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Abwertung notleidender Menschen durch offensive Spendenanzeigen?

Eine experimentelle Internetstudie

©2005 Diplomarbeit 152 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Um sich auf einem immer härter umkämpften Spendenmarkt zu behaupten und möglichst viele Spendengelder akquirieren zu können, greifen karitative Organisationen immer wieder auf Techniken zurück, welche die Notlage der Hilfe empfangenden Personen stark akzentuieren. Verschiedenen Autoren zufolge kann derart formulierte Spendenwerbung neben den angestrebten Effekten jedoch die Abwertung der Hilfebedürftigen und der karitativen Organisation und somit eine geringere Spendenbereitschaft bewirken.
Diese negativen Wirkungen offensiver Spendenwerbung werden in der vorliegenden Arbeit zum einen mit dem differenziellen Merkmal des Gerechte-Welt-Glaubens nach Lerner bzw. mit der von Maes abgeleiteten Variante des Glaubens an immanente Gerechtigkeit erklärt. Ihren Annahmen folgend, wird der Glaube, in einer gerechten Welt zu leben, insbesondere durch Spendenwerbung in Frage gestellt, welche die Notlage der Hilfeempfänger sehr stark hervorhebt und damit Ungerechtigkeit impliziert. Um ihren Gerechte-Welt-Glauben zu bewahren, attribuieren sie die Notlage auf Eigenschaften und Verhaltensweisen der Hilfeempfänger, spielen deren negative Situation herunter und werten sie ab. Hieraus folgt eine geringere Absicht zu einer karitativen Spende.
Daneben wird die Abwertung der Hilfeempfangenden mit Brehms Theorie der psychologischen Reaktanz begründet. Hier wird erwartet, dass sich Werberezipienten aufgrund der offensiven Anzeigenformulierung (verbaler Spendenappell und visuelle Gestaltung) zu einer Spende gedrängt und in ihren individuellen Freiheiten bedroht ansehen und die karitative Organisation im Sinne eines Bumerangeffekts ebenso abwerten wie die Hilfeempfänger. Neben diesem allgemeinpsychologisch zu betrachtenden Phänomen werden zudem reaktanzverstärkende Person-mal-Situations-Interaktionen zwischen der Anzeigengestaltung und Werthaltungen erwartet, die sich im Wertekreis nach Schwartz durch die Präferenz von Freiheit gegenüber Sicherheit auszeichnen.
Diese theoretischen Annahmen werden in ein Pfadmodell formuliert und anhand einer experimentellen Online-Befragung (N=419-530) im 2x2-Design überprüft. Die Befunde deuten vor allem auf eine Bestätigung der allgemeinpsychologischen Reaktanzeffekte hin: Eine notlagenakzentuierende Spendenwerbung bewirkt, dass sich die Rezipienten durch diese in ihren individuellen Freiheiten bedroht fühlen und sowohl die karitative Organisation als auch die Hilfeempfänger abwerten. Eine geringere […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8845
Jonas, Benjamin: Abwertung notleidender Menschen durch offensive Spendenanzeigen? -
Eine experimentelle Internetstudie
Hamburg: Diplomica GmbH, 2005
Zugl.: Georg-August-Universität Göttingen, Diplomarbeit, 2005
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2005
Printed in Germany

Inhalt
Abbildungsverzeichnis
I
Tabellenverzeichnis
IV
1
Einleitung
1
1.1
Eindringliche Spendenwerbung als Erfolgsfaktor?
Ein basales Wirkmodell für karitative Werbung
1
1.2
Die Fragestellung: Gegeneffekte offensiver
Spendenwerbung
9
2
Abwertung der Hilfeempfangenden:
Erklärungsansätze
12
2.1
Glaube an eine gerechte Welt
14
2.1.1
Glaube an eine ultimativ gerechte Welt
18
2.1.2
Glaube an eine immanent gerechte Welt
23
2.1.3
Herleitung des GWG-Effektmodells
26
2.2.
Psychologische Reaktanz
29
2.2.1
Herleitung eines allgemeinpsychologischen Reaktanz-
Modells
31
2.2.2
Berücksichtigung der persönlichen Werthaltungen im
Modell
33
2.3
Herleitung des integrativen Modells
35
3
Methodik
39
3.1
Ziele und Design
39
3.2
Operationalisierung der Variablen
41
3.2.1
Stimulusmaterial
42
3.2.2
Werthaltungen
45
3.2.3
Glaube an immanent und ultimativ gerechte Welt
46
3.2.4
Relativierung der Notlage
48
3.2.5
Vorwurf der Selbstverschuldung
49
3.2.6
Empfundene Freiheitsbedrohung
50
3.2.7
Einstellung zur karitativen Organisation und zu den
Hilfeempfängern
52
3.2.8
Spendenabsicht
54
3.3
Implementierung der Items im Fragebogen
55
3.3
Untersuchungsdurchführung und Beschreibung der
Teilnehmenden
57

4
Ergebnisse
63
4.1
Ergebnisse zur psychologischen Reaktanz
63
4.1.1
Effekte der Einstellungsvariablen auf die Spendenabsicht
64
4.1.2
Effekte der Notlagenakzentuierung durch die Anzeige auf
die empfundene Freiheitsbedrohung
67
4.1.3
Integration
70
4.2
Integration des Modells des Gerechte-Welt-Glaubens
72
4.2.1
Effekte der Notlagenrelativierung, des
Selbstverschuldungsvorwurfs und der Einstellung
gegenüber den Hilfeempfangenden auf die
Spendenbereitschaft
72
4.2.2
Effekte des Glaubens an immanente Gerechtigkeit
76
4.2.3
Integration zum gesamten GWG-Effektmodell
80
4.3
Zusammenführung beider Effektmodelle und Integration
der persönlichen Werthaltungen
82
4.3.1
Zusammenführung des Reaktanz- und GWG-Modells
82
4.3.2
Integration der persönlichen Werthaltungen
84
5
Diskussion
89
5.1
Diskussion der Methodik
89
5.1.1
Validität des Untersuchungsinstruments
89
5.1.2
Durchführungsmodalitäten
91
5.2
Diskussion der Befunde
92
5.2.1
Auswirkungen der Notlagenakzentuierung auf
psychologische Reaktanz
92
5.2.2
Erklärender Einfluss des Glaubens an immanente
Gerechtigkeit
94
5.2.3
Einfluss persönlicher Werthaltungen
98
5.2.4
Bewertung des Gesamtmodells
101
5.3
Nützlichkeit der Befunde
102
Zusammenfassung
105
Literatur
107
Anhang
116

Abbildungsverzeichnis
I
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1_1
Zusammenhänge der Begriffe Altruismus, Prosoziales Handeln
und Hilfeverhalten
2
Abb. 1_2
Beispiel für eine Werbemittelgestaltung
3
Abb. 1_3
Erwartungswert-Modell
zur
Gestaltung
karitativer
Spendenwerbung
3
Abb. 1_4
Der Wertekreis von Schwartz (1992)
5
Abb. 1_5
Effektmodell von Spendenwerbung, basierend auf dem
Erwartungswert-Modell,
mit
Berücksichtigung
des
Zusammenwirkens von Personen- und Umweltmerkmalen
8
Abb. 1_6
Mögliche Effekte offensiver Spendenwerbung
10
Abb. 2_1
Beispiel für eine Werbemittelgestaltung
12
Abb. 2_2
Allgemeiner Gerechte-Welt-Glaube und seine Facetten nach
Maes (1992)
17
Abb. 2_3
Einfluss von Zorn über Ungerechtigkeit und existentieller
Schuld auf Hilfehandlungen
20
Abb. 2_4
Effekte der Beurteilung bzgl. der Ungerechtigkeit einer
Situation
und
der
Wahrnehmung
eines
kausalen
Zusammenhangs auf den Zorn über die Ungerechtigkeit,
existentielle Schuld und Hilfeleistung
21
Abb. 2_5
Gerechtigkeitspsychologisches
Modell
zu
prosozialem
Handeln, basierend auf der Theorie der relativen Privilegierung
und der GWG-Facette Glaube an ultimative Gerechtigkeit
22
Abb. 2_6
Schuldzuschreibung an das Opfer und Relativierung der
Notlage als Resultat von Viktimisierung und dem Glauben an
eine immanent gerechte Welt
23
Abb. 2_7
Postulierter Effekt der Attribution auf Eigenschuld auf die
Bewertung der viktimisierten bzw. benachteiligten Person
24
Abb. 2_8
Gerechtigkeitspsychologisches Modell zur Erklärung der
Inhibition prosozialen Handelns, basierend auf der GWG-
Facette Glaube an immanente Gerechtigkeit
25
Abb. 2_9
Werbewirkmodell zur Erklärung spendeninhibierender und -
unterstützender Faktoren vor gerechtigkeitspsych. Hintergrund
27
Abb. 2_10 Fiktives Spendenplakat
31

Abbildungsverzeichnis
II
Abb. 2_11 Empfundene
Freiheitsbedrohung
durch
offensive
Spendenanzeigen
31
Abb. 2_12 Werbewirkmodell zur Erklärung spendeninhibierender Faktoren
vor reaktanztheoretischem Hintergrund
33
Abb. 2_13 Werbewirkmodell zur Erklärung spendeninhibierender Faktoren
vor reaktanz- und wertetheoretischem Hintergrund
35
Abb. 2_14 Integratives Werbewirkmodell zur Erklärung psychischer
Gegeneffekte auf offensive Spendenwerbung
36
Abb. 3_1
BiPo-Werteitems im Schwartz'schen Wertekreis (Strack, 2004)
45
Abb. 3_2
Screeplot der Hauptkomponentenanalyse der im Pretest
vorhandenen IG- und UG-Items
46
Abb. 3_3
Itemformulierungen
zur
Erfassung
der
empfundenen
Freiheitseinschränkung
51
Abb. 3_4
Versuchsablauf der experimentellen Internetbefragung
56
Abb. 3_5
Bildschirmfoto einer Seite des Online-Fragebogens
56
Abb. 3_6
Zeitliche Verteilung der Antworteingänge
58
Abb. 3_7
Anzahl der Dropouts und der TN, die beide Teile des
Fragebogens absolvierten
59
Abb. 3_8
Anzahl der Dropouts und der TN, die beide Teile des
Fragebogens absolvierten (bereinigter Datensatz)
60
Abb. 3_9
Altersstruktur
bundesdeutscher
Internetnutzer
und
-nutzerinnen und der Teilnehmenden
61
Abb. 3_10 Prozentuale Verteilung ausgeübter Berufe der TN
62
Abb. 4_1
Häufigkeitsverteilung der Spendenbereitschaft
64
Abb. 4_2
Screeplots: Eigenwerte der unrotierten Faktoren der Skala zur
Beurteilung
der
Hilfeempfänger
und
der
karitativen
Organisation
64
Abb. 4_3
Häufigkeitsverteilung der Einstellungsskalen
65
Abb. 4_4
Häufigkeitsverteilungen der FRP- und FRT-Skalenwerte in
Abhängigkeit von der Anzeigengestaltung
67
Abb. 4_5
Wahrgenommene Freiheitsbedrohung durch verbalen Appell
und dargestellte Personen in Abhängigkeit der visuellen und
verbalen Notlagenakzentuierung
69

Abbildungsverzeichnis
III
Abb. 4_6
Allgemeinpsychologisches Pfadmodell der psychologischen
Reaktanz
69
Abb. 4_7
Screeplot: Eigenwerte der unrotierten Faktoren der Skala zur
Notlagenrelativierung (RN)
71
Abb. 4_8
Häufigkeitsverteilung
der
Notlagenrelativierung
/
Wahrnehmung der Notlage
72
Abb. 4_9
Screeplot: Eigenwerte der unrotierten Faktoren der
Attributionsskala
72
Abb. 4_10 Häufigkeitsverteilung des Vorwurfs der Selbstverschuldung an
die benachteiligten Personen (SV)
73
Abb. 4_11 Screeplot: Eigenwerte der unrotierten Faktoren der IG- und
UG-Skala
75
Abb. 4_12 Häufigkeitsverteilung
zum
Glauben
an
immanente
Gerechtigkeit
76
Abb. 4_13 Korrelationen der GWG-Facetten nach Maes (1992) mit den
Achsen des Wertekreises nach Schwartz (1992)
76
Abb. 4_14 Korrigiertes Pfadmodell zum Gerechte-Welt-Glauben
79
Abb. 4_15 Korrigiertes und erweitertes Reaktanz- und GWG-Pfadmodell
81
Abb. 4_16 Verortung aller Teilnehmenden im Wertekreis
83
Abb. 4_17 Korrelationen der Indizes für empfundene Freiheitsbedrohung,
Einstellung und Spendenabsicht mit den Werthaltungen nach
Schwartz (1992)
84
Abb. 4_18 Integratives Modell aller relevanten Effekte
88

Tabellenverzeichnis
IV
Tabellenverzeichnis
Tab. 1_1
Definition der Zielwerte Universalismus und Wohlwollen
6
Tab. 3_1
Experimentaldesign
40
Tab. 3_2
Benötigte TN-Anzahl für a priori festgelegte Effektstärken (für
Korrelationen) und alpha- und beta-Niveaus (/=1/2) bei
einseitiger Signifikanztestung
40
Tab. 3_3
Hilfsappelle, die für die fiktiven Spendenanzeigen verwendet
wurden
44
Tab. 3_4
Für die Untersuchung ausgewählte Items der GWG-Facetten
47
Tab. 3_5
Itemkennwerte der für die Untersuchung ausgewählten Items
zur Messung der Notlagenrelativierung
48
Tab. 3_6
Itemkennwerte der für die Untersuchung ausgewählten Items
zur Messung der Verursachungsattribution
50
Tab. 3_7
Itemkennwerte der für den Hauptversuch gewählten Items zur
Messung der empfundenen Freiheitsbedrohung
51
Tab. 3_8
Deskriptive Modelle zur Kategorisierung und Systematisierung
interpersonellen Verhaltens und beliebiger Meinungs-
gegenstände
53
Tab. 3_9
Itemkennwerte
der
Einstellungsskalen
aus
der
Voruntersuchung
54
Tab. 3_10 Itemkennwerte zur Erfassung der Spendenabsicht aus dem
Pretest
55
Tab. 3_11 Anzahl der ausgefüllten Fragebögen
60
Tab. 4_1
Faktorenladungen
der
Items
zur
Beurteilung
der
Hilfeempfänger
65
Tab. 4_2
Faktorenladungen der Items zur Beurteilung der karitativen
Organisation
65
Tab. 4_3
Lineare Regressionsanalyse. Beurteilungsdimensionen als
Regressoren, Spendenbereitschaft als AV; Methode zur
Variablenauswahl: Rückwärts-Elimination
66
Tab. 4_4
Varianzanalyse
der
Varianten
empfundener
Freiheitsbedrohung (FRP, FRT) durch die Anzeigengestaltung
(NP, NT): Univariate Tests und zugehörige Parameterschätzer
68

Tabellenverzeichnis
V
Tab. 4_5
Faktorenladungen
der
Items
zur
Einschätzung
der
Verursachungsattribution
72
Tab. 4_6
Lineare Regression der Spendenbereitschaft auf Relativierung
der Notlage und Selbstverschuldungsvorwurf
73
Tab. 4_7
Lineare Regression der Einstellung ggü. den Hilfebedürftigen
auf Relativierung der Notlage und Selbstverschuldungsvorwurf
74
Tab. 4_8
Faktorenladungen der Items zur Erfassung der GWG-Facetten
75
Tab. 4_9
Varianzanalyse
von
Notlagenrelativierung
(RN)
und
Selbstverschuldungsvorwurf (SV) auf Notlagenbetonung durch
Personen (NP) und Text (NT) und Glauben an immanente
Gerechtigkeit (IG): Univariate Tests und zugehörige
Parameterschätzer
78
Tab. 4_10 Varianzanalyse der wahrg. Freiheitsbedrohung durch Text und
darg. Personen (FRT, FRP) durch Selbstbestimmungs-
Werthaltungen (Haupteffekt & Interaktionen mit der
Notlagenakzentuierung durch Text und darg. Personen):
Univariate Tests und zugehörige Parameterschätzer
85

1 Einleitung
1
1
Einleitung
"If my brief is to make people put their hands in
their pocket and come up with some money,
then one has to ­ it's quite right to use fairly
dramatic techniques in doing that"
Simon Sherwood, Werbeagentur Lowe Howard-Spink
zum dem Thema
Spendenwerbung für karitative Organisationen
(Channel 4 (UK) Television, 1991,
zit. n. Harper, 2003:196)
Das Spendenaufkommen für mildtätige Zwecke in Deutschland stagniert. Abgesehen
von aktuellen Meldungen, wie beispielsweise der so genannten Jahrhundertflut im
Sommer 2002 oder der Tsunamikatastrophe im Dezember 2004, welche zu Spenden
in Rekordhöhe führten (Diakonie, 2004; Spendenrat, 2005), steigt das Spendenauf-
kommen seit mehreren Jahren nur auf Inflationsniveau (Urselmann, 2000). Es sei
Hilfsorganisationen nicht gelungen, ,,die Bevölkerung zu einer spürbaren Verände-
rung ihres karitativen Verhaltens zu bewegen" (a.a.O.:12).
Die Stagnation des Spendenmarktes führt bei einer gleichzeitig immer größeren
Anzahl von Spenden sammelnden Organisationen zu einem steigenden Wettbe-
werbs- und Professionalisierungsdruck auf Seiten der Beteiligten (Urselmann, 2000).
Um sich auf dem Markt behaupten zu können, gehört effektive Massenkommunikati-
on, beispielsweise in Form von Anzeigen oder Beilagen in Printmedien, in der
Außenwerbung oder als Web-Banner, zu den grundlegenden Erfolgsfaktoren;
Konzepte zur Gestaltung von Werbemitteln bedürfen mehr denn je wissenschaftli-
cher Fundierung und elaborierter Forschungsmethodik.
1.1 Eindringliche
Spendenwerbung
als
Erfolgsfaktor?
Ein basales Wirkmodell für karitative Werbung
Da Werbewirkungsforschung für karitative Organisationen in der Literatur des
kommerziellen Marketings nur sehr marginal repräsentiert ist und im Social Marke-
ting wichtige Determinanten von Werbeerfolg ­insbesondere solche aus dem
psychosozialen Bereich­ nur wenig Beachtung finden (Bendapudi et al., 1996:36),
stellt sich die Frage, welcher wissenschaftliche Bereich bei der Entwicklung Erfolg
versprechender Effektmodelle behilflich sein kann.

1 Einleitung
2
Die psychologische Forschung zu prosozialem Handeln kann unter anderen hierfür
genutzt werden, da sie erlaubt, die Gestaltung der Spendenwerbung (z.B. die Art der
Darstellung der Hilfeempfangenden), die Eigenschaften der um Hilfe gebetenen
Person (z.B. Persönlichkeitsmerkmale) und die der Situation (z.B. soziale Normen) in
Beziehung zu setzen und ihren Einfluss auf die Spendenabsicht zu untersuchen.
Basierend auf ihren Erkenntnissen soll in diesem Abschnitt versucht werden, ein
basales Werbewirkungsmodell zu entwickeln, das als Gestaltungsgrundlage für
möglichst effektive (d.h. spendenträchtige) Werbemittel dienen kann und -wie sich
zeigen wird- bereits in Verbreitung ist. Das Ziel der Arbeit ist es dann, Vorteile,
insbesondere jedoch mögliche Risiken dieses Modells genauer zu untersuchen und
zu diskutieren.
Mitleid, Effektivitätserwartung und Spendenhandlung
Prosoziales Handeln hat zum Ziel, die
Situation von anderen Menschen zu verbes-
sern. Es ist von einfachem Hilfeverhalten
dadurch abzugrenzen, dass es nicht lediglich
durch Verpflichtungen (Bierhoff, 2001)
zustande kommen darf, sondern die Ent-
scheidung des potentiellen Helfers aus freier
Wahl resultiert (a.a.O.:320). Es setzt Bierhoff zufolge im Gegensatz zu altruistischem
Verhalten zwar keine Empathie voraus, schließt solche Fälle jedoch mit ein (s.
Abbildung 1_1). Nach Hoffman (1977, 1981, zit. n Myyry & Helkama, 2001:30) äußert
sich eine empathische Reaktion gegenüber einer Person auf kognitiver und emotio-
naler Ebene: Sie beinhaltet die Perspektivenübernahme der hilfebedürftigen Person
und das Verspüren empathischer Besorgnis, zu der z.B. Mitleid gehört (Davis, 1983,
zit. n. a.a.O.).
Die Frage, warum die Not eines Mitmenschen -oder einer auf einem Werbeträger
dargestellten Person- Menschen zu prosozialem Handeln veranlasst, wird mit der
negativen Anspannung erklärt, die aus der wahrgenommenen Situation resultiert
(Batson & Powell, 2003:466). Je stärker die z.B. durch empathisches Mitgefühl
entstandene Anspannung wird, umso größer ist der Wunsch, sie beispielsweise mit
einer Hilfehandlung zu reduzieren. Sofern diese Erkenntnisse aus der psychologi-
schen Forschung zu prosozialem Handeln auf die Gestaltung von Spendenwerbung
Abb. 1_1: Zusammenhänge der Begriffe
Altruismus, Prosoziales Handeln und
Hilfeverhalten (zit. n. Bierhoff, 2001:321)
Altruismus
Prosoziales
Handeln
Hilfe-
Verhalten

1 Einleitung
3
übertragbar sind, wäre es möglicherweise empfehlenswert, die Dringlichkeit eines
mildtätigen Engagements in der Formulierung besonders hervorzuheben.
Bendapudi et al. (1996:38) zufolge ist es zudem von
grundlegendem Interesse, der Zielperson einen effizien-
ten, effektiven und vertrauensvollen Umgang mit der
Spende zu kommunizieren. Gemäß dem Erwartungs-
wert ­ Modell der Einstellungen (z.B. Stahlberg & Frey,
1996:247) folgt der entstandenen Anspannung und der
Aussicht auf einen effektiven Umgang eine positive
Einstellung gegenüber einer Spende für die betreffende
karitative Organisation. Ein Werbemittel, das womöglich
diesem Beispiel folgt, ist in Abbildung 1_2 dargestellt:
Die schlechten Lebensverhältnisse des abgebildeten
Kindes sind gut erkennbar (z.B. durch die Fliege auf der
Stirn) und der Gesichtsausdruck erweckt den Eindruck,
dass es traurig ist. Zudem wird dem Rezipienten
1
durch die Textbotschaft eine klare
Möglichkeit offeriert, einzuschreiten und das Leid der repräsentierten Personengrup-
pe zu lindern. Das Modell ist in Abbildung 1_3 zusammengefasst.
Mit Empathie als Arousalfaktor und der Effizienzerwartung als kognitivem Teil der
Kosten-Nutzen-Überlegung enthält das in Abbildung 1_3 gezeigte Modell wichtige
Grundbausteine unterschiedlicher theoretischer Modelle zu prosozialem Verhalten
(vgl. Schwartz & Howard 1981, zit. n. Bierhoff, 2001; Dovidio et al., 1991).
1
Zur leichteren Lesbarkeit dieser Arbeit wird häufig nur die maskuline Bezeichnung von Personen
verwendet. Gemeint ist jedoch immer auch die feminine Variante des Begriffs, wie hier Rezipientin.
Abb. 1_2: Beispiel für eine
Werbemittelgestaltung, zit. n.
World Vision e.V. (2004a)
Abb. 1_3: Erwartungswert-Modell zur Gestaltung karitativer Spendenwerbung

1 Einleitung
4
Werthaltungen als Prädiktoren einer Spendenhandlung
Neben den Merkmalen der Situation sind Charakteristika der Person in der psycho-
logischen Forschung oft zur Erklärung von prosozialem Verhalten herangezogen
worden. So beschreibt beispielsweise Bierhoff (2001) Wesenszüge, die zu einer
prosozialen Persönlichkeit gehören (a.a.O.:329). Persönliche Normen und die ihnen
zugrunde liegenden Werthaltungen sind hierbei ebenfalls ins Blickfeld des Interesses
gerückt (vgl. Batson & Powell, 2003:468).
Persönliche Werthaltungen sind Schwartz (1992, zit. n. Bierhoff, 2001) zufolge
,,Überzeugungen, die sich auf erwünschte Zielzustände beziehen, über spezielle
Situationen hinausgehen, als Richtschnur für die Auswahl oder Bewertung von
Verhalten, Menschen oder Ereignissen dienen und nach ihrer relativen Bedeutung
geordnet sind." (a.a.O.:339).
Schwartz (1992) entwickelte, stark durch Rockeachs und Kluckhohns Wertetheorien
beeinflusst, mit Hilfe der multidimensionalen Skalierung ein integrales und umfas-
sendes System an Werten, die in einer zweidimensionalen Struktur, dem sog.
,,Wertekreis" in Relation zueinander dargestellt sind.
Werte unterscheiden sich nach Schwartz (1992, 1996) klar nach den Anforderungen,
aus denen sie entspringen. Bei den Anforderungen handele es sich um biologische
Bedürfnisse, um Erfordernisse, die sich auf die Notwendigkeit der Interaktion von
Gruppenmitgliedern beziehen, sowie um Aufgaben, die zum Überleben der eigenen
Gruppe zu bewältigen sind. Schwartz sieht diese drei Anforderungen an alle Men-
schen gleichermaßen gerichtet. Ihm zufolge werden sie von Menschen kognitiv als
eindeutig voneinander unterscheidbare, universelle und zielgerichtete Werte reprä-
sentiert und mit anderen Gruppenmitgliedern kommuniziert. Schwartz (1992) identifi-
zierte schließlich 10 Wertetypen: Universalismus, Sozialität, Tradition, Konformität,
Sicherheit, Macht, Leistung, Hedonismus, Anregung und Selbstbestimmung
(Schwartz, 1992, übers. n. Strack, 2004). Diese werden durch einzelne Werte
repräsentiert, welche in ihren jeweiligen keilförmigen Flächensektoren angesiedelt
sind (s. Abb. 1_4).

1 Einleitung
5
Die Kreisstruktur trägt der semantischen Beziehungen der Werte Rechnung. Ähnli-
che Werte stehen in geringerer Distanz zueinander und sind in der selben oder in
angrenzenden Flächen angesiedelt. Je weniger die von ihnen verkörperten Ziele
vereinbar sind, umso weiter sind sie voneinander entfernt. So verdeutlicht der
Wertekreis, dass z.B. Sicherheit und Selbstbestimmung als Zielzustände nicht in
gleichem Maße präferiert werden können, wenngleich sie beide erstrebenswert sein
mögen. Besser miteinander vereinbar sind Werte, die direkt benachbart sind.
Ähnliche Werte, wie z.B. Sicherheit und Tradition beziehen sich auf verwandte
Zielzustände.
Abbildung 1_4: Der Wertekreis von Schwartz (1992): die über Punkte markierten Lokalisierungen
resultieren aus einer Multidimensionalen Skalierung der Wichtigkeitsratings von je ca. 200
Teilnehmern in 36 Stichproben aus 20 Nationen, 13 Sprachen und 8 Religionen, der äußere
Kreis und die Segmente sind Interpretationen von Schwartz (zit. n. Strack, 2004:175).

1 Einleitung
6
Die fast vollständige, kohärent strukturierte Ansammlung von Werten hat im Ver-
gleich zu vorigen Werteinhaltsmodellen unter anderem den Vorteil, dass noch nicht
inkorporierte Werte in die Gesamtstruktur integriert werden können (Strack,
2004:174; Schwartz , 1996:2). Das Modell ist somit beliebig durch andere Werte
erweiterbar; zudem ist es möglich, andere Merkmale (wie z.B. Persönlichkeitseigen-
schaften) in die Kreisstruktur einzuordnen und mit Werthaltungen zu vergleichen.
Zwei Dimensionen definieren die Kreisstruktur (Schwartz, 1992): Die erste Dimensi-
on spannt sich zwischen den Werten Selbstbestimmung und Anregung auf der einen
Seite und Tradition, Konformität und Sicherheit auf der anderen Seite. Sie spiegelt
den grundsätzlichen Konflikt zwischen dem Streben nach eigenem unabhängigen
Denken, Handeln und Fortschritt einerseits, und nach Schutz, Einordnung und
Stabilität andererseits wider.
Die andere Dimension wird durch die Antipoden Selbst-Transzendenz und Selbst-
werterhöhung bestimmt. Während sich die selbstbezogenen Werte durch das
Streben nach individuellem Erfolg und sozialem Einfluss ausdrücken, vereint Selbst-
Transzendenz mit Universalismus und Sozialität Werthaltungen, die auf die Verbes-
serung des Allgemeinwohls abzielen (a.a.O.), und die Bierhoff (2001) zufolge
besonders wichtig zur Erklärung prosozialen Verhaltens sind. Abhängig davon, ob
sich der Adressat der mildtätigen Handlungen im näheren Umfeld der Hilfe leisten-
den Person befindet, sind die beiden Zielwerte Universalismus und Wohlwollen
handlungsleitend. Tatsächlich fanden Myyry und Helkama (2001), dass diese beiden
Werte im Vergleich zu anderen Werthaltungen am engsten mit emotionaler Empathie
verknüpft sind. Schwartz (1996) fand sie mit zwischenmenschlicher Kooperation
assoziiert. Universalismus bezieht sich ,,auf das Verständnis, die Wertschätzung, die
Toleranz und den Schutz zum Wohlergehen aller Menschen und der Natur"
(Schwartz, 1994, übers. d. Bierhoff, 2001:339 f.) und ist für die Erklärung von
Spenden für mildtätige Zwecke eher angebracht als Wohlwollen, welches sich in
seiner positiven Haltung eher auf das engere soziale Umfeld bezieht (siehe Tabelle
1_1).
Tabelle 1_1: Definition der Zielwerte Universalismus und Wohlwollen
Universalismus Verständnis, Wertschätzung, Toleranz und Schutz zum Wohlergehen aller
Menschen und der Natur
Wohlwollen
Erhaltung und Verbesserung des Wohlergehens von Menschen, mit denen man
häufigen persönlichen Kontakt pflegt

1 Einleitung
7
Aufgrund ihres Einflusses sollten deshalb neben den situationalen Faktoren die
persönlichen Werthaltungen in das obige Effektmodell (s. Abb. 1_3) integriert
werden. Auf welche Weise dies geschehen kann, wird im folgenden beschrieben.
Synergetische Person x Situations ­ Interaktion
Nach Schwartz (1996:2) gelangen Werthaltungen ins Bewusstsein und werden für
die Bildung von Einstellungen und Verhalten relevant, wenn die in ihnen implizierten
Zielzustände nicht mit der tatsächlich wahrgenommenen Situation vereinbar sind. Ein
solcher Ist-Soll-Konflikt würde demnach beispielsweise beim Durchblättern einer
Zeitschrift ausgelöst, wenn die aufgeschlagene Werbung die lesende Person beson-
ders eindringlich auf die Notlage in Entwicklungsländern hinwiese und umso stärker,
je mehr diese Person prosoziale Werte verfolgt. Je größer der ausgelöste Konflikt,
umso wahrscheinlicher wird dieser durch eine wohltätige Spende gelöst. Neben der
Dringlichkeitsformulierung fördert der Aufruf zur Perspektivübernahme (Bendapudi et
al., 1996:43) möglicherweise die wahrgenommene Ist-Soll-Diskrepanz, da hierdurch
die gezeigte Not als umso stärker empfunden wird.
Ein solches Zusammenwirken von Person (Werthaltung) und Situation (Notlage), das
in der bereits von Lewin 1936 formulierten Verhaltensgleichung V = f ( P , U )
2
Ausdruck findet, ist möglicherweise im Sinne von Schmitt et al. (2003) als synergeti-
sche Person x Situations - Interaktion zu modellieren, da vermutet werden kann,
dass die Werthaltungen und die Botschaft nicht nur additiv auf die Wahrnehmung der
dargestellten Situation wirken, sondern sich in ihrem Zusammenwirken potenzieren.
Diese Synergie kann Schmitt und Kollegen zufolge aus diversen psychologischen
Modellen erklärt werden (z.B. Diathese-Stress-Modell) und hat sich an verschiede-
nen Stellen empirisch bewährt (a.a.O.:146).
Formulierung des gesamten Wirkmodells
Aus den erfolgten Überlegungen heraus ist das in Abbildung 1_3 gezeigte Erwar-
tungswert-Modell um die von den differentiellen Werthaltungen ausgehenden
additiven und synergetischen Effekte zu erweitern. Zudem wird der Annahme
kognitiv orientierter Emotionsmodelle Rechnung getragen, dass Kognitionen in ihrer
(situations-) bewertenden Funktion die Grundlage für Emotionen darstellen (vgl.
Scherer, 1999, zit. n. Schmitt et al., 2000:315). Um empathisches Mitgefühl zu
2
Verhalten und Erleben sind als Resultat der Wechselwirkungen zwischen Merkmalen der Person und
Merkmalen des situativen Kontexts aufzufassen.

1 Einleitung
8
verspüren, muss die rezipierende Person die in der Spendenwerbung kommunizierte
Situation als mehr oder weniger starke Zwangslage beurteilen.
Die evaluative Funktion prosozialer Wertüberzeugungen manifestiert sich einerseits
in synergetischer Wirkung: Ihr Effekt wird, wie oben beschrieben, in Interaktion mit
der Betonung der Notlage potenziert. Jedoch äußern sich die Werthaltungen auch in
Form eines Haupteffektes, da bereits bei Bewusstmachung einer leichten Notlage
(wie es bei jeder Spendenwerbung für minderbemittelte Menschen der Fall sein mag)
mit der Aktivierung von prosozialen Werten zu rechnen sein könnte.
Auch Personen, deren Wertpräferenzen nicht in universalistische Richtung gehen,
beurteilen und empfinden die Notlage vermutlich als schwerwiegender, wenn die
Gestaltung der Werbung drastischere Methoden wählt. Aus diesem Grund wird auch
ein Haupteffekt von der Betonung der Notlage auf die Situationsbewertung ange-
nommen. Neben dem Interaktionseffekt zwischen den genannten Merkmalen werden
also beide separat wirkenden Haupteffekte erwartet. Das gesamte Werbewirkungs-
modell ist in Abbildung 1_5 dargestellt.
Es stellt somit auch ein einfaches Optimierungsmodell zur Formulierung von Spen-
denwerbung bereit: Um die Spendenabsicht zu erhöhen, appelliere man nachdrück-
lich z.B. an die prosozialen Werthaltungen der Rezipierenden und kommuniziere
(direkt in der Anzeige oder über das Image der Organisation) einen guten Umgang
mit der Spende.
Abbildung 1_5: Effektmodell von Spendenwerbung, basierend auf dem Erwartungswert-Modell, mit
Berücksichtigung des Zusammenwirkens von Personen- und Umweltmerkmalen.

1 Einleitung
9
1.2 Die Fragestellung: Gegeneffekte offensiver Spendenwerbung
Um die Notwendigkeit einer karitativen Spende zu verdeutlichen, greifen Hilfsorgani-
sationen in ihren Kommunikationsmitteln jedoch auf Gestaltungskonzepte zurück, die
von unterschiedlicher Seite stark kritisiert wurden. Ihre Spendenaufrufe tendieren
teils zu so genannten "High-Pressure"-Techniken, um ein vermehrtes Schuldbe-
wusstsein seitens der Botschaftsrezipienten zu erreichen (Carr & Atkins, 2003). Sie
stellen die Entwicklungsländer und ihre Bewohner als unglücklich, hoffnungslos
(Godwin, 1994, zit. n. Carr et al., 1998), hilf- und machtlos dar, um mehr Spenden zu
erhalten (Billig et al. 1998, zit. n. Harper, 2003). Hierbei schrecken sie auch nicht vor
stark vereinfachten und stereotypisierenden Darstellungen dieser Menschen und der
Gründe für ihre Armut zurück (Harper, 2003). Wichtige Punkte, die die Armut erklä-
ren könnten, werden oft gar nicht angesprochen und genannte Gründe stellen die
zugrunde liegenden Probleme auf sehr simplifizierende Weise dar. Solche Kritik
beschränkt sich jedoch nicht nur auf den Bereich der Entwicklungszusammenarbeit.
Studien, die Spendenanzeigen für die Förderung von behinderten Menschen unter-
suchten, kamen zu ähnlichen Ergebnissen (vgl. Doddington et al., 1994; Eayrs &
Ellis, 1990).
Eine zentrale Taktik von Spendenwerbung besteht Carr und Atkins (2003) zufolge
darin, die Betrachter in moralisierender Weise auf die starken Unterschiede der
Qualität ihres und des Lebens von Menschen in Entwicklungsländern aufmerksam zu
machen, und ,,den ,Schuld-Faktor' anzukurbeln" (a.a.O.:291, eigene Übers.). Diese,
nach den Autoren im Fundraising weit verbreitete Methode, vernachlässige jedoch,
dass selbst feste Spendenabsichten kurz- oder längerfristig von Gegenreaktionen
abgelöst werden, wie sie beispielsweise die Theorie der psychologischen Reaktanz
(z.B. Brehm & Brehm, 1981) beschreibt (s. Kap. 2.2). Mann (1998), ein Vertreter des
entwicklungspolitischen Bildungsbereichs, geht in seiner Argumentation in die
gleiche Richtung: Ihm zufolge versuchen Hilfsorganisationen durch das Wecken von
Mitleid und Schuld eine verantwortungsethische Sprache einzuführen, die Gefahr
laufe, ,,genau das Gegenteil dessen zur Folge zu haben, was sie ursprünglich
bewirken wollte: nämlich Abwendung, Verdrängung, Demotivation" (a.a.O.:57). Es
scheint somit nötig, das in Kap. 1.1 entwickelte Modell (Abb. 1.5) um diese Effekte zu
erweitern.

1 Einleitung
10
Und nicht nur Schuld-, sondern auch Gefühle der Hilflosigkeit werden Carr und
Kollegen (1998) zufolge auf Seiten der Werberezipienten geweckt. Krisenjournalis-
mus, eine nicht enden wollende Flut von Hilfsanzeigen und ihre Gestaltung führen
den Autoren zufolge dazu, dass Entwicklungsländer als hoffnungslose Fälle und
Spenden folgerichtig als nutzlos wahrgenommen werden: "Giving money to third
world causes is like throwing it into a black hole" (Godwin, 1994, zit. n. Carr et
al.,1998:31). Trauer, Ohnmachtsgefühle und Entmutigung auf Seiten der angespro-
chenen Person resultieren (Mann, 1998).
Carr et al. (1998) zufolge kann sich dies sogar in negativen Einstellungen gegenüber
den Opfern und in der Auffassung äußern, die in Hilfsanzeigen dargestellten Men-
schen seien selbst Schuld an ihrer eigenen Misere, da dies zur emotionalen Abwehr
des moralischen Dilemmas dienlich ist und einen Weg darstellt, Schuldgefühle und
Hilflosigkeit zu reduzieren. Ein Persönlichkeitsmerkmal, das den Autoren nach eine
zentrale Funktion in der Abwertung hilfsbedürftiger Menschen zu haben scheint, ist
der Gerechte-Welt-Glaube oder Just-World-Belief (Lerner, 1980). Kapitel 2.1 wird
sich mit diesem Erklärungsansatz näher befassen.
Hilfsanzeigen, die zum Zweck haben, Menschen zu
helfen, schaffen also Probleme, die sich nicht nur in
ökonomischen Größen, wie einem geringeren Spenden-
aufkommen, ausdrücken lassen. Es liegt die Vermutung
nahe, dass Anzeigen, die zum Ziel haben, mit High-
Pressure-Techniken möglichst viel Spendengelder zu
akquirieren, in ihrer negativen und simplifizierenden Darstellungsweise Not leidender
Menschen dazu führen, dass diese von den Betrachtern in stereotypisierender Weise
abgewertet und sogar als Schuldige ihrer Lebenslage angesehen werden: ein
paradoxer Effekt mit weit reichender Wirkung.
Zweck der vorliegenden Arbeit ist deshalb, diese Wirkmechanismen mit theoriebil-
dender und empirisch-experimenteller Methodik genauer zu untersuchen. Dazu wird
in den fortfolgenden Kapiteln das basale Modell aus Kapitel 1.1 (Abb. 1_5) um
theoretisch untermauerte Modellbestandteile erweitert. Das resultierende Modell soll
erlauben, die Kritikpunkte an offensiven Spendenanzeigen detailliert zu prüfen. Die
Arbeit beansprucht hierbei keinesfalls, sämtliche Werbemaßnahmen zu repräsentie-
ren, die auf dem Spendenmarkt zu finden sind ­ vielmehr konzentriert sie sich auf die
Abb. 1_6: Mögliche Effekte
offensiver Spendenwerbung

1 Einleitung
11
Kommunikationsmittel, die versuchen, ihren Erfolg durch die bildhafte Verdeutlichung
von Not und Armut zu erreichen.
In Kapitel 2 werden die oben genannten Theorien genauer erläutert und zu einem
Prozessmodell modelliert, das zur Prüfung der vorliegenden Fragestellung dienen
soll. Die Abwertung der abgebildeten Menschen wird hierbei zuerst mit Hilfe der Just-
World-Belief-Theory, danach mit der Theorie der psychologischen Reaktanz erklärt.
Das Wertemodell von (Schwartz, 1992) wird in diesem Zusammenhang ebenfalls
angewendet. Kapitel 3 beschreibt die Transformation der theoretischen Annahmen in
ein empirisch überprüfbares Experimentaldesign und dessen Durchführung. Kapitel 4
legt die Ergebnisse der Erhebung dar. Diese werden in Kapitel 5 diskutiert.

2 Theorie
12
2
Abwertung der Hilfeempfangenden: Erklärungsansätze
Um den Anforderungen adäquat zu begegnen, die sich angesichts eines immer
härter umkämpften Spendenmarktes an die beteiligten karitativen Organisationen
stellen, wurde im ersten Abschnitt der vorliegenden Arbeit zunächst ein Optimie-
rungsmodell zur Entwicklung karitativen Werbematerials hergeleitet. Es wurde
argumentiert, die Spendenwerbung möglichst eindringlich zu formulieren, um so die
Notlage der dargestellten Personen klar ins Bewusstsein der rezipierenden Personen
zu rufen und eine bestmögliche Akquisition von Spendengeldern zu erreichen.
Dieses im karitativen Bereich gängige Vorgehen wurde im Anschluss jedoch stark
kritisiert, da die Hilfeempfangenden aufgrund der offensiven Werbegestaltung
abgewertet würden.
Gründe für die in Kapitel 1.2 vermutete
negativere Haltung gegenüber den
Werbetargets können im Sinne des
Vier-Seiten-Modells einer Nachricht
(Schulz von Thun, 1985) auf Ebene des
Sachinhalts, hinsichtlich der appellati-
ven Formulierungsweise der Spenden-
werbung und auf ihrer Beziehungs-
ebene zu suchen sein: Somit bekommt
die betrachtende Person einerseits ein
mitunter sehr pessimistisches Bild von der Lage der dargestellten Menschen und
geht vermutlich davon aus, dass die Not vor Ort kaum zu bewältigen sei. Anderer-
seits sieht sie sich angesprochen, für diese sehr wichtige humanitäre Angelegenheit
zu spenden; unterstützt wird dies evtl. durch eine persönliche Formulierung des
Appells, welcher möglicherweise die emotionale Verbundenheit der betrachtenden
mit der hilfebedürftigen Person steigert. Spendet die rezipierende Person nicht,
nimmt sie somit das Fortwähren von starker Not dieses Menschen und seiner
Mitmenschen in Kauf; vom anderen Standpunkt aus wird jedoch eine Spende bis auf
die eigene finanzielle Belastung womöglich kaum Auswirkungen haben.
Anhand des in Abbildung 2_1 dargestellten Beispiels soll diese Argumentation
verdeutlicht werden: Die beiden auf dem Plakat gezeigten Kinder scheinen unter
starkem Elend zu leiden. Eines von ihnen streckt flehentlich die Hand in die Richtung
Abbildung 2_1: Beispiel für eine Werbemittelgestal-
tung (Caritas Österreich, 1995)

2 Theorie
13
der betrachtenden Person, das andere schaut nach unten und wirkt resigniert und
hoffnungslos. Die Not der Kinder ist nicht zu übersehen. Der Appell der Botschaft ist
darüber hinaus sehr eindringlich formuliert und weist auf die große Bedeutung eines
mildtätigen Engagements in Form einer Spende hin.
Die fortfolgend vorgestellten theoretischen Ansätze beschäftigen sich mit der
Möglichkeit, dass die rezipierende Person auf diesen in ihr ausgelösten Appetenz-
Aversions-Konflikt (Sherif & Hovland, 1961 zit. n. Herkner, 1991:239) in einer der
Botschaftsintention konträren Weise reagiert: In der Abwertung der notleidenden
Personen. Die in Abschnitt 2.1 vorzustellende Just-World-Belief-Theory beschreibt
die Abwertung der Hilfeempfangenden als Reaktion auf die offensichtliche Ungerech-
tigkeit, mit der die rezipierende Person angesichts der dargestellten Viktimisierung
konfrontiert ist. Vor dem Hintergrund der Theorie der psychologischen Reaktanz
werden die Abwertungseffekte in Kapitel 2.2 mit der empfundenen Freiheitsbedro-
hung erklärt, welche die rezipierende Person möglicherweise angesichts des stark
persuasiven Einflusses verspürt. Im Laufe der theoretischen Auseinandersetzung
wird schrittweise ein Prozessmodell der kognitiven und emotionalen Verarbeitung
entwickelt, das die Abwertung der Hilfeempfangenden als Resultat einer Interaktion
zwischen Personenmerkmalen der rezipierenden Person und Eigenschaften der
Spendenwerbung erklären soll. Dies ist in Kapitel 2.3 zu präsentieren. Die persönli-
chen Werthaltungen der betrachtenden Person werden an dieser Stelle als moderie-
rende Faktoren berücksichtigt und ebenfalls in das Prozessmodell einbezogen.

2 Theorie
14
2.1 Glaube an eine gerechte Welt
An unterschiedlicher Stelle wurde versucht, die Abwertung sozial Benachteiligter
oder aus Entwicklungsländern stammender Menschen mit bestimmten Attribu-
tionsstilen der beurteilenden Personen zu erklären (Harper et al., 1990; Harper &
Manasse, 1992). Interkulturelle Studien führten beispielsweise den Vorwurf, Bewoh-
ner und Bewohnerinnen der Entwicklungsländer seien für ihre benachteiligte Lage
selbst verantwortlich, auf die in westlichen Kulturen vergleichsweise stark ausgepräg-
te Tendenz zurück, Ereignisse auf dispositionale Faktoren zurückzuführen und
situative Gründe dabei zu unterschätzen (vgl. Carr et al., 1998:24). Dieses Phäno-
men der dispositionalen Verursachungsattribution, das 1977 von Ross mit dem
Begriff des fundamentalen Attributionsfehlers beschrieben wurde, ist in Melvin
Lerners Just-World-Belief-Theory (Lerner, 1980) ebenfalls von zentraler Wichtigkeit.
Lerner erklärt die Schuldzuweisungen an die Benachteiligten mit dem Bedürfnis, in
einer gerechten Welt zu leben. Seinen Annahmen zufolge wird dieses Bedürfnis von
allen Menschen mehr oder weniger stark geteilt. Es entwickele sich aus dem zentra-
len Bedürfnis nach Sicherheit, Vorhersagbarkeit und Wohlbefinden, dessen Befriedi-
gung in einer Welt wahrscheinlicher sei, in der Verhalten und Konsequenz eng
miteinander verknüpft sind, regelkonformes Verhalten belohnt und abweichendes
Verhalten sanktioniert wird. So sei gewährleistet, dass man zielstrebig seinen
Alltagsaktivitäten nachgehen könne, ohne stets damit rechnen zu müssen, unerwar-
tete Schicksalsschläge oder unkontrollierbare Fehlschläge des eigenen Handelns zu
erleiden (a.a.O.:14).
Aus diesem Bedürfnis heraus entwickeln Individuen den Glauben, in einer gerechten
Welt zu leben, in der jede Person bekommt, was sie verdient, und auch das verdient,
was sie bekommt (a.a.O.:11). Tatsächlich konnte gezeigt werden, dass sich der
Gerechte-Welt-Glauben (GWG) positiv auf psychisches Wohlbefinden auswirkt (vgl.
Dzuka & Dalbert, 2002).
Doch wie ist es möglich, dass dieser Glaube aufrechterhalten werden kann, obwohl
tagtäglich Nachrichten über nicht von der Hand zu weisende Ungerechtigkeit wahr-
genommen werden? Egal, ob es Freunde betrifft, die trotz aller Anstrengung in ihren
beruflichen Interessen scheitern, ob es Pressebeiträge sind, in denen über unschul-
dige Unfallopfer berichtet wird oder es um Bevölkerungsgruppen in Entwicklungslän-
dern geht, für deren Unterstützung geworben wird; sie alle stellen den Glaube an

2 Theorie
15
eine gerechte Welt, in der jeder verdient, was er oder sie bekommt, grundsätzlich in
Frage. Lerners Just-World-Belief-Theory zufolge reagieren Personen, deren Gerech-
tigkeitsglaube durch derartige Wahrnehmungen angegriffen wird, zunächst aktiv,
indem sie versuchen, die augenscheinliche Ungerechtigkeit aus der Welt zu schaffen
(Lerner, 1980:19 ff.). Scheint dies nicht möglich oder wird die Hilfehandlung als zu
aufwändig eingeschätzt, wird die wahrgenommene Situation uminterpretiert, sodass
sie den eigenen Gerechtigkeitsglauben nicht mehr in Frage stellt: Das de facto
unschuldige Opfer wird mit seinen Handlungen oder seinem Charakter für seine
Notlage selbst verantwortlich gemacht und abgewertet, oder seine Notlage wird
heruntergespielt (a.a.O.). Diese kognitiven Reaktionen konnten ursächlich mit
Indikatoren für vermindertes Hilfeverhalten in Verbindung gebracht werden (z.B.
Schmitt et al., 1992; Maes, 1998b).
Heiders Balancetheorie zufolge kann der Glaube, in einer gerechten Welt zu leben,
auf die gestaltpsychologische Grundmotivation zurückgeführt werden, eine prägnan-
te, konsistente Konstruktion der Umwelt herzustellen, wie sie sich beispielsweise
durch die kognitive Verknüpfung von Glück und Güte oder Pech und Schlechtigkeit
ausdrückt: Um kognitive Elemente im Sinne einer Assimilation ähnlicher und Kon-
trastierung unähnlicher Objekte harmonisch zu strukturieren und die Wahrnehmung
der umgebenden Welt zu stabilisieren, werden Erfolg und Glück, jedoch auch Not
und Scheitern oft auf Charaktereigenschaften der betreffenden Person attribuiert.
Gerechte-Welt-Glaube als differentielles Merkmal
Nach Jahren der allgemeinpsychologischen Untersuchung des Gerechte-Welt-
Glaubens (GWG) wurde 1973 mit dem Fragebogen von Rubin & Peplau erstmals ein
Instrument zur Messung des GWG als differentielles Merkmal vorgelegt (Schmitt et
al., 1995). Durch ihn wie durch seine Übertragung ins deutsche (Dalbert, 1982)
wurde der Einfluss des GWG auf die Beurteilung von unterprivilegierten Menschen
immer wieder nachgewiesen. Arbeiten, die seinen Einfluss auf die Bewertung sozial
Benachteiligter und Bewohner und Bewohnerinnen von Entwicklungsländern unter-
suchten, konnten ihn mit einer negativeren Bewertung der betreffenden Personen in
Verbindung bringen: So fanden Harper und Manasse (1992), dass Personen mit
niedrigem Gerechte-Welt-Glaube Armut in Entwicklungsländern eher auf Ausbeu-
tung, Krieg und das Weltwirtschaftssystem zurückführten als Personen, bei denen
der GWG stärker ausgeprägt war. Harper et al. (1990) fanden, dass der Gerechte-

2 Theorie
16
Welt-Glaube mit Schuldattributionen auf mittellose Menschen aus Entwicklungslän-
dern einher gingen; Furnham und Gunter (1984) fanden ihn mit negativen Einstellun-
gen gegenüber mittellosen Menschen assoziiert.
Widersprüchliche Ergebnisse und Konstruktdifferenzierung
Diverse Studien fanden jedoch auch Fälle, in denen unschuldig benachteiligte Opfer
in neutralem oder sogar in positiverem Licht gesehen wurden und eher Hilfe erhiel-
ten, je stärker der Gerechte-Welt-Glaube der Beobachtenden war. So fanden Zucker
und Weiner (1993, zit. n. Maes, 1995) keinen Zusammenhang zwischen GWG und
der Verursachungs- und Verantwortungszuschreibung für Armut. Studien, die einen
Zusammenhang bei der Beurteilung von Verbrechensopfern suchten, scheiterten
ebenfalls. Bierhoff, Klein und Kramp (1991, zit. n. a.a.O.) fanden, dass sich helfende
Personen durch einen höheren GWG auszeichneten. Einen Überblick über die
Befundlage gibt Maes (1995).
Die Widersprüchlichkeit der Ergebnisse ließ Stimmen nach einer Ausdifferenzierung
des Konstrukts lauter werden (Schmitt et al., 1991). Bereits Lerner (1980) vermutete
interindividuell unterschiedliche Muster in der Beurteilung von Gerechtigkeit. Er weist
darauf hin, dass es neben Hilfeverhalten oder Uminterpretation der Situation noch
andere Möglichkeiten gibt, auf offensichtliche Ungerechtigkeit zu reagieren und den
Anschein aufrecht zu erhalten, in einer gerechten Welt zu leben: Durch eine Ver-
schiebung der Zeitperspektive sei es Personen mit GWG möglich, offensichtliche
Ungerechtigkeiten auszuhalten, ohne ihren Gerechtigkeitsglaube in Frage gestellt zu
sehen (Lerner, 1980:22f.). Bibelpsalmen, die einen Ausgleich für erduldetes Unge-
mach in einer anderen Zeitepoche propagieren, können als Beispiele hierfür genannt
werden (Maes, 1998a). Der Glaube an eine gerechte Welt kann darüber hinaus
bewahrt werden, wenn zur Beurteilung von Gerechtigkeit andere Lebensbereiche
miteinbezogen werden, wie es das Sprichwort ,,Pech im Spiel, Glück in der Liebe"
ausdrückt.

2 Theorie
17
Andererseits zitiert Lerner Piagets Konzept
der immanenten Gerechtigkeit, wonach junge
Kinder Ereignisse als unmittelbaren und
gerechten Lohn für vorhergehende Taten
ansehen. Sie gingen davon aus, dass ebenso
wie die eigenen Eltern auch abstrakte
Entitäten wie die Natur ihr Verhalten belohnen oder bestrafen könnten, was in der
Auffassung münde, dass ,,jeder Fehler automatisch seine Bestrafung nach sich zieht"
(Piaget, 1948, zit. n. Lerner, 1980:15, eigene Übers.) und vermutlich in Phrasen wie
,,Kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort" Ausdruck findet. In welchem Ausmaß
diese Überzeugung noch im Erwachsenenalter vorhanden ist, hängt Lerner zufolge
zum großen Teil von späteren Erfahrungen im Austausch mit der sozialen Umwelt ab
(Lerner, 1980:16 f.).
Mit dem Ziel, das Phänomen des Glaubens an eine gerechte Welt differenzierter
betrachten zu können und somit den empirischen Inkonsistenzen Rechnung zu
tragen, entwickelte Maes (1992) auf Lerners Annahmen basierend aus dem allge-
meinen Konstrukt des Gerechte-Welt-Glaubens zwei Facetten: Den Glauben an
immanente und den Glauben an ultimative Gerechtigkeit.
Mit dem Glauben an ultimative Gerechtigkeit (Kap. 2.1.1) wird eine optimistische und
milde Variante des GWG vorgestellt, die sich mit ihren kognitiven und emotionalen
Prozessen positiv auf Hilfehandlungen auswirkt. Die beim Erleben einer ungerechten
Situation ebenfalls zu erwartende Abwertung unterprivilegierter Menschen wird
danach über den Glauben an immanente Gerechtigkeit erklärt (Kap. 2.1.2). Zusam-
menfassend werden danach die Beiträge beider Facetten zum Verständnis der in der
Arbeit vorliegenden Fragestellung verdeutlicht.
Abbildung 2_2: Allgemeiner Gerechte-Welt-
Glaube und seine Facetten nach Maes
(1992)

2 Theorie
18
2.1.1 Glaube an eine ultimativ gerechte Welt
Der Glaube an eine ultimativ gerechte Welt nimmt eine weitere Perspektive ein, als
es Lerners allgemeines Konstrukt vorsieht. Nimmt eine Person mit beschriebener
Überzeugung eine nicht von der Hand zu weisende Ungerechtigkeit wahr, sind für sie
keine sofortigen Ausgleichshandlungen zur Wiederherstellung der Konstruktion einer
gerechten Welt vonnöten, da es ihrer Ansicht nach irgendwann in der Zukunft, oder
möglicherweise erst in einem zeitlichen Rahmen, der über das irdische Dasein
hinaus geht, zur Wiederherstellung von Gerechtigkeit kommen wird (Maes & Schmitt,
1999). Tatsächlich fanden Maes und Kollegen signifikante Zusammenhänge zwi-
schen dem Glauben an ultimative Gerechtigkeit und verschiedenen Indikatoren von
Religiosität (Maes et al., 1998:26f.). Der Glaube an immanente Gerechtigkeit hinge-
gen ist negativ mit den Indikatoren für Religiosität verbunden (a.a.O.).
Das Vertrauen auf späteren Ausgleich von Ungerechtigkeit liegt jedoch vermutlich
nicht nur in religiösen Einstellungen, sondern womöglich auch in der Erwartung
begründet, eigene Handlungskompetenzen für die langfristig angestrebte Kompensa-
tion nutzen zu können. So fand Maes (2002:9) den Glauben an ultimative Gerechtig-
keit und interne Kontrollüberzeugungen korreliert. Glaube an eine ultimativ gerechte
Welt impliziert also, dass sich Unrecht langfristig von alleine löst, bzw. von einer wie
auch immer gearteten Entität ausgeglichen wird. Amerikanische Western, viele
Sagen und Fabeln folgen diesem Muster. Aufgrund dessen fällt es Menschen mit
einem Glauben an ultimative Gerechtigkeit Maes und Schmitt (1999) zufolge
leichter, beispielsweise Sinn in schweren Krankheiten zu finden, oder gesundheits-
bewusstes oder Risiko vermeidendes Verhalten zu zeigen.
Doch welchen Einfluss auf prosoziales Handeln kann der Glaube an ultimative
Gerechtigkeit haben? Führt er eher zu Passivität, da ein Gerechtigkeitsausgleich
durch eine andere Entität antizipiert wird, oder bewirkt er aktives Hilfeverhalten? Um
hierüber genaueren Aufschluss zu erhalten, kann auf Analysen mit dem Existentielle-
Schuld-Inventar zurückgegriffen werden, einem von der Trierer Arbeitsgruppe um
Leo Montada entwickelten Fragebogen zur Erfassung kognitiver und emotionaler
Reaktionen Bevorrechtigter auf die Konfrontation mit benachteiligten Personen (z.B.
Montada & Schneider, 1989). Das Inventar erhebt unter anderem Prozesse, die sich
im Rahmen von Lerners Just-World-Belief-Theory und der Theorie der relativen
Privilegierung als besonders zentral für die Erklärung von Hilfehandlungen oder ihrer

2 Theorie
19
Verweigerung herausstellten. Zunächst wird deshalb an dieser Stelle auf die zentra-
len Postulate der Theorie der relativen Privilegierung eingegangen, um danach die
Effekte der beiden Facetten des GWGs auf ihre zentralen Prädiktorvariablen zu
erklären.
Die Theorie der relativen Privilegierung
Die Theorie der relativen Privilegierung (z.B. Schmitt, 1998) besagt, dass Menschen
mit Bedrückung reagieren und zu Ausgleichshandlungen motiviert werden, wenn sie
aufgrund von sozialen Vergleichen zum Schluss kommen, dass ihre relative Besser-
stellung gegenüber anderen unfair bzw. unverdient ist. Sie geht auf die Equity-
Theory (Walster, Walster & Berscheid, 1978, zit. a.a.O.:88; Adams, 1965, zit. n.
Herkner, 1991:435) zurück, die vorhersagt, dass im Fall einer wahrgenommenen
Bevor- oder Benachteiligung die Person motiviert ist, eine gleichmäßige Verteilung
von Investitionen und Erträgen in einer bestimmten Angelegenheit zu erreichen. Die
Tatsache, dass die meisten Bürgerrechtsbewegungen eher von privilegierten
Gesellschaftsschichten ausgingen, nehmen die Autoren als Beispiel für die Wirkung
des Equity-Motivs. Das solidarische Handeln wird nicht auf Mitleid zurückgeführt, als
zentrales Motiv hierfür wird vielmehr die Wiederherstellung der Gerechtigkeit vermu-
tet (Montada, 2003).
Es konnte zudem in unterschiedlichen Kontexten nachgewiesen werden, dass
Menschen, die beispielsweise nur durch Zufall von einem Unglück verschont wurden
(z.B. Überlebende des Holocaust oder von Naturkatastrophen), sich denjenigen
gegenüber schuldig fühlen, denen dieses Schicksal zuteil wurde. Hoffmann (1976,
zit. n. Schmitt et al., 2001:169) definierte dieses Gefühl als existentielle Schuld, eine
emotionale Reaktion auf die eigene, als ungerechtfertigt empfundene Besserstellung
gegenüber anderen Personen oder Personengruppen. Sie ist abzugrenzen von
Mitleid, da Mitleid nicht auf gerechtigkeitsbezogene Evaluationen einer Situation
zurückgehe.
Die privilegierte Lage wird als unverdient, und - im Sinne von Heiders Balance-
theorie - als mitverschuldet angesehen, obgleich objektiv betrachtet keine aktive
Täterschaft vorliegt. Existentielle Schuld zeigte sich in verschiedenen gerechtigkeits-
psychologischen Untersuchungen als ein zentraler Prädiktor von Hilfeverhalten und
ist elementarer Bestandteil der Theorie der relativen Privilegierung (Schmitt et al.,
2001).

2 Theorie
20
Neben dem Gefühl der existentiellen Schuld zeigte sich der Zorn bzw. die Empörung
über die Ungerechtigkeit als ein anderer wichtiger direkter Prädiktor für Hilfehandlun-
gen gegenüber Unterprivilegierten (Montada & Schneider, 1989; Schmitt et al., 1992;
Maes, 1998b).
Zwar erreichen auch andere mit dem
Existentielle-Schuld-Inventar
erhobene
Merkmale im Rahmen der genannten
Untersuchungen vereinzelt prädiktive Kraft
auf Indikatoren für prosoziales Handeln, ihr
positiver Einfluss ist jedoch vergleichswei-
se beschränkt und findet auch in Publikationen der Arbeitsgruppe Verantwortung,
Gerechtigkeit und Moral weitaus weniger Beachtung als die existentielle Schuld und
der Zorn über die Ungerechtigkeit (Schmitt et al., 2000:317). Deshalb wird an dieser
Stelle auf ihre Nennung verzichtet.
Zur Ausbildung von existentieller Schuld und dem Zorn über die Ungerechtigkeit ist
die Erkenntnis, dass die erlebte Situation Unrecht in sich birgt, von elementarer
Bedeutung (Montada & Schneider, 1989; Maes, 1998b). Sieht das Individuum
darüber hinaus eine kausale Verknüpfung zwischen den eigenen Privilegien und der
Lebenslage der unterprivilegierten Personen als konstituierenden Bestandteil der
Ungerechtigkeit an, so ist mit stärkerer existentieller Schuld zu rechnen. Tatsächlich
fanden Montada und Schneider (1989) und Schmitt et al. (1992) das Ausmaß an
existentieller Schuld am besten durch die Wahrnehmung der ungerechten Lebens-
unterschiede und durch das Erkennen einer kausalen Verknüpfung zwischen den
verschiedenen Lebensweisen vorhergesagt.
Im Gegensatz zur existentiellen Schuld spiegelt der Zorn über die Ungerechtigkeit
keine Selbstvorwürfe wider (Montada & Schneider, 1989:316), sondern richtet sich
eher gegen andere, die für die Schlechterstellung der Opfer verantwortlich gemacht
werden. Nach den Annahmen der Autoren dürfte diese Emotion im vorliegenden
Erklärungsmodell nur durch die Wahrnehmung der Ungerechtigkeit vorhergesagt
werden. Studien, die diesen Effekt empirisch bestätigten, fanden den Zorn über
Ungerechtigkeit jedoch auch durch die Wahrnehmung des Zusammenhangs zwi-
schen eigener Über- und der Unterprivilegierung anderer erklärt (Montada & Schnei-
der, 1989; Maes, 1998b). Die Erkenntnis einer solchen kausalen Verknüpfung führt
also möglicherweise nicht nur zu stärkeren Schuldgefühlen, sondern ebenso zu
Abbildung 2_3: Einfluss von Zorn über
Ungerechtigkeit und existentieller Schuld auf
Hilfehandlungen

2 Theorie
21
allgemeiner Wut über die Ungerechtigkeit der Situation. So richtet sich der entste-
hende Zorn entgegen den Annahmen Montadas und seiner Kollegen (1989) womög-
lich eher gegen die allgemeine Ungerechtigkeit und Widersinnigkeit der Situation als
nur gegen das Fehlverhalten anderer, das für die vorliegende Lage verantwortlich
gemacht werden könnte.
In
verschiedenen
Untersuchungen der
Arbeitsgruppe
Verantwortung, Ge-
rechtigkeit und Moral
um Montada und
Schmitt konnte die optimistische Spielart des GWG, der Glaube an ultimative
Gerechtigkeit, mit den dargestellten Kognitionen und Emotionen in Verbindung
gebracht werden. So berichtet Maes (1998b) von einem positiven Effekt des Glau-
bens an ultimative Gerechtigkeit auf die Wahrnehmung des Zusammenhangs
zwischen den eigenen Privilegien und der Benachteiligung anderer. Maes (1998a:34)
berichtet zudem von einer (schwach) positiven Korrelation zwischen dem Glauben an
ultimative Gerechtigkeit und existentieller Schuld bzw. dem Zorn über die Ungerech-
tigkeit. Der Nachweis eines Effekts im Sinne einer verstärkten Wahrnehmung von
Ungerechtigkeiten gelang ihm überraschenderweise jedoch nicht (Maes, 1998b). Mit
Ungerechtigkeitssensibilität - dem dispositional verursachten Ausmaß, wie empfind-
lich Personen auf erlebtes Unrecht reagierten - war der Glaube an ultimative Gerech-
tigkeit hingegen bedeutsam positiv assoziiert (Schmitt et al., 1997).
Trotz dieser nicht vollkommen eindeutigen Befundlage wird hier, wie auch z.B. bei
Maes (1998a), davon ausgegangen, dass Personen mit dem Glauben an ultimative
Gerechtigkeit aufgrund der antizipierten Bewältigungsmöglichkeiten das Auftreten
von Ungerechtigkeiten und ihrer kausalen Faktoren vergleichsweise leicht anerken-
nen können. Sie richten ihre Aufmerksamkeit vermutlich sogar gezielt auf die
situative Ungerechtigkeit, um diese zu kompensieren, da hiermit nicht nur die
Linderung der Notlage anderer Menschen und damit ein Gerechtigkeitsausgleich
verbunden ist, sondern nach Maes und Schmitt (1999) die Voraussicht einer später
stattfindenden Nivellierung von Unrecht die Benachteiligung der eigenen Person
implizieren könnte.
Abbildung 2_4: Effekte der Beurteilung bzgl. der Ungerechtigkeit einer
Situation und der Wahrnehmung eines kausalen Zusammenhangs auf
den Zorn über die Ungerechtigkeit, existentielle Schuld und Hilfeleistung

2 Theorie
22
Der schwache korrelative Zusammenhang des Glaubens an ultimative Gerechtigkeit
mit existentieller Schuld und dem Zorn über die wahrgenommene Ungerechtigkeit
kann möglicherweise mit einem indirekten, durch die Ungerechtigkeits- und Zusam-
menhangswahrnehmung vermittelten Effekt erklärt werden, sofern wie in Kapitel 1.1
vom Postulat kognitiv orientierter Emotionsmodelle ausgegangen wird, nach denen
Emotionen durch die kognitive Bewertung ihres Bezugsgegenstandes grundlegend
beeinflusst werden. In keiner der zitierten Untersuchungen fand sich ein direkter
kausaler Effekt zwischen dem Glaube an ultimative Gerechtigkeit und den genannten
Emotionen. Aus den bisherigen Ableitungen ergibt sich das in Abbildung 2_5 darge-
stellte Prozessmodell.
Zudem werden die in der Just-World-Belief-Theory implizierten Annahmen berück-
sichtigt, dass die Bewertung von notleidenden Personen ihrer jetzigen Situation von
dem Ausmaß ihrer Viktimisierung abhängt: Bei nicht vorhandener oder sehr schwa-
cher Viktimisierung ist mit keinen Effekten durch den GWG zu rechnen; die Situation
muss auf Not hindeuten, damit die Effekte des GWG zum tragen kommen. Auch wird
das Ausmaß der Viktimisierung keinen alleinigen Effekt auf die fortfolgenden Variab-
len haben: Selbst die Tatsache, dass eine Person unter massiver Not leidet, hat nicht
zwangsläufig zur Folge, dass angenommen wird, sie sei ungerechtfertigt in ihre Lage
gekommen. Auch die Beurteilung, ihre Benachteiligung sei zumindest teilweise durch
die eigene Überprivilegierung verursacht, wird womöglich nicht alleine durch ihre
Viktimisierung verursacht. Entsprechend wird vermutet, dass die Personen- und
Situationsmerkmale nicht alleine, sondern nur interaktiv auf die genannten Kognitio-
nen wirken.
Lerners theoretische Überlegungen und zahlreiche zugehörige Studien machen
jedoch deutlich, dass die Konfrontation mit Notlagen und Unrecht nicht zwingender-
weise zu Mitleid, Schuldgefühlen und Zorn führen muss, die in prosozialer Handlung
münden. Der Glaube an immanente Gerechtigkeit als andere Facette des GWG (vgl.
Maes, 1992) kann hierfür als klares Beispiel genannt werden.
Abbildung 2_5: Gerechtigkeitspsychologisches Modell zu prosozialem Handeln, basierend auf der
Theorie der relativen Privilegierung und der GWG-Facette Glaube an ultimative Gerechtigkeit

2 Theorie
23
2.1.2 Glaube an eine immanent gerechte Welt
Der Glaube an eine immanent gerechte Welt ist damit verbunden, Gerechtigkeit
allein vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Situation einzuschätzen und als den
Ereignissen inhärent anzusehen. Er ist an Piagets oben genanntes Konzept ange-
lehnt. Die Ansicht, Widerfahrnisse durch charakterliche Eigenschaften oder durch
das eigene Handeln verdient zu haben, ist ein zentrales Merkmal zur Beschreibung
dieser Facette des GWG. So führen Personen mit dem Glauben an immanente
Gerechtigkeit den beruflichen Erfolg ihrer Mitmenschen hauptsächlich auf deren
charakterliche Überlegenheit oder überragende Fertigkeiten zurück, ohne den Grund
hierfür in eher willkürlichen situationalen Merkmalen (z.B. spezielle Förderung,
finanzielle Ressourcen) zu suchen. Die Bewunderung für Erfolg und Macht und das
Verfolgen entsprechender Werte ist mit Intoleranz und Unnachgiebigkeit gegenüber
benachteiligten Menschen verbunden.
Diese Spielart des GWGs ist zwar inhaltlich und statistisch eng mit dem ursprüngli-
chen Konstrukt Lerners verknüpft (Bierhoff, 2002; Maes, 1992), hat jedoch eine
strengere Konnotation, da sie eine Wiederherstellung von Gerechtigkeit auch dort
nicht impliziert, wo dies im Sinne des allgemeinen GWG beispielsweise durch
Hilfehandlungen möglich wäre (die eigene Hilfe wäre Anerkennung der Ungerechtig-
keit!). Sofern die wahrgenommene Not aussichtslos und nicht wieder gutzumachen
scheint, sagen jedoch sowohl der allgemeine GWG als auch der Glaube an imma-
nente Gerechtigkeit kognitive Abwehrstrategien vorher.
Tatsächlich konnten die kognitiven
Strategien mit Hilfe des Existentielle-
Schuld-Inventars für den Glauben an
immanente Gerechtigkeit nachgewie-
sen werden. Der Vorwurf, die unterprivi-
legierte Person habe ihre Zwangslage
selbst verursacht, konnte ebenso erfolgreich vorhergesagt werden wie das Herunter-
spielen der Notlage (Maes, 1998b). Maes (1994) berichtet von entsprechenden
Korrelationen. Je stärker die teilnehmenden Versuchspersonen also davon ausgin-
gen, dass die Welt ein ereignisinhärent gerechter Ort ist, umso eher äußerten sie
eine Mitschuld benachteiligter Personen und verharmlosten deren Situation (Maes,
1998b). Diese Zusammenhänge sind in Abbildung 2_6 dargestellt.
Abbildung 2_6: Schuldzuschreibung an das Opfer
und Relativierung der Notlage als Resultat von
Viktimisierung und dem Glauben an eine
immanent gerechte Welt

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783832488451
ISBN (Paperback)
9783838688459
DOI
10.3239/9783832488451
Dateigröße
8 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen – Biologie
Erscheinungsdatum
2005 (Juni)
Note
1,0
Schlagworte
werbepsychologie reaktanz gerechte-welt-glaube werte non-profit-organisationen
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Titel: Abwertung notleidender Menschen durch offensive Spendenanzeigen?
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