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Kultur als Vitalisierungsfaktor in Konversionsgebieten

Das Beispiel der Überseestadt Bremen

©2004 Diplomarbeit 212 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die Planungen zum neuen Bremer Stadtentwicklungsgebiet Überseestadt werden kontrovers diskutiert. Der Speicher XI ist seit November 2003 die erste sichtbare kulturelle Keimzelle eines Stadtgebietes, das sich erst noch entwickeln muss. Der im März 2003 veröffentlichte Masterplan - ausgehend von architektonischen Überlegungen des Büros Schomers + Schürmann - bildet seit Anfang des Jahres 2004 die Grundlage für Ausstellungen im Paula-Modersohn-Becker-Museum, in der Bremer Landesbank, im Finanzzentrum der Sparkasse am Brill und im seit 28. April 2004 geöffneten Infocenter Überseestadt im Speicher XI. Der Plan befasst sich vorrangig mit Fragen der Verkehrsplanung, der Nutzung, dem Gebäudebestand und der Freiraumplanung in der zukünftigen Überseestadt. Er geht jedoch nicht der Frage nach, wie kulturelle Faktoren, feste Institutionen oder der menschliche Faktor integriert werden können.
Problemstellung:
Gegensatzpaare wie die Ökonomisierung von Kultur und Kultur als integraler Bestandteil wirtschaftlichen Schaffens (Wissenschaft und Kunst, Kultursponsoring) spielen zunehmend eine Rolle bei der Stadtteilentwicklung. Müssen sich jedoch kreative Entwicklungsmöglichkeiten und wirtschaftliches Wachstum, Lebensqualität und lokale bis überregionale Standortvorteile ausgrenzen? Im Grunde steht die Gesellschaft einer zunehmenden Verflechtung dieser Gegensätze gegenüber. Hierbei ist hervorzuheben, dass sich, u.a. durch die Vorarbeit des Planungsteams zur Vorbereitung der Bewerbungsschrift Bremens als Kulturhauptstadt Europas 2010 um Martin Heller, der „erweiterte Kulturbegriff“ einen Platz in Wirtschaft und Politik erklommen hat, welcher durchaus Beachtung verdient:

„In Bremen ist die kulturelle und touristische Attraktivität der Stadt mit ihren Angeboten zu einer Schlüsselgröße von Imagebildung und Wertschöpfung geworden. Daraus hat sich ein wichtiges Investitionsfeld der Umstrukturierung und Modernisierung ergeben. (....) Kultur ist demnach je länger, desto mehr Kultur im weitesten Sinne – also inklusive Stadtbild, Architektur, Parks, Infrastruktur, Wasser, Kultureinrichtungen, Events und kulinarisch-gastronomischen Qualitäten“ (FREIE HANSESTADT BREMEN / BREMEN2010 (HG.), Band 2, 2004 : 54, 55).

Des weiteren spielt der Begriff der Revitalisierung durch Kultur eine immer größere Rolle: Zum Einen prägen auf internationaler Ebene Europäische Kulturhauptstädte wie Glasgow (1990), Graz (2003) und Liverpool (ausgewählt für das Jahr […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8726
Conrad-Juhls, Sandra: Kultur als Vitalisierungsfaktor in Konversionsgebieten - Das
Beispiel der Überseestadt Bremen
Hamburg: Diplomica GmbH, 2005
Zugl.: Hochschule Bremen (FH), Diplomarbeit, 2004
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2005
Printed in Germany

I - III
Inhaltverzeichnis I
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1
Einleitung... 1
1.1
Idee und Herleitung des Themas ...1
1.2
Zielsetzung...3
1.3
Aufbau der Arbeit ...3
1.4
Das Untersuchungsdesign dieser Arbeit...5
1.4.1
Sekundärquellenanalyse...5
1.4.2
Teilnehmende Beobachtung ...5
1.4.3
Ortsbegehungen ...6
1.4.4
Stichproben ...6
1.4.5
Experteninterviews...7
2
Theoretische Bezüge zur Betrachtung von Kultur in der
Stadtentwicklung ... 8
2.1
Grundideen zum Thema "Kultur als Vitalisierungsfaktor" ...8
2.1.1
Basisliteratur zur grundsätzlichen, bundesweiten
Stadtentwicklungs- und Kulturdebatte...9
2.1.2
Fokus: Kultur im Bundesland Bremen...17
2.1.3
Résumée zur Kulturdebatte ...22
2.2
Zentrale Begriffe der Arbeit...23
2.2.1
Kultur...23
2.2.2
Vitalisierungsfaktor...24
2.2.3
Konversionsgebiete...25
3
Grundbausteine dieser Arbeit: Das Untersuchungsgebiet,
seine Akteure und Vergleichsmodelle ... 27
3.1
Die Geschichte der Alten Hafengebiete im Bremer Westen...27
3.2
Das Untersuchungsgebiet Überseestadt ...28
3.2.1
Vorangehende Diskussionen der Revitalisierung ...29
3.2.2
Ziele laut Entwicklungskonzeption 2000 ...29
3.2.3
Der Masterplan 2003 als städtebauliche Entwicklungs-grundlage.30
3.2.4
Die Überseestadt GmbH als übergreifende
Entwicklungsgesellschaft ...33
3.2.5
Zeitliche und finanzielle Eckpunkte: Der Stufenplan ...33
3.3
Die Hochschule für Künste ...34
3.4
Der Speicher XI als kultureller Bezugspunkt...36
3.5
Kulturschaffende im Bremer Westen ...39
3.6
Restrukturierung und Revitalisierung: Vergleichsmodelle innerhalb
Bremens ...42
3.6.1
Das Urban-Projekt in Bremen-Gröpelingen ...42
3.6.2
Die IUB in Bremen-Grohn ...44
3.7
Konversionsmodelle europäischer Hafenstädte mit Kulturfaktor ..44
3.7.1
Das Aker Brygge in Oslo...46
3.7.2
Die Waterfront in Liverpool...46

I - III
4
Vorstellung der Untersuchungsergebnisse ... 48
4.1
Vorstellung der Akteure: Die Bestandsaufnahme...49
4.1.1
Befragte Akteure im Speicher XI...49
4.1.2
Befragte Akteure im näheren Umkreis ...52
4.1.3
Pioniere ...56
4.1.4
Ortsunabhängige Akteure und (potentielle) Multiplikatoren ...57
4.1.5
Zusammenfassung zur Positionierung der Akteure ...60
4.2
Vorläufige Effekte kultureller Aktivität in der Übersee-stadt ...62
4.2.1
Gegenüberstellung unterstützender und hemmender Faktoren für
Kultur als Vitalisierungsfaktor...63
4.2.2
Bewertung ausgewählter unterstützender Faktoren ...67
4.2.3
Bewertung ausgewählter hemmender Faktoren ...70
4.3
Potenzialbewertung der Ressourcen für die Einbindung von Kultur
als Entwicklungsmotor der Überseestadt ...72
5
Diskussion der Potenziale von Kultur als
Vitalisierungsfaktor in der Überseestadt Bremen ... 74
5.1
Angewandte Bewertungsmethoden ...75
5.2
Schnittmengen im Rahmen des erweiterten Kulturbegriffs ...75
5.2.1
Kunst und Design...78
5.2.2
Bildung und Wissenschaft...79
5.2.3
Architektur und Stadtbild ...82
5.2.4
Wirtschaft (inkl. Tourismus)...84
5.2.5
Bürgersinn...86
5.2.6
Soziale Stadt ...88
5.3
Die Realisierbarkeit des erweiterten Kulturbegriffs als Strategie der
Revitalisierung ...90
5.3.1
Kultur und wirtschaftlicher Standortwettbewerb ...91
5.3.2
Kultur und Stadtbild...93
5.3.3
Kultur und Soziale Stadt...94
5.4
Bewertung der Voraussetzungen für Standortbildung und
Imageförderung in der Überseestadt ...96
6
Praktische Empfehlungen zur Vitalisierung des
Konversionsgebietes Überseestadt... 100
6.1
Neues Denken in der Stadtentwicklung: Teilziel Kultur ...100
6.1.1
Projektvorschläge für Akteure ...101
6.1.2
Handlungsempfehlungen im Bereich Standortmarketing und
Imageförderung...104
6.2
Die Kulturvision 2020...105
7
Fazit und Ausblick ... 107
Literaturverzeichnis
109ff
Besuchte
Webseiten
121ff
Der Anhang zu dieser Arbeit wurde als gesondertes Dokument mit eigenem
Verzeichnis zusammengefasst.

I - III
Tabellenverzeichnis II
Tabelle 1
Argumentationsebenen der Mikro- und Makroökonomie im
Schnittfeld Kultur und Wirtschaft nach Prätorius (2002) ...11
Tabelle 2
Quartiere in der Überseestadt: vorgesehene Nutzung und
Besonderheiten ...32
Tabelle 3
Ausgewählte Planungs- und Baumaßnahmen in der Überseestadt
gemäß Stufenplan in der Entwicklungskonzeption 2000 ...34
Tabelle 4
Darstellungsschema "Positionierung" ...48
Tabelle 5
Häufigkeit bestimmter Positionierungen unter den befragen
Akteuren nach Gruppe ...61
Tabelle 6
Übersicht: Unterstützende und hemmende Faktoren für Kultur als
Vitalisierungsfaktor (Überseestadt) in der Gegenüberstellung...66
Tabelle 7
SWOT - Analyse Kunst und Design ...78
Tabelle 8
SWOT - Analyse Bildung und Wissenschaft ...80
Tabelle 9
SWOT - Analyse Architektur und Stadtbild ...83
Tabelle 10
SWOT - Analyse Wirtschaft (inkl. Tourismus)...85
Tabelle 11
SWOT - Analyse Bürgersinn ...87
Tabelle 12
SWOT - Analyse Soziale Stadt ...88
Tabelle 13
Direkte und indirekte Anstoßeffekte öffentlicher und privater
Kulturförderung am Beispiel Hessen (Auswahl)...92
Tabelle 14
Projektvorschlags-Matrix: Kulturell geprägte Vitalisierungsziele,
Potenzialfelder und eventuelle Projekte lokaler Akteure...103
A. d. V.: Weitere Tabellen können im Anhang eingesehen werden. Im
Anhangverzeichnis. Im Text wird gesondert darauf verwiesen.
Abbildungsverzeichnis III
Abb. Nr. Titel
Seite
1
Can culture lead urban regeneration?
15
2
Ein Logobeispiel der HfK
35
3
Das begebare Luftbild, eine Attraktion im Hafenmuseum
36
4
Das Infocenter Überseestadt
38
5
Alfried-Krupp-College der IUB
44
6
Die Rolandmühe, davor die Speicher 16 und 17
53
7
Die Lagerspeicher II und III der Firma Vollers
54
8
Frau Gartner, Geschäftsführerin Kultur vor Ort e.V.
55
9
Das zukünftige Hafenhochhaus am Überseetor
56
10
Erster Speichermarkt am 20. Mai 2004
63
11
Revitalisierung oder Muschelsuche?
63
12
Schema zur Potenzialfindung in der Überseestadt
76
13 Probebühne
Architektur
83
14
Geeignete Komponenten der Revitalisierung in der Übersee-
stadt
90
15
Einflussfaktoren auf die kulturelle Stadtentwicklung
98
16
Vor dem Waller Stieg ist noch viel Platz
99
17
Blick nach Westen ­ es tut sich was
99

Einleitung
1
1 Einleitung
Die Planungen zum neuen Bremer Stadtentwicklungsgebiet Überseestadt
werden kontrovers diskutiert. Der Speicher XI ist seit November 2003 die erste
sichtbare kulturelle Keimzelle eines Stadtgebietes, das sich erst noch entwickeln
muss. Der im März 2003 veröffentlichte Masterplan - ausgehend von
architektonischen Überlegungen des Büros Schomers + Schürmann - bildet seit
Anfang des Jahres 2004 die Grundlage für Ausstellungen im Paula-Modersohn-
Becker-Museum, in der Bremer Landesbank, im Finanzzentrum der Sparkasse
am Brill und im seit 28. April 2004 geöffneten Infocenter Überseestadt im
Speicher XI. Der Plan befasst sich vorrangig mit Fragen der Verkehrsplanung,
der Nutzung, dem Gebäudebestand und der Freiraumplanung in der zukünftigen
Überseestadt. Er geht jedoch nicht der Frage nach, wie kulturelle Faktoren, feste
Institutionen oder der menschliche Faktor integriert werden können.
1.1 Idee und Herleitung des Themas
Gegensatzpaare wie die Ökonomisierung von Kultur und Kultur als integraler
Bestandteil wirtschaftlichen Schaffens (Wissenschaft und Kunst, Kulturspon-
soring) spielen zunehmend eine Rolle bei der Stadtteilentwicklung. Müssen sich
jedoch kreative Entwicklungsmöglichkeiten und wirtschaftliches Wachstum,
Lebensqualität und lokale bis überregionale Standortvorteile ausgrenzen? Im
Grunde steht die Gesellschaft einer zunehmenden Verflechtung dieser
Gegensätze gegenüber. Hierbei ist hervorzuheben, dass sich, u.a. durch die
Vorarbeit des Planungsteams zur Vorbereitung der Bewerbungsschrift Bremens
als Kulturhauptstadt Europas 2010 um Martin Heller, der ,,erweiterte Kulturbegriff"
einen Platz in Wirtschaft und Politik erklommen hat, welcher durchaus Beachtung
verdient:
"In Bremen ist die kulturelle und touristische Attraktivität der Stadt mit ihren
Angeboten zu einer Schlüsselgröße von Imagebildung und Wertschöpfung
geworden. Daraus hat sich ein wichtiges Investitionsfeld der Umstrukturierung
und Modernisierung ergeben. (...) Kultur ist demnach je länger, desto mehr
Kultur im weitesten Sinne ­ also inklusive Stadtbild, Architektur, Parks,
Infrastruktur, Wasser, Kultureinrichtungen, Events und kulinarisch-
gastronomischen Qualitäten"
(F
REIE
H
ANSESTADT
B
REMEN
/
B
REMEN
2010
(H
G
.),
Band 2, 2004 : 54, 55).

Einleitung
2
Des weiteren spielt der Begriff der Revitalisierung durch Kultur eine immer
größere Rolle: Zum Einen prägen auf internationaler Ebene Europäische
Kulturhauptstädte wie Glasgow (1990), Graz (2003) und Liverpool (ausgewählt
für das Jahr 2008) das Bild. Die nicht nur kulturelle Neuaufstellung lässt eine
Ausrichtung auf neue Formen des Stadtmarketings im Zeichen von Imagewandel
und gesteigerter Konkurrenzfähigkeit erkennen. Zum Anderen ist die
Hinwendung zur Kultur als Entwicklungsmotor auch am Beispiel Bremens konkret
mitzuverfolgen. In Bremen fließt Stadtmarketing in einer integrativen Art und
Weise in Sanierungsprogramme und die Umgestaltung von Brachflächen mit
ein.
1
Ausgehend von der aktuellen Nutzungsvielfalt (Hochschulbetrieb, Gewerbe,
Gastronomie, Museumsbetrieb und weiteren Dienstleistungen) im Speicher XI
wurde durch den Investor Dr. Klaus Hübotter mittels baulichen und finanziellen
Vorleistungen sowie der Auswahl von neuen Nutzern und Mietern der
Räumlichkeiten die einzigartige Gelegenheit geschaffen, kulturelle Belange des
zukünftigen Stadtteils nachhaltig zu verankern. Können die dortigen Akteure also
Impulsgeber für eine Vitalisierung durch Kultur sein? Es gilt zu bewerten,
inwiefern mutige Pioniere, zusammen mit bereits vorhanden Kulturträgern im
Bremer Westen und Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft, den Anfang einer
,,neuen Ära der Stadtentwicklung" mitbegleiten können.
Wirtschaftliche, gestalterische und soziale Faktoren spielen bei der Imagebildung
eines Stadtteils ebenso eine Rolle wie die kritische Masse, die eine
Standortbildung erst möglich macht.
2
Die Erfahrungen mit großformatigen
Freizeit- und Kulturprojekten wie dem Space Park und dem Musicaltheater
zeigen, dass eine optimale Lösung noch aussteht. Damit die Stadt ihren
Strukturwandel wie geplant vollziehen und entsprechend untermauern kann,
muss ein passendes Konzept entwickelt werden. Wie ­ so eine weitere Frage in
diesem Zusammenhang ­ kann der neue Stadtteil unter Berücksichtigung der
Integration kultureller Faktoren so aufgestellt werden, dass er überlebensfähig
ist? Das heißt, wie kann die Überseestadt selbst eigenständige Potenziale
erhalten und ausbauen?
1
Z. B. in der Innenstadt und in Gröpelingen, Vgl. www.bremen-city.de; www.torhaus-nord.de.
In der Bewerbungsschrift zur Kulturhauptstadt finden sich zahlreiche Beispiele aus der Überseestadt, vgl. F
REIE
H
ANSESTADT
B
REMEN
/
B
REMEN
2010
(H
G
.), Band 2 : 66, 67.
2
Unter "kritischer Masse" werden hier Standortbedingungen wie die bereits erschlossene Infrastruktur, die
Nähe zu Stadtteilen und Wohnquartieren und wirtschaftliche Ankernutzungen verstanden, vgl.
IAW
2003 : 52.

Einleitung
3
1.2 Zielsetzung
Diese Arbeit untersucht anhand einer lokalen Bestandsaufnahme und
Potenzialanalyse die Möglichkeiten, die sich für die Überseestadt im
Spannungsfeld von Revitalisierung, Kultur und Konkurrenzfähigkeit sowohl kurz-
als auch langfristig als Motor im Strukturwandel ergeben. Dadurch wird der
Begriff der Revitalisierung mit kultureller Stadtentwicklung in Beziehung gesetzt
und hinsichtlich seiner bislang wissenschaftlich nicht fundierten Wertigkeit
geprüft.
Im Allgemeinen wird dabei von folgenden Thesen ausgegangen:
1. Für die Einbindung von Kultur als Entwicklungsmotor der Überseestadt
bestehen aufgrund lokaler Ressourcen gute Voraussetzungen.
2. Kultur kann in Verbindung mit wirtschaftlichen, gestalterischen und
sozialen Faktoren langfristig zur Standortbildung und Imageförderung der
Überseestadt beitragen.
1.3 Aufbau der Arbeit
Nach der Darstellung grundlegender Theorien zur Kulturdebatte und einer
Betrachtung der Zusammenhänge von Wirtschaft und Kultur; Innovationspolitik
und Stadtmarketing im Bundesland Bremen (Kapitel 2.1) folgt zunächst die
Klärung zentraler Begriffe wie "Kultur", "Vitalisierung" und "Konversionsgebiete"
(Kapitel 2.2: Definitionen).
Kapitel 3 dient der Präsentation des Untersuchungsgebietes Überseestadt und
ergibt mit der Beschreibung weiterer lokaler Rahmenbedingungen und
Hintergründe die Basis für den praktischen Teil der Arbeit. Der korrespon-
dierende Aufbau der Untersuchung (Untersuchungsdesign) wird in Kapitel 1.4
erläutert.
Zur Behandlung der These 1 werden in Kapitel 4 die Ergebnisse in Form einer
Bestandsaufnahme (4.1: Vorstellung der Akteure) und einer kategorischen
Aufteilung betreffend der aktuellen Auswirkungen von Kultur als
Vitalisierungsfaktor im Untersuchungsgebiet dargestellt (4.2: Vorläufige Effekte
kultureller Aktivität in der Überseestadt).

Einleitung
4
Kapitel 5 analysiert hingegen, was Kultur ­ bezogen auf einzelne Wirkungsfelder
des neuen Stadtteils ­ als Komponente in einer langfristigen Revitalisierungs-
strategie zu leisten imstande wäre.
,,There are those that look at things the way they are, and ask why?
I dream of things that never were and ask why not?" (Robert Kennedy)
3
Im Hinblick auf These 2 wird aufgezeigt, wo diese Potenzialfelder verankert sind.
Angefangen bei Bildung und Wissenschaft, über Kunst, Architektur und Design
bis hin zu touristischer Vitalität auf einst brachliegenden Arealen. Die Hochschule
für Künste (HfK) spielt vor diesem Hintergrund eine wesentliche Rolle. Sie kann
als einer der Akteure vor Ort auch im Zuge der Kulturhauptstadtbewerbung
gleichermaßen als Motor des Strukturwandels und als kulturelle Brutstätte
4
angesehen werden. Ist jedoch Kultur ein geeigneter Revitalisierungsfaktor für die
Überseestadt, der nachhaltig und zukunftsfähig zugleich sein kann? Und falls
dies bejaht werden kann, welches wären die bestimmenden Faktoren für einen
nachhaltigen Einsatz von Kultur als Zukunftsmotor?
Fortführend wird in Kapitel 6 hinterfragt, wohin das Teilziel Kultur in der
Stadtentwicklung der Überseestadt unter diesen Prämissen führen könnte. Unter
Berücksichtigung zukünftiger Einflussfaktoren auf die kulturelle Stadtentwicklung
leitet dieser Abschnitt über zu Handlungsempfehlungen für die Schaffung einer
soliden Basis im Spannungsfeld von Konkurrenzdruck und Nachhaltigkeit.
5
Das Fazit in Kapitel 7 resümiert schließlich die aus der Arbeit gewonnen
Erkenntnisse und stellt sie in den Bezug der Freizeitwissenschaft und der
aktuellen Nachhaltigkeitsdebatte.
3
I
NFOCENTER
Ü
BERSEESTADT
2004 : Ausstellungstext (Vorführraum), siehe Anhang Nr. 13.
4
"Brutstätten und Besessene" ist eines der sechs Leitthemen in der Bewerbungsschrift Bremens zur
Kulturhauptstadt Europas (vgl. F
REIE
H
ANSESTADT
B
REMEN
/
B
REMEN
2010, Band 2, 2004 : 52)
5
Der Konkurrenzdruck bezieht sich hier auf den innerdeutschen und europäischen Städtewettbewerb, der
Begriff der Nachhaltigkeit auf stabilisierende soziokulturelle und wirtschaftliche Effekte der integrierten
Stadtentwicklung.

Einleitung
5
1.4 Das Untersuchungsdesign dieser Arbeit
Für diese Diplomarbeit wurden vielfältige Recherchen zum Thema Hafenstädte
und Revitalsierung durchgeführt. Fortführend fand eine Primärerhebung durch
Anwendung größtenteils qualitativer Methoden aus dem Bereich der
Sozialforschung statt. Von Empirie ist in diesem Zusammenhang aufgrund der
ungenügenden Repräsentativität der Untersuchung nicht auszugehen.
Insgesamt kamen im Verlauf der Untersuchung die Methoden
Sekundärquellenanalyse, teilnehmende Beobachtung, Ortsbegehungen,
Stichproben und Experteninterviews zur Anwendung. Eine Tabelle in Anhang Nr.
6 verdeutlicht den Methodenmix zur Datenerhebung im Hinblick auf Kapitel 4
(Vorstellung der Untersuchungsergebnisse).
6
Nachfolgend werden diese Methoden jeweils konkretisiert.
1.4.1
Sekundärquellenanalyse
Die Interviews wurden durch eine Vor- und Nachbereitung über Broschüren,
Prospektmaterial, Webseiten und sonstige veröffentlichte Materialien, die in
Verbindung mit der Tätigkeit der Interviewpartner standen, umrahmt. Anfangs
diente diese Methode einer allgemeinen Orientierung im Untersuchungsgebiet
und der Aneignung von fachübergreifenden Kenntnissen. Weiterhin wurde eine
tiefergehende Betrachtungsweise von Stadtkultur und Stadtmarketing ermöglicht,
wobei die Recherche im Rahmen des Beziehungsgeflechts von Kultur und
Wirtschaft im Vordergrund stand.
1.4.2
Teilnehmende Beobachtung
Phasen der teilnehmenden Beobachtung
7
finden sich über den gesamten
Zeitraum verstreut. Die begleiteten Situationen verhalfen dazu, besondere
Ereignisse aus der Insider-Perspektive zu erfahren, um das Wissensspektrum
über die Akteure in der Überseestadt kontinuierlich zu erweitern.
Die Beobachtung erfolgte ohne besonderen Fokus auf ein bestimmtes Problem
(deskriptive Methode ohne Beobachtungsbogen).
8
Dabei ist festzuhalten, dass in
6
Aufgrund des Umfanges wurde der Anhang einzeln gebunden eingereicht.
7
Abgrenzung zur nicht-teilnehmenden Beobachtung nach F
LICK
(2002): die nicht-teilnehmende Beobachtung
ähnelt der verdeckten Ermittlung im Feld und vermeidet Interventionen, eine direkte Teilnahme ist daher nicht
möglich (:201).
8
Vgl. F
LICK
2002 : 206 ­ 208. Der Autor betont Anforderungen an die Umsetzung dieser Methode wie z. B. den
Zugang zu einem Feld über Schlüsselpersonen und die Distanzwahrung trotz der möglichen Überschneidung
von gleichzeitig stattfinden Befragungen oder Diskussionen, bei denen sich der Feldforscher auch in einer
Moderatorenrolle wiederfinden kann.

Einleitung
6
den Beobachtungssituationen in der Regel mehr die Rolle der Beobachterin als
Teilnehmerin denn jene der teilnehmenden Beobachterin übernommen wurde.
9
Eine Auflistung der besuchten Orte und Veranstaltungen mit Bezug zum Thema
findet sich in Anhang Nr. 8. Des weiteren sind dort (Raum-) Pläne und Protokolle
zu finden, die aufgrund ihres Umfangs nicht zum Kern der Arbeit gehören, den
praktischen Bezug jedoch gut darstellen können.
1.4.3
Ortsbegehungen
Einzelne Ortsbegehungen werden durch Momentaufnahmen mit der
Digitalkamera dokumentiert, die zur Auflockerung im Text beitragen (vgl. Kap. 4
und 5). Ein Besuch der Überseestadt mit dem ausschließlichen Ziel, die dortigen
Verhältnisse optisch zu analysieren, hat jedoch nicht stattgefunden. Vielmehr
ergab sich die Sammlung dieser Kontextinformationen zufällig.
1.4.4
Stichproben
Als Stichprobe definiert wurden in dieser Arbeit folgende Untersuchungen
hinzugezogen:
1. Auszüge aus der Besucherbefragung im Hafenmuseum im April/Mai 2004
(n = 100, die Zahl der Befragten bezüglich einzelner Fragestellungen
variiert dabei)
10
2. Kurzinterviews mit Studierenden der HfK (n = 7, rein qualitative Erhebung
im Rahmen der teilnehmenden Beobachtung)
3. Leitfaden-Interviews mit Dozenten der HfK (n = 2, rein qualitative
Erhebung)
4. Fragebogenaktion 8 Fragen an die Mieter im Speicher XI im Juli/August
2004 (n = 16, rein quantitative Erhebung).
Die Stichproben zielten auf gesonderte Fragestellungen ab, die die kurzfristigen
Effekte der Kulturkomponente zu Anfang der Revitalisierung in der Überseestadt
verdeutlichen. Sie werden daher in Kapitel 4.2 genauer beschrieben.
9
Unterscheidung nach F
LICK
2002 : 201.
10
Bei dieser Befragung im Rahmen der Learner's Company handelt es sich um einen Praxisverbund zwischen
dem Hafenmuseum und der Hochschule Bremen. Der Fragebogen mit offenen und geschlossenen Fragen kann
in Anhang Nr. 9 eingesehen werden. Die Auswertung kann bei der Auftragnehmerin Sandra Conrad-Juhls oder
auf Anfrage bei der Projektstellerin Frau Golka vom Hafenmuseum Speicher XI eingesehen bzw. als PDF
angefordert werden.

Einleitung
7
1.4.5
Experteninterviews
Das Basiswerk für die Untersuchungsergebnisse bilden 29 Experteninterviews
11
.
Dafür wurde die neutrale, halb-standardisierte Art der Befragung in Form des
persönlichen Interviews gewählt.
12
Die Interviews fanden leitfadengestützt statt,
wobei die Reihenfolge der enthaltenen Fragen im Gesprächsverlauf keine
Beachtung finden musste. Oft fiel es den Befragten leichter, während des
Gespräches Schlagwörter aufzugreifen und dabei frei zu erzählen. Die
Zuordnung der Assoziationen zum Fragengerüst fiel demnach der Interviewerin
in der unmittelbar folgenden, individuellen Nachbearbeitung zu. Die Gespräche
dauerten je nach Gesprächspartner 45 bis 160 Minuten.
Die Auswahl der Gesprächspartner erfolgte sowohl zeitlich als auch inhaltlich
nach dem Muster der schrittweisen Auswahl. Zum Einen konnten dadurch von
Fall zu Fall weitere potentielle Experten ausfindig gemacht werden. Zum Anderen
ergab sich durch diesen Prozess eine zunehmende Vertrautheit mit den
komplexen Aspekten der Untersuchung und damit eine Verbesserung der
Steuerungsfähigkeit der Gespräche durch die Interviewerin.
13
Die Transkripte
können im Anhang Nr. A_1 bis A_29 eingesehen werden.
14
In der Regel wurden die Interviews persönlich durchgeführt. Eine Ausnahme
stellen drei Befragungen dar, bei denen die Adressaten per E-Mail oder Brief
selbst tätig wurden (Transkripte Nr. 9b, 16, 17 und 29). Im Fall des Interviews Nr.
10 hatte die befragte Person bereits vor dem persönlichen Gespräch Notizen in
den Bogen eingearbeitet, welche dann zusammen mit den Ergänzungen der
Interviewerin zum endgültigen Transkript umgearbeitet wurden.
11
Ein Experte hat die Eigenschaft, als Repräsentant einer Gruppe in einem bestimmten Handlungsfeld zu
gelten
(
V
gl.
F
LICK
2002 : 139).
12
Beim halbstandardisierten Interview können sich Fragetypen und Struktur während des Verlaufs der
Erhebung teilweise verändern (F
LICK
2002 : 139).
13
Unterstützt wurde dieser Prozess auch durch Kontextinformationen im Rahmen der Sekundärquellenanalyse
und der teilnehmenden Beobachtung.
14
Unter Transkription wird hier die Reinschrift zuvor handschriftlich gemachter Notizen auf dem Computer
verstanden. F
LICK
(2002) weist darauf hin, dass Feldnotizen aus dem Bereich der qualitativen Sozialforschung
durch die persönliche Art des Forschers, die Situation wahrzunehmen und daraus einen bestimmten Notizstil zu
entwickeln, eine neue Realität konstruieren (: 247 ­ 49). Um diese selektive Wahrnehmung abzumildern,
wurden die Transkripte den Gesprächspartnern später zugesandt und nach Absprache korrigiert (: 248).

Theoretische Bezüge
8
2 Theoretische Bezüge zur Betrachtung von Kultur
in der Stadtentwicklung
In diesem Abschnitt werden zunächst verschiedene Plädoyers für Kultur in der
bundesweiten Stadtentwicklungsdebatte aufgegriffen, um dann insbesondere
diejenigen herauszustellen, die in Zusammenhang mit dem Bundesland Bremen
stehen. Abschließend werden grundlegende Begriffe aus dem Titel dieser Arbeit
definiert.
2.1 Grundideen zum Thema Kultur als
Vitalisierungsfaktor
Viele Mittel- und Großstädte, die sich sowohl den wachsenden Anforderungen
des Strukturwandels als auch wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der
Globalisierung ausgesetzt sehen, versuchen sich im Sinne eines Imagewandels
neu aufzustellen. Adressaten sind potentielle Einwohner, die aus dem Umland
wieder in städtische Wohngebiete gelockt werden sollen. Aber auch bestimmte
Unternehmen, die zu aufstrebenden Branchen gehören (Dienstleistungen,
Forschung und Entwicklung, Kommunikation und Werbung, Hochtechnologie,
Freizeit und Kultur), Touristen und ­ allen voran ­ die Medien, werden
angesprochen.
Diese Realisierungsprozesse der Stadtentwicklung stehen einem
wissenschaftlichen Diskurs im Bereich der Kulturwissenschaft und -politik und der
Stadtsoziologie gegenüber (Ökonomisierung von Kultur versus staatliche
Fürsorgepflicht, Konsumorientierung und Neuaufstellung versus Ausgrenzung
von Randgruppen). Einzelne warnen zudem vor einer zu starken Betonung der
Wertigkeit von Kultur im Standortwettbewerb.
15
Dennoch hat sich das Land Bremen ehrgeizige Ziele gesteckt, um mit Hilfe von
Kultur neue Kräfte im europaweiten Standort- und Imagewettbewerb zu
mobilisieren. Eine Komponente dieses Wandels basiert auf dem Mehrwert von
Kultur. Kultur im weitesten Sinne ­ dabei kann es sich um das Vorhandensein
publikumswirksamer Museen, städtebaulicher Strukturen wie der Schlachte,
Erlebnistouren auf dem Torfkahn, einen Theater- oder Konzertbesuch oder die
Veranstaltung von mehrtägigen Events wie dem Bremer Rolandfest im Juni 2004
handeln. Die Ernennung zur Stadt der Wissenschaft 2005 im März 2004 und die
15
Vgl. G
RABOW
/
H
ENCKEL
/
H
OLLBACH
-G
RÖMIG
1995 : 49); K
ULTURZENTRUM
S
CHLACHTHOF
E
.
V.
(H
G
)
1998 : 60
(Ausstellungskatalog Parks in Space); G
ÖSCHEL
2002 : 7.

Theoretische Bezüge
9
Abgabe der Bewerbungsschrift zur Kulturhauptstadt Europas 2010 im Juni 2004
sind weitere Beispiele dieses erweiterten Kulturbegriffs (vgl. Kap. 2.1.2). An
derartigen Prozessen sind Akteure aus vielen Wirkungsbereichen beteiligt.
16
2.1.1
Basisliteratur zur grundsätzlichen, bundesweiten
Stadtentwicklungs- und Kulturdebatte
Eine Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik (DifU) hat sich eingehend mit
den Möglichkeiten und Grenzen weicher Standortfaktoren befasst (G
RABOW
/
H
ENCKEL
/
H
OLLBACH
-G
RÖMIG
1995). Wenn sich unternehmerische Akteure für
oder gegen einen Standort entscheiden, spielt der Faktor Kultur dabei mitunter
eine ernstzunehmende Rolle, denn Freizeit- und Erlebnisangebote, Bildungs-
und Kulturangebote nehmen Einfluss auf subjektive Einschätzungen hinsichtlich
der Lebens- und Arbeitsbedingungen an diesem Standort (vgl. : 14).
Bezugnehmend auf einen zusammenfassenden Bericht der Autoren ist zum
Einen hervorzuheben, dass
- bestimmte Branchen weichen Standortfaktoren eine größere Bedeutung
zuschreiben als andere,
- weiche Standortfaktoren in einzelnen Entscheidungsphasen stärker
berücksichtigt werden,
- Großstädte im Vergleich zu Klein- und Mittelstädten verstärkt auf
Imagefaktoren achten müssen, wobei das Freizeit- und Kulturangebot ein
Bildelement ist (vgl. : 18 ­ 25).
Zum Anderen darf das Potenzial weicher Standortfaktoren aber nicht zu hoch
eingeschätzt werden, denn
- weiche Standortfaktoren spielen lediglich zu 20 Prozent eine größere
Rolle bei Unternehmensentscheidungen
- unter diesen überwiegt zumeist die Bedeutung des Metafaktors
Wohnen/Freizeit/Umwelt vor dem ergänzenden Metafaktor Kultur/
Attraktivität /Image
- im Bereich innenwirksamer kommunaler Maßnahmen sind Ziele wie
Kommunikation, Transparenz und Austausch im Sinne einer
unternehmerfreundlichen Verwaltung zunächst leichter anzugehen als
eine Verbesserung der Lebensbedingungen (Wohnen, Wohnumfeld,
Freizeit und Erholung) (vgl. ebd.).
16
Infos unter www.city-of-science.de zur Stadt der Wissenschaft und www.bremen2010.de zur Bewerbung
Bremens als Kulturhauptstadt.

Theoretische Bezüge
10
Im Allgemeinen betont die Studie trotz alledem den Wert, den ein gutes Image
der Stadt haben kann, auch wenn das Produzieren positiver Bilder viel, das
Verändern negativer Wahrnehmungen umso mehr, Durchhaltevermögen
verlangt.
17
Darüber hinaus wird den Kommunen dazu geraten, weiche
Standortfaktoren wie Stadtbild, Wohn- und Lebensqualitäten zum Vorteil der
Ortsbindung unternehmerischer Akteure stärker zu betonen (vgl. : 356 - 359).
In einer aktuelleren, im Jahr 2003 durchgeführten Studie des B.A.T.
Freizeitforschungsinstituts in Hamburg, die sich mit dem allgemeinen
Kulturverständnis befasst, kam O
PASCHOWSKI
hinsichtlich der wirtschaftlichen
Begleiteffekte von Kultur zu folgender Schlussfolgerung:
Neben dem Lohnwert und dem Wohnwert entwickelt sich der Kulturwert einer
Stadt zum wichtigsten Standortfaktor. (...) Insbesondere Manager und
Führungskräfte machen ihre Entscheidung für eine berufliche Mobilität von der
Qualität des örtlichen Kulturangebots abhängig. Eine vielseitige Kulturlandschaft
muss in erreichbarer Nähe sein.
18
Dabei sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Befragten (n = 1000) die Städte
Berlin (71%), München (46%), Hamburg (41%) und Dresden (40%) zu den
führenden Kulturmetropolen in Deutschland zählen.
Aus regionalökonomischer Perspektive fragt P
RÄTORIUS
(2002) Wie wichtig ist
Kultur für die Wirtschaft?. Seine Ausführungen, die von der Mikro- bis zur
Makroökonomie reichen, lassen sich wie folgt darstellen (vgl. : 60 ­ 68):
1. Verknüpfung: Unternehmenskultur ­ Mythos oder marktfähiges Instrument?
19
Chancen
Grenzen
- geeignet als langfristige Steuer-
ungsvariable eines Unternehmens
- eine genügende Beachtung von
Unternehmenskultur kann das
Unternehmen (z. B. bei interna-
tionalen Zusammenschlüssen) vor
- Verbreitung wenig anwendbarer
Standardkonzepte in organisations-
theoretischer Literatur, als Unter-
nehmenskultur zum Modethema
der 1980er Jahre avancierte
- kurzatmige Konzepte aus der
17
Definition Image: Wirtschaftliche, kulturelle, historische und räumliche Teilbilder fügen sich zu einem
kompletten Bild zusammen, vgl. G
RABOW ET AL
.
1995
: 356 ­ 359.
18
www.bat.de/default/_a/16qbhw3/_default/Aktuell.PublikationDetail?FE=0CID=1705642CE=5 .
19
A.d.V.: Diese erste Verknüpfung bezieht sich eher auf die in einem Unternehmen geltenden Werte und
Normen als auf die für diese Arbeit gültigen Kulturbegriff, findet jedoch der Vollständigkeit halber Erwähnung. In
der angelsächsischen Literatur werden zu diesem Thema dennoch interessante Bezüge im Schnittfeld von
Wirtschaft und Kultur hergestellt. Vgl. S
ALAMAN
: Culturing Production. In: Du Gay (Ed.) 1997: Production of
Culture / Cultures of Production. London. Open University Press / Sage : 239 - 243 und H
OLTEN
L
ARSEN
:
Managing the Corporate Story. In: S
CHULTZ
/
H
ATCH
/
H
OLTEN
L
ARSEN
2000: The Expressive Organization. New
York. Oxford University Press : 196 - 207.

Theoretische Bezüge
11
Schaden bewahren
- erfolgreiche
Unternehmen
haben
auch eine starke Unternehmens-
kultur
- differenzbildende Bedeutung der
Produktumgebung bei der
Vermarktung
Beraterwelt greifen nicht, wecken
aber Hoffnungen
2.
Verknüpfung: Kultursponsoring ­ Imagegewinn oder Konflikt?
Chancen
Grenzen
- bekanntester Imageträger für
Unternehmen
- ein Standort kann mit unter-
nehmerischen Zielen beeinflusst
werden, so dass er für das
Unternehmen attraktiver wird
- direkter Rückfluss aus ökono-
mischer Sicht nicht möglich: eine
Finanzierung im Kulturbereich geht
selten vollständig auf
- schwierig zu bewertender Image-
gewinn
- beiderseitige Interessen können
aufeinander prallen
3.
Verknüpfung: Ist Kultur tatsächlich ein Standortfaktor?
Chancen
Grenzen
-
Gründungsaktivitäten sind dort am
höchsten, wo persönliche und
institutionelle Netzwerke existieren
- attraktive Standorte zeichnen sich
durch Lebensqualität aus
- die IuK-Branche
20
honoriert
Standorte, die außer einem
innovativen Milieu zudem noch
Lebensqualität besitzen und
fungiert außerdem als Anker für
weitere Ansiedlungen
- Kultur hat einen Eigenwert und
stärkt das Profil einer Region
- Reformfähigkeit kann auch durch
kulturellen Wandel erzeugt werden
- wirtschaftliches und wissen-
schaftliches Umfeld sind die
entscheidenden Standortfaktoren,
bezogen auf die Stichworte
Innovationsmilieu und Human-
vermögen
- allein als dahingestyltes Stadt-
oder Regionalmarketinginstrument
garantiert Kultur noch keinen Erfolg
Tabelle
1
Argumentationsebenen der Mikro- und Makroökonomie im
Schnittfeld Kultur und Wirtschaft nach Prätorius (2002)
20
Informations- und Kommunikationsbranche.

Theoretische Bezüge
12
Im Fazit heißt es dann:
Kultur erkannt und angenommen in ihrer Eigenwertigkeit ­ auch durch die Wirtschaft
­ kann ihre Funktion für die anderen gesellschaftlichen Sphären entfalten. Im
Rahmen eines Regionalkonzeptes sind es vor allem die Schnittpunkte zu den
Bereichen Wissenschaft und Bildung sowie zu Wirtschaft und Tourismus. Kultur
leistet ihren originären Beitrag zur Lebensqualität in einer Region, sie ist
Wirtschaftsfaktor und ­ immer wichtiger ­ auch ein wesentlicher Komplementär für
ein Innovationsmilieu (P
RÄTORIUS
2002 : 67).
S
CHEYTT
(2001) fügt dem noch etwas hinzu: Kultur ist Wirtschaftsfaktor, und
Wirtschaft ist Kulturfaktor (: 35). Im Rahmen kreativer Allianzen zwischen
Kultur und Wirtschaft als Motor der Stadtentwicklung benennt er zwei
Entwicklungsfelder:
- Zum Einen das Stadtprofil mit kultureller Prägung (die Wirtschaft wird
motiviert, besondere städtische Profilierungen über ein langfristiges
Engagement zu stärken)
- Zum Anderen die Schaffung kultureller Stadträume (durch kulturelle
Netzwerke, z. B. Integrationsprojekte, in Form von Stadträumen der
Entschleunigung, d. h. Orten der Ruhe, Muße und Reflexion) und in
Form von Stadträumen für Experiment und kritischen Diskurs, also Frei-
Räume, in denen auch unbequeme Meinungen zum Ausdruck gebracht
werden können, die affirmativer Stadtkultur im Wege stehen (vgl. : 38ff).
21
Trotz der großen Möglichkeiten, die Fundraising, Stiftungswesen und
Sponsorenpartnerschaft bieten, setzt er privatem Engagement durch die
ergänzende Verpflichtung von Staat und Stadt, ebenfalls Kultur zu fördern,
Grenzen.
In verschiedenen Studien zu den wirtschaftlichen Effekten kultureller
Großereignisse ­ nun auch vermehrt in Bezug auf die Nachhaltigkeit von
Kulturhauptstadtjahren ­ ist immer wieder von intangiblen Effekten die Rede.
Kurz: Das Engagement der zumeist öffentlichen Hand ist nicht quantifizierbar
beziehungsweise in Zahlen auszudrücken. Auch für Unternehmen ist die Gegen-
überstellung von Kulturförderung und monetären Effekten problematisch. Eine
sachgerechte Kosten-Nutzen-Analyse im Kulturbereich, die Imageeffekte,
Kompetenzaspekte und Lebensqualität mit einschließt, ist nach Aussage von
21
Das Attribut affirmativ ist hier auf Kulturformen bezogen, die aufgrund ihrer Übereinstimmung mit der
Meinung traditioneller Kulturkonsumenten (Hochkultur) allgemein anerkannt sind. Dem entgegen stehen kann
eine unangepasste Form (Subkultur, Soziokultur) kultureller Entfaltung.

Theoretische Bezüge
13
H
ENNIG
und K
USCHEL
(2004) nur möglich, wenn über tangible Effekte hinaus
gedacht wird.
22
Dabei ist von Bedeutung, den ökonomischen Spielraum
kulturpolitischer Maßnahmen in ihren kulturpolitischen Kontext einzubetten, d. h.
Chancen und Risiken einer Entscheidung innerhalb des jeweiligen Umfeldes und
des kulturellen Klimas zu sehen. Nur so könne nachhaltig und ökonomisch
erfolgreich gehandelt werden.
Bei der Stadtentwicklung ist es jedoch ein gewagtes Unterfangen, diese
Nachhaltigkeit zu realisieren. Nach S
CHÄFERS
und W
EWER
(1996) kann der
Zwang zur Attraktivitätssteigerung von Städten im Rahmen der Globalisierung
auch einen Zuwachs an sozialer Ungleichheit hervorrufen (: 10). D
ANGSCHAT
(1996) diskutiert globale Herausforderungen ­ z. B. Umstrukturierung regionaler
Wirtschaftssysteme, ein verändertes politisches Selbstverständnis und
Polarisierungen und Pluralisierungen der Stadtgesellschaften ­ dahingehend,
dass Stadtentwicklung heute den Umgang mit neuen Lebensstilen und
Wohnformen, aber auch mit wachsender Armut bedeutet. Die Anstrengungen der
Kommunen, hier neue Planungsmodelle inklusive Bürgerbeteiligung und
Strategien der Hilfe zur Selbsthilfe zu entwickeln, deutet er als politische
Notwendigkeit, im Zuge der Stadtentwicklung sozialen Ausgleich herzustellen
(vgl. : 46ff).
Zur neuen Urbanität im Schnittfeld von Stadtmarketing und Architektur äußert
sich Gabriele K
ÖHLER
(1996). Sie führt das Erwachen der Städte zum
Erlebnisraum zeitlich auf den Boom der Fußgängerzonen in den 70er Jahren
zurück, da damit einhergehend Architektur als Kulisse der Produktgestaltung
zum Verkaufsargument avancierte. Dabei kritisiert sie die Zweckentfremdung des
ursprünglich zivilisationstheoretischen Begriffes Urbanität als Modewort der
Stadtgestaltung und des damit verbundenen Konkurrenzkampfes unter den
Kommunen (vgl. : 234 - 39).
23
Im Spannungsfeld von Wirtschaftsförderung, Kulturbetrieb und städtischer
Identität setzt Band 6 der Wolfenbütteler Akademietexte zur kulturellen Bildung
bei der Betrachtung von Kultur als Entwicklungsfaktor an. Der Herausgeber
betont, dass die Gesamtheit öffentlicher und privater Kultureinrichtungen und ­
ereignisse zunehmend als Motor auch der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
22
Die Verfasser haben sich mit einer kultur-ökonomischen Analyse am Beispiel der Kulturhauptstadt Graz 2003
befasst.
23
: Simmel (1903) umschreibt Urbanität als eine Verhaltensweise, die sich aus dem Geistesleben der
Großstadtmenschen entwickelt hat und sich von Bewohnern auf dem Land klar abgrenzt.

Theoretische Bezüge
14
erkannt und gefördert wird (E
RMERT
2002 : 5). Hier kann generations-
übergreifend ein Zitat des früheren Bundespräsidenten Theodor Heuss
herangezogen werden: Mit Politik kann man keine Kultur machen, aber vielleicht
kann man mit Kultur Politik machen
(vgl. : 59).
24
G
ÖSCHEL
(2002) widmet sich in dem Kapitel Kommunale Identitätspolitik:
Marktstrategie, kulturelle Bildung oder Heimat der Bürger? der Frage, inwieweit
Kultur als Standort- und Wirtschaftsfaktor zu sehen und zu fördern ist. Seiner
Ansicht nach wird Kultur im Zeitalter des postmodernen Überganges von der
Dienstleistungs- zur Wissensgesellschaft, auf kommunaler und individuelle
Ebene tatsächlich ökonomisch und unterliegt damit einer doppelten
Anforderung:
Zum einen muss die Stadt in der kommunalen Konkurrenz als Gesamtprodukt,
als Ware angeboten und erkennbar werden, und zweitens muss dieses Produkt
Stadt den Anforderungen der Seinsökonomie genügen, das heißt, es muss für
den Einzelnen wünschenswert erscheinen, sich mit einer bestimmten Stadt zu
verbinden, sie sich anzueignen, weil ihr Image, ihre Produktqualität ein
bestimmtes Sein verspricht (G
ÖSCHEL
2002 : 16).
P
RIGGE
(1998) spricht vier Mechanismen im Urbanisierungsprozess an:
25
1. Fragmentierung des Stadtraums ­ es gibt lokale, regionale und internationale
Teile der Stadt; innerstädtische, privilegierte Erlebnisräume für Konsum, Freizeit
und Tourismus bilden sich heraus
2. Individualisierung ­ Wahlmöglichkeit von Lebensstilen, marginalisierte Gruppen
3. Mediatisierung ­ kulturelle Milieus werden räumlich und zeitlich entortet;
Weltkultur und städtische Kultur überschneiden oder vernetzen sich
4.
Suburbanisierung ­ Region und Landschaft weisen polyzentrische Strukturen
auf; Übergänge von der Industrie- zur Stadtlandschaft.
Dies wirft Fragen auf, die das Haus der Architektur in Graz in dem Band 100%
Stadt ­ Der Abschied vom Nicht-Städtischen im Rahmen zweier Symposien
aufgenommen hat:
Wird Stadt allgegenwärtig und überall sein? Erreicht sie eine neue Qualität von
Künstlichkeit? Hat sich Architektur dem Diktat des Bildes zu beugen? Hat
Stadtentwicklung zum Marketing zu werden? (H
UBEL
/
V
ÖCKLER
/
S
AIKO
2003 : 10).
24
Heuss war von 1949 ­ 59 erster Bundespräsident.
25
Vier Fragen zur Auflösung der Städte. Edition Bauhaus, Bd. 10.

Theoretische Bezüge
15
Insbesondere wird später in Bezug auf den Strukturwandel der europäischen
Stadt darauf eingegangen, dass sich das Verhältnis zwischen Öffentlichkeit und
Privatheit (funktional, juristisch, sozial, materiell-symbolisch) verschiebt:
Industriebrachen und Konversionsflächen werden zu (Büro-) Parks und
Wohnflächen (vgl. S
IEBEL
2003 : 19). Kulturelle Potenziale liegen laut S
IEBEL
eben auch in den phantasievollen Spielräumen, die die Umnutzung historischer
Gebäudebestände bereitzustellen vermag. In diesem Möglichkeitsraum, wie
zum Beispiel in einem ungenutzten Stahlwerk im Ruhrgebiet, sind verschiedene
Deutungen von Urbanität möglich (vgl. : 29).
Im Abschnitt Der öffentliche Themenpark von Alexa W
ALDOW
-S
TAHM
(2002)
wird weiterhin deutlich, dass auch der 60 Hektar große Allerpark bei Wolfsburg
eine Entdeckung und Eroberung der gewerblich genutzten Ufer des Kanals ist
(: 125 ff). Das Bild der früheren Industriestadt ist einem neuen, glaubwürdigen
Bild gewichen. Wobei man den Eindruck gewinnt, es sei mit dem Instrument der
integrierten Stadtentwicklung und nicht nur mit Teilzonen gearbeitet worden.
In dem Magazin Locum Destination Review (Herbst 2002) heißt es in Anlehnung
an das neue Markenbewusstsein europäischer Städte:
Cultural projects give emotional 'fuel' for destination brands. And cultural brands
can be adopted by commercial regeneration projects. Ultimately, correctly
planned cultural projects can add significant value to regeneration ( : 74).
Das heißt, kulturelle Inhalte müssen auch vermarktbar sein. Mit dem Begriff
Destination Brand (siehe Abbildung 1) lässt sich dies schematisch erfassen:
In diesem Zusammenhang ist Kooperatives Stadtmarketing für Entschei-
dungsträger einer Stadt ein wichtiges Stichwort (Z
ERRES
/ Z
ERRES
2000).
Abbildung 1
Can culture lead urban regeneration?
(Quelle: Locum Destination Review, Autumn 2002 : 74)
Destination
Brand
Cultural Attractions
Markets
Infrastructure

Theoretische Bezüge
16
Hierbei handelt es sich ebenfalls um Wirtschaft und Kultur, weiche
Standortfaktoren und City-Management. Der Gesamtbegriff, dem man (nach
Philip Kotler) im Konsumgüterbereich mit Beziehungsmarketing bezeichnet,
setzt voraus, dass das Verwaltungs-, Standort-, Tourismus- und City-Marketing
einer Stadt im Rahmen eines Leitbildes gemeinsam koordiniert wird (vgl. : 31 ­
33). Dabei können sogenannte Szenario-Modelle zum Einsatz kommen.
26
Das Leitbild beruht auf einer gemeinschaftlich ermittelten SWOT-Analyse und
muss zugleich herausfordernd, realisierbar und nach außen und innen
kommunizierbar sein.
27
Grundsätzlich wird es individuell entwickelt und später
durch konkrete monetäre, raumorientierte und psychografische Stadtmarketing-
ziele untermauert. Durch die Vermeidung von Reibungsverlusten und dem
Erzielen von Synergieeffekten führt dies im Erfolgsfall zu...
... einer Verbesserung der Standortqualität für die Wirtschaft
... einer Erhöhung der Lebensqualität für die Bewohner und Besucher
... einer Effektivierung von Verwaltung und Politik.
Eventmarketing als Bestandteil eines Kommunikationskonzepts des
Stadtmarketings wird in diesem Band ebenfalls behandelt. Voraussetzungen für
Unverwechselbarkeit und Medienrelevanz seien richtige Stories, in denen
Information und Emotion miteinander in Kontakt treten können (vgl. S
TAHMANN
2000 : 126).
Aus touristischer Betrachtungsweise heraus verweist der K
ULTURAUSSCHUSS DES
D
EUTSCHEN
S
TÄDTETAGES
(1995) auf die Erforderlichkeit der Bürgerbeteiligung
bei der Konzeption stadttouristischer Angebote (: 12). Dazu gehören auch
kulturelle Einrichtungen, die nicht ohne weiteres in die Vermarktung der
geforderten Ereigniskultur eingereiht werden sollten. Dennoch benötigten ­ so
das Grundsatzpapier ­ kulturelle Akteure, die den Wunsch hätten, auswärtige
Besucher anzuziehen, eine Marketingstrategie, die sich in die
Marketingkonzeption der Gesamtstadt einfügt.
Auch B
ECKER
(1993) betont in dem Band Kulturtourismus ­ eine Einführung,
dass für Urlauber ausgerichtete Kulturangebote in diesem Segment
26
Eine gedankliche Vorwegnahme möglicher Zukunftsszenarien kann exogene Faktoren beeinflussen und
endogene Ressourcen neu ausrichten und koordinieren (L
IST
2000 : 133). Durch Szenario-Modelle im Rahmen
von Zukunfts-Labors in interdisziplinären Teams wird die Zukunft greifbarer und die Erarbeitung von
Präventivmaßnahmen und Alternativen ermöglicht (ebd. : 139ff).
27
SWOT = engl. Strenghts-Weaknesses-Opportunities-Threats für Stärken-Schwächen-Chancen-Risiken,
nach K
OTLER
2003 : 102.

Theoretische Bezüge
17
gebietsspezifisch und authentisch erlebt werden sollten. Darüber hinaus
verlangt er Umwelt- und Sozialverträglichkeit und Inhalte, die mit Sachkenntnis
und Phantasie gleichermaßen ausgerüstet sind. Die Potenziale des
Kulturtourismus werden von ihm wie folgt zusammengefasst:
[Kulturtourismus kann] Bauten, Relikte und Bräuche in der Landschaft, in Orten
und Gebäuden nutzen, um dem Besucher die Kultur, Sozial- und
Wirtschaftsentwicklung des jeweiligen Gebietes durch Pauschalangebote,
Führungen, Besichtigungsmöglichkeiten und spezifisches Infomaterial
nahezubringen. Auch kulturelle Veranstaltungen dienen häufig dem
Kulturtourismus (B
ECKER
1993 : 8).
Vertiefende Textstellen zu den Themenfeldern Kulturpolitik, Kulturpraxis,
Stadtmarketing und Architektur finden sich in Anhang Nr. 24ff.
2.1.2
Fokus: Kultur im Bundesland Bremen
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen weist Kultur auch im Lande Bremen
einen engen Zusammenhang mit monetären, raumorientierten und
psychografischen Stadtmarketingzielen auf.
28
Beispiele sind die Berücksichtigung
von Stadtteilimages bei der Zuweisung von Sanierungsprogrammen, die
zunehmende politische und institutionelle Vernetzung zwischen Wirtschaft,
Wissenschaft, Kultur und Stadtentwicklung und die Inhalte, die Bremens
Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas 2010 transportiert:
In den Leitzielen der Stadtentwicklung spielt die Sanierung mit Hilfe des
Investitionssonderprogramms (ISP) ein große Rolle. Auf ökonomischer Seite wird
die Umrüstung der Häfen angesprochen, ökologisch gesehen ist die integrative
Stadtentwicklung mit der Innenentwicklung der Außenentwicklung vorangestellt.
Im Bereich Lebensqualität wird eine ausgewogene Kultur- und
Bildungsversorgung und die Stärkung der (Einzelhandels-)Zentren angestrebt
(vgl. S
EN
.
FÜR
B
ILDUNG
,
V
ERKEHR UND
S
TADTENTWICKLUNG
1998 : 14ff). Diese
Ziele dienen vor allem dazu, der Abwanderung von Arbeitskräften und der
Bevölkerung ins niedersächsische Umland entgegenzuwirken. Gestützt werden
sie u. a. durch ein Marketingkonzept, das Bremens Vorzüge als Wohn- und
Arbeitsort betont (vgl. www.bremen-service.de) und durch einen stadtteil- und
quartiersbezogenen Ansatz im sozialräumlichen Bereich.
28
Beispiele: monetär: Erhöhung von Übernachtungszahlen im Städtetourismus, raumorientiert: Verbesserung
der städtebaulichen Struktur, psychografisch: Herausbildung einer städtischen Identität (vgl. M
ENSING
/
R
AHN
2000 : 33).

Theoretische Bezüge
18
Vor diesem Hintergrund kann die Umsetzung der Sanierungsstrategie in
Gröpelingen als beispielhaft gelten, die eine Verbindung zwischen
Stadtteilsanierung, stadtteilnaher Wirtschaftsförderung und Kunst und Kultur
herstellt (vgl. Kap. 3.6.1). Die hier gemachten Erfahrungen im Rahmen des
europäischen Förderprogramms URBAN
29
können auch für andere bremische
Stadtteile richtungsweisend sein:
Vielfältige Fördermöglichkeiten und Bürgerpartizipation zusammen können eine
große Eigendynamik zum Vorteil des Stadtteils entwickeln (Kulturelle Aktivitäten,
Schaffung zentraler Orte, Entwicklung von stadtteilbezogenen Dienstleistungen)
(vgl. B
REMISCHE
/
K
ULTUR VOR
O
RT
2001 : 7)
Kunst kann einem Verschwinden der Öffentlichkeit in den Städten
entgegenwirken. Als kritischer Bestandteil der Stadtentwicklung ist sie subversiv
und konstruktiv zugleich (vgl. B
ECK
/
L
IFFERS
2001 : 25, 26)
30
Wenn ein Standort für Unternehmen der Kulturwirtschaft, z. B. Werbe-, Design-
und Veranstaltungsagenturen interessant ist, kann sich ein kreatives Milieu mit
großer Ausstrahlung für die gesamte Stadt entwickeln
31
(vgl. : 14)
Andererseits sind Schritte erkennbar, die der Kultur eine große Bedeutung
einräumen und dadurch das Profil Bremens allmählich in Richtung Außenwirkung
prägen:
Bereits 1999 entstand in Bremen unter der Federführung von Bernd Hockemeyer
der Arbeitskreis Wirtschaft und Kultur, welcher später von Uwe A. Nullmeyer
weiter intensiviert wurde. Mit der Erstellung von Leitlinien zur Kulturpolitik in
Bremen dokumentierte die Handelskammer im September 2000 einen wichtigen
Meilenstein der bremischen Wirtschaft: Kunst und Kultur wurden als weitere
Standortfaktoren anerkannt, um das Bundesland als Wirtschafts-, Innovations-
und Kulturstandort zu attraktivieren (H
ANDELSKAMMER
B
REMEN
2000). Eckpunkte
dieser Leitlinien sind
1. Die Bremische Kulturtradition (Bürgersinn, privates und institutionelles
Engagement)
29
URBAN folgte 1995 der Städtebauförderung (Sanierung des südlichen Lindenhofviertels durch die
Bremische) und endete 2001. Parallel dazu und im Anschluss daran leisteten das Bund-Länderprogramm WIN
(Wohnen in Nachbarschaften, 1999 ­ 2004 und ein Sofortmaßnahmenprogramm Innenstadt/Nebenzentren)
umfangreichen Beistand (B
REMISCHE
/
K
ULTUR VOR
O
RT
(H
G
.)
2001
: 6).
30
Ein Beispiel ist das Projekt Über Räume von Gunther Gerlach: temporär erzeugten überdimensionale
Skulpturen, Pflanzen oder Gebrauchsobjekte lokale Irritationen an öffentlichen Orten in Gröpelingen.
31
Ein Beispiel ist das Lichthaus Plus Neue Kunst, ein ehemaliges Verwaltungsgebäude der AG Weser. Initiator:
Heiner Hellmann, auch Mitbegründer des Veranstaltungszentrums Pier 2 (: 15, 16, 30, 31).

Theoretische Bezüge
19
2. Die Rolle der Kulturpolitik (Kultur ist eine Querschnittsaufgabe verschie-
dener Senatsressorts) und
3. Kultur als Anspruch und Verpflichtung. Angestrebt werden die
Entwicklung einer neuen Stifterkultur, eine bessere Kulturbericht-
erstattung und die Initiierung einer Sponsorenbörse (vgl. ebd.).
Im Magazin Wirtschaft in Bremen hieß es im Januar 2002 darauf aufbauend:
Nur eine Stadt, die neben infrastrukturellen und wirtschaftlichen Anstrengungen
auch deutlich Einsatz für die Verbesserung der kulturellen Lebensqualität zeigt,
wird langfristig prosperieren (Bernd Hockemeyer, Vizepräses der
Handelskammer Bremen, vgl. S
CHULZE
2002 : 8). Diese Einstellung übertrug sich
im Zuge des DIHK-Arbeitskreises in Berlin auch auf andere Industrie- und
Handelskammern in ganz Deutschland (DIHK 2002 : 8).
So wird deutlich, dass das kulturelle Engagement von Unternehmen, etwa in
Form von Marketingaktionen, Imagepflege und Kultursponsoring, die
Ausstrahlung einer Stadt entscheidend mitprägen kann.
Ebenso weisen verschiedene Konzepte und Programme aus den bremischen
Ressorts Schnittstellen zu Kultur als Komponente der Stadtentwicklung auf
(G
ÖBBEL
2004):
32
- Das Stadtentwicklungskonzept STEK 1999 ­ 2009 (S
EN
.
FÜR
B
AU
,
S
TADTENTWICKLUNG UND
V
ERKEHR
:
1999) beinhaltet bereits ein Konzept für
Kultur, Freizeit und Tourismus und spricht damit eine erforderliche
Maßnahmenplanung für einen kulturellen Strukturwandel im Sinne einer
Vernetzung dieser Attribute auch in den Stadtteilen an
-
Das Integrierte Flächenprogramm IFP 2010 (S
EN
.
FÜR
W
IRTSCHAFT UND
H
ÄFEN
:
2002) bezieht sich mit seinen Aussagen zum Strukturwandel, zur Revitalisierung
von Industriearealen und zur Standortbildung u. a. auch auf die Überseestadt und
die Aufwertung von Quartieren durch ein kulturelles Angebot
-
Das Papier Wirtschaftsstandort Bremen 2003 ­ 2004 (S
EN
.
FÜR
W
IRTSCHAFT
UND
H
ÄFEN
2003) benennt die Bedeutung von Tourismus und integriertem
Standortmarketing für kulturell-wirtschaftliche Strategiefelder Bremens, wobei
die Vorbereitung auf das Kulturhauptstadtjahr 2010 relevant für das Motto
Lebenswerte Hansestadt ist
32
Synopse ausgewählter standortpolitischer Positionen bremischer Ressorts und Dritter zur Unterstützung der
Entwicklung eines Konzeptes zur kulturpolitischen Profilierung des Standortes Bremen (Beschluss des Senats
vom 28.10.03).

Theoretische Bezüge
20
-
Der Wissenschaftsplan 2010 (S
EN
.
FÜR
B
ILDUNG UND
W
ISSENSCHAFT
2003) stützt
mit seinen Zielen zur Weiterentwicklung der Bremer Wissenslandschaft Ansätze
für medientechnologische Entwicklungen in Kunst und Kultur und E-Culture.
Darüber hinaus trägt die Profile Intermedia als internationaler
Mediendesignkongress der HfK bereits zur Profilbildung der Hochschullandschaft
bei
-
Die Bundesbewerbung Stadt der Wissenschaft 2005 (B
REMEN UND
B
REMERHAVEN
2003) enthält hinsichtlich ihrer Programmmodule für das kommende Jahr eine
Vielzahl von kulturellen Bezügen im Bereich von Wissenschaft und Kunst. Mit der
Stadtmarketing-Dachmarke City of Science wird sie als zentraler Faktor der
Modernisierung Bremens und Bremerhavens angesehen.
33
Im März 2004 erhielt
Bremen unter fünf deutschen Mitbewerbern den Zuschlag vom Stifterverband für
die Deutsche Wissenschaft.
In diesem Zusammenhang vermittelt die Arbeitsgruppe Wissenschaft und Kunst
(WiKu) zwischen dem Wissenschaftssektor und der Kulturhauptstadt-Intendanz.
Sie bündelt das Potenzial von Partnern und Projekten in Bezug auf die
Kulturhauptstadtbewerbung und stellt die Rolle der Wissenschaften als Motor des
Strukturwandels heraus. Eine entscheidende Funktion nimmt dabei der kulturelle
Dialog der betreffenden Disziplinen mit der Stadt ein. Überregionale Wissen-
schaftsveranstaltungen, die Bremen im Vorfeld der Entscheidung ins euro-
päische Schaufenster (H
ELLER
2003) stellen sollen, sind in Planung.
34
Die Bewerbung Bremens als Kulturhauptstadt baut zum Großteil auf diese
Entwicklungen auf. Die sechs Leitthemen der Bewerbung Bremens sind...
1. Brutstätten
und
Besessene
2.
Kultur für Bremen und darüber hinaus
3.
Gdansk und Riga. Partnerstädte im neuen Europa
4.
Zivilgesellschaft und Good Governance
5.
Kultur mit Kindern und Jugendlichen und
6.
Stadtentwicklung als Zukunftsmotor.
35
Seit der Veröffentlichung des Papiers Baustelle Bewerbung im Oktober 2003
und der Abgabe der zweibändigen Fassung eines Bewerbungsbuches im Juni
2004 (Was Bremen ist / Was Bremen will) konnte Bremen mit den
33
Autoren der Bewerbung waren G
ERDES
/W
EFER
/P
AULS
/S
TRASSER
; die Planungsgruppe bestand aus den
Hochschulen im Lande Bremen, dem Alfred-Wegner-Institut in Bremerhaven und der BMG.
34
Vgl. J
OOST
-K
RÜGER
2003/04: Sitzungsprotokolle und Gesprächsnotizen AG WiKu.
35
Vgl. F
REIE
H
ANSESTADT
B
REMEN
/
B
REMEN
2010,
Band 2, : 51ff

Theoretische Bezüge
21
Feierlichkeiten zum Rolandfest, dem Auftritt der Hansekogge in Berlin und einem
rückenstärkenden Portrait im 3sat- Kulturhauptstadt-TÜV Zeichen setzen und
Sympathien einfangen.
36
Folgende Zitate sollen zur Verdeutlichung des außenwirksamen Profils Bremens
angeführt werden:
Als deutsches Beispiel eines Freizeitsolitärs mit enormer Öffentlichkeitswirkung kann
das Universum Science Center in Bremen angeführt werden. (...) Der markante
Baukörper, dessen Investitionsvolumen rund 17 Millionen Euro betrug, übernahm
innerhalb kürzester Zeit Wahrzeichenfunktion für die Hansestadt Bremen
(K
OINEKE
/F
REITAG
2003 : 41).
Bremen möchte ein Modell dafür sein, wie zukunftsgerichtet mit Kultur als urbaner und
sozialer Ressource umzugehen ist (F
REIE
H
ANSESTADT
B
REMEN
/
B
REMEN
2010,
Band 2, :
51).
(...) Die schwindende Sicherheit öffentlicher Subventionen, die wachsende Mobilität des
Publikums sowie die zunehmende Konkurrenz der Städte um Tagesbesucher,
Kulturtouristen, Geschäftsreisende und Einwohner zwingen zum Umdenken. Parallel
dazu schwindet die Gleichgültigkeit gegenüber Besucherstatistiken, Stadtmarketing und
Tourismusförderung (: 62).
[Kultur als Standortfaktor und Initiator im Strukturwandel] ­ der Kultur kommt in diesem
Prozess eine entscheidende Rolle zu. Sie definiert Sinn und Qualität des Aufbruchs. Und
sie ist die Schlüsselressource zur nachhaltigen Neuerfindung Bremens (B
REMEN
2010:
Pressemitteilung ITB 04: Bewerbung Bremens als Kulturhauptstadt Europas).
In den zehn Jahren Pionierarbeit ist es Bremen gelungen, die Gratwanderung zwischen
Kunst und Vermarktung in einer Balance zu halten, so Sondergeld, 'die den
Kommerzverdacht ausschließt'. Hier wird nichts gemacht, was das Kulturangebot
entwertet, aber alles dafür, das es nicht im Verborgenen bleibt
37
(H
ERSTATT
2004 : 398).
... und das Ergebnis war, dass Bremen ein neutrales Image hat, also weder positiv noch
negativ, aber dass Bremen ein Bekanntheitsproblem hat und zwar ein ganz, ganz
gravierendes (G
OLDMANN
/K
ITTLAUSZ
2004 : 3. Gespräch mit Peter Siemering, Geschäfts-
führer der Bremer Touristik-Zentrale, anlässlich des Projektes Tourist City im Juni).
36
Vgl. Pressespiegel (einsehbar bei B
REMEN
2010); zur aktuellen Öffentlichkeitsarbeit siehe
www.bremen2010.de), das Bewerbungsbuch ist im örtlichen Buchhandel erhältlich.
37
Dr. Klaus Sondergeld ist Geschäftsführer der BMG (Bremen Marketing Gesellschaft mbH) und betreut in
dieser Funktion auch das Projekt Bremen2010.

Theoretische Bezüge
22
2.1.3
Résumée zur Kulturdebatte
Die aufgeführte Literatur zeigt, dass die Bedeutung von Kultur im
Zusammenhang mit wirtschaftlichen, sozialen und gestalterischen Attributen
einen großen Wirkungskreis umfassen kann. Dies gilt sowohl im kleinen Rahmen
auf der Unternehmerseite, als auch in weiter gefassten Bereichen des
Stadtmarketings auf der Landesebene und den jährlichen Kulturhauptstadt-
Auftritten auf europaweiter Ebene.
Folgende Schlüsse können daraus im Vorfeld der Untersuchung zur
Überseestadt Bremen gezogen werden:
·
Kultur ist zu einem Unterscheidungsmerkmal geworden, um im
Zeitalter von Globalisierung und Städtewettbewerb Image- und
Standortvorteile zu unterstreichen
·
Dort, wo der Konkurrenzdruck innerhalb der Städte ansteigt,
versuchen sich diese durch die kulturelle Ausgestaltung des sozialen
und räumlichen Umfeldes stärker voneinander abzugrenzen
·
Traditionelle Werte und historische Bezüge werden in ganz Europa
genauso zu den Wurzeln städtischer Identität gemacht wie
gegenwärtige künstlerisch-kulturelle Alleinstellungsmerkmale und
touristische Zugpferde. Auf der anderen Seite bemüht man sich,
Modernisierungstendenzen in dieses Bild zu integrieren und - je nach
den verfügbaren Ressourcen und dem gewünschten Grad der
Neuaufstellung ­ Innovationswillen zu demonstrieren.
Welche Auswirkungen hat dies aber auf die Entwicklung der Überseestadt, die
sich nach allgemeinen Schätzungen innerhalb der nächsten 20 Jahre zu einem
neuen Stadtteil mausern wird?
In Anbetracht der Tatsache, dass es in den alten Hafengebieten infolge des
Zusammenbruchs der AG Weser und der schrittweisen Verringerung des
Stückgutverkehrs viele brachliegende Gebiete gibt, scheint hier der Architektur
eine besondere Rolle zuzukommen. Doch dafür braucht es geeignete
soziokulturelle, wirtschaftlich-kommerzielle oder künstlerisch-experimentierende
Inhalte.
Stark vereinfacht macht diese Wechselwirkung bereits die Tragweite des
Begriffes Revitalisierung aus. Wie die folgenden Definitionen zeigen, kann Kultur
dabei eine tragende Rolle zukommen.

Theoretische Bezüge
23
2.2 Zentrale Begriffe der Arbeit
Die hier dargelegten Definitionen basieren im Rahmen ausgewählter Literatur auf
der Auslegung der jeweiligen Begriffe im aktuellen Sprachgebrauch und dienen
dazu, den Titel dieser Arbeit auch für Laien verständlich zu machen.
2.2.1
Kultur
In dieser Arbeit soll Kultur im erweiterten Sinne betrachtet werden. Hierzu zählt
also nicht nur die Hochkultur (z. B. der Besuch eines klassischen Konzertes oder
Theaterstückes), die Unterhaltungskultur (z. B. der Besuch eines Popkonzertes
oder der Kinobesuch) und die Soziokultur (z. B. eine lokalkritische Installation in
einem Park), sondern auch Verflechtungen wie
-
Edu- und Infotainment
38
-
Public Understanding of Science (kurz PUS genannt)
-
Ausdrucksformen bildender Kunst und Architektur
- Wohnkultur
und
Lifestyle
-
Stadtkultur (vgl. H
ELLER
2003).
Nach S
CHEDLER
(2003) stehen sich Kunst und Freizeit, Kultur und Unterhaltung
ohnehin nicht mehr in einem Konkurrenzverhältnis gegenüber, sondern sind Teil
der Lebenskunst und Sinnherstellung eines jeden Menschen.
39
Auszugsweise
und vereinfacht sollen die folgenden seiner Feststellungen in Bezug auf die
Wechselbeziehungen zwischen Kunst und Unterhaltung erwähnt werden:
- Was künstlerisch wertvoll ist und was nicht, entsteht u. a. durch die
Distinktionsmerkmale einer Gruppierung bzw. Gesellschaftsordnung, hat sich im
Laufe der Zeit verändert und wird sich weiterhin verändern
-
Perspektivenwechsel: Ob Kunst den Betrachter unterhält, hängt nicht von der
Kunst ab, sondern vom Betrachter, der sich gut unterhält oder eben nicht
(S
CHEDLER
). Kunst und Kultur können Halt geben und dabei spannend oder
entspannend sein
-
Eine Theorie der guten Unterhaltung müsste heute dazu fähig sein,
Erkenntnishunger und Mußebedürfnis spielerisch zu kombinieren. Die
Vermittlung von Kunst in Zeiten des Infotainments ist auf Kommunikation und
Dialog angelegt, motiviert zum Verstehen und gibt Orientierung (S
CHEDLER
).
38
Education / Entertainment = Edutainment, Information / Edutainment = Infotainment.
39
E = elitär, U = Unterhaltung.

Theoretische Bezüge
24
O
PASCHOWSKI
vom B.A.T. Freizeitforschungsinstitut in Hamburg kommt in einer
Studie (n = 1000, ab 14 Jahren) von 2003 zu folgendem Schluss:
-
Zur Kultur gehören heute Vielfalt und Vielseitigkeit, Klassisches und Modernes,
Ernstes und Unterhaltsames. (...) Zum Bildungsanspruch gesellt sich der
Unterhaltungswert
-
Elite und Masse sind in der Kulturlandschaft von heute keine Gegensätze mehr,
weil beide inzwischen Markt- und Massencharakter bekommen haben
-
E- und U-Kultur wachsen zu einer neuen Integrationskultur zusammen, in der
auch Reflexion und Emotion, Bildung und Unterhaltung zusammen gehören
- Besonders bei der jüngeren Generation im Alter bis zu 34 Jahren ist Kultur
Breitenkultur: Das neue Kulturverständnis gleicht einer gelungen Symbiose von
Ernst und Unterhaltung, Kunst und Kommerz
40
2.2.2
Vitalisierungsfaktor
Vitalisierung = Belebung, Revitalisierung = Wiederbelebung
In der Auswertung des internationalen Workshops New Epoc
41
(W
ARSEWA
2004a) findet sich eine aktuelle Beschreibung von Revitalisierungsprozessen:
Der traditionelle maritime Wirtschaft verliert zusehends ihre Funktion als
ökonomische Grundlage, aber auch als Element der regionalen Kultur und der
urbanen Entwicklung (vgl. : 1). Revitalisierung besteht in diesem Zusammenhang
in der (...) Ablösung von industrieller, materieller (Hardware-)Produktion durch
die Herstellung von Wissen, Information und Dienstleistungen (...) wobei sich
neue Wirtschafts- und Beschäftigungsformen, aber auch neue Denkanstöße
ergeben. Der Identitätswandel durch Erneuerungsstrategien zur Rückeroberung
der Waterfront und der Hafenareale ist mithin vielleicht der schwierigste Teil in
dem gesamten Strukturwandelprozess. Die Partizipation der Bewohner in den
Städten bei der Zielfindung der neuen Identität ist dabei entscheidend
(W
ARSEWA
2004a : 2, 3).
40
Quelle: Opaschowski 2003, BAT Hamburg.
41
Der Workshop trug den Titel Revitalisation of old Port Areas und basiert auf dem EU-Projekt reNEWing
Economic Prosperity for POrt Cities. Bremen nimmt daran zusammen mit seinen Partnerstädten aus dem
Maritime City Network (MCN) teil. Die Veranstaltung wurde vom 06. und 07. Mai 2004 im Speicher XI in der
Überseestadt abgehalten (vgl. W
ARSEWA
2004b : Kurzbeschreibung).

Theoretische Bezüge
25
Beispiele für Aktivitäten im Bereich der Revitalisierung (vgl. W
ARSEWA
: 4 ­ 12)
sind:
Räumliche Erschließung als städtischer Lebensraum (Fußgängerwege,
Hafenpromenaden, Zufahrtsstraßen, Verbindung auf dem Wasser)
Edutainment, Vergnügungs- und Freizeitareale auf freiwerdenden Flächen
Erhalt von denkmalgeschützten Bauten durch (museale) Umnutzung
Modernisierung historischer Gebäudeensembles für andere Funktionen
Ansiedlung neuer Wissenschaftseinrichtungen in Kombination mit Messe- und
Kongressgebäuden
Temporär gestalterischer Fokus auf ein räumliches Gebiet (EXPO,
Bauausstellungen)
Künstlerische Projekte als Übergangslösungen (Ateliers, kreative
Freiraumnutzung)
Initiierung von identitätsstiftenden Großereignissen (Politische Gipfel, Olympia)
Adressbildung durch hochwertige, modern-architektonische Highlights
Ökologische Rückentwicklungen des Ufers (Engelbertz / Kotthoff 1998 : 57)
Kritisch betrachtet, kann der Strukturwandel für die Bewohner revitalisierter
Stadtteile jedoch auch Identifikationsprobleme mit sich bringen:
So setzten die Kommunen auf einen Neuanfang durch die Freizeit-, Konsum- und
Tourismuswirtschaft. Nachdem der Mensch als Arbeiter weitgehend von der Bühne
westeuropäischer Geschichte abgetreten ist, wird er nun als Kunde umso heftiger
umworben (...) (K
ULTURZENTRUM
S
CHLACHTHOF
1998 : 9).
2.2.3
Konversionsgebiete
Konversion = Umkehrung, Umwandlung
In der Architektur ist von Konversionsflächen die Rede. Dabei handelt es sich um
nicht oder nicht mehr genutzte Bahn-, Hafen-, Industrie- oder Militäranlagen
(F
OCKE
-M
USEUM
2004).
Auf diesen Flächen befinden sich häufig Industriedenkmäler (restaurierte und
umgenutzte Werks- und Produktionshallen, Wassertürme, Speicher und
Schuppen oder auch Bunker), die im Rahmen einer neuen Nutzung vielfältige
Effekte in der Revitalisierung von Stadtteilen erzielen und dem Strukturwandel in
einer Region Auftrieb geben können. Deutschlandweite Beispiele hierfür sind:
42
42
Vgl. V
EREINIGUNG DER
L
ANDESDENKMALPFLEGER IN
D
EUTSCHLAND
2003 : passim.

Theoretische Bezüge
26
·
Das Gaswerk der Stadt Altona: 1996 ­ 2002 Umnutzung zu Büro- und
Gewerberäumen, Hotel, Schwimmhalle und Fitnessstudio und Hinzufügung von
Wohnbauten
·
Die Adlerwerke Galluspark II in Frankfurt am Main: Fertigstellung und Nutzung
durch die Deutsche Bahn AG 1997. Diese Umnutzung der Fahrradfabrik
bewahrte den Komplex vor dem Abriss, der für das Jahr 1992 (Schließung der
Firma) erwogen worden war
·
Die
Thyssen-Hochofenwerke
Duisburg-Nord: Erhaltenes Zeugnis der Montan-
industrie (Roheisenerzeugung) des Ruhrgebiets, ehemals Meidericher Hütte
genannt. Instandsetzung 1992, vielfältige Nutzungen: begehbares Großdenk-
mal, Sporttauchen im Gasometer, Großveranstaltungen in der Kraftzentrale,
Konzerte in der Dampfgebläsehalle, Besteigungsmöglichkeit des Hochofens 5
(Höhe: 56 Meter), Ausstellung Zugänge zum Eisen, Gastronomie.
Auch der Speicher XI reiht sich hier mit ein. In Kapitel 3.5 wird er genauer
beschrieben.
Darüber hinaus gibt es jedoch noch größer dimensionierte internationale
Konversionsprojekte in alten Hafengebieten, die sich ebenfalls auf Brachflächen
und ihre Umstrukturierung beziehen.
Baltimore (USA) bildete mit der Ende der 1960er Jahre geplanten Waterfront-
Revitalization den Anfang; bald folgten auf europäischer Ebene die Docklands in
London (Canary Wharf und St. Kathrinsdock, um 1980), mehrere
Urbanisierungen brachgefallener Gebiete am Hafen in Rotterdam, die
Attraktivierung innenstadtnaher Häfen in Amsterdam und Kopenhagen, weitere
Projekte in Großbritannien wie in Glasgow oder Liverpool (siehe Kapitel 3.7) und
schließlich imageträchtige Großprojekte in Göteborg, Bilbao und Genua
(B
ODEMANN
2004a : 4).
Mittlerweile haben immer mehr deutsche Städte, die am Wasser gelegen sind,
versucht, dieser Entwicklung zu folgen. In einer Broschüre zur Kulturhauptstadt
Genua (GENOVA 04) heißt es bereits auf den einleitenden Seiten:
In more recent years, many European cities have undertaken growth processes
based enhancement and revival of their own activities, spaces and resources
respecting criteria of high urban quality. In this way, the reorganization and
functional renewal of degraded areas, shipbuilding and port area, the change in
destination for use of rural and industrial buildings, the strategic growth of service
sector activities, and the development of social services are posed as incentives
to better use the existing structures and to develop the qualities of the city
(Ausstellungsprojekt zur Urban Regeneration im Porto Antico, Herbst 2004).

Grundbausteine dieser Arbeit
27
3 Grundbausteine
dieser
Arbeit:
Das
Untersuchungsgebiet, seine Akteure und
Vergleichsmodelle
Um einzelne Aussagen und gewisse Regelmäßigkeiten aus den durchgeführten
Interviews (Vgl. Kapitel 1.4) später in den Gesamtkontext stellen zu können,
werden die Grundbausteine, die mit der Betrachtung des Untersuchungsgebietes
Überseestadt in Zusammenhang stehen, in den folgenden Abschnitten
zusammengefasst dargestellt. Dabei liegt der Fokus zunächst auf der
Überseestadt und den betreffenden historischen und städtebaulichen
Rahmenbedingungen. Darüber hinaus werden kulturbezogene Akteure aus dem
Untersuchungsgebiet und dem Bremer Westen vorgestellt (Kap. 3.3 bis 3.5). Die
hier formulierten Beschreibungen enthalten ­ im Gegensatz zu Kapitel 4.2 ­ noch
keine interpretativen Interviewergebnisse. Abschließend werden Vergleichs-
modelle der Restrukturierung und Revitalisierung auf der Landesebene und der
europäischen Ebene angeführt..
3.1 Die Geschichte der Alten Hafengebiete im Bremer
Westen
1888 wurde der Freihafen I (Europahafen) westlich der Innenstadt eingeweiht,
1893 folgte der Holz- und Fabrikenhafen (vgl. S
EN
.
FÜR
B
AU UND
U
MWELT
/
S
ENATOR FÜR
W
IRTSCHAFT UND
H
ÄFEN
(H
G
.)
2000 : 13).
43
Nach der Eröffnung des
Überseehafens 1906 war Bremen lange Zeit der größte Umschlagplatz für
Baumwolle, Stückgut und deutsche Exportprodukte (vgl. S
CHNEIDER
2003 : 38 ­
40). Doch mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 wurde die
Handelsflotte stark reduziert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Bremer Westen ein bis auf 30 Prozent des
historischen Baubestandes zerstörtes Ruinenfeld. So mussten auch die früheren
Wohngebiete neu strukturiert werden (Wiederaufbaugemeinschaften, Sozialer
Wohnungsbau). Ursprünglich lagen die Wohnquartiere dicht an den
Hafenanlagen ­ erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Hafenquartiere
überwiegend zu Gewerbegebieten.
43
Freihafenstatus: Die Verzollung der Waren erfolgte erst mit dem Transport ins Binnenland. Solange die
Waren innerhalb des Zollfreigebietes (Gebiet rund um den Überseehafen und nördlich des Europahafens) nur
lagerten und dabei ­ z. B. durch Weiterverarbeitung oder Veredelung ­ noch keine Wertsteigerung erfuhren,
fielen keine Zölle an (vgl. S
EN
.
FÜR
B
AU UND
U
MWELT
/
S
ENATOR FÜR
W
IRTSCHAFT UND
H
ÄFEN
(H
G
.)
2000 : 13).
Der Bevölkerung allerdings war das Betreten der Anlagen innerhalb der Zollzäune untersagt. Zugang hatten nur
Stauer und Seeleute (vgl. auch Wirtz, Reinhard: Zeichen der Veränderung. In: Weser Kurier vom 27. August
2004 : 14 und Ausstellung im Hafenmuseum Speicher XI).

Grundbausteine dieser Arbeit
28
In den 1960er Jahren folgte eine zweite Boomphase der Bremischen Häfen ­ die
Hafenbecken waren voller Schiffe (vgl.
E
CKLER
-
VON
G
LEICH
2004). Der An- und
Abtransport der Güter wurde zu mehr als 50 Prozent mit der Bahn bewerkstelligt.
Am Europa- und Überseehafen dienten mehrere Kajenschuppen der kurzfristigen
Lagerung von Speditionsgut, während vier große Speicher zur längerfristigen
Einlagerung hochwertiger Handelsgüter genutzt wurden (vgl. S
EN
.
FÜR
B
AU UND
U
MWELT
/
S
ENATOR FÜR
W
IRTSCHAFT UND
H
ÄFEN
(H
G
.)
2000 : 13). Walle und
Gröpelingen blieben vorrangig Wohnstätte der vielen Werft- und Hafenarbeiter.
Bald darauf setzte sich jedoch die Containerisierung durch. Der Umschlag
größerer Frachter (Tiefgang) verlagerte sich in die Neustädter Häfen und später
nach Bremerhaven. Die A.G. Weser musste ihre Pforten nach langen
Besetzungen durch die Belegschaft 1983 schließen: der Krupp Konzern, der die
Werft über ein Jahrzehnt für den Großschiffbau umgerüstet und sich schließlich
auf den Bau von Tankern konzentriert hatte, konnte der internationalen Krise
nicht mehr trotzen (vgl. B
REMISCHE
/K
ULTUR VOR
O
RT
2001 : 99).
Mit dem Fall der Berliner Mauer 1989 und dem darauffolgenden Abbruch des
maritimen Ostblockhandels nahm die Hafenaktivität im Bremer Westen weiter
ab (vgl.
S
CHNEIDER
2003). Die alten Kaimauern wurden zunehmend instabiler;
der um fast 50 Prozent reduzierte Seeumschlag zog sich in den Holz- und
Fabrikenhafen zurück. Ein Funktionsverlust der beiden anderen Hafenbecken
setzte ein (vgl. S
EN
.
FÜR
B
AU UND
U
MWELT
/
S
ENATOR FÜR
W
IRTSCHAFT UND
H
ÄFEN
(H
G
.)
2000 : 13).
3.2 Das Untersuchungsgebiet Überseestadt
Das Gebiet, auf das sich diese Arbeit konzentriert liegt im Bremer Westen. In den
Stadtentwicklungsgesprächen wurde anfangs noch von den Alten Hafenrevieren
rechts der Weser und der Neuen Hafen-Stadt-Bremen bzw. Hafenstadt
Bremen gesprochen.
44
Die gesamte Fläche erstreckt sich entlang der Weser (beginnend ab der B6 / B
75) sowie der zwei Hafenarme Europahafen und Holz- und Fabrikenhafen und
des nun zugeschütteten Überseehafens. Durch die Aufhebung des
Freihafenstatus (Zollfreigebiet in der Mittel der Alten Hafenreviere) haben sich
neue Möglichkeiten der inneren Erschließung ergeben (vgl. S
EN
.
FÜR
B
AU UND
44
Stadtentwicklungsgespräche: Unter Federführung jeweils unterschiedlicher politischer Ressorts sollten die
Bremer Bürger in Diskussionsveranstaltungen informiert und in wegweisende Planungen mit einbezogen
werden (vgl. S
ENATOR FÜR
B
AU UND
U
MWELT
(H
G
.)
1999 : 53. Die Reihe wurde in Bezug auf die Überseestadt
bis zum Jahr 2001 fortgeführt.

Grundbausteine dieser Arbeit
29
U
MWELT
/
S
ENATOR FÜR
W
IRTSCHAFT UND
H
ÄFEN
(H
G
.)
2000 : 8, 9). Innerhalb
dieser Grenzen erreicht die Überseestadt Ausmaße von 3,5 Kilometern Länge
und einem Kilometer Breite (vgl. Ü
BERSEESTADT
G
MB
H
/
BIG
2003 : 2), umfasst
insgesamt 288 Hektar und ist damit größer als die HafenCity in Hamburg (siehe
Kap. 3.7).
3.2.1
Vorangehende Diskussionen der Revitalisierung
Bereits seit Beginn der 1980er Jahre wird in Bremen über eine Neunutzung der
alten Hafengebiete zwischen dem Gelände der A.G. Weser und der Innenstadt
diskutiert: Ein erster Vorstoß von Bausenator Kunick im September 1990
scheiterte am Protest der im Europahafen ansässigen Betriebe. Der Senator für
Stadtentwicklung Ralf Fücks plädierte drei Jahre später auf dem Forum Stadt
am Fluss für die Rückkehr zur Urbanität und die Verdichtung der Innenstädte
sowie gegen einen Flächenverbrauch an der Peripherie. Im März 1998 stellte
der Senator für Bau, Verkehr und Stadtentwicklung ein Stadtentwicklungskonzept
vor, in welchem das Zusammenrücken von Stadt und Hafenrevieren im Sinne der
Leitidee Stadt am Fluss ein wichtiger Baustein ist. Noch im selben Jahr wurde
ein EU-weites Bewerbungsverfahren für Bietergemeinschaften ausgeschrieben.
Als Ergebnis wurden mehrheitlich Wohnnutzungen am Wasser in räumlicher
Angrenzung zu Gewerbebetrieben und Freizeitarealen vorgeschlagen (Vgl.
S
ENATOR FÜR
B
AU UND
U
MWELT
1999 : 55). Keine der Bietergemeinschaften
erklärte sich jedoch dazu bereit, zum Zeitpunkt der Neuorientierung die
notwendigen finanziellen Risiken zu übernehmen. Infolge dessen verblieben
weitergehende Planungs- und Entwicklungskompetenzen in bremischer Hand
und mündeten schließlich in die Gründung der Überseestadt GmbH.
45
3.2.2
Ziele laut Entwicklungskonzeption 2000
Seit Oktober 2000 liegt eine Entwicklungskonzeption vor, die im Zeitraum Juli
1999 bis April 2000 von einer ressortübergreifenden Arbeitsgruppe erarbeitet
wurde.
46
Mitglieder dieser Operativen Ebene waren Detlef Kniemeyer (zu
diesem Zeitpunkt Leiter des Amtes für Stadtplanung und Bauordnung), Manfred
Lampe (zu diesem Zeitpunkt leitender Hafenbaudirektor) und Dr. Dieter Russ
(Geschäftsführer der Bremer Wirtschaftsförderung GmbH). In dieser wurde
festgelegt, dass die angrenzenden Betriebe der Überseestadt Bestandsschutz
45
Ein Fremdauftrag z.B. an die Wasserstadt GmbH in Berlin hätte für die Stadt Bremen erhöhte Ausgaben
bedeutet, ohne dass damit ein Investor hätte gewonnen werden können. Da Bremen selbst über die
strukturellen und personalen Kompetenzen für eine Entwicklungskonzeption verfügt, wurde die Gründung einer
eigenen GmbH der Fremdvergabe vorgezogen (lt. Telefonat mit Detlef Kniemeyer im September 04). Die
Überseestadt GmbH ist ein Unternehmen der BIG ­ Bremer Investitions-Gesellschaft mbH.
46
Ressorts: Bau und Umwelt, Wirtschaft und Häfen, Finanzen, Senatskanzlei. Vgl. Senator für Bau und
Umwelt/Senator für Wirtschaft und Häfen (Hg.): Entwicklungskonzeption zur Umstrukturierung der Alten
Hafenreviere in Bremen, 2000 : 6.

Grundbausteine dieser Arbeit
30
genießen und außergewerbliche Nutzungen damit verträglich sein müssen
(S
ÜCHTING
2004 : 28).
Weiterhin wurde betont, dass die Vorschläge in der Entwicklungskonzeption nur
dann für realisierbar gehalten werden, wenn es gelingt, durch marktfähige
Nutzungsziele private Nutzer und Investoren zu gewinnen (vgl. S
EN
.
FÜR
B
AU UND
U
MWELT
/
S
ENATOR FÜR
W
IRTSCHAFT UND
H
ÄFEN
(H
G
.)
2000 : 6, 7). Hierzu
wurden im zweiten Abschnitt der Entwicklungskonzeption Grundsätze der
Entwicklung für die zukünftige Überseestadt konkretisiert (vgl. S
EN
.
FÜR
B
AU UND
U
MWELT
/
S
ENATOR FÜR
W
IRTSCHAFT UND
H
ÄFEN
(H
G
.)
2000
: 28):
- Aufwertung durch Umstrukturierung (Ansiedlung unternehmensorientierter
Dienstleistungen, Kultur- und Freizeitattraktionen, Wohnungsangebote)
-
Bestandsschutz und Entwicklungsmöglichkeiten für ansässige Unternehmen
-
Freisetzung neuer marktfähiger Nutzungen (neue Branchen, und Aktivitäten auch
im Freizeit und Kulturbereich)
-
Öffentlichkeit / Zugänglichkeit eines betriebsamen Umfeldes am Hafen
Mit der Entwicklungskonzeption lag somit ein verlässlicher Bezugsrahmen für
ansässige Betriebe, private Grundstücksinteressenten, potentielle Investoren und
Bremer Bürger vor. Zugleich bildete sie die Grundlage für weitere Konkreti-
sierungen im Rahmen der Flächennutzungs- und Bauleitplanung (ebd. :
29).
3.2.3
Der Masterplan 2003 als städtebauliche Entwicklungs-
grundlage
Die Entwicklungskonzeption wurde in den Jahren 2002/2003 mit dem Masterplan
als weiterem Instrument der informellen Planung von der Überseestadt GmbH
überarbeitet und stellt die neue Planungsgrundlage für die Entwicklung der
Überseestadt dar (vgl. Ü
BERSEESTADT
G
MB
H
/
BIG
2003 : 2
).
47
Sowohl
Wirtschaftausschüsse als auch der Bremer Senat haben diesen im März 2003
als Vermarktungsgrundlage anerkannt.
Mit der Restrukturierung der alten Hafengebiete im Bremer Westen über die
folgenden 16 Jahre (der Zeithorizont liegt bei 20 Jahren ab dem Jahr 2000)
sollen neue Perspektiven für das durch Strukturwandel zum größten Teil
brachgefallene Gebiet entstehen. Zur Zeit befinden sich dort noch ca. 300
Betriebe mit etwa 4.600 Angestellten, die größtenteils im Bereich der Logistik,
des Handels und der Produktion tätig sind. Daher verknüpft das aktuelle Konzept
47
Die Überarbeitung wurde nach Aussage von Detlef Kniemeyer u. a. durch veränderte wirtschaftliche
Standortbedingungen bzw. Eigentumsverhältnisse (Weggang des Saftherstellers Dittmeyer, Umbau Speicher XI
und Verkauf von Eduscho an Tchibo) notwendig.

Grundbausteine dieser Arbeit
31
nach wie vor die Bestandssicherung dieser Betriebe mit einer stetigen
Aufwertung durch die Ansiedlung neuer Branchen, Dienstleister, Bürofirmen und
(freizeit-) kultureller und touristischer Nutzungen. Langfristig ist dabei auch das
Wohnen nicht ausgeschlossen (vgl. B
ODEMANN
2004b : 2).
48
Der Masterplan übernimmt die Aufteilung des Gesamtareals in insgesamt acht
Quartiere und erweitert die vorgeschlagenen Nutzungen aus dem Jahr 2000 um
eine visualisierte Darstellung mit farblich markierten Zonierungen (vgl.
Ü
BERSEESTADT
G
MB
H
/
BIG
2003 : 14; Farbkopie siehe Anhang Nr. 4). Anhand
dieser Zonierung lässt sich auch ablesen, inwiefern die Möglichkeit einer
Revitalisierung unter kulturellen und freizeitorientierten Vorzeichen gegeben ist.
Eine Nutzungsmischung von Freizeit, Kultur und Tourismus ist beispielsweise auf
einer Fläche an der Molenspitze 1 südlich des Europahafens und in Verbindung
mit Dienstleistungs- und Gewerbemischflächen an vier weiteren Standorten
inklusive des bereits umgenutzten Speicher XI vorgesehen. Darüber hinaus ist
anzumerken, dass es eine wichtige Komponente des Masterplans ist, den
Zugang zum Wasser und seine Wahrnehmung im Allgemeinen zu verbessern:
-
Ein Fuß- und radläufige Verbindung über die Schlachte und den Waller Stieg
wurde bereits realisiert bzw. befindet sich in der Entstehung (vgl. Ü
BERSEESTADT
G
MB
H
/
BIG : 29)
-
Der Zugang zum Wasser über Treppen oder abgesenkte Kajen wird den Bürgern
besonders in Nähe von Mischnutzungen und den dazugehörigen Plätzen
erleichtert ­ Beispiele sind der Platz am Kopf des Holz- und Fabrikenhafens
(Stufenanlage), der Hafenkopf am Europahafen (Treppen, Schwimmsteg), der
Platz am Weserbahnhof II (Treppe zur Promenade) und die öffentliche Fläche
westlich des Überseeparks (Freitreppe zum Erleben des Gezeitenwechsels)
- Als neue Naherholungs- und Erlebnisräume bieten sich darauf aufbauend
beispielsweise Grünräume in den Quartieren (Rasen-Wellen-Fläche beim
Frischezentrum), Uferpromenaden (nördliche Kaianlage des Europahafens) und
Kaispitzen (Molenturm) an (vgl. Ü
BERSEESTADT
G
MB
H
/
BIG : 33, 34).
Das Wohnen am Wasser ist als Sonderform insbesondere in der zukünftigen
Hafenvorstadt, am Europahafen und auf dem südlichen Gelände des
Überseeparks (Hafenkante) vorgesehen.
Die folgende Tabelle macht auch zu weiteren Nutzungsoptionen genauere
Angaben. Flächen, die ein besonderes Kulturpotenzial aufweisen, werden in der
Spalte Besonderheiten mit entsprechenden Ergänzungen aufgeführt:
48
lt Prognos wird 2004 von 4.600 Angestellten anstatt von 6.300 im Jahr 2000 ausgegangen. Die Prognos
GmbH ist ein Bremer Büro, das für die Überseestadt GmbH u. a. stadtwirtschaftliche Bewertungen vornimmt.

Grundbausteine dieser Arbeit
32
Quartier
vorrangige
Flächennutzung
Besonderheiten
Holz- und
Fabrikenhafen
Industrie/Gewerbe
Speicher XI grenzt an das Frischezentrum
(Mischnutzung dort bereits vorhanden)
Am Kopf dieses Hafens: Feuerwache mit
Mischnutzung und Freiflächen für Gastronomie
Bedeutende Bauten, z. B. Rolandmühle,
Bachmann-Speicher, Kaffee HAG
Überseepark
Dienstleistung,
Wohnen als
Sonderform;
öffentlicher Raum
Am Weserufer: z. B. Wohnen in Lofts
Am Molenfeuer sind besondere Bauformen
möglich
Auf der Landzunge im Nordwesten ist eine
Mischnutzung für Dienstleistung und
Freizeit/Kultur/Tourismus vorgesehen
Bedeutender Wasserraum am Wendebecken
Panoramablick
Frischezentrum
Gewerbe (Groß-
markt Bremen)
Überseetor Dienstleistung
Architekturvielfalt erwünscht
Höhere und dichtere Bebauung vorgesehen
Speicherhof
Gewerbe
(Logistikzentrum)
und Dienstleistung
zur Nordstraße hin
Europahafen
(kleinteilige)
Dienstleistungen,
öffentliche Nutzung
am Kap
Kopfstück des Hafens (Hafenplatzgrundstück):
Dienstleistung und Freizeit/Kultur/Tourismus
Auf der Halbinsel Mischnutzung ohne
Dienstleistung
Bedeutender Wasserraum
Hafenvorstadt
Gewerbe und
Dienstleistung,
Sonderwohnformen
Besondere Architekturen
Neuer Weserbahnhof in der Nachbarschaft
zum Stephaniquartier
Mischfläche für Dienstleistung und Freizeit,
Kultur, Tourismus
Weserufer
Nahrungs- und
Genussmittelind.
Tabelle
2
Quartiere in der Überseestadt: vorgesehene Nutzung und
Besonderheiten
(Quelle: Ü
BERSEESTADT
G
MB
H
/
BIG
2003 : 16 ­ 24)

Grundbausteine dieser Arbeit
33
3.2.4
Die Überseestadt GmbH als übergreifende
Entwicklungsgesellschaft
Vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus anderen Revitalisierungsprojekten
(Vergleichsanalyse der Organisationsmodelle durch Wirtschaftsprüfer) stellte sich
schon früh die Frage, ob für Bremen das Organisationsmodell einer
Entwicklungsträgerschaft Anwendung finden könnte. In der Entwicklungs-
konzeption von 2000 wurde dafür plädiert, eine landeseigene
Entwicklungsgesellschaft als Tochtergesellschaft der BIG
49
zu gründen, der die
folgenden Aufgaben übertragen werden sollten:
-
Verwaltung und Verwertung der städtischen Grundstücke
-
Allgemeine Steuerung und Umsetzung des Entwicklungsprozesses
-
Berücksichtigung der Empfehlungen ortsansässiger Unternehmer, Akteure,
Fachberater und Sachverständigen durch die Bildung eines Beirats.
Dies wurde durch die Gründung der Überseestadt GmbH auch realisiert. Durch
Bereitstellung des Sondervermögens Überseestadt (Grundstückseigentum in
den alten Hafenrevieren) zur Aufnahme von Krediten wurde die Durchführung
von Maßnahmen der Erschließung und städtebaulichen Aufwertung des
Gebietes ermöglicht und die GmbH als Tochtergesellschaft der BIG mit der
Abwicklung des Gesamtprojektes beauftragt. Die rechtliche Grundlage bildet ein
Geschäftsbesorgungsvertrag (vgl. S
EN
.
FÜR
B
AU UND
U
MWELT
/
S
ENATOR FÜR
W
IRTSCHAFT UND
H
ÄFEN
(H
G
.)
2000 : 60, 61).
Hinsichtlich baurechtlicher Bedingungen wird darauf verwiesen, dass
städtebauliche Rahmenpläne (wie z. B. ein Masterplan) schrittweise zu
Bauleitplänen hin konkretisiert werden müssen. Der frühere Flächenutzungsplan
für die alten Hafengebiete muss in weiten Teilen abgeändert werden, da die
heutigen Bebauungspläne mit ihm übereinstimmen müssen.
3.2.5
Zeitliche und finanzielle Eckpunkte: Der Stufenplan
Die folgende Tabelle veranschaulicht in vereinfachter Form Beispiele von
Planungs- und Baumaßnahmen in der Überseestadt (S
EN
.
FÜR
B
AU UND
U
MWELT
/
S
ENATOR FÜR
W
IRTSCHAFT UND
H
ÄFEN
(H
G
.) 2000 : 48 ­ 53; nur öffentliche
Mittelverwendung, weshalb weitgehend privat finanzierte Bauprojekte wie z. B.
der Speicher XI nicht erwähnt sind):
50
49
Bremer Investitions-Gesellschaft
50
Zusätzlicher Bezug zu der auf Englisch verfassten Präsentationsvorlage von Senatsbaudirektor Bodemann
aus dem intern. Workshop New EPOC, Mai 2004 : 2, mit freundlicher Genehmigung von Dr. Günter Warsewa,
Institut für Arbeit und Wirtschaft, Universität Bremen.

Grundbausteine dieser Arbeit
34
Stufen 1 ­ 4
Maßnahmen
1. bis 2002
2. 2003 ­ 2006
3. 2007 ­ 2010
4. 2011 ­ 2020
Ansiedlung Großmarkt; Erschließung über Überseetor und Hansator,
Rückbau der Zollzäune, Gleisanlagen und Bahndämme (Beginn)
Fortführung der Aufbereitung und Veräußerung von Flächen;
Beseitigung Bahndamm und Innenstadtanbindung zur Hafenvorstadt;
Aufwertung der Wasserkanten durch Ansiedlung von
Bürodienstleistungen
Realisierung des Hauptverkehrsnetzes; Ansiedlung privater
Dienstleister, vollständige Erschließung der Wasserkanten für den
Publikumsverkehr
Erschließung des Bereichs zwischen südlichem Europahafen und
Weser (inkl. Altlastensanierung)
Tabelle 3
Ausgewählte Planungs- und Baumaßnahmen in der Überseestadt
gemäß Stufenplan in der Entwicklungskonzeption 2000
(Quelle: S
EN
.
FÜR
B
AU UND
U
MWELT
/
S
ENATOR FÜR
W
IRTSCHAFT UND
H
ÄFEN
2000 : 48 ­ 53)
Den einzelnen Stufen sind jeweils Investitionen aus dem
Investitionssonderprogramm (ISP) in Mio. DM zugewiesen. Den höchsten
Investitionsbedarf laut Entwicklungskonzeption benötigen die Stufen 1 und 2
(maximale Kosten für Erschließungsinvestitionen von jeweils 215 und bis 277
Mio. DM, Gesamtvolumen 758 Mio. DM) (S
EN
.
FÜR
B
AU UND
U
MWELT
/
S
ENATOR
FÜR
W
IRTSCHAFT UND
H
ÄFEN
(H
G
.)
: 50). Aktuelle Hochrechnungen aus dem Jahr
2004 belaufen sich auf ein Investitionsvolumen von 300 Mio. Euro öffentlicher
Mittel und private Investitionen von voraussichtlich 2 Mrd. Euro (B
ODEMANN
2004b : 2).
3.3 Die Hochschule für Künste
Im November 2003 zog die Hochschule für Künste Bremen (HfK) in den Speicher
XI am Holz- und Fabrikenhafen um und nimmt dort über die Hälfte des Gebäudes
ein (siehe auch Kapitel 3.4). Hier ist der Fachbereich Bildende Kunst mit den
Studiengängen Freie Kunst, Integriertes Design und Digitale Medien /
Mediengestaltung (in Kooperation mit der Universität Bremen) sowie die
Hochschulverwaltung beheimatet. Der Fachbereich Musik befindet sich weiterhin
am zweiten Standort in der Dechanatstraße (vgl. H
OCHSCHULE FÜR
K
ÜNSTE
2003/04 : 12, 14).
Laut eines Berichtes im Deutschen Architektenblatt (K
ERSTEIN
2003) war der
Zuzug der HfK besonders für die Entwicklungsgesellschaft Überseestadt GmbH
ein echter Glücksfall
51
, denn Rektor Dr. Peter Rautmann bekundete schon früh
51
Weitere Berichte: vgl. Lokalmagazin Brillant4/2003 : 74 ­ 76 sowie, vgl. H
ERWIG
2004 : 18.

Grundbausteine dieser Arbeit
35
Abbildung 2:
Ein Logobeispiel der HfK
(
Quelle: www.hfk-bremen.de)
sein Interesse, diesem Ort eine Identität zu geben (H
OCHSCHULE FÜR
K
ÜNSTE
2003/04 : 15). Aus dem Etikett Überseestadt soll ein vitaler Stadtteil werden,
was die HfK als große Herausforderung ansieht (ebd. : 16).
Vorrangig soll allerdings am internationalen Renommé und an interdisziplinären
Projekten zwischen den Fachbereichen Kunst und Musik gearbeitet werden,
denn diese Kombination unter dem Dach einer Kunsthochschule ist in
Deutschland nahezu einzigartig (eine weitere Institution ist nur in Berlin zu finden,
Vgl. H
OCHSCHULE FÜR
K
ÜNSTE
2003/04 : 2, 12). Zur Zeit hat die HfK insgesamt
800 Studierende, davon entfällt die Hälfte auf den Fachbereich Musik.
52
Rund ein
Drittel kommt aus dem Ausland. Bislang wurden 34 Kooperationsverträge mit
ausländischen Hochschulen geschlossen (Lokalmagazin Brillant, Ausgabe
4/2003 : 74).
Am neuen Standort fanden bereits die Festivals Frischer Wind und Scharfe
Brise statt, die den Tag der offenen Tür sowohl inhaltlich als auch örtlich
ausgedehnt haben:
53
. Darüber hinaus macht die HfK mit Opern-, Mode-, Film- ,
Architektur- und Esskultur-Projekten auf sich aufmerksam und kooperiert dabei
mit weiteren wissenschaftlichen Einrichtungen.
54
Angeschlossene Bremer
Institute mit überregionalem Profil sind beispielsweise das Architop, das Institut
für Integriertes Design i/i/d und das Institut Syn.
Seit Beginn des Jahres 2003 wurden Perspektiven
und zukünftige Entwicklung der HfK in einer
Corporate-Identity-Gruppe (CI-Kommission) der
HfK diskutiert. Im weiteren Verlauf wurden
Leitlinien, z. B. Multi- und Interdisziplinarität und
Internationalität, formuliert und daraufhin ein
neues Erscheinungsbild (Corporate Design)
begründet, das sich nun langsam etabliert.
55
52
Sommersemester 04. Zum Wintersemester 04/05 hat sich diese Anzahl auf 922 Studierende erhöht (vgl.
F
REY
2004 : 11).
53
Vgl. Webseite der HfK / Newsletter des Bremen2010 Projektteams vom 23. April 2004 / Lokale Presse /
Programmheft zum Festival vom 07. bis 20. Mai 2004).
54
www.hfk-bremen.de: z. B. Ausstellung Schwebende Lasten II, Energieleitzentrale (Juli 04); Architektur-
Ausstellung im Focke-Museum (Mai ­ August 04), Studierendenprojekt Anziehgruppe (fortlaufend), Oper Die
Heirat (Juli 04), Profile Intermedia 7 (in Vorbereitung für Dezember 2004), Gastronomieprojekt dilettantin
kochteam (fortlaufend im Lichthaus Gröpelingen, vgl. www.dilettantin.de).
55
Def. CI = Auseinandersetzung einer Institutunion mit Werten, Visionen und Zukunft. Konkretisierung des
eigenen Selbstverständnisses, wobei dies im Corporate Design, im visuellen Erscheinungsbild, summiert
werden sollte. Die Summe dieser Erfahrungen ist der CI-Prozess. (J
UNG
/B
ASTIAN
/F
RIEDMANN
: Juni 2003).

Grundbausteine dieser Arbeit
36
Abbildung 3:
Das begebare Luftbild, eine
Attraktion im Hafenmuseum
(obere Etage, April 04)
3.4 Der Speicher XI als kultureller Bezugspunkt
Der private Investor Dr. Klaus Hübotter sanierte das fast 400 Meter lange,
denkmalgeschützte Gebäude in 18 Monaten zusammen mit den Architekten
Schomers + und Schürmann, nachdem er es 2001 von der Stadt Bremen
erworben hatte. Für bessere Arbeitsbedingungen wurden an der Nordseite
Fenster eingesetzt, sonst blieb das Gebäude aus rotem Backstein äußerlich
unverändert.
56
Ab August 2003 waren die Böden zu je 450 Quadratmetern
bezugsfertig.
Durch die Umnutzung konnte der Speicher erhalten werden. Obwohl er sich nun
in anderer Umgebung befindet ­ das Becken des Überseehafens und der davor
liegende Schuppen 1 sind verschwunden und haben dem Großmarkt Platz
gemacht ­ hält er durch seine imposante Gestalt die Erinnerung an Bremens
maritime Vergangenheit wach und stellt gleichzeitig den Aufbruch zu neuen
Ufern dar ­ im praktischen wie im emotionalen Sinne.
Der Speicher XI hat 16 Segmente mit je vier Stockwerken. Die HfK nimmt davon
neun Segmente (Nr. 16 ­ 8) an der Westseite ein, den Rest belegen die Mieter
des Kulturforums (Softwarefirmen, Werbefirmen, Container- und Speditions-
firmen, persönliche Dienstleister) und Kulturschaffende im weiteren Sinne.
57
Von
letzteren folgt nun eine kurze allgemeine Beschreibung, wobei die Ergebnisse
aus den Experteninterviews später unter einem
anderen Blickwinkel (kultureller Anteil an der
Stadtentwicklung) Erwähnung finden werden:
- Das Hafenmuseum im Speicher XI
eröffnete am 28. Februar 2004 nach 1,5
Jahren Vorbereitung und befindet sich im
ersten und zweiten Segment (östliches
Ende) des Speichers.
58
Frühere
Hafenarbeiter und Bewohner aus dem
Bremer Westen finden hier einen Ort der
Erinnerung, während der Rest der
Besucher interaktiv und über vielfältige
56
Der Speicher XI hat 16 Segmente mit je vier Stockwerken, davon nimmt die HfK neun Segmente (Nr. 16 ­ 8)
an der Westseite ein. Für bessere Arbeitsbedingungen wurden an der Nordseite Fenster eingesetzt, sonst blieb
das Gebäude aus rotem Backstein äußerlich unverändert (vgl. K
ERSTEIN
2003b : 15 ­ 17).
57
Quellen: Internetseite www.speicherelf.de; jeweilige Infoblätter, Flyer und Programme; eigene
Aufzeichnungen.
58
Unterstützung kam in dieser Zeit laut Frau Golka, der Leiterin des Hafenmuseums, u. a. von Focke-Museum,
Geschichtsarchiv Brodelpott e. V., Initiative Kultur vor Ort e. V. und vielen ehrenamtlichen Helfern.

Grundbausteine dieser Arbeit
37
Sinneseindrücke in die Welt der Hafengeschichte (Schwerpunkt: Holz-
und Fabrikenhafen, früherer Überseehafen) eintauchen kann. Neben
einer Dauerausstellung, die kontinuierlich um weitere Themenbereiche
erweitert wird, werden im oberen Ausstellungsbereich (Teilfläche)
künstlerische Sonderausstellungen gezeigt (siehe auch Kapitel 5.2.1)
- Das
Bremer Geschichtskontor ist seit März 2004 mit einem zusätzlichen
Büro im Hafenmuseum vertreten (Hauptstandort ist der Brodelpott in der
Schleswiger Straße in Walle). Hier ist die Abteilung Hafengeschichte zu
finden und soll dort auch erweitert werden
- Das
Restaurant Speicher XI mit originellen Überseespeisen, dem
kostengünstigeren Mittagstisch in der Messe und den Clubräumen ist im
Erdgeschoss zu finden. Der Rote Saal im 3. Stock dient zusätzlich als
Veranstaltungsort für Vorträge und andere Veranstaltungen
- Die
Internationale Sprachschule CASA e. V. bietet im Speicher XI (zweiter
Standort neben der Bismarckstraße im Viertel) professionelle Sprach-
vermittlung und Kultur-Austauschprogramme in mehreren Kursformen an.
Der Kundenkreis reicht dabei vom ausländischen Angestellten, der in
Bremen seine Deutschkenntnisse rasch erweitern möchte, über größere
Teilnehmerzahlen in den Sommerkursen bis hin zu deutschsprachigen
Teilnehmern, die mit Hilfe des Tandemnetzes regelmäßig Spanisch oder
Englischkenntnisse erwerben wollen
-
Das im September 2003 gegründete Bremer Zentrum für Baukultur (b.zb)
sammelt, forscht und vermittelt zum Einen im Bereich der Bremer Bau-
und Planungsdokumentation und ist zum Anderen ein Treffpunkt für
interessierte Laien und Fachleute mit Architekturinteresse. An der
Gründung des Vereins waren der Senator für Bau, Umwelt und Verkehr,
die Architektenkammer Bremen, die Bremer Hochschulen und das Focke-
Museum beteiligt. Zu den Aufgaben gehören u. a. der Aufbau einer Bau-
Datenbank, die Vorbereitung von Buchpublikationen (Reihe Bremen und
seine Bauten), die Widerspiegelung der theoretischen Debatte Die
Europäische Stadt ­ Mythos und Wirklichkeit, hauseigene Projekte
(Werkstattausstellungen, interaktiver Architekturführer ArchiGuide) und
die übergreifende Beteiligung an Projekten wie z. B. dem bereits
durchgeführten Kunstprojekt Tourist City im Juni 2004
59
59
Ausstellungsbeteiligung in Zusammenarbeit mit dem Kulturzentrum Schlachthof, 04. bis 27. Juni 2004,
mehrere Ausstellungsorte und Präsentationsformen.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783832487263
ISBN (Paperback)
9783838687261
Dateigröße
7.8 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Bremen – Sozialwesen
Note
1,1
Schlagworte
hafengebiete revitalisierung architektur stadtentwicklung kunst design kulturhauptstadt bremen
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