Abbildung 17: Entwicklung des Preisindex des Aut-idem Marktes...72
Abbildung 18: Entwicklung Anzahl Verordnungen und Wert je Verordnung...73
Abbildung 19: Negativliste...73
4
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Zusammenhang von GKV-Ausgaben für Arzneimittel und GKV-
Fertigarzneimittelumsatz...74
Tabelle 2: Komponentenzerlegung des GKV-Arzneimittelumsatzes...78
Tabelle 3: Umsetzung der Festbetragsregelungen und Einsparvolumen...48
Tabelle 4: Übersicht der Festbetragsgruppen...79
5
Abkürzungsverzeichnis
AABG
Arzneimittelausgabenbegrenzungsgesetz
ABAG
Arzneimittelbudgetablösegesetz
Abs.
Absatz
AMG
Arzneimittelgesetz
AMPreisV
Arzneimittelpreisverordnung
ApBetrO
Apothekenbetriebsordnung
ApoG
Apothekengesetz
Art.
Artikel
BeitrEntlG
Beitragsentlastungsgesetz
BKK
Betriebskrankenkasse
BSSichG
Beitragssatzsicherungsgesetz
bzw.
beziehungsweise
d.h.
das
heißt
DM
Deutsche
Mark
EU
Europäische
Union
EUR
Euro
GKV
Gesetzliche
Krankenversicherung
GKV-GRG
GKV-Gesundheitsreformgesetz
GKV-SolG
GKV-Solidaritätsgesetz
GMG
Gesundheitsmodernisierungsgesetz
GRG
Gesundheitsreformgesetz
GSG
Gesundheitsstrukturgesetz
HWG
Heilmittelwerbegesetz
Mio.
Million
Mrd.
Milliarde
NOG
Neuordnungsgesetz
SGB
V
Fünftes
Sozialgesetzbuch
u.a.
unter
anderem
VFA
Verband
Forschender
Arzneimittelhersteller
vgl.
vergleiche
z.B.
zum
Beispiel
6
1 Einleitung
Der Arzneimittelmarkt unterliegt in Deutschland, ähnlich wie in vielen Ländern
Europas, einer umfassenden staatlichen Regulierung. Als Teil des Marktes für
Gesundheit und Gesundheitsgüter existieren hierbei neben den ökonomischen auch
soziale Aspekte, denen bei der Betrachtung Rechnung getragen werden muss. Dabei
sind insbesondere die sozialen Gesichtspunkte Ansatz für ordnungspolitische
Maßnahmen, die Eingriffe in das marktwirtschaftliche Geschehen fordern. Durch
steigende Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung für Arzneimittel und
andere Gesundheitsgüter sieht sich das deutsche Gesundheitssystem einem
Finanzierungsproblem gegenüber, das mittels steigender Pflichtbeiträge allein nicht
gelöst werden kann. Vielmehr bedarf es struktureller Veränderungen, um die
vorhandenen Ressourcen effizienter einzusetzen und die Grundversorgung der
Bevölkerung mit medizinischen Dienstleistungen und Arzneimitteln weiterhin zu
gewährleisten. Da der Markt dies allein bislang nicht in geeigneter Weise sicherstellen
konnte, wurden staatliche Maßnahmen ergriffen, um das Verhalten der
Marktteilnehmer abzustimmen. Allein der Rückblick auf die letzten fünfzehn Jahre
zeigt, dass es eine Reihe von Reformen und Veränderungen gab, mit denen der Staat
versucht hat, sich der Probleme des Gesundheitssystems anzunehmen und sie zu lösen.
Die komplexe Struktur des Pharmamarktes bot dazu eine Vielzahl von Ansatzpunkten,
gleichwohl führte diese Komplexität auch dazu, dass einzelne Maßnahmen weitere
Änderungen nach sich zogen, um in der Konsequenz das Ziel einer kosteneffizienteren
und optimalen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln weiter zu verfolgen.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Möglichkeiten staatlicher
Einflussnahme auf den deutschen Arzneimittelmarkt. Die Analyse fokussiert hierbei
preis- und mengenpolitische Regulierungsinstrumente, ihre Ansatzpunkte und die
Ziele, die mit ihrer Hilfe erreicht werden sollen. Ausgangspunkt der empirischen
Analyse bilden dabei die Reformmaßnahmen der letzen fünfzehn Jahre, beginnend mit
dem Gesundheitsreformgesetz von 1989. Ferner wird der Status quo des
Gesundheitsmodernisierungsgesetzes vor dem Hintergrund des historischen
Maßnahmenkatalogs diskutiert. Kapitel 2 geht auf die charakteristischen Merkmale des
Arzneimittelmarktes ein und liefert eine mögliche Erklärung, warum Regulierung
sinnvoll und notwendig ist. Das dritte Kapitel befasst sich mit potenziellen
7
Instrumenten, mit denen der Staat in das Marktgeschehen eingreifen kann. Im vierten
Kapitel wird der deutsche Arzneimittelmarkt detailliert betrachtet und neben einem
geschichtlichen Rückblick der bisherigen Reformen die Wirkung ausgewählter preis-
und mengenpolitischer Maßnahmen auf die Arzneimittelausgaben der Gesetzlichen
Krankenversicherung analysiert.
2 Charakteristika des Marktes für Arzneimittel
Um den Markt für Arzneimittel beschreiben und abgrenzen zu können und abzuleiten,
warum eine staatliche Einflussnahme auf diesen Markt existiert, ist es zuerst
notwendig, das Gut dieses Marktes genauer zu betrachten, um aus den Besonderheiten
dieses Gutes Rückschlüsse auf den entsprechenden Markt vornehmen zu können.
2. 1 Arzneimittel als besonderes Gut
2.1.1 Begriffliche Einordnung
Arzneimittel lassen sich nach verschiedenen Kriterien klassifizieren und einordnen.
Um eine detaillierte Übersicht geben zu können, wird zuerst eine begriffliche
Abgrenzung erfolgen. Da Arzneimittel nicht durch bestimmte Stoffe oder
Stoffkombinationen von vornherein gekennzeichnet sind, wird die Definition nach
dem Zweck von Arzneimitteln vorgenommen
1
. In Deutschland werden Arzneimittel
durch das Gesetz über den Umgang mit Arzneimitteln
2
charakterisiert. Nach § 2 Abs. 1
sind Arzneimittel ,,...Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind,
durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper
- Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen,
zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen,
- die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder
seelische Zustände erkennen zu lassen,
- vom menschlichen oder tierischen Körper erzeugte Wirkstoffe oder
Körperflüssigkeiten zu ersetzen,
1
Vgl. Beske/Brecht/Reinkemeier (1995), S. 129
2
Arzneimittelgesetz (AMG) von 1976, hier in der Fassung von 1990
8
- Krankheitserreger, Parasiten oder körperfremde Stoffe abzuwehren, zu
beseitigen oder unschädlich zu machen oder
- die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder
seelische Zustände zu beeinflussen."
Ferner gelten nach § 4 alle Blut- und Plasmakonserven, die aus Blut gewonnen werden
oder Blut als Wirkstoff enthalten, als Arzneimittel. Ergänzt wird diese Liste durch
verschiedene Impfstoffe, Testallergene und Testantigene sowie radioaktive Stoffe,
sofern diese einem medizinischen Zweck dienen.
Anhand dieser umfassenden Aufzählung lässt sich festhalten, dass Arzneimittel zur
Therapie, Diagnose oder Prävention von Krankheiten oder physischen Zuständen
dienen
3
. Arzneimittel werden also zur Wiederherstellung der Gesundheit und zur
Linderung von Krankheitssymptomen eingesetzt
4
. Dabei gilt es besonders zu
unterstreichen, dass mit dem Einsatz von Arzneimitteln eine Behandlung stattfinden
kann, für die die Entnahme oder funktionelle Beeinträchtigung von Organen nicht
notwendig ist. Ferner können Arzneimittel dosiert eingesetzt und bei Bedarf durch
andere ersetzt werden
5
. Dadurch ist der Therapie ein höheres Maß an Flexibilität
gegeben, als dies z.B. bei Operationen oder Amputationen der Fall ist.
Der zweite Absatz des § 2 des AMG enthält weitere Ausführungen, die insbesondere
für den Bereich der Veterinärmedizin relevant sind. Da sich der Fokus dieser Arbeit
auf Arzneimittel im Zusammenhang mit Humanmedizin richtet, sind im folgenden
unter Arzneimittel human-pharmazeutische Produkte zu verstehen.
2.1.2 Klassifikationsmethoden von Arzneimitteln
Die Klassifikation der Arzneimittel kann nach verschiedenen Systemen erfolgen.
Denkbar ist dabei die Einteilung nach dem Wirkmechanismus, der Indikation oder der
chemischen Zusammensetzung. Ein weltweit etabliertes System stellt dabei die ATC-
Klassifikation dar
6
. Nach diesem System werden Arzneimittel nach therapeutischen,
pharmakologischen und chemischen Kriterien differenziert
7
. Die Einteilung erstreckt
sich über fünf Ebenen, wobei die Arzneimittel jeweils in Gruppen hinsichtlich
3
Vgl. Boroch (1994), S. 5
4
Vgl. Vogelbruch (1992), S. 77
5
Vgl. Breyer/Zweifel (1997), S. 365
6
Vgl. Nink/Schröder/Zawinell (2004), S. 64
7
Vgl. Internetquelle 1
9
therapeutischer Anwendung, pharmakologischen Eigenschaften und chemischer
Zusammensetzung geordnet werden. Dabei bildet die erste Ebene die anatomische
Hauptgruppe, d.h. hier findet die Einteilung des Arzneimittels nach den Organen oder
den Organsystemen statt, auf die das Mittel wirkt. Die folgenden zwei Ebenen
konkretisieren das Arzneimittel hinsichtlich des therapeutischen Anwendungsgebiets
und der Darreichungsform des Medikaments. In der vierten und fünften Ebene erfolgt
die Gruppierung nach chemischen Gesichtspunkten. Dabei gilt es zu beachten, dass die
Klassifikation jeweils nach dem Hauptwirkstoff des Arzneimittels vorgenommen wird.
Sofern ein Wirkstoff in unterschiedlichen Zubereitungen oder in unterschiedlichen
Dosierungsstärken in einem Arzneimittel enthalten ist, kann dieses Mittel in mehrere
Klassen eingeteilt werden. Diese breitgefächerte Klassifikation führt zwar dazu, dass
die Zahl der Untergruppen steigt, wenn mehrere Wirkstoffe die selbe
pharmakologische Wirkung besitzen, aber dennoch scheint diese Systematik geeignet,
um detaillierte Daten zur Analyse des Arzneimittelverbrauchs zu generieren
8
.
Die oben beschriebene Vorgehensweise bei der Einteilung der Arzneimittel zielt
vornehmlich auf die stoffliche bzw. therapeutische Ebene ab. Neben dieser Sichtweise
existiert die Abgrenzung von Arzneimitteln nach wirtschaftlichen und gesetzlichen
Kriterien, die den Unterschied von Arzneimitteln und Konsumgütern deutlicher
werden lassen. Ein Ausgangspunkt bildet dabei die Einteilung in industriell
produzierte Fertigarzneimittel und individuell durch Apotheker hergestellte
Zubereitungen
9
. Da den Fertigarzneimitteln eine dominierende Stellung innerhalb aller
Arzneien zukommt, konzentrieren sich die weiteren Ausführungen auf diesen Bereich.
Bei den Fertigarzneimitteln wird zwischen Originalpräparaten, auch
Arzneimittelspezialitäten genannt, und Generika unterschieden
10
. Originalpräparate
werden unter einem besonderen, rechtlich geschützten bzw. patentierten Namen in
gleichbleibender Qualität und Zusammensetzung produziert und vermarktet
11
. Diese
Arzneimittel sind größtenteils das Ergebnis von eigener Forschung und Entwicklung
der Pharmaunternehmen
12
. Sie sind damit Markenartikeln ähnlich. Die zweite Gruppe
bilden die Generika. Hierbei handelt es sich um Arzneimittel, deren Name nicht
13
oder
8
Vgl. Nink/Schröder/Zawinell (2004), S. 66f
9
Vgl. Vogelbruch (1992), S. 77
10
Vgl. Boroch (1994), S. 5
11
Vgl. Beske/Brecht/Reinkemeier (1995), S. 130
12
Vgl. Wiedeler
(2002), S. 10
13
Vgl. Boroch (1994), S. 5
10
nicht mehr rechtlich geschützt ist, wenn der Patentschutz für dieses Medikament
ausgelaufen ist. Diese Präparate dürfen dann von anderen Arzneimittelherstellern
kopiert und ebenfalls, meist günstiger, verkauft werden
14
. Sie enthalten den gleichen
Wirkstoff, die gleiche Dosierung und sind in der gleichen Darreichungsform erhältlich
und werden demzufolge auch Nachahmerpräparate genannt
15
. Die Vermarktung erfolgt
entweder unter der chemischen Bezeichnung oder einem internationalen Freinamen
(International Nonproprietary Name; INN)
16
. Darüber hinaus existieren Arzneimittel,
die lediglich Molekülvariationen bestimmter Wirkstoffe darstellen; diese werden als
Me-too-Präparate bezeichnet
17
. Ferner werden Arzneimittel nach ihrer
Darreichungsform (Tabletten, Salben, Tropfen, etc.), ihrer Dosierung und ihrer
Packungsgröße unterschieden
18
. Letztendlich werden Arzneimittel auch hinsichtlich
der Anzahl der enthaltenen Wirkstoffe in Mono- und Kombinationspräparate
unterteilt
19
.
Die im Hinblick auf regulatorische Maßnahmen wohl wichtigste Klassifikation von
Arzneimitteln erfolgt nach Vertriebs- bzw. Abgabekriterien. Dabei werden drei
Klassen unterschieden apothekenpflichtige, verschreibungspflichtige und
freiverkäufliche Arzneimittel. Apothekenpflichtige und verschreibungspflichtige
Arzneimittel dürfen ausschließlich durch Apotheken vertrieben werden.
Verschreibungspflichtige Medikamente müssen darüber hinaus durch einen Arzt
verordnet werden, da diese Arzneien aufgrund ihrer Wirkstoffzusammensetzung bei
Falschanwendung ein hohes Gefährdungspotenzial besitzen
20
. Freiverkäufliche
Arzneimittel sind nicht verschreibungspflichtig und nicht an die Abgabe durch eine
Apotheke gebunden. Diese Präparate, hierzu zählen beispielsweise Vitamintabletten
und bestimmte Teesorten, können z.B. auch durch Drogerien vertrieben werden
21
.
Einer weiteren Kategorisierung unterliegen Arzneimittel hinsichtlich ihrer Eigenschaft
als ,verschreibungsfrei' oder ,verschreibungspflichtig'. Verschreibungsfreie
Medikamente können vom Arzt per Rezept verordnet werden, eine ausdrückliche
Rezeptpflicht existiert jedoch nicht. Diese Arzneien können zusätzlich
14
Vgl. Wiedeler (2002), S. 10
15
Vgl. Vogelbruch (1992), S. 78
16
Vgl. Ziegler (1980), S. 44
17
Vgl. Huber (1988), S. 9
18
Vgl. Wiedeler (2002), S. 10f
19
Vgl. Ziegler (1980), S. 44
20
Vgl. Wiedeler (2002), S.9f
21
Vgl. Boroch (1994), S. 6
11
apothekenpflichtig oder freiverkäuflich sein. Rezeptfreie Medikamente werden auch
als OTC-Präparate (,,Over-the-Counter"-Präparate) bezeichnet
22
. Verschreibungs-
pflichtige Arzneimittel unterliegen einer Rezeptpflicht und sind an die Abgabe über
Apotheken gebunden
23
. Die Erstattungsfähigkeit der Arzneimittel spielt bei der
Klassifikation ebenfalls eine Rolle. Hier wird zwischen ,erstattungsfähig' und ,nicht
erstattungsfähig' unterschieden. Die Entscheidung zur Kostenübernahme wird von der
Krankenkasse getroffen. Ist ein Medikament nicht erstattungsfähig, trägt der Patient
die gesamten Kosten. Es ist möglich, dass eine Arznei rezept- und damit
apothekenpflichtig ist, aber dennoch als nicht erstattungsfähig eingestuft wird
24
. Zum
Bereich der Selbstmedikation, der nicht apothekengebundene Arzneimittel umfasst,
gehören z.B. die rezeptfreien Life-Style-Präparate. Das sind Mittel, die die
Lebensqualität der Patienten erhöhen können, z. B. Mittel zur Gewichtsreduzierung
25
.
Abbildung 1 gibt abschließend einen graphischen Überblick über die vertriebliche
Klassifikation von Arzneimitteln.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich Arzneimittel durch die
Zweckgebundenheit des Einsatzes für die gesundheitliche Rehabilitation ohne weiteres
als Gesundheitsgüter und damit als besondere Güter einordnen lassen. Das folgende
Kapitel wird klären, warum der Staat ein Interesse daran hat, auf diesen Markt
einzugreifen und ihn zu regulieren.
2.2 Marktmängel als Grundlage staatlicher Einflussnahme
Die Eigenarten von Arzneimitteln, die sie als besonderes Gut charakterisieren, führen
auch dazu, dass der Markt für Arzneimittel ebenfalls einige Besonderheiten aufweist.
Als Markt wird im allgemeinen ein Mechanismus verstanden, der die Angebots- und
Nachfrageseite zusammenführt und für einen selbständigen Ausgleich von Angebot
und Nachfrage sorgt, dessen Ergebnis das Marktgleichgewicht ist
26
. Schafft der Markt
es nicht, Angebot und Nachfrage zu koordinieren, spricht man von Marktversagen
27
.
Ursache dafür sind Unvollkommenheiten in der Systematik des Marktes, d.h. es fehlen
22
Vgl. Vogelbruch (1992), S. 79
23
Vgl. Wiedeler (2002), S. 10
24
Vgl. Boroch (1994), S. 6
25
Vgl. Wiedeler (2002), S. 10
26
Vgl. Samuelson/Nordhaus (1998), S. 51
27
Vgl. Blankart (2001), S. 55
12
die Voraussetzungen für einen funktionierenden marktwirtschaftlichen Prozess. Die
Grundanforderung an die Funktionsfähigkeit von Märkten sind in der
volkswirtschaftlichen Theorie rational handelnde Individuen
28
, die ihr Verhalten nach
nutzenmaximierenden Aspekten ausrichten. Entscheidend dafür sind Markttransparenz
und vollständige Informationen, d.h. sowohl Anbieter als auch Nachfrager müssen sich
einen umfassenden Überblick über die Güter, deren Produktionskosten und
Qualitätsunterschiede verschaffen können
29
. Vollkommene Konkurrenz auf dem Markt
führt ferner dazu, dass ein Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage eine pareto-
optimale Allokation darstellt
30
. Diese Anforderungen an einen vollkommenen Markt
werden vom Arzneimittelmarkt nicht hinreichend erfüllt. So fehlt zum Beispiel die
Voraussetzung der Informationstransparenz, so dass der Nachfrager in die Situation
versetzt wird, nicht die für ihn optimale Entscheidung treffen zu können, da ihm nicht
alle für die Entscheidungsfindung relevanten Informationen zur Verfügung stehen
31
.
Ein Patient, der vom Arzt ein bestimmtes Arzneimittel verordnet oder vom Apotheker
ein Medikament empfohlen bekommt, wird zum einen mangels pharmazeutischen
Fachwissens nicht hinreichend gut beurteilen können, ob dieser Wirkstoff tatsächlich
in der Lage ist, seine Krankheit zu lindern. Zum zweiten fehlt ihm aus Unkenntnis des
gesamten Produktangebotes die Möglichkeit, alternative Arzneien in seiner
Nachfrageentscheidung zu berücksichtigen. Ferner herrscht Unkenntnis über den
Problem-Lösung-Zusammenhang. Ein Patient kennt zwar seine Krankheitssymptome,
weiß jedoch nicht, mit welchem Medikament er seine Krankheit lindern kann. Er ist
sich über seinen eigentlichen Bedarf unklar. Da in den meisten Fällen Arzneimittel
unregelmäßig, also nur in den Fällen eines konkreten Behandlungsbedarfes,
konsumiert werden und darüber hinaus der Anlass des Behandlungsbedarfes, die
Krankheit (und damit auch das Medikament), wechselt, ist ein Ausgleich des
Informationsdefizits durch Lernen und Aufbau eines Erfahrungsschatzes nur
schwerlich möglich
32
. Darüber hinaus besteht auf diesem Markt eine
Anbieterdominanz, da die Ärzte aufgrund ihres medizinischen und pharmazeutischen
Wissensvorteils die Nachfrage des Patienten nach therapeutischen Maßnahmen
28
Vgl. Güth (1996), S. 3
29
Vgl. Andreas (1994), S. 166f
30
Vgl. Breyer/Zweifel (1997), S. 152
31
Vgl. Andreas (1994), S. 168
32
Vgl. Breyer/Zweifel (1997), S. 159
13
bestimmen
33
. Die angebotsdeterminierte Nachfrage ist auf dem Markt für
Gesundheitsgüter ein generelles Problem und trifft für den Arzneimittelbereich vor
allem für verschreibungspflichtige Medikamente zu, da hierbei dem Patienten die
Nachfrageentscheidung durch den Arzt abgenommen wird. Bei freiverkäuflichen
Arzneien setzt der Patient zwar den Impuls zum Konsum, doch beinhaltet die
Apotheken- und Beratungs- bzw. Aufklärungspflicht einiger Medikamente ein
Beeinflussungspotenzial durch den Apotheker. Wegen der vorgenannten zwei Gründe
ist der Konsument in seiner Entscheidung jedoch nicht souverän, d.h. eine eigene,
rationale und nutzenmaximierende Nachfrageentscheidung unter Berücksichtigung
aller notwendigen Informationen fehlt
34
. Der marktliche Koordinationsmechanismus
erfüllt die genannten Voraussetzungen Transparenz und vollständige Information nicht
hinreichend gut.
Eine weitere Eigenschaft eines Marktes ist ein funktionierender Preismechanismus,
d.h. die auf dem Markt gehandelten Güter haben einen Preis, der über die Menge des
Angebots und der Nachfrage entscheidet. Die Konsumenten fragen in Abhängigkeit
ihrer individuellen Zahlungsbereitschaft und ihrer individuellen Budgetbeschränkung
solange ein Gut nach, wie der Nutzen aus diesem Gut die Kosten des Erwerbs
übersteigt. Andererseits stellen die Anbieter ein Gut nur solange zur Verfügung, wie
der erzielbare Preis über den Produktionskosten liegt. Aus diesem Zusammenhang
ergibt sich für einen funktionsfähigen Markt ein Anreiz für die Nachfrager, den
kostengünstigsten Anbieter zu finden und das Gut nur dann nachzufragen, wenn der
Nutzen aus dem Konsum dieses Gutes die Grenzkosten und den Nutzen aus
Alternativkonsum übersteigt
35
. Der funktionierende Preismechanismus impliziert, dass
sich die Nachfrage nach dem Preis richtet. So ist ein Nachfragerückgang zu
beobachten, wenn der Preis eines Gutes steigt. Wie stark sich eine Preisvariation auf
die nachgefragte Menge auswirkt, wird durch die Preiselastizität der Nachfrage
ausgedrückt
36
.
Für den Arzneimittelmarkt lassen sich die angestellten Überlegungen jedoch nicht
uneingeschränkt anwenden. Zum einen stellen Arzneimittel ein besonderes Gut dar,
33
Vgl. Andreas (1994), S. 170
34
Vgl. Breyer/Zweifel (1997), S. 156f
35
Vgl. Andreas (1994), S. 163f
36
Vgl. Andreas (1994), S. 171
Zu weiteren Ausführungen zur Preiselastizität (Berechnung, Interpretation,...) wird auf einschlägige
Fachliteratur verwiesen, da dies in dieser Arbeit nicht zielführend ist.
14
welches zur Wiederherstellung der Gesundheit konsumiert wird. Damit ist davon
auszugehen, dass ein Haushalt Arzneimittel nicht kontinuierlich nachfragt, sondern nur
dann, wenn diese eine Verbesserung der gegenwärtigen gesundheitlichen Situation
versprechen. Im Krankheitsfall ist davon auszugehen, dass das Individuum in
besonderem Maße daran interessiert ist, schnellstmöglich gesund zu werden und dies
als oberstes Ziel erachtet. Preisüberlegungen treten dann meist in den Hintergrund.
Demnach wird auch die Nachfrage nach Arzneimitteln im Einzelfall nicht
zurückgehen, wenn der Preis hoch ist. In einem solchen Zusammenhang wird dann von
einer weniger preiselastischen oder sogar preisunelastischen Nachfrage gesprochen
37
.
Dies besitzt vor allem für den Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel und
bei der Behandlung chronisch Kranker Gültigkeit.
Zum zweiten nimmt bei der Analyse des Arzneimittelkonsums die Struktur der
Nachfrageseite einen besonderen Stellenwert ein. Aufgrund der Dreiteilung der
Nachfrage sind, zumindest für den Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel,
Nutznießer, Entscheidungsträger und Kostenträger nicht identisch. Ein Preisinteresse
fehlt bei den beiden erstgenannten. Im System der gesetzlichen Krankenversicherung
in Deutschland ist der Nutznießer der Patient. Er ist Konsument des Medikaments,
ohne dass er willentlich die Nachfrageentscheidung getroffen hat. Der Arzt als
Entscheidungsträger übernimmt diese Aufgabe für ihn. Im Rahmen seiner
medizinischen Diagnose wählt er ein bestimmtes Medikament, welches er für die
entsprechende Therapie als sinnvoll einstuft und verordnet die Einnahme. Auf beiden
Seiten sind dabei bislang keine Kostenüberlegungen getroffen worden. Diese Aufgabe
fällt der Krankenversicherung als Kostenträger und Financier zu. Die
Krankenversicherung ihrerseits hat allerdings keine Möglichkeit, die Nachfrage- bzw.
Verordnungsentscheidung im Einzelfall zu beeinflussen
38
. Aufgrund dieser besonderen
Konstellation bestehen für den Patienten und den Arzt keine Anreize, die
Nachfrageentscheidung vom Preis abhängig zu machen. Als Schlagwort sei in diesem
Zusammenhang das für die Versicherungsbranche typische Moral Hazard Problem
angeführt. Mit dem Vorhandensein einer Versicherung nehmen für den Versicherten
die Anreize ab, einen sorgfältigen Umgang mit den das Versicherungsverhältnis
betreffenden Ressourcen zu pflegen
39
. Solange der Patient die verordneten
37
Vgl. Andreas (1994), S. 170f
38
Vgl. Roos (1990), S. 21f
39
Vgl. Varian (1999), S. 623f
15
Medikamente nicht selbst oder nicht in vollem Umfang zahlen muss, hat der Preis
keinen wesentlichen Einfluss auf seine Konsumentscheidung. Er wird den Arzt
gleichzeitig in seinem Verordnungsverhalten diesbezüglich keinen Beschränkungen
unterwerfen.
Auf der Angebotsseite sind es vor allem die Marktstrukturen, die zu Mängeln und
Ineffizienzen führen. Der Preiswettbewerb auf Seiten der Hersteller funktioniert wegen
geringem Interesse an Wirtschaftlichkeit nur unzureichend
40
. Aufgrund des fehlenden
Preisinteresses der Beteiligten werden auch Anreize der Pharmaindustrie gesehen,
durch eine hohe Diversifizierung ihrer Produktpalette Intransparenz zu erzeugen und
die Ärzte dadurch in ein Abhängigkeitsverhältnis zu binden
41
. Da die Hersteller ihre
Produkte nur an den Großhandel und an Apotheken abgeben dürfen, und diese ihren
Gewinn wiederum durch feste Aufschläge bestimmen, fehlen auch hier Anreize zu
Preisverhandlungen. Da Apotheken in Deutschland der einzige Vertriebskanal für
Arzneimittel sind, stellen sie ein Anbietermonopol dar. Die Großhandelsstufe besitzt
oligopolistische Strukturen, da 80% des deutschen Arzneimittelmarktes durch vier
Großhändler bedient werden
42
. Da auch der Großhandel nur staatlich durch die
Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) vorgegebene Aufschläge erheben darf,
findet sich dort ebenfalls kein Interesse an geringen Einkaufspreisen. Damit haben die
Pharmaunternehmen keinen preisinteressierten Abnehmer und sind versucht, dieses
Preissetzungsmonopol für eigene Zwecke zu nutzen. Sowohl monopolistische als auch
oligopolistische Strukturen reduzieren die Konsumentenrente und belasten in diesem
Fall die Gesetzliche Krankenversicherung. Die vorgenannten Ausführungen lassen in
der Konsequenz den Schritt zu, vom Fehlen eines den Anforderungen genügenden,
funktionsfähigen Preismechanismus auf dem deutschen Arzneimittelmarkt zu
sprechen. Damit fehlt jedoch eine weitere wesentliche Voraussetzung für einen Markt,
selbständig einen Ausgleich von Angebot und Nachfrage zu ermöglichen.
Häufig wird diskutiert, dass das Vorhandensein öffentlicher Güter ein Indiz für
Marktversagen darstellt. Diese Güter grenzen sich unter anderem durch die
Nichtausschließbarkeit im Konsum von normalen Gütern ab. Ein Individuum kann
dieses Gut konsumieren, auch wenn es nicht zu dessen Produktion beiträgt oder keine
Aufwendungen für den Konsum hat. Für den Gesundheitsmarkt mag dies gelten, da ein
40
Vgl. Hamm (1987), S. 79
41
Vgl. Dröge (1991), S. 100
42
Vgl. Jasper (2004), S. 25
16
Individuum von der Gesundheit eines anderen dahingehend profitiert, dass sein eigenes
Ansteckungsrisiko geringer ist
43
. Auf dem Arzneimittelmarkt werden Innovationen als
öffentliches Gut angesehen allerdings mit einer zeitlichen Verzögerung
44
. Sofern ein
Anbieter ein neues Produkt entwickelt hat und vermarktet, profitiert eine Vielzahl der
Konsumenten von dieser Innovation, auch wenn diese nicht an der Entstehung
mitgewirkt haben. Aufgrund des geltenden Patentschutzes für
Arzneimittelinnovationen sind andere Anbieter von der Verwertbarkeit der Innovation
jedoch vorerst ausgeschlossen. Für die Dauer des Patents entsteht ein zeitlich
befristetes Monopol, so dass in dieser Zeit kein Preiswettbewerb für dieses Produkt
existiert. Sicherlich ist die Gewährleistung des Patentschutzes jedoch nötig, um der
Industrie die Amortisation der hohen Forschungs- und Entwicklungskosten zu
ermöglichen und Innovationstätigkeit aufrecht zu erhalten.
Wie kann nun die Frage, ob ein Versagen des Marktes für Arzneimittel vorliegt und
deshalb regulatorische Maßnahmen gerechtfertigt sind, beantwortet werden? Trotz der
genannten Schwächen des Marktes (asymmetrische Information, fehlende Anreize,
eingeschränkte Funktionsfähigkeit des Preismechanismus) ist der deutsche
Arzneimittelmarkt im Vergleich zu anderen Märkten im Gesundheitswesen eher ein
Wettbewerbsmarkt
45
. Es existieren Ineffizienzen gegenüber einem vollkommenen
Markt, die den Schluss zulassen, von Marktmängeln zu sprechen. Sicherlich lassen
sich andere Märkte finden, auf denen ebenfalls Mängel des
Koordinationsmechanismus auftreten, ohne dass dort staatliche Eingriffe erfolgen. Die
Motivation staatlichen Handelns scheint demnach nicht die schlichte Beseitigung
allokativer Marktmängel zu sein, die ein gesellschaftlich unerwünschtes Ergebnis
liefern würden, sondern die Erreichung anderer Ziele.
Aus ökonomischen Überlegungen ist die Gesundheit, der körperliche und seelische
Zustand der Bevölkerung, ein wesentlicher Faktor (Stichwort Humankapital) für die
gesamtwirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Die Erhaltung und
Förderung der Gesundheit zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz liegt demnach
im Interesse des Staates
46
. Folglich wird sich der Staat des Marktes annehmen und
Maßnahmen ergreifen, die der Erreichung dieses Zieles zweckdienlich sind. Die
43
Vgl. Breyer/Zweifel (1997), S. 152ff
44
Vgl. Breyer/Zweifel (1997), S. 366f
45
Vgl. Breyer/Zweifel (1997), S. 436
46
Vgl. Ojo (1991), S. 596f
17
Einordnung von Gesundheitsgütern als meritorische Güter, die bei einer reinen
Bereitstellung durch den Markt nicht gesellschaftlich angemessen konsumiert werden,
begründet in der finanzwissenschaftlichen Literatur ebenfalls die Forderung nach einer
staatlichen Korrektur
47
. Das Staatshandeln lässt sich aus dem Sozialstaatsprinzip
ableiten, welches im Grundgesetz in Art. 20 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 formuliert wird.
Demnach wird in einem Sozialstaat Gesundheit als Grundrecht angesehen, welches
einer staatlichen Schutzpflicht unterliegt. Dies impliziert, dass keinem Bürger der
Zugang zu einer notwendigen medizinischen Grundversorgung wegen unzureichender
Zahlungsfähigkeit verweigert werden darf
48
. Eine umfassende Arzneimittelversorgung
der Bevölkerung geht damit einher. Staatliche Maßnahmen müssen soweit gehen, dass
eine Verfehlung dieses Zieles von vornherein ausgeschlossen ist
49
. Dieser Schutz-
bzw. Fürsorgegedanke manifestiert sich im AMG. Dort heißt es in § 1, dass ,,im
Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung" die Qualität,
Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Arzneimitteln sichergestellt sein muss. Weiter
geht § 6 AMG, der ein Verbot für Arzneimittel ausspricht, wenn diese eine
gesundheitliche Gefährdung darstellen würden. Ein Mindestmaß an Qualität der
Arzneimittel zu sichern ist demnach ein Ziel staatlicher Steuerungsmaßnahmen
50
.
Gerade im Hinblick auf die Wirksamkeit resultiert aus dem Informationsdefizit des
Patienten ein Verbraucherschutzgedanke. Da der Verbraucher nicht umfassend über
Wirkung und Nebenwirkung eines Arzneimittels informiert ist, besteht die Gefahr des
Missbrauchs, der Arzneimittelabhängigkeit
51
und der Verfehlung des therapeutischen
Ziels. Dadurch wäre jedoch das Ziel gefährdet, die Gesundheit der Bürger sicher zu
stellen. Da negative Nebenwirkungen und Gefährdungspotenziale von den Anbietern
auf einem freien Markt allerdings nicht hinreichend dargestellt werden dürften, um
Umsatzeinbußen zu vermeiden, besteht hier ein Ansatzpunkt, der Schutzpflicht des
Staates mittels Regelungen zur Aufklärungspflicht nachzukommen.
Aus der sozialstaatlichen Verantwortung des Grundgesetzes heraus sind Regulierungen
und die Schaffung von Rahmenbedingungen für den Arzneimittelmarkt primär
gerechtfertigt. Nur darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass ebendiese
staatliche Einflussnahme das Ergebnis eines politischen Prozesses ist, bei dem die
47
Vgl. Oberender/Hebborn/Zerth (2002), S. 15
48
Vgl. Mehnert (1997), S. 161
49
Vgl. Winter (2004), S. 26
50
Vgl. Breyer/Zweifel (1997), S. 159
51
Vgl. Mehnert (1997), S. 165f
18
Eigeninteressen der Beteiligten im Vordergrund stehen. Die angeführten Marktmängel
bieten für die Politik Ansatzpunkte, unter dem Aspekt der Eigennutzmaximierung,
Maßnahmen zu veranlassen, die auf die Beseitigung dieser Defizite hinarbeiten.
Umstritten ist in der Literatur, inwieweit es dafür eine rein ökonomische Begründung
gibt und ob staatliches Handeln tatsächlich notwendig ist und eine Pareto-
Verbesserung überhaupt herbeiführen kann. Für die subjektive Notwendigkeit von
Interventionen sprechen die gesundheits- und verteilungspolitischen Ziele, die sich
ohne Beteiligung des Staates am Markt für Arzneimittel nicht oder nur schwerlich
erreichen lassen würden.
3 Instrumente staatlichen Handelns
Nachdem nun dargelegt wurde, dass auf dem Markt für Arzneimittel Mängel
existieren, die unerwünscht sind und durch staatliche Maßnahmen behoben werden
dürfen, soll nun geklärt werden, inwieweit dies erfolgen kann und welche Absichten
damit verbunden sind.
3.1 Gegenstand und Richtung der Regulierung
Grundsätzlich ist unter Regulierung die staatliche Koordination von Marktteilnehmern
und ihr Verhalten zueinander zu verstehen, ,,soweit ökonomische Sachverhalte
betroffen sind". Seitens der Regierung erfolgt eine Kontrolle oder
Verhaltensbeeinflussung der Wirtschaft. Dabei stehen das Marktgeschehen oder die
Marktstruktur im Mittelpunkt staatlicher Aktivitäten
52
. Die Möglichkeiten zur
Intervention lassen sich in die folgenden vier Kategorien einteilen
53
:
1. Subventionen als Zuzahlungen oder Steuergutschriften, die die Kostenstruktur
der Angebotsseite beeinflussen,
2. Regierungskäufe oder Nachfragesubventionierung bestimmter Güter zur
Beeinflussung der Nachfrageseite,
3. Kontrollen von Preisen und Qualität, die die Bedingungen des Marktprozesses
vorgeben,
52
Vgl. Mehnert (1997), S. 26ff
53
Vgl. Rasmussen/Zupan (1991), S. 168ff
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2005
- ISBN (eBook)
- 9783832488574
- ISBN (Paperback)
- 9783838688572
- DOI
- 10.3239/9783832488574
- Dateigröße
- 525 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Humboldt-Universität zu Berlin – Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
- Erscheinungsdatum
- 2005 (Juli)
- Note
- 2,3
- Schlagworte
- festbeitrag generika gesundheitsreform negativliste gesetzliche krankenversicherung
- Produktsicherheit
- Diplom.de