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Arbeiterklasse und Studiengebühren

©2003 Fachbuch 146 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Diese Arbeit versucht, eine Antwort zu geben auf die Frage, ob sich Studiengebühren auf die Sozialstruktur der Studierenden, auf die soziale Zusammensetzung der Studierenden an den deutschen Hochschulen auswirken könnten und in welcher Weise.
Insbesondere interessiert hierbei, welche Auswirkungen die Einführung einer allgemeinen Studiengebühr auf den Anteil der Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern, aus den unteren sozialen Schichten, auf den Anteil der Arbeiterkinder unter den Studierenden haben könnten.
Die empirische Grundlage der Überlegungen bilden dabei die seit 1952 regelmäßig durchgeführten Sozialerhebungen des DSW (Deutsches Studentenwerk), die in regelmäßigen Abständen eine Bestandsaufnahme zur wirtschaftlichen und sozialen Lage durchführen, sowie u. a. die Studie von Gänsfuß/Lehmann/Peek, die bereits Ende der 1990er Jahre, vor den PISA-Studien also, auf die sozialselektive Wirkung des dreigliedrigen Schulsystems hinwies.
Untersucht werden in dieser Arbeit u. a. die möglichen Zusammenhänge zwischen geringer Bildungsbeteiligung der Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern, Kindern aus unteren sozialen Schichten, Arbeiterkindern und den Entwicklungen des BAföG, der Erwerbstätigkeit der Studierenden, der frühzeitigen Auslese an den Grundschulen, selbst noch des Kindergartenbesuchs. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Untersuchungen wird die Frage nach den Auswirkungen, nach den möglichen sozialselektiven Wirkungen einer allgemeinen Studiengebühr gestellt, in Bezug auf verschiedene Gebührenmodelle.
Im einem abschließenden Fazit werden die Ergebnisse kritisch gewürdigt und das Problem der sozialen Selektion nicht allein auf die Einführung einer allgemeinen Studiengebühr reduziert Vielmehr wird auf den Gesamtzusammenhang des Bildungssystems verwiesen, eines Bildungssystems, dessen Funktion nicht in der Ausbildung der ihm anvertrauten sich erschöpft sondern darüber hinaus die Funktion einer sozialen Selektion unter dem Deckmantel formaler Gleichheit erfüllt.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
Gliederung
Vorwort1
1.Einleitung3
1.1Aufbau der Arbeit3
1.2Das Forschungsinteresse5
1.3Die Forschungsfrage6
1.4Die Forschungsmethode7
2.Die soziale und wirtschaftliche Lage der Studierenden im Verlauf10
2.1Die Entwicklung der Studierendenzahlen10
2.1.1Die Prognosen der Kultusministerkonferenz10
2.2Die tatsächliche Entwicklung der Studierendenzahl15
2.2.1Die soziale Zusammensetzung der Studierenden […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 9146
Maas, Patrick H. M.: Arbeiterklasse und Studiengebühren
Hamburg: Diplomica GmbH, 2005
Zugl.: Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Diplomarbeit, 2003
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2005
Printed in Germany

I
Gliederung
Vorwort
1
1.Einleitung
3
1.1
Aufbau der Arbeit 3
1.2
Das Forschungsinteresse 5
1.3
Die Forschungsfrage 6
1.4
Die Forschungsmethode 7
2.Die soziale und wirtschaftliche Lage der Studierenden im Verlauf
10
2.1 Die Entwicklung der Studierendenzahlen 10
2.1.1 Die Prognosen der Kultusministerkonferenz 10
2.2 Die tatsächliche Entwicklung der Studierendenzahl 15
2.2.1 Die soziale Zusammensetzung der Studierenden nach
erwerbsstatistischer Einteilung 16
2.2.2 Die soziale Zusammensetzung der Studierenden nach Schichtmodellen 18
2.2.2.1 Das Schichtenmodell I 18
2.2.2.2 Das Schichtenmodell II 19
2.3 Die Bildungsbeteiligungsquoten 23
2.3.1 Gründe für die geringe Bildungsbeteiligungsquote der Arbeiterkinder 25
Exkurs I: Der Kindergarten 26
Exkurs II. Der Besuch der Grundschule und die Empfehlung für eine
weiterführende Schule: Die Studie von Peek/Lehmann/Gänsfuß 28
Einzelne Testergebnisse 30
2.3.2 Weitere Gründe für die geringe Bildungsbeteiligung der Arbeiterkinder 36
2.3.3 Gründe für den Studienverzicht 38

II
2.4 Das BAföG 41
2.4.1 Die Entwicklung der Förderquote 43
2.4.2 Die Förderquote nach beruflicher Stellung des Vaters 45
2.4.3 Anteil der Geförderten aus den jeweiligen sozialen Schichten 47
2.4.4 Entwicklung der BAföG-Förderhöchstsätze 48
2.4.4.1 Entwicklung der Einkommen der Arbeiter 50
2.4.4.2 Entwicklung der Einkommen der Angestellten 51
2.4.4.3 Entwicklung der Verbraucherpreise
2.4.4.4 Entwicklung der BAföG-Förderhöchstsätze auf Indexbasis 52
2.4.4.5 BAföG-Förderhöchstsätze im Vergleich zur Entwicklung der
Einkommen und der Entwicklung der Verbraucherpreise 55
2.4.5 Die monatlichen Ausgaben der Studierenden 56
2.4.5.1 BAföG-Förderhöchstsätze und monatliche Ausgaben im Vergleich57
2.5 Die Erwerbstätigkeit der Studierenden 60
2.5.1 Erwerbstätigkeit der Studierenden um ihr Studium überwiegend durch
Werkarbeit zu finanzieren 62
2.5.2 Erwerbstätigkeit als einzige Einnahmequelle 63
2.6 Die Kommentare der Studierenden zu ihrer Studiensituation und den
Studienbedingungen 65
2.6.1 Studienabbruch aus finanziellen Gründen 72
2.7 Zusammenfassung des ersten Teils 73
3. Studiengebühren und Studiengebührenmodelle
75
3.1 Die Studiengebühren 75
3.1.1 Bildung als öffentliches Gut 78
3.1.2 Bildung als meritorisches Gut 80
3.1.3 Die externen Effekte 81

III
3.2 Die Gebührenfinanzierung der Hochschulen in verschiedenen Modellen 83
3.2.1 Das Modell von Kuna 84
3.2.2 Das Modell von Grüske 86
3.2.3 Das Studienbeitragsmodell 89
3.2.4 Das Konzept von Dohmen 93
3.2.5 Abschließende Übersicht der unterschiedlichen Modelle und Konzepte 97
4. Empirische Befunde und Gebührenmodelle ­ mögliche Auswirkungen der
Einführung von Studiengebühren auf die Sozialstruktur der Studierenden
100
4.1 Kriterien zur Untersuchung der Modelle 100
4.1.1 Fünf Bereiche als Prüfungskriterien 101
4.1.2 Begründung der Kriterien 101
4.2 Überprüfung der Modelle 103
4.2.1 Die Sozialstruktur der Studierendenschaft 103
4.2.2 Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der verschieden sozialen Schichten105
4.2.3 Ausbildungsförderung 106
4.2.4 Erwerbstätigkeit der Studierenden 107
4.2.5 Die Risikoaversion einkommensschwacher Schichten 108
4.3 Abschließender Vergleich der verschiedenen Modelle 108
4.3.1 Ergebnis 113
Exkurs III: Private Hochschulen und Sozialstruktur 115
5. Resümee
118
Literaturverzeichnis
127
Anhang
132

1
Vorwort
Der Titel dieser Arbeit, Arbeiterklasse und Studiengebühren, bedarf zunächst einer kurzen
Begriffsklärung, sofern es um den hier verwendeten Begriff der Arbeiterklasse geht.
Zunächst soll hier festgestellt werden, daß der Begriff der Arbeiterklasse nicht dem
Marxschen Begriff der Arbeiterklasse entspricht, Arbeiterklasse also nicht gleichbedeutend
ist mit der Masse eines frühkapitalistischen Industrieproletariats.
Der Begriff der Klasse, der Klassengesellschaft ist in der Soziologie ein vieldiskutierter und
die Meinungen darüber gehen weit auseinander. Die unterschiedlichen Meinungen und
Vorstellungen, sowie deren Entwicklungsgeschichte können im Rahmen eines Vorwortes
nicht umfassend wiedergegeben werden, es sei deshalb nur darauf verwiesen, daß es, stark
vereinfachend, die Thesen sich auflösender Milieus und stabiler Milieus gibt, welche sich
gegenüber stehen, wie Michael Vester in seinem Buch: Soziale Milieus im gesellschaftli-
chen Strukturwandel, dies konstatiert: ,,Dabei wird die zentrale These dieses Buches deut-
lich: Entgegen den Annahmen von Anthony Giddens und Ulrich Beck sind es nicht die Mi-
lieus, die heute zerfallen. Die Klassenkulturen des Alltags sind vielmehr, gerade wegen
ihrer Umstellungs- und Differenzierungsfähigkeit, außerordentlich stabil. Was erodiert,
sind die Hegemonien bestimmter Parteien (und Fraktionen der Intellektuellen) in den ge-
sellschaftspolitischen Lagern. Daher haben wir auch heute keine Krise der Milieus (als Fol-
ge des Wertewandels), sondern eine Krise der politischen Repräsentation (als Folge einer
zunehmenden Distanz zwischen Eliten und Milieus)."
1
Die Darstellung der unterschiedlichen Standpunkte zum Begriff der Klassengesellschaft ist
nicht Thema dieser Arbeit, auch soll hier nicht versucht werden, den Begriff der Arbeiter-
klasse neu zu definieren.
1
Vester u. a., Soziale Milieus im gesellschaftlichen Strukturwandel, S. 13.

2
In dieser Arbeit wird der Begriff der Arbeiterklasse verwendet als Oberbegriff für die in
den Sozialerhebungen des Deutschen Studentenwerks in unterschiedliche Gruppen einge-
teilten Individuen, die als Arbeiterkinder, als Angehörige der niedrigen sozialen Schicht,
als Kinder bildungsferner Elternhäuser, als Angehörige einkommensschwacher Schichten
klassifiziert werden.

3
1. Einleitung
Ziel dieser Arbeit ist es, die Forderung nach Studiengebühren einer Bestandsaufnahme em-
pirisch erhobener Daten zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Studierenden, insbe-
sondere der Arbeiterkinder, der Kinder aus bildungsfernen Schichten, der Kinder aus den
sozial niedrigen und mittleren Schichten, nachfolgend unter dem Begriff der Arbeiterklasse
subsumiert, gegenüberzustellen und der Frage nachzugehen, ob die Einführung von Studi-
engebühren zu einer Abnahme des Anteils der Arbeiterklasse unter den Studierenden füh-
ren könnte.
Weiteres Ziel dieser Arbeit ist es, zu untersuchen, inwiefern die Gründe für den geringen
Anteil der Arbeiterklasse unter den Studierenden nicht allein in den Bedingungen zu su-
chen sind, unter denen ein Hochschulstudium absolviert wird, sondern die Gründe hierfür
auch in einer sozialen Selektion liegen könnten, die bereits im Kindergarten ihren Anfang
nimmt und beim Übergang von der Grundschule in eine weiterführende Schule ihre Fort-
setzung findet.
Daraus folgt die zentrale These dieser Arbeit: Studiengebühren könnten zur sozialen Selek-
tion beitragen, doch werden sie keinen entscheidenden Beitrag leisten; sie werden das Sy-
stem der sozialen Selektion allenfalls erweitern.
1.1 Aufbau der Arbeit
Diese Arbeit gliedert sich in drei Teile, in diese Einleitung, einen Hauptteil und ein Resü-
mee; der Hauptteil selbst gliedert sich in wiederum drei Teile:
Zunächst wird die Sozialstruktur der Studierenden, ihre wirtschaftliche und soziale Lage,
die Wirkungen des Bafög, die Erwerbstätigkeit der Studierenden dargelegt, und zwar in
ihrem Verlauf, wobei empirische Daten Verwendung finden, die zum Teil bis in das Jahr
1952 zurück reichen. Hierbei wird auf die seit 1951 durchgeführten Sozialerhebungen des

4
Deutschen Studentenwerks, im weiteren Verlauf der Arbeit kurz DSW, rekurriert, die bis-
lang 16 mal durchgeführt wurden, zuletzt im Jahr 2000. Eingebettet in Form zweier Exkur-
se sind dabei die Bedeutung eines Kindergartenbesuchs sowie eine Untersuchung von allen
Hamburger Fünftklässlern, die 1996 durchgeführt wurde und auf die soziale Diskriminie-
rung beim Übergang in eine weiterführende Schule hinweist.
Nach einer kurzen Zusammenfassung der Untersuchung der empirisch erhobenen Daten zur
Entwicklung der sozialen und wirtschaftlichen Lage der Studierenden folgt in einem zwei-
ten Teil die Beschäftigung mit den Studiengebühren, d. h. eine Darlegung der Begründun-
gen für eine Studiengebühr und im Anschluß daran die Vorstellung verschiedener Modelle
der Studiengebühren.
Im dritten Teil dieses Hauptteils soll dann versucht werden, anhand zu diesem Zweck ent-
wickelter Kriterien die unterschiedlichen Gebührenmodelle in Beziehung zu setzen zu den
empirischen Daten zur Sozialstruktur, dahingehend, daß die Gebührenmodelle daraufhin
untersucht werden, ob und inwieweit die empirischen Befunde zur Sozialstruktur, ihr Ver-
lauf und ihre Bedingungen in den theoretischen Modellen ihren Niederschlag finden und
insofern mehr oder weniger die Möglichkeit beinhalten, zu Veränderungen in der Sozial-
struktur der Studierenden zu führen, insbesondere eine geringere Beteiligung der Arbeiter-
klasse an einem Hochschulstudium zur Folge haben könnten.

5
1.2 Das Forschungsinteresse
Ausgangspunkt dieser Arbeit sind die sich zunehmend abzeichnenden Verschärfungen der
Studienbedingungen, denen sich Studierenden ebenso wie die Lehrenden gegenüber sehen.
Unter den verschiedenen Aspekten, die dabei eine Rolle spielen, seien im folgenden einige
kurz skizziert.
·
stetige Zunahme der Erstimmatrikulationen bei gleichzeitiger Begrenzung der den
Hochschulen zur Verfügung stehenden Finanzmitteln, woraus eine räumliche, perso-
nelle und organisatorische Unterversorgung aller Studierenden folgt, sowie eine Über-
lastung der Professorenschaft und des wissenschaftlichen Mittel- und Unterbaus, was
wiederum zu Stress, Frustration und Desillusionierung auf beiden Seiten führt;
·
Beschränkung der Zulassungsvoraussetzungen zu verschiedenen Studiengängen (Nu-
merus Clausus); ein sich schneller wandelnder Bedarf von Fach- Führungs- und Spe-
zialkräften in Industrie und Wirtschaft, geschuldet dem rasanten Tempo wissenschaftli-
chen und vor allen Dingen technologischen Fortschrittes, dem eine bürokratisierte Lehr-
und Lerninstitution, wie die deutsche Hochschullandschaft sie darstellt, kaum noch fol-
gen kann und deren Reformen so lange den Weg durch die Instanzen gehen müssen, bis
die Anforderungen sich schon wieder zu ändern (etwa im IT-Bereich);
·
eine scheinbar immer schlechter werdende Grundausbildung an den zur Hochschulreife
führenden Schulen - siehe Pisa - Studie -, welche die Studienzeiten verlängern, da unter
Umständen wesentliche Bedingungen zur erfolgreichen Bewältigung eines Studiums
während des Studiums nachgeholt werden müssen;
·
die Abwanderung wissenschaftlichen Nachwuchses ins Ausland, da dort bessere Lehr-
und vor allem Forschungsbedingungen herrschen;

6
·
endlich auch die zunehmenden finanziellen Schwierigkeiten, vor die sich die Kinder der
Unter- , zusehends aber auch der Mittelschicht gestellt sehen, wie zum Beispiel kaum
vorhandener bezahlbarer privater Wohnraum, enormer Konkurrenzdruck bei der Be-
werbung um einen Platz in einem Studentenwohnheim, eine größer werdende Konkur-
renz auch auf dem Arbeitsmarkt für diejenigen, die sich ihr Studium durch Jobs finan-
zieren oder mit finanzieren (müssen), sowie die zu erwartenden Studiengebühren.
Da es im Rahmen einer Diplomarbeit nicht möglich ist, alle diese und noch weitere, hier
nicht genannte Aspekte in einer dem Thema angemessenen, wissenschaftlichen und somit
auch detaillierten Art und Weise zu würdigen, wird in dieser Arbeit nur einer der Aspekte
einer genaueren Analyse zu unterzogen: der letztgenannten Aspekt, die soziale und wirt-
schaftliche Lage der Studierenden, die Studiengebühren bzw. die Überlegungen zur Einfüh-
rung von Studiengebühren, sowie die damit verbundenen möglichen Auswirkungen auf die
Sozialstruktur der Studierenden, auf den Anteil der Kinder der Arbeiterklasse unter den
Studierenden.
1.3 Die Forschungsfrage
Die sich aus der Herleitung und Begründung des Forschungsinteresses ableitende For-
schungsfrage lautet: Welche Auswirkungen könnte die Einführung von Studiengebühren
auf die Sozialstruktur der Studierenden haben, insbesondere auf den Anteil der Arbeiter-
kinder unter den Studierenden?

7
1.4 Die Forschungsmethode
Um der Frage nachzugehen, welche Auswirkungen die Einführung von Studiengebühren
auf die Sozialstruktur der Studierenden haben könnten, insbesondere inwieweit Arbeiter-
kinder, Kinder aus niedrigen sozialen Schichten, Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern
durch die Einführung von Studiengebühren benachteiligt werden könnten, wird in dieser
Arbeit zunächst die Entwicklung der Sozialstruktur der Studierenden im Verlauf dargestellt
und sodann die Argumentation der Bildungsökonomie sowie verschiedenen Modelle zur
Einführung von Studiengebühren abgebildet. In einem abschließenden Vergleich von Theo-
rie und Empirie sollen dann Aussagen ermöglicht werden über die Auswirkungen von Stu-
diengebühren auf die Sozialstruktur.
Die Darstellung der Entwicklung der Sozialstruktur auf der Grundlage der Sozialerhebun-
gen des Deutschen Studentenwerks
Um die Entwicklung der Sozialstruktur der Studierenden im Verlauf darzulegen, wurden in
dieser Arbeit die vom Deutschen Studentenwerk erhobenen Daten verwendet. Das Deut-
sche Studentenwerk führt die Erhebungen zur Sozialstruktur der Studierenden seit 1951
durch, bislang sind 16 dieser Sozialerhebungen veröffentlicht worden, zuletzt im Jahr 2001.
Es sind dies die einzigen umfassenden und über einen langen Zeitraum durchgeführten Er-
hebungen zur sozialen und wirtschaftlichen Lage der Studierenden in der Bundesrepublik
Deutschland: ,,Mit der Untersuchung hat das Deutsche Studentenwerk bereits 1951 begon-
nen und damit eine national wie international einzigartige Langzeituntersuchung initiiert.
Die mittlerweile in regelmäßigen Abständen von drei Jahren durchgeführten Sozialerhe-
bungen sind so zur umfassendsten Darstellung der sozialen und wirtschaftlichen Lebensbe-
dingungen der Studierenden geworden."
2
Die Sozialerhebungen erschienen erstmals 1952, der erste Band war ein Werk von 114
Seiten. Im Laufe der Jahre wurden die Erhebungen immer umfangreicher, den bisherigen
2
Schnitzer u. a., Das soziale Bild(1998), S. III.

8
Höhepunkt bildet die Sozialerhebung aus dem Jahr 1986 mit 735 Seiten, die aktuelle Aus-
gabe kommt auf 499 Seiten.
Da die Zahlen zur Anzahl der Studierenden, sowie der Studienanfänger, die in den So-
zialerhebungen genannt werden, von Zahlen anderer statistischer Erhebungen zum Teil
abweichen, da unterschiedliche Verfahren zur Datenerhebung angewandt wurden, wird in
dieser Arbeit alleine auf die Daten aus den Sozialerhebungen des Deutschen Studenten-
werks zurückgegriffen. Die Daten der Sozialerhebungen bieten den großen Vorteil, eine
Vielzahl von Daten in ihrem zeitlichen Verlauf darzustellen, was die Sozialerhebungen in
der Tat einzigartig macht, weshalb die Sozialerhebungen zur Grundlage des ersten Teils der
Arbeit, der Darstellung der Entwicklung der Sozialstruktur der Studierenden gemacht wur-
de.
Die Studiengebühren
Die Darstellungen der Studiengebühren beschränken sich nicht alleine darauf, ein oder zwei
Modelle zur Finanzierung der Hochschulen durch die Studierenden zu behandeln, vielmehr
wird zunächst darauf eingegangen, worin die Grundannahmen für die Einführung von Stu-
diengebühren liegen.
Zu diesem Zweck soll versucht werden, die wesentlichen Grundannahmen, welche die Bil-
dungsökonomen als Voraussetzung für die Gebührenfähigkeit einer Finanzierung wenig-
stens der Kosten der Lehre durch die Studierenden angeben, kurz und übersichtlich heraus-
zuarbeiten.
Danach folgt eine Übersicht verschiedener Modelle zur Gebührenfinanzierung der Hoch-
schulen, wobei die Auswahl so getroffen wurde, daß die unterschiedlichsten Vorstellungen
einer solchen Gebührenfinanzierung dargestellt werden. Von einer reinen Studiengebühr
bis zu einem integrierten Modell, das zugleich eine Reform der Ausbildungsförderung mit

9
einem überwiegenden Zuschußanteil enthält, soll, soweit dies im Rahmen dieser Arbeit
möglich ist, die Bandbreite verschiedener Gebührenmodelle abgedeckt werden.
Schließlich werden Kriterien entwickelt, um die verschiedenen Modelle untereinander als
auch in bezug auf die Entwicklungen der Sozialstruktur der Studierenden vergleichen zu
können. Am Ende dieses Vergleiches steht dann ein Ergebnis, welches auf die möglichen
Veränderungen der Sozialstruktur aufgrund der Einführung von Studiengebühren eingeht.
Formales
Zitate sind in Anführungszeichen gesetzt und mit einer Fußnote versehen, welche die
Quellen in Kurzform angeben, die sich im Literaturverzeichnis und im Anhang finden.
Hervorhebungen in den Zitaten sind Hervorhebungen im Original, keine Hervorhebungen
des Verfassers dieser Arbeit. Die Grafiken entstanden durch das Zusammentragen von Da-
ten aus verschiedenen Quellen, die jeweils angegeben sind. Schwarzweiße Darstellungen
mit Überschriften wie: Bild 2.1 z. B., wurden von Originalvorlagen eingescannt, deren
Quellen ebenfalls angegeben sind.

10
2. Die soziale und wirtschaftliche Lage der Studierenden im zeitlichen Verlauf
Wie sich die Situation der Studierenden insgesamt, der Arbeiterkinder im besonderen dar-
stellt, wie sich der bisherige Entwicklungsverlauf der Studierendenzahlen, ihrer sozialen
Zusammensetzung, der Erwerbstätigkeit unter den Studierenden, sowie der Förderquote
nach dem BAföG im Verlauf der letzten Jahre, Jahrzehnte präsentiert, das soll nun im fol-
genden aufgezeigt werden.
2.1. Die Entwicklung der Studierendenzahlen
Seit Beginn der Sozialerhebungen des Deutschen Studentenwerkes, im weiteren DSW ab-
gekürzt, seit 1951 hat sich die Zahl der Studierenden an deutschen Hoch- und Fachhoch-
schulen um ein vielfaches erhöht, seit 1970 sind die Zahlen steil angestiegen, von 482.000
auf 1.765 Millionen Studierende im Jahre 2000, wie die Grafik 1 auf Seite 15 zeigt.
Von 1988 bis 1990 stagnierte die Zahl bei knapp 1.5 Millionen, um dann bis 1995 bis auf
1.8 Millionen weiter anzusteigen. Seither ist ein leichter Rückgang der Studierendenzahlen
zu beobachten.
2.1.1 Die Prognosen der Kultusministerkonferenz
Wenn man dieser tatsächlichen Entwicklung einmal die Prognose der KMK aus dem Jahre
1985 gegenüberstellt, wird zumindest zum Teil erklärlich, weshalb die Hochschulen mit
den Schwierigkeiten zu kämpfen haben, die heute vor allen Dingen an den Massenuniver-
sitäten wie der Johann-Wolfgang-von-Goethe-Universtät die Lehr- und Lernbedingungen
gleichermaßen erschweren.
Die KMK ging damals davon aus, ,,daß sinkende Studienanfängerzahlen, wiederum bedingt
durch die sinkende Stuudierneigung sowie mittel- bis langfristig durch geburtenschwächere

11
Abiturientenjahrgänge, nicht so schnell und nicht so krass ihren Niederschlag in sinkenden
Studentenzahlen finden werden."
3
Insgesamt ging die KMK jedoch von zukünftig sinkenden Studentenzahlen aus, die Frage
für die KMK war lediglich, wann dieses Absinken deutlich sichtbar werde, und wie stark
sich der Abwärtstrend entwickeln würde. Zu diesem Zweck entwickelte die KMK eine
Prognose, die mit drei unterschiedlichen Übergangsquoten operierte.
Die damals erstellte Prognose ging zunächst einmal davon aus, ,,daß der bisher für 1985
prognostizierte ,,Höhepunkt des Abiturientenbergs" bereits 1983 erreicht worden ist. . . .
Zusätzlich verstärkt wird diese Beeinflussung der Hochschulprognose durch die abneh-
mende Studierneigung bei den Studienberechtigten. . . . Da die quantitativen Auswirkungen
von Veränderungen der Studierneigung sehr nachhaltig, aber im voraus schwer kalkulierbar
sind, hat die KMK diesem Tatbestand Rechnung getragen, indem sie drei verschiedene
Übergansquoten in ihrem Modell berücksichtigt (Bild 2.10)."
4
Wie auf dem Bild 2.10 auf der nächsten Seite zu sehen ist, sind die Prognosen der KMK
davon ausgegangen, daß sich die Zahl der Studienberechtigten sowie der Studienanfänger
bis zum Jahre 2000 deutlich verringern würden, Grundlage dieser Überlegungen war die
Abnahme der geburtenstarken Jahrgänge einerseits sowie die Einschätzung, die Studiernei-
gung lasse generell nach andererseits.
3
Isserstedt u. a.,(1986), Das soziale Bild, S. 81.
4
Isserstedt u. a.,(1986), Das soziale Bild, S. 81.

12
Die Prognose der KMK von 1985: Bild 2.10
5
Aufrund ihrer Berechnungen prognostizierte die KMK 1985 darüber hinaus, daß die Stu-
dentenbestandszahl bis zum Jahre 2000 ebenfalls drastisch zurückgehen würde. Auch bei
diesen Berechnungen kamen drei Varianten zum Tragen, aus denen sich ergibt, daß die
Studentenbestandszahlen für das Jahr 2000 auf unter 1Million bis unter 800.000 vorherge-
sagt werden:
5
Isserstedt u. a. (1986), Das soziale Bild, S. 81.

13
,,Unter der Prämisse einer drastischen Verkürzung der durchschnittlichen Verweildauer und
einer stark sinkenden Studierneigung (60% Übergangsquote) wäre der Studentenbestand
schon ab 1984 abnehmend (Bild 2.11, Variante I). Unter der Prämisse einer realistischeren
Verkürzung der Verweilzeiten (KMK-Entwurf, S. 40) und einer höheren Übergangsquote
(80%) prognostiziert die KMK den Gipfel des Studentenberges für 1988 mit insgesamt
1.490.000 Studenten (Bild 2.11, Variante III). Danach würde der Studentenbestand erst
1998 unter die Millionengrenze zurückgehen. Bei ebenso langen Verweilzeiten, aber einer
geringeren Übergangsquote von nur 70% wäre der Höhepunkt der Entwicklung 1987 mit
1.390.000 Studenten erreicht. Danach wäre 1996 die Millionengrenze unterschritten und für
das Jahr 2000 ein Bestand von 841.000 Studenten vorhersagbar (Bild 2.11, Variante III)."
6
Bild 2.11: Prognose der Studentenbestandszahlen von 1985
6
Isserstedt u. a. (1986), Das soziale Bild, S. 83f, Bild 2.11: S. 84.

14
Geht man davon aus, daß diese Prognosen zur Grundlage der weiteren Finanzierungspla-
nungen für den Hochschulbereich herangezogen worden sind, so verwundert es nicht wei-
ter, daß die Hochschulen unter einer immer weiter fortschreitenden Unterfinanzierung zu
leiden hatten, und die Probleme, die mit den hohen Studentenzahlen verbunden waren, also
N.C., personelle und räumliche Unterversorgung, daraus resultierend übervolle Hörsäle und
völlig überlastete Professorinnen und Professoren, wissenschaftliche und hilfswissen-
schaftliche Mitarbeiter/innen, Tutorinnen, Tutoren und Bibliothekspersonal, alleine schon
deshalb nicht in Angriff genommen wurden, da man davon ausging, vielmehr, da die KMK
davon ausging, die Studentenflut ebbe ohnehin bald wieder ab, so daß es sich nur um ein
temporäres Problem handeln konnte, das sich mit der Zeit von selbst lösen würde.
Die KMK hatte sich jedoch gründlich verprognostiziert, die Studentenbestandszahl liegt gut
und gerne doppelt so hoch, wie 1985 vorhergesagt, die tatsächliche Entwicklung der Stu-
dentenzahlen seit 1970 ist der Grafik 1 auf der nächsten Seite zu entnehmen.

15
2.2 Die tatsächliche Entwicklung der Studierendenzahl
Grafik 1: Entwicklung der Studierendenzahl 1970 ­ 2000
7
Der große Unterschied zwischen der Prognose von 1985 und dem tatsächlichen Verlauf der
Entwicklung ist vor allem dem Umstand geschuldet, daß die KMK die Studierneigung völ-
lig falsch einschätzte, und ihre Prognose vor allen Dingen auf der demographischen Kom-
ponente basierte, ein schwerer Trugschluß, wie es in der 15. Sozialerhebung des DSW
heißt: ,,Der Anstieg der tatsächlichen Studienanfängerzahlen erklärt sich aus anderen Ef-
7
Quellen: div. Sozialerhebungen des DSW; bis ´85: Isserstedt u. a. (1986), Das soziale Bild, S. 71, nur deut-
sche Stud.; ´88: Schnitzer u. a. (1989), Das sozale Bild, S. 64, deutsche u. ausl. Stud.; ´90: Schnitzer u. a.,
(1992), Das soziale Bild, S. 66, nur deutsche Stud.; ´93: Schnitzer u. a.,(1995), Das soziale Bild, S. 44, deut-
sche u. ausl. Stud.; ´95, ´96: Schnitzer u. a.,(1998), Das soziale Bild, deutsche u. ausl. Stud.; 2000: Schnitzer
u. a. (2001), Diewirtschaftliche und soziale Lage, S. 42, deutsche u. ausl. Studierende. Gesamtzahlen für
Hoch- und Fachhochschulen.
Studierendenzahl
482
565
686
827
927
1137
1267
1470
1500
1800
1807
1793
1765
0
200
400
600
800
1.000
1.200
1.400
1.600
1.800
2.000
1970
1971
1973
1976
1979
1982
1985
1988
1990
1993
1995
1996
2000
Studierendenzahl in
TSD
Studierendenzahl

16
fekten, die unter dem Begriff ,,soziale Komponente" zusammengefaßt werden können (Er-
höhung der Studierneigung, Übergang aus beruflicher Bildung und Erwerbstätigkeit).
Der Umfang dieser ,,sozialen Komponente" wurde in den Vorausschätzungen der Bildungs-
forscher und -politiker unterschätzt. Die Vorstellung, daß der ,,Bildungsberg" durch die
geburtenschwachen Jahrgänge der letzten 15 Jahre abgebaut werden könne, bestätigte sich
nicht, da gleichzeitig die Bildungsbeteiligung zunahm(. . . )."
8
2.2.1. Die soziale Zusammensetzung der Studierenden nach erwerbsstatistischer Einteilung
Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat nicht nur die Zahl der Studierenden zugenommen, son-
dern auch ihre soziale Zusammensetzung hat sich verändert, der Anteil der Arbeiterkinder
hat sich dabei wesentlich erhöht, wie Grafik 2 auf der folgenden Seite zeigt, und zwar ganz
enorm in der Zeit von etwa Ende der 1960er Jahre bis etwa Mitte der 1980er Jahre des 20.
Jahrhunderts von anfangs 7% auf dann 17%. Auf diese starke Zunahme der Arbeiterkinder
unter den Studierenden in diesem Zeitraum wird später im Zusammenhang mit dem BAföG
noch näher eingegangen. Zunächst bleibt jedoch festzustellen, daß der Anteil der Arbeiter-
kinder seither stagniert, seit etwa 20 Jahren nunmehr.
Interessant ist hier jedoch zugleich, daß der Anteil der Angestelltenkinder ebenfalls deutlich
zugenommen hat, ihr Anteil unter den Studierenden stieg zunächst von 1951/52 bis
1967/68 von 23% auf 31%, um danach kontinuierlich bis auf 44% im Jahre 1994 anzustei-
gen und liegt aktuell bei 42%.
Völlig anders hingegen die Situation bei den Kindern von Beamten und Selbständigen, lag
deren Anteil 1951/52 noch bei 38% bzw. 34%, so fiel dieser Anteil kontinuierlich auf aktu-
ell je 20%.
8
Schnitzer u. a.(1998), Das soziale Bild, S. 41ff.

17
Die Kinder der Angestellten stellen die mit Abstand größte soziale Gruppe unter den Stu-
dierenden und können als die Gewinner der Bildungsreformen, die Ende der Sechziger Jah-
re durchgeführt wurden, gelten, zumindest was ihre Präsenz an den Hochschulen betrifft.
Grafik 2: Die Sozialstruktur der Studierenden im Verlauf
9
1 8
4 2
2 0
0
5
1 0
1 5
2 0
2 5
3 0
3 5
4 0
4 5
WS
5 2 / 5 3
SS 63
WS
6 7 / 6 8
SS 73
` 7 6
` 7 9
` 8 2
` 8 5
` 8 8
` 9 1
` 9 4
` 9 7
2 0 0 0
Anteil in %
Arbeiter
Angestellte
Beamte
Selbständige
9
Quelle: diverse Sozialerhebungen des DSW; bis `73: Kath u. a.,(1974), Das soziale Bild, S. 28; für `76: Kath
u. a.,(1978), Das soziale Bild, S. 28, keine Daten mit Ausnahme der Arbeiter ; `79 und ´82: Schnitzer u. a.,
(1983), Das soziale Bild, S. 30; bis ´91: Schnitzer u. a.,(1992), Das soziale Bild, S. 94; `94: Schnitzer u. a.,
(1995), Das soziale Bild, S. 48; bis 2000: Schnitzer u. a., (2001), Die wirtschaftliche Lage, S. 122. Jeweils
Beruf des Vaters.

18
2.2.2 Die soziale Zusammensetzung der Studierenden nach Schichtenmodellen
Eine andere Möglichkeit, die soziale Zusammensetzung der Studierenden zu erfassen, ist
die Einordnung in ein Schichtenmodell. Bis zur 10. Sozialerhebung(1983) wurde dabei ein
Schichtenmodell zugrunde gelegt, das fünf Schichten unterschied.
2.2.2.1 Das Schichtenmodell 1
,,1. Untere Unterschicht: angelernte Arbeiter und ungelernte Arbeiter
2. Obere Unterschicht: Werkmeister, Facharbeiter, nicht selbständige Handwerker
3. Selbständige Landwirte: alle selbständigen Landwirte mit und ohne Hochschulausbil-
dung
4. Untere Mittelschicht: Militärberufen, Beamte des einfachen und mittleren Dienstes,
Nichtleitende Angestellte (außer Werkmeister) ohne Hochschulausbildung, Lehrer ohne
Hochschulausbildung, selbständige Handels- und Gewerbetreibende außer Fabrikanten und
Großhändler
5. Obere Mittelschicht: alle Beamte, Richter, Angestellte, Angehörige freier Berufe mit
Hochschulausbildung, Beamte des gehobenen und höheren Dienstes ohne Hochschulaus-
bildung, leitende Angestellte ohne Hochschulausbildung, Fabrikanten, Großhändler"
10
Was dieses aus den 1950er Jahren stammende Schichtenmodell nach M. Janowitz angeht,
so bemerken die Autoren der Sozialerhebung: ,, Sie
[
die soziale Schichtung
]
wird anhand
eines Schichtenmodells gewonnen, wofür wegen der erwünschten Vergleichbarkeit wieder
wie 1968 das Modell von Janowitz dient", und in der dazugehörigen Fußnote heißt es: ,, . . .
Es ließen sich ebenso Modelle benutzen, die Bauer,
10
Kath u. a., (1974), Das soziale Bild, S. 31.

19
Rosenmayer, Daheim, Carlsson, Scheuch u. a. anwenden, doch geht es hier nicht um das
Problem der Zuordnung, sondern um den Vergleich mit früheren Jahren."
11
2.2.2.2 Das Schichtenmodell II
Ab der 10. Sozialerhebung (1983) wird dieses Schichtenmodell abgelöst durch ein neues
Modell, ,,Entsprechend der ZUMA-Standarddemographie wurden Angestellte, Beamte und
Selbständige nach drei Hierarchiestufen differenziert. Damit wird es möglich, die Berufe
der Väter in ein Konzept hierarchisch geordneter sozialer Positionen einzuordnen, wie es
auch den häufig verwendeten Schichtenmodellen zugrundeliegt.", weil aber die Studenten
zu wenig über die Berufe der Eltern wissen, wird die Schulbildung der Eltern ,, . . .als Kor-
rekturfaktor zu den Angaben zur beruflichen Stellung herangezogen . . .", abschließend
wird darauf hingewiesen, ,,daß die so gebildeten sozialen Herkunftsgruppen sich nicht mit
den sonst in den Sozialwissenschaften verwendeten Schichteinteilungen vergleichen las-
sen", und zwar aus folgendem Grund: ,,Die dort übliche Einteilung in Unter-, Mittel- und
Oberschicht hätte bei den Eltern der Studenten zu einer sehr starken Häufung in der oberen
Mittelschicht und zu nur sehr geringen Anteilswerten in der Unterschicht geführt( . . . )"
12
Hier wird plötzlich genau das zum Problem, was zuvor keines war: die Zuordnung der Stu-
dierenden in ein Schichtenmodell. Die Vergleichbarkeit, die bis zur 10. Sozialerhebung im
Vordergrund stand, spielt dagegen keine Rolle mehr. Ob dieser Sinneswandel damit zu-
sammenhängt, daß diese 10. Sozialerhebung erstmals von Schnitzer u. a. durchgeführt wur-
de, erstmals von der Hochschul-Informations-System GmbH(HIS) und nicht wie bisher
durch das Studentenwerk selbst, ob es vielleicht dem Umstand geschuldet ist, daß die da-
malige neu ins Amt gewählte konservativ-liberale Regierung das unschöne Bild der sozia-
len Schichtung nicht ertrug, das alles bleibt Spekulation; indes es wundert schon, zu welch
schönem Ergebnis diese Umstellung führte.
11
Kath u. a., (1974), Das soziale Bild, S. 31.
12
Schnitzer u. a., (1983), Das soziale Bild, S. 31.

20
Das neue Schichtenmodell ,,soll ein speziell auf die Sozialstruktur der Studenten bezogenes
Kontinuum beruflicher Positionen der Eltern widerspiegeln"
13
, was allerdings zu Lasten der
Vergleichbarkeit geht, darüber hinaus jedoch den Effekt erzielt, die soziale Schichtung nun
als relativ ausgeglichen erscheinen zu lassen, wie die Grafiken 3 und 4 recht anschaulich
zeigen.
Das neue Schichtenmodell differenziert wie folgt:
·
,,niedrige Herkunftsgruppe: Arbeiter, einfache Angestellte und Beamte des einfachen
und mittleren Dienstes;
·
mittlere Herkunftsgruppe: Qualifizierte Angestellte und Beamte des gehobenen Dien-
stes ohne Hochschulausbildung sowie kleine Selbständige ohne Hochschulausbildung;
·
gehobene Herkunftsgruppe: Qualifizierte Angestellte und Beamte des gehobenen Dien-
stes mit Hochschulausbildung, hohe Angestellte und Beamte des höheren Dienstes ohne
Hochschulbildung, kleine Selbständige mit Hochschulbildung, mittlere Selbständige
ohne Hochschulbildung;
·
hohe Herkunftsgruppe: Hohe Angestellte und Beamte mit Hochschulbildung, mittlere
Selbständige mit Hochschulbildung, große Selbständige."
14
Durch die Neuordnung des Schichtenmodells ergab sich eine deutliche Steigerung des An-
teils der Studierenden der niedrigen Herkunftsgruppe, während der Anteil der gehobenen
und hohen Herkunftsgruppe ebenso deutlich zurückging - vorübergehend, wie die Grafiken
auf der folgenden Seite aufzeigen.
13
Schnitzer u. a., (1983), Das soziale Bild, S. 33.
14
Schnitzer u. a., (1983), Das soziale Bild, S. 33f.

21
Grafik 3: Soziale Schichtung I bis 1979, Anteile in %
15
Soziale Schichtung 1
0 , 4
2 , 7
2 , 5
5 , 3
2 , 5
4 , 8
5 , 2
5 , 3
8 , 2
9 , 4
4 , 5
3 , 3
3 , 8
3 , 6
3 9
2 9 , 1
2 5 , 4
2 4 , 5
5 0 , 8
5 7 , 1
5 5 , 3
5 4 , 6
2 , 7
0
1 0
2 0
3 0
4 0
5 0
6 0
WS 51/52
WS 67/68
SS 73
`76
S e m e s t e r / J a h r
Anteile in %
nicht einstufbar
u. Unterschicht
o. Unterschicht
selbständiger
Landwirt
u. Mittelschicht
o. Mittelschicht
Grafik 4: Soziale Schichtung II ab 1982, Anteile in %
16
Soziale Schichtung 2
2 3
2 1
1 8
1 5
1 4
1 4
1 3
3 4
3 2
3 3
2 8
2 8
2 9
2 8
2 6
2 6
2 6
3 1
3 1
2 7
2 6
1 7
2 2
2 3
2 6
2 7
3 1
3 3
0
5
1 0
1 5
2 0
2 5
3 0
3 5
4 0
` 8 2
` 8 5
` 8 8
` 9 1
` 9 4
` 9 7
2 0 0 0
J a h r
Anteile in %
niedrig
m i t t e l
gehoben
hoch
15
Kath u. a., (1974), Das soziale Bild, S. 31; Kath u. a.,(1976): Das soziale Bild, S. 30.
16
Schnitzer u. a., (2001), Die wirtschaftliche und soziale Lage, S. 109.

22
Nachdem ab 1982 zunächst die niedrige und mittlere Herkunftsgruppe den größten Anteil
der Studierenden stellt, ändert sich dieses Bild im Laufe der nächsten knapp 20 Jahre doch
wieder dahingehend, daß die hohe und gehobene Herkunftsgruppe den größeren Anteil der
Studierenden stellt, die großen Verlierer sind hier die Studierenden der niedrigen Her-
kunftsgruppe, während die mittlere Herkunftsgruppe zwar Einbußen hinnehmen mußte,
sich insgesamt aber behaupten konnte. Interessant in diesem Zusammenhang die Tatsache,
daß sich der Anteil aus der hohen Herkunftsgruppe fast verdoppelt hat, während der Anteil
der niedrigen Herkunftsgruppe sich beinahe halbierte.
Der Anteil der Arbeiterkinder, bzw. der Anteil der niedrigen Herkunftsgruppe, der, gemes-
sen an der Gesamtheit der Studierenden, aber auch gemessen an der jeweils gleichaltrigen
Bezugsgruppe in der Gesamtbevölkerung auf niedrigem Niveau verharrt, ist vorrangig auf
die relativ geringe Bildungsbeteiligungsquote dieser Schichten zurückzuführen, wie aus der
Grafik 5 hervorgeht, die auf der folgenden Seite abgebildet ist.
Die Bildungsbeiteiligungsquote gibt den Anteil an je 100 Personen aus der jeweiligen Be-
zugsgruppe wieder: von 100 Arbeiterkindern gelangen z. B. nur 12 im Jahr 2000 an Hoch-
und Fachhochschulen.

23
2.3 Die Bildungsbeteiligungsquoten
Grafik 5: Bildungsbeteiligungsquoten im zeitlichen Verlauf, Anteile in % der gleichaltrigen
Bezugsgruppen in der Gesamtbevölkerung
17
Die Tatsache, daß der Anteil der Arbeiterkinder überhaupt die 10%-Marke überschreitet, ist
vor allem darauf zurückzuführen, daß ein etwa gleich großer Anteil die wissenschaftlichen
Hochschulen besucht wie die Fachhochschulen, schaut man sich hingegen nur die Ent-
wicklung der wissenschaftlichen Hochschulen an, so zeigt sich folgendes Bild auf der
nächsten Seite, die Grafik 6.
17
Quelle: div. Sozialerhebungen des DSW; bis 1984: Schnitzer u. a., (1986), Das soziale BildS. 103; bis
1996: Schnitzer u. a., (1998), Das soziale Bild, S. 79; bis 2000: Schnitzer u. a., (2001), Die wirtschaftliche
und soziale Lage S. 98.
Studienbeteiligung
an HS und FH
1 2
3 9
6 1
7 2
0
1 0
2 0
3 0
4 0
5 0
6 0
7 0
8 0
1979
1981
1983
1985
1987
1989
1991
1993
1995
1998
Anteil in % der
Bezugsgruppe
Arbeiter
Angestellte
Beamte
Selbständige

24
Grafik 6: Bildungsbeteiligungsquote in % der gleichaltrigen Bezugsgruppen in der Ge-
samtbevölkerung
18
Wie aus der Grafik hervorgeht, konnten sowohl die Beamten als auch die Selbständigen
ihre Bildungsbeteiligungsquote deutlich erhöhen, während die Angestellten ihre Bildungs-
beteiligungsquote halten konnte und die Arbeiter ihre Bildungsbeteiligungsquote von 4%
auf 7% steigern konnten in den letzten 20 Jahren. Die nächste höhere Bildungsbeteili-
gungsquote, die der Angestellten, übertrifft die der Arbeiter um fast das vierfache, die der
Selbständigen gar um das mehr als 7,5fache.
18
Quelle: div. Sozialerhebungen des DSW; bis 1984: Schnitzer u. a., (1986), Das soziale Bild, S. 103; bis
1996: Schnitzer u. a., (1998), Das soziale Bild, S. 79; bis 2000: Schnitzer u. a., (2001), Die wirtschaftliche
und soziale Lage S. 98.
Studienbeteiligung
an HS
7
2 6
4 1
5 3
0
1 0
2 0
3 0
4 0
5 0
6 0
1979
1981
1983
1985
1987
1989
1991
1993
1995
1998
Anteil in % der
B e z u g s g r u p p e
A r b e i t e r
Angsestellte
Selbständige
Beamte

25
2.3.1 Gründe für die geringe Bildungsbeteiligungsquote der Arbeiterkinder
Wie kommt es zu der geringen Bildungsbeteiligungsquote der Arbeiterkinder, worin liegen
die Gründe hierfür?
Die Gründe für die konstant geringe Bildungsbeteiligungsquote sind vielfältig, einer der
Gründe dürfte darin liegen, daß schon vor der Einschulung wichtige Weichen gestellt wer-
den, wenn die Entscheidung getroffen wird, ob das Kind einen Kindergarten besucht oder
nicht, was häufig eine finanzielle Frage ist, eine Frage, die einkommensschwächere Famili-
en in stärkerem Maße betrifft, als Familien mit einem höheren Einkommen.
Ein anderer Grund dürfte in der frühzeitigen Auslese, der frühzeitigen sozialen Auslese an
den Grundschulen liegen.
In den Grundschulen werden ab dem vierten Schuljahr die Empfehlungen für die weiterfüh-
renden Schulen von den Lehrern ausgesprochen, an welchen sich die Eltern orientieren,
bevor sie sich für die eine oder andere Schulform für ihre Kinder entscheiden.
Daß bei diesen Empfehlungen nicht die Leistung des Schulkindes alleine eine Rolle spielt,
sondern die soziale Herkunft bzw. der Schulabschluß der Eltern, genauer gesagt des Vaters,
eine ganz herausragenden Rolle spielt, das weist eine Studie nach, an der die Fünftklässler
aller Hamburger Schulen beteiligt waren.
Diese beiden Punkte, die Bedeutung der Entscheidung für oder gegen einen Besuch des
Kindergartens sowie die Untersuchung der sozialen Auslese an den Grundschulen, sollen in
den beiden folgenden Exkursen eine nähere Erörterung erfahren.

26
Exkurs I: Der Kindergarten
Noch vor der Einschulung greift bereits ein erster sozialer Selektionsmechanismus, der auf
die unterschiedlichen ökonomischen Möglichkeiten der Eltern sich stützt: Die Überlegung,
ein Kind im Kindergarten unterzubringen, hängt wesentlich von den finanziellen Möglich-
keiten der Eltern ab, da das Kindergeld in der Regel unter dem Kindergartenbeitragssatz
liegt.
Eine Aufgabe der Kindergärten ist es, die Mütter zu entlasten, so daß diese z.B. einer
Halbtagstätigkeit nachgehen können, ohne ihr Kind vernachlässigen zu müssen.
Eine andere Aufgabe ist es, Kinder im Vorschulalter zu sozialisieren, da im Kindergarten
das Kind mit Kindern anderer sozialer Schichten in Kontakt kommen kann, mit anderen,
fremden Kindern überhaupt, mit Kindern aus fremden Kulturen und unterschiedlichen Län-
dern, mit Kindern unterschiedlicher Hautfarbe. So kann das Kind bereits frühzeitig und
spielerisch den Umgang mit anderen, mit anderem erlernen, ein für die spätere Entwicklung
des Kindes nicht zu überschätzender Vorteil.
Darüber hinaus wird im Kindergarten, so er nicht als Kinderbewahranstalt verstanden wird,
schon in einem frühen Stadium die kindliche Neugier erweckt und befriedigt, und so auf
das spätere Lernverhalten positiv Einfluß genommen: ,,Kindergärten fördern die Entwick-
lung der Kinder in vielfältiger Weise, in dem sie Anregungen geben, das Miteinander ein-
üben, Lernanstöße vermitteln u. a. m. Barrieren gegen den Besuch eines Kindergartens sind
gerade auch deshalb Bildungsbarrieren."
19
Eine solche Barriere ist der monatliche Betrag, der aufgewendet werden muss, um den
Kindergartenplatz zu bezahlen. Als Träger der Kindergärten treten kommunale sowie freie
Träger auf, und private Elterninitiativen , die Kosten für die Kindergärten der kommunalen
Träger variieren je nach dem Einkommen der Eltern, die Elterninitiativen liegen mit ihren
19
Ehmann, Bildungsfinanzierung und soziale Gerechtigkeit, S. 38.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
2003
ISBN (eBook)
9783842805361
ISBN (Paperback)
9783832491468
Dateigröße
999 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main – Gesellschaftswissenschaften, Methodologie
Note
1,0
Schlagworte
deutschland student unterschicht wirtschaftliche lage studiengebühr bildungsbeteilung sozialerhebung arbeiterklasse
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