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Neuromarketing

Ein verhaltenswissenschaftlicher Ansatz zur Erforschung von Markenwirkung

©2005 Diplomarbeit 83 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Die zur Erforschung von Markenwirkung und Markenverhalten eingesetzten traditionellen Instrumente wie etwa Fragebögen, Einzelinterviews, Beobachtungen oder Imageanalysen haben einige Schwächen, wenn es darum geht, Kauf- und Entscheidungsverhalten sowie die Wirkung von Reizen auf Prozesse im Inneren des Konsumenten zu erklären. So sind diese Ansätze nur bedingt in der Lage, implizite, also unbewusste Komponenten und emotionale Aspekte, die das Verhalten im erheblichen Maße beeinflussen, zu erklären. Dies liegt u. a. daran, dass Konsumenten die Motive, die sie zum Kauf bzw. zur Nutzung einer Marke bewegen, selten verbalisieren können und in der Regel nicht in der Lage sind zu sagen, warum eine bestimmte Marke Prestige hat oder ihr Selbstwertgefühl steigert. Die Instrumente sind auch anfällig für Verzerrungseffekte, die häufig auf den Einfluss von Meinungsführern zurückzuführen sind und somit das Ergebnis der Untersuchung verfälschen können. Dennoch werden heute noch ca. 80 bis 90 % aller empirischen Untersuchungen im Rahmen der Konsumenten- und Verhaltensforschung durch Befragungen oder andere verbale Messmethoden durchgeführt.
Um die oben genannte Problematik zu entschärfen und ein besseres Verständnis der Wirkung von Marken auf den Konsumenten zu erlangen, werden zunehmend „[…] bekannte, aber fachfremde Methoden aus anderen Wissenschaftsgebieten […]“ in die Kaufverhaltensforschung integriert. So bedient sich das Marketing zur Klärung von Kaufverhalten und Markenwirkung verstärkt bei wissenschaftlichen Nachbardisziplinen wie den Neuro- und Kognitionswissenschaften. Die Neurowissenschaft wird als ein interdisziplinärer Wissenschaftsbereich verstanden, welcher den Aufbau und die Funktionsweise des biologischen Nervensystems untersucht und Disziplinen wie Medizin, Biologie und Gehirnforschung umfasst. Im Mittelpunkt der Kognitionswissenschaft steht die Erforschung kognitiver Fähigkeiten, wie Wahrnehmung, Lernen und Denken. Die Psychologie stellt dabei eine zentrale Disziplin dar. Aus der Kombination von Neuro- und Kognitionswissenschaften und Ökonomie entsteht eine interdisziplinäre Forschungsrichtung, die Neuroökonomie. Das Neuromarketing wird in diesem Zusammenhang als ein Teilgebiet der Neuroökonomie verstanden.
Die Neuroökonomie untersucht Wechselwirkungen zwischen den dargestellten Wissenschaftsgebieten und versucht, ökonomisch relevante Sachverhalte (z. B. Markenwirkung) mit neurowissenschaftlichen Methoden zu […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 9123
Zimmermann, Ralf: Neuromarketing -
Ein verhaltenswissenschaftlicher Ansatz zur Erforschung von Markenwirkung
Hamburg: Diplomica GmbH, 2005
Zugl.: Universität Paderborn, Diplomarbeit, 2005
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2005
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
I
Inhaltsverzeichnis
Seite
Inhaltsverzeichnis ... I
Abbildungsverzeichnis ... III
1
Einleitung ... 1
1.1
Relevanz des Themas und Status Quo...1
1.2
Problemstellung ...5
1.3
Zielsetzung der Arbeit und Gang der Untersuchung ...6
2
Neuromarketing als verhaltenswissenschaftlicher Ansatz ... 7
2.1
Vom Behaviorismus zum Neobehaviorismus ...7
2.2
Relevanz verhaltenswissenschaftlicher Ansätze und Position der Neuroökonomie ..9
2.3
Abgrenzung des Begriffs ,,Neuromarketing" ...10
3
Biologische Grundlagen ... 11
3.1
Aufbau und zentrale Bereiche des menschlichen Gehirns ...11
3.2
Neuronale Verhaltenssteuerung...14
3.3
Eigenschaften der Arbeitsweise des Gehirns ...15
4
Technische Grundlagen: Methoden der Neuroökonomie... 17
5
Marken und Markenwirkung aus neuronaler Sicht ... 20
5.1
Abgrenzung der Begriffe ,,Marke" und ,,Markenwirkung"...20
5.2
Neuronale Markenwirkung...22
5.2.1
Markenwahrnehmung...23
5.2.2
Markenwissen ...25
5.2.3
Markenbeurteilung und Markenwahl ...28

Inhaltsverzeichnis
II
6
Neuromarketing in der Praxis... 36
6.1
Anwendungsmöglichkeiten für die strategische Markenführung...37
6.1.1
Markenpotenzialbestimmung ...37
6.1.2
Markenrevitalisierung...38
6.1.3
Markentransfer...39
6.1.4
Co-Branding ...39
6.2
Anwendungsmöglichkeiten für die operative Markenführung...40
6.2.1
Markenaufbau und -modifikation...40
6.2.2
Entwicklung starker Marken aus Sicht des Gehirns ...41
6.2.3
Entwicklung effizienter Markenkommunikation aus Sicht des Gehirns ...43
6.3
Einsatz von Neuromarketing am Point of Sale...45
7
Grenzen der Hirnforschung und des Neuromarketings ... 47
7.1
Komplexität des Gehirns ...47
7.2
Technische Möglichkeiten...48
7.3
Interpretationsproblematik...49
7.4
Manipulation und freier Wille ...50
8
Zusammenfassung und Ausblick ... 51
Anhangsverzeichnis ... IV
Expertengespräch ... IX
Literaturverzeichnis ...XIX

Abbildungsverzeichnis
III
Abbildungsverzeichnis
Seite
Abb. 1: Einflussfaktoren der Neuroökonomie...3
Abb. 2: Das Neobehavioristische S-O-R Modell ...8
Abb. 3: Neuroökonomische Methoden im Überblick ...17
Abb. 4: Ansätze zur Markendefinition ...20
Abb. 5: Bausteine der Markenwirkung...22
Abb. 6: Wie starke Marken wirken: Coca Cola vs. Pepsi Cola...29
Abb. 7: Wie starke Marken wirken: TUI vs. Tjaereborg...31
Abb. 8: Kortikale Entlastung ...32
Abb. 9: Anwendungsmöglichkeiten des Neuromarketings ...37

Einleitung
1
1 Einleitung
,,New brain imaging technologies have motivated neuroeconomic studies of the internal order
of the mind [...]. We are only at the beginning of this enterprise, but its promise suggests a
fundamental change in how we think, observe and model decision in all its contexts."
Auszug der Nobelpreisrede von Vernon Smith, Stockholm, 2002
1.1 Relevanz des Themas und Status Quo
Marken stellen heute einen entscheidenden immateriellen Wert im Unternehmen dar. Sie sind
Schlüsselfaktoren für den Unternehmenserfolg und beeinflussen Kaufentscheidung und
-verhalten in erheblichem Maße (Esch/Geus/Langner 2002, S. 473). Darüber hinaus sind
Marken vor dem Hintergrund zunehmender Funktions- und Qualitätshomogenität ein
Differenzierungsinstrument, um Wettbewerbsvorteile zu erlangen und auf Dauer zu sichern
(Gaiser/Linxweiler/Brucker 2005, S. 7). Die Überlegenheit starker Marken bzw. dessen
Bedeutung für ein Unternehmen stand und steht im Fokus vieler Untersuchungen. So liegt
nach einer Studie von PwC und Sattler (2001, S. 9) der Anteil des Markenwertes am
Unternehmenswert branchenübergreifend bei 56%. Auch die Zahlungsbereitschaft ist für
Herstellermarken im Vergleich zu Handelsmarken durchschnittlich 40 % höher (Crimmins
1992, S. 17). Dass Marken populär und allgegenwärtig sind, zeigt sich auch an der steigenden
Anzahl der Markenanmeldungen im Marken- und Patentamt, das innerhalb von zehn Jahren
fast eine Verdoppelung der Anmeldungen verzeichnen konnte (Gaiser/Linxweiler/Brucker
2005, S. 7).
Angesichts einer wachsenden Kommunikationsflut und Markenvielfalt auf der einen Seite
und der begrenzten Informationsaufnahmekapazität des Konsumenten auf der anderen Seite
(Esch 2004, S. 31 f.), wird es zunehmend schwerer, die Aufmerksamkeit des Konsumenten zu
erreichen. Um wahrgenommen zu werden und sich im Wettbewerb behaupten zu können,
muss eine Marke aus dem breiten Markenangebot herausragen. Nur denjenigen Marken, die

Einleitung
2
sich klar vom Wettbewerb differenzieren und dem Konsumenten z. B. durch ihr Image einen
Zusatznutzen bieten, wird es gelingen, eine herausragende Position im Markenwettbewerb
einzunehmen. Vorraussetzung für den Erwerb und die Sicherung einer solchen Position ist,
dass Marken auf den Konsumenten wirken. Sie müssen ihn dazu bewegen, ihr
Aufmerksamkeit zu schenken und sie schließlich (wiederholt) zu kaufen. Die Wirkung einer
Marke in den Köpfen der Konsumenten stellt demnach ein wichtiges Erfolgskriterium dar.
Das Wissen über die Wirkung einer Marke beim Konsumenten gibt Hinweise darauf, wie eine
Marke optimal zu gestalten ist, um sich im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der
Konsumenten behaupten zu können.
Die zur Erforschung von Markenwirkung und Markenverhalten eingesetzten traditionellen
Instrumente wie etwa Fragebögen, Einzelinterviews, Beobachtungen oder Imageanalysen
haben einige Schwächen, wenn es darum geht, Kauf- und Entscheidungsverhalten sowie die
Wirkung von Reizen auf Prozesse im Inneren des Konsumenten zu erklären (Kenning et al.
2002, S. 6). So sind diese Ansätze nur bedingt in der Lage, implizite, also unbewusste
Komponenten und emotionale Aspekte, die das Verhalten im erheblichen Maße beeinflussen,
zu erklären (Esch/Möll 2004, S. 80). Dies liegt u. a. daran, dass Konsumenten die Motive, die
sie zum Kauf bzw. zur Nutzung einer Marke bewegen, selten verbalisieren können (Schäfer
2004, S. 16) und in der Regel nicht in der Lage sind zu sagen, warum eine bestimmte Marke
Prestige hat oder ihr Selbstwertgefühl steigert (Yüksel 2003, S. 95). Die Instrumente sind
auch anfällig für Verzerrungseffekte, die häufig auf den Einfluss von Meinungsführern
zurückzuführen sind und somit das Ergebnis der Untersuchung verfälschen können (Ballhaus
2005 S. 31). Dennoch werden heute noch ca. 80 bis 90 % aller empirischen Untersuchungen
im Rahmen der Konsumenten- und Verhaltensforschung durch Befragungen oder andere
verbale Messmethoden durchgeführt (Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 23).
Um die oben genannte Problematik zu entschärfen und ein besseres Verständnis der Wirkung
von Marken auf den Konsumenten zu erlangen, werden zunehmend ,,[...] bekannte, aber
fachfremde Methoden aus anderen Wissenschaftsgebieten [...]" (Kenning et al. 2002, S. 6) in
die Kaufverhaltensforschung integriert. So bedient sich das Marketing zur Klärung von
Kaufverhalten und Markenwirkung verstärkt bei wissenschaftlichen Nachbardisziplinen wie
den Neuro- und Kognitionswissenschaften (vgl. z. B. Esch/Möll 2004; Kenning et al. 2005b;

Einleitung
3
Mainzer 1997). Die Neurowissenschaft wird als ein interdisziplinärer Wissenschaftsbereich
verstanden, welcher den Aufbau und die Funktionsweise des biologischen Nervensystems
untersucht und Disziplinen wie Medizin, Biologie und Gehirnforschung umfasst. Im
Mittelpunkt der Kognitionswissenschaft steht die Erforschung kognitiver Fähigkeiten, wie
Wahrnehmung, Lernen und Denken. Die Psychologie stellt dabei eine zentrale Disziplin dar.
Aus der Kombination von Neuro- und Kognitionswissenschaften und Ökonomie entsteht eine
interdisziplinäre Forschungsrichtung, die Neuroökonomie. Das Neuromarketing wird in
diesem Zusammenhang als ein Teilgebiet der Neuroökonomie
verstanden.
Abb. 1 verdeutlicht die Zusammenhänge:
Abb. 1: Einflussfaktoren der Neuroökonomie
Quelle: Eigene Darstellung.
Die Neuroökonomie untersucht Wechselwirkungen
zwischen
den dargestellten
Wissenschaftsgebieten und versucht, ökonomisch relevante Sachverhalte
(z. B. Markenwirkung) mit neurowissenschaftlichen Methoden zu untersuchen (Kenning et al.
2005b, S. 54). Ziel neuroökonomischer Forschung ist es, Vorgänge im menschlichen
Organismus, der Blackbox (Loewenstein et al. 2004, S. 36), besser zu verstehen und ein
umfassenderes Verständnis menschlichen Verhaltens im ökonomischen Kontext zu gewinnen.
Die Methoden und Instrumente der Gehirnforschung können in diesem Zusammenhang als
Neurowissenschaften
Ökonomie (z. B. Marketing)
Kognitionswissenschaften
Biologie
Medizin
Gehirnforschung
Psychologie
Neuroökonomie
(Neuromarketing)

Einleitung
4
eine Brücke zwischen naturwissenschaftlicher und geisteswissenschaftlicher Perspektive
verstanden werden (Kenning et al. 2002, S. VI).
Ein großer Vorteil neuroökonomischer Methoden liegt darin, dass mit ihnen Vorgänge im
Organismus des Konsumenten erforscht werden können, die der klassischen
Kaufverhaltensforschung auf Grund der bereits genannten Probleme verborgen bleiben.
Während also bei klassischen Instrumenten und Methoden versucht wird, die nicht direkt
beobachtbaren Konstrukte im menschlichen Organismus
durch Modelle und
Operationalisierung messbar zu machen, können diese durch neuroökonomische Methoden
(z. B. Tomographenuntersuchungen oder bildgebende Verfahren) direkt im Gehirn beobachtet
und analysiert werden (Baumgarth 2004, S. 52). Neuronale Vorgänge lassen sich auf diese
Weise im Moment der Entscheidung untersuchen (Kenning et al. 2005b, S. 56), wodurch
Forschungsergebnisse objektiver und verzerrungsfreier werden. Zaltman (2003, S. 27) hat die
Bedeutung dieses interdisziplinären Forschungsansatzes erkannt und sagt: ,,From the many
different social and biological disciplines from which marketing can benefit, brain science is
one of the most important."
Neben interdisziplinären Universitätsinstituten in Berlin, Bonn, München, Münster und Ulm
gibt es weltweit bisher nur ca. fünfzig Forschungsgruppen
1
, die explizit im Bereich der
Neuroökonomie forschen. Demzufolge liegen bis dato relativ wenig wissenschaftlich
fundierte Erkenntnisse zur Wirkungsweise von Marken im menschlichen Gehirn vor.
Dennoch konnte durch die bisher durchgeführten Studien, in denen Methoden und
Erkenntnisse der Gehirnforschung mit ökonomischen Fragestellungen verknüpft wurden,
neues Wissen zum Verständnis der Wirkung von Stimuli (Marken, Werbung etc.) auf das
Kauf- und Entscheidungsverhalten gewonnen werden. So entdeckten Montague et al. (2004)
sowie Kenning et al. (2005a), dass die Markeninformation, also die Kenntnis des
Konsumenten, dass es sich um eine ganz bestimmte Marke handelt, das Bild der
Gehirnaktivität verändert und die Präferenz für eine bestimmte Marke beeinflusst. Andere
Studien zeigen, dass Informationen (Werbespots) dann länger behalten und besser wieder
erkannt werden, wenn sie eine schnelle Gehirnaktivität im vorderen Teil der linken
1
Ein Überblick über Forschungseinrichtungen weltweit ist unter
http://www.richard.peterson.net/Neuroeconomics.htm zu finden.

Einleitung
5
Hemisphäre hervorrufen (Rossiter et al. 2001). Ambler et al. (2000) konnten nachweisen, dass
emotionale Werbung im Vergleich zu rationaler Werbung besser erinnert und wieder erkannt
wird und zudem andere Gehirnaktivitäten als rationale Werbung erzeugt. In einer weiteren
Studie konnten Ambler et al. (2003) zeigen, dass Markenvertrautheit die Markenwahl
beschleunigt und zu einer verstärkten Gehirnaktivität in den rechten vorderen Gehirnhälfte
führt. McClure et al. (2004) befassten sich in ihrer Studie mit intertemporalen
Präferenzentscheidungen und entdeckten, dass emotionale Hirnstrukturen stärker bei
kurzfristigen Entscheidungen beteiligt sind und kognitive Bereiche eher mit langfristigen
Entscheidungen in Verbindung stehen. Bei einer Untersuchung zur Messung der Attraktivität
von Automodellen fanden Erk et al (2002) heraus, dass vor allem Sportwagen zu einer
erhöhten neuronalen Aktivität in einer Hirnstruktur führen, die in einem engen
Zusammenhang mit Emotionen und dem Selbstbild des Menschen steht.
1.2 Problemstellung
Durch die bisherigen Forschungsbemühungen auf dem Gebiet der Neuroökonomie konnten
bereits Zusammenhänge zwischen Prozessen im menschlichen Organismus (z. B. Emotion,
Wahrnehmung, Gedächtnis, Einstellung) und der Gehirnaktivität gezeigt werden. Dabei stand
das reine Beobachtbarmachen der Wirkungsweise von (Marken-)Reizen auf Vorgänge im
menschlichen Gehirn bisher im Mittelpunkt der Untersuchungen. Für die Marketingpraxis ist
es weiter interessant, wie die gewonnenen Erkenntnisse genutzt werden können, um in der
Praxis Anwendung zu finden. Dabei dürften Unternehmen ein Interesse daran haben, ein
Instrument an die Hand zu bekommen, mit dem beispielsweise untersucht werden kann,
inwieweit die erwünschte Markenwirkung tatsächlich erzielt wird. Auch die Anwendung der
Erkenntnisse und Methoden auf Fragestellungen der strategischen und operativen
Markenführung wird dabei von Interesse sein. So stellt sich die Frage, inwieweit die neuen
Methoden und Verfahren genutzt werden können, um beispielsweise das Potenzial einer
Marke im Rahmen eines Markentransfers zu bestimmen oder die Markengestaltung bzw.
Markenkommunikation zu optimieren. Dieser Umsetzung der Forschungsergebnisse in die
Praxis wird in der Literatur bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

Einleitung
6
1.3 Zielsetzung der Arbeit und Gang der Untersuchung
Während die weitere Forschung zur Wirkungsweise von Marken im menschlichen Gehirn den
entsprechenden Forschungsgruppen vorbehalten bleibt, wird in dieser Arbeit gezeigt, welche
Kenntnisse bisher aus der Erforschung der Markenwirkung durch neuroökonomische
Methoden gewonnen werden konnten. Auch die Umsetzung dieser Kenntnisse bzw. die
Integration neuroökonomischer Methoden in die Marketingpraxis wird diskutiert. So wird
gezeigt, welche Möglichkeiten es gibt, das Wissen und die Methoden der Neuroökonomie für
praktische, marketingrelevante Fragenstellungen zu nutzen. Dabei gliedert sich die Arbeit in
drei Teile. Im ersten Teil (Kapitel 2 bis 4) wird zunächst diskutiert, aus welchen Gründen
verhaltenswissenschaftliche Ansätze an Bedeutung gewinnen und welche Position die
Neuroökonomie bzw. das Neuromarketing in diesem Kontext einnimmt. Danach wird ein
Grundverständnis für den Aufbau und die Funktionsweise des menschlichen Gehirns
geschaffen und anschließend
ein Überblick über
die technischen Methoden der
Neuroökonomie gegeben. Im zweiten Teil (Kapitel 5 u. 6) wird gezeigt, was Marken aus einer
neuronalen Perspektive sind und wie diese im Gehirn des Konsumenten wirken. Dies wird
anhand der verschiedenen Bausteine der Markenwirkung verdeutlicht und die Beiträge jeweils
um aktuelle Forschungsergebnisse aus dem Bereich der neurowissenschaftlichen Forschung
ergänzt.
Anschließend wird aufgezeigt, welche Möglichkeiten es gibt, die
Forschungserkenntnisse und Methoden in der Praxis anzuwenden. Im letzten Teil (Kapitel 7
u. 8) werden zunächst Grenzen der Hirnforschung und des Neuromarketings aufgezeigt.
Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst und ein Ausblick gegeben, in welche
Richtung die zukünftige Forschung gehen könnte.

Neuromarketing als verhaltenswissenschaftlicher Ansatz
7
2 Neuromarketing als verhaltenswissenschaftlicher Ansatz
Verhaltenswissenschaftliche Ansätze und Methoden sind für die Erforschung von
Markenwirkung besonders relevant. Dies wird deutlich, wenn die Entwicklung bedeutender
ökonomischer Theorien zur Erklärung von Konsum- und Kaufverhalten betrachtet wird.
2.1 Vom Behaviorismus zum Neobehaviorismus
Zur Erklärung menschlichen Konsum- und Kaufverhaltens existieren eine Reihe von
Modellen. Diese lassen sich in Total- und Partialmodelle unterscheiden. Bei Totalmodellen
(vgl. z. B. Blackwell/Miniard/Engel 2001, S. 83; Howard/Sheth 1969, S. 30) wird versucht,
das komplexe System des Konsum- und Kaufverhaltens als Ganzes abzubilden.
Partialmodelle analysieren das Verhalten in einem situationsspezifischen Kontext
(Foscht/Swoboda 2004, S. 28). Zu Letzteren zählen die konkurrierenden Ansätze des
Behaviorismus und des Neobehaviorismus. Der behavioristische Ansatz beschränkt sich auf
die Beobachtung und Messung von Reizen und Reaktionen, also auf den Zusammenhang
zwischen beobachtbaren, unabhängigen Variablen und beobachtbaren, abhängigen Variablen
(Baumgarth 2004, S. 33; Mainzer 1997, S. 2). Es wird lediglich untersucht, wie sich
verschiedene Stimuli auf das Kauf- oder Verwendungsverhalten auswirken. In diesem
Stimulus-Response-Modell (S-R-Modell) werden die psychischen Vorgänge, die sich im
Inneren des Konsumenten abspielen, ausgeklammert. So wird beispielsweise nicht
berücksichtigt, wie sich Emotionen und Einstellungen auf die Wahrnehmung und
Verarbeitung eines Reizes auswirken und damit das Verhalten steuern. In
neobehavioristischen Modellen wir diese Black-Box-Betrachtung aufgegeben und auch die
nicht direkt beobachtbaren, sog. intervenierenden Variablen, berücksichtigt (s. Abb. 2). Diese
intervenierenden Variablen sind theoretische Konstrukte, mit denen der menschliche
Organismus, also die Zustände und Prozesse innerhalb des Individuums, beschrieben werden
(vgl. Baumgarth 2004; Foscht/Swoboda 2004; Kroeber-Riel/Weinberg 2003). Sie lassen sich
in aktivierende und kognitive Prozesse unterscheiden (Foscht/Swoboda 2004, S. 29 f.;
Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 49 f.)

Neuromarketing als verhaltenswissenschaftlicher Ansatz
8
Abb. 2: Das Neobehavioristische S-O-R Modell
Quelle: In Anlehnung an Foscht/Swoboda 2004, S. 30.
Aktivierende Prozesse umfassen Konstrukte wie Aktivierung, Emotionen und Motivation
während die kognitiven bzw. informationsverarbeitenden (Rosenstiel/Neumann 2002,
S. 163) Prozesse, Konstrukte der Informationsaufnahme, -speicherung und -verarbeitung
beinhalten. Das Konstrukt der Einstellung wird hier als das Resultat der Interaktion
aktivierender und kognitiver Prozesse verstanden. In diesem neobehavioristischen Stimulus-
Organismus-Response Modell (S-O-R Modell) werden also jene Prozesse berücksichtigt, die
sich im menschlichen Organismus abspielen und damit bestimmen, wie ein Stimulus wirkt
(Felser 2001, S. 14).
Der Behaviorismus mit seiner Nichtberücksichtigung mentaler Verarbeitungsprozesse wird
zunehmend als ein eher unvollständiger und unpräziser Ansatz zur Erklärung von Konsum-
und Kaufverhalten betrachtet (Foscht/Swoboda 2004, S. 29; Kroeber-Riel/Weinberg 2003,
S. 23; Weilbacher 2003, S. 230 f.). Dagegen rücken neobehavioristische Modelle, mit denen
bis heute schon ca. 50% des gemessenen Kaufverhaltens erklärt werden können (Ahlert et al.
2004, S. 66 f.), stärker in den Vordergrund. Diese Haltung wird klar, wenn verstanden wird,
dass Konsumenten auf gleiche Reize unterschiedlich reagieren. So wird ein Reiz von jedem
Stimulus (S)
Organismus (O)
direkt beobachtbare,
unabhängige Variablen
direkt beobachtbare,
abhängige Variablen
nicht direkt beobachtbare,
intervenierende Variablen
Marketing
Stimuli
Umwelt
Stimuli
Kaufverhalten
Verwendungs-
verhalten
Kommunikations-
verhalten
aktivierende
Prozesse
kognitive
Prozesse
·
Aktivierung
·
Emotion
·
Motivation
·
Wahrnehmung
·
Lernen
·
Gedächtnis
Einstellung
Response (R)

Neuromarketing als verhaltenswissenschaftlicher Ansatz
9
Rezipienten anders aufgenommen und verarbeitet. Die mentalen Verarbeitungsprozesse sind
entsprechend verschieden. Auch wird nicht jedes Verhalten rein kognitiv gesteuert
(Foscht/Swoboda 2004, S. 73). Häufig liegt eine starke Aktivierung und emotionale
Beteiligung vor, die die kognitiven Prozesse unbewusst beeinflussen. So wird in vielen
Situationen (z. B. Low-Involvement Situationen) auf eine starke gedankliche Kontrolle
verzichtet. Das Verhalten des Konsumenten wird in einer solchen Situation relativ unbewusst
gesteuert, und Entscheidungen weniger auf Grundlage einer rationalen, kognitiven Bewertung
verschiedener Optionen und Alternativen im Sinne einer Kosten-Nutzen Analyse getroffen,
sondern eher emotional begründet (vgl. Bechara/Damasio 2004, S. 17; Roth 2003a/b; Zaltman
2003). Emotionale Prozesse spielen hier eine entscheidende Rolle. Auch Dickson und Sawyer
(1990) resümierten aus ihrer Studie, in der sie Konsumenten in verschiedenen Kaufsituationen
beobachteten, dass diese eher gedankenlos (,,mindless") als bewusst (,,mindful") entscheiden.
So gewinnen neobehavioristische Ansätze, die den Einfluss aktivierender und kognitiver
Prozesse auf das Verhalten untersuchen, für die Konsum- und Kaufverhaltensforschung an
Bedeutung.
2.2 Relevanz verhaltenswissenschaftlicher Ansätze und Position der
Neuroökonomie
Um zu verstehen, wie Reize vom Konsumenten aufgenommen und verarbeitet werden und
wieso sich ein Konsument in einer bestimmten Situation in einer bestimmten Art und Weise
verhält, ist es wichtig, Prozesse im menschlichen Organismus zu analysieren.
Verhaltenswissenschaftliche Ansätze und Methoden tun genau dies. Bei ihnen steht der
menschliche Organismus im Mittelpunkt der Untersuchung und auch unbewusste, emotionale
Aspekte menschlichen Verhaltens werden berücksichtigt. Verhaltenswissenschaftliche
Ansätze (wie z. B. das S-O-R Modell) scheinen demzufolge besonders geeignet zu sein, Kauf-
und Entscheidungsverhalten und somit auch Markenwirkung zu erklären. Die Neuroökonomie
versucht die bisher nicht direkt beobachtbaren, intervenierenden Variablen beobacht- und
messbar zu machen. Sie stellt somit einen verhaltenswissenschaftlichen Ansatz dar. Im
Rahmen dieses Ansatzes können Prozesse durch bildgebende Verfahren im Gehirn sichtbar
gemacht und die Wirkungsweise von Reizen auf den menschlichen Organismus genauer
analysiert werden. Der verhaltenswissenschaftliche Ansatz der Neuroökonomie ist demnach

Neuromarketing als verhaltenswissenschaftlicher Ansatz
10
geeignet, mit seinen Methoden und Instrumenten die Wirkung von Marken im menschlichen
Gehirn zu erforschen.
2.3 Abgrenzung des Begriffs ,,Neuromarketing"
Neuromarketing ist eine Forschungsrichtung innerhalb der Neuroökonomie.
2
Im Rahmen
dieser wird die traditionelle Markt- und Konsumentenverhaltensforschung mit
neurowissenschaftlicher Forschung kombiniert und um Erkenntnisse darüber, wie das
menschliche Gehirn fühlt, entscheidet und unser Verhalten steuert, ergänzt. Ziel des
Neuromarketings ist es, das menschliche Gehirn als ,,[...] Organ der Kaufentscheidung zu
begreifen" (Ahlert 2004, S. 69). Dabei wird u. a. versucht, die aus einer Markenpräsenz
resultierende, veränderte Gehirnaktivität zu analysieren (Baumgarth 2004, S. 52), um so
schließlich ein besseres Verständnis über die Wirkungsweise von Marken und
Kommunikation zu Marken zu gewinnen (Esch/Möll 2004, S. 87). In der Literatur wird
Neuromarketing häufig auf reine Kernspintomographen-Untersuchungen reduziert. Diese
enge Definition wird in der vorliegenden Arbeit erweitert. Neuromarketing wird hier als eine
Disziplin definiert, die durch Kombination fachfremder Methoden aus dem Bereich der
Neuro- und Kognitionswissenschaften mit der Kaufverhaltensforschung versucht, Zustände
und Prozesse im Organismus des Konsumenten beobacht- und messbar zu machen sowie die
Erkenntnisse und Methoden der Hirnforschung auf vielfältige,
marketingrelevante
Fragestellungen anzuwenden.
2
Wird im Folgenden der Begriff ,,Neuroökonomie" verwendet, schließt dieser die Forschungsrichtung
,,Neuromarketing" mit ein.

Biologische Grundlagen
11
3 Biologische Grundlagen
Zum Verständnis der weiteren Ausführungen dieser Arbeit ist es hilfreich, sich mit einigen
biologischen Grundlagen des menschlichen Gehirns vertraut zu machen. Im Folgenden wird
daher ein Überblick über den Aufbau sowie über wichtige Strukturen des Gehirns gegeben.
Anschließend wird erklärt, durch welche Vorgänge Menschen in ihrem Verhalten gesteuert
werden und schließlich wird eine Besonderheit der Arbeitsweise des Gehirns erläutert.
3.1 Aufbau und zentrale Bereiche des menschlichen Gehirns
Das menschliche Gehirn ist eine hoch komplexe Struktur, in der Systeme mit Subsystemen
auf unterschiedliche Weise miteinander kommunizieren und interagieren. Es kann in drei
Hauptregionen unterteilt werden. Anhang 1 zeigt eine vereinfachte Darstellung des Aufbaus.
Der entwicklungsgeschichtliche älteste Hirnteil, der Hirnstamm, umfasst das Mittelhirn, die
Brücke und das verlängerte Rückenmark. Das Vorderhirn setzt sich aus Zwischenhirn und
Großhirn zusammen. Das Kleinhirn stellt schließlich die dritte Hauptregion dar (vgl. Häusel
2004; Roth 2003a/b; Springer/Deutsch 1995
).
Die einzelnen Gehirnregionen sind stark
miteinander gekoppelt. So arbeiten verschiedene Teilsysteme bei komplexen Leistungen wie
Denken, Lernen oder Erinnern auf Grundlage einer neuronalen und synaptischen
Signalverarbeitung stets zusammen (Mainzer 1997, S. 14 u. 31). Das Vorderhirn, der größte
und am höchsten entwickelte Gehirnabschnitt des Menschen, wird von der Großhirnrinde,
dem Neokortex, bedeckt. Dieser enthält ca. ¾ der Nervenzellen des gesamten
Zentralnervensystems und ist für höhere Funktionen wie abstraktes Denken und Sprache
verantwortlich (Anderson 1996, S. 25; Zak 2004, S. 1738). Er teilt sich in zwei
spiegelbildliche Hälften, den Hemisphären, die über Faserbündel miteinander verbunden sind
(Springer/Deutsch 1995, S. 332 ff.). Die Funktion des Hirnstamms liegt hauptsächlich in der
Kontrolle automatischer, lebenswichtiger Grundfunktionen wie Atmung, Herzschlag,
Blutkreislauf und Wach-Schlaf-Rhythmus (Springer/Deutsch 1995, S. 332 ff.). Das Kleinhirn
schließlich steuert die motorische Koordination sowie willkürliche Bewegungen (Anderson
1996, S. 23).

Biologische Grundlagen
12
In seinem Kern besteht das menschliche Gehirn aus vielen Milliarden Nervenzellen
(Neuronen), dessen Hauptfunktion es ist, Erregung aufzunehmen, zu verarbeiten und wieder
abzugeben (Roth 2003a, S. 12). Sie werden als die ,,[...] funktionalen Grundbausteine der
neuronalen Erregungsverarbeitung" (Roth 2003b, S. 122) bezeichnet. Ein Neuron besteht aus
Zellkörper, Dendriten, Axon und Synapsen. Während Dendriten den Zellkörper umgeben und
als Informationseingänge dienen und so neuronale Erregung aufnehmen, dient das Axon mit
seinen Synapsen als Informationsausgang (Mainzer 1997, S. 16; Roth 2003b, S. 99 ff.). An
den Synapsen werden elektrische Signale in chemische Signale umgesetzt (Fields 2004, S. 51)
und in Form chemischer Botenstoffe, den Neurotransmittern, an andere Neuronen
weitergeleitet (Roth 2003b, S. 99 ff.). ,,Nervenzellen kommunizieren [folglich] (Anm. d.
Verf.) über chemische Prozesse miteinander" (Springer/Deutsch, 1995, S. 133). Die
Komplexität dieser Vorgänge, und damit die des menschlichen Gehirns, wird deutlich, wenn
verstanden wird, dass jedes Neuron mit 1.000 bis 10.000 anderen Neuronen direkt verbunden
sein kann (Zak 2004, S. 1738) und dabei von einer bis zehn Synapsen dieser Zelle beeinflusst
wird (Roth 2003b, S. 122).
Als wesentliche Gehirnregionen für das Verständnis funktionaler und verhaltenssteuernder
Zusammenhänge sind der Neokortex und das subkortikale limbische System zu nennen
(s. Anhang 1 u. 2). Der Neokortex ist, wie oben dargestellt, Teil der Großhirnrinde. Er wird
im Allgemeinen als das ,,[...] kognitive System der Informationsverarbeitung [...]"
(Behrens/Neumaier 2004, S. 14) bezeichnet. Das limbische System, als das emotionale
System der Informationsverarbeitung, umfasst unterschiedliche Gehirnbereiche und wird
teilweise zum Großhirn, teilweise zum Zwischenhirn gezählt. So zählt ein Teil des Neokortex,
der sog. orbitofrontale Kortex, ebenfalls dazu (vgl. Roth 2003a/b). Der Neokortex gilt als
Speicher von Lebenserfahrungen und Konsequenzen. In seiner Beraterfunktion (Häusel 2004,
S. 79) stellt er diese dem limbischen System zur Beurteilung neuer Situationen zur
Verfügung. Der vordere Bereich des Neokortex, der präfrontale Kortex, ist vor allem in
rational-kognitive Funktionen involviert (Heath 2001, S. 29; Walter 1999, S. 309) und wird
als das Koordinationszentrum für alle höheren geistigen Prozesse betrachtet (Meienbrock
2003, S. 16). U. a. ist er dafür notwendig, dass sich Menschen über langfristige Konsequenzen
ihres Handelns bewusst werden können (Loewenstein et al. 2004, S. 9). Das limbische
System liegt außerhalb des Bewusstseins. Hier werden Stimuli und Reize durch

Biologische Grundlagen
13
Hinzuführung bereits gespeicherter Erfahrungen aus dem Neokortex hinsichtlich ihrer
Konsistenz mit den bereits vorhandenen Erfahrungen und Werten unbewusst bewertet. Die
Bewertung an sich dient dazu, ,,[...] dass wir alle Dinge, die wir tun, im Lichte unserer
vergangenen Erfahrungen tun" (Roth 2003a, S. 181). Eine Situation wird also auf Grund von
positiven oder negativen Konsequenzen gleicher oder ähnlicher Erfahrung als gut/angenehm
bzw. schlecht/unangenehm eingestuft (Korczak/Hecker 2002, S. 22; Roth 2003a, S. 181). Das
Ergebnis dieser Evaluationsprozessesse wird bewusst in Form von Gefühlen,
Gedankengängen, Ideen und Denkstrukturen erlebt (Häusel 2003, S. 18). Die Amygdala
(s. Anhang 2), ein Subsystem des limbischen Systems, gilt dabei als das zentrale emotionale
Bewertungszentrum, das für viele automatisch-affektive Verhaltensweisen verantwortlich ist
(Loewenstein et al. 2004, S. 12). Ein weiterer Bestandteil des limbischen Systems ist der
Hippocampus. Dieser ist eng mit dem präfrontalen Kortex verbunden und gilt als ,,[...] Tor
zum Bewusstsein" (Roth 2003b, S. 205), da ohne ihn keine bewusstseinsfähigen Inhalte des
Gedächtnisses im Gehirn gespeichert oder abgerufen werden können. Eine Ausnahme bilden
Gedächtnisinhalte, die stark konsolidiert, also sehr fest im Gehirn verankert sind. Das Abrufen
dieser Informationen hängt weniger stark vom Hippocampus und damit vom
bewusstseinsfähigen Kortex ab (Roth 2003b, S. 204). Dieser Zusammenhang wird später
unter dem Begriff der kortikalen Entlastung diskutiert werden.
Das limbische System wird zusammen mit dem präfrontalen Kortex als das ,,[...] Zentrum
bewusster Handlungsplanung [...]" (Korczak/Hecker 2002, S. 23) gesehen. Dabei hat das
limbische System einen sehr viel stärkeren Einfluss auf den Neokortex als umgekehrt (Häusel
2003, S. 10). Franzen und Bouwman (2001, S. 22) bezeichnen daher das limbische System als
,,[...] the power station of our brain ­ the place where the desires, motivations, emotions and
moods that steer our behavior are awakened." Auch in der Art und Weise, wie Informationen
verarbeitet werden, unterscheiden sich die beiden Systeme. Während im limbischen System
Prozesse unbewusst und damit schnell verarbeitet werden, ist die Reaktion des Kortex, der
sich mit komplexen, neuartigen Situationen auseinander setzt, wesentlich langsamer
(Bechara/Damasio 2004, S. 19).

Biologische Grundlagen
14
3.2 Neuronale Verhaltenssteuerung
Wie bereits beschrieben, ist das limbische System die entscheidende Bewertungsstruktur im
Gehirn, die das menschliche Verhalten maßgeblich steuert. Welche Wirkung Marken haben,
wie sich eine Einstellung gegenüber diesen bildet und wie letztlich entschieden wird, all dies
wird im limbischen System auf Basis emotionaler Kriterien entschieden (Franzen/Bouwman
2001, S. 26; Traindl 2004, S. 28). Häusel (2004) beschreibt diesen Steuerungsmechanismus
des limbischen Systems anschaulich und bildlich, indem er das gesamte menschliche
Verhalten auf drei, im limbischen System verankerte, zentrale Steuerungssysteme reduziert
(s. Anhang 3). Er beschreibt sie als ,,limbische Instruktionen". Diese formen das Denken
und die Persönlichkeit, steuern die Bewertung von (Marken-)Informationen und bestimmen
damit das (Kauf-)Verhalten. Dabei spannen die Instruktionen einen Motiv- und
Emotionsraum auf, ,,[...] in dem sich das gesamte menschliche Verhalten inklusive
Werthaltungen abspielt" (Häusel 2002b, S. 18). D.h. neben den drei Hauptinstruktionen,
Balance, Stimulanz und Dominanz, haben auch Werte in diesem Raum einen festen Platz.
Die Hauptinstruktionen haben unterschiedliche Funktionen. Während die Balance-Instruktion
den Menschen nach Sicherheit und Ruhe streben lässt und aufruft, Gefahr und Unsicherheit
zu meiden und Harmonie zu suchen, treibt die Dominanz-Instruktion zu Macht, Überlegenheit
und Autonomie. Die Stimulanz-Instruktion als dritte Größe lässt den Menschen nach
Erlebnissen, nach Neuem und Individualität streben. Die individuelle Ausprägung dieser
Instruktionen legt schließlich fest, was wahrgenommen und wie auf Umweltreize reagiert
wird. So hat nach diesem Konzept eine Marke dann eine verhaltenssteuernde Wirkung, wenn
sich die von der Marke vermittelten Werte mit dem Motiv- und Emotionsprofil, also den
limbischen Instruktionen des Konsumenten, decken. Die Wirkung einer Marke ist also dann
besonders stark, wenn die Werte für den Konsumenten im Sinne seiner limbischen
Instruktionen relevant sind (Blackwell/Miniard/Engel 2001, S. 217; Hoyer/Maclinns 2004,
S. 60; Peter/Olson 2002, S. 79). Diese Vorstellung ähnelt stark dem Ansatz des
Selbstkonzeptes. Hiernach strebt der Konsument nach Kongruenz zwischen Marken und
Selbstkonzept (Mayer/Illmann 2000, S. 119; Meffert/Burmann/Koers 2002, S. 116). D.h. er
kauft eine Marke dann, wenn sie entweder konsistent mit seinem wahren Selbst ist oder ihm
hilft, sein ideales Selbst zu erreichen (Solomon/Bamossy/Askegaard 2001, S. 215).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783832491239
ISBN (Paperback)
9783838691237
DOI
10.3239/9783832491239
Dateigröße
696 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Paderborn – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2005 (November)
Note
1,7
Schlagworte
neuromarketing marken gehirn markenwirkung limbisches system
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Titel: Neuromarketing
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