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Restauratio und Resurrectio in der Jesaja-Apokalypse

©2001 Doktorarbeit / Dissertation 333 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die Kapitel 24—27 des Jesajabuches — auch Jesaja-Apokalypse genannt — gehören zu jenen Texten des Alten Testaments, welche die Gelehrten besonders viel Tinte kosteten. Weshalb also noch eine weitere Arbeit über dieses Stück hinzufügen? Der bis heute bestehende Dissensus bezüglich mehrerer Fragen zur Jesaja-Apokalypse unter den Forschern zeigt, dass weiterhin ein Bedarf an Klärung vorliegt. Unsere Arbeit möchte ein weiterer Beitrag zu einer Lösung sein.
Den Anlass für diese Arbeit gab eine nähere Beschäftigung mit der Frage der Auferstehung im Alten Testament und die damit verbundene Feststellung, dass die Interpretation von Jes. 26:19 in diesem Zusammenhang besonders umstritten ist. Während ein Grossteil der Gelehrten der Meinung ist, mit der Wiederbelebung in Jes. 26:19 sei leibliche Auferstehung gemeint — ja es handle sich hier um den ersten klaren Hinweis auf eine leibliche Auferstehung im Alten Testament überhaupt — deuten zahlreiche andere Wissenschaftler die Stelle metaphorisch auf die nationale Wiederherstellung Israels und einige wenige auf die geistige Wiedergeburt. Welche dieser drei Deutungen ist richtig? Kann man die Frage überhaupt mit (letzter) Gewissheit beantworten?
Soviel ist klar: losgelöst vom Kontext, nur für sich genommen, kann der Vers à la limite tatsächlich jede der genannten Bedeutungen haben. Wenn überhaupt, dann ist eine Entscheidung zwischen den verschiedenen Vorschlägen nur im Lichte des Kontexts möglich. Damit verbunden ist (bzw. wird) aber nicht zuletzt auch die Frage der Genesis der Jesaja-Apokalypse: Bilden die vier Kapitel eine ursprüngliche Einheit oder sind sie das Resultat eines (mitunter langen) Wachstumsprozesses? Ist die so genannte Jesaja-Apokalypse ein buntes Patchwork, bestehend aus mehreren ursprünglich unabhängigen Perikopen, die bei der Zusammensetzung durch einen so genannten Redaktor oder Kompilator, je nachdem, vielleicht mitunter noch — zum Zweck der Anpassung an den neuen Kontext — umgeschrieben oder ergänzt wurden und wenn ja, ist zudem vielleicht noch an weitere noch spätere Glossen — wenn vielleicht auch nur von wenigen einzelnen Versen oder Versteilen — zu denken, oder bildete die ganze Apokalypse von Anfang an eine wesentliche Einheit, in welche aber später vielleicht doch noch die eine oder andere Passage (z. B. 24:21-23 oder 25:10b-12) oder vereinzelte Verse (z. B. 26:19) oder vielleicht auch nur das eine oder andere Sätzchen (z. B. 25:8a) oder mitunter sogar nur […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8723
Kleger, Roland: Restauratio und Resurrectio in der Jesaja-Apokalypse
Hamburg: Diplomica GmbH, 2005
Zugl.: ETF Evangelische Theologische Faculteit, Dissertation / Doktorarbeit, 2001
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2005
Printed in Germany

v
Abstract
Despite all the research done on Is. 24
27 in the last two centuries, there is still a striking
dissension prevailing among the biblical scholars concerning the origin, structure, perspective
and interpretation of the so-called Apocalypse of Isaiah. What especially gives rise to
controversy is the resurrection-question. While a large part of the interpreters consider Is.
26:19 (some as well 25:8a) as the first allusion to individual resurrection within the Old
Testament, others believe that this passage, as well as others within Is. 24
27, rather point
metaphorically to the national restoration of Israel. This thesis represents mainly an attempt to
contribute to a solution of this controversial question and is developed in four main steps.
After a summary of the research done on the Isaiah-Apocalypse by various scholars in the last
two centuries, follows, in a second chapter, an exegetical and linguistic commentary on the
four chapters including structural analyses. It is also argued that the concentric structure of the
different passages and the style of concatenation by thematic parallels and analogy of
expression plead for the original unity of the Apocalypse as a whole. In a third chapter special
investigation is made on the key verse 26:19 in the light of the overall context. While mainly
the analogous verse 26:14 and the declarations in 26:21 favour individual resurrection,
26:10.15-18 and 27:2-13 point rather to national restoration. The last chapter serves to explain
that not only the Apocalypse of Isaiah but as well many other passages in the Old and the
New Testament call for an earthly messianic kingdom. 26:19 and 26:21 would then forecast
the physical resurrection of the just, 27:2-13 the return and national restoration of Israel. It is
further argued that if an intermediate earthly kingdom is envisaged, the assumption of alleged
tensions and/or contradictions within Is. 24
27 and/or between these four chapters and other
parts of the book of Isaiah is proved to be unfounded.

vi
Inhaltsverzeichnis
Abstract
... v
Vorwort
...xi
Einleitung
... 1
1. Kapitel:
Einheit und Authentizität der Jesaja-Apokalypse ... 4
I.
Beiträge zur Frage ... 4
II. Argumente gegen die Einheit und Authentizität der Jesaja-Apokalypse... 49
A. Metrikanalyse als Argument gegen die Einheit ... 49
B. Textkritik und "dogmatisch" motivierte Emendationen... 50
C. Datierung aufgrund der (mutmasslichen) Identifizierung der feindlichen Stadt ... 52
1. Ninive... 52
2. Jerusalem... 52
3. Babylon ... 53
4. Susa ... 54
5. Moabitische Stadt... 54
6. Tyrus ... 55
7. Sidon ... 55
8. Karthago... 56
9. Samaria... 56
10. Rom ... 56
11. Verschiedene Städte ... 56
12. Eine symbolische Stadt ... 57
D. Erfordern apokalyptische Passagen eine Spätdatierung? ... 59
E. Gibt es widersprüchliche Aussagen, die auf verschiedene Redaktoren hinweisen? 61
1. Weltuntergang und doch Überlebende? ... 62
2. Partikularismus oder Universalismus?... 62
3. Feind besiegt und doch noch Kampf und Gericht? ... 62
III. Argumente für die Einheit und Authentizität der Jesaja-Apokalypse... 62
A. Externe Argumente ... 62
1. Die LXX und Qumran... 62
2. Jesus Sirach ... 62
3. Das NT (Jesus und die Apostel)... 63
4. Die jüdische Literatur... 63
B. Die Uneinigkeit der Kritiker ... 63
C. Vorurteile und Zirkelschlüsse der Kritiker ... 64

vii
D. Interne Argumente ... 66
1. Einzelne Aussagen als Indiz auf ein frühes Datum... 66
a.)
Die Erwähnung Moabs in 25:10 ... 66
b.)
Die Erwähnung von Götzendienst in 27:9 ... 66
c.)
Die Erwähnung von Assur in 27:13 ... 67
2. Sprachliche und thematische Parallelen zu anderen Teilen des Jesajabuches ... 68
3. Die Struktur der Jesaja-Apokalypse spricht für die Einheit des Textes... 70
2. Kapitel:
Exegese von Jesaja 24
27 ... 75
I.
Das Kommende Weltgericht: 24:1-20 ... 75
A. Jahwe richtet die ganze Welt: Vv 1-6 ... 78
1. Alle sind vom Gericht betroffen: Vv 1-3 ... 78
2. Der Bundesbruch als Ursache des Gerichts: Vv 4-6 ... 80
B. Die feindliche Stadt: Vv 7-12 ... 84
C. Die Ernte und der Überrest: V. 13 ... 89
D. Jubel der Erretteten: Vv 14-16a ... 91
E. Die ganze Welt wird vom Gericht getroffen: Vv 16b-20 ... 94
1. Es gibt kein Entrinnen: Vv 16b-18... 94
2. Die Schuld als Ursache des Gerichts: Vv 19-20 ... 96
II. Jahwe herrscht auf dem Zion: 24:21
25:12 ... 98
A. Feinde entmachtet
Jahwe herrscht auf Zion: 24:21-23 ... 98
1. Die himmlischen Armeen und die Könige der Erde sind entmachtet: V. 21 ... 101
2. Sie warten auf das Gericht: V. 22 ... 108
3. Jahwe herrscht in Jerusalem: V. 23... 111
B. Danklied: Die feindliche Stadt ist zerstört: 25:1-5... 115
1. Dank für die Zerstörung der feindlichen Stadt: Vv 1-2 ... 117
2. Auch ein Rest aus den Nationen gibt Jahwe die Ehre: V. 3... 118
3. Jahwe beschützt die Schwachen: Vv 4-5 ... 119
C. Das Festmahl auf dem Berg Zion: 25:6-8 ... 121
1. Jahwe bereitet das Festmahl: V. 6... 123
2. Jahwe vernichtet die Hülle, die über den Nationen liegt: V. 7 ... 123
3. Jahwe vernichtet den Tod: V. 8... 126
D. Jubellied: Freude auf dem Berg Zion: 25:9-10a ... 145
E. Die ragende Festung Moabs stürzt: 25:10b-12 ... 147
III. Jahwes Sieg: Wiederherstellung und Gericht: Kap. 26... 152
A. Das Siegeslied im Lande Juda: Vv 1-6 ... 158
1. Die sichere Stadt Jahwes: Vv 1-2... 159
2. Vertrauen auf Jahwe: Vv 3-4 ... 164

viii
3. Die feindliche Stadt ist zerstört: Vv 5-6... 165
B. Gebet im Vertrauen: Vv 7-19... 167
1. Reflexion: der Gerechte und der Ungerechte: Vv 7-10 ... 169
2. Jahwes Sieg gegen die fremden Herren: Vv 11-15 ... 173
3. Gebet: Jahwe alleine kann Leben schaffen: Vv 16-19... 185
C. Paränese: Bewahrung und Gericht: Vv 20-21... 191
1. Jahwes Volk wird bewahrt im Gericht: V. 20... 192
2. Jahwe richtet die ungerechten Erdbewohner: V. 21... 193
IV. Vernichtung der Antagonisten und Restitution Israels durch Jahwe: Kap. 27 ... 194
A. Jahwe richtet die Schlange: V. 1 ... 196
B. Das Weinberglied: Wiederherstellung Israels: Vv 2-6 ... 202
C. Züchtigung und Gericht: Vv 7-11 ... 209
D. Die Rückkehr und Wiederherstellung Israels: Vv 12-13 ... 219
3. Kapitel:
Exegetische cruces in Jesaja 26:19... 225
I.
Die Sektion 19a :
... 225
A. Der Parallelismus "
/
" ... 225
B. Indikativ Futurum oder Jussiv?... 228
II. Die Sektion 19a :
... 228
A. Imperative oder Futura? ... 228
B. Die Bedeutung dieser Sektion... 229
1. Wenn man V. 19 als göttliches Orakel betrachtet... 229
a.)
Variante beide Verben in 19a seien Futura ... 229
b.)
Variante beide Verben in 19a seien Imperative... 230
c.)
Variante Imperativ gefolgt von einem Perfekt konsekutivum in 19a ... 230
2. Wenn man V. 19 als Teil des Gebets zu Jahwe betrachtet... 230
a.)
Und die zwei Imperfekte von 19a als Optative deutet... 230
b.)
Und die beiden Imperfekte von 19a als Futura deutet ... 232
3. Welche Variante ist vorzuziehen?... 232
III. Die Sektion 19b :
... 233
A. Wie ist
zu übersetzen?... 233
1. Gräser-, Pflanzen- oder Feldtau ... 234
2. Tau der Heilung... 234
3. Tau des Lebens... 235
4. Glückstau... 235
5. Tau der Totengeister ... 235
6. Der Ausdruck
sei eine Anspielung an die kanaanäische Götterwelt ... 235

ix
7. Tau, der die Leuchte nicht erlöschen lässt ... 236
8. Tau von Lichtpartikeln ... 237
9. Lichttau oder Tau von Lichtern... 238
B. Die Bedeutung dieser Sektion... 240
1. Wenn man 26:19 als göttliches Orakel betrachtet... 240
2. Verheissung Gottes und Antwort des Volkes wechseln ab... 240
3. Wenn der Prophet zu seinem Volk spricht... 241
4. Wenn der Prophet zu Gott und dann zu den Toten spricht ... 241
5. Wenn der Vers Rede des Propheten zu Gott ist ... 242
IV. Die Sektion 19b :
... 243
A. Die verschiedenen Übersetzungsvorschläge ... 243
1. Und das Land (die Erde) der Gottlosen wird fallen ... 243
2. Und du wirst das Land der Riesen stürzen... 244
3. Du wirst die Riesen zu Boden werfen... 245
4. Dein Tau wirft das Land der Schatten nieder... 246
5. Und die Erde der Schatten wird vertrocknet werden ... 246
6. Und das Land der Schatten wird gebären ... 247
7. Und die Erde wird Schatten gebären... 247
8. Und die Erde wird die Schatten herauswerfen/fallen lassen ... 249
9. Und auf das Land der Schatten wirst du ihn fallen lassen ... 250
B. Die Bedeutung dieser Sektion... 251
V. Die Bedeutung von Jesaja 26:19 im Lichte des Gesamtkontextes... 252
A. Geistliche Wiedergeburt... 253
B. Nationale Wiederherstellung... 254
C. Leibliche Auferstehung... 257
4. Kapitel:
Systematisch-theologische Erwägungen zur Jesaja-
Apokalypse ... 263
I.
Nationale Wiederherstellung
Zwischenreich ... 263
A. Israel und die Landverheissung... 263
B. Die Jesaja-Apokalypse und die Restauratio Israels ... 264
C. Auch andere Stellen sprechen für ein Zwischenreich ... 267
II. Die prophetisch-teleskopische Schau des Zwischenreiches und des Zustandes der
Vollendung als Erklärung für vermeintliche Widersprüche... 271
A. Weltuntergang und doch Überlebende? ... 272
B. Verschlingung des Todes und doch noch Sünde, Krieg und Tod? ... 275
C. Werden nur die Toten Jahwes wieder leben?... 282

x
III. Zwei verschiedene Auferstehungen und das Zwischenreich im Neuen Testament ... 283
A. Joh. 5:28-29 und Apg. 24:15... 283
B. Offb. 20 ... 283
C. 1. Kor. 15:22-28 ... 287
D. Wie sind die Ewigkeitszustandsbeschreibungen in Texten zu verstehen, die wir
dem Millennium zuordnen? ... 288
IV. Die Jesaja-Apokalypse: Antizipierung der Johannes-Apokalypse ... 293
V. Die Jesaja-Apokalypse und die chiliastische Interpretation von Offenbarung 20 ... 296
VI. Konklusion mit theologisch-christologischen Erwägungen... 297
A. Der Messias ist der Herrscher auf Zion... 297
B. Das Thema des Messias im Jesajabuch spricht für die Deutung auf ein
irdisches Zwischenreich ... 300
Bibliographie ... 307

xi
Vorwort
Die Anfänge dieser Arbeit gehen zurück auf mein Studium des Themas Auferstehung im
Alten Testament und eine damit verbundene Semesterarbeit an der Faculté Libre de Théologie
Évangélique in Vaux-sur-Seine (Frankreich) unter Prof. Dr. Émile Nicole. Ihm verdanke ich
manchen Ratschlag.
Zu tiefem Dank verpflichtet bin ich Prof. Dr. Gerhard Maier, der
trotz seinen vielen
Verpflichtungen
bereit war, als Promotor die Verantwortung für meine Arbeit zu
übernehmen. Ihm und dem Copromotor, Prof. Dr. Willem J. Ouweneel, danke ich für alle
Wegleitung, Hilfe und konstruktive Kritik.
Ein besonderer Dank gilt auch Frau Dr. Oberhänsli-Widmer, P. D. phil. an der Theologischen
Fakultät der Universität Zürich, für ihren wertvollen Hebräischunterricht und dafür, dass sie
sich Zeit nahm, auf meine philologischen Fragen speziell zu Jes. 26:19 einzugehen.
Ich möchte auch allen anderen Dozenten und Professoren, die in irgendeiner Weise zu meiner
Ausbildung beigetragen haben, herzlich danken. Zu ihnen gehört auch Heinz Weber, dem ich
nicht nur als Lehrer der systematischen Theologie, sondern auch als Ratgeber in persönlichen
Lebensfragen viel zu verdanken habe.
Für die spontane und selbstlose Hilfe des Informatikers Daniel Soller und seines Sohnes
Stefan sowie von Pfarrer Martin Schröder in Textverarbeitungsfragen bin ich zutiefst dankbar.
Mein Dank geht auch an die B.O.S.E.P. in Paris, wo ich manche meiner Quellen gefunden
habe. Den Herren Gossweiler und Gämperle von der Thurgauischen Kantonsbibliothek in
Frauenfeld und Frau Hollinger von der Bibliothek der Theologischen Fakultät in Zürich danke
ich für ihre stets freundliche Hilfe beim Suchen und Besorgen von Büchern und Artikeln.
Ich habe das Vorrecht, dass meine liebe Gemahlin Ellen und mein Schwiegerpapa Manfred
Schulze von Beruf Lehrer sind. Ellen danke ich für die arbeitsreiche Erstkorrektur und
meinem Schwiegerpapa für seine Bereitschaft zu einer Nachkorrektur.
Der Schweiz. Missions-Gemeinschaft
als deren Missionar ich während manchen Jahren in
Afrika unterrichten durfte
und insbesondere dem Präsidenten Dr. Alfred Hirs, danke ich,
dass sie es mir ermöglicht haben, nebst dem Missionsdienst weiterzustudieren.
Als Afrikamissionar hätte ich diese Studien ohne die finanzielle Hilfe von vielen Freunden,
Verwandten, Bekannten, Missionsgönnern und Gemeinden in Deutschland und in der
Schweiz nicht durchführen können. Die Liste würde zu lang, wollte ich alle aufzählen. Ich
möchte mich bei allen herzlich bedanken.
Und, last but not least, möchte ich meiner Frau Ellen und den Kindern, Patrick, Janine und
Dunja danken, dass sie meine oftmalige gedankliche Abwesenheit geduldig ertragen haben.
Roland Kleger, 27. Mai 2001

1
Einleitung
Die Kapitel 24
27 des Jesajabuches
auch Jesaja-Apokalypse genannt
gehören zu jenen
Texten des Alten Testaments, welche die Gelehrten besonders viel Tinte kosteten. Weshalb
also noch eine weitere Arbeit über dieses Stück hinzufügen? Der bis heute bestehende
Dissensus bezüglich mehrerer Fragen zur Jesaja-Apokalypse unter den Forschern zeigt, dass
weiterhin ein Bedarf an Klärung vorliegt. Unsere Arbeit möchte ein weiterer Beitrag zu einer
Lösung sein.
Den Anlass für diese Arbeit gab eine nähere Beschäftigung mit der Frage der Auferstehung
im Alten Testament und die damit verbundene Feststellung, dass die Interpretation von Jes.
26:19 in diesem Zusammenhang besonders umstritten ist. Während ein Grossteil der
Gelehrten der Meinung ist, mit der Wiederbelebung in Jes. 26:19 sei leibliche Auferstehung
gemeint
ja es handle sich hier um den ersten klaren Hinweis auf eine leibliche
Auferstehung im Alten Testament überhaupt
deuten zahlreiche andere Wissenschaftler die
Stelle metaphorisch auf die nationale Wiederherstellung Israels und einige wenige auf die
geistige Wiedergeburt. Welche dieser drei Deutungen ist richtig? Kann man die Frage
überhaupt mit (letzter) Gewissheit beantworten? Soviel ist klar: losgelöst vom Kontext, nur
für sich genommen, kann der Vers à la limite tatsächlich jede der genannten Bedeutungen
haben. Wenn überhaupt, dann ist eine Entscheidung zwischen den verschiedenen Vorschlägen
nur im Lichte des Kontexts möglich. Damit verbunden ist (bzw. wird) aber nicht zuletzt auch
die Frage der Genesis der Jesaja-Apokalypse: Bilden die vier Kapitel eine ursprüngliche
Einheit oder sind sie das Resultat eines (mitunter langen) Wachstumsprozesses? Ist die so
genannte Jesaja-Apokalypse ein buntes Patchwork, bestehend aus mehreren ursprünglich
unabhängigen Perikopen, die bei der Zusammensetzung durch einen so genannten Redaktor
oder Kompilator, je nachdem, vielleicht mitunter noch
zum Zweck der Anpassung an den
neuen Kontext
umgeschrieben oder ergänzt wurden und wenn ja, ist zudem vielleicht noch
an weitere noch spätere Glossen
wenn vielleicht auch nur von wenigen einzelnen Versen
oder Versteilen
zu denken, oder bildete die ganze Apokalypse von Anfang an eine
wesentliche Einheit, in welche aber später vielleicht doch noch die eine oder andere Passage
(z. B. 24:21-23 oder 25:10b-12) oder vereinzelte Verse (z. B. 26:19) oder vielleicht auch nur
das eine oder andere Sätzchen (z. B. 25:8a) oder mitunter sogar nur einzelne Ausdrücke oder
Worte (z. B. meine Leiche in 26:19a ) eingesprengt wurden? Ist die Jesaja-Apokalypse echt,
d. h. ganz jesajanisch, oder wenigstens ein wesentlicher Teil davon, oder handelt es sich bei
ihr um einen exilischen, einen früh- oder spätpostexilischen oder gar um einen Zusatz aus der
makkabäischen oder hasmonäischen Zeit, ja vielleicht sogar aus dem christlichen Zeitalter?
Sind die Kapitel wesentlich prophetisch, eschatologisch, proto- oder frühapokalyptisch oder
apokalyptisch schlechthin? Muss wenigstens bei den einen oder anderen Vorstellungen in
diesen vier Kapiteln an kananäischen, babylonischen, ägyptischen oder parsistischen Einfluss
gedacht werden? Ist es vielleicht möglich, durch Identifizierung der mehrmals erwähnten
gestürzten Stadt den Sitz im Leben dieser vier Kapitel zu bestimmen? Welche der zirka zehn
Städte, die Gelehrte vorgeschlagen haben, ist hier wirklich gemeint? Ist vielleicht nicht an
allen Stellen, wo von der Stadt die Rede ist, ein und dieselbe Stadt gemeint? Besteht die
Möglichkeit, dass immer dieselbe Stadt gemeint ist, aber nicht überall das gleiche Ereignis?
Oder könnte es sogar sein, dass die Stadt nicht historisch, sondern symbolisch oder
typologisch zu deuten ist, so dass die Stadtstellen gar keinen Rückschluss auf eine bestimmte
Epoche erlauben? Ist die Verwüstung der Stadt bereits erfolgt oder noch zukünftig? Ist bei der

2
einen oder anderen Stelle an ein bereits eingetretenes, bei den Übrigen hingegen an ein noch
zukünftiges Ereignis zu denken? Ist die Apokalypse universalistischer oder partikularistischer
Couleur oder beides zugleich, wenn ja, muss an einen Selbstwiderspruch des Verfassers oder
an einen Widerspruch, bedingt durch Mehrfachverfasserschaft, gedacht werden? Wie kann
von Überlebenden die Rede sein (24:6.13), wenn doch die Welt untergeht, d. h. zerbricht und
nicht mehr aufsteht (24:20)? Wenn der Tod an jenem Tag wirklich verschlungen wird und alle
Tränen weggewischt werden sollen (25:6-8), wie kann es dann noch heissen, dass an jenem
Tag immer noch mit Kampf und Vernichtung gerechnet werden muss (27:4)? Ist sich
vielleicht der Verfasser seines Selbstwiderspruchs nicht gewahr geworden oder muss
mit
vielen Gelehrten
in Erwägung gezogen werden, dass 27:2-13 überhaupt oder wenigstens
Teile davon, von anderer Hand oder gar anderen Händen stammen? Wer ist mit den Toten, die
leben sollen (26:19) und wer mit den Toten, die nicht leben sollen (26:14) gemeint? Sind
diese kontrastiven Aussprüche als bewusster Selbstwiderspruch zu verstehen oder durch
Meinungsunterschied zwischen zwei verschiedenen Autoren bedingt? Besteht nicht auch ein
Widerspruch zwischen 26:14 und 25:8a, wenn ja, ist dieser vielleicht auf differente Ansichten
verschiedener Autoren zurückzuführen oder einfach durch eine spätere Interpolation eines
Glossators entstanden? Dachte ein erster Autor vielleicht nur an nationale Wiederherstellung
Israels, während ein Späterer, indem er 26:19 oder wenigstens den Ausdruck meine Leiche in
26:19a
und vielleicht auch noch 25:8a hinzufügte, hier leibliche Auferstehung ausgedrückt
haben wollte...? Diese Liste von verschiedenen Hypothesen und Fragen bzw. hypothetischen
Fragen, könnte beliebig verlängert werden. Sie resultieren alle aus Beiträgen vieler Gelehrter,
die sich mit der Jesaja-Apokalypse auseinandergesetzt haben und auf die wir in unserer Arbeit
auch eingehen werden.
Bei alledem muss bedacht werden, dass bei vielen Hypothesen religionsgeschichtliche
und/oder dogmatische Prämissen mitspielen. In zahlreichen Arbeiten kommt dies offen zum
Ausdruck. So sagen z. B. viele Gelehrte explizit, dass die Jesaja-Apokalypse wegen den darin
vorkommenden apokalyptischen Schilderungen, insbesondere wegen der Erwähnung der
Auferstehung, gezwungenermassen als postexilisches Stück betrachtet werden müsse.
Umgekehrt kann für mehrere Gelehrte, weil sie Jes. 24
27 früher ansetzen
d. h. in die
Zeit vor oder während des babylonischen Exils
in diesen Kapiteln a priori nicht leibliche
Auferstehung gemeint sein, weil diese, wie sie meinen, in jener frühen Zeit in Israel noch kein
Theologumenon gewesen sei. Andere wiederum sind wohl der Überzeugung, dass 26:19
und vielleicht auch 25:8a
individuelle Auferstehung implizieren, glauben aber, dass es sich
dabei um spätere Interpolationen handelt.
Man wird sich zu Recht fragen, ob es denn angesichts dieses Meeres von Vorschlägen bzw.
Hypothesen überhaupt möglich ist, diesen vier Kapiteln etwas Verbindliches abzugewinnen
und zwar auch für unser Thema: Restauratio und Resurrectio in der Jesaja-Apokalypse. Es
ist unseres Erachtens dann möglich, wenn man zunächst einmal fragt, was dieser Text per se
sagt und welches seine Relation zu den anderen Teilen des Jesajabuches und letztendlich zum
ganzen Alten Testament ist. Ein erstes Ziel unserer Arbeit ist es, mittels einer detaillierten
Exegese und Strukturanalysen, sowie durch eine intensive sprachliche Auslegung, zu zeigen,
dass die vier Kapitel von Anfang an eine Einheit gebildet haben müssen. Zudem wollen wir
versuchen darzulegen, inwiefern der ganze Aufbau der verschiedenen Stücke und Passagen
auch Hypothesen von angeblichen späteren Einsprengungen einzelner Verse (z. B. 26:19)
unwahrscheinlich erscheinen lässt. Danach gilt es zu analysieren, was die für unser Thema
relevanten Schlüsselstellen im Lichte des gesamten Kontexts wirklich bedeuten bzw.
ausdrücken.

3
Wir schlagen dabei folgende Vorgehensweise und Methode vor: In einem ersten Kapitel
bieten wir einen Forschungsüberblick, in welchem wir zuerst (I) Beiträge vom Ende des 18.
Jahrhunderts (Eichhorn) bis zum Ende des 20. Jahrhunderts (Gileadi und O'Connell)
analytisch resümieren und dann die Ergebnisse synthetisch zusammenfassen. Auf diese (und
andere) Beiträge werden wir dann in den folgenden Kapiteln an geeigneter Stelle Bezug und
Stellung nehmen. In einer zweiten Etappe (II) im ersten Kapitel legen wir dann die
Hauptargumente dar, die von verschiedenen Gelehrten gegen die Einheit der Jesaja-
Apokalypse geltend gemacht werden und nehmen dazu Stellung. In einer dritten Etappe (III)
im ersten Kapitel zeigen wir Gründe, die für die Einheit der vier Kapitel avanciert werden. Im
zweiten Kapitel folgt eine eingehende exegetische Untersuchung von Jes. 24
27 mit einer
Strukturanalyse des jeweiligen Stücks oder der einzelnen Passagen. Der crux interpretum Jes.
26:19 widmen wir nicht nur deshalb ein Extrakapitel (das 3. Kapitel), weil sie für unser
Thema von zentraler Bedeutung ist, sondern auch, weil die Interpretation dieses Verses
sowohl mit textkritischen als auch philologischen und theologischen Fragen verknüpft ist.
Hinzu kommt die Erläuterung eines Arguments, welches von der Struktur des Stücks, zu
welchem 26:19 gehört, abgeleitet werden kann. Auf den Ergebnissen der ersten drei Kapitel
aufbauend, wollen wir im vierten und letzten Kapitel versuchen, eschatologische und
christologisch-theologische Schlüsse aus der Jesaja-Apokalypse zu ziehen. Hier wollen wir
zeigen, inwiefern die Jesaja-Apokalypse auf ein messianisches Zwischenreich hindeutet und
gleichzeitig zu erklären versuchen, wie sich dadurch die angeblichen Widersprüche sowohl
innerhalb der Jesaja-Apokalypse, als auch zwischen der Jesaja-Apokalypse und anderen
Teilen des Jesajabuches oder gewissen Stellen in anderen Büchern des Alten und des Neuen
Testaments, als (eben) nur vermeintlich erweisen. Da wir vom hermeneutischen Prinzip
überzeugt sind, dass die scriptura sacra sui ipsius interpres ist und die Offenbarung Gottes an
seine Diener als progressiv verstanden werden muss, wollen wir in diesem Kapitel nebst auf
Passagen in den anderen Teilen des Jesajabuches, auch auf andere Bücher des Alten
Testaments sowie auf relevante Stellen im Neuen Testament Bezug nehmen und dann
versuchen aufzuzeigen, dass das, was die Jesaja-Apokalypse bereits anklingen lässt (wenn
vielleicht auch noch etwas enigmatisch), nämlich das Simultanereignis der nationalen
Wiederherstellung und der leiblichen Auferstehung, auch durch andere Passagen in der
Heiligen Schrift angedeutet wird. Gleichzeitig gilt es darzulegen, dass dies aber ohne
messianisches Zwischenreich nicht wirklich möglich ist. Da, wo wir auch auf Parallelen in
der jüdischen Apokalyptik und in der rabbinischen Literatur hinweisen, geschieht dies nicht,
um unsere Argumentation darauf abzustützen, sondern lediglich, um auf eventuelle Parallelen
in jenen Texten hinzuweisen. Last but not least gilt es auch auf die umstrittene Frage
einzugehen, wer die Person ist, die in der Jesaja-Apokalypse auf dem Zion herrscht. Wir
wollen versuchen zu zeigen, dass der teleologisch konzipierte Aufbau des ganzen
Jesajabuches und dessen zentrales Thema des Messias vermehrt dafür sprechen, dass es der
Messias ist, der hier in Gegenwart seiner Vollendeten auf dem Zion über alle Völker und
Nationen herrscht.

4
1. Kapitel:
Einheit und Authentizität der Jesaja-
Apokalypse
I.
Beiträge zur Frage
In diesem Teil soll es darum gehen, einen Abriss zur Entwicklung der Forschung über die
Jesaja-Apokalypse seit Eichhorn bis zum Jahre 2000 zu präsentieren. Angesichts der Vielfalt
von Kommentaren und Artikeln über diese vier Kapitel, wird man verstehen, dass es
unmöglich ist, alle zu berücksichtigen. Bei unserer Auswahl haben wir in erster Linie darauf
geachtet, die wichtigsten bzw. die meistzitierten Beiträge zu berücksichtigen. Zweitens haben
wir uns bemüht, nicht nur Arbeiten aus dem deutschen, englischen und französischen
Sprachraum, sondern auch niederländische und skandinavische Arbeiten einzubeziehen. Als
Drittes ist zu erwähnen, dass es nicht befremden darf, wenn manche (ebenfalls)
erwähnenswerte Kommentare (v. a. aus der Zeit zwischen 1800 und 1880) hier nicht erwähnt
bzw. resümiert werden.
1
Der Grund dafür ist ganz einfach dieser, dass die damaligen
Exegeten (noch) von der Einheit der vier Kapitel ausgingen und sich nur in Details in der
Interpretation unterschieden. Wir berücksichtigen von dieser Epoche jene, die entweder
besonders einflussreich
2
oder aber in der Auslegung und/oder Historisierung der vier Kapitel
neue oder einfach andere Elemente bieten.
3
Ein viertes Kriterium ist jenes der
Komplementierung. Wir erwähnen auch einige weniger bekannte Beiträge,
4
sei es wegen ihrer
Originalität oder aber, um das Bild des beachtlichen Dissensus, der unter den Kritikern
besteht, zu verdeutlichen und gleichzeitig zu komplettieren. Wir resümieren bewusst nicht nur
synthetisch und kurz, sondern auch analytisch, um danach im exegetischen und theologischen
Teil auf die genannten Beiträge zurückgreifen bzw. darauf zurückverweisen zu können.
5
Wir
ziehen es vor, die Beiträge in chronologischer Reihenfolge und nicht nach den verschiedenen
Typen der Hypothesen
6
vorzustellen. Wir werden dann anschliessend in einer kurzen
1
Sie werden im exegetischen Kommentar berücksichtigt werden.
2
Bzw. häufig zitiert werden, wie z. B. Wilhelm Gesenius, Philologisch-kritischer und historischer Commentar
über den Jesaia, 1. Teil, 2. Abt., enth. Kap. 13
39 (Leipzig: F. C. W. Vogel, 1821).
3
So resümieren wir z. B. August Knobel, Der Prophet Jesaia. 3. Aufl. (Leipzig: S. Hirzel, 1861), der wohl
bekannt ist, aber nicht unbedingt zu den Wichtigsten gehörte. Wir berücksichtigen ihn deshalb, weil seine
Historisierungsvorschläge z. T. originell sind und v. a. weil seine Sicht der Perspektive des Propheten betreffs
gewisser Passagen speziell ist.
4
Z. B. jenen von JB. van Gilse, 'Jesaja XXIV
XXVII', Nieuw Theologisch Tijdschrift, 3. Jaargang (1914).
5
Je nach Art der Hypothese kann die Länge des Resümees stark differieren. So kommt es, dass die
Zusammenfassung von Beiträgen mit komplexen Wachstumshypothesen (z. B. Vermeylen) oder verschiedenen
Historisierungsvorschlägen (z. B. van Gilse) mehr Raum einnimmt als z. B. jene der Arbeiten von Gesenius und
Hitzig (die von der Einheit des Stücks ausgehen und im Wesentlichen an eine Epoche denken).
6
Seien es Hypothesen, die (1) von der Einheit der vier Kapitel, nicht aber der Echtheit ausgehen, (2) solche, die
speziell zwischen eschatologischen oder apokalyptischen Stücken einerseits und (lyrischen) Stadtliedern
andererseits von verschiedenen Autoren oder (3) solche, die an eine Liturgie oder Ähnliches denken, seien es (4)
Vorschläge, die man entweder mit (5) Fragmenten-, (5) Wachstums- oder (6) Schichtenhypothese bezeichnen
könnte und, last but not least, solche, die sowohl die Einheit als auch die Echtheit bzw. Jesajanizität
voraussetzen.

5
Synthese die verschiedenartigen Vorschläge zu kategorisieren versuchen und einige
Bemerkungen zu den neuesten Trends machen. Zur Erläuterung sei noch angemerkt, dass wir
bei alten Beiträgen nur dann ein "sic" anmerken, wenn wir den Eindruck haben, der Leser
könnte denken, dass uns an der betreffenden Stelle ein Schreibfehler unterlaufen ist.
Schon Eichhorn (1783) sprach nicht nur den Kapiteln 40
66 des Jesajabuches, sondern
auch mehreren Passagen des so genannten ersten Teils des Jesajabuches die Echtheit bzw.
Jesajanizität, ab. Zu diesen für ihn nicht jesajanischen Texten gehören auch die Kapitel 24
27.
7
Er vergleicht das Jesajabuch mit der Rolle der zwölf kleinen Propheten und spricht von
zwei prophetischen Anthologien, in denen alte und neue Orakel gemischt wurden. Der
Unterschied bestehe einfach darin, dass, während in der Rolle mit den 12 kleinen Propheten
der Name des Verfassers jeweils voran gesetzt ist, bei der Jesajarolle ausser Jesaja die Namen
der übrigen Verfasser unbekannt seien.
8
Eichhorn versucht dann, das Entstehen dieser
Anthologie hypothetisch
9
nachzuvollziehen. Unter anderem stellt er sich vor:
Schrieb man aus bestimmten Schriftstellern einzelne Stellen
zusammen, um die wichtigsten Orakel oder Volksreden im Kleinen
beysammen zu haben; oder füllte man mit Stücken eines gewissen
Propheten den leeren Raum einer Haut aus, die auch eine
Orakelsammlung enthielt; und ist aus solchen Sammlungen unser
Jesaias erwachsen: so müssen wohl zuweilen Stücke von einerley
Verfasser hinter einander folgen. So scheinen Jes. 24:27, die wohl nicht
von Jesaias sind, dennoch einerley Gepräge und Charakter zu tragen.
10
Was die Zeit der Entstehung dieser "Anthologie" des Jesajabuches betrifft, so nimmt Eichhorn
an, "daß unser Jesaias eine nach dem Babylonischen Exil gesammelte Anthologie von
Orakeln sey, zu deren ersten Grundlage eine Sammlung Jesaianischer Weissagungen gemacht
worden"
11
ist. Folgende Äusserung Eichhorns zeigt, dass er an eine Verfassung am Ende des
babylonischen Exils denkt, wobei man sich fragen könnte, ob darin nicht schon die ersten
Zweifel an der Einheit der Jesaja-Apokalypse anklingen:
Endlich kann es nach dieser Hypothese niemand weiter befremden,
wenn Stellen vorkommen, die wie abzusondernde Theile eines größern
Ganzen aussehen. Wer ist z. B. im Stande, Jes. 27 ohne Zwang und
ohne gewaltthätige Unterdrückung seines Auslegergefühls mit 24:26
als ein in Einem fortgehendes Ganzes zu verbinden? Enthält das 27ste
Kap. einen um einige Zeit später abgefaßten Zusatz, bey einem neuen
Zeitereigniß, als nach der Besitznahme von Babel Cyrus gegen Amasis
nach Aegypten zog, so wird die Folge dieser Stücke deutlich. Der
Sammler ließ beysammen, was zwar nicht der Zeit, aber der Sache nach
zusammen gehörte, wie es ursprünglich schon beysammen stand.
12
7
Johann Gottfried Eichhorn, Einleitung in das Alte Testament, 4. Original-Ausgabe (Göttingen: Carl Eduard
Rosenbusch, [
1
1783] 1824), 4: 86.
8
Ibid., 119-121.
9
Vgl. ibid., 125, wo er von seinem Vorschlag als "dieser Hypothese" spricht.
10
Ibid., 124.
11
Ibid., 114.
12
Ibid., 125-126.

6
Seit Eichhorn wurde der Jesaja-Apokalypse von den meisten Gelehrten die Echtheit
aberkannt.
13
Gesenius (1820-1821) sieht im Verfasser der vier Kapitel einen während des Exils in
Babylon lebenden prophetischen Dichter.
14
Das Stück soll zumindest im selben Zeitalter und
von ein und demselben Verfasser geschrieben worden sein. Für Gesenius bilden die vier
Kapitel also ein einheitliches Stück. Er sieht v. a. in 26:20-21 einen Hinweis auf ein genaueres
Datum, nämlich die Zeit kurz vor dem Untergang Babylons, zeitgleich mit den Stücken Jes.
13
14; 21 und 40
66.
15
V. a. aus 24:16 folgert er, dass der Verfasser in Babylon gelebt
haben muss. Das wehe mir! sei so zu verstehen, dass der Schriftsteller das Unglück über die
grosse Stadt, in der er selbst lebte, kommen sah.
16
Wie die meisten Exegeten seiner Zeit, ist er
überzeugt, dass in diesem Stück mit dem Feind des Volkes Gottes Babylon gemeint ist. 24:1-
12 deutet er auf die Verwüstung des Landes Juda; mit der Stadt in 24:10 sei also Jerusalem
gemeint, wie übrigens auch in 27:10.
17
In den übrigen Stellen, wo von der zerstörten
(feindlichen) Stadt die Rede ist, sieht er den Untergang Babylons.
18
Die Perspektive des
Schriftstellers ist bei Gesenius also diese, dass die Stadt Jerusalems bereits verwüstet ist, die
Zerstörung Babylons, die Rückkehr des jüdischen Volkes in ihr Land und die anschliessende
Herrschaft Jahwes auf dem Zion stehen kurz bevor.
19
Auch Hitzig (1833) betrachtet die vier Kapitel als Einheit. Er sagt sogar, dies könne "als
unbestreitbar angenommen werden."
20
Er gehört ebenfalls zu den Exegeten, die das
Verfassungsdatum des Stücks von der Identifizierung der feindlichen Stadt abhängig machen.
Diese ist für ihn Ninive, zerstört durch Cyaxares 597 v. Chr.
21
Der Verfasser muss für ihn ein
Ephraimit (d. h. jemand aus dem Nordreich Israel), der mit seinen Landsleuten in Ninive
lebte, gewesen sein. In seiner Meinung sieht er sich u. a. auch durch die Erwähnung Moabs in
25:10 bestärkt. Moab sei nämlich der Erzfeind des Nordreichs gewesen, Edom hingegen vom
Südreich. Deshalb glaubt er, dass die Kapitel 34 und 63 durch einen Propheten aus Juda
geschrieben worden sind.
22
Hitzig vermutet also für unser Stück eine Verfasserschaft am
Ende der assyrischen Epoche.
23
Mit dem Land in 24:1-13 sei nicht, wie irrtümlich viele
glaubten, Juda gemeint, sondern Assyrien. Die Zerstörung Ninives sei bereits erfolgt und
würde gefeiert, jene von Kir-Moab (25:12) hingegen soll noch zukünftig sein.
24
Ganz speziell
sieht Hitzig die Perspektive des Propheten auch in Bezug auf 26:1ff: Da sich die Israeliten
(des Nordreiches) im Exil in Assyrien befänden, sei nur noch das Land Juda israelitisch.
13
Eine Aufzählung bekannter Exegeten mit jeweiliger Datumsangabe findet sich zum Beispiel bei Otto
Procksch, Jesaia I. Kommentar zum Alten Testament, 9. Band (Leipzig: A. Deichertsche Verlagsbuchhandlung
D. Werner Scholl, 1930), 342-343.
14
Wilhelm Gesenius, Philologisch-kritischer und historischer Commentar über den Jesaia, 1. Teil, 2. Abt., enth.
Kap. 13
39 (Leipzig: F. C. W. Vogel, 1821), 756.
15
Ibid., 757.
16
Ibid., vgl. 756, 768.
17
Ibid., 757, 820.
18
Ibid., vgl. S. 776 (zu 25:2); 789 (zu 25:12); 793 (zu 26:5). Aber auch S. 768-772 (zu 24:17ff); 808 (zu 26:20-
21) und 810ff (zu 27:1).
19
Ibid., vgl. sein Resümee S. 756, speziell aber auch seine Interpretation betreffs 26:20 (S. 808) und 27:1 (S.
809-810).
20
Ferdinand Hitzig, Der Prophet Jesaja (Heidelberg: C. F. Winter, 1833), 292.
21
Ibid., 294-296. 25:12 deutet er aber auf Kir Moab und erinnert an Jes. 15:1 (vgl. S. 313).
22
Ibid., 296, 299.
23
Was ihm Otto Procksch, op. cit., 342, vorwirft, denn, meint dieser, anonyme Verfasserschaft komme für die
assyrische Periode noch nicht in Frage.
24
Ibid., vgl. S. 315; Ninive vgl. S. 303, 316-317.

7
Deshalb werde "jenes Lied" in Juda gesungen. Der Prophet soll also demnach die Hoffnung
haben, dass demnächst Ephraim und Juda wieder vereinigt werden.
25
Vatke (1835/1886) findet in 26:13.15-18 und 27:1.9 Hinweise darauf, dass das Stück nach
dem Exil verfasst worden sein muss.
26
Auch die Tatsache, dass ein zeitgenössischer Verfasser
mit Sicherheit informiert gewesen wäre, dass damals Babylon nicht zerstört wurde und das
Stück sich deshalb nicht auf die Eroberung Babylons beziehen kann, spricht seines Erachtens
für ein späteres Datum. Zur Zeit Vatkes war das Historisieren sowieso à la mode und die
Schilderungen der Propheten verstand man meistens ex eventu oder post eventum. Nun hätte
Vatke natürlich (wie Lindblom u. a. nach ihm) an die Zerstörung Babylons durch Xerxes um
485 v. Chr.
27
denken können. Der Grund dafür, dass er dies nicht tut, liegt aber weniger darin,
dass damals diese Hypothese weniger zur Diskussion stand, als in seiner Prämisse, dass
gewisse Vorstellungen in den Kapiteln 24
27 klar auf parsistischen Einfluss zurückzuführen
seien und deshalb (a priori) nur ein späteres Datum in Frage komme. "Faßt man alle einzelnen
Züge genau," räumt er ein, dann lasse sich in keiner Zeit festen Fuss fassen. Aber, so meint er,
"am leichtesten freilich noch in der makkabäischen [Zeit]," wozu seines Erachtens 26:13.15
und 27:1.5 passen würden. Vatke sagt, dass erst ein späteres Zeitalter die verschiedenen
Seiten der persischen Vorstellung auf die Zukunft der Theokratie übertragen konnte. Zu
"dieser persischen Vorstellung" zählt er die Bestrafung der feindlichen Mächte der Höhe, die
wirklich gedachte Auferstehung der Toten, die Vernichtung des Todes für immer und die
Stiftung eines Gottesreiches auf Erden in ewiger Herrlichkeit.
28
Vor ihm suggerierte zwar u.
a. schon Gesenius parsistischen Einfluss, aber in Vatkes religionsgeschichtlicher Analyse
wird dies radikal ausgesprochen. So sagt er u. a.:
Alle diese Einflüsse, welche größtentheils auf den Parsismus
zurückgehen, vermittelten sich allmälig mit der älteren Jehovareligion,
und das Zeitalter des Exils bietet nur erst die Keime dar von dem
großen
Assimilationsprocesse,
wodurch
mit
der
Zeit
die
Hauptmomente persischer Religion und Weisheit in's Judenthum und
durch dessen Vermittelung ins Christenthum aufgenommen wurden.
29
Da die Vorstellungen in Jes. 24
27 mit denen Daniels fast zusammenfallen würden, liege
sowieso nahe, sie zeitlich näher beisammen zu sehen, als dies gewöhnlich angenommen
werde. Damit meint er natürlich die makkabäische Zeit. Über fünfzig Jahre vor Duhm
vermutete also Vatke schon ein so spätes Datum. Später schien allerdings auch Vatke eher an
ein etwas früheres Datum zu denken. Denn in seiner gut 50 Jahre später, kurz nach seinem
Tod, von Preiss (mit einem Vorwort von Hilgenfeld) herausgegebenen Historisch-Kritischen
Einleitung in das Alte Testament, spricht er von der persischen Epoche. Er macht einen
originellen Historisierungsvorschlag: Die verwüstete ragende Stadt deutet er auf das durch
Artaxerxes Ochus um 351 v. Chr. eingenommene und zerstörte Sidon. Er denkt dabei
25
Ibid., 314. Vgl. auch seine Auslegung von 24:14 (vom Westen her) auf S. 304.
26
Wilhelm Vatke, Die Religion des Alten Testamentes nach den kanonischen Büchern. Die biblische Theologie
wissenschaftlich dargestellt, 1. Band, 1. T. (Berlin: G. Bethge, 1835), 550.
27
Siehe dazu unten Lindbloms Vorschlag, das Stück auf die Zeit der Zerstörung Babylons durch Xerxes in 485
v. Chr. anzusetzen, weil damals, im Gegensatz zu 538 (Cyrus) und 331 v. Chr. (Alexander der Grosse), Babylon
tatsächlich verwüstet wurde.
28
Wilhelm Vatke, Religion des Alten Testamentes, 550. Er gibt in Fussnote die Stellen 24:21-23; 25:6-8 und
26:19 an.
29
Ibid., 551. So auch S. 587-588 unter Erwähnung von Dan. 12:2 und div. anderen Stellen in Daniel, sowie Jes.
24:22; 25:7-8 und 26:19.

8
zweifelsohne an 25:2-5; 26:5-6 und 27:10-11.
30
Es ist anzunehmen, dass er mit der wüsten
Stadt in 24:10 Jerusalem meint, denn er sagt, dass sich alle Momente im Orakel höchst
einfach erklären würden, wenn man das Stück so deute, dass das Volk in Palästina wohnt und
nur geflüchtet ist, in und bei Jerusalem aber Tore, Häuser und Äcker verwüstet und
geplündert sind.
31
Er meint, dass dies gut passen würde, weil in jener Zeit die Perser Juda
plünderten. Da er an eine Redaktion post eventum denkt, gilt bei ihm 351 v. Chr. als terminus
a quo für die Verfassung von Jes. 24
27.
Nicht nur Bestreitung der Echtheit, sondern auch offene Kritik an der Einheit des Textes,
findet man bei Ewald (1841). Er ist überzeugt, dass der ursprüngliche Platz von 25:6-11
hinter 24:23 war und somit 25:1-5.12 und 26:1ff vorher zusammen gehörten. Seine
Umstellungshypothese basiert auf der Annahme, dass der in 25:2-5; 25:12; 26:5-6 und 27:10
32
geschilderte Fall der feindlichen Stadt (für ihn Babylon durch Dareios Hystaspis) von der
Perspektive des Verfassers aus bereits eingetroffen ist. Deshalb schneidet er das klar
futurische Stück 25:6-11 aus und setzt es hinter (die ebenfalls futurische Passage) 24:23.
Damit nimmt er auch das für ihn unangenehme Moab in 25:10 aus dem Mittelpunkt der
Stellen heraus, die von einer gefallenen Stadt sprechen, welche für ihn wie gesagt nur
Babylon (und nicht Moab) sein kann.
33
Ewald glaubt an eine postexilische Redaktion der vier
Kapitel und gibt sogar einen präzisen Zeitpunkt an: das Stück gehe auf die Zeit, als Kambyses
seinen Feldzug gegen Ägypten vorbereitete. In allen Stücken sieht er im Hintergrund als
Gefahr für Juda die beiden Machtblöcke Ägypten und Medopersien (vgl. dazu auch seine
Interpretation von 27:1). Da, wo das Volk Gottes (er spricht von der "Gemeinde") jubelt, tue
sie es über dem (erfolgten) Fall Babels.
Knobel (1843) sagt: "Die Zusammengehörigkeit dieser vier Capp. ist ebenso unbestreitbar
wie ihre Unächtheit..."
34
Er glaubt, dass der Verfasser diese "Prophetie" [quasi ex eventu] "zur
Zeit der Aufhebung des Reiches Juda" verfasst habe, d. h. zur Zeit der Invasion durch
Nebukadnezar, nämlich um 588 v. Chr.
35
Für ihn widerspiegeln die vier Kapitel den Konflikt
zwischen Juda und dem neobabylonischen Weltreich. Dies sei auch die Meinung von
Gesenius, de Wette und anderen, nur dass diese die Abfassung des Stücks gegen Ende des
Exils ansetzten, was er unter Erwähnung mehrerer Argumente (der Verfasser muss für ihn
Augenzeuge gewesen sein)
36
als unmöglich bezeichnet. Damit unterscheidet er sich von
30
Da er die zerstörten Astarten- und Baalsäulen im Zusammenhang mit den phönizischen Städten erwähnt, wozu
Sidon gehört, ist anzunehmen, dass er auch in 27:10-11 Sidon sieht. Nach Vatke schlägt Hilgenfeld Tyrus und
Procksch Karthago vor und deuten die Ascheren und Säulen von 27:9 auf phönizische Kultstätten (Hilgenfeld
denkt an Tyrus mit seinem Herakles Tempel, Procksch erinnert daran, dass Karthago damals phönizisches
Kulturgebiet war (s. u.).
31
Wilhelm Vatke, Historisch-Kritische Einleitung in das Alte Testament, hrsg. Hermann G. S. Preiss (Bonn:
Emil Strauss, 1886), 623.
32
Heinrich Ewald, Die Jüngsten Propheten des Alten Bundes mit den Büchern Barukh und Daniel. Die
Propheten des Alten Bundes, 2. Ausg., 3. Band (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, [
1
1841] 1868). In seinem
einleitenden Resümee (S. 164) zählt er für Babel folgende Stellen auf: 25:1-5.11; 26:5f.; 21:10f. Es handelt sich
aber offensichtlich gleich um zwei Schreibfehler. Er meint nicht 25:11 (diesen Vers zählt er nämlich mit 24:21-
23 und 25:6ff zum eschatologischen Teil, spricht er doch diesbezüglich auf S. 165 von "Messianischen bildern"
[sic]), sondern 25:12 (vgl. S. 165, wo er 25:1-5.12 und 26:1-13 als zusammen gehörend erwähnt). Auf S. 169
vergisst er 25:12 wieder, mit den anderen Stellen im Titel zu erwähnen, auf S. 170 ist der Vers aber sehr wohl in
seiner so genannten "2. wende" zwischen 25:5 und 26:1 übersetzt.
33
Gegen diese Textumstellung Ewalds siehe Rudolf Smend, 'Anmerkungen zu Jes. 24
27', ZAW. 4. Jahrg.
(1884), 174-182 (Ewalds Hypothese explizit erwähnt S. 181-182).
34
August Knobel, Der Prophet Jesaia, 3. Aufl. (Leipzig: S. Hirzel, [
1
1843] 1861), 180.
35
Ibid., XXIV, 182.
36
Ibid., 182-183.

9
vielen anderen Theologen seines Jahrhunderts, die in der feindlichen Stadt auch Babylon
sehen. Die Perspektive des Verfassers sei diese, dass er aus der jämmerlichen gegenwärtigen
Situation hinausspreche, sich dann aber immer wieder in die Zukunft versetzt fühle, um dann
aber gleich wieder in die Gegenwart zurückzukehren und in diese hineinzusprechen.
37
Wenn
von der Zukunft die Rede ist, dann denkt Knobel speziell an die nahe Zukunft. Für ihn
erwartet der Prophet nach dem Untergang Babylons eine Art goldenes Zeitalter für Juda. So
spricht er z. B. von 26:1 als einer "Fiction"
38
des Verfassers. Die Redaktion der Kapitel 13
14:23; 21:1-10; 34
35 sowie 40
66 hingegen setzt auch er auf die Zeit während des
babylonischen Exils an, wobei er (im Gegensatz zu Duhm und anderen nach ihm) überzeugt
ist, dass 40
66 von "einem und demselben Propheten" verfasst wurden.
39
Für Hilgenfeld (1866) steht das Stück Jes. 24
27 nicht per Zufall hinter Jes. 23, wo von der
(noch) nicht erfüllten Weissagung der Zerstörung von Tyrus die Rede ist.
40
Diese Weissagung
wurde bekanntlich durch Alexander den Grossen in 332 v. Chr. erfüllt. Die (feindliche) Stadt
in 24:10; 25:2b;
41
26:5 und 27:10-11 identifiziert er mit Tyrus. Für ihn fällt das Stück in die
Zeit, wo Alexander der Grosse die medopersische Vormachtstellung beendete und die
Festung von Tyrus zerstörte. Mit den Ratschlüssen von fern her in 25:1 ist für ihn der von den
Propheten angekündigte Untergang von Tyrus gemeint (Jes. 23; Jer. 47:4; Ez. 26:1
28:19);
mit dem Toben der Fremdlinge in 25:5a die Kanaaniter mit der Stadt Tyrus; mit den
Gewalttätigen in 25:5b die Mazedonier (d. h. Alexander der Grosse und seine Armee). Die zu
Ende gehende Schmach für das Volk Israel führt er darauf zurück, dass Alexander der Grosse
das Perserreich zu Boden warf
42
und die Landerweiterung in 26:15 deutet er auf die Zeit, als
Alexander der Grosse nach der Eroberung von Tyrus den Juden einige Bezirke Samariens
schenkte,
43
die in 26:17-18 beschriebenen vergeblichen Bemühungen der Juden auf deren
misslungenen Versuch, sich von Artaxerxes III Ochos loszulösen, 27:1 auf Ägypten, die
Perser und die Hellenen mit den Mazedoniern. Den Hinweis auf den Götzendienst in 27:9
deutet er auf den Herakles-Tempel in Tyrus und die Astarte
kurz auf den kanaanitischen
Götzendienst, was natürlich im Einklang zu seiner Identifizierung von 27:10-11 mit Tyrus
geschieht.
44
Für ihn stellt das ganze Stück "ein ächtes Denkmal des Judenthums, wie es aus
der persischen Zeit heraustrat,"
45
dar. Einen Einfluss des Parsismus sieht er speziell in 24:21
(Heer
des
Himmels);
25:7-8
(Vernichtung
des
Todes)
und
26:19-21
(die
Totenauferstehung).
46
Delitzsch (1866) gehörte zu den wenigen Gelehrten seiner Zeit, die noch an der Echtheit aller
66 Kapitel des Jesajabuches festhielten. Noch in der dritten
47
Auflage beklagte er sich
darüber, dass die neuere Kritik all diejenigen, die es noch wagen, an der Jesajanizität der
Kapitel 40
66 festzuhalten, "mit dem Banne der Unwissenschaftlichkeit, ja sogar der
37
Siehe speziell seinen Kommentar zu Kap. 26 (ibid., 193-199). Deutlich zu 27:6 (S. 201): "Der Verf. hat sich
V. 6. in die Zukunft gestellt und redet auch hier von ihr aus; in ihr wird es sich gezeigt haben, dass Jehova die
Feinde seines Volks viel härter behandelt (24, 17 ff. 25, 2. 26, 5.), als er dieses behandelt hat."
38
Ibid., 195.
39
Ibid., XXII-XXIV.
40
A. Hilgenfeld, 'Das Judenthum in dem persischen Zeitalter', Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie, 9.
Jahrg. (1866), 437.
41
In der Stadt, von der in 25:2a die Rede ist, sieht er hingegen Jerusalem (vgl. ibid., 442).
42
Ibid., 444.
43
Ibid., 435-436, 444.
44
Ibid., 447.
45
Ibid., 448.
46
Ibid., 448.
47
Erschienen 1866
1
, 1869
2
und 1879
3
.

10
Gewissenlosigkeit"
48
belegen würde. Später, in seiner 4. Auflage,
49
änderte aber auch
Delitzsch seine Meinung, indem er nämlich
wenn auch nur zögernd
einen Deuterojesaja
zumindest für sehr wahrscheinlich hielt. Diese Entscheidung schien ihm allerdings nicht leicht
gefallen zu sein, denn in seinen Darlegungen wankt er immer wieder zwischen Argumenten,
die für einen und solchen, die für zwei (oder mehr) Verfasser sprechen, hin und her. Für ihn
muss deshalb der "andere Jesaia" ein Jünger des ersten gewesen sein, ja einer, der seinen
Meister geradezu überflügelt hat.
50
Auch er bezieht sich auf die Erwähnung von Schülern des
Propheten Jesaja in Jes. 8:16. Dabei spricht er von Doppelgängern Jesajas und sagt: "Einen
Anteil an c. 40
66 hat Jesaia jedenfalls. Ist er nicht unmittelbarer Verf., so sind es doch von
ihm gegebene Impulse, die da fortschwingen." Die Frage, auf wie viele Propheten, die sog.
"deuterojes. Redestücke" zu verteilen sind, bleibt für ihn offen. Nach ihm wäre es das
Einfachste, den anderen Jesaja, d. h. den Deuterojesaja, auch für den Verfasser der Stücke
24
27; 23; 21:1-10; 13:2
14:23 und 34
35 (das wäre die von ihm vermutete
Reihenfolge
51
) zu halten. Sein darauf folgender Schlusssatz, wonach über dieser Frage "ein
undurchsichtiger dichter Schleier"
52
liege, scheint aber erneut durchschimmern zu lassen, dass
ihm diese ganze Frage zur wahren crux geworden ist. Dass ihm diese Entscheidung nun mal
schwerer fiel, als den meisten Gelehrten seiner Zeit, muss bestimmte Gründe gehabt haben.
Einer davon ist bestimmt dieser, dass Delitzsch trotz dieser Kehrtwendung bezüglich der
Frage um die Verfasserschaft der "umstrittenen" Stücke im Jesajabuch zu den so genannt
offenbarungsgläubigen Gelehrten zu zählen ist. Im Gegensatz zu den meisten Vertretern einer
Mehrfachverfasserschaft ist für ihn die namentliche Erwähnung von Cyrus im zweiten Teil
des Jesajabuches nicht ein zwingender Grund, um auf einen späteren Verfasser zu schliessen.
Denn für ihn steht fest, dass Gott dies und andere Details dem Propheten ohne weiteres hätte
im Voraus offenbaren können.
53
Was den zweiten Teil des Jesajabuches betrifft, so ist es für
ihn mehr die Perspektive des Propheten, die ihn an einen anderen Verfasser denken lässt.
Denn, so sagt er, "vom Standpunkt des Exils aus blickt er rückwärts, nirgends von
vorexilischem Standpunkt vorwärts."
54
Man könnte den Eindruck bekommen, dass es
Delitzsch weniger schwer fiel, die Kapitel 24
27 dem Jesaja abzusprechen als die Kapitel
40ff. Er räumt zwar ein, dass jene vier Kapitel in ihrem Wortlaut "nichts über die assyrische
Zeit Hinausgehendes enthalten" und dass die Form und viele Worte und Wendungen, ja ganze
Verse und Versgruppen, typisch jesajanisch seien.
55
Für ihn lässt vor allem der Inhalt dieser
Kapitel an eine Redaktion nach Jesaja denken. Er vergleicht das Stück mit Sach. 9
14.
Beides sind für ihn Stücke "durchaus eschatologisch-apokalyptischen Inhalts," die von
anscheinend scharf umrissenen zeitgeschichtlichen Verhältnissen ausgehen würden. Wenn
man diese aber greifen wolle, würden sie irrlichtartig entfliehen, weil sie eben "über ihre
historische Aeußerlichkeit hinausgerückt und zu Emblemen fernzukünftiger letzter Dinge
gemacht"
56
seien. Dieser eschatologisch-apokalyptische Inhalt ist es vor allem, der ihn die
48
Franz Delitzsch, Jesaja, 5. Aufl., Nachdr. d. 3. Aufl. von 1879 (Gießen: Brunnen-Verlag, 1984), 405.
49
Franz Delitzsch, Commentar über das Buch Jesaia, 4. neubearb. Aufl. (Leipzig: Dörfling & Franke, 1889). In
der Folge beziehen wir uns auf die 4. Auflage.
50
Ibid., 29, 405.
51
Ibid., 408, vgl. S. 27. Dabei ist zu sagen, dass er davon ausgeht (vgl. S. 285, 290), dass Jeremia die Stücke
13
23 und 24
27 zusammen gelesen hat, weil er annimmt, dass Jer. 48:43f. [Orakel über Moab] Jes. 24:17f.
voraussetzt (nicht umgekehrt).
52
Ibid., 408. Vgl. auch S. 30: "Das sind die Bedenken, die mich in der jesaianischen Frage doch nicht zur
Sicherheit mathematischer Gewißheit kommen lassen."
53
Vgl. ibid., 401, 403.
54
Ibid., 401.
55
Ibid., 285, 403. S. 285 zitiert er dazu einmal mehr Driver.
56
Ibid., 284. Vgl. S. 26, wo er von einem "großen apokalyptischen Epiloge" zu den Kapiteln 13
23 spricht.

11
Jesaja-Apokalypse in die "nachjesaianische Zeit"
57
versetzen lässt. Anders als die meisten
Kommentatoren seiner Zeit meint Delitzsch, dass alles Historisieren dieses Stücks zum
Scheitern verurteilt sei, weil, sagt er, "alles was zeitgeschichtlich zu sein scheint nur
eschatologisches Emblem ist." Er ist überzeugt, dass die Kritiker sich deshalb in
Widersprüche verwickeln, weil sie statt des zeitgeschichtlichen Bodens der jesajanischen Zeit
unbedingt einen anderen geschichtlichen Hintergrund suchen. Es sei eben unbestimmbar, ob
das historisch Lautende der Gegenwart oder der Vergangenheit des Propheten angehört und
sein Standort sei "jenseit aller bislang verlaufenen Geschichte." [sic]
58
Für ihn ist klar, dass
die Einzelgerichte von Kap. 13
23 in den Kap. 24
27 ins Endgericht einmünden. So sieht
er in der mehrmals genannten starken Stadt keine bestimmte Stadt der damaligen Geschichte,
sondern deutet sie viel mehr symbolisch auf die "Centralstadt der gottentfremdeten Welt,"
59
wozu der Sturz Moabs in 25:10-12 nur "ein Annex"
60
sei. Allerdings macht auch er eine
Ausnahme: die feste Stadt in 27:10 deutet er nämlich auf Jerusalem. Dort sei der Standpunkt
des Propheten jenseits der Zerstörung Jerusalems, mitten im Exil. Ansonsten deutet Delitzsch
alles futurisch auf die Endzeit.
Smend (1884) glaubt, dass 24:1-16 auf eine unmittelbar bevorstehende Katastrophe über Juda
hindeutet,
61
25:9; 26:1 und 27:2 hingegen seien Lieder, "die das Volk Jahves einst in der
messianischen Zukunft singen werde."
62
Wegen seiner Stellung zwischen 24:21-23 und 25:6ff
glaubt er, dass das Ereignis der Zerstörung der Stadt in 25:1-5 auch zukünftig sein müsse. Er
vermutet, dass sich der Prophet "in seiner Einbildung in jene Zukunft versetzte, wo er das c.
24 seinem Volke angekündigte Unheil bereits hinter sich hat."
63
Der Fall der ungenannten
feindlichen Stadt ist für ihn also noch zukünftig. Er spricht von "eschatologischen
Erwartungen."
64
Das will aber nicht heissen, dass nicht auch Smend, wie die meisten seiner
Vorgänger, für alle Passagen den Sitz im Leben zu unterscheiden versucht.
65
Er glaubt, dass
der Verfasser in 24:17-23 allgemein das Weltgericht schildert, um erst danach die
Anwendung auf Moab zu machen, auf welches er aber von vornherein hinaus wolle. Er ist
überzeugt, dass die zeitgeschichtlichen Ereignisse nur der Anlass dafür sind, dass hier längst
vorhandene Anschauungen entwickelt würden. Wenn nun aber der Verfasser einen
überlieferten eschatologischen Gedankenkreis auf eine bestimmte Zeitlage anwendet, folgert
Smend, dann sei er eben ein Apokalyptiker und nicht ein Prophet.
66
Dann zählt Smend jene
Stellen in der Jesaja-Apokalypse auf, die er als spezifisch apokalyptisch klassiert: 24:18-20;
25:8; 26:19; 27:1.13 und v. a. 24:21-22. Diese Tatsache und seine dualistische Auslegung von
24:21-22
67
lassen ihn an die persische Epoche denken. Die Erwähnung des Priesters in 24:2
57
Ibid., 286.
58
Ibid., 285.
59
Ibid., 288. Für ihn 24:10; 25:2ff; 26:5-6.
60
Ibid., 299. Vgl. S. 298, wo er auf Rudolf Smends (siehe anschliessend) Historisierungsversuch eingeht.
Delitzsch sagt, dass ihm das Stück über Moab in 25:10-12 nur als "Episode" gelte, Smend hingegen als
"Centrum."
61
Rudolf Smend, 'Anmerkungen zu Jes. 24
27', ZAW, 4. Jahrg. (1884), 163ff.
62
Ibid., 175.
63
Ibid., 175. Er denkt an prophetisches Perfekt.
64
Ibid., 162. Allerdings nahe bevorstehend, siehe S. 216ff. Er sieht in 24:1-13 Alexander den Grossen mit seiner
Armee, der in Palästina einmarschiert und die Gegner Judas, v. a. Moab, vernichten sollte. S. 217 sagt er dann
sogar, es sei möglich, dass zur Zeit, als der Verfasser schrieb, Juda bereits von den Fremden überschwemmt
gewesen war. Der Charakter der Schilderung in 24:1-13 würde sich so am besten verstehen. Somit stünde also
die Katastrophe nicht nur unmittelbar bevor, sondern Juda hätte sich bereits mitten drin befunden.
65
Vor allem S. 202ff beschäftigen sich damit.
66
Ibid., vgl. S. 199-200.
67
Ibid., 199-202, 220. Mehr darüber siehe unten.

12
und der Ältesten in 24:23, glaubt er, sprächen auch für eine nachexilische Zeit.
68
Diese
Indikationen liefern ihm quasi den terminus a quo
69
für die Suche nach dem Sitz im Leben der
Jesaja-Apokalypse. Dann fragt er: "Wann war aber seit dem Auftreten der Propheten die Lage
Judas eine derartige, dass es von Moab in die äusserste Noth gebracht werden konnte?"
70
Er
gesteht
71
zwar, dass Moab nach dem Exil kaum jemals wieder eine besondere Bedrohung für
Juda darstellte, sagt dann aber: "Gleichwohl wird man das für eine gewisse Periode der
jüdischen Geschichte von den Moabitern auf Grund von Jes. 24
27 annehmen müssen, da
eine Reihe bestimmter Indicien diese Schrift jener Zeit zuweisen."
72
Damit meint er aber in
erster Linie die apokalyptischen Passagen und entscheidet sich so für das 4. Jahrhundert v.
Chr.
73
Er zeigt dann auf, dass das Ganze zu der Zeit passe, in der Alexander der Grosse die
Medoperser besiegte und Palästina besetzte.
74
Die Feldzüge hätten natürlich auch für Juda
Verwüstung gebracht, wenngleich man sich auch darüber freute (vgl. 24:14-16), dass die
Besetzermacht nun besiegt werden sollte.
75
Smend räumt allerdings ein, dass eine Ansetzung
von Jes. 24
27 in die Zeit Alexanders des Grossen "eine sehr unsichere Vermuthung"
76
sei.
Dass er dabei aber gleich wieder davon spricht, dass der Inhalt zu jener Zeit passe (er erwähnt
wieder explizit die persönliche Auferstehung sowie die angelologischen Vorstellungen), lässt
erneut durchschimmern, dass sein Historisierungsversuch nicht frei von Datierungsprämissen
ist.
77
Eine neue Phase der Jesajakritik leitet Bredenkamp (1887) ein. Während Ewald "nur"
Textumstellungen vornimmt, äussert er offen Zweifel an der Einheit der vier Kapitel.
78
Er hält
es für sehr wahrscheinlich, dass die Passagen 25:1-5.9.12; 26:8-13.20-21 und 27:2-6 später
zum Grundbestand hinzugekommen sind. Den Rest spricht er unter Hinweis auf sprachliche
68
Ibid., 202-203.
69
Er benutzt diesen Terminus auf S. 207. Als Ausgangspunkt nimmt er 400 v. Chr. an.
70
Ibid., 207.
71
Ibid., vgl. z. B. S. 209.
72
Ibid., 210.
73
Ibid., vgl. S. 212, 214.
74
Ibid., 216ff. Was Ewald also auf den Feldzug des Kambyses gegen die Ägypter deutet (s. o.), historisiert
Smend auf die Griechen gegen die Medoperser.
75
Ibid., vgl. 175, wo er sagt: "Nun sind freilich die 24, 1
13 angekündigten Feinde verschieden von denen,
über welche hier triumphirt [sic] wird. Wir werden sogar nicht irre gehen, wenn wir die ersteren [Alexander der
Grosse] als die Besieger der letzteren [Moab] und als die Zerstörer ihrer festen Stadt vorstellen."
76
Ibid., 220. Vgl. auch S. 221: "Nur die überwiegende Wahrscheinlichkeit glaube ich für meine Deutungen in
Anspruch nehmen zu dürfen." S. 224: "Vielleicht ergiebt sich allerdings aus dem Vorstehenden, dass die
Entstehungszeit von Jes. 24
27 innerhalb des Zeitraums von 500
300 v. Chr. mit Sicherheit nicht genauer
fixirt werden kann. Inzwischen halte ich das 4. Jahrhundert für wahrscheinlicher als das 5. und hoffe, dass andere
hier schärfer und glücklicher sehen werden als ich." [sic]
77
Dass dieses Apriori der Spätdatierung (aufgrund des Vorkommens gewisser apokalyptischer Vorstellungen in
der Jesaja-Apokalypse) bei Smend eine wichtige Rolle zu spielen scheint, wird am Schluss seiner Arbeit, da wo
es nochmals um die Frage der Identifizierung der Stadt geht, erneut deutlich. Nochmals darauf hinweisend, dass
Ninive und Babel nicht in Frage kämen, sagt er (S. 223): "Obendrein kann ich mich jenen Hypothesen gegenüber
jetzt auf alle die Argumente berufen, die so laut für die nachexilische Entstehung von Jes. 24
27 sprechen."
Damit dachte er vielleicht nicht zuletzt auch an Hilgenfeld, obschon er ihn speziell nur wegen dessen Hypothese,
die feindliche Stadt auf Tyrus zu deuten, erwähnt, was er aber als "verkehrt" betrachtet (vgl. S. 219). Hingegen
fällt auf, dass schon Hilgenfeld bei Moab in 25:10 an die Zeit der Auseinandersetzung zwischen den
Medopersern und Ägyptern um 351 v. Chr. dachte, was letztendlich auch die von Smend vorgezogene Periode
ist (vgl. S. 211-212).
78
C. J. Bredenkamp, Der Prophet Jesaia (Erlangen: Verlag von Andreas Deichert, 1887). Zur Frage der
Verfasserschaft und Einheit siehe v. a. S. 162-165.

13
und thematische Parallelen dem Jesaja zu.
79
Die vier Kapitel dem Jesaja abzusprechen, sie
aber als Einheit anzusehen, betrachtet er als unhaltbar.
80
Für ihn ist in Kap. 24 universales und
nicht auf das Land Juda limitiertes Gericht gemeint. Das darin geschilderte Gericht gleiche
jenem von 13:10-13. Beide Kapitel seien "voll jesajanischer Züge." Die Allgemeinheit der
Schilderungen, meint er, verbiete es, in der feindlichen Stadt eine bestimmte Stadt zu sehen.
Bei 27:10 macht aber auch er eine Ausnahme, denn er deutet die Stelle auf Jerusalem.
Allerdings versteht er auch jene Stelle futurisch, die Strafe des Exils stehe noch bevor. Die
Erwähnung Moabs (25:10), des Götzendienstes (27:9) und Assurs (27:13), sind für ihn
Hinweise auf die vorexilische bzw. jesajanische Zeit. Für 26:8-13.20-21 hält er hingegen eine
exilische Abfassung für wahrscheinlich. Die Vorstellungen der Hoffnung über den Tod
hinaus, der Unsterblichkeit und der individuellen Auferstehung sind für ihn nicht erst im Exil
entstanden.
81
Die Hypothese, wonach die eschatologisch-apokalyptische Art der Schilderung
gegen die Jesajanizität spräche, weist er zurück, indem er vom "völlig haltlos und für den
göttlichen Charakter der Prophetie gradezu [sic] letal[en]"
82
Kanon Wellhausens spricht.
Duhm (1892) ist ein einflussreicher Meilenstein in der Geschichte der Jesajakritik. Man
spricht von ihm als demjenigen, der den Namen "Tritojesaja" für die Kapitel 56
66 und
"Jesaja-Apokalypse" für die Kapitel 24
27 zum Durchbruch verholfen hat. Duhm stellt fest,
dass Jes. 24
27 allgemein als einheitlich und unecht gelten.
83
Für ihn ist das "Büchlein" aber
nicht nur unecht, sondern auch uneinheitlich. Das Orakel selbst enthalte folgende Passagen:
24:1-23; 25:6-8 und 26:20
27:1.12-13. Seine Auslegung dieses Orakels könnte man wie
folgt resümieren: Es kündigt die bevorstehenden Weltumwälzungen an, die mit dem Gericht
über die Dämonen und Könige (der Erde) abschliessen [24:1-22]. Jahwe lässt sich dann auf
dem Berge Zion nieder [24:23; 25:6-8]. Das jüdische Volk soll sich vor dem Sturm verbergen
[26:20], durch den die drei Weltmächte [27:1] vertilgt werden. Zuletzt werden sich die
syrische und ägyptische Diaspora vereinigen [27:12-13]. Für Duhm ist dieses Orakel
"durchaus Apokalypse" und dessen Autor ("Apokalyptiker") war, so glaubt er, ein Chasidim
oder Asidäer.
84
Duhm ist ein typisches Beispiel für historisierende Interpretation. Für jede
Passage glaubt er den Sitz im Leben erkennen zu können. So meint er, dass der Apokalyptiker
ein Augenzeuge der Belagerung Jerusalems und der Verheerung Judas durch Antiochus
Sidetes z. Z. des Johannes Hyrkanus
85
gewesen sei. Die anderen Stücke (er spricht von
"eingesetzten Dichtungen"
86
) sind für ihn noch jünger und "dem Zusammenhang [d. h. den
apokalyptischen Stücken] fremd," weil sie ihn unterbrächen. Was die "Lobpreisung Gottes"
von 25:1-5 betrifft, so sieht er in 25:2 die Zerstörung Samarias durch Johannes Hyrkanus
79
Vgl. dazu Paul Lohmann, 'Die selbständigen lyrischen Abschnitte in Jes 24
27.' ZAW, 37. Jahrg. (1917/18),
2. Er unterstellt Bredenkamp, sich aus apologetischem Interesse zu den Ausschneidungen genötigt gesehen zu
haben, "um möglichst viel für die Autorschaft Jesajas retten zu können."
80
Vgl. ibid., 164: "Es ist jedenfalls eine auf die Dauer unhaltbare kritische Position, die Cap. 24
27 dem Jesaja
abzusprechen und sie trotz ihrer mosaikartigen Zusammensetzung aus Weissagungsstücken und lyrischen
Parthien als untheilbares Ganzes anzusehen." Bredenkamp ist damit der Vorläufer der Urkundenhypothese
Duhms und zugleich der Mosaikhypothese Cheyne's (s. u.).
81
Vgl. ibid., 151, 155-158, 163-164.
82
Ibid., 163.
83
Bernhard Duhm, Das Buch Jesaja. Göttinger Handkommentar zum Alten Testament, 4. neu durchgeseh. Aufl.
(Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, [
1
1892] 1922), 172.
84
Ibid., 172.
85
Ibid., 13, 21: um 128 v. Chr. Vgl. S. 172ff.
86
Ibid., 172. Es sind dies 25:1-5; 25:9-11; 26:1-19 (mit 25:12) und 27:2-5. Auf Seite 6, unter Erklärung der
Schriften in der Übersetzung werden diese Stücke auch wichtigere Zusätze genannt. Ein Resümee dieser Zusätze
bietet er auch auf S. 13 (Einleitung), wo diese Stücke auch als Psalmen bezeichnet werden.

14
(zwischen 113 und 105)
87
und das starke Volk, die Stadt der Nationen in 25:3, deutet er auf
Rom.
88
Das Stück 26:1-19, so vermutet er, setze dieselben Ereignisse (Wiederbefestigung
Jerusalems [26:1-4] und Zerstörung Samarias [26:5-6]) z. Z. des Johannes Hyrkanus voraus.
89
Die Passage 25:9-11 betrachtet er als jüngstes Stück; er deutet es auf die Unterjochung Moabs
durch Alexander Jannäus.
90
Die Ähnlichkeit zwischen 25:12 und 26:5, meint er, könne darauf
hindeuten, dass "das kleine Gedicht" 25:9-11 neben das längere, 26:1-19, gestellt worden
sei.
91
Für folgende Verse oder Versteile benutzt er den Glossen-Schriftsatz: 25:8a; 25:9-12;
26:1a; 27:2a; 27:6 und 27:8. Mit dem Abschnitt 27:7-11 hat Duhm besonders Mühe. Er
vermutet darin einen weiteren Zusatz.
92
Dass er 26:1a; 27:2a und 27:6 als spätere Glossen
betrachtet, ist darauf zurückzuführen, dass die Zeitangaben an jenem Tage und in den
kommenden [Tagen] (27:6) an den Zeitpunkt, von dem in 25:6-8 die Rede ist, anknüpfen. Das
passt aber nicht zu seiner Vorstellung präsentischer Interpretation von 26:1bff und 27:2bff.
93
Bei Duhm's traditionsgeschichtlichen einleitenden Analysen spielen zweifelsohne mehrere
Prämissen mit. Dazu ein Beispiel: In seinen Analysen zu Jesaja 24
35 bemerkt er, der
Redaktor dieser Sektion habe den selben Zweck verfolgt wie die Autoren so mancher
Apokalypsen, die im oder seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. geschrieben wurden und weil er
viele dieser Passagen des Jesajabuches bis auf 100 v. Chr. (oder noch später) herunterdatiert
und sie in einem Atemzug mit dem Henochbuch (und anderen nichtkanonischen Schriften
94
)
erwähnt und ihr Entstehen mit jenem des historischen Midraschs vergleicht, fragt man sich,
ob und inwiefern diese Texte des Jesajabuches für ihn mehr Wert haben als irgendwelche
apokryphische und/oder pseudepigraphische Schriften der gleichen Zeitperiode.
95
Ähnlich wie mit dem Protestanten Delitzsch, verhält es sich mit dem katholischen Theologen
Lagrange (1894). In einem 1894 in der Revue Biblique erschienen Artikel verteidigte er
(noch) vehement die Echtheit der Jesaja-Apokalypse. Zwei Titelüberschriften zeigen dies
deutlich: "Ni la langue, ni les idées n'indiquent manifestement un auteur postérieur à l'époque
assyrienne. . . . L'examen du style et des idées de notre morceau ne permet pas de conclure
contre la tradition qui lui donne Isaïe pour auteur; il lui est plutôt favorable."
96
Später änderte
er aber wie Delitzsch seine Position.
97
Interessant ist die Zweiteilung, die Lagrange vornimmt:
87
Ibid., 172, 179.
88
Ibid., 180.
89
Ibid., 183.
90
Ibid., 182. Alexander Jannäus regierte von 104-78 v. Chr.
91
Ibid., 172, 182. Er setzt 25:12 vor bzw. neben 26:5, d. h. er betrachtet 25:12 als "Variante" zu 26:5 (S. 183).
92
Er sagt diesbezüglich u. a. (ibid., 191): "Da v. 7 sich an das unmittelbar Vorhergehende gar nicht, an v. 1 nur
sehr schlecht anschließen läßt, so stammt entweder der Abschnitt v. 7
11 aus einer ganz anderen Schrift oder
ist mit jener stilistischen Sorglosigkeit, die die Ergänzer überall kennzeichnet, unserer Apokalypse zugesetzt
worden."
93
Ibid., 183 (zu 26:1a). Vgl. dazu S. 21-22, wo er diesbezüglich sagt: "Charakteristisch ist für alle diese
Herausgeber und Ergänzer, daß sie überall, manchmal in sehr unpassender Weise, von jenem Tage reden, also
alles unter den eschatologischen Gesichtspunkt stellen, dagegen für den geschichtlichen Sinn der von ihnen
herausgegebenen Reden und Dichtungen nicht das geringste Interesse und Verständnis haben." Weiter oben (S.
21) sagt er betreffs dieser Schreiber: "Ebenso hatte es für die Sammler kein Bedenken, mit eigener Hand den
zusammengestellten Schriften das hinzuzusetzen, was ihnen nach ihrer Meinung fehlte, besonders
eschatologische Verheißungen..."
94
Ibid., 172. Vgl. S. 183: Für Jes. 26:1-19 erwägt er "eine Nachahmung des sibyllinischen Hexameters."
95
Vgl. ibid., 13-14.
96
M.-J. Lagrange, 'L'Apocalypse d'Isaïe (24-27), à propos des derniers commentaires', Revue Biblique, 3
e
année
(1894), 225, 227.
97
Er wird meistens nur als Vertreter der Echtheit erwähnt (vgl. z. B. Hans Wildberger, Jesaja: 2. Teilband
Jesaja 13 27. Biblischer Kommentar Altes Testament, Band X/2 (Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag,
1978), 892; Jacques Vermeylen, 'La Composition littéraire de l'«Apocalypse d'Isaïe» (IS., XXIV-XXVII)',

15
In den Kapiteln 24
26 hätten wir es mit apokalyptischen Schilderungen der Endzeit zu tun.
Die Prophetie sei ausserhalb des geschichtlichen Rahmens.
98
Den Vorwurf Duhms, dass,
wenn man die vier Kapitel als Einheit sehe, einem die mehrmals erwähnte Stadt wie ein
Phantom vorkommen müsse, weist er insofern nicht zurück, dass er anstelle des Wortes
Phantom einfach Symbol setzt. Sie sollte und müsste "Babylon, Ninive, Tanis"
99
sein. Mit der
Prophetie von Kapitel 27 hingegen solle es sich anders verhalten. Sie deute auf ein Gericht
hin, deren Epoche nicht präzisiert sei. Der Ausgangspunkt liege aber in der Zerstörung
Samarias. Damit meint er 27:10-11.
100
In seiner Konklusion sagt er betreffs der Chaosstadt
(damit meint er 24:10; 25:2; 26:5-6), dass ihr Name zwar nicht genannt sei, aber es sei "fort
possible qu'Isaïe se la représentât comme Babylone, de même que Rome fut plus tard pour
saint Jean le type de la cité ennemie de Dieu."
101
Später änderte er seine Meinung dahin, dass
er die verwüstete Stadt an allen Stellen auf den Fall Babylons (er meint 538 v. Chr.)
deutete.
102
Er gibt zu, bei seiner vorherigen Deutung von 27:10-11 auf Samaria nicht zuletzt
von Duhm beeinflusst gewesen zu sein. Vor allem die Analogie zu Jes. 13:9-13 lässt ihn nun
aber doch an Babylon denken. Er distanziert sich aber von Gray's Datierung um 400 v. Chr.
und hält es sogar für möglich, dass das Orakel aus einer Zeit vor dem Fall Babylons stammt,
d. h. dass es sich auch bei jenen Passagen um echte Prophetie handelt.
103
Er weist aber
ausdrücklich darauf hin, dass er seine Aussagen betreffs des Ursprungs der Apokalyptik nicht
widerrufe.
104
Er ist nämlich überzeugt, dass der Ursprung der apokalyptischen Eschatologie
unbekannt ist. In seinem ersten Artikel schreibt er die Protoapokalyptik schlussendlich Jesaja
zu.
105
Cheyne (1895) spricht von einer eschatologischen Weissagung deren hauptsächliche Bilder
man als apokalyptisch bezeichnen könne; der Verfasser spreche zwar als Augenzeuge, aber
die geschilderten Ereignisse seien bloss die erste Stufe in einem grossen Endgericht, welches
das messianische Zeitalter einleiten würde.
106
Diese Gedanken alleine lassen ihn an eine
postexilische Entstehung denken. Er sieht in Jes. 24:5.18 Anspielungen auf Gen. 9:3-6.15-16
bzw. Gen. 7:11, welche er zum Priestercodex zählt. Deshalb muss für ihn das Stück Jes. 24
27 jünger als die Reform von Esra und Nehemia sein.
107
Die Schwierigkeit bestehe darin,
meint Cheyne, eine Epoche zu finden, welche alle in dieser Prophetie vorkommenden
Anspielungen gleichermassen gut erkläre. Er kommt zum Schluss, dass es sich nicht um eine
einheitliche Komposition, sondern viel mehr um "a mosaic of passages in different styles by
Analecta Lovaniensia Biblica et Orientalia, Ser. V., Fasc. 14 (1974), 7; Paul Lewis Redditt, 'Isaiah 24-27: A
Form Critical Analysis'. (Dissertation, Ph.D., Vanderbilt University, Nashville, Tennessee, 1972), 236.
98
M.-J. Lagrange, L'Apocalypse d'Isaïe, 224.
99
Ibid., 219.
100
Ibid., 224-225.
101
Ibid., 230.
102
M.-J. Lagrange, 'Bulletin', Revue Biblique Internationale, Nouvelle Série, 9 (1912), 626.
103
Ibid., 626: "Si l'analogie avec Isaïe 13, 9-13 ne nous trompe pas, cette ville du chaos est Babylone, et dès lors
tout s'explique assez aisément. La chute de Babylone devait avoir précisément pour résultat de faire régner Iahvé
[sic] à Sion (Is. 52, 7; Mich. 7, 10). Ce point acquis, il n'y a aucune raison sérieuse de renvoyer l'oracle aux
environs de l'an 400 comme fait M. Gray; il est au contraire tout indiqué de le rapprocher de la chute de
Babylone, s'il ne lui est antérieur, c'est-à-dire si la chute de Babylone n'est pas prophétisée."
104
Ibid., 626.
105
M.-J. Lagrange, L'Apocalypse d'Isaïe, 227, 230-231.
106
T. K. Cheyne, Introduction to the Book of Isaiah: with an Appendix Containing the Undoubted Portions of
the two Chief Prophetic Writers in a Translation (London: Adam and Charles Black, 1895). Vgl. S. 150-151, wo
er sieben Beispiele aufzählt, die er als apokalyptisch betrachtet. Es sei angemerkt, dass 1895 das Datum der
Erstausgabe von Cheyne's Introduction to the Book of Isaiah ist; Kommentare über das Buch Jesaja erschienen
aber schon früher.
107
Ibid., 151, 154.

16
several writers" handeln müsse. Diese Schreiber wären wohl Zeitgenossen gewesen, aber
nicht alle hätten im selben Zeitabschnitt ihrer Epoche geschrieben.
108
Er benutzt somit als
erster offen den Ausdruck Mosaik, um die Entstehung der Jesaja-Apokalypse zu erklären.
Nach ihm haben wir es also in Jes. 24
27 mit einem Patchwork, bestehend aus
verschiedenen ursprünglich unabhängigen Stücken verschiedener Verfasser derselben
Epoche, zu tun. Die erste Passage enthalte 24:1-23; 25:6-8; 26:20-21; 27:1.12-13 und könne,
wegen ihres Stils und der darin vorkommenden Vorstellungen, als Apokalypse bezeichnet
werden.
109
Für ihn widerspiegelt diese die Leidenszeit der Juden unter der persischen
Herrschaft in ihrer letzten Phase und die mit Freude erwartete Befreiung durch Alexander den
Grossen (vgl. den Jubel in 24:14-16). Die Stadt in 24:10 deutet er kollektiv auf Sidon und
Jerusalem.
110
Die zweite Passage umfasse nur das Fragment von 27:7-11.
111
Dieses Stück
beschreibe ebenfalls die Zeit, als Jerusalem unter dem Perserkönig Ochus zu leiden hatte. Die
Stadt in 27:10-11 sei Jerusalem, wobei der Verfasser mit der Schilderung [des Zustandes der
Verödung] etwas übertreibe. Als dann 20 Jahre verstrichen seien, habe die Sache schon
wieder anders ausgesehen. Die Frage des prophetischen Verfassers [27:7], ob denn Israel so
bestraft worden sei, wie jetzt kürzlich sein Bedränger, deutet er (konsequenterweise) auf das
(wie er es nennt) personifizierte Persien, geschlagen durch Alexander den Grossen. Die dritte
Passage umfasse 26:1-19, eine liturgische Poesie mit demselben geschichtlichen Hintergrund:
Jerusalem wurde von Alexander dem Grossen geschont, während andere, stolzere Städte, in
den Staub gelegt wurden. Aber die Auswirkungen der Leiden unter Ochus seien natürlich
noch spürbar gewesen. Das Stück schliesse mit der Verheissung der Auferstehung der
Juden.
112
Die 4., 5. und 6. Passage seien lyrisch: 25:1-5 ; 25:9-11 und 27:2-5. Sie seien
vermutlich auch der Zeit um 332 v. Chr. zuzuschreiben, mit anderen Worten, er versteht diese
als Retrospektive auf die durch Alexander den Grossen errungenen Siege, darunter die
Zerstörung der starken Stadt in 25:2, welche er auf Tyrus deutet.
113
Auf deren Fall müsse der
Jubel der Juden zurückzuführen sein. Da sich Cheyne bewusst ist, dass in jener Zeit Moab für
die Juden keine Gefahr mehr darstellte und deshalb der bittere Ton des Stücks 25:9-11 schwer
zu erklären ist, zieht er es vor, hier Moab typologisch auf alle stolzen Feinde Israels zu
deuten.
114
Während er also andere Stadtlieder präzise historisiert, zieht er hier plötzlich eine
typologisierende Interpretation vor. Diese "Inkonsequenz" entschuldigt er so:
The theory which I have offered is not at first sight a natural one, but
obviously natural solutions of apocalyptic puzzles are not to be had.
There are far worse puzzles, however, than those in chaps. xxiv.-xxvii.,
108
Ibid., 155.
109
Ibid., 155. Darin folgt er Duhm und gibt dies auch zu. Andererseits widersetzt er sich Duhm in anderen
Punkten, vor allem weist er dessen Hinunterdatierung schon aus rein kanongeschichtlichen Gründen als
unakzeptierbar zurück (vgl. S. 161).
110
Ibid., 156.
111
Ibid., 157. Es sei darauf hingewiesen, dass an dieser Stelle die deutsche Ausgabe (Einleitung in das Buch
Jesaja, Deutsche Übersetzung unter durchgängiger Mitwirkung des Verfassers, hrsg. von Julius Böhmer,
Giessen: J. Rickersche Buchhandlung, 1897, S. 159) vom englischen Original abweicht. Dort heisst es nämlich
zusätzlich, dass die Verse 6 und 8 wiederum spätere Zusätze seien: "Die zweite Stelle enthält nur 27,7
11, v. 6
und 8 sind späte Zusätze." In der Folge bezieht sich das op. cit. und ibid. immer auf die englische Ausgabe.
112
Ibid., 157-158.
113
Ibid., 158-159. Auch hier findet sich in der deutschen Übersetzung (Einleitung, S. 160) ein zusätzliches
Detail. Betreffs des Stückes 25:9-11 sagt er, dass der Ausdruck
in V. 10 beweise, dass dieses Gedicht als
lyrische Erläuterung zu Kap. 24
27 verfasst worden sei.
114
Ibid., 159-160. 25:1b und 25:12 sind nicht berücksichtigt, ohne dass er dies begründet.

17
and the present solution seems to me to satisfy all the conditions of the
problem.
115
Böhmer (1902) setzt bei der Analyse Duhms ein.
116
Die von diesem als Grundstock
betrachtete Apokalypse 24
25:8; 26:20
27:1.12.13 schneidet er in zwei Stücke: (1) 24
25:8 und (2) 26:20
27:1.12.13. Die Formel
in 25:8 schliesse das Vorhergehende
aufs Beste ab und man erwarte eigentlich dahinter gar nichts mehr. Mit dieser Zweiteilung
glaubt er, den "direkten Widerspruch" zwischen den beiden Stücken erklären zu können,
wonach das erste Stück durch einen "grossartige[n] Universalismus," das zweite durch einen
"Partikularismus des Durchschnitts-Judentums" geprägt sei. Während nämlich im ersten Teil
Israel im Gericht eingeschlossen sei,
117
werde es im zweiten Teil vor den Schrecken der
Endzeit bewahrt (26:20f).
Ein neuartiger Entstehungsvorschlag kommt von Steuernagel (1912). Er denkt an einen
sukzessiven Wachstumsprozess von Jes. 24
27, den er sich wie folgt vorstellt: (1) 24:1-23,
"eine Schilderung des Weltgerichts in eschatologisch-apokalyptischen Farben,"
118
bilde den
Grundbestand. Dieser soll durch sukzessive Ergänzungen
119
allmählich angewachsen sein. An
Kap. 24 wurde in einer 2. Etappe der Psalm 25:1-5 hinzugefügt. (3) Eine Erweiterung der
Apokalypse durch das Stück 25:6-8, das (im Gegensatz zu Kap. 24) vom Heil handelt. In
einer 4. Etappe kamen die zwei Lieder 25:9-12 und 26:1-7
120
hinzu. (5) 26:8-19 ein Gebet der
Gemeinde und 26:20-21 die Antwort darauf durch den Propheten. (6) Eine Ergänzung dieser
prophetischen Antwort durch 27:1. (7) Die zwei Lieder 27:2-6 und 27:7-11. Dann folgten die
letzten Hinzufügungen: (8) 27:12 und (9) 27:13. V. a. die apokalyptischen Erwartungen der
Abschaffung des Todes (25:8), der Auferstehung der verstorbenen Israeliten (26:19) und die
Vorstellung von den Gestirnen als Herrscher in 24:21-22 lassen ihn an eine Zeit nach dem
Exil denken. Er sieht sich darin durch die Anspielung auf Gen. 9 in Jes. 24:5 [Priestercodex]
bestätigt.
121
Im Gegensatz zum Grossteil der Interpreten sagt Steuernagel, man könne die
mehrmals erwähnte zerstörte Stadt nicht bestimmen, ja nicht einmal entscheiden, ob es sich
dabei um Vergangenes oder Zukünftiges handelt. Den einzig sicheren Anhaltspunkt sieht er in
24:14ff. Den Jubel in 24:14ff deutet er auf die Juden im Westen, die im Aufbruch Alexanders
des Grossen zur Vernichtung des Perserreichs den Anfang der Verherrlichung Israels sähen,
während der Verfasser darin den Beginn des Weltgerichts schaue. So vermutet er also, dass
das Kapitel 24 in jener Zeit entstanden sei. Die anderen Stücke seien bald danach, aber
spätestens im 3. Jahrhundert hinzugekommen.
122
Die verzweifelte Bitte der Gemeinde in
26:8ff passe in der Tat zu den Enttäuschungen, die diese während den Diadochenkämpfen und
den Kriegen zwischen den Ptolemäern und den Seleuziden erlitten habe. Die Erwähnung von
115
T. K. Cheyne, op. cit., 159.
116
Julius Boehmer, 'Zu Jes. 24
27', Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, 22 (1902), 332-334.
117
Er verweist auf die Priester in 24:2 und geht davon aus, dass mit der Stadt des Chaos in 24:10-12 Jerusalem
gemeint ist (ibid., 333).
118
Carl Steuernagel, Lehrbuch der Einleitung in das Alte Testament mit einem Anhang über die Apokryphen und
Pseudepigraphen. Sammlung Theologischer Lehrbücher (Tübingen: J. C. B. Mohr, 1912), 496.
119
Ibid., 497.
120
Während die meisten Exegeten eine Zäsur zwischen 26:1-6 und 26:7ff annehmen, setzt Steuernagel die
Trennung zwischen 26:7 und 26:8ff.
121
Ibid., 497-498.
122
Vgl. ibid., 498. Ein noch späteres Datum (er erwähnt Duhm und Marti) ist für ihn aus den selben Gründen,
wie sie (u. a.) schon Cheyne nannte, nicht möglich. Er sagt (S. 498): "Text- und Kanongeschichte aber hindern
uns, über das 3. Jh. hinabzugehen, wie denn auch die eschatologischen Vorstellungen noch weit einfacher sind
als z. B. die des Buches Daniel, das im Jahre 164 verfaßt ist..."

18
Moab in 25:10 bereitet ihm offensichtlich Mühe. Er entschuldigt dies aber einfach mit dem
Mangel an Kenntnis jener Zeitepoche.
123
Van Gilse (1914) ist überzeugt, dass diese vier Kapitel eine Sammlung diverser Stücke aus
verschiedenen Zeiten sind und meint, man müsse sich in erster Linie fragen, wann der
[End]Redaktor die Stücke zu einem Ganzen (er spricht von einer "rhapsodie")
zusammengefügt hat oder noch besser, ob sich darin etwas finden lasse, das uns seine
Zeitepoche erahnen lässt.
124
Er bleibt bei 25:6-8 stehen und ist überzeugt, darin den Hinweis
par excellence zu finden. Er sieht einen grossen Gegensatz zwischen 24:21-23 und 25:6-8.
Vor den Ältesten, womit wohl vornehme Judäer gemeint seien, ist Herrlichkeit, während die
ganze Natur, Himmel, Erde und die Könige der Erde gerichtet werden. Das zeugt für ihn von
"echt oud-Israëlitischen geest" und von "onvervalscht Israëlitisch particularisme," welchen in
25:6-8 ein breiter und tiefer Universalismus gegenüberstehe, wie man ihn sonst nirgends im
Alten Testament finden würde, selbst im Buche Jona nicht.
125
Hier ist nicht mehr von Israels
Vorherrschaft und Überlegenheit die Rede; alle Völker werden von Jahwe gleich behandelt
und können am Reichsmahl teilnehmen. So fragt Van Gilse: "Wanneer kann zoo iets gedacht
en geschreven zijn door een Jod?" Er antwortet: Weder in der persischen Zeit, denn Nehemia
liess die fremden Frauen aus Israel verbannen, noch in der griechischen, noch in der
seleuzidischen Zeit, denn damals konnte von einem Juden ein solcher Universalismus nicht
ausgesprochen werden; auch nicht in der Makkabäerzeit, denn dagegen spricht der damalige
Hass gegen die Syrer; auch nicht unter den ersten Rabbinern nach Alexandra Salome, noch in
den Tagen des Widerstandes gegen den Fremdling Herodes, denn zu jener Zeit befleissigte
man sich nämlich, eine Umzäunung um das Gesetz zu machen; auch nicht in der Zeit des
Krieges gegen die Römer, die die Nationalexistenz Israels zerstört haben. Diese drei Verse
mit ihrem breiten Universalismus, folgert van Gilse, konnten nur von jemandem geschrieben
werden, der von dem Gedanken durchdrungen war, der den Evangelisten Johannes der Täufer
aussprechen liess: Meinet nicht, bei euch selber sagen zu können: Wir haben Abraham zum
Vater. Denn ich sage euch: Gott vermag dem Abraham aus diesen Steinen Kinder zu
erwecken. Van Gilse ist überzeugt, dass uns der Universalismus dieser drei Verse in die erste
Zeit der Christenheit führt, wohl nicht all zu kurz nach der Verwüstung der Stadt [Jerusalem]
und des Tempels durch Titus 70 n. Chr. Sie müssten von jemandem geschrieben worden sein,
der Augenzeuge davon war, dass es den Juden
abgesehen von deren Obrigkeit
in der
Diaspora, mitten unter fremden Völkern, gut ging. Weiter weist van Gilse darauf hin, dass das
messianische Glück auch in den synoptischen Evangelien unter dem Bild eines Gastmahles
dargestellt werde [vgl. Mt. 8:11; Lk. 13:29; 22:30] und wenn er Offb. 21:4 lese, dann frage er
sich: "wat is het origineel? wat de navolging?" Er fügt hinzu: "Ik vraag; maar een beslist
antwoord geef ik nied."
126
Einen weiteren Hinweis, der ihn in dieser Spätdatierung bestätigt,
findet er in 26:19. Der Septuaginta folgend schneidet er
als spätere interpretative Glosse
eines Abschreibers heraus. Van Gilse meint, dieser habe damit seiner Hoffnung Ausdruck
verschaffen wollen, dass auch sein stofflicher Überrest an der Auferstehung teilnehmen
werde. Er gibt Gesenius insofern Recht, dass er diesen Vers auf die erste Auferstehung deutet,
findet aber seine Datierung der vier Kapitel in der Zeit des babylonischen Exils unmöglich.
Das Dogma der ersten Auferstehung und die damit verbundenen eschatologischen
Erwartungen, glaubt er, seien später als Daniel 12:2 entstanden. Dies sei das Werk der
jüdischen Rabbiner "van den lateren tijd" und genau das treffe ja auch auf den Universalismus
123
Ibid.
124
JB. van Gilse, 'Jesaja XXIV
XXVII', Nieuw Theologisch Tijdschrift, 3. Jaargang (1914), 168.
125
Ibid., 168.
126
Ibid., 170.

19
von 25:6-8 zu. Deshalb vermutet er, dass der Redaktor dieser vier Kapitel in der ersten
Christenzeit gelebt haben muss, nämlich am Ende des ersten, vielleicht zu Beginn des 2.
Jahrhunderts. In Klammern sagt er allerdings: "Want inderdaad voor meer dan een hypothese
wil ik het niet uitgeven."
127
Von dieser Hypothese ausgehend, versucht er nun, für alle Teile
den Sitz im Leben zu diszernieren. Kapitel 24, meint er, liefere keinen bestimmten Hinweis,
das dort beschriebene Gericht könne zur persischen, aber auch zu irgend einer anderen
Epoche passen, denn es sei zu allgemein geschildert. Er vermutet, dass ursprünglich 25:9
hinter 25:1-5 gestanden habe bzw., dass 25:6-8 dazwischen geschoben wurde. Der Ausdruck
an jenem Tage müsse also zeitgleich mit 25:1-5 gesetzt werden. Mit anderen Worten, an dem
Tage, wo die besagte Stadt verwüstet wird, an eben jenem Tage wird das Heil des
messianischen Reiches anbrechen. Wer ist aber mit der Stadt in 25:2 und mit Moab in 25:10
gemeint? Das sei das grosse Problem in diesen vier Kapiteln, auch für ihn, räumt van Gilse
ein, denn in dem von ihm vorgeschlagenen 2. Jahrhundert des christlichen Zeitalters waren
Moab, Ammon, Edom und all die arabischen Nomadenstämme längst zum allgemeinen
Namen Arabien zusammen geschmolzen. Zu jener Zeit gab es kein moabitisches Volk mehr,
welches den Juden hätte schaden können. Aber auch all jene, die diese vier Kapitel in die
spätere persische Zeit ansetzen, hätten dafür keine Erklärung, bemerkt er entschuldigend.
128
Van Gilse meint aber, auch dieses Problem lösen zu können: Solange der Tempel in
Jerusalem gestanden habe, solange habe dort Jahwe auch regiert. Wenn er jetzt dort nicht
regiere, sondern eben erst an jenem Tage (25:9ff), dann deshalb, weil der Tempel eben nicht
mehr auf dem Berge Zion stehe. Mit diesem Gedanken würden wir aber nicht in die spätere
persische Zeit, sondern in die Zeit nach der Verwüstung des Tempels in Jerusalem durch die
Römer geführt. Die feindliche Stadt in 25:2.12 und 26:5-6 könne deshalb nur Rom sein.
Weshalb aber nennt dann der Redaktor den Namen Moab, fragt van Gilse. Auch dafür gäbe es
eine plausible Erklärung: Wird Rom nicht in der Johannes-Offenbarung durch den Namen
Babylon angedeutet? Im Talmud wird für Rom der Name Esau oder Edom gebraucht. Seiner
Meinung nach ist mit Ninive im Buche Jona auch Rom gemeint (Deckname: "schuilnaam
voor Rome"). Weshalb also soll hier Moab nicht auch für Rom stehen? Es war doch damals
gefährlich, gegen Rom zu schreiben und dies in der Synagoge zu lesen. Wenn der Rabbi
damals gelesen habe, dann sei klar gewesen: "Gij leest hier van Moab; maar denkt daarbij
aan Rome ."
129
Auch in Kapitel 26 findet er Indizien, die zu seiner römischen Datierung
passen, besonders im Vers 13: Jahwe, unser Gott . . . deinen Namen allein (
) rufen wir
an (bzw. preisen wir). Für van Gilse kommt es nicht von ungefähr, dass genau an dieser Stelle
(sonst nirgends in diesen vier Kapiteln) auf den Gottesnamen
noch
folgt (unser
Gott). Er sieht darin eine Anspielung an den Gebrauch in der römischen Kaiserzeit, dass wenn
jemandes Loyalität gegenüber dem Staat bezweifelt wurde, man von ihm verlangte, vor dem
Bild des Kaisers zu opfern und dadurch dessen Gottheit zu bekennen.
130
Van Gilse glaubt,
dass nicht alle Stücke des Kapitels 26 vom Redaktor selbst stammen. In 26:1-6 vermutet er
ein älteres Lied, mit welchem der Redaktor hier seiner Freude darüber, dass Jerusalem wieder
hergestellt werden soll, Ausdruck verleihen wollte. In den Versen 7ff sage er dann, dass für
die Rechtschaffenen der Weg frei sein werde. Das Stück zeige, dass die Hoffnung auf die
Wiederherstellung Jerusalems beim Redaktor lebendig gewesen sei. Auch in den Versen 14-
18 sieht er ein älteres Stück. Es gehe vielleicht auf die Leiden der Juden während der
syrischen Glaubensverfolgung [er denkt wohl an die Verfolgung unter Antiochus Epiphanes]
127
Ibid., 174.
128
Ibid., 174-175. Womit er im Prinzip Recht hat.
129
Vgl. ibid., 175-177. Rom = Moab siehe auch S. 182ff. Zum Tempel, den er in 25:9-10 (durch den Redaktor)
verheissen sieht [wovon aber im Text nichts steht], vgl. S. 176, 183.
130
Ibid., 178-179.

20
zurück. Als der Redaktor es hier eingefügt habe, hätte er vermutlich an das Leid und somit die
Fruchtlosigkeit der Juden gedacht. In Vers 19 drücke der Redaktor dann seinen Glauben an
die Auferstehung der Gerechten aus. Auch die Verse 20-21 seien von diesem geschrieben
worden. Van Gilse ist überzeugt, dass auch Vers 21 von der Auferstehung zeugt: Die Toten
sollen leben, um gerächt zu werden.
131
Im Kapitel 27, meint er, passe die Tatsache, dass die
Juden von allen Ecken aus der Diaspora nach Jerusalem zurückkommen sollen (vgl. Verse 12-
13), besser in die erste christliche als in die spätere persische Zeit. Die Stimmung in 25:10-12
und in Kapitel 26 lassen ihn an eine Judenverfolgung denken und zwar am ehesten während
der Zeit des Trajan. Dies liefert ihm einen Hinweis auf die Bedeutung der drei Ungeheuer in
27:1: Die Juden machten damals zugleich in drei verschiedenen Teilen des römischen Reiches
einen Aufstand und wurden niedergemacht: in Babylonien, in Libyen (Ägypten) und auf
Zypern (Griechenland, Mazedonien). Drei Verfolgungen, drei Monster.
132
So vermutet er,
dass der Redaktor diese vier Kapitel kurz nach dem Tode des Verfolgers Trajan
herausgegeben hat, nämlich im Jahr 119 n. Chr. Dabei bringt er wieder den Gedanken des
Universalismus von 25:6-8 ins Spiel. Rabbi Josua soll zu jener Zeit die Juden zur Geduld und
Versöhnlichkeit aufgerufen und gelehrt haben, dass auch die fromm lebenden Heiden am
ewigen Leben teilhaben würden.
133
Weshalb aber wurden diese vier Kapitel noch zu so später
Zeit in das Jesajabuch integriert? Van Gilse spekuliert wie folgt: Wie zur Zeit des Antiochus
Epiphanes, so gab es auch in dieser Zeit [der Römer] zahlreiche Renegaten, sprich Verräter.
Wäre die Schrift einzeln herausgegeben worden, hätte für den Leser Gefahr bestanden. Wenn
aber jemand die Prophetien des Jesaja las, dann war das nicht gefährlich, denn das waren ja
uralte Prophetien, die nichts enthalten konnten, was im 1. oder 2. Jahrhundert unseres
Zeitalters hätte staatsgefährlich sein können. Um diese Gefahr zu vermeiden, seien also diese
vier Kapitel vermutlich mit den Prophetien Jesajas, des Sohnes Amoz' verbunden worden.
134
Zum Schluss plädiert van Gilse an die Exegeten, nicht nur an die möglichen Einflüsse der
Katastrophe von 586 v. Chr. auf die hebräische Literatur zu denken, sondern vielleicht auch
an die Auswirkungen der Katastrophe von 70 n. Chr. auf den Text und den Kanon des Alten
Testaments. Er gesteht zwar: "Ik weet zeer goed, ik ben er mij volkomen van bewust, dat ik
daarmee zeer revolutionair handel."
135
Sollte aber seine Vermutung zutreffen, meint er, dann
müsse in der Kanongeschichte viel geändert und zugleich die Untersuchung zur Entstehung
der Septuaginta ganz neu angefangen werden. Man suche ja schliesslich immer noch nach
dem "missing link" zwischen dem Alten und dem Neuen Testament. Wenn man nun die
Entstehung des Alten Testaments bis in das erste oder gar in das 2. Jahrhundert n. Chr.
fortfahren lässt, meint er,
dann schuift (om het eens plastisch uit te drukken) het einde van het
Oude Testament onder het begin van het Nieuwe. Het sluit zich dan aan
bij de eerste beginselen van het opkomen der Christelijke Kerk. Wie
weet, of wij daardoor niet op den weg zullen gebracht worden, om te
vinden, wat wij nu nog zoeken. In ieder geval zal zich een nieuw veld
van onderzoek voor ons openen. Laten wij het ernstig en moedig
betreden !
136
131
Ibid., vgl. S. 179-180.
132
Ibid., vgl. S. 181-184.
133
Ibid., vgl. S. 185-186.
134
Ibid., vgl. S. 186-187.
135
Ibid., 187.
136
Ibid., 188.

21
Inspiriert von den Gattungsanalysen Gunkels, meint Hylmö (1929), wegen dem Stil der
Alternanz zwischen Prophetie und Liedern, in den Kapiteln 25
26 eine so genannte
prophetische Liturgie diszernieren zu können, die später zwischen die Kapitel 24 und 27
eingesetzt worden sei.
137
27:1 wäre demnach ursprünglich die Fortsetzung von 24:23
gewesen. 25:1-5 sind für ihn ein Hymnus ("hymnsolo"), auf den in 25:6-8 ein göttliches
Orakel ("orakel") antwortet. Auf dieses folgt dann in 25:9-12 (mit Voranstellung von 26:1a)
ein Jahwehymnus der Gemeinde ("Jahvehymn"). 26:1b-6 ist ein Zionshymnus ("Sionshymn"),
26:7-18 ein Klagelied ("offentlig sorgesång"), worauf in 26:19-21 wieder ein göttliches
Orakel ("orakel") folgt.
138
Procksch (1930) spricht von zwei Kreisen, die sich sowohl durch die Metrik als auch durch
den Inhalt unterscheiden lassen würden. Der eine sei durch den "Siebener," der andere
hauptsächlich
durch
"Doppeldreier"
zu
erkennen.
139
Er
spricht
von
einer
"Siebenerapokalypse"
140
zu welcher er 24:1-7.18b-23; 25:6-10a; 26:7-19 und 26:20-21;
27:1.12-13 zählt. Den zweiten Kreis nennt er "Liederkreis," welcher das Thema des Falles
einer grossen Stadt zum Hauptthema habe.
141
Zu ihm zählt er 24:8-18a; 25:1-5; 26:1-6; 27:2b-
11a. Die Passagen 25:10b-12 und 27:11b betrachtet er als zusätzliche Stücke. Obschon die
Aufteilung in zwei Gruppen (Apokalypse und Liederkreis) stark an Duhm erinnert, weicht
Procksch von diesem in manchen Details ab. Procksch glaubt, dass die beiden Kreise
unabhängig voneinander geschichtlich eingeordnet werden müssen. Er ist überzeugt, in den
Stücken, die zur Siebenerapokalypse gehören, genügend Hinweise zu finden, die bestens zur
Periode der Diadochenstaaten im 3. Jahrhundert v. Chr. passen würden.
142
Was die Stadtlieder
betrifft, so datiert er diese (post eventum) einfach auf eine Zeit kurz nach dem Fall der Stadt
Karthago 146 v. Chr., welche seiner Meinung nach in allen Stellen, wo von der verwüsteten
Stadt die Rede ist, gemeint sei.
143
Rudolph (1933) sieht in den Kapiteln 24
27 keinen fortlaufenden Text; sie seien viel mehr
aus verschiedenen Stücken zusammengesetzt. Er unterscheidet zwischen folgenden zehn
137
Gunnar Hylmö, De s. k. profetiska liturgiernas rytm, stil och komposition, I Jes. 25:1 - 26:21. Lunds
Universitets Årsskrift. N. F. Avd. 1. Band 25. Nr. 5 (Lund: C. W. K. Gleerup, 1929), 6-8.
138
Ibid., 12-13. Gegen Hylmö vgl. v. a. Wilhelm Rudolph, Jesaja 24
27. Beiträge zur Wissenschaft vom Alten
und Neuen Testament. 4. Folge. Heft 10 (Stuttgart: W. Kohlhammer, 1933), 35-37, 49-50 und Otto Procksch,
Jesaia I. Kommentar zum Alten Testament, hrsg. Ernst Sellin, 9. Band (Leipzig: A. Deichertsche
Verlagsbuchhandlung D. Werner Scholl, 1930), 316. Rudolph resümiert Hylmö's Hypothese v. a. auf S. 35-37,
geht aber auch auf S. 42-49 immer wieder auf ihn ein. Vgl. ebenfalls Joh. Lindblom, Die Jesaja-Apokalypse: Jes.
24 27. Lunds Universitets Årsskrift. N. F. Avd. 1. Band 34. Nr 3 (Lunds: C. W. K. Gleerup, 1938), v. a. S. 67-
68. Besonders kritisiert Rudolph (S. 37), dass Hylmö in Kap. 24 "nur ein Konglomerat von äußerst
ungleichartigen Stücken" sieht, dieses in seiner Betrachtung ausschliesst "und so die innere
Zusammengehörigkeit von 24, 17-23 mit 25, 1-8 nicht bemerkt." Rudolph wird in späteren Kommentaren (neben
Lindblom) u. a. als derjenige zitiert, der Hylmö's Hypothese einer prophetischen Liturgie widersprochen hat
(siehe z. B. Hans Wildberger, Jesaja X/2, 895; Dan G. Johnson, From CHAOS to RESTORATION: An
Integrative Reading of Isaiah 24-27. Journal for the Study of the Old Testament Supplement Series 61, Ed.
David J. A. Clines, Philip R. Davies (Sheffield: JSOT Press, 1988), 113
30
).
139
Otto Procksch, Jesaia I. Kommentar zum Alten Testament, hrsg. Ernst Sellin, 9. Band (Leipzig: A.
Deichertsche Verlagsbuchhandlung D. Werner Scholl, 1930), 306.
140
Ibid., 343.
141
Ibid., 310, 316, 322, 342-344.
142
Ibid., 343-344.
143
Ibid., 344-346. In dieser Historisierung wurde Procksch u. W. von niemandem gefolgt. Mehr darüber s. u.

22
Abschnitten: (A) "Eschatologische Weissagungen":
144
(a) 24:1-6.13 [1. Abschnitt]; (b)
24:17-25:8 [3. Abschnitt]; (c) 26:7-12.15-18b .
145
13.14b.20.21; 27:1.12.13 [7. Abschnitt];
(d) 26:14a.18b .19 [8. Abschnitt]; (B) "Eschatologische Hymnen": (a) 25:9.10a.12 [4.
Abschnitt]; (b) 26:1-6 [6. Abschnitt]; (C) "Schilderung einer eroberten Stadt": 24:7b-12.14-16
[2. Abschnitt]; (D) "Jahwes Weinberglied": 27:2-5 [9. Abschnitt]; (E) "Klagelied über die
trübe Lage Jerusalems": 27:7-11 [10. Abschnitt]; (F) "Sekundäre Zusätze": (a) 25:10b.11 [5.
Abschnitt]: Er nennt es "ein kleines Orakel gegen Moab";
146
(b) 24:7a sei eine redaktionelle
Überleitung und (c) 27:6 eine redaktionelle Zusammenfassung. Rudolph meint, dass man von
Jes. 24
27 nur mit Vorsicht von einer Apokalypse reden könne, wobei doch auch er
einräumt, dass mehrere apokalyptische Motive vorkommen.
147
Er sagt, dass die vier Kapitel
"durch und durch eschatologisch"
148
seien, was aber nicht heisst, dass für ihn a priori alles
futurisch zu verstehen ist. Während er nämlich 24:1-6.13 als kommendes Weltgericht
(futurisch) versteht, sieht er in 24:7b-12.14-16 den bereits erfolgten Fall einer bestimmten
Stadt.
149
Wobei wiederum zu sagen ist, dass er die Eroberung der Stadt in 25:2ff und 26:5-6
(welche auch für ihn mit der Stadt von 24:10 identisch ist) als noch "zukünftig" betrachtet.
150
Obschon, wie er meint, sich dieser zweite Abschnitt (d. h. 24:7b-12.14-16), im Gegensatz
zum ersten (24:1-6.13) und zum dritten (24:17 bis 25:8), nicht mit der Endzeit befasse, stehe
auch er unter "eschatologischem Aspekt," weil nämlich hier die Frage diskutiert werde, ob ein
bestimmtes geschichtliches Ereignis den Anbruch der Endzeit bedeute oder nicht. So sei es
auch mit Abschnitt Nr. 9 (27:2-5), welcher sich dem Wortlaut nach zwar mit der Gegenwart
befasse, da aber Israel gegenwärtig noch keineswegs einem wohl behüteten und vor allen
Feinden geschützten Weinberg gleiche, würde das Lied von selbst zur Verheissung und
insofern sei "der Ergänzer von 27, 6 im Recht, wenn er die Erfüllung in die Endzeit"
verlege.
151
Auch 27:7-11, glaubt Rudolph, beschäftigt sich mit der Gegenwart. Aus diesem
Grunde ist er zu jenen zu zählen, die 27:2a emendieren und 27:6 als spätere Glossen
betrachten. Dies, weil
wie er einräumt
diese in die "Endzeit" weisen.
152
Rudolph ist
überzeugt, dass von den von ihm vorgeschlagenen 10 Abschnitten Nr. 1-4.6.7 und 9
153
von
ein und dem selben Autor, die Abschnitte 5 (25:10b.11) und 10 (27:7-11) hingegen von
anderer Hand geschrieben wurden, wobei 5 und 10 ihrerseits auch nichts miteinander zu tun
hätten.
154
Den Abschnitt 8 (26:14a. 18b . 19), d. h. jenen, der von der Auferstehung handelt,
setzt er hingegen noch später an, allerdings ohne eine bestimmte Zeit anzugeben. Er betont
144
Wilhelm Rudolph, Jesaja 24 27. Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament, 4. Folge, Heft
10 (Stuttgart: W. Kohlhammer, 1933). Resümee siehe S. 56-57. Die zahlreichen Textumstellungen werden von
ihm vorgeschlagen.
145
Mit 26:18b
meint Rudolph 26:18a und 26:18b; mit 18b
in der vierten "eschatologischen Weissagung"
26:18c.
146
Ibid., 57, wobei er der Meinung ist, 25:11a sei seinerseits auch sekundär, d. h. eine spätere Glosse zur
Ergänzung eines sekundären Zusatzes.
147
Ibid., 59.
148
Ibid., 58. Auch Lieder. Vgl. betreffs 25:1-5 S. 35: "Das Lied bezieht sich also nicht auf Geschehenes."
149
Zu 24:7b-12 siehe ibid., 29-32. Vgl. S. 30: "Es kann sich nur um etwas Gegenwärtiges handeln"; S. 62: "Sie
[die Stadt] ist zur Zeit des Propheten von einem Feind erobert worden..." Wenn Johnson (op. cit., S. 16) betreffs
der Perspektive der Komposition der vier Kapitel sagt "Rudolph was one of the first critical scholars to maintain
that the songs, as well as the eschatological oracles, were predictive, referring to a future event," dann könnte der
Eindruck entstehen, Rudolph betrachte alles als zukünftig. Das kann aber nicht so absolut gesagt werden.
150
Ibid., 64, vgl. S. 35, 42-45.
151
Ibid., 58-59.
152
Ibid., 52-53, 57. D. h. an jenem Tage in 27:2a betrachtet er als späteren Abschreibfehler, 27:6 als
"redaktionelle Zusammenfassung." Mehr darüber siehe 2. und. 4. Kapitel.
153
Ibid., 58.
154
Ibid.

23
lediglich, dass ein Herabdrücken in die Makkabäerzeit "aus kanongeschichtlichen Gründen
ausgeschlossen" sei.
155
Die gefallene Stadt in 24:10ff deutet er auf das durch Alexander den
Grossen 331 v. Chr. eingenommene Babylon, jene in 27:10 hingegen auf Jerusalem.
156
Eissfeldt (1934) sagt einerseits, dass die Kapitel 24
27 nicht nach einem einheitlichen Plan
aufgebaut seien, räumt aber andererseits ein, dass das Stück "kein sinnloses Durcheinander"
darstellt und "die meisten der den Eindruck von Einsätzen machenden Stücke bewußt an ihren
Platz gestellt" sind.
157
Er gibt Duhm darin Recht, dass er in der Jesaja-Apokalypse im
Wesentlichen eine Addition einer das Weltende und den Anbruch der Herrschaft Jahwes auf
dem Zion weissagenden Apokalypse und einer Sammlung von Liedern auf den Untergang
einer feindlichen Stadt sieht. Während aber Duhm und andere nach ihm die Apokalypse als
älteren Grundbestand betrachten, zu welchem später jüngere Lieder hinzugefügt worden
seien, vermutet Eissfeldt das Gegenteil, nämlich "daß die Lieder älter sind und zur
Umkleidung mit den apokalyptischen Weissagungen herausgefordert haben."
158
Als
Weissagungen betrachtet Eissfeldt speziell 24:1-3.13.17-23; 25:6-8; 27:1.12-13.
159
Diese
eschatologischen Weissagungen seien durch eine Reihe andersartiger Stücke, namentlich
durch Lieder,
160
unterbrochen. Dazu zählt er 24:4-6; 24:7-9; 24:10-12 und 24:14-16. Die
Stücke 25:1-5; 25:9-12; 26:1-6 bezeichnet er als Hymnen. 26:7-19 stelle ein volksklageartiges
Gebet dar. 26:20-21 sei die göttliche Antwort auf dieses Gebet und 27:2-5 ein Jahwe in den
Mund gelegtes Lied. 27:7-11 versteht er als eine Art Reflexion. 27:6 bleibt übrigens ohne
Begründung unerwähnt. 25:1-5; 25:9-12; 26:1-6 und 27:2-5 sind für ihn eschatologische
Hymnen, die "den Jubel über das Eintreffen der jeweils vorhergegangenen Heilsweissagungen
vorwegnehmen." Die von ihm als Lieder betrachteten Passagen in 24:4-12 seien Schilderung
der schon erfolgten Vernichtung der feindlichen Stadt und in 24:14-16 gebiete der Dichter
den Jubelnden Einhalt, weil mit der Vernichtung dieser Stadt der feindlichen Völker das Ende
noch nicht besiegelt sei. Was das Gebet in 26:7-19 und die darauf folgende Antwort 26:20-21
sowie die Reflexion in 27:7-11 betrifft, so stellt Eissfeldt lediglich fest, dass diese Stücke
"keine literarische Verbindung mit der Umgebung" aufweisen würden, ohne in der Folge
näher darauf einzugehen.
161
Eissfeldt erwähnt folgende Beispiele, weshalb für ihn nur eine
nachexilische Verfassung in Frage kommt: (1) Die Erwähnung einer grossen jüdischen
Diaspora (27:12-13); (2) das Vorliegen einer ausgebildeten Angelologie (24:21) und (3) die
Anfänge des Auferstehungsglaubens (26:19).
162
Dass er in den beiden "Ungeheuern"
Leviathan und Tannin in 27:1 das seleukidische und das ptolemäische Reich vermutet und
somit die Abfassung von Jes. 24
27 auf das 3. Jahr. v. Chr. ansetzt, muss von diesem
Apriori der Spätdatierung der genannten apokalyptischen Themen her verstanden werden. Ein
spätes Datum voraussetzend, versucht auch er, die feindliche Stadt zu identifizieren. Da 26:6
suggeriere, dass die Juden an der Eroberung der feindlichen Stadt wenigstens beteiligt waren,
schliesst er Babel aus und denkt an eine Stadt in Judäas Nachbarschaft. Die Erwähnung
155
Ibid., 64.
156
Ibid., 54, 62-64.
157
Otto Eissfeldt, Einleitung in das Alte Testament: unter Einschluß der Apokryphen und Pseudepigraphen
sowie der apokryphen- und pseudepigraphenartigen Qumr n-Schriften - Entstehungsgeschichte des Alten
Testaments. Neue Theologische Grundrisse, hrsg. Rudolf Bultmann, 4. Aufl., unveränd. Nachdr. d. 3., neubearb.
Aufl. (Tübingen: J. C. B. Mohr, [
1
1934] 1976), 436.
158
Ibid., 438.
159
Ibid., 435. Also ähnlich wie Duhm und Procksch. Dass er 24:13 mit 24:1-6 zusammen sieht, erinnert an
Rudolph.
160
Ibid., 435-436.
161
Ibid., 436.
162
Ibid., 437-438. Zunächst sagt er, dass für ihn deshalb frühestens das 4. Jahrh. v. Chr. in Betracht komme.

24
Moabs in 25:10 liefert ihm einen konkreten Anhaltspunkt. Schon daher ist zu verstehen, dass
er sich gegen die arbiträre "Tilgung" der Passage 25:10b-12 oder die Änderung von
in
163
wehrt. Eissfeldt stellt fest, dass auch andere Stellen in der Jesaja-Apokalypse zu Moab
passen. Das Weinthema in 24:7-12 passe vorzüglich zu 16:7-10 (Moab-Orakel), der
fanatische Hass der Juden gegen Moab in 25:10 sei auch in 16:6 zu erkennen und Zion als
Zufluchtsort in 25:6-8 werde auch in 16:1-5 erwähnt. Eissfeldt vermutet deshalb, dass der
Anlass zu Jes. 24
27, oder zumindest zu dem in ihm steckenden "Liederkreis," "eine über
Moab und seine Hauptstadt hereingebrochene Katastrophe" gewesen sein könnte. Er sieht sich
durch die Erwähnung Edoms (als dem anderen nachbarlichen Feind Judäas) im Abschnitt
Kapitel 34
35, wo es auch um das Weltgericht geht, in seiner moabitischen Interpretation
bestätigt.
164
Nach Rudolph ist es Lindblom (1938), der Hylmö's Hypothese einer prophetischen Liturgie
widerspricht,
165
indem er die Existenz liturgischer Strukturen, so wie sie Gunkel definiert,
bestreitet. Lindblom ist überzeugt, dass in der Jesaja-Apokalypse Abwechslung zwischen
Gebet und göttlicher Antwort nicht existiert.
166
Im Gegensatz zu Hylmö ist sich Lindblom
sicher, dass die Jesaja-Apokalypse sowohl formal als auch inhaltlich zusammengehörig ist.
Hylmö's Vorschlag, die Kapitel 25
26 vom Rest zu isolieren, betrachtet er als einen der
Hauptgründe, weshalb dessen Standpunkt in der Forschung nicht bahnbrechend sein konnte.
Er räumt aber ein, dass Hylmö speziell mit seinen Gattungsuntersuchungen doch einen
wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis der Jesaja-Apokalypse geleistet habe.
167
Man
könnte sagen, dass Lindblom auf Hylmö und Rudolph aufbaut. Er erwähnt deren Verdienste
übrigens explizit, glaubt aber, dank den aus der Gunkel-Begrichschen Einleitung in die
Psalmen
168
neu gewonnen Erkenntnissen, die Analysen "etwas schärfer und sicherer"
durchführen zu können. Wie schon Hylmö und Rudolph, so meint auch er, dass die Jesaja-
Apokalypse nicht wirklich eine Apokalypse sei. Bezeichnenderweise betrachtet er aber die
apokalyptischen Passagen 24:21-23 und 27:1 als Zusätze.
169
Er glaubt, in dem steten Wechsel
zwischen eschatologischer Weissagung und Dank- bzw. Jubellied eine so genannte "Kantate"
erkennen zu können. Ja es handle sich geradezu um eine künstlerische Komposition, die
speziell abgefasst worden sei, um eine feierliche Gelegenheit zu zelebrieren. So spricht er von
einer "Festkantate" und meint, in Jes. 26:1-2 einen konkreten Hinweis auf den Sitz im Leben
dieser Festkantate zu finden: Die Mahnung "Öffne die Tore, dass einziehe ein gerechtes
Volk," deute auf einen Festzug hin anlässlich dessen die jüdische Gemeinde den Fall der
feindlichen Stadt durch eine Festkantate gefeiert habe.
170
Lindblom geht davon aus, dass die
Jesaja-Apokalypse zunächst ein selbständiges Büchlein war. Den Verfasser identifiziert er als
einen nachexilischen "jerusalemischen Kultpropheten."
171
Dann versucht er zu analysieren, zu
welchem historischen Ereignis das Ganze wohl am besten passen könnte und kommt zum
163
Ibid., 439. Ein Grossteil der Kritiker betrachtet 25:10b-12 als Zusatz. Mehr dazu später.
164
Ibid., 439.
165
Wobei zu sagen ist, dass er sich öfters auf Rudolph beruft.
166
Joh. Lindblom, Die Jesaja-Apokalypse: Jes. 24 27. Lunds Universitets Årsskrift. N. F. Avd. 1. Band 34. Nr
3 (Lund: C. W. K. Gleerup, 1938). Vgl. sein diesbezügliches Resümee S. 67-68.
167
Ibid., vgl. S. 68-69.
168
Hermann Gunkel, Einleitung in die Psalmen: Die Gattungen der religiösen Lyrik Israels. Göttinger
Handkommentar zum Alten Testament, zu Ende geführt von Joachim Begrich (Göttingen: Vandenhoeck &
Ruprecht, 1933), also fünf Jahre vor der Ausgabe von Lindbloms Kommentar über die Jesaja-Apokalypse
erschienen. Vgl. dazu Joh. Lindblom, op. cit., 8, 67-68.
169
Er spricht von eschatologischen Zusätzen (vgl. S. 62-63).
170
Joh. Lindblom, op. cit., 11, 69-71, 89-90.
171
Ibid., 70.

25
Schluss, dass nur der Fall der Weltstadt Babylon auf die Juden einen derartigen Eindruck
machen konnte. Weil das Stück postexilischen Ursprungs sei und der Text suggeriere, dass
die Stadt, d. h. Babylon, völlig vernichtet wurde, könne es sich, meint er, nur um die Zeit
handeln, als der Perserkönig Xerxes I. um 485 v. Chr. Babylon zerstörte.
172
Er ist überzeugt,
"dass die Jesajaapokalypse in der Geschichte fest verankert ist" und dass sie "eine konkrete
geschichtliche Situation voraussetzt."
173
Die Stadtlieder visieren also für ihn alle ein bereits
vergangenes Ereignis. Wie Duhm und Procksch, so glaubt auch er, dass die Jesaja-
Apokalypse im Wesentlichen aus "zwei parallel laufenden Reihen von Gedichten"
174
besteht,
nur dass er, im Gegensatz zu Duhm und Procksch, bei der ersten Reihe lieber von
eschatologischen Gedichten als von apokalyptischen Orakeln spricht. Diese sind (1) 24:1-6
(Weltkatastrophe); (2) 24:16a -20 (Weltkatastrophe); (3) 25:6-10a (Das Freudenmahl auf dem
Zionsberg); (4) 26:20-21 (Weltgericht); (5) 27:12-13 (Rückkehr der Diaspora). Die zweite
Reihe besteht aus verschiedenen Liedern: (1) 24:7-16a ; (2) 25:1-5 und (3) 26:1-14
bezeichnet er als Danklieder über die zerstörte Stadt; (4) 27:2-11 als ein Jubellied der
jüdischen Gemeinde. Die ursprüngliche Jesaja-Apokalypse enthielt also für ihn insgesamt
neun Stücke: 5 eschatologische Gedichte und 4 Lieder. Folgende vier Stücke betrachtet er als
Zusätze: (1) 24:21-23 und (2) 27:1 seien "eschatologische Zusätze"; (3) 25:10b-12 nennt er
"Zusatz über Moab"
175
und (4) 26:15-19 sei ein Klagelied, eine sehr späte "Interpolation."
176
Kissane (1941) ist der Meinung, dass man in diesen vier Kapiteln nur im weiteren Sinne von
einer Apokalypse reden kann. Die einzigen apokalyptischen Charakteristika sind für ihn die
Beschreibung des Weltgerichts und die verschleierte Art, mit welcher die Opfer des
Gottesgerichts beschrieben werden. Kissane ist (ebenfalls) ein typisches Beispiel
historisierender Interpretation. Für ihn ist der blosse Hinweis auf ein Weltgericht noch lange
kein Beweis dafür, dass diese vier Kapitel von der Endzeit handeln. Letztendlich sei jede
Intervention Gottes ein Weltgericht, denn die Auffassung sei ja die, dass er vom Himmel her
(26:21) auf die Erde kommt, um sich über die Angelegenheiten der Menschen zu informieren.
Seine Intervention habe die Bestrafung der Gottlosen und die Belohnung oder Befreiung der
Gerechten zur Folge. Dieses Konzept fänden wir auch in den Psalmen. Kissane glaubt
deshalb, dass Jesaja zunächst über das Unglück spricht, welches in Form eines Weltgerichts
über Juda hereinbrechen sollte, danach über die Stürzung Assyriens als Resultat eines
weiteren und späteren Weltgerichts. Er begründet diese Sicht damit, dass er in 24:1-13 und
24:17ff zwei verschiedene Weltgerichte sieht.
177
Kissane verdient es schon deshalb erwähnt
172
Ibid., 11-12, 69-71. Betreffs dieser Stadtidentifizierung siehe unten.
173
Ibid., 70.
174
Siehe sein Resümee ibid., 62-63.
175
Er sagt (ibid., 39): "Ein Glossator einer etwas späteren Zeit vermisste in der Schilderung der seligen Endzeit
ein spezielles Wort über den Erbfeind [sic] im östlichen Nachbarland."
176
Ibid., 63-66. Er glaubt, dass die in diesen Versen beschriebenen Zustände am ehesten auf die Zeit Jonathans,
des Bruders von Judas Makkabäus, zutreffen, d. h. um etwa 145 v. Chr. Er datiert dieses Stück also fast so spät
wie Duhm seine "Apokalypse" und genau so spät wie Procksch die sog. Stadtlieder (siehe auch unten zu Otto
Ludwig). Da er kurz nach dem Fund in Qumran einen weiteren Artikel über die Jesaja-Apokalypse schrieb ('Die
Jesaja-Apokalypse in der neuen Jesajahandschrift (DSIa)', Årsberättelse Bulletin de la Société Royale des Lettres
de Lund: 1950-1951, Lund: CWK Gleerup, 1951: 87-97), in welchem er die Textunterschiede zwischen dem MS
und 1QIsa
a
analysiert, hätte man vielleicht erwartet, dass er diese, inzwischen sehr fraglich gewordene
Hypothese widerruft. Dies ist aber nicht der Fall.
177
Edward J. Kissane, The Book of Isaiah: translated from a critically revised Hebrew Text with commentary.
Vol. I (I-XXXIX), rev. ed. (Dublin: Browne and Nolan, [
1
1941] 1960), 259-260. Die Sicht Kissane's, diese
Stücke würden den Konflikt zwischen Juda und Assyrien widerspiegeln, erinnern an Knobels Hypothese, der
glaubt, dass diese Kapitel den Konflikt zwischen Juda und Babylon z. Z. Nebukadnezars (um 588) reflektieren.

26
zu werden, weil seine Position original ist: Er unterscheidet zwei Gedichte, deren Einheit
sowohl durch die Themen, als auch durch die metrische Struktur bestimmt sei:
178
(1) 24:1
26:6 und (2) 26:7
27:[12]. Die erste (bestehend aus 15 Strophen zu je vier Versen
179
) von
24:1
26:6 resümiert er wie folgt: (a) Die Verwüstung Judas und der übrig bleibende Rest
(24:1-16b); (b) Der Sturz des Unterdrückers (Assyrien) (24:16c
25:5); (c) Die zukünftige
Herrlichkeit Zions (25:6
26:6).
180
Die zweite Poesie (bestehend aus 10 Strophen zu je vier
Versen
181
) teilt er in zwei Teile: (a) Gebet des Volkes um Befreiung (26:7-18) und (b) Die
Antwort des Propheten (26:19
27:[12]). Interessant ist Kissane's Feststellung,
182
wonach die
in der zweiten Poesie vorkommenden Themen (Leiden, Errettung und Wiederherstellung)
parallel zur ganzen ersten Poesie 24:1
26:6 seien. Gleichzeitig weist Kissane aber auch auf
einen wichtigen Unterschied hin: Während die Ereignisse der ersten Poesie (24:1
26:6) als
noch bevorstehend beschrieben wären,
183
sei in der zweiten Poesie (26:7
27:[12]) die erste
Phase des Weltgerichtes (nämlich die Verwüstung Judas) als bereits erfolgt dargestellt und
das Volk (Gottes) leide (gegenwärtig) im Exil. Damit meint Kissane 26:7-18. Mit der zweiten
Phase ist bei ihm die Antwort des Propheten in 26:19
27:[12]
184
gemeint. Die Erwähnung
der Vernichtung des Todes in 25:8 und der Auferstehung der Toten in 26:19 deutet er auf die
nationale Wiederherstellung Israels.
185
So sieht er denn auch kein Problem, an der
Jesajanizität dieser vier Kapitel festzuhalten.
186
Besonders wegen seiner Originalität ist der Vorschlag von Beek (1949) erwähnenswert.
Wenn er auch nicht alle 66 Kapitel
187
dem Jesaja zuschreibt, so doch die Kapitel 13
23 und
24
27.
188
Er geht von Lindbloms Analysen aus. Die Sprache der Jesaja-Apokalypse
entspreche zwar jener des [Proto]Jesaja, aber man könne natürlich nicht beweisen, dass es
sich nicht um eine Nachbildung handelt. Wenn aber sprachlichen Argumenten in der
Echtheitsfrage keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden dürften, dann müsse man
eben versuchen, "das historische Problem" auf Grund von inhaltlichen Indizien zu lösen.
Auch gibt er Lindblom darin Recht, diese vier Kapitel nicht der Apokalyptik zuzuordnen,
189
distanziert sich aber von dessen Hypothese, wonach das Stück auf die Zeit, als Xerxes um 485
v. Chr. Babylon eingenommen hatte, zurückgehe. Für ihn ist Lindbloms Versuch, 26:1 so zu
deuten, dass irgendwie eben doch schon vor Nehemia wenigstens ein kleiner Teil der
Während aber Kissane die meisten Ereignisse als zukünftig versteht, ist für Knobel die Verwüstung Judas bereits
erfolgt.
178
Ibid., 260-261.
179
Ibid., 263.
180
Ibid., 259-261. Er sagt (S. 261): "The division here is into two poems whose unity is determined by their
subject-matter and metrical structure."
181
Ibid., 281-282.
182
Ibid., 282.
183
Ibid., 259. Als Stellen, die darauf hindeuten würden, dass das Exil noch zukünftig ist, erwähnt er (S. 262)
24:1-3.13.16ff.
184
Wobei er 27:13 einzig als späteren Zusatz betrachtet. Vgl. ibid., S. 282 ("a later addition") und S. 294.
185
Vgl. ibid., 277-278, 289-290.
186
Er sagt u. a. (ibid., 262): "On the other hand, the resemblances to Isaiah are so many and so striking that some
critics admit that it must have been written by one steeped in the literature of the pre-exilic period. . . . as far as
the historical situation is concerned, the poem is just as applicable to the period of Isaiah as to any other period;
the references to death and resurrection when rightly interpreted are in harmony with what Isaiah says elsewhere,
and the language is not inconsistent with Isaian authorship."
187
M. A. Beek, 'Ein Erdbeben wird zum prophetischen Erleben. (Jesaja 24
27).' Archiv orientalní; journal of
the Czechoslovak Oriental Institute, Prague, 17/1 (1949). Vgl. S. 31, wo er davon spricht, dass auch Deutero-
Jesaja das Sprachgut seines Vorgängers [Jesaja] benütze.
188
Ibid., 35-36, 39-40.
189
Ibid., 31.

27
Stadtmauer Jerusalems repariert gewesen sei, um so das Stück doch einer Zeit vor Nehemias
Tätigkeit in Jerusalem zuschreiben zu können, inakzeptabel. Er ist der Meinung, dass wenn in
26:1ff an wirkliche und nicht an bildlich umzudeutende Mauern (in Jerusalem) zu denken sei,
dann in der Zeit "entweder vor dem Exil oder nach Nehemia."
190
Und da, wie er meint, die
Vorstellungen in diesem Stück zur geistigen Welt "des ersten Jesajas und eines Michas"
191
gehören, wagt er den Versuch, nicht nur die jesajanische Herkunft unseres Stückes zu
begründen, sondern auch dessen Sitz im Leben festzustellen. Smend und v. a. Eissfeldt
folgend, ist er davon überzeugt, dass der Schlüssel in der Erwähnung Moabs liegt. Er macht
sich Eissfeldts Analyse zu Nutzen, lehnt aber dessen Deutung Leviathans und Tannins in 27:1
auf das seleukidische und das ptolemäische Reich und die sich daraus ergebende
Schlussfolgerung, es komme deshalb nur ein spätes Datum in Frage, entschieden ab. Im
Gegensatz zu den meisten seiner Vorgänger ist er überzeugt, dass weder in Jes. 24
27 noch
in 15
16 (Moabperikope) "von einer Kriegskatastrophe die Rede ist"
192
und denkt deshalb
an eine Naturkatastrophe, nämlich an das Erdbeben zur Zeit des Königs Usia um 750 v. Chr.,
welches in Am. 1:1 und Sach. 14:5 erwähnt wird. Moab sei von dieser Katastrophe
wahrscheinlich besonders getroffen worden, während Jerusalem wie durch ein Gotteswunder
verschont geblieben sei.
193
Diese Katastrophe habe Moab gezwungen, bei seinem Nachbarn
Juda Zuflucht zu suchen. Der sich in Richtung Jerusalem bewegende Flüchtlingsstrom und
die Tatsache der wunderbaren Bewahrung der heiligen Stadt hätten sodann den Propheten
(Jesaja) inspiriert zu verkündigen, dass Jerusalem der Mittelpunkt sei und alle Völker zu ihr
hinströmen werden.
194
Diese Bewahrung Jerusalems sei zum Auftrag geworden. Wenn
Jerusalem das Joch dieses Auftrages auf sich nehme und Gastfreundschaft schenke, dann
würde die Erwartung verwirklicht. Jerusalem habe aber die hochgestimmten Erwartungen des
Propheten nicht erfüllt. Er schliesst seinen Artikel mit folgenden Worten: "Das irdische und
das himmlische Jerusalem finden ihren Treffpunkt in der immer aktuellen Forderung Jesaja's
an seine Stadt, wäre es denn einmal sichtbar in der Pflicht zur Gastfreundschaft in den Tagen
des großen Erdbebens um 750 v. Chr." [sic]
195
Plöger (1959) gehört ebenfalls zu den wenigen, die die Datierung nicht von der
Identifizierung der Stadt abhängig machen.
196
Er ignoriert nicht, dass in diesem Stück
Weissagungen und Lieder nach einem besonderen Wechselprinzip nebeneinander geordnet
stehen und räumt ein, dass dies den Eindruck erwecken könnte, es handle sich um eine
planvolle Komposition; er ist aber trotzdem der Meinung, dass diese Beziehung weithin erst
nachträglich hergestellt worden sei. Seine Analyse knüpft im Prinzip an jener Duhms an. Den
190
Ibid. Vgl. S. 32, wo er diesbezüglich sagt: "Es ist gerade dieser Überfluß an Möglichkeiten, der die
historische Theorie Lindbloms zu einem zarten Gebäude der Hypothesen macht."
191
Ibid., 31.
192
Ibid., 38. Was 24
27 betrifft, so hat er u. E. Recht, bei 15
16 scheint uns aber 16:3-5 sehr wohl an einen
(militärischen) Feind denken zu lassen.
193
Ibid., 38.
194
Ibid., 39-40. Er weist darauf hin (S. 40
22
), dass sich diese Verkündigung auch an anderen Stellen [Jesajas]
finden würde: 2:1ff, 9:6; 11:1ff, 12:1ff, 32:15ff, 33:20ff, 35:1ff.
195
Ibid., 40. Beek liest also ein Erdbeben in Jes. 15
16 und projiziert zugleich Jes. 16:3ff in Jes. 24
27 hinein.
196
Otto Plöger, Theokratie und Eschatologie, Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen
Testament, 2. Bd., hrsg. von Günther Bornkamm und Gerhard von Rad (Neukirchen: Neukirchener Verlag,
1959), 70. Er denkt (S. 73) an "die städtische Lebensform der zeitgenössischen Menschheit überhaupt," womit er
v. a. 24:10-12 meint. Bei 25:2 und 26:5-6 denkt er aber doch, dass mit ersterer vielleicht Babylon, mit zweiterer
eine moabitische Stadt gemeint sein könnte. Auf S. 93 hingegen (in der Diskussion um die Stadt von 27:10) gibt
er zu verstehen, dass Duhm vielleicht gar nicht schlecht beraten gewesen sei, die feste Stadt im Rahmen der
ganzen Apokalypse mit Samarien in Verbindung zu bringen (wobei er allerdings dessen Spätdatierung in Frage
stellt).

28
Hauptbestand
197
bilden für ihn die Kapitel 24
26, was aber nicht heisst, dass er diese als
ursprüngliche Einheit versteht. Das Kapitel 24 betrachtet er wohl als Einheit, aber eben doch
aus ursprünglich selbständigen Stücken zusammengesetzt. Das Stadtlied 24:8-12 sei durch die
Überleitungsverse 7 und 13 in seinen Kontext eingebettet worden, um so der zeitgenössischen
Menschheit als Aktualisierung der Gerichtsankündigung zu dienen.
198
Die Passage 24:21-23
sei (auch) ein selbständiger Zusatz und nicht zuletzt aus metrischen Gründen wiederum
verschieden von 25:6-8.
199
Den Grundton des Stückes deutet er als eschatologisch und, da,
wie er meint, die so genannten Stadtlieder 25:1ff und 26:1ff den bereits geschehenen Sieg
Jahwes über eine ungenannte Stadt besingen, seien sie erst nachträglich eingesetzt und der
vorherrschenden Zukunftsperspektive angepasst worden. Er spielt dabei auch speziell auf den
Ausdruck
in 26:1a an.
200
Für ihn ist dieser also quasi ein ad hoc-Addendum, um das
Lied dem eschatologischen Grundton des ganzen Stücks anzupassen. Er meint, dass für das
Verständnis des eschatologischen Kerns, diese Stücke nicht in Erwägung gezogen werden
sollten und seine Bemerkung, dass mit der Einschaltung der beiden Lieder vielleicht eine
liturgische Nebenabsicht verbunden worden sei, erinnert an Hylmö.
201
Einen weiteren Zusatz
bildet für ihn der Moabspruch 25:10b-11, wozu 25:12 einen weiteren Zusatz darstelle.
202
Teile, die nicht in sein Interpretationsschema passen, sind für ihn einfach Glossen, so z. B.
25:8a , die Erwähnung der Verschlingung des Todes, oder er spricht von Passagen, die sich
widersprechen, was er auf die divergierenden Vorstellungen der verschiedenen Verfasser
zurückführt.
203
Bei Kapitel 27 spricht er einerseits von Nachträgen disparater Natur, die, mit
Ausnahme vom Weinberglied in den Versen 2-5, als durchaus eschatologisch interpretiert
werden müssten; andererseits räumt er wieder ein, dass sie von einem bestimmten Thema
zusammengehalten würden, nämlich der Wiedervereinigung von Juda und dem Nordreich.
204
Genau deshalb aber könne dieser Nachtrag kaum etwas zum Verständnis der eschatologischen
Schilderung in den Kap. 24
26 beitragen. Für Kap. 24
26 vermutet er eine Redaktion
gegen Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. (Ptolemäerzeit), Kap. 27 hingegen sei älter. Von der
Prämisse ausgehend, das Kapitel widerspiegle die Spannungen zwischen Jerusalem und
Sichem, vermutet er, dass es vor oder nach der Wirksamkeit Esras und Nehemias verfasst und
dann später zu 24
26 hinzugefügt worden sei. Geradezu originell ist Plögers Ansicht, im
Hintergrund "einen innerjüdischen Gegensatz" bzw. zwei verschiedene Kreise zu vermuten:
der eine sei eschatologisch orientiert, der andere hingegen am eschatologischen Glauben
desinteressiert.
205
Weil er in diesem innerjüdischen Konflikt eine Parallele zu den
197
Wie er es nennt (ibid., 89).
198
Ibid., 73-75, 86. Vgl. auch S. 80: "Aber das Gedicht in 24
8-12
ist völlig entlokalisiert und, zwar noch als
selbständige Einheit erkennbar, doch zu einem Bestandteil der eschatologischen Schilderung gemacht worden."
199
Ibid., 77.
200
Ibid., 70, vgl. S. 86, 95-96. Also wie Lindblom u. a. vor ihm. Vgl. S. 87: "Beide Lieder haben mit der
eschatologischen Schilderung nichts zu tun." Wobei zu sagen ist, dass er (entgegen Duhm, aber mit Eissfeldt,
den er mehrmals erwähnt) diese beiden Stücke älter als die eschatologischen Stücke einstuft (vgl. S. 87).
201
Ibid., 88-89, 96. Er sagt (S. 89): "So ist es nicht ausgeschlossen, daß dieses eschatologische Enchiridion
durch liturgische Einlagen ausgebaut worden sein könnte, um es einem weiteren Gebrauche dienstbar zu
machen."
202
Ibid., 79, 89, 96. Vgl. S. 70, wo er vom "nachträglich und maßlos erweiterten Moabspruch" spricht. S. 80
spricht er von 25:12 als "einer späteren Erweiterung," S. 86-87 nennt er den Vers "eine sekundäre und reichlich
konfuse Erweiterung des nachträglich eingeschobenen Moabspruches."
203
Ibid., 77-78. Vgl. S. 137. Darauf werden wir speziell in unserem letzten Kapitel eingehen.
204
Ibid., 89, 93, vgl. 96-97.
205
Ibid., 93-97. Vgl. auch S. 75, 76 (wo er von einem "eschatologische[n] Dissensus" spricht), 85-86, 89. Im
eschatologisch desinteressierten Kreis vermutet er v. a. führende priesterliche Kreise (vgl. S. 95). Diese
Spekulation hat in der Folge manche offene Ohren gefunden (Ludwig, Vermeylen, Hanson, um nur einige zu
erwähnen).

29
Abtrünnigen im Danielbuch, die am Bunde Jahwes freveln
206
[vgl. Dan. 8:23ff; 9:27; 11:30ff;
12:10], sieht, wirft ihm Johnson vor, er schlage deshalb das 3. Jahrhundert für die Verfassung
des Stückes vor, "because he viewed Isa. 24
27 through the lens of the book of Daniel."
207
In der Tat bezieht sich Plöger des Öfteren auf das Danielbuch.
208
Ludwig (1961) ist der Meinung, dass den meisten der bisher von der Forschung
unterbreiteten Vorschlägen zur Ermittlung der Stadt in Jes. 24
27 "eine methodische
Inkorrektheit" zu Grunde liege, weil sie fälschlicherweise voraussetzen würden, dass die in
den verschiedenen Liedern genannte Stadt immer dieselbe sei und dass der von der Stadt
berichtete Untergang jeweils ein und dasselbe Ereignis meine.
209
Er ist überzeugt, dass man
von mindestens zwei Gruppen von Liedern ausgehen muss. Nur so werde man der Tatsache
gerecht, dass in den Liedern 24:8-12 und 27:10-11 von Klage bzw. Anklage, in den Stücken
25:1-5; 26:1-6 hingegen von Jubel die Rede ist. Er sagt: "Dieser Umstand lässt sich nur
schwer mit der Annahme vereinbaren, dass alle Stadtlieder von einem einzigen Ereignis
berichten."
210
Allerdings meint auch er, dass in allen Stellen nur von ein und derselben Stadt
die Rede ist (nämlich von Jerusalem), hingegen ist er überzeugt, dass an mindestens zwei
verschiedene Ereignisse gedacht werden muss. Die Aussagen in 25:1-5; 26:1-6 und 27:2-4(5)
(LXX)
211
passen seiner Meinung nach nur auf die Zeit, als Simon der Makkabäer um 142/141
v. Chr. die syrische Akra in Jerusalem eroberte.
212
So sei der Jubel der Juden zu erklären.
Wenn man 25:9-12 berücksichtigen wolle, dann sei das Stück auch zu dieser Gruppe zu
zählen; er selbst vermutet aber in jenem Abschnitt einen glossenartigen Zusatz, der eventuell
sogar etappenweise entstanden sei.
213
Im Unterschied dazu deutet er die Stadtliederstücke
24:8-12 und 27:10-11 auf die Zeit, als Jerusalem durch Antiochus Epiphanes (in 168/167 v.
Chr.) erobert wurde.
214
24:1-3 und 24:4-6 betrachtet er als selbständige Stücke und 24:13 sei
vermutlich eine eigenständige Notiz.
215
24:18b-20, eine Beschreibung einer apokalyptischen
Katastrophe, sei auch ein ursprünglich selbständiges Stück, 24:21-23 und 25:6-8 hingegen
könnten von ein und demselben Verfasser stammen. Ludwig räumt ein, dass zwischen 24:1-3;
24:4-6; 24:13; 24:18b-20, 24:21-23 und 25:6-8 eine Verbindung zu erkennen und ihre
206
Ibid., 83.
207
Dan G. Johnson, op. cit. 12.
208
Vgl. Otto Plöger, op. cit., vgl. 83, 85, 86, 96. Würde Johnson einfach sagen, Plöger datiere die Kap. 24
26
deshalb spät, weil er davon ausgehe, dass gewisse darin geschilderte eschatologische Themen a priori einer
späteren Zeit zugeordnet werden müssen, dann wäre ihm auf jeden Fall Recht zu geben. Wir sagen
eschatologische und nicht apokalyptische Themen, weil Plöger dies vorzieht. S. 96 sagt er: "Eine zeitliche
Festlegung kann nur in groben Umrissen vorgenommen werden. Ausgeprägte Merkmale der späteren
Apokalyptik, wie etwa die scharfe Trennung zwischen dem gegenwärtigen und dem kommenden Äon, sind
unserer eschatologischen Betrachtung noch fremd. Aber das Weltgericht wird schon als ein universal-
kosmisches Ereignis verstanden; und die Totenauferstehung als Merkmal der eschatologischen Wende für die,
die diesem Glauben anhängen, rückt unsere Darstellung doch schon näher an das Danielbuch heran." Auf den
unter den Gelehrten herrschenden Dissens betreffs des Ursprungs und der Definition dessen, was Apokalyptik ist
(oder [noch] nicht ist), werden wir unten noch zu sprechen kommen.
209
Otto Ludwig, Die Stadt in der Jesaja-Apokalypse: Zur Datierung von Jes. 24-27. Inaugural-Dissertation zur
Erlangung der Würde eines Doktors der Theologie der Evang.-theol. Fakultät der Rheinischen Friedrich-
Wilhelms-Universität Bonn (Köln: Walter Kleikamp, 1961), 59.
210
Ibid., 60.
211
Ibid., 31ff. Ludwig zieht zumindest hier den Text der Septuaginta vor, wo in V. 3 von einer starken Stadt die
Rede ist.
212
Ibid., 74-75.
213
Ibid., 28-30.
214
Ibid., 75, vgl. auch 95.
215
Ibid., 105-109.

30
Reihenfolge nicht willkürlich sei, ja dass die Stücke einen "vorbedachten Aufbau"
216
verrieten. Aber es sind eben für ihn doch einzelne Stücke, Glieder einer umfassenden
Komposition.
217
26:7-19 betrachtet er als "Konglomerat verschiedenartigster, versprengter
Glossen."
218
Er vermutet darin mindestens drei verschiedene unabhängige Einheiten.
219
26:20,
meint er, könnte eine "redaktionelle Bemerkung" sein, die die beiden ursprünglich vielleicht
disparaten Stücke "26,11-15" und "26,21. 27,1.12.13" miteinander verbinden sollte.
220
Letzteres wäre dann eine Antwort in Gestalt einer apokalyptischen Belehrung auf die in
26:11ff ausgesprochene Bitte. 27:5-9 ist für ihn eine "kleine Glossensammlung."
221
Ludwig
versucht nicht nur für die Stadtliederstücke den Sitz im Leben zu bestimmen, sondern auch
für die übrigen Teile. Er meint letztlich, in allen Teilen einen oder mehrere Hinweise zu
finden, die zur makkabäischen Periode passen würden. Die Erwähnung des
(Priester) in
24:2 spricht seiner Meinung nach für die postexilische Zeit. Die Ältesten in 24:23 deutet er
auf die Gerusie der griechischen Zeit; ja, sagt er, dies passe am besten zur makkabäischen
Zeit.
222
In den sog. Auferstehungsversen 26:14.19 sieht er auch passende Hinweise auf die
Makkabäerzeit, indem er darin Parallelen zu 2. Makk. 7; 12:38ff und zum Danielbuch sieht.
223
Auch 26:11-15 passen seiner Meinung nach am besten in die Zeit der Makkabäer, nämlich zu
Jonathan, der 145 v. Chr. einen Sieg gegen die Seleuziden errungen hat.
224
Das entspräche
dem (von ihm vorgeschlagenen) Datum 142/141 v. Chr. für die Stadtlieder 25:1-5; 26:1-6 und
LXX 27:2-5. Die Erwähnung des Blutvergiessens in 26:21 passe zur Märtyrerzeit der
Makkabäer und die beiden Leviathane könnten auf die beiden Diadochenstaaten hinweisen,
also ebenfalls auf die Makkabäerzeit.
225
Seine Schlussfolgerung: "Man wird sich also im
grossen und ganzen die Entstehung der einzelnen Teile von Jes.24-27 zwischen 167 und 141
v.Chr. zu denken haben. Der Abschluss der gesamten Komposition muss also dann in
spätmakkabäischer Zeit, etwa zwischen 145 und 14o v.Chr., erfolgt sein."
226
Die Antwort auf Ludwigs Spätdatierung liess nicht lange auf sich warten. Genau ein Jahr
später wies van Zyl (1962) darauf hin, dass die Resultate der Qumranforschung gegen eine so
späte Integrierung von Jes. 24
27 in das Jesajabuch sprächen.
227
Van Zyls Hauptanliegen ist
zu zeigen, dass Jes 24
27 nicht mit der apokalyptischen Literatur des 2. Jahrhunderts v. Chr.
verglichen werden kann. Das Bild von 27:1 finde sich in der ugaritischen Literatur und sei
deshalb wohl viel älter als das 2. Jahrhundert v. Chr. Wenn das in Kapitel 24 beschriebene
Weltgericht typisch apokalyptisch sein soll, sagt van Zyl, dann müsse dies auch vom
Sintflutbericht in Gen. 7
9 und mehreren anderen atl. Stellen gesagt werden.
228
Universalismus sei nicht erst bei Jesaja (2:2-5) zu finden, sondern schon lange vor ihm. Die
216
Ibid., 113.
217
Ibid., 114.
218
Ibid., 117.
219
Ibid., 124.
220
Ibid., 129-130.
221
Ibid., 133.
222
Ibid., 115-117.
223
Ibid., 125-126. Dabei beruft er sich auch auf Plöger (vgl. Plöger, op. cit., 28ff).
224
Ibid., 127. (Vgl. oben Lindblom).
225
Ibid., 132-133. Ludwig zu 27:1 vgl. Kommentar 2. Kap. z. St.
226
Ibid., 140. Der Vorschlag Ludwigs, die Jesaja-Apokalypse sei eine Komposition aus vielen verschiedenen,
ursprünglich voneinander unabhängigen Stücken, erinnert an die Mosaikhypothese Cheyne's.
227
A. H. van Zyl, 'Isaiah 24-27: Their Date of Origin.' In New light on some Old Testament problems: Papers
read at 5
th
meeting held at the University of South Africa, Pretoria. Die Outestamentiese Werkgemeenskap in
Suid Afrika, 5 (Pretoria, 1962): 44.
228
Ibid., 49.

31
Verheissung an Abraham in Gen. 12:3 zeige es.
229
Die Erwähnung des grossen Tags des
Gerichts, des Tags Jahwes, finde sich u. a. schon bei Amos. Van Zyl weist darauf hin, dass
der Ursprung des Mahls, das Gott auf Zion bereiten wird [25:6], nicht ausserhalb Israels
gesucht werden müsse und erinnert an Stellen wie Gen. 18:1ff; Ex. 18:12 und v. a. Ex.
24:10ff.
230
Mit dem Heer der Höhe in 24:21 müsse das Himmelsheer gemeint sein, dafür
spreche schon die Tatsache, dass derselbe Ausdruck für Höhe auch in 24:18 vorkomme. Von
den Engeln als Himmelsarmee sei auch an anderen Stellen im Alten Testament die Rede.
231
Auch 25:8a finde Parallelen in der ugaritischen Literatur: der Kampf zwischen Mot und Baal.
Bei dieser Passage denkt van Zyl einfach an ein Wegnehmen all dessen, was zu Traurigkeit
Anlass geben kann. In einem späteren und neuen Kontext habe dann diese bildliche Rede
einen tieferen Sinn gewonnen, so dass der Apostel Johannes dies mit "kai ho thanatos ouk
estai eti" [Offb. 21:4] übersetzt habe.
232
26:19 könne wie Ez. 37:1-14 als nationale
Wiederherstellung bzw. Rückkehr vom Exil gedeutet werden. Dafür sprechen seines
Erachtens noch andere Tatsachen, z. B. dass in Jes. 5:13-14 die Wegführung ins Exil mit dem
Gang in die Scheol verglichen wird und es in 26:17-18 um das Wachstum der Bevölkerung
und um das Land geht.
233
Mit anderen Worten, die wichtigsten Charakteristiken, welche
gewöhnlich für eine Spätdatierung genannt werden, könnten so interpretiert werden, dass es
nicht nötig sei, sie spät anzusetzen. Im Text sei also nichts zu finden, was dagegen spräche,
dass Jesaja der Autor der vier Kapitel sei; abgesehen davon, gibt van Zyl zu bedenken: "We
should not neglect and forget the aspect of revelation."
234
Schon Lindblom habe ja zugegeben,
dass Sprache und Stil dieser vier Kapitel zu Jesaja passen. Nach diesem sei uns die ugaritische
Literatur bekannt geworden. Er erwähnt Kaufman,
235
der dieses Material studiert habe und
zum Schluss gekommen sei, dass es keine linguistischen Gründe gäbe, diese Kapitel dem
Jesaja abzusprechen. Die Tatsache, dass gewisse Stücke eher beschreibenden Charakter haben
und deren Verben gewöhnlich in der Vergangenheitsform stehen, andere Perikopen hingegen
auf zukünftige Ereignisse hinweisen, erklärt sich van Zyl so, dass der Autor zur Beschreibung
von zukünftigen Dingen, deren Konturen er nicht deutlich erkennen konnte, Bilder bereits
vergangener Ereignisse benutzte. Der Verfasser habe diese Bilder aus ihrem alten
geschichtlichen Kontext herausgenommen (den er und seine Zeitgenossen noch kennen
konnten, wir aber heute nicht) und sie auf den neuen Zusammenhang abgestimmt, "in order to
keep the difference between the destiny of Zion, the city of the LORD, and that of the hostile
city
236
continually before the reader."
237
Das bedeute aber noch lange nicht, dass Jes. 24
27
nachexilisch sein müsse. Schliesslich werde auch im aus vorexilischer Zeit stammenden
Pentateuch deutlich auf frühere Quellen hingewiesen. Nichts stehe also der Annahme im
Wege, dass [auch] diese vier Kapitel von Jesaja geschrieben worden sind.
238
Eine Art Kombination von Hylmö's Hypothese einer prophetischen Liturgie und jener einer
Kantate von Lindblom schlägt Fohrer (1963) vor. Auch er findet in diesem Stück keine
229
Ibid., 50.
230
Ibid., 51-52.
231
Ibid., 52-53.
232
Ibid., 54.
233
Ibid., 54-55. Van Zyl gibt noch andere Stellen an. Wir resümieren die Wichtigsten.
234
Ibid., 55. Van Zyl geht u. a. (oder v. a.) auf die Spätdatierungsargumente von Gray ein: vgl. S. 47, 52, 54-56.
235
Ibid., 56. Vgl. J. Kaufman, Toledoth ha-Emunah ha Jisreëlith, 6, Tel. Aviv (1948), 312-318.
236
Welche für ihn keine spezielle historische Stadt ist; vgl. S. 47: "The poet is not describing the fall of one
specific city only
he is drawing attention to the fate of every qirjat t hû.
237
Ibid., 56.
238
Ibid., 56-57.

32
Merkmale der Apokalyptik
239
und zieht es vor, von einer "Schilderung des eschatologischen
Dramas"
240
zu sprechen. Während Lindblom im Grossen und Ganzen von einer Einheit des
Stückes ausgeht, denkt Fohrer an mehrere voneinander unabhängige Stücke, bzw. an
verschiedene Verfasser. Die Entstehung dieser "prophetischen Kantate"
241
erklärt er sich
folgendermassen: Sie bestehe aus drei eschatologisch-prophetischen (ursprünglich
voneinander unabhängigen) Liturgien, nämlich: 24:1-20; 24:21
25:10a und 27:1-6.12-13.
Zwischen die zweite und die dritte prophetische Liturgie seien dann bei oder nach der
Zusammenfügung zwei weitere Stücke eingeschoben worden, die die Liturgien verbinden
sollten, nämlich 26:1-6 und 26:7-21. Das Danklied 26:1-6 diene dazu, die ersten beiden
Liturgien aufeinander zu beziehen und durch die Gegenüberstellung der in ihnen erwähnten
Stadt Jerusalem zu einer grösseren Einheit zusammen zu fassen; das Gebet 26:7-21 hingegen
sollte als Brücke zwischen den beiden ersten prophetischen Liturgien mit ihrem
Verbindungsstück 26:1-6 und der dritten prophetischen Liturgie dienen,
242
wobei 26:1-6 bei
der Eingliederung umgestaltet und eschatologisch uminterpretiert worden sei.
243
Die drei
prophetischen Liturgien seien durchaus eschatologischer Art und passten in den Rahmen der
nachexilischen Prophetie. Er ist überzeugt, dass sie im 5. Jahrhundert v. Chr. entstanden
sind.
244
Den Moabspruch in 25:10b-11 hält er für einen Zusatz, der sich inhaltlich "durch
seine derben und drastischen Bilder" vom Rest unterscheide und durch 25:12 selbst sekundär
erweitert worden sei.
245
Das Stück 27:7-11 sei eine theologische Betrachtung, veranlasst
durch die kümmerlichen Verhältnisse in Palästina nach dem Exil. Der Verfasser begründe
darin das Ausbleiben der in 27:2-6 und 27:12-13 angekündigten letzten Heilstaten mit der
noch nicht gesühnten Schuld Israels.
246
Fohrer präzisiert nicht, ob er den ad hoc-Verfasser
dieser theologischen Betrachtung (logischerweise) als den letzten bzw. den Endredaktor oder
als Kompilatoren betrachtet. Nebenbei sei gesagt, dass er in seiner Analyse
247
24:13, ohne
dies zu begründen, nicht berücksichtigt. Gegen Hylmö's Hypothese einer prophetischen
Liturgie wurde ja immer wieder eingewendet, dass das dazu charakteristische
Wechselgespräch im Text schlicht und einfach nicht zu finden wäre. Es mag sein, dass Fohrer
die folgenden Worte speziell mit der Absicht schrieb, um demselben Vorwurf
zuvorzukommen:
So ist aus den ursprünglich selbständigen prophetischen Liturgien mit
ihrem Wechsel zwischen prophetischen Ankündigungen und Liedern
mittels
der
beiden
Verbindungsstücke
eine
verhältnismässig
geschlossene Komposition entstanden. Man kann sie mit Lindblom
insofern eine prophetische Kantate nennen, als ein kunstvoller Zyklus
von Dichtungen verschiedener Art hergestellt worden ist, den man als
Ganzes vortragen konnte, ohne dabei das für die kultische Liturgie
bezeichnende Wechselgespräch zu berücksichtigen.
248
239
Georg Fohrer, 'Der Aufbau der Apokalypse des Jesajabuchs (IS 24-27)', The Catholic Biblical Quarterly, 25:1
(Jan. 1963), 34.
240
Ibid., 38.
241
So könne man das Stück mit Lindblom nennen (ibid., 45).
242
Ibid., 43-44. Betreffs ihrer ursprünglichen Unabhängigkeit und Verschiedenheit vgl. S. 40.
243
Ibid., 37, 42. Das erinnert an Lindblom und v. a. an Plöger, vgl. oben.
244
Ibid., 43.
245
Ibid., 37.
246
Ibid., 45.
247
Ibid., vgl. S. 36, wo er den Inhalt von Kap. 24 analysiert und resümiert.
248
Ibid., 44-45.

33
Offensichtlich schwer tut sich Fohrer mit der Identifizierungsfrage der zerstörten Stadt. Er
vermutet, dass nicht immer die gleiche Stadt gemeint ist. In 24:10 denkt er (Plöger folgend)
an die städtische Lebensform der zeitgenössischen Menschheit überhaupt, in 25:2ff Babylon
oder die Hauptstadt der eschatologischen Weltmacht oder überhaupt die Hauptstädte der in
24:21-22 erwähnten (abgesetzt zu werdenden) Herrscher, während in 27:10 nur Jerusalem in
Frage komme. In 26:5-6 könne man es schon deshalb nicht (mehr) sagen, weil der Text eben
bei seiner Eingliederung in die Kapitel 24
27 umgestaltet worden sei.
249
An noch mehr Schichten als z. B. Duhm, Rudolph, Fohrer und Plöger denkt Kaiser (1973).
250
Er spricht von einem "Wachstum der Komposition" und sieht in den einzelnen Stücken
eschatologische und apokalyptische Dichtungen, deren Entstehung er zwischen der zweiten
Hälfte des 4. und dem ersten Drittel des 2. Jahrhunderts v. Chr. vermutet. Obschon er von
mindestens vier Schichten plus Glossen spricht, bilden für ihn die Kapitel einen in sich
geschlossenen eschatologischen Zyklus.
251
Zur ersten Schicht zählt er die Stücke 24:1-13 und
24:16b-20. Vermutlich seien diesem Verfasser (ein protoapokalyptischer Theologe) auch
26:1-18.20-21 zuzuschreiben. Die zweite Schicht könnte aus 24:14-16a
(ein
eschatologisches Danklied), 24:16a
(eine literarische Brücke zu 24:16bff) und 25:1-5 (auch
ein eschatologisches Danklied) bestanden haben. Eine dritte Schicht, welche "deutlich
fortgeschrittenere apokalyptische Spekulationen" durchscheinen lasse, enthalte die Stücke
24:21-23; 25:6-8 und das (ebenfalls) eschatologische Danklied 25:9-10a. Die Sätze 25:8a
(diese Worte betrachtet er als den Kontext störend) und 26:19, welche vom Glauben an die
Totenauferstehung sprächen, sollen eine vierte Schicht bilden. Das Kapitel 27 habe
vermutlich seine eigene Geschichte, wobei 27:1.12-13 eventuell als Ergänzungsschicht zu
24:21-23 und 25:6-8 angesehen werden könne. Was 27:2-11 und 25:10b-12 betrifft, so sagt
er, dass es sich damit verhalten möge wie es will. Mit anderen Worten, er kann damit nicht
viel anfangen.
252
Die Entstehungshypothese Kaisers erinnert v. a. an Duhm, Rudolph und
Plöger. Sie geht letztendlich auf eine Art Wachstumsprozess hinaus. Für 24:21-23 und 25:6-
10a vermutet er eine Redaktion im ersten Drittel des 2. Jahrhunderts v. Chr. Da er sich über
das Verhältnis zwischen Jes. 26:19 und Dan. 12:2a nicht sicher ist, gibt er für die
249
Ibid., 40-42. Er verweist auf Plöger und Kessler, die dies auch vermuten würden. Dazu ist allerdings zu
sagen, dass Kessler (Werner Kessler, Gott geht es um das Ganze: Jesaja 56 66 und Jesaja 24 27. Die
Botschaft des Alten Testaments, Band 19, 3. Aufl. [Stuttgart: Calwer Verlag, 1986]) mehr zum Historisieren
neigt als Plöger. Die hypothetische Deutung Fohrers auf mehrere Städte ist natürlich auch bedingt durch dessen
Annahme, es handle sich um verschiedene, ursprünglich unabhängige, Stücke.
250
Otto Kaiser, Der Prophet Jesaja: Kapitel 13-39. Das Alte Testament Deutsch, Neues Göttinger Bibelwerk,
Teilband 18, 3. durchgeseh. Aufl. (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, [
1
1973] 1983). Ein Resümee siehe S.
144-145.
251
Ibid., 1.
252
Ibid., 145. Vgl. S. 179ff. Er denkt an "eine ganze Reihe von Zusätzen" (ibid., 179), die textlich schlecht
überliefert seien. 27:7-9 hinterlasse "einen dunklen und holprigen Eindruck" (ibid., 181). Zu 27:10-11 sagt er (S.
183): "Ein Bearbeiter, der naiv die hinreichende Interpretation seiner Worte durch die Zeitgeschichte erwarten
konnte oder allzu versponnen seinen eigenen Gedanken nachging, hat es jedenfalls auch hier wie in den
vorausgehenden Versen versäumt, deutlich genug zu sagen, welche Stadt er im Auge hat. So sind die Exegeten
aufs Raten angewiesen." Eigentlich sollte gerade an dieser Stelle Kaiser einen Hinweis auf die Einheitlichkeit
aller vier Kapitel finden. Die Stadt ist eben überall anonym. Das wollte der Verfasser so und wenn alle Stücke
von ein und demselben Verfasser geschrieben wurden, dann ist das auch am besten verständlich. Wieso sollte
auch "ein Bearbeiter" in 27:10-11 und in den vorherigen Versen sagen, welche Stadt er im Auge hat, wenn er
doch eben gerade an keine bestimmte Stadt denkt, sondern
wie Kaiser es ja zu 24:10; 25:2 und 26:5-6 selbst
sagt
an das gottfeindliche Weltsystem überhaupt und die Stadt deshalb symbolisch zu deuten ist? Seine
Behandlung von 27:2ff erinnert an Plöger, den er dazu übrigens auch zitiert. Während Plöger (op. cit., 92-93)
aber dazu tendiert, die Stadt im Kapitel 27 auf Samaria zu deuten, zieht es Kaiser letztendlich doch vor, auch
hier, trotz allem, an die Weltstadt zu denken (vgl. S. 184).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2001
ISBN (eBook)
9783832487232
ISBN (Paperback)
9783838687230
Dateigröße
8 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Evangelische Theologische Faculteit, Leuven – Evangelische Theologie
Note
1,0
Schlagworte
jesajabuch auferstehung lichter weltgericht israel
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Titel: Restauratio und Resurrectio in der Jesaja-Apokalypse
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