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Zivil- und strafrechtliche Dimensionen von Kursdelikten nach deutschem und US-amerikanischem Recht

Unter besonderer Berücksichtigung aktueller rechtspolitischer Überlegungen zum Kursbetrug

©2003 Diplomarbeit 84 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Geschönte Ad-hoc-Meldungen, unerfüllbare Gewinnprognosen, Verheimlichung unangenehmer Geschäftsentwicklungen vor den Aktionären und sogar die Bilanzierung frei erfundener Umsätze mit fiktiven Geschäftspartnern – die Liste der Ungereimtheiten am Neuen Markt, die in den vergangenen Monaten ans Licht gebracht wurden, ist lang. Neu ist das Grundmuster dieser manipulativen Strategien indes nicht. Der Versuch, sich durch betrügerische Einwirkung auf den Börsenkurs einen Vermögensvorteil zu verschaffen, ist beinahe so alt wie der Wertpapiermarkt selbst. Bereits kurz nach Gründung der Amsterdamer Börse im 17. Jahrhundert sollen Kursmanipulationen aufgetreten sein, und aus dem Jahre 1814 ist ein Fall überliefert, in welchem durch Verbreitung der Fehlinformation, Napoleon sei getötet worden, die Börsenkurse in England manipuliert wurden.
Heute besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass manipulative Verhaltensweisen, die ein gezieltes Einwirken auf den Börsen- oder Marktpreis eines Handelgutes bewirken, das Vertrauen in den Kapitalmarkt beeinträchtigen und damit seiner Funktionsweise schaden können. Sie erzeugen Informationsungleichgewichte zwischen dem Manipulator, der die Hintergründe seiner Beeinflussung kennt, und anderen Marktakteuren, denen diese zusätzliche Information fehlt. So weiß ein Manipulator, der vorsätzlich eine falsche Information verbreitet, zunächst als einziger Marktteilnehmer von der Unrichtigkeit der Nachricht.
Um Schaden vom Kapitalmarkt abzuwenden, müssen Wege gefunden werden, Kursmanipulationen zuverlässig zu vermeiden. Eine gegen Kursbetrug gerichtete gesetzliche Regelung ist umso mehr unabdingbar, als sich durch spektakuläre Fälle wie Enron und ComRoad gezeigt hat, dass auf das Urteil der Wirtschaftsprüfer nicht immer Verlass ist.
Um eine effiziente Verfolgung zu ermöglichen und den Anlegerschutz zu stärken, wurde die Regulierung des Kursbetrugs in Deutschland mit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz (4. FMFG) im Jahre 2002 reformiert. Der Verlauf des aktuellen Verfahrens gegen ehemalige Manager der EM.TV & Merchandising AG (im Folgenden: EM.TV) lässt allerdings Zweifel an der Wirksamkeit der Neuregelung aufkommen.
Im Rahmen dieser Arbeit soll die straf- und zivilrechtliche Behandlung von Kursdelikten, insbesondere Kursbetrug, anhand eines Vergleichs der deutschen und der US-amerikanischen Rechtslage und der Implikationen aktueller rechtspolitischer Entwicklungen analysiert und kritisch […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8814
le Vrang, Martin: Zivil- und strafrechtliche Dimensionen von Kursdelikten nach
deutschem und US-amerikanischem Recht - unter besonderer Berücksichtigung aktueller
rechtspolitischer Überlegungen zum Kursbetrug
Hamburg: Diplomica GmbH, 2005
Zugl.: European Business School Schloß Reichartshausen, Oestrich-Winkel, Diplomarbeit,
2003
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ARTIN LE
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Dipl.-Kfm., MComp (UNITEC Auckland)
Anschrift Fliederstr.
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85 139 Wettstetten
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http://levrang.westner.net
Persönliche Daten
* 25.06.1979 in Hamburg
Staatsangehörigkeit: deutsch
Familienstand: ledig
Angestrebte Tätigkeit
Anspruchsvolle Tätigkeit im
Entrepreneurship Umfeld, gerne mit
europäischer Dimension
S
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Bayerische
Julius-Maximilians-Universität
Würzburg
Studium des Europäischen Rechts
Studienschwerpunkt Europäisches Wirtschaftsrecht
Angestrebter Abschluss: ,,Magister des Europäischen
Rechts" (LL. M. Eur.)
07/01 ­ 06/02
UNITEC
Institute of Technology
Auckland, Neuseeland
Studium der Betriebswirtschaftslehre und der Wirt-
schaftsinformatik
Abschluss: Master of Computing
10/99 ­ 06/03
European Business School
Oestrich-Winkel
Studium der Betriebswirtschaftslehre
Studienschwerpunkte Wirtschaftsinformatik und
Gründungsmanagement
Abschluss: Dipl.-Kaufmann
P
RAKTISCHE
E
RFAHRUNG
11/03 ­ heute
Martin le Vrang & Markus
Westner GbR
Wettstetten
Selbständige Gründung eines Internetdienstleisters:
Implementierung von Content Management Systemen,
Erstellung datenbankbasierter Web-Anwendungen,
Betrieb eines Weblog-Hosting-Services
01/01 ­ 02/01
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Unterföhring
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turierung einer OLAP-Controlling Datenbank (MIK
OLAP)
07/00 ­ 08/00
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Großbritannien
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Berichten
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Dr. O.K. Wack Chemie GmbH
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Marketing/Vertrieb: Erstellung von Produktinforma-
tionsblättern und Präsentationen, Korrespondenz, Mit-
arbeit bei Mailings, Meinungsumfragen und Markt-
beobachtung
K
ENNTNISSE
Sprachen Englisch
fließend in Wort und Schrift
Zertifikate: TOEFL score 273 (11/00), GMAT score 640
(02/01)
Französisch Gute
Kenntnisse
Spanisch
Gute
Kenntnisse
EDV
Betriebssysteme
alle MS Windows, UNIX
Anwendungssoftware
MS Office, Bildbearbeitung, Content Management
Systeme
Datenbanksysteme
MySQL, MS Access, OLAP Datenbanken
Programmierung
Umfassende
Kenntnisse in PHP, Visual Basic, SQL,
HTML/XML; Grundkenntnisse in JAVA, Visual Basic,
C/C++

- I -
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis ... III
1 Einleitung ...1
1.1 Problemstellung und Zielsetzung...1
1.2 Gang der Untersuchung ...2
2 Begriffsbestimmung und ­abgrenzung ...3
2.1 Begriff des Kursbetrugs ...3
2.2 Verwandte Begriffe...5
2.2.1 Insiderhandel...6
2.2.2 Irreführung von Aktionären ...8
3 Zivil- und strafrechtliche Konsequenzen des Kursbetrugs ...10
3.1 Rechtslage und ­auslegung nach deutschem Recht...10
3.1.1 Strafrechtliche Normen...10
3.1.1.1 Frühere Regelung nach dem Börsengesetz...10
3.1.1.2 Neuregelung des Manipulationsverbotes im
Wertpapierhandelsgesetz ...12
3.1.1.3 Neuregelung zur Überwachung des Manipulationsverbotes ...15
3.1.2 Zivilrechtliche Regelungen...15
3.1.2.1 Frühere Regelung nach dem Börsengesetz...15
3.1.2.2 Neuregelung nach dem Wertpapierhandelsgesetz ...18
3.1.2.3 Durchsetzung der Ansprüche und Kostenrisiko ...20
3.1.3 Kursbetrug in Deutschland im Licht aktueller Fälle...21
3.1.3.1 EM.TV...22
3.1.3.2 ComRoad ...24
3.2 Rechtliche Situation in den USA ...26
3.2.1 Rechtsquellen...26
3.2.2 Verbotene Verhaltensweisen ...27

- II -
3.2.3 Strafrechtliche Regelungen...28
3.2.3.1 Überwachung...28
3.2.3.2 Strafrechtliche Sanktionierung ...29
3.2.4 Zivilrechtliche Normen...30
3.2.4.1 Anspruchsgrundlagen ...30
3.2.4.2 Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche und Prozessrisiko ...31
3.2.5 Kursbetrug in den USA am Beispiel des Falls Intershop ...32
4 Rechtspolitischer Vergleich ...33
4.1 Vergleich der deutschen und US-amerikanischen Rechtslage ...33
4.2 Vergleich des Europarechts mit deutschem Recht ...35
5 Kritische Würdigung und Handlungsempfehlung...37
5.1 Auswirkungen aktueller rechtspolitischer Entwicklungen auf den
Anlegerschutz in Deutschland ...37
5.1.1 Wirkungsweise von Sanktionssystemen ...37
5.1.2 Strafverfolgung als Instrument des Anlegerschutzes...37
5.1.2.1 Verbesserte Überwachung zur Steigerung der
Entdeckungswahrscheinlichkeit ...38
5.1.2.2 Schwierige Beweisführung und Auswirkungen auf die
Verurteilungswahrscheinlichkeit ...38
5.1.3 Schadensausgleich durch Zivilrecht ...41
5.2 Hoffnung auf ein Fünftes Finanzmarktförderungsgesetz ...44
6 Schluss ...45
Verzeichnis des Anhangs ...46
Anhang ...48
Literaturverzeichnis...68

- III -
Abkürzungsverzeichnis
1933 Act
Securities Act von 1933
1934 Act
Securities Exchange Act von 1934
4. FMFG
Viertes Finanzmarktförderungsgesetz (Gesetz zur weiteren Fortentwick-
lung des Finanzplatzes Deutschland)
5. FMFG
Fünftes Finanzmarktförderungsgesetz
ABl
Amtsblatt (der Europäischen Union)
AG Amtsgericht
AktG Aktiengesetz
BAFin
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
BAWe
Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel
BB Betriebs-Berater
BGB Bürgerliches
Gesetzbuch
BGH Bundesgerichtshof
BKR
Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht
BörsG a. F. Börsengesetz, alte Fassung
BT Bundestag
DOJ
Department of Justice
FTD Financial
Times
Deutschland
HGB Handelsgesetzbuch
KPMG
Klynveld Peat Marwick Goerdeler [Finanzdienstleister]
LG Landgericht
OLG Oberlandesgericht

- IV -
OWiG Gesetz
über
Ordnungswidrigkeiten (Ordnungswidrigkeitengesetz)
PSLRA
Private Securities Litigation Reform Act
SdK Schutzgemeinschaft
der
Kleinaktionäre
SEC
Securities and Exchange Commission
StGB Strafgesetzbuch
SZ Süddeutsche
Zeitung
U.S.C.
United States Code
USD
United States Dollar
WpHG Wertpapierhandelsgesetz
ZBB
Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft
ZIP
Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

- 1 -
1
Einleitung
1.1
Problemstellung und Zielsetzung
Geschönte Ad-hoc-Meldungen, unerfüllbare Gewinnprognosen, Verheimlichung unan-
genehmer Geschäftsentwicklungen vor den Aktionären und sogar die Bilanzierung frei
erfundener Umsätze mit fiktiven Geschäftspartnern ­ die Liste der Ungereimtheiten am
Neuen Markt, die in den vergangenen Monaten ans Licht gebracht wurden, ist lang. Neu
ist das Grundmuster dieser manipulativen Strategien indes nicht. Der Versuch, sich
durch betrügerische Einwirkung auf den Börsenkurs einen Vermögensvorteil zu ver-
schaffen, ist beinahe so alt wie der Wertpapiermarkt selbst. Bereits kurz nach Gründung
der Amsterdamer Börse im 17. Jahrhundert sollen Kursmanipulationen aufgetreten
sein
1
, und aus dem Jahre 1814 ist ein Fall überliefert, in welchem durch Verbreitung der
Fehlinformation, Napoleon sei getötet worden, die Börsenkurse in England manipuliert
wurden
2
.
Heute besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass manipulative Verhaltensweisen, die
ein gezieltes Einwirken auf den Börsen- oder Marktpreis eines Handelgutes bewirken,
das Vertrauen in den Kapitalmarkt beeinträchtigen und damit seiner Funktionsweise
schaden können. Sie erzeugen Informationsungleichgewichte zwischen dem Mani-
pulator, der die Hintergründe seiner Beeinflussung kennt, und anderen Marktakteuren,
denen diese zusätzliche Information fehlt. So weiß ein Manipulator, der vorsätzlich eine
falsche Information verbreitet, zunächst als einziger Marktteilnehmer von der Unrich-
tigkeit der Nachricht.
3
Um Schaden vom Kapitalmarkt abzuwenden, müssen Wege gefunden werden, Kurs-
manipulationen zuverlässig zu vermeiden. Eine gegen Kursbetrug gerichtete gesetzliche
Regelung ist umso mehr unabdingbar, als sich durch spektakuläre Fälle wie Enron und
ComRoad gezeigt hat, dass auf das Urteil der Wirtschaftsprüfer nicht immer Verlass ist.
Um eine effiziente Verfolgung zu ermöglichen und den Anlegerschutz zu stärken,
wurde die Regulierung des Kursbetrugs in Deutschland mit dem Vierten Finanzmarkt-
1
Vgl. Allen/Gale (1992), S. 503.
2
Vgl. Lenzen (o. J.), S. 2.
3
Vgl. Kaiser (1996), S. 135.

- 2 -
förderungsgesetz (4. FMFG) im Jahre 2002 reformiert. Der Verlauf des aktuellen Ver-
fahrens gegen ehemalige Manager der EM.TV & Merchandising AG (im Folgenden:
EM.TV) lässt allerdings Zweifel an der Wirksamkeit der Neuregelung aufkommen.
Im Rahmen dieser Arbeit soll die straf- und zivilrechtliche Behandlung von Kurs-
delikten, insbesondere Kursbetrug, anhand eines Vergleichs der deutschen und der US-
amerikanischen Rechtslage und der Implikationen aktueller rechtspolitischer Entwick-
lungen analysiert und kritisch gewürdigt werden.
1.2
Gang der Untersuchung
Der Definition von Kursbetrug und anderen relevanten Begriffen in Kapitel zwei folgt
im dritten Kapitel eine Darstellung der Rechtssituation zum Kursbetrug. Hierzu wird
zunächst die deutsche straf- und zivilrechtliche Regelung nach altem und reformiertem
Recht erörtert. Die Schilderung zweier aktueller Fälle veranschaulicht, wie sich diese
Entwicklungen in der Praxis auswirken. Dabei zeigt sich, dass sich gravierende Schwie-
rigkeiten bei der Anwendung des neuen Rechts in der strafrechtlichen Behandlung des
Falls EM.TV ankündigen. Um einen Vergleich des deutschen und des US-Rechts zur
Kursmanipulation zu ermöglichen, wird anschließend dieser Bereich des US-amerika-
nischen Straf- und Zivilrecht erörtert. Darauf folgend wird mit dem Fall Intershop ver-
deutlicht, wie erheblich die US-amerikanische Regulierung aufgrund der Klagemöglich-
keiten ausländischer Investoren auch für den Anlegerschutz in Deutschland ist.
Es folgt in Kapitel vier ein rechtspolitischer Vergleich zwischen Deutschland und den
Vereinigten Staaten in Bezug auf das Recht zum Kursbetrug. Ferner werden die
Einflüsse rechtspolitischer Neuerungen in der EU, welche die Schaffung integrierter
Kapitalmärkte in den Mittelpunkt des Interesses rücken, auf das deutsche Recht erörtert.
Schwerpunkt ist hier die Bedeutung der 2002 erlassenen einheitlichen Marktmiss-
brauchsrichtlinie.
Im fünften Kapitel wird die Wirksamkeit des Sanktionssystems zur Bekämpfung des
Kursbetrugs evaluiert. Hierbei werden aktuelle rechtspolitische Entwicklungen, insbe-
sondere die jüngste Gesetzesänderung und die Erfahrungen im Rahmen aktueller Pro-
zesse berücksichtigt. Daraus werden Handlungsempfehlungen und Hinweise für im
Rahmen eines Fünften Finanzmarktförderungsgesetzes (5. FMFG) anzustrebende Ände-
rungen abgeleitet. Eine Schlussbemerkung im sechsten Kapitel schließt die Arbeit ab.

- 3 -
2
Begriffsbestimmung und ­abgrenzung
2.1
Begriff des Kursbetrugs
Im Rahmen dieser Arbeit erfolgt innerhalb der Gruppe der Börsen- und Kursdelikte eine
Fokussierung auf den Tatbestand des Kursbetrugs. Die Begrifflichkeiten Kursmani-
pulation und Kursbetrug sind eng miteinander verwoben. Kursmanipulation i. e. S. lässt
sich definieren als Handel mit einem Wertpapier oder einem anderen Gut mit dem Ziel,
den gemeldeten Preis zu verändern.
4
Umstritten ist, bereits bei Wahl dieser engeren
Definition, ob Manipulationen auch stets einen Betrug darstellen.
5
Im Folgenden wird ein weiterer Manipulationsbegriff gewählt. Die Bezeichnungen
Kursmanipulation und Kursbetrug, oftmals noch aus der Vergangenheit als Ausdruck
für die Strafnorm der Kursmanipulation verwendet
6
, werden dabei synonym gebraucht.
Unter Kursmanipulation oder Kursbetrug sind im Rahmen dieser Arbeit alle Aktivitäten
zu verstehen, die auf den Preis eines Gutes einwirken, sodass er nicht mehr demjenigen
entspricht, der sich bei einem freien Spiel der Marktkräfte ergeben hätte.
7
Typischerwei-
se handelt es sich um zielgerichtete Aktivitäten, denen die Absicht, den Preis zu beein-
flussen, zugrunde liegt. Insofern wird im Rahmen des Kursbetrugs eine Lenkung der
Kursentwicklung angestrebt.
Unter Wertpapier sind im Folgenden in erster Linie Aktien zu verstehen. Von dem
Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation können auch andere Handelsgüter, insbe-
sondere andere börsennotierte Papiere erfasst werden. Im Rahmen dieser Arbeit wird
darauf im Einzelnen jedoch nicht eingegangen.
Generell sind zur Manipulation von Aktienkursen und damit zum Kursbetrug eine
Vielzahl von Methoden geeignet. Um einen Eindruck der unterschiedlichen Ausgestal-
tungen von Kursbetrugsdelikten zu vermitteln, werden im Folgenden die wesentlichsten
Manipulationstechniken kurz beschrieben.
4
Vgl. Yadlin (1999), S. 2.
5
Vgl. Yadlin (1999), S. 2-4.
6
Vgl. Benner (2002), S. 14.
7
Vgl. Lenzen (o. J.), S. 2.

- 4 -
Die wohl bedeutendste Methode zur Manipulation von Kursen ist die Verbreitung von
Falschmeldungen oder irreführenden Informationen. Für die gezielte Streuung von
Fehlinformationen zur Kursmanipulation wird in letzter Zeit immer häufiger das
Internet verwendet.
8
Es ermöglicht, einen großen Publikumskreis zu erreichen, und
gleichzeitig bestehen für den Nutzer technische Möglichkeiten anonym zu bleiben
9
sowie, zumindest für einen gewissen Zeitraum, erfolgreich eine andere Identität vorzu-
spiegeln.
Eine Sonderform der Streuung von Fehlinformationen ist das sog. Scalping. Hierbei
publizieren Analysten, Finanzjournalisten oder andere Personen, denen hohe Börsen-
kompetenz zugeschrieben wird, ihre Einschätzungen mit dem konkreten Ziel der Kurs-
beeinflussung. Kauft zum Beispiel ein Analyst bei Veröffentlichung der Empfehlung
einer Aktie dieses Wertpapier vorab, profitiert er von der positiven Kurswirkung seiner
eigenen Empfehlung.
10
Neben der Verbreitung falscher oder betrügerischer Informationen stellen fiktive
Transaktionen eine wesentliche Möglichkeit zur Kursmanipulation dar. Hierbei wer-
den Käufe und Verkäufe mit dem Ziel getätigt, das Handelsvolumen maßgeblich zu
erhöhen und dadurch das Interesse anderer Marktteilnehmer, insbesondere von
Spekulanten, zu wecken. Dies kann eine verstärkte Nachfrage bewirken, die eine Kurs-
steigerung bedingt.
11
Zum einen fallen hierunter Geschäfte, bei denen ein wirklicher
Wechsel des Eigentums nicht erfolgt, da Käufer und Verkäufer wirtschaftlich identisch
sind (sog. wash sales oder Scheintransaktionen). Zum anderen gehören zu den fiktiven
Transaktionen auch Geschäfte, die auf einer vorangegangenen Absprache von Kauf-
und Verkaufsauftrag basieren (sog. improper matched orders).
12
Auch tatsächliche Handelsgeschäfte sind ein geeignetes Instrument zur Manipulation
von Wertpapierkursen. Durch den Abschluss von Transaktionen größeren Umfanges
kann im Prozess der freien Kursbildung eine Preiswirkung entstehen, die vor allem in
engen Märkten den Kurs deutlich zu beeinflussen vermag. Manipulative Transaktionen
8
Aktuelle Fälle von Kursmanipulation mittels Internet: vgl. BAWe (2002), S. 27 f.
9
Vgl. Lenzen (o. J.), S. 4.
10
Vgl. Merk (2003), Stichwort Scalping; Lenzen (o. J.), S. 4.
11
Vgl. Lenzen (2000), S. 9 f.
12
Vgl. Möller (2002), S. 313; BAWe (2002), S. 27.

- 5 -
dieser Art lassen sich objektiv von normalen Handelsaktivitäten nicht unterscheiden.
13
Ein besonders hoher Anreiz zur Preisbeeinflussung durch tatsächliche Transaktionen
ergibt sich vor der Platzierung von Wertpapieren wie z. B. der Ausgabe junger Aktien.
In diesem Falle haben der Emittent und andere Gruppen ein Interesse daran, dass bereits
gehandelte Wertpapiere dieser Art mit einem möglichst hohen Kurs bewertet werden, da
dies auch Auswirkungen auf die Nachfrage nach den neuplatzierten Papieren hat.
14
Leerverkäufe eignen sich in besonderem Maße als Methode zur Kursmanipulation, da
sie nicht an den tatsächlichen Wertpapierbestand des Verkäufers gebunden sind und so-
mit ein potenziell unbeschränktes Verkaufsvolumen haben können.
15
Als letzte wesentliche Möglichkeit zur manipulativen Kursbeeinflussung ist die sog.
action-based manipulation, die Veränderung des inneren Wertes eines Wertpapiers,
zu nennen. In diesem Falle erfolgt die Manipulation durch Handlungen, die den tatsäch-
lichen oder empfundenen Wert des zugrunde liegenden Wirtschaftsgutes (i. d. R. des
Unternehmens) beeinflussen.
16
Ein historisches Beispiel hierfür ist der Fall der
American Steel and Wire Company aus dem Jahre 1901. Die Manager des Unter-
nehmens waren eine offene Position von Aktien der sie beschäftigenden Gesellschaft
eingegangen, hatten die Stahlwerke des Unternehmens dann geschlossen und ihre
Position zu dem in der Folge gesunkenen Aktienkurs gedeckt. Anschließend wurden die
Werke wieder eröffnet, sodass sich der Kurs erneut auf seinem ursprünglichen Niveau
einpendelte.
17
Um die Kapitalmärkte vor den negativen Auswirkungen des Kursbetrugs zu schützen
bietet sich ein Verbot entsprechend manipulativer Verhaltensweisen an. Die zivil- und
strafrechtliche Behandlung der Kursmanipulation nach deutschem und US-amerika-
nischem Recht ist Gegenstand von Kapitel drei dieser Arbeit.
2.2
Verwandte Begriffe
Im Folgenden werden Begriffe erläutert, die Ähnlichkeit mit dem Tatbestand des Kurs-
betrugs haben, von diesem aber abzugrenzen sind.
13
Vgl. Möller (2002), S. 313; Lenzen (o. J.), S. 6 f.
14
Vgl. Lenzen (2000), S. 13-17.
15
Vgl. Lenzen (o. J.), S. 8.
16
Vgl. Allen/Gale (1992), S. 505; Lenzen (o. J.), S. 8.
17
Vgl. Fallbeschreibung in Allen/Gale (1992), S. 504.

- 6 -
2.2.1
Insiderhandel
Vom Kursbetrug ist zunächst der Insiderhandel zu unterscheiden. Während im ersten
Falle die fehlerhafte Bewertung einer Aktie oder eines anderen Handelsgutes erst durch
den Manipulator herbeigeführt wird, nutzt ein Marktteilnehmer beim Insiderhandel eine
ihm bekannte nicht-öffentliche, kursrelevante Information (Insiderinformation) aus, um
sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Ein Insider weiß also um die falsche Kurs-
bewertung, verursacht sie jedoch im Gegensatz zum Manipulator nicht selbst.
18
Insider-
handel und Kursbetrug werden zum Begriff Marktmissbrauch zusammengefasst.
19
Die Grenzen zwischen Insiderhandel und Kursbetrug können allerdings fließend sein
und es ist nicht ausgeschlossen, dass bestimmte Einzelfälle unter beide Tatbestände
fallen. Dies kann zum Beispiel beim bereits in Kapitel 2.1 beschriebenen Scalping
20
auftreten. Entscheidend für die Einordnung eines solchen Falles ist die Frage, ob durch
eine von einem Analysten veröffentlichte fehlerhafte oder missverständliche Infor-
mation eine von ihm beabsichtigte Falschbewertung herbeigeführt wird, was eindeutig
eine Form von Kursmanipulation ist, oder ob eine bestehende Falschbewertung durch
die Veröffentlichung richtiger Informationen beseitigt wird. Auch im letzteren Fall steht
dem Analysten durch den Zeitpunkt der Bekanntgabe seiner Information noch ein
Parameter zur gezielten Manipulation des Aktienkurses zur Verfügung.
21
In der Litera-
tur wird Scalping daher sowohl als Form der Kursmanipulation
22
als auch des Insider-
handels
23
genannt.
Im Rahmen des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes wurde die Strafbarkeit von
Insidertransaktionen im deutschen Recht in §§ 12 bis 14 und 38 Wertpapierhandels-
18
Vgl. Kaiser (1997), S. 1562; Merk (2003), Stichwort ,,Insider-Transaktion"; Lenzen (o. J.), S. 3.
19
Vgl. ABl. C 228 E, S. 19-33, Gemeinsamer Standpunkt Europäisches Parlament und Rat zur Markt-
missbrauchsrichtlinie, Erwägungsgründe Nr. 12; abrufbar unter: http://europa.eu.int/eur-lex/de/search/
search_oj.html.
20
Bekannt geworden ist in Deutschland v. a. der Scalping-Fall des Finanzjournalisten Egbert Prior; vgl.
Schneider/Burgard (1999), S. 381.
21
Ähnlich: Lenzen (2000), S. 31.
22
Vgl. z. B. Lenzen (o. J.), S. 4.
23
Vgl. z. B. Schneider/Burgard (1999), S. 386-390; Minoggio/Schumann (o. J.), Kap. 3.2.1.

- 7 -
gesetz (WpHG)
24
geregelt. Vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes am 01.08.1994 war
Insiderhandel in Deutschland nicht strafbar.
25
In Bezug auf die Normadressaten des Insiderrechts trifft der Gesetzgeber eine Unter-
scheidung zwischen Primärinsider und Sekundärinsider, ohne diese im Gesetz aus-
drücklich zu nennen.
26
Dabei bestimmt das deutsche Recht in § 13 Abs. 1 WpHG drei
Gruppen von Primärinsidern, nämlich die Angehörigen von Geschäftsführungs- und
Aufsichtsorganen (statusbezogen), die Kapitaleigner (beteiligungsbezogen), sowie
Personen, die aufgrund ihres Berufs, ihrer Tätigkeit oder ihrer Aufgabe bestimmungs-
gemäß Insiderinformationen erhalten (tätigkeitsbezogen). In die Fallgruppe der Sekun-
därinsider fallen sämtliche Personen, die Kenntnis von Insidertatsachen haben, ohne
selbst Primärinsider zu sein.
27
Verboten ist nach § 14 WpHG sowohl Primär- als auch Sekundärinsidern der Handel
mit den in § 12 WpHG definierten Insiderpapieren unter Ausnutzung von ihnen bekannt
gewordenen Insidertatsachen (Verwertungsverbot). Unter Insidertatsachen sind nach
Definition des § 13 Abs. 1 WpHG nicht öffentliche Tatsachen zu verstehen, die sich auf
einen bzw. mehrere Emittenten von Insiderpapieren beziehen und die geeignet sind, den
Kurs des Insiderpapiers erheblich zu beeinflussen.
Nicht gestattet ist Primärinsidern zudem die unbefugte Weitergabe von Insiderinfor-
mationen (Weitergabeverbot) sowie das Empfehlen von Insiderpapieren aufgrund der
Kenntnis einer Insidertatsache (Empfehlungsverbot). Als Strafe für alle drei verbotenen
Verhaltensweisen sieht das Gesetz nach § 38 WpHG Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren
oder Geldstrafe vor.
Mit Einführung des § 15a WpHG im Rahmen des 4. FMFG besteht zudem eine Ver-
pflichtung zur nachträglichen Veröffentlichung von Transaktionen mit Wertpapieren
einer Gesellschaft durch Organmitglieder und deren Partner bzw. Verwandte (sog.
directors' dealings).
24
Gesetzestext: siehe Anhang 1 f).
25
Zur geschichtlichen Entwicklung des Insiderrechts in Deutschland: siehe Schäfer, in Schäfer (1999),
Vor § 12 WpHG, Rdn. 1-6.
26
Vgl. Schäfer, in Schäfer (1999), § 13 WpHG, Rdn. 1.
27
Vgl. Kaiser (1996), S. 215.

- 8 -
Schadensersatzansprüche lassen sich nur in seltenen Fällen begründen. Erfolg
versprechend ist für geschädigte Anleger lediglich eine Haftung aus vorsätzlicher sitten-
widriger Schädigung gem. § 826 BGB
28
. Voraussetzung ist allerdings, dass der Kauf-
bzw. Verkaufsauftrag des Anlegers ohne Teilnahme des Insiders am Handel nicht aus-
geführt worden wäre. Nur dann ist das Verhalten des Insiders ursächlich für den Scha-
den des Investors.
29
Ein Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo scheitert an
der fehlenden Aufklärungspflicht des Insiders und für eine deliktische Haftung aus
§ 823 Abs. 2 BGB
30
mangelt es dem Verbot von Insidergeschäften am schutzgesetz-
lichen Charakter.
31
Lediglich bei Geschäften ohne Finanzintermediäre kann bei Kauf-
verträgen über bestimmte Kontrollpakete Sachmängelhaftung als vertraglicher An-
spruch infrage kommen.
32
Die Regulierung des Insiderhandels nach US-amerikanischem Recht basiert auf dem
Securities Act von 1933 (1933 Act) und dem Securities Exchange Act von 1934
(1934 Act). Eine ganze Reihe dieser Gesetze und der darunter erlassenen Rules sind auf
Tatbestände des Insiderhandels anwendbar, die wichtigste Grundlage für zivil- und
strafrechtliche Verfolgung stellt jedoch die unter § 10(b) des 1934 Act erlassene Rule
10b-5
33
dar. Hierbei wird die Nutzung von Insiderinformationen mit dem Unterlassen,
marktrelevante Informationen offen zu legen, gleichgesetzt.
34
2.2.2
Irreführung von Aktionären
Durch die Irreführung von Aktionären bspw. durch die Versorgung mit Fehlinfor-
mationen oder durch Verschweigen wesentlicher Informationen sind Möglichkeiten zur
Beeinflussung des Wertpapierkurses gegeben. Hierunter fallen insbesondere Bilanz-
fälschung, Bilanzverschleierung und Verstöße gegen die Publizitätspflicht. Unabhängig
von der Verbotsnorm des Kursbetrugs bestehen zu diesen Tatbeständen auch ohne ma-
nipulative Absicht oder Wirkung gesetzliche Verbote.
28
Gesetzestext: siehe Anhang 1 c).
29
Vgl. Kaiser (1997), S. 1560 f.
30
Gesetzestext: siehe Anhang 1 c).
31
Der Schutzgesetzcharakter wird in § 15 Abs. 6 S. 1 WpHG ausdrücklich verneint.
32
Vgl. Kaiser (1997), S. 1558-1561.
33
Gesetzestext und Rule 10b-5: siehe Anhang 2 b).
34
Vertiefend: Amchen/Cordova/Cicero (2002), S. 1049-1057.

- 9 -
Unter der Publizitätspflicht ist dabei die Pflicht eines Wertpapieremittenten zu ver-
stehen, kursbeeinflussende Tatsachen bei Kenntnis mitzuteilen, üblicherweise in Form
von Ad-hoc-Meldungen. Geregelt ist die Publizitätspflicht in Deutschland in § 15
WpHG
35
. Mit der Einführung der §§ 37b und 37c WpHG
36
im Rahmen des 4. FMFG
wurden die Schadensersatzansprüche im Falle falscher oder unterlassener Ad-hoc-Mel-
dungen reformiert. Diese Normen stellen die wichtigsten Grundlagen für Schadenser-
satz bei Kursbetrug dar und werden daher in Kapitel 3.1.2.2 ausführlich erörtert.
Bilanzfälschung und Bilanzverschleierung werden in Deutschland nach § 331 Handels-
gesetzbuch (HGB)
37
geahndet. Dieser sieht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder
Geldstrafe für Organmitglieder einer Gesellschaft vor, welche die wirtschaftlichen Ver-
hältnisse des Unternehmens in Unternehmensabschlüssen unrichtig wiedergeben. Dies
beinhaltet falsche oder irreführende Informationen in Eröffnungsbilanzen, Jahresbe-
richten, Lageberichten und Konzernabschlüssen einschließlich Zwischenabschlüssen.
Von einer Bilanzfälschung wird in diesem Zusammenhang gesprochen, wenn Posten
der Bilanz willkürlich und in nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung nicht mehr
vertretbarer Weise herauf- oder herunterkorrigiert werden. Beispiele hierfür sind die
Aufnahme fremder Vermögensgegenstände oder die Manipulation des Warenbe-
standes.
38
Eine Bilanzverschleierung liegt vor, wenn Sachverhalte durch die Wiederga-
be nicht mehr oder nur schwer erkennbar sind. Dies liegt z. B. bei Saldierung von For-
derungen und Verbindlichkeiten oder bei Zusammenlegung wesensfremder Bilanz-
posten vor.
39
Das Gesetz bezweckt den Schutz der mit der Gesellschaft in wirtschaftli-
cher oder rechtlicher Beziehung stehenden Personen. Für diese Gruppen, zu denen z. B.
Arbeitnehmer, Lieferanten und Gesellschafter gehören, stellt § 331 HGB ein Schutzge-
setz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB dar.
40
Zudem stellt § 400 Abs. 1 des Aktiengesetzes (AktG)
41
jene Fälle der unrichtigen Dar-
stellung auf Hauptversammlungen oder gegenüber Prüfern der Gesellschaft bzw. eines
35
Gesetzestext: siehe Anhang 1 f).
36
Gesetzestext: siehe Anhang 1 f).
37
Gesetzestext: siehe Anhang 1 d).
38
Vgl. Quedenfeld, in Ebke (2001), § 331 HGB, Rdn. 32.
39
Vgl. Quedenfeld, in Ebke (2001), § 331 HGB, Rdn. 38.
40
Vgl. Fleischer (2002b), S. F 110 f.; Quedenfeld, in Ebke (2001), § 331 HGB, Rdn. 2.
41
Gesetzestext: siehe Anhang 1 a).

- 10 -
verbundenen Unternehmens unter Strafe, die nicht nach § 331 HGB mit Strafe bedroht
sind. Täter können nur Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder sowie, bei einer auf-
gelösten Aktiengesellschaft, die Abwickler sein. Normzweck ist der Schutz der Anteils-
eigner sowie Dritter, die mit der Gesellschaft in einer Rechts- oder Wirtschaftsbe-
ziehung stehen.
42
Ebenso wie für Insiderhandel und Kursbetrug sind im US-Recht auch für die Irrefüh-
rung von Investoren der 1933 Act und der 1934 Act die wichtigsten Rechtsgrundlagen.
Falsche Darstellung bzw. die Unterlassung der Veröffentlichung wesentlicher kurs-
beeinflussender Tatsachen können hierbei ebenso wie Kursmanipulation unter die
Rule 10b-5 fallen, sodass eine zivil- und strafrechtliche Verfolgung möglich ist. Auf-
grund ihrer Bedeutung für die rechtliche Behandlung von Kursbetrugsdelikten wird die-
se Norm in Kapitel 3.2 näher erläutert.
3
Zivil- und strafrechtliche Konsequenzen des Kursbetrugs
3.1
Rechtslage und ­auslegung nach deutschem Recht
Mit dem 4. FMFG in Deutschland wurde die geltende Rechtslage zur Kursmanipulation
neu gestaltet. Die alte Regelung des § 88 Börsengesetz (im Folgenden: BörsG a. F.)
43
galt in vielerlei Hinsicht als unbefriedigende Lösung und wurde durch eine Neuregelung
im WpHG ersetzt.
3.1.1
Strafrechtliche Normen
Im Folgenden wird die strafrechtliche Behandlung von Kursbetrugsdelikten nach § 88
BörsG a. F. vor Einführung des 4. FMFG sowie nach den seit 1. Juli 2002 geltenden
Regelungen des WpHG einer näheren Betrachtung unterzogen.
3.1.1.1
Frühere Regelung nach dem Börsengesetz
Obschon eine Strafvorschrift gegen Kursbetrug in Deutschland bereits seit 1896 be-
steht
44
, erlangte sie in jüngster Zeit erstmalig Bedeutung. Kurz vor der Abschaffung des
42
Vgl. Fuhrmann, in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 400 AktG, Rdn. 2; zu der sich daraus
ergebenden Haftungsmöglichkeit i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB siehe Kapitel 3.1.2.1 dieser Arbeit.
43
Gesetzestext: siehe Anhang 1 b).
44
Zunächst in Form des § 75 des Börsengesetzes vom 24.06.1896, später in § 88 des BörsG a. F., bis zu
dessen Ersetzung durch eine Vorschrift im WpHG im Rahmen des 4. FMFG.

- 11 -
§ 88 BörsG a. F. im Rahmen des 4. FMFG gab es neben dem Versuch, die Vorschrift
als zivilrechtliche Haftungsgrundlage heranzuziehen (vgl. hierzu Kapitel 3.1.2.1), auch
Strafanzeigen durch das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe)
45
wegen Verdachts auf Kursbetrug.
46
Die Vorschrift des § 88 Abs. 1 BörsG a. F. verbot unrichtige Angaben zu für die Bewer-
tung des Gutes wesentlichen Umständen sowie das Verschweigen solcher Umstände
entgegen einer Offenbarungspflicht, wenn hierdurch auf den Börsen- oder Marktpreis
eingewirkt werden sollte. Als Auffangtatbestand untersagte § 88 Abs. 2 BörsG a. F. die
Anwendung sonstiger auf Täuschung berechneter Mittel mit dem gleichen Ziel der
Preisbeeinflussung. Hierfür kommen insbesondere die in Kapitel 2.1 beschriebenen Ma-
nipulationstechniken, die nicht vom Abs. 1 erfasst werden, in Betracht.
Zur Erfüllung des subjektiven Tatbestandes des § 88 BörsG a. F. war bedingter Vorsatz
(dolus eventualis) erforderlich. Der Täter musste den Taterfolg für möglich halten und
billigend in Kauf nehmen.
47
Darüber hinaus musste in Bezug auf die Preisbeein-
flussungsabsicht unbedingter Vorsatz (dolus directus ersten Grades) vorliegen.
48
Eine tatsächliche Auswirkung des Börsen- oder Marktpreises war nicht nötig; zur Er-
füllung des Tatbestandes reichte eine manipulative Absicht.
49
Somit konnten auch Ver-
haltensweisen, die zur Kursbeeinflussung ungeeignet waren, einen Straftatbestand nach
§ 88 BörsG a. F. darstellen.
50
Eine Bereicherungsabsicht des Täters war ebenfalls nicht
notwendig.
51
Für Zuwiderhandlungen sah die Strafnorm eine Freiheitsstrafe bis zu drei
Jahren oder eine Geldstrafe vor.
In der Vergangenheit hat sich die Regelung des § 88 BörsG a. F. als wenig wirksam
erwiesen. Bereits in der Ausgestaltung der Überwachung der Strafvorschrift wurde ein
erster Kritikpunkt gesehen. Anders als beim Insiderhandel lag die Überwachung von
Kursmanipulationsdelikten einzig bei der Staatsanwaltschaft. So hatte das BAWe in die-
sem Zusammenhang keine Befugnisse zur Untersuchung und Verfolgung von Kursbe-
45
Seit 1. Mai 2002 ist das BAWe Teil der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht.
46
Vgl. BAWe (2002), S. 27.
47
Vgl. Schwark (1994), § 88 BörsG, Rdn. 11; Ledermann, in Schäfer (1999), § 88 BörsG, Rdn. 13.
48
Vgl. Ledermann, in Schäfer (1999), § 88 BörsG, Rdn. 13; Möller (2002), S. 316.
49
Vgl. Ledermann, in Schäfer (1999), § 88 BörsG, Rdn. 13.
50
Vgl. Lenzen (2002), S. 281.
51
Vgl. Schwark (1994), § 88 BörsG, Rdn. 1; Ledermann, in Schäfer (1999), § 88 BörsG, Rdn. 13.

- 12 -
trugsdelikten. Auch eine Pflicht zur Anzeige bekannt gewordener Fällen bei der Staats-
anwaltschaft bestand im Gegensatz zum Insiderhandel nicht.
52
Schwierigkeiten bestanden außerdem in der Auslegung des objektiven Tatbestands. Ne-
ben der Manipulationstechnik in Form von unrichtigen Angaben über Umstände in
Nr. 1 des § 88 BörsG a. F. wurden in Nr. 2 sonstige auf Täuschung berechnete Mittel
unter Strafe gestellt. Damit sollten Kursbetrugsfälle, die nicht unter Nr. 1 fielen, aufge-
fangen werden. Damit blieb jedoch im Unklaren, welche Manipulationstechniken genau
von dieser Regelung erfasst wurden. Auch Rechtsprechung die den objektiven Tatbe-
stand konkretisieren könnte, existierte nicht. Somit bestand in Bezug auf die Strafbar-
keit von Geschäften, die geeignet waren, Einfluss auf den Börsen- oder Marktpreis zu
nehmen, ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit.
53
Ebenfalls problematisch stellte sich in der Anwendung des § 88 BörsG a. F. der subjek-
tive Tatbestand dar. In der Praxis hat es sich stets als äußerst schwierig erwiesen, den
Nachweis über den Willen zur Preisbeeinflussung zu erbringen.
54
3.1.1.2
Neuregelung des Manipulationsverbotes im Wertpapierhandelsgesetz
Am 1. Juli 2002 trat das 4. FMFG in Kraft, mit dem das Ziel verfolgt wird, die Leis-
tungsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland zu stärken und die Marktintegrität zu
sichern. Dies soll u. a. durch einen verbesserten Anlegerschutz und eine höhere Rechts-
sicherheit erreicht werden.
55
Im Rahmen des 4. FMFG wurde die Regelung des § 88 BörsG a. F. zum Kursbetrug
durch eine Neuregelung in §§ 20a und 20b WpHG
56
ersetzt. Mit dieser Herauslösung
aus dem BörsG a. F. wird der Tatsache Rechnung getragen, dass der Tatbestand der
Kurs- und Marktpreismanipulation auch außerbörsliche Transaktionen umfasst.
57
Die neue gesetzliche Regelung sieht ein zweistufiges Sanktionssystem vor. Verstöße
gegen die Verbotsvorschrift des § 20a sollen zunächst nur eine Ordnungswidrigkeit dar-
52
Vgl. Lenzen (2002), S. 280; BAWe (2002), S. 27.
53
Vgl. Lenzen (2002), S. 281; diesbezüglich kritisch auch Schwark (1994), § 88 BörsG, Rdn. 6.
54
Vgl. Lenzen (2001), S. 605.
55
Vgl. BT Drucksache 14/8017, Begründung zum Regierungsentwurf, S. 62 f.; veröffentlicht unter
http://dip.bundestag.de/btd/14/080/1408017.pdf.
56
Gesetzestext: siehe Anhang 1 f).
57
Vgl. BT Drucksache 14/8017, Begründung zum Regierungsentwurf, S. 64.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832488147
ISBN (Paperback)
9783838688145
DOI
10.3239/9783832488147
Dateigröße
544 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
European Business School - Internationale Universität Schloß Reichartshausen Oestrich-Winkel – Betriebswirtschaftslehre
Erscheinungsdatum
2005 (Juni)
Note
1,3
Schlagworte
kursmanipulation wertpapierhandelsgesetz finanzmarktförderungsgesetz irreführung kursbeeinflussung
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Titel: Zivil- und strafrechtliche Dimensionen von Kursdelikten nach deutschem und US-amerikanischem Recht
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