"almost customers" als Zielgruppe für das Interessentenmanagement
©2004
Diplomarbeit
102 Seiten
Zusammenfassung
Inhaltsangabe:Problemstellung:
In Praxis und Wissenschaft ist es unbestritten, dass die Neukundengewinnung etwa um das vier- bis sechsfache teurer ist als die Bindung aktueller Kunden. Ein bestehender Kundenstamm verringert sich jedoch schon allein aufgrund natürlicher Fluktuation, wie beispielsweise durch einen Umzug oder einer Veränderung der Bedürfnisse der Kunden. Daher sollte die Neukundengewinnung nicht vollständig aus dem Fokus der Unternehmen verschwinden. Sie ist eine wichtige Voraussetzung dafür, die Zahl der Kunden konstant zu halten oder sogar auszubauen.
Gerade weil die Akquisition neuer Kunden sehr kostspielig ist, ist es wichtig, diesen Prozess so effektiv und effizient wie möglich zu gestalten. Es sollte eine möglichst große Anzahl der durch Marketingmaßnahmen gewonnenen Interessenten in tatsächliche Kunden verwandelt werden. Jedoch ist es praktisch nicht als realistisch anzusehen, dass alle Interessenten tatsächlich eine Kaufabsicht entwickeln. Daher ist es besonders wichtig, dass diejenigen, die sich zu einem Kauf entschlossen haben auch wirklich kaufen. In der Praxis kommt es jedoch häufig vor, dass selbst Interessenten mit einer Kaufabsicht sich noch am Point of Sale (POS) des Anbieters umentscheiden und unverrichteter Dinge wieder weggehen. Dieser Sinneswandel kann entweder durch verhaltenswissenschaftliche Gründe (wie etwa der Wahrnehmung bestimmter negativer Dinge) oder durch sonstige Probleme bei der Leistungserstellung zustande kommen. Personen mit einer festen Kaufabsicht, die schließlich doch nicht ausgeführt wird, bezeichnet man als almost customer (AC).
Durch diese AC entgehen den Unternehmen hohe Umsätze, die verhältnismäßig einfach in wirkliche Umsätze umgewandelt werden könnten, da der Hauptteil der Kundengewinnung bereits erfolgreich war, es fehlt ja nur an der Ausführung. Aus diesem Grund ist es für die Unternehmen besonders wichtig, Maßnahmen zu implementieren, die dabei helfen, das AC-Phänomen zu bekämpfen.
Wenn ein Unternehmen dieses Problem erkannt hat, wird es vor der Frage stehen, in welche Abteilung die Zuständigkeit fällt. Die Verantwortlichkeit bemisst sich häufig danach, in welcher Phase des Kundenlebenszyklus diese eingreifen soll. Nachdem die AC die Kaufhandlung noch nicht wirksam abgeschlossen haben, wären die Aufgaben demnach dem Interessentenmanagement (IM) zuzuordnen, also dem Bereich im Unternehmen, der sich darum kümmert, Interessenten zu gewinnen, bei ihnen eine Kaufabsicht zu entwickeln und […]
In Praxis und Wissenschaft ist es unbestritten, dass die Neukundengewinnung etwa um das vier- bis sechsfache teurer ist als die Bindung aktueller Kunden. Ein bestehender Kundenstamm verringert sich jedoch schon allein aufgrund natürlicher Fluktuation, wie beispielsweise durch einen Umzug oder einer Veränderung der Bedürfnisse der Kunden. Daher sollte die Neukundengewinnung nicht vollständig aus dem Fokus der Unternehmen verschwinden. Sie ist eine wichtige Voraussetzung dafür, die Zahl der Kunden konstant zu halten oder sogar auszubauen.
Gerade weil die Akquisition neuer Kunden sehr kostspielig ist, ist es wichtig, diesen Prozess so effektiv und effizient wie möglich zu gestalten. Es sollte eine möglichst große Anzahl der durch Marketingmaßnahmen gewonnenen Interessenten in tatsächliche Kunden verwandelt werden. Jedoch ist es praktisch nicht als realistisch anzusehen, dass alle Interessenten tatsächlich eine Kaufabsicht entwickeln. Daher ist es besonders wichtig, dass diejenigen, die sich zu einem Kauf entschlossen haben auch wirklich kaufen. In der Praxis kommt es jedoch häufig vor, dass selbst Interessenten mit einer Kaufabsicht sich noch am Point of Sale (POS) des Anbieters umentscheiden und unverrichteter Dinge wieder weggehen. Dieser Sinneswandel kann entweder durch verhaltenswissenschaftliche Gründe (wie etwa der Wahrnehmung bestimmter negativer Dinge) oder durch sonstige Probleme bei der Leistungserstellung zustande kommen. Personen mit einer festen Kaufabsicht, die schließlich doch nicht ausgeführt wird, bezeichnet man als almost customer (AC).
Durch diese AC entgehen den Unternehmen hohe Umsätze, die verhältnismäßig einfach in wirkliche Umsätze umgewandelt werden könnten, da der Hauptteil der Kundengewinnung bereits erfolgreich war, es fehlt ja nur an der Ausführung. Aus diesem Grund ist es für die Unternehmen besonders wichtig, Maßnahmen zu implementieren, die dabei helfen, das AC-Phänomen zu bekämpfen.
Wenn ein Unternehmen dieses Problem erkannt hat, wird es vor der Frage stehen, in welche Abteilung die Zuständigkeit fällt. Die Verantwortlichkeit bemisst sich häufig danach, in welcher Phase des Kundenlebenszyklus diese eingreifen soll. Nachdem die AC die Kaufhandlung noch nicht wirksam abgeschlossen haben, wären die Aufgaben demnach dem Interessentenmanagement (IM) zuzuordnen, also dem Bereich im Unternehmen, der sich darum kümmert, Interessenten zu gewinnen, bei ihnen eine Kaufabsicht zu entwickeln und […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
ID 8734
Geisreiter, Katharina: "almost customers" als Zielgruppe für das
Interessentenmanagement
Hamburg: Diplomica GmbH, 2005
Zugl.: Katholische Universität Eichstätt, Diplomarbeit, 2004
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2005
Printed in Germany
K
ATHARINA
G
EISREITER
(Diplom-Kauffrau Univ.)
Hochkönigstr.28; 81825 München; 0179 / 909 72 40; katharina.geisreiter@gmx.de
10/2000 12/2004
Studium der Betriebswirtschaftslehre
Katholische Universität Eichstätt - Ingolstadt
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Ingolstadt
Studienschwerpunkte:
Marketing, Dienstleistungsmanagement, Controlling
(Abschlussnote
2,30)
09/2002 - 02/2003
Auslandssemester
Università degli Studi di Modena e Reggio Emilia, Italien
06/2000 09/2000
Marketing (Praktikum)
digital advertising AG, Unterhaching
08/2001 09/2001
Controlling (Werkstudententätigkeit)
EADS Deutschland GmbH, München
02/2002 04/2002
Marketing (Praktikum)
Accor Hotellerie Deutschland GmbH, München
08/2003-09/2003
Investor & Public Relations (Praktikum)
digital advertising AG, Unterhaching
Seit 02/2005
Controlling (Praktikum)
ProSiebenSat.1 Produktion GmbH, Unterföhring
Investor Relations Management, Customer Relations Management, Marketing-Controlling
Sprachen
Englisch, Französisch und Italienisch
EDV
MS Office, HTML, MIK-OLAP (Management-Informationssystem),
Bildbearbeitung (Adobe Photoshop, Macromedia Freehand,
Adobe Illustrator), SAP R/3
07/2000 bis 11/2004 Webmaster und Marketing/Presse
Förderverein-Städtisches-Heinrich-Heine-Gymnasium-
München
e.V.
T
HEORIE
P
RAXIS
W
ISSEN
E
NGAGEMENT
Z
UKUNFT
I
Inhaltsverzeichnis
INHALTSVERZEICHNIS ... I
ABBILDUNGSVERZEICHNIS... VI
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS... VI
1 EINLEITUNG...1
1.1 Problemstellung...1
1.2 Gang der Untersuchung...3
2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN ...4
2.1 Interessentenmanagement...4
2.1.1 Begriff des Interessentenmanagement...4
2.1.2 Konzept des Interessentenmanagement...5
2.1.3 Umfeld des Interessentenmanagement ...8
2.1.3.1 Kundenmanagement... .9
2.1.3.2 Customer Relationship Management... 12
2.1.3.3. Die Rolle des Interessentenmanagement im Customer Relationship
Management und im Kundenmanagement... 16
2.2. Begriff des ,,almost customers"...17
2.2.1 Bisheriges Begriffsverständnis von ,,almost customers" ...17
2.2.2 Arbeitsdefinition des Begriffs ,,almost customer"...18
II
3 TYPOLOGISIERUNG VON ,,ALMOST CUSTOMERS"...19
3.1 Relevanz der Typologisierung von Kunden ...19
3.2 Grundsätzliche Möglichkeiten der Typologisierung von Kunden ...19
3.2.1 Anforderungen an Kriterien zur Typologisierung von Kunden ...20
3.2.2 Gängige Kriterien zur Typologisierung von Kunden...21
3.3 Übertragung der gängigen Typologisierungskriterien auf ,,almost customers" ...22
3.3.1 Erklärungsansätze für das Zustandekommen von ,,almost customers"...22
3.3.1.1 Der Kaufprozess als Ansatzpunkt für die Analyse von Ursachen für das
Entstehen von ,,almost customers"... 22
3.3.1.2 Verhaltenswissenschaftliche Erklärungen für das Zustandekommen von
,,almost customers"... 23
3.3.1.2.1 Intrapersonale Variablen als Gründe für die Entstehung von ,,almost
customers" ...24
3.3.1.2.1.1 Grundlagen intrapersonaler Variablen...24
3.3.1.2.1.2 Entstehungsgründe für ,,almost customers" aufgrund
intrapersonaler Variablen ...29
3.3.1.2.2 Extrapersonale Variablen als Gründe für die Entstehung von ,,almost
customers" ...32
3.3.1.2.2.1 Entstehungsgründe für ,,almost customers" aufgrund
interpersonaler Variablen ...32
3.3.1.2.2.2 Entstehungsgründe für ,,almost customers" aufgrund
umfeldbezogener Variablen...36
3.3.1.2.2.3 Entstehungsgründe für ,,almost customers" aufgrund
produktbezogener Variablen...39
3.3.1.3 Weitere Gründe für die Entstehung von ,,almost customers"... 40
III
3.3.2 Eignung gängiger Typologisierungskriterien für eine Übertragung auf ,,almost
customers" ...41
3.4 Anwendbarkeit der Entstehungsgründe von ,,almost customers" als
Typologisierungskriterium ...42
3.5 Abgrenzung von ,,almost customer" Typen ...47
4 IMPLIKATIONEN DER ,,ALMOST CUSTOMERS" FÜR DAS INTERESSENTEN-
MANAGEMENT...50
4.1 Ableitung von Handlungsfeldern für das Interessentenmanagement für eine Vermeidung
von ,,almost customers"...50
4.2 Identifikation von ,,almost customers" als Voraussetzung für eine Vermeidung von
,,almost customers"...52
4.3 Leistungsfähigkeit des Interessentenmanagement zur Vermeidung von ,,almost
customers".. ...54
4.3.1 Eignung der Instrumente des Interessentenmanagement zur Vermeidung von
,,almost customers"...54
4.3.2 Kritische Reflektion der Leistungsfähigkeit des Interessentenmanagement zur
Vermeidung von ,,almost customers"...56
4.4 Weiterentwicklung des Interessentenmanagement zur Vermeidung von ,,almost
customers" ...56
4.4.1 Ergänzung des Interessentenmanagement um ein Zufriedenheitsmanagement zur
Vermeidung von ,,almost customers"...57
4.4.1.1 Anwendbarkeit des Zufriedenheitsmanagement für das Interessenten-
management zur Vermeidung von ,,almost customers"... 57
4.4.1.2 Ansatzpunkte des Zufriedenheitsmanagement zur Vermeidung von ,,almost
customers"...58
IV
4.4.1.3 Leistungsfähigkeit des Zufriedenheitsmanagement für das Interessenten-
management zur Vermeidung von ,,almost customers"... 60
4.4.1.3.1 Eignung des Zufriedenheitsmanagement für das
Interessentenmanagement zur Vermeidung mitarbeiterbezogener
,,almost customers"...61
4.4.1.3.2 Eignung des Zufriedenheitsmanagement für das
Interessentenmanagement zur Vermeidung kundenbezogener ,,almost
customers" ...62
4.4.1.3.3 Eignung des Zufriedenheitsmanagement für das
Interessentenmanagement zur Vermeidung prozessbezogener ,,almost
customers" ...62
4.4.1.4 Kritische Würdigung der Leistungsfähigkeit des Zufriedenheits-
management für das Interessentenmanagement zur Vermeidung von
,,almost customers"... 63
4.4.2 Ergänzung des Interessentenmanagement um ein Qualitätsmanagement zur
Vermeidung von ,,almost customers"...64
4.4.2.1 Anwendbarkeit des Qualitätsmanagement für das Interessentenmanagement
zur Vermeidung von ,,almost customers"... 64
4.4.2.2 Leistungsfähigkeit des Qualitätsmanagement im Rahmen des
Interessentenmanagement zur Vermeidung von ,,almost customers"... 65
4.4.2.2.1 Eignung des Qualitätsmanagement für das Interessentenmanagement
zur Vermeidung mitarbeiterbezogener ,,almost
customers"... ..............................................................65
4.4.2.2.2 Eignung des Qualitätsmanagement für das Interessentenmanagement
zur Vermeidung kundenbezogener ,,almost
customers"... ......................................................66
4.4.2.2.3 Eignung des Qualitätsmanagement für das Interessentenmanagement
zur Vermeidung prozessbezogener ,,almost customers" ...68
4.4.2.3 Kritische Würdigung der Eignung des Qualitätsmanagement für das
Interessentenmanagement zur Vermeidung von ,,almost customers"...72
V
4.5 Kritische Würdigung des erweiterten Interessentenmanagement zur Vermeidung von
,,almost customers"...73
5 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK ...78
LITERATURVERZEICHNIS ...VII
VI
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1:
Aufgaben des CRM in den Phasen des Kundenlebenszyklus ...15
Abb. 2:
Intrapersonale Variablen als Einflussfaktoren auf das menschliche
Kaufverhalten ...28
Abb. 3:
Entstehungsgründe für ,,almost customers" ...41
Abb. 4:
,,almost customer" Typen ...50
Abb. 5:
Handlungsfelder des Interessentenmanagement für eine Vermeidung des
,,almost customer" Problems ...52
Abb. 6:
Entstehung von Unzufriedenheit und deren Wirkungen ...60
Abkürzungsverzeichnis
AC =
almost
customers
BM =
Beschwerdemanagement
CRM
=
Customer Relationship Management
DDV
=
Deutscher Direktmarketing Verband
IM =
Interessentenmanagement
KBM = Kundenbindungsmanagement
KM =
Kundenmanagement
POS
=
Point of Sale
QM =
Qualitätsmanagement
RM =
Rückgewinnungsmanagement
TQM
=
Total Quality Management
ZM =
Zufriedenheitsmanagement
1
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
In Praxis und Wissenschaft ist es unbestritten, dass die Neukundengewinnung etwa um das
vier- bis sechsfache teurer ist als die Bindung aktueller Kunden (Homburg/Sieben/Stock
2003, S.1; Sieben 2002, S.1). Ein bestehender Kundenstamm verringert sich jedoch schon
allein aufgrund natürlicher Fluktuation, wie beispielsweise durch einen Umzug oder einer
Veränderung der Bedürfnisse der Kunden. Daher sollte die Neukundengewinnung nicht
vollständig aus dem Fokus der Unternehmen verschwinden. Sie ist eine wichtige
Voraussetzung dafür, die Zahl der Kunden konstant zu halten oder sogar auszubauen (De
Vries 2003, S.133; Haas 2004, S.365).
Gerade weil die Akquisition neuer Kunden sehr kostspielig ist, ist es wichtig, diesen Prozess
so effektiv und effizient wie möglich zu gestalten. Es sollte eine möglichst große Anzahl der
durch Marketingmaßnahmen gewonnenen Interessenten in tatsächliche Kunden verwandelt
werden. Jedoch ist es praktisch nicht als realistisch anzusehen, dass alle Interessenten
tatsächlich eine Kaufabsicht entwickeln. Daher ist es besonders wichtig, dass diejenigen, die
sich zu einem Kauf entschlossen haben auch wirklich kaufen. In der Praxis kommt es jedoch
häufig vor, dass selbst Interessenten mit einer Kaufabsicht sich noch am Point of Sale (POS)
des Anbieters umentscheiden und unverrichteter Dinge wieder weggehen. Dieser
Sinneswandel kann entweder durch verhaltenswissenschaftliche Gründe (wie etwa der
Wahrnehmung bestimmter negativer Dinge) oder durch sonstige Probleme bei der Leistungs-
erstellung zustande kommen. Personen mit einer festen Kaufabsicht, die schließlich doch
nicht ausgeführt wird, bezeichnet man als ,,almost customer" (AC) (Barnes/King/Breen 2004,
S.134).
Durch diese AC entgehen den Unternehmen hohe Umsätze (Barnes/King/ Breen 2004,
S.134), die verhältnismäßig einfach in wirkliche Umsätze umgewandelt werden könnten, da
der Hauptteil der Kundengewinnung bereits erfolgreich war, es fehlt ja nur an der
Ausführung. Aus diesem Grund ist es für die Unternehmen besonders wichtig, Maßnahmen
zu implementieren, die dabei helfen, das AC-Phänomen zu bekämpfen.
2
Wenn ein Unternehmen dieses Problem erkannt hat, wird es vor der Frage stehen, in welche
Abteilung die Zuständigkeit fällt. Die Verantwortlichkeit bemisst sich häufig danach, in
welcher Phase des Kundenlebenszyklus diese eingreifen soll. Nachdem die AC die
Kaufhandlung noch nicht wirksam abgeschlossen haben, wären die Aufgaben demnach dem
Interessentenmanagement (IM) zuzuordnen, also dem Bereich im Unternehmen, der sich
darum kümmert, Interessenten zu gewinnen, bei ihnen eine Kaufabsicht zu entwickeln und sie
dadurch zu einer Kaufhandlung zu bewegen (Haas 2003a, S.3-6; Haas 2003b, S.297-299;
Haas 2004, S.367-369; Hippner 2004, S.35; Sauerbrey/Henning 2000, S.4; Stauss 2000e,
S.18; Stauss 2004, S.352; Steimle 2000). Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll,
herauszuarbeiten, welche Implikationen aus dem AC Problem für das IM folgen.
In der Praxis gibt es bisher nur selten ein systematisches IM. Außerdem beginnt das Problem
der AC gerade erst beachtet zu werden. Somit besteht hier noch ein erhebliches
Optimierungspotenzial. Auf der wissenschaftlichen Seite gibt es diesbezüglich einige erste
Ansatzpunkte. Haas (2003b, 2004) und Steimle (2000) beschäftigen sich mit dem Thema IM,
gehen jedoch nicht näher auf die Möglichkeit ein, dass Interessenten mit Kaufabsicht unter
bestimmten Umständen nicht kaufen könnten. Barnes (2003, Barnes/King/Breen 2004) und
Leduc (2002) beschäftigen sich mit AC, erarbeiten aber keine betrieblichen
Handlungsempfehlungen. Daher erscheint es sinnvoll, diese beiden Forschungsgebiete
miteinander zu verbinden und eine integrierte Sichtweise einzunehmen. Dafür ist es
notwendig, Gründe für dieses Nicht-Kauf-Verhalten herauszuarbeiten um auf Basis der daraus
gewonnenen Erkenntnisse durch das Entwickeln geeigneter Gegenmaßnahmen Hilfestellung
für eine Umsetzung in der Praxis leisten zu können.
Es ist das Ziel dieser Arbeit, den Versuch einer Typologisierung von AC zu unternehmen,
wozu es nötig sein wird, die Gründe für das Auftreten des AC Phänomens herauszuarbeiten.
Schließlich sollen auf Basis dieser Erkenntnisse über den AC Handlungsfelder für das IM
abgegrenzt werden und Maßnahmen entwickelt werden, die auf die Unternehmenspraxis
übertragen werden können. In diesem Zusammenhang soll überprüft werden, ob bekannte
Maßnahmen aus anderen Managementbereichen auf das IM übertragen werden können und
3
dabei helfen können, das AC Problem zu lösen, oder ob ein darüber hinausgehender
Handlungsbedarf besteht.
Nachdem das AC-Phänomen in fast allen Bereichen der Wirtschaft auftreten kann und sich
daraus sehr verschiedene Implikationen ergeben würden, erscheint es sinnvoll, den
Untersuchungsbereich einzugrenzen. Es wäre möglich, dass dieses Phänomen neben dem
Handel auch in anderen Dienstleistungsbereichen auftreten kann, jedoch beschränkt sich diese
Arbeit auf die Untersuchung des AC Problems im stationären Handel mit Privatkunden, da
sonst zu viele verschiedene Einflussfaktoren untersucht werden müssten, die den Rahmen
dieser Arbeit sprengen würden (Hesse/Huckemann 2002, S.70).
1.2 Gang der Untersuchung
Zur Untersuchung des Themas AC und seiner Implikationen für das IM ist die Arbeit in fünf
Teile gegliedert.
Nachdem in diesem ersten einleitenden Teil das Problem und die Struktur der Arbeit
beschrieben wird, setzt sich das zweite Kapitel mit dem Themenkomplex des IM auseinander
(Kapitel 2.1). Dabei soll zunächst eine grundlegende Begriffsdefinition erfolgen (Kapitel
2.1.1), bevor dessen Konzept mit seinen Aufgaben, Zielen und Instrumenten vorgestellt wird
(Kapitel 2.1.2). Schließlich soll das Umfeld des IM und die Rolle die es dabei einnimmt
beschrieben werden (Kapitel 2.1.3). Um den theoretischen Grundlagenteil abzuschließen,
folgt in Kapitel 2.2 eine Begriffsdefinition von AC. Ausgehend von den Definitionen in der
Literatur (Kapitel 2.2.1) wird in Kapitel 2.2.2 eine Arbeitsdefinition abgeleitet.
Es ist Ziel dritten Kapitels, eine Typologisierung von AC durchzuführen. Dazu wird zunächst
die Relevanz der Typologisierung herausgestellt (Kapitel 3.1) bevor auf klassische
Typologisierungskriterien eingegangen wird (Kapitel 3.2). Schließlich wird deren
Übertragbarkeit auf AC überprüft (Kapitel 3.3). Aufgrund der Heterogenität der
verschiedenen Gründe, die zu einem Auftreten von AC führen, wird es nötig sein, die genauen
Entstehungsgründe für dieses Problem herauszuarbeiten, bevor eine endgültige Typologisie-
rung durchgeführt werden kann. Nachdem die klassischen Typologisierungskriterien im Fall
4
von AC wenig erfolgsversprechend sind, wird die Verwendung der Entstehungsgründe als
Kriterium überprüft (Kapitel 3.4), bevor in Kapitel 3.5 konkrete AC-Typen benannt werden.
Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit den Implikationen des AC für das IM. Dazu werden
zunächst die verschiedenen Handlungsfelder für das IM herausgearbeitet, bevor diskutiert
wird, wie eine Identifikation von AC in der Praxis möglich sein wird (Kapitel 4.2).
Anschließend wird die Leistungsfähigkeit des IM zur Behebung der verschiedenen AC-Typen
überprüft (Kapitel 4.3). Nachdem damit keine vollständige Lösung des Problems erreicht
werden kann, erscheint es sinnvoll, andere Managementbereiche auf übertragbare Instrumente
hin zu untersuchen und so das IM zu erweitern (Kapitel 4.4). Schließlich wird das erweiterte
IM auf seine Eignung hinsichtlich des AC-Problems kritisch bewertet (Kapitel 4.5).
Im abschließenden fünften Kapitel werden die gewonnenen Erkenntnisse zusammengefasst
und alternative Möglichkeiten aufgezeigt.
2 Theoretische Grundlagen
Für die Untersuchung der AC als Zielgruppe für das IM erfolgt in diesem zweiten Kapitel
zunächst eine Darstellung der Grundlagen des IM sowie eine Begriffsdefinition von AC.
2.1 Interessentenmanagement
2.1.1 Begriff des Interessentenmanagement
Für die Erarbeitung einer Begriffsdefinition von IM erscheint es sinnvoll, zunächst die beiden
Bestandteile ,,Interessenten" und ,,Management" zu definieren.
Als Interessenten bezeichnet man aus Unternehmenssicht ,,Unternehmen bzw. Konsumenten,
die einen spezifischen Bedarf haben, der sich durch die eigenen Produkte und
Dienstleistungen decken lässt, und die bisher keine Kunden waren" (Haas 2003b, S.297), also
bisher noch keine vollständig abgeschlossene Kaufhandlung bei einem Anbieter vollzogen
haben. Der Begriff ,,Management" hat in den letzten Jahren eine universelle Verwendung
erlangt, so dass es inzwischen unzählbar viele Begriffsdefinitionen gibt. Zwei der
5
geeignetsten Management-Definitionen scheinen im Kontext des IM: ,,Effective use and co-
ordination of resources to achieve pre-defined objectives". (Eurocontrol 2004) oder aber ,,The
professional administration of any business" (Succeedinginmusic o.J.).
Haas definiert IM als ,,alle Aktivitäten [...], die dazu dienen, den Kaufprozess von
Interessenten zu initiieren, zu gestalten und mit einem Kauf zum Abschluss zu bringen" (Haas
2003a, S.4; Haas 2003b, S.297; Haas 2004, S.366). Neben dem Begriff des IM hat sich in der
Praxis der Begriff ,,Lead Management" eingebürgert, da potenzielle Interessenten im
Englischen als ,,Leads" bezeichnet werden. Dieser Begriff wird in der deutschsprachigen
Literatur hauptsächlich von Steimle geprägt, der Lead Management als ein ,,professionelles
Management-Tool für die konsequente Erfassung, Bearbeitung und Ausschöpfung
vorhandener Interessenten-Potenziale" ansieht (Steimle 2000).
Auf Basis dieser Ausführungen lässt sich IM definieren als alle Aktivitäten der Analyse,
Planung, Durchführung und Kontrolle, die ein Unternehmen ergreift um aus anderen
Marktteilnehmern, zu denen bisher keinerlei Geschäftsbeziehung bestand, eigene Kunden zu
machen.
2.1.2 Konzept des Interessentenmanagement
Jedem effektiven und effizienten unternehmerischen Handeln sollte eine Strategie zugrunde
liegen, die die Richtung der durchzuführenden Maßnahmen bestimmt. Für einzelne
Managementbereiche, zu denen auch das IM gehört, spricht man stattdessen von Konzepten,
die den Handlungen zugrunde liegen sollten. Im Sinne des Marketing ist dies ein
,,umfassender, gedanklicher Entwurf [...], der sich an angestrebten Zielen [...] orientiert, für
ihre Realisierung geeignete Strategien [...] wählt und auf ihrer Grundlage die adäquaten
Marketinginstrumente festlegt [Hervorhebungen durch den Verfasser]" (Meffert 2000, S.61).
Das Ziel stellt dabei eine zukunftsbezogene Vorgabe dar, die die Grundrichtung aller
Aktionen vorgibt. Die daraus abzuleitenden Strategien dienen einer groben Strukturierung
dieser Vorgabe, die wiederum mittels geeigneter Instrumente des Marketing-Mix operativ
umgesetzt werden. Die Strategie ist somit Bindeglied zwischen den konzeptionellen Zielen
und deren Umsetzung und kann als ,,bedingter langfristiger, globaler Verhaltensplan zur
Erreichung der Unternehmens- und Marketingziele" angesehen werden (Meffert 2000, S.62).
6
Um einen umfassenden Überblick über das Themengebiet des IM zu bekommen, erscheint es
sinnvoll, auch das IM anhand dieser drei Ebenen darzustellen.
Es ist das Ziel des IM, das Ertragspotenzial bisheriger Nicht-Kunden zu erschließen, sie also
zu Kunden zu machen. Diese unterscheiden sich voneinander in dem für ihre Überzeugung
notwendigen Bearbeitungsaufwand und auch in den zu erwartenden Erfolgsaussichten (den
Umsätzen, die sie voraussichtlich tätigen werden). Daher ist eine differenzierte Bearbeitung
notwendig um ihren individuellen Bedürfnissen zu begegnen und gleichzeitig einen effektiven
und effizienten Einsatz der vom Unternehmen eingesetzten Ressourcen sicher zu stellen. Für
die Unternehmen bedeutet das, dass sie sich auf die Bearbeitung der hochwertigen und
gewinnbringenden Kunden konzentrieren sollten, die zunächst zu bestimmen sind. Auf der
anderen Seite sollte der mit der Bearbeitung verbundene Aufwand möglichst gering gehalten
werden und sich am interessentenspezifischen Potenzial (dem zu erwartenden Erfolg)
orientieren. Somit ist es das eigentliche Ziel des IM, eine profitable Neukundengewinnung zu
betreiben, indem mit dem geringst möglichen Aufwand der größtmögliche Umsatz generiert
wird.
Für die Erreichung dieses Ziels muss die sogenannte AIDA-Regel erfüllt werden: die
Aufmerksamkeit der potenziellen Kunden muss erregt werden (Attraction), damit sie ein
Interesse am Produkt entwickeln (Interest), wodurch ein Bedürfnis ausgelöst wird (Desire)
das schließlich in einem Kauf endet (Action) (o.V. o.J.f; Trommsdorff 2002, S.50-53).
Es lassen sich zwei große Aufgabengebiete bzw. Strategien ableiten: die
Interessentengenerierung auf der einen Seite und die Interessentenkonversion, also die
,,Umwandlung" eines Interessenten in einen Kunden, auf der anderen Seite. Bevor mit der
Interessentengenerierung begonnen werden kann, muss zunächst festgelegt werden, welches
Kundensegment angesprochen werden soll und wodurch sie sich von anderen Segmenten
abheben (Definition der Zielgruppe). Nach deren Identifikation beginnt die Interessenten-
generierung. Die potenziellen Kunden sollen auf das Unternehmen aufmerksam gemacht
werden und es gleichzeitig als möglichen Problemlöser erkennen, also ein Interesse an seinen
Leistungen entwickeln, sie werden zu Interessenten. An diesem Punkt setzt die
Interessentenkonversion an. Dafür müssen die potenziellen Kunden zunächst hinsichtlich
ihrer Attraktivität und ihrer Abschlusswahrscheinlichkeit segmentiert und priorisiert werden
7
um dann gemäß ihrer Priorität bearbeitet zu werden. In diesem Zusammenhang müssen
Effektivitäts- und Effizienzgesichtspunkte beachtet werden. Es muss eine optimale
Ressourcenallokation angestrebt werden, indem diejenigen Kunden intensiver bearbeitet
werden, die höhere Ergebnisse erwarten lassen. Zudem müssen Instrumente angewandt
werden, die für das jeweilige Segment den höchsten Erfolg versprechen und am wenigsten
Streuverluste erwarten lassen. Ziel dieser Maßnahmen ist es, die Interessenten zum Abschluss
der Kaufhandlung zu bewegen.
Als Instrument zur Erfüllung der dargestellten Aufgaben steht grundsätzlich das gesamte
Marketing-Instrumentarium (Marketing-Mix) zur Verfügung. Der Marketing-Mix setzt sich
zusammen aus den vier Bereichen der Produktpolitik (1), der Distributionspolitik (2), der
Kontrahierungspolitik (3) und der Kommunikationspolitik (4).
In den Bereich der Produktpolitik (1) fallen alle absatzpolitischen Instrumente, ,,die sich auf
die marktgerechte Gestaltung aller vom Unternehmen im Absatzmarkt angebotenen
Leistungen beziehen" (Meffert 2000, S.327). Konkrete Instrumente wären in diesem
Zusammenhang beispielsweise Spielräume hinsichtlich der Produktqualität oder des
Angebotsprogramms bzw. dem Angebot von Garantien oder Kundendienst.
Zur Distributionspolitik (2) zählen alle ,,Entscheidungen und Handlungen, welche die
Übermittlung von materiellen und/oder immateriellen Leistungen vom Hersteller zum
Endkäufer und damit von der Produktion zur Konsumption beziehungsweise gewerblichen
Verwendung betreffen [Hervorhebungen im Original]" (Meffert 2000, S.600). Als
absatzpolitische Instrumente werden in diesem Zusammenhang die Standorte der
Letztverkaufsstellen, der Wahl des Absatzkanals, sowie der physischen Distribution genannt.
Es werden Entscheidungen getroffen, ob ein direkter (vom Hersteller an den Kunden) oder ein
indirekter (über Absatzmittler) Vertrieb erfolgen soll, wie dieser konkret ausgestaltet sein soll
und wie die Logistik zwischen Hersteller, einem möglichen Absatzmittler und dem
Endkunden erfolgen soll.
Absatzpolitische Instrumente der Kontrahierungspolitik (3) können weiter unterteilt werden in
Maßnahmen der Preis- und der Konditionenpolitik. Konkrete Maßnahmen wären
dementsprechend die Preisbestimmung, die Festlegung von Rabatten und Lieferungs- und
Zahlungsbedingungen.
8
Schließlich verbleibt eine Analyse der Kommunikationspolitik (4). Diese bezieht sich auf alle
Entscheidungen und Handlungen hinsichtlich der Kommunikation von Anbieter und Kunde.
Hierunter fallen Instrumente wie beispielsweise die klassische Werbung, die Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit, Verkaufsförderung und Direktverkauf. Die Werbung wirkt dabei in
besonderem Maße auf die Erwartungsbildung beim Konsumenten ein und hat damit einen
erheblichen Einfluss auf die Zufriedenheit des Kunden mit der Verkaufssituation und damit
auf seine Entscheidung bezüglich der Durchführung des Kaufs. Sie wirkt ebenfalls auf die
emotionale Produktpositionierung also die Einstellung eines Kunden dem Produkt gegenüber
(Bergmann 1998, S.79-105; Meffert 2000, S.327-979).
Aus den konzeptionellen Ausführungen wird deutlich, dass das IM zwei Dimensionen hat,
eine Aktions- und eine Informationsseite. Erstere beschäftigt sich mit der operativen
Umsetzung der Strategie durch Marketing-Instrumentarien und wurde in den vorangehenden
Ausführungen bereits ausführlich erläutert. Die Informationsseite versorgt die Aktionsseite
mit den notwendigen Informationen, auf Basis derer Aussagen über die Eignung
verschiedener Instrumentarien getroffen werden können. Somit stellt die Qualität der zur
Verfügung stehenden Daten einen wichtigen Einflussfaktor auf die Güte der Wahl der
Instrumente dar. In diesem Zusammenhang ist es besonders problematisch, dass in den frühen
Phasen des IM kaum Informationen über die Interessenten vorhanden sind. Es muss daher das
Ziel der frühen Maßnahmen sein, den Datenpool auszuweiten um ein umfassendes Bild des
Interessenten zu bekommen (Haas 2003a, S.3-6; Haas 2003b, S.297-299; Haas 2004, S.367-
369; Kirchner 2002a; Kirchner 2002b; Kracklauer/Quinn/Seifert 2002, S.18; Luong/Vocelka
2002; Steimle 2000).
2.1.3 Umfeld des Interessentenmanagement
In der Literatur wird das IM häufig zum einen als Teil des Kundenmanagement (KM), zum
anderen als Teil des Customer Relationship Management (CRM) bezeichnet. Im folgenden
Kapitel soll daher zunächst geklärt werden, ob und wie sich diese beiden voneinander
unterscheiden und welche Rolle das IM dabei jeweils spielt.
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2.1.3.1 Kundenmanagement
Nach einer Definition von Krafft (2001c, S.866f.) bezeichnet KM die systematische Analyse,
Planung und Steuerung von Kundenbeziehungen mit dem Ziel der Maximierung des
Kundenlebenszeitwertes und dem Aufbau und Ausbau langfristig stabiler
Kundenbeziehungen zu den unter Profitabilitätsgesichtspunkten attraktiven Kunden (Walter
2003, S.35). Es besteht aus der Kundenselektion und akquise (das Kernaufgabengebiet des
Interessentenmanagements), der Kundenbindung und der Kundenrückgewinnung und ist
damit ein auf den gesamten Kundenlebenszyklus bezogenes Konzept des effizienten und
effektiven Umgangs mit den Kunden.
Der Kundenlebenszyklus wurde eingeführt, um eine idealtypische Geschäftsbeziehung
theoretisch darzustellen und lässt sich in fünf grundsätzliche Phasen zerlegen (Diller 2001a,
S.865f.). Während der ersten Phase (Awareness oder Kenntnisnahme) wird ein
Marktteilnehmer auf den potenziellen Austauschpartner aufmerksam und stellt erste
Überlegungen hinsichtlich der Eignung zur Aufnahme einer Geschäftsbeziehung an, ohne
dass bereits eine Transaktion abgeschlossen wurde. In der zweiten Phase (Exploration)
kommt es zu ersten direkten Interaktionen und ersten Käufen, bei denen die
Leistungsfähigkeit und die Bereitschaft des Partners zur Geschäftsbeziehung geprüft wird.
Die dritte Phase, auch als Expansion oder Wachstumsphase bezeichnet, ist gekennzeichnet
durch ein hohes Maß an gegenseitiger Zufriedenheit, die sich in der Ausdehnung oder
Vertiefung der Geschäftsbeziehung und einer verstärkten gegenseitigen Abhängigkeit äußert.
Die folgende vierte Phase ist durch eine steigende Zufriedenheit und gegenseitige Bindung
gekennzeichnet (Commitment) in der die Geschäftspartner eine Suche nach alternativen
Partnern unterlassen und eine Aufrechterhaltung der bestehenden Beziehung anstreben. Beide
investieren in den Erhalt und den Ausbau der Geschäftsbeziehung (Reifephase). Während der
letzten Phase, der Dissolution oder Lösungsphase wird die stabile Beziehung zwischen den
Partnern gelöst, was nicht notwendigerweise im gegenseitigen Einverständnis geschehen
muss, sondern auch auf die Initiative eines der Partner hin geschehen kann. Durch diese
Ausführungen wird deutlich, dass die Geschäftsbeziehungen einer Wandlung über die Zeit
unterliegen und daher verschiedene Anforderungen an die Bearbeitung der Kunden gestellt
werden (Stauss 2004, S.343ff.).
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Es lassen sich daher drei Handlungsfelder des KM ableiten: das IM, das sich um die
potenziellen Kunden bemüht, bis sie die erste Kaufhandlung abgeschlossen haben, darauf
folgend das Kundenbindungsmanagement (KBM), das die Beziehung zu den Kunden festigen
und ausbauen soll und das Rückgewinnungsmanagement (RM), das zum Ziel hat, beendete
Beziehungen wieder aufleben zu lassen.
Das Konzept des IM wurde bereits im Kapitel 2.1.2 ausgeführt, so dass an dieser Stelle auf
weitere Ausführungen verzichtet werden kann und direkt zum KBM übergeleitet werden
kann. Man versteht darunter nach einer Definition von Homburg/Bruhn (2000, S.8) die
,,systematische Analyse, Planung, Durchführung sowie Kontrolle sämtlicher auf den aktuellen
Kundenstamm gerichteten Maßnahmen mit dem Ziel, dass diese Kunden auch in Zukunft die
Geschäftsbeziehung aufrechterhalten oder intensiver pflegen". Dabei verfolgt es die
Zielsetzung der Festigung (Neukundenmanagement) und des Erhalts (Zufriedenheits-
management) bestehender sowie der Stabilisierung gefährdeter Kundenbeziehungen
(Beschwerdemanagement) bzw. der Verhinderung der Abwanderung von Kunden
(Kündigungspräventionsmanagement) (Hippner 2004, S.35) indem es ,,durch den Aufbau von
Vertrauen und den Einsatz kundenspezifischer Investitionen eine Intensität und Qualität der
Beziehung [fördert], die zu einer längerfristigen Bindung im gegenseitigen Interesse führt"
(Stauss 2004, S. 342).
Der Aufgabenbereich des KBM beginnt mit dem ersten Kauf. Der Kunde sammelt danach
erste Erfahrungen mit dem Produkt und kann sich ein erstes Urteil bilden. Er ist noch
unsicher, ob er wirklich die richtige Entscheidung getroffen hat. Hier setzt das
Neukundenmanagement an, das den Kunden gezielt mit Informationen versorgt und ihn so in
seiner Entscheidung bestärkt. Wenn der Kunde mit dieser ersten Leistung zufrieden war, ist er
möglicherweise bereit, weitere Käufe bei dem Anbieter zu tätigen und/oder seine positiven
Erfahrungen an Dritte weiterzugeben (Mund-zu-Mund-Propaganda). Sobald ein Kunde mehr
als einmal bei einem Anbieter gekauft hat, tritt er in die Wachstumsphase ein. Es ist dabei das
Ziel des Anbieters, die Umsätze mit diesem Kunden auszubauen und die Beziehung zu
festigen, was über die Instrumente des KBM i.e.S. geschehen kann. Der Kunde soll durch eine
gezielte und individuelle Bearbeitung eine innere Bindung an das Unternehmen entwickeln
und durch den Aufbau von Wechselbarrieren daran gehindert werden, zu einem Konkurrenz-
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anbieter zu wechseln. Mögliche klassische Kundenbindungsinstrumente sind z.B. Kunden-
kontaktprogramme, Viel-Nutzer-Programme, Kundenkarten oder Kundenclubs.
Es ist nicht realistisch anzunehmen, dass Kundenzufriedenheit und die Bindung eines Kunden
an ein Unternehmens von Dauer ist, seine Ansprüche können sich verändern oder er strebt
nach Abwechslung. Hier beginnt die Gefährdungsphase, der Kunde denkt an eine mögliche
Beendigung der Anbieterbeziehung. In dieser Phase ist es wichtig für das Unternehmen,
Wechselbarrieren aufzubauen bzw. die wachsende Unzufriedenheit zu beseitigen, damit der
Kunde treu bleibt. Eine Wechselbarriere könnte zum Beispiel in Unbequemlichkeiten beim
Anbieterwechsel bestehen, z.B. in der Notwendigkeit, Einzugsermächtigungen und
Daueraufträge zu verändern wenn ein Kunde seine Bank wechseln möchte.
Es gibt jedoch auch Gründe für eine Gefährdung, deren Ursache nicht beim Anbieter zu
suchen ist, wie beispielsweise der Wunsch nach Abwechslung beim Kunden oder ein
attraktiveres Konkurrenzangebot in Verbindung mit einer nicht ausreichenden Bindung an das
ursprüngliche Anbieterunternehmen. Hier greift das Abwanderungspräventionsmanagement,
die Kunden müssen über attraktive Angebote oder eine Beseitigung der Unzufriedenheit an
das Unternehmen gebunden werden. Alternativ zum Anbieterwechsel kann sich der Kunde im
Fall der Unzufriedenheit beim Unternehmen beschweren. Dies ermöglicht dem Anbieter den
Grund der Unzufriedenheit aus dem Weg zu räumen und so die Zufriedenheit des Kunden
wiederherzustellen. Mit den diesbezüglichen Aufgaben der systematischen Erfassung und
Bearbeitung der Beschwerden beschäftigt sich das Beschwerdemanagement (BM)
(Hippner/Rentzmann/Wilde 2004, S.152ff.; Kracklauer/Quinn/Seifert 2002, S.18; Stauss
2004, S.354ff.).
Sollte sich der Kunde dennoch zu einer Abwanderung entschließen, und vorher keine
Beschwerde an das Unternehmen gerichtet haben oder aber mit der Beschwerdereaktion nicht
zufrieden gewesen sein, beginnt der Aufgabenbereich des RM, mit dessen Hilfe verlorene
Kunden zurückgewonnen werden sollen. Dies kann entweder im direkten Anschluss an die
Kündigung geschehen (Kündigungsmanagement) oder aber nach Ablauf eine bestimmten
Zeitspanne, nach der die Geschäftsbeziehung wieder belebt werden soll (Revitalisierung).
Dabei wird der Grund der Unzufriedenheit beim Kunden, die zur Abwanderung geführt hat,
beseitigt und ihm ein attraktives Rückgewinnungsangebot unterbreitet, dass ihn zu einer
Rückkehr bewegen soll (Schöler 2004, S.520f.; Stauss 2004, S.355f.).
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2.1.3.2 Customer Relationship Management
Im Anschluss an die Ausführungen zum KM soll nun das Konzept des CRM mit dem Ziel
erläutert werden, die Unterschiede herauszuarbeiten. Für die Definition des Begriffs CRM
gibt es verschiedene Ansätze, die sich kaum voneinander unterscheiden. Es erscheint daher
ausreichend, nur vier Definitionen heranzuziehen, da ein Mehr keinen Mehrwert bringen
wird.
Der deutsche Direktmarketing Verband e.V. (DDV e.V.) definiert CRM als ganzheitlichen
,,Ansatz zur Unternehmensführung (kundenzentrierte Geschäftsphilosophie). Er integriert und
optimiert auf der Grundlage einer Datenbank und Software zur Marktbearbeitung sowie eines
definierten Verkaufsprozesses abteilungsübergreifend alle kundenbezogenen Prozesse in
Marketing, Vertrieb, Kundendienst, Forschung und Entwicklung u.a." (DDV 2004). Strauß
(2001, S.249) definiert seinerseits CRM als ,,die aktive und systematische Analyse, Planung,
Gestaltung und Kontrolle der Kundenbeziehung im Rahmen des ganzheitlichen
Beziehungsmanagement und auf der Basis eines umfassenden elektronischen Informations-
und Entscheidungssystems". Homburg/Sieben (2000, S.7) formulieren CRM kurz, aber
prägnant als ,,Planung, Durchführung, Kontrolle und Anpassung aller
Unternehmensaktivitäten, die zu einer Erhöhung der Profitabilität der Kundenbeziehung und
damit zu einer Optimierung des Kundenportfolios führt". Man findet eine ähnliche Definition
bei Hippner (2004, S.16): ,,CRM ist eine kundenorientierte Unternehmensstrategie, die mit
Hilfe moderner Informations- und Kommunikationstechnologien versucht, auf lange Sicht
profitable Kundenbeziehungen durch ganzheitliche und individuelle Marketing-, Vertriebs-
und Servicekonzepte aufzubauen und zu festigen [Hervorhebungen im Original]".
Zusammenfassend kann daher folgende Arbeitsdefinition abgeleitet werden: CRM ist ein
ganzheitlicher Ansatz zur Unternehmensführung, der darauf abzielt, profitable
Kundenbeziehungen aufzubauen und zu festigen. Durch eine systematische Analyse, Planung,
Durchführung und Kontrolle der Geschäftsbeziehung erfolgt eine abteilungsübergreifende
Optimierung der kundenbezogenen Prozesse.
Möglich wird dies durch eine Kombination einer Aktions- und einer
Informationskomponente, bei der die Informationsseite die Aktionsseite durch eine IT-
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gestützte Sammlung, Auswertung und Verarbeitung von Kundeninformationen und damit
durch die Bereitstellung von entscheidungsrelevanten Informationen unterstützt (Strauß 2001,
S.249f.). Durch ein Andauern der Geschäftsbeziehung zum Kunden fallen auf der
Aktionsseite immer mehr Daten an, die sukzessive in das Informationssystem eingestellt
werden. Die Implementierung erfolgt meist über ein sogenanntes ,,Data Warehouse System",
ein Datenbanksystem, auf das alle Abteilungen mit Kundenkontakt zugreifen können um
Informationen abzurufen oder dort abzuspeichern. So sind alle Kundeninformationen für alle
Mitarbeiter im Unternehmen verfügbar. Die gespeicherten Daten können als Grundlage für
Analysen dienen, so dass Aussagen über das Käuferverhalten gemacht werden können um
daraus Bearbeitungsempfehlungen abzuleiten (beispielsweise ein individuelles Angebot, das
direkt auf die Bedürfnisse eines Kunden zugeschnitten ist, weil als Grundlage für die Wahl
des Angebots seine Kaufhistorie herangezogen wurde). Des weiteren können die
Informationen des Data Warehouse als Grundlage für eine Kundensegmentierung und eine
Kundenpriorisierung dienen (Wübker 2001 S.3-27; Homburg/Sieben 2000, S.8-10).
Das Vorgehen im Aktionssystem kann in die klassischen vier Phasen des CRM unterteilt
werden, die im folgenden dargestellt werden. Die Ausführungen lehnen sich dabei im
Wesentlichen an die Beiträge von Hippner (2004, S.16-36), Homburg/Sieben (2000, S.15-22)
und Rapp (o.J.) an.
In der ersten Phase wird der bestehende Kundenstamm analysiert, segmentiert und selektiert.
Im Rahmen der Analyse kann das Unternehmen die Bedürfnisse und Anforderungen des
Kunden erfahren und seinen individuellen Kundenwert bestimmen. In diesem Zusammenhang
erfolgt eine erste Einteilung der Kunden gemäß ihrem Stand im Kundenlebenszyklus. Wenn
dieser erste Analyseschritt vollzogen wurde, kann eine Wertanalyse durchgeführt werden. Da
es das Ziel des CRM ist, die Kundenbeziehungen zu den profitablen Kunden zu intensivieren
und zu bewahren, ist dieser Schritt besonders wichtig. Als Ergebnis der Wertanalyse können
die Kunden auf Basis ihres Kundenlebenszeitwertes in verschiedene Wertsegmente eingeteilt
werden. Auf Basis der Ergebnisse der Wertanalyse können dann zunächst die für das
Unternehmen unprofitablen Kunden (mit einem negativen Kundenwert) aussortiert werden, in
die nicht investiert werden soll. Nachdem die Kundensegmente gebildet wurden, können
segmentspezifische Strategien entwickelt werden. In dieser ersten Phase der Wirkungskette
des CRM wird also zunächst eine Kundenbeziehungsstrategie entwickelt.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2004
- ISBN (eBook)
- 9783832487348
- ISBN (Paperback)
- 9783838687346
- DOI
- 10.3239/9783832487348
- Dateigröße
- 600 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt – Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
- Erscheinungsdatum
- 2005 (Mai)
- Note
- 2,0
- Schlagworte
- interessent lead management vertrieb verkaufsoptimierung