Lade Inhalt...

"Love it or Loath it - you can't ignore it" - Die tagesaktuelle Boulevardpresse in Grossbritannien und Deutschland

Ein internationaler Vergleich am Beispiel der inhaltlichen Struktur und Ansprechhaltung von "The Sun" und "Bild"

©2004 Diplomarbeit 438 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Das globale und transkulturelle Agieren der Medien bestimmt zunehmend ihre Inhalte und Diskurse. In diesem Zusammenhang bietet die international vergleichende Journalismusforschung Möglichkeiten, nationale Charakteristiken hervorzuheben und neue Perspektiven zu ergründen. Die vorliegende Diplomstudie zum tagesaktuellen Boulevardjournalismus in Großbritannien und Deutschland greift diesen Forschungsbedarf auf. Einerseits erläutert sie dabei die theoretischen Grundlagen, andererseits vergleicht die Untersuchung durch die Verwendung diverser Methoden die systemimmanenten, historischen und rechtlichen Rahmenbedingungen der beiden Journalismussubsysteme sowie die inhaltlichen Charakteristiken der Boulevardzeitungen The Sun und Bild. Darüber hinaus fließen ethische, Praxisbezogene und perspektivische Überlegungen ebenso in die Untersuchung ein wie Meinungen von Medienschaffenden beider Länder, die aus Intensivinterviews resultieren.
Die folgende Diplomarbeit zeigt detailliert, dass trotz deutlicher Unterschiede in der Geschichte, in den Rahmenbedingungen sowie im Inhalt, die oftmals vorschnell konstatierten Unterschiede zwischen der deutschen und der britischen Boulevardpresse deutlich geringer ausfallen als angenommen. Durch den internationalen Vergleich werden Anspruch, Kritik und Realität zusammengeführt und neue Sichtweisen für internationale Entwicklungstendenzen und nationale Besonderheiten eröffnet.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die westlichen Alliierten am deutschen Journalismus insbesondere dessen fehlende Trennung von Meinungen und Fakten kritisiert. Die folgenden Kapitel untersuchen diese und weitere Unterschiede im modernen Kontext und in Bezug auf die Boulevardpresse. Die Literaturauswertung, die Intensivinterviews sowie der empirische Vergleich von The Sun und Bild zeigen dabei, dass der Anspruch, Fakten und Meinungen zu trennen, heute in beiden Journalismussystemen sehr hoch ist. Schwerer fällt jedoch oftmals - wie insbesondere die Ergebnisse der Inhaltsanalyse verdeutlichen – die praktische Umsetzung im Spannungsfeld von Unterhaltung, Sensation und faktischer Information.
Die fünf britischen Popular und Middle Market Tabloids The Sun, The Daily Mirror, The Daily Star sowie The Daily Mail und The Daily Express besitzen trotz Auflagenverlusten in jüngster Zeit eine große Bedeutung für die britische Medienlandschaft. In Deutschland existiert dagegen nur eine nationale, tagesaktuelle Boulevardpublikation: […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8614
Höke, Susanne: "Love it or Loath it - you can't ignore it" - Die tagesaktuelle
Boulevardpresse in Grossbritannien und Deutschland - Ein internationaler Vergleich am
Beispiel der inhaltlichen Struktur und Ansprechhaltung von "The Sun" und "Bild"
Hamburg: Diplomica GmbH, 2005
Zugl.: Universität Leipzig, Diplomarbeit, 2004
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von
Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der
Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,
bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung
dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen
der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich
vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in
diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können
Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden, und die Diplomarbeiten Agentur, die
Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine
Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2005
Printed in Germany




Danke!
Diese Arbeit ist meinem Vater Wilhelm Höke (1930 ­ 2003) gewidmet, mit dem ich so
manche Diskussion über den Journalismus und die Boulevardpresse geführt habe. Ich
wünschte, ich könnte dir meine Arbeit jetzt zeigen, Papa. Ein großes ,,Danke" gilt
meiner Mutter Johanna Höke für ihre Unterstützung während meines Studiums. Ich
danke aber auch meinem wissenschaftlichem Betreuer Herrn Prof. Dr. Marcel Machill
MPA (Harvard). Dankeschön und ,,Thank you very much for your support" an meine
Interviewpartner: Herrn Christoph Simon, Mr Chris Roycroft-Davis, Herrn Lutz
Tillmanns und Frau Ella Wassink, Herrn Dr. Uwe Zimmer, Mr Michael Kallenbach, Mr
Jim Mansell, Herrn Peter Michalski und Frau Claudia Lord sowie Mr Will Gore. ,,Thank
you so much" auch an Alexandra, Miriam, Anke, Marie, Sabine, Antje, Matthias, Anja,
Angie, Anna, Natacha, Friedrich & Karen Bohnenkamp sowie Ruth Gabriel. Ihnen und
Euch allen verdanke ich hilfreiche Unterstützung, anregende Gespräche und jede
Menge Ermunterung zur Umsetzung dieser Arbeit. Ich danke von Herzen!

Danke!
Diese Arbeit ist meinem Vater Wilhelm Höke (1930 ­ 2003) gewidmet, mit dem ich so
manche Diskussion über den Journalismus und die Boulevardpresse geführt habe. Ich
wünschte, ich könnte dir meine Arbeit jetzt zeigen, Papa. Ein großes ,,Danke" gilt
meiner Mutter Johanna Höke für ihre Unterstützung während meines Studiums. Ich
danke aber auch meinem wissenschaftlichem Betreuer Herrn Prof. Dr. Marcel Machill
MPA (Harvard). Dankeschön und ,,Thank you very much for your support" an meine
Interviewpartner: Herrn Christoph Simon, Mr Chris Roycroft-Davis, Herrn Lutz
Tillmanns und Frau Ella Wassink, Herrn Dr. Uwe Zimmer, Mr Michael Kallenbach, Mr
Jim Mansell, Herrn Peter Michalski und Frau Claudia Lord sowie Mr Will Gore. ,,Thank
you so much" auch an Alexandra, Miriam, Anke, Marie, Sabine, Antje, Matthias, Anja,
Angie, Anna, Natacha, Friedrich & Karen Bohnenkamp sowie Ruth Gabriel. Ihnen und
Euch allen verdanke ich hilfreiche Unterstützung, anregende Gespräche und jede
Menge Ermunterung zur Umsetzung dieser Arbeit. Ich danke von Herzen!

INHALTSVERZEICHNIS
Abstrakt
und
englischsprachiges
Abstract
Executive Summary
Glossar
Abkürzungsverzeichnis
Tabellen-
und
Abbildungsverzeichnis
Einleitung
a. Forschungsgegenstand
b. International vergleichende Journalismusforschung
c. Einordnung der Diplomarbeit
d. Forschungsmethode
I. Theoretischer Teil
TEIL 1: Strukturen, Spezifika und Trends im Boulevardjournalismus
1.1. Allgemeine Einordnungen und Definitionen
1.1.1.
Printmedien
und
ihre
Funktion
1.1.2. Definitionen Boulevardzeitung und Tabloid
1.1.3. Einordnung in den Kontext der Printmedien
1.2. Entwicklung und Funktion der Boulevardzeitung
1.2.1. Einordnung in den historischen Kontext
1.2.2. Allgemeine Ziele und Funktionen der Boulevardzeitung
1.2.2.1.
Emotionalisierung
1.2.2.2. Privatisierung und Personalisierung
1.2.3. Charakteristika von Boulevardzeitungen
1.2.3.1. Layout
1.2.3.2.
Sprache
und
Stil
1.2.3.3.
Rezipienten
1.2.3.4.
Verlage
und
Vertrieb
1.2.3.5.
Boulevardjournalisten
1.3. Inhaltliche und thematische Struktur von Boulevardzeitungen
1.3.1. Selektionskriterien und Aufbereitung allgemein
1.3.1.1.
Nachrichtenfaktoren
1.3.1.2.
Darstellungsformen
1.3.2. Themengewichtung und Aufbereitung von Themen
1.3.2.1.
Themenspektrum
1.3.2.2. Nationale
Spezifika im Themenspektrum
1.3.2.3. Thematische
Unterschiede zu Qualitätszeitungen
1.4. Bedeutung und Ansehen der Boulevardpresse
1.4.1. Bedeutung für die Konstruktion von Wirklichkeit
1.4.1.1. Bedeutung für die öffentliche Meinung
1.4.2. Journalistische Ethik und Boulevardpresse
1.4.3.
Kritik
an
der
Boulevardpresse
1.5. Ausblick
1.5.1. Zu den Begriffen Boulevardisierung bzw. Tabloidization
1.5.1.1. Bedeutungszuwachs von Boulevardthemen
1.5.1.2. Intermediale
Boulevardisierung
1.5.1.3.
Kritische
Betrachtung
1.5.2.
Medienkonzentration
1.5.2.1. Gefahren
der
Medienkonzentration
1.5.3.
Globalisierung
des
Medienmarktes
1.5.3.1. Europäische Perspektiven
I
II
1
3
4
7
10
12
13
14
17
19
20
21
21
23
23
26
29
29
30
32
34
35
38
39
40
42
43
44
47
48
50
50
51
53
57
61
62
65
67
68
71
72
74
75

Inhaltsverzeichnis
Diplomarbeit: Susanne Höke
_________________________________________________________________________________________
II. Deskriptiver und komparativer Teil
TEIL 2: Der Boulevard-Zeitungsmarkt in Großbritannien und Deutschland
2.1. Struktur der Presse in Großbritannien und Deutschland allgemein
2.1.1. Struktur der Tageszeitungslandschaften
2.1.1.1. Newspapers in Großbritannien
2.1.1.2. Tageszeitungen in Deutschland
2.1.1.3. Vergleich des britischen und deutschen Zeitungsmarktes
2.2.
Rechtliche
Rahmenbedingungen
2.2.1. Allgemeine Rechtsgrundlagen
2.2.1.1. Presse- und Meinungsfreiheit in Großbritannien
2.2.1.2. Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland
2.2.2. Selbstkontrollorgane der Presse
2.2.2.1. Press Complaints Commission
2.2.2.1.1. Kritik an der PCC
2.2.2.2. Deutscher Presserat
2.2.2.2.1. Kritik am Presserat
2.2.2.3. Vergleich der Beschwerdestatistiken
2.2.3. Vergleich rechtliche Rahmenbedingungen und Presse-Selbstkontrolle
2.3. Struktur der beiden Boulevardzeitungsmärkte
2.3.1.
Historische
Entwicklung
2.3.1.1. Geschichte der Tabloids in Großbritannien
2.3.1.2. Geschichte der Boulevardpresse in Deutschland
2.3.1.3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Entwicklung
2.3.2. Struktur der Boulevardzeitungsmärkte
2.3.2.1. Tabloidmarkt in Großbritannien
2.3.2.2. Boulevardzeitungsmarkt in Deutschland
2.3.2.3. Vergleich der beiden Boulevardzeitungsmärkte
2.3.3.
Leserschaft
2.3.3.1. Leser britischer
Tabloids
2.3.3.2. Leser deutscher
Boulevardzeitungen
2.3.3.3. Vergleich der Leserstrukturen
2.3.4.
Akteure
auf
dem
Boulevard
2.3.4.1.
Tabloid-Journalisten
2.3.4.2. Boulevardjournalisten
2.3.4.3. Vergleich Großbritannien und Deutschland
2.3.5. Ansehen und Bedeutung der Boulevardpresse
2.3.5.1. Ansehen in Großbritannien
2.3.5.2. Ansehen in Deutschland
2.3.5.3. Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Ansehen
2.3.6. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen und Entwicklungstendenzen
2.3.6.1. Großbritannien
2.3.6.2. Deutschland
2.4. Das britische Tabloid The Sun
2.4.1. Geschichte
2.4.2.
Heutige
Struktur
2.4.2.1. Redaktionelle Struktur
2.4.2.2. Leser
2.4.2.3. News Corporation Ltd. und News International Inc.
2.4.3. Stellenwert und Ansehen
2.5. Die deutsche Boulevardzeitung Bild
2.5.1. Geschichte
2.5.2.
Heutige
Struktur
2.5.2.1. Redaktionelle Struktur
2.5.2.2. Leser
2.5.2.3. Axel Springer Verlag
2.5.3.
Stellenwert
und
Ansehen
78
78
81
83
85
85
86
88
91
92
93
95
96
97
100
103
103
104
107
109
111
111
115
117
118
118
121
121
122
122
123
124
126
126
129
130
131
132
135
137
137
138
139
139
141
143
144
144
145
146
147
148
150

Inhaltsverzeichnis
Diplomarbeit: Susanne Höke
_________________________________________________________________________________________
III. Analytischer Teil
TEIL 3: Empirische Untersuchung der inhaltlichen Struktur und
Ansprechhaltung von The Sun und Bild
3.1. Methoden
3.1.1.
Methode
Inhaltsanalyse
3.1.1.1. Methodendiskussion
und Kritik Inhaltsanalyse
3.1.1.2. Vorgehensweise und Untersuchungsmaterial
3.1.1.3.
Hypothesen
3.1.1.4. Reliabilität und Validität der Inhaltsanalyse
3.1.2.
Leitfadeninterviews
3.1.2.1.
Kritik
und
Vorgehensweise
3.1.2.2. Durchführung der Leitfadeninterviews
3.2.
Auswertung
der
Ergebnisse
3.2.1.
Inhaltsanalyse
3.2.1.1. Datenlage und äußere Einflüsse
3.2.1.1.1. Allgemeine Angaben zur Berichterstattung der Sun
3.2.1.1.2. Allgemeine Angaben zur Berichterstattung der Bild
3.2.1.2. Quantitativer Teil: Überprüfung der Hypothesen
3.2.1.2.1.Dimension
Struktur
3.2.1.2.2.Dimension
Darstellungsformen
3.2.1.2.3.Dimension
Themenspektrum
3.2.1.2.4.Dimension
Quellen
3.2.1.3. Qualitativer Teil: Überprüfung der Hypothesen
3.2.1.3.1.
Dimension
Ansprechhaltung
3.2.1.3.2.
Ansprechhaltung
gesamt
3.2.1.3.3. Ansprechhaltung in den Überschriften
3.2.1.3.4. Gestaltung der Beiträge
3.2.1.3.5.
Exklusivität
3.2.1.3.6. Direkter Artikelvergleich
3.2.2.
Leitfadeninterviews
3.2.2.1. Auswertung und Vergleich der Interviews gesamt
3.2.2.2.
Medienproduktebene
3.2.2.3. Rezipientenebene
und Leseransprechhaltung
3.2.2.4. Akteursebene
3.2.2.5. Medienperspektivebene
IV. Synoptischer und resümierender Teil
TEIL 4: Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
4.1. Europe meets Tabloid?
4.1.1. Das Herz des Boulevards: Funktionskontext
4.1.2. Ethische und gesellschaftliche Standards: Normen und Rollen
4.2. Kritische Betrachtung und Ausblick
V. Literaturverzeichnis
VI. Anhang A (zweiter Band)
154
154
154
156
157
159
159
160
161
162
162
162
162
165
167
167
173
176
187
190
190
191
213
216
218
221
223
223
223
228
231
234
237
238
243
247
250
a.)
Interview-Protokolle
und
Autorisierungen
b.)
Codebuch
der
Inhaltsanalyse
c.) Inhaltsanalytische Tabellen
und
Abbildungen
d.) Beispiele für Berichte in The Sun und Bild
e.) Pressecodices
Code of Practice der PCC
Pressecodex des Deutschen Presserats
f.)
SPSS-Rohdaten
der
Inhaltsanalyse
A 2 - 81
A 82 - 107
A 108 - 134
A 135 - 154
A 155 - 159
A 155 - 157
A 158 - 159
CD-ROM

Abstrakt Diplomarbeit: Susanne Höke
______________________________________________________________________________________
I
Abstrakt
Boulevardzeitungen sind kritisiert und meistzitiert. Sie bieten Gesprächsstoff für den
Tag, polarisieren und sensationalisieren. Diese Diplomstudie analysiert die
tagesaktuelle Boulevardpresse im britisch-deutschen Vergleich. Auf theoretischer,
direkt vergleichender und empirisch-praktischer Ebene wird dabei sowohl auf die
Charakteristiken nationaler Rahmenbedingungen als auch auf spezielle Leser- und
Journalistenbilder eingegangen. Die vorliegende Arbeit reiht sich damit ein in die
internationale Journalismusforschung. Sie greift aber auch Diskussionen um zukünftige
Tendenzen wie die der Boulevardisierung und Internationalisierung auf. Erst durch den
Ländervergleich ergeben sich hier neue Blickwinkel auf nationale Spezifika der
Boulevardberichterstattung dies- und jenseits des Ärmelkanals. Die auflagenstärkste
deutsche Tageszeitung Bild sowie die größte britische Tageszeitung The Sun stehen im
Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Ein inhaltsanalytischer Vergleich ihrer
thematischen, strukturellen und journalistischen Besonderheiten zeigt dabei, dass
beispielsweise die Politikberichterstattung in der deutschen Boulevardberichterstattung
einen größeren Stellenwert besitzt, während die britische Publikation tendenziell
ironischer, argumentierender und persönlicher berichtet. Hinweise über das Ansehen
der Straßenverkaufszeitungen liefert darüber hinaus ein Ländervergleich der
Presseselbstkontrolle sowie der rechtlichen Rahmenbedingungen.
Abstract
Tabloids are among the most criticised, but also most widely embraced news mediums
in Europe. Their columns provide the basis for a wealth of commentary every day;
despite, or because of, assertions that their stories are sensational, and lacking in
substance. This journalistic study analyzes and compares the daily tabloids in Great
Britain and Germany on a theoretical, practical and empirical basis. The interest is
focused on special practices in, and mechanics of reporting features and national
conditions but also on special audience and journalistic images. The following thesis is
an attempt to contribute to the field of International Journalism Studies by making a
close analysis of tabloid journalism in the United Kingdom and in Germany. It also
considers perspectives and trends such as the tabloidization and internationalization of
contemporary news coverage. A bi-cultural comparison allows for new perspectives in
locating national identities, and for future developments in mapping this realm of
culture. The German newspaper with the highest circulation is the Bild. The largest
newspaper in Great Britain is The Sun. These two publications will serve as the focus
of this study. A content analysis of their topics, structures, journalistic characteristics
and special techniques in addressing and retaining their audiences shows, for
example, that the German newspaper reports more on political-interest stories, while
the British tabloid reads with a more ironic, contentious and personal tone.
Furthermore, a comparison of press self-regulation and legal conditions gives more
information about the role and status of the popular papers in the United Kingdom and
Germany.

Executive Summary Diplomarbeit: Susanne Höke
______________________________________________________________________________________
II
Executive Summary
Das globale und transkulturelle Agieren der Medien bestimmt zunehmend ihre Inhalte
und Diskurse. In diesem Zusammenhang bietet die international vergleichende
Journalismusforschung Möglichkeiten, nationale Charakteristiken hervorzuheben und
neue Perspektiven zu ergründen. Die vorliegende Diplomstudie zum tagesaktuellen
Boulevardjournalismus in Großbritannien und Deutschland greift diesen Forschungsbe-
darf auf. Einerseits erläutert sie dabei die theoretischen Grundlagen, andererseits ver-
gleicht die Untersuchung durch die Verwendung diverser Methoden die systemimma-
nenten, historischen und rechtlichen Rahmenbedingungen der beiden Journalismus-
subsysteme sowie die inhaltlichen Charakteristiken der Boulevardzeitungen The Sun
und Bild. Darüber hinaus fließen ethische, Praxisbezogene und perspektivische Überle-
gungen ebenso in die Untersuchung ein wie Meinungen von Medienschaffenden beider
Länder, die aus Intensivinterviews resultieren.
Die folgende Diplomarbeit zeigt detailliert, dass trotz deutlicher Unterschiede in der
Geschichte, in den Rahmenbedingungen sowie im Inhalt, die oftmals vorschnell kon-
statierten Unterschiede zwischen der deutschen und der britischen Boulevardpresse
deutlich geringer ausfallen als angenommen. Durch den internationalen Vergleich wer-
den Anspruch, Kritik und Realität zusammengeführt und neue Sichtweisen für interna-
tionale Entwicklungstendenzen und nationale Besonderheiten eröffnet.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die westlichen Alliierten am deutschen Journalis-
mus insbesondere dessen fehlende Trennung von Meinungen und Fakten kritisiert. Die
folgenden Kapitel untersuchen diese und weitere Unterschiede im modernen Kontext
und in Bezug auf die Boulevardpresse. Die Literaturauswertung, die Intensivinterviews
sowie der empirische Vergleich von The Sun und Bild zeigen dabei, dass der Anspruch,
Fakten und Meinungen zu trennen, heute in beiden Journalismussystemen sehr hoch
ist. Schwerer fällt jedoch oftmals - wie insbesondere die Ergebnisse der Inhaltsanalyse
verdeutlichen ­ die praktische Umsetzung im Spannungsfeld von Unterhaltung, Sensa-
tion und faktischer Information.
Die fünf britischen Popular und Middle Market Tabloids The Sun, The Daily Mirror, The
Daily Star sowie The Daily Mail und The Daily Express besitzen trotz Auflagenverlusten
in jüngster Zeit eine große Bedeutung für die britische Medienlandschaft. In Deutsch-
land existiert dagegen nur eine nationale, tagesaktuelle Boulevardpublikation: die
Bild-Zeitung. Auch sie zählt hier zu den dominierenden Medien des Landes und muss
sich, wie die britischen Populärzeitungen, sinkenden Auflagenzahlen stellen. Unter-
schiede in der Titelanzahl und Marktstruktur sind erste Anzeichen für anders geartete
Entwicklungen und Gestaltungen der gesamten britischen und deutschen Presseland-
schaft. Während in Deutschland die regionale Abonnementzeitung einen großen Stel-
lenwert besitzt, erscheinen alle bedeutenden britischen Zeitungen national und im
Straßenverkauf. Bedingt durch diesen Unterschied ist der Konkurrenzkampf der briti-
schen Tabloids deutlich ausgeprägter und schärfer. Die deutsche Bild besitzt hingegen
eine Sonderstellung, sowohl was ihre Auflagenstärke als auch was ihre große Bedeu-
tung in der deutschen Öffentlichkeit angeht.
Historisch betrachtet begann die Tradition einer Massenpresse in Großbritannien deut-
lich früher als in Deutschland, ebenso wie das Streben nach Pressefreiheit. Auch die
rechtlichen Rahmenbedingungen gestalten sich im britisch-deutschen Vergleich unter-
schiedlich. Die vorliegende Diplomarbeit stellt diese Unterschiede und Gemeinsamkei-
ten dar und wertet sie aus.

Executive Summary Diplomarbeit: Susanne Höke
______________________________________________________________________________________
III
Die offensichtlichste Parallele zwischen britischer und deutscher Boulevardpresse ist
dabei die besondere Fokussierung auf die Interessen des Lesers und damit auf die
Gegebenheiten des Marktes. Die ökonomische Ausrichtung bestimmt Inhalt, An-
sprechhaltung und Gestaltung sowohl der Tabloids als auch der Boulevardzeitungen.
Ferner ist die Beurteilung der Boulevardberichterstattung in beiden hier untersuchten
Ländern ambivalent. Trotz großer Reichweiten werden insbesondere ihre sensationali-
stische Realitätsdarstellung und die einseitige Ausrichtung auf die angenommenen
Interessen und Einstellungen der Leserschaft sowohl in Großbritannien als auch in
Deutschland des Öfteren kritisch hinterfragt.
Berichterstattung und journalistische Arbeitsweisen sind dabei beeinflusst von den
speziellen gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen des jeweiligen Lan-
des. So gibt es in Deutschland deutlich mehr Gesetze, die die Presse und damit das
Agieren der Journalisten unter einen besonderen Schutz stellen, während sich journa-
listische Recherchen im Vereinigten Königreich deutlich ungesicherter und dadurch
schwieriger gestalten. Die genannten Unterschiede tragen dazu bei, dass der britische
Journalist in einem anderen rechtlichen Umfeld agiert als der deutsche Kollege. Diese
Differenz ist ein Faktor, der zu einer stärkeren Ausprägung der investigativen Recher-
che im britischen Journalismus führte, die wiederum auch negative Konnotationen wie
die einer scharfen und manchmal unethischen Informationsbeschaffung mit sich
bringt.
Ein weiterer Abschnitt dieser Diplomstudie beschäftigt sich mit den Presseselbstkon-
trollorganen in Großbritannien und Deutschland, da diese die einzigen, nationalen
Gremien darstellen, die ethische Handlungsmaxime für die journalistische Berichter-
stattung und Recherche auf Selbstregulierender Ebene festlegen. Durch einen Ver-
gleich der Beschwerdestatistiken von Press Complaints Commission (PCC) und Deut-
schem Presserat zeigt diese Studie, dass das britische Gremium insgesamt mehr als
fünfmal so viele Leserbeschwerden erreichen wie das deutsche. Im Verlauf der ver-
gangenen 18 Jahre
wuchs die Zahl der Beschwerden beim britischen Selbstkontrollorgan auf
das Dreifache.
Beim Deutschen Presserat stieg die Zahl der Beschwerden sogar auf das
Sechsfache ­ eine Entwicklung, die vor allem im Zusammenhang mit der Diskussion
um ein Absinken journalistischer Standards kritisch hinterfragt werden wird. Sowohl
die PCC als auch der Presserat erhalten in erster Linie Beschwerden, die die journali-
stische Sorgfaltspflicht, die Persönlichkeitsrechte und die Privatsphäre betreffen. Diese
Bereiche werden in dieser Arbeit in der Verknüpfung mit der Boulevardberichterstat-
tung speziell betrachtet und gegenübergestellt.
Die Inhaltsanalyse dieser Diplomarbeit vergleicht darüber hinaus erstmals Tendenzen
der Berichterstattung von Sun und Bild auf einer empirisch gestützten, wissenschaftli-
chen Basis. Die Analyse, im Zusammenhang mit einer detaillierten Literaturauswer-
tung und den persönlichen Meinungen der Intensivinterviewpartner, gelangt zu dem
Ergebnis, dass tagesaktuelle Massenblätter in Großbritannien und Deutschland auf
sehr ähnliche Berichterstattungsmuster und Tendenzen wie Personalisierungen, Emo-
tionalisierungen und Sensationalisierungen zurückgreifen, um möglichst viele Leser zu
gewinnen. Sowohl die auflagenstärkste deutsche Tageszeitung Bild als auch die größte
britische Tageszeitung The Sun berichten im Untersuchungszeitraum der Inhaltsanaly-
se über einen ähnlichen Themenmix aus Human-Interest, Prominentenklatsch, Sex,
Sport, Politik und Ratgeber. Es muss aber an dieser Stelle auf die stärkere Politikfo-
kussierung des deutschen Blattes hingewiesen werden, die diese Diplomarbeit als prä-
gnantesten Unterschied im internationalen Themenvergleich ermittelt hat.

Executive Summary Diplomarbeit: Susanne Höke
______________________________________________________________________________________
IV
Der größere Konkurrenzkampf der britischen Tabloids beeinflusst nicht nur die Arbeit
der Journalisten, sondern auch das Erscheinungsbild und die Berichterstattung der
Zeitungen. Besonders sensationelle Geschichten sind hier noch wichtiger für die Stra-
ßenverkaufspresse als in Deutschland, wo die Bild eine nationale Monopolstellung in
der Boulevardpresse einnimmt. Oftmals wird die britische Presse allgemein mit ihrem
Wortwitz, ihrer Scharfzüngigkeit, ihrer strikten Trennung von Nachricht und Meinung,
aber auch mit einer gewissen Skrupellosigkeit assoziiert (Esser 1998: 19). Die vorlie-
gende Studie greift diese Beurteilungen im internationalen Vergleich auf und gelangt
dabei auf inhaltsanalytischer Ebene zu dem erstmals empirisch belegten Ergebnis,
dass die Sun tendenziell leserbezogener, aber auch ironischer, etwas sarkastischer,
argumentierender und marginal erzählend-unterhaltender berichtet als die Bild. Diese
informiert dagegen deutlich neutraler. In der deutschen Straßenverkaufszeitung findet
sich neben der bereits erwähnten, deutlich ausgeprägteren Politikberichterstattung
auch ein größerer Anteil von Berichten über Prominente. Für beide Zeitungen kann
aber gleichermaßen konstatiert werden, dass in der politischen Berichterstattung
Skandale und Personalisierungen eine besondere Rolle spielen. In der Sun wurden im
Analysezeitraum dieser Studie mehr sexuelle Ratgeber publiziert sowie ein größerer,
redaktioneller Anteil über Themen zum Komplex Gesellschaft, persönliche Schicksale
und Kriminalität.
Diese Diplomarbeit stellt empirisch dar, dass die britische Sun im Vergleich zur deut-
schen Bild tendenziell wertender und mit einem größeren Fokus auf unterhaltende,
ironische und leserbezogene Elemente berichtet. Diese und weitere Ergebnisse der
Inhaltsanalyse werden in einen theoretischen und übergeordneten, komparativen Zu-
sammenhang gestellt, um internationale Diskussionsansätze und Perspektiven des
Journalismus zu hinterfragen. Die direkte, persönliche und emotionalisierende Leser-
ansprache besitzt sowohl in der britischen als auch in der deutschen Boulevardbericht-
erstattung einen besonderen Stellenwert. Sie steht darüber hinaus in einem engen
Zusammenhang zu derzeitigen Diskussionen um eine vermehrte Boulevardisierung
und Internationalisierung der Medien, die seit geraumer Zeit die Kommunikationsdis-
kussion weltweit bestimmt.
Moderne Mediengeflechte können dabei nicht länger lediglich als gut, bzw. objektiv
sowie schlecht, bzw. subjektiv eingestuft werden. Stattdessen ist eine Einschätzung,
aufbauend auf Problemlösenden und Informationssteigernden Ansätzen, sinnvoller.
Eine pauschale Verurteilung von Boulevardzeitungen als minderwertig und unethisch
und ein Lob der Qualitätszeitung als hochwertig und verantwortungsvoll, ist aufgrund
der Überlegungen dieser Arbeit überholt und oberflächlich (Faulstich 1998: 85). Die
folgende Diplomarbeit stellt stattdessen boulevardeske Ideen, Konzepte und auch Dis-
kurse im Ländervergleich dar, geht auf nationale Rahmenbedingungen ein und bietet
so neue Diskussionsansätze.

Glossar Diplomarbeit: Susanne Höke
______________________________________________________________________________________
1
Glossar
Im Folgenden soll einführend auf einige strukturelle und layouttechnische
Besonderheiten dieser Diplomarbeit eingegangen werden, um den wissenschaftlichen
Rahmen festzulegen und den Lesefluss zu unterstützen.
Literaturverweise und direkte Zitate werden mit der knappen amerikanischen
Zitierweise ­ Name, Erscheinungsjahr, Seitenzahl ­ im Fließtext belegt. Genaue
Angaben zur zitierten Publikation finden sich im Literaturverzeichnis, weiterführende
Erläuterungen und Zusätze zum Fließtext in den Fußnoten. Zitate aus Interviews
werden im eingeklammerten Quellenverweis mit Namen, Datum und Seitenzahl im
Anhang ausgewiesen (Bsp.: Interview Zimmer, 5.3.2004, A50). Das ,,A" vor der
Seitenzahl gibt an, dass sich diese Quelle im Anhang befindet. Ein ,,A" vor einer
Abbildung zeigt an, dass sich diese Abbildung im Anhang befindet. Die Liste der
befragten Experten befindet sich im Literaturverzeichnis unter ,,e.) Interviews". Auf
das Nennen akademischer Titel (Bsp. Dr. Uwe Zimmer) wird aus Gründen der
einheitlichen Darstellung und Gleichbehandlung verzichtet, da nicht bei jedem
Zitierten der akademische Grad nachzuvollziehen war. Berufsbezeichnungen wie
Journalist etc. werden in der maskulinen Form verwendet, auf die Kennzeichnung
Journalist/in wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichtet. Einzelne
Artikelbeispiele aus den analysierten Publikationen Bild und Sun finden sich nicht im
Literaturverzeichnis, da dies den Rahmen der Arbeit übersteigen würde. Wird auf
einen besonderen Artikel, eine besondere Aktion der jeweiligen Boulevardzeitung
hingewiesen, so erscheinen Publikationsdatum und Seite (soweit vonnöten) im
Fließtext.
Homepages und Quellen aus dem Internet bekommen einen Index; die vollständige
Angabe der zitierten Homepage findet sich im Literaturverzeichnis. Das angegebene
Datum bezieht sich auf den Tag, an dem die Homepage für die vorliegende Arbeit
abgerufen wurde (Bsp.: Homepage Columbia Journalism Review, 17.11.2003). Steht
die zitierte Homepage im direkten Zusammenhang zu einem Ereignis und ist schon
seit geraumer Zeit online, wird das erstmalige Online-Datum genannt. Das
Abrufdatum findet sich in diesen Fällen im Literaturverzeichnis (Bsp.: Interview mit
Wolfgang Donsbach
auf RP-Online 2, 24.6.2002). In den zahlreichen
Recherchegesprächen mit britischen und deutschen Redaktionen, Verlagen und
Organisationen wurde die Autorin dieser Arbeit zur weiteren Information und
Recherche sehr häufig auf Internetquellen verwiesen, da die meisten Unternehmen
ihre Daten, Auflagenzahlen, Chroniken und / oder Studien heute nicht mehr in
Broschüren o.ä. veröffentlichen, sondern auf ihren Homepages. Kurze Zitate werden
kursiv im Fließtext wiedergegeben, längere Zitate werden leicht vom Fließtext
abgesetzt.
Wird ein Autor, bzw. ein Werk zitiert, das in der alten Rechtschreibung erschienen ist,
bleibt diese Schreibweise erhalten. Für den Text der Diplomarbeit gelten jedoch die
Regeln der neuen Rechtschreibung (Duden 2000: 22. Auflage). Englische
eigenständige Begriffe wie ,,Tabloid" oder ,,Broadsheet" werden im Laufe der Arbeit
groß geschrieben, da auch ,,Boulevard- und Qualitätszeitung" groß geschrieben
werden. Des Weiteren werden die Begriffe ,,Boulevardzeitung" und ,,Tabloid" an
manchen Stellen synonym verwendet, sofern es sich um das eigentliche Produkt sowie
dessen Inhalt und nicht um das Format handelt, da Tabloids in ihrem Ursprung das
halbe Broadsheet-Format der britischen Boulevardzeitungen bezeichnen.

Glossar Diplomarbeit: Susanne Höke
______________________________________________________________________________________
2
Zeitungsnamen wie The Sun und Bild wie auch Sun und einfach Bild, bzw. Bild-Zeitung
ohne Artikel, werden in dieser Studie als Synonyme, jedoch abwechselnd verwendet,
um die Lektüre abwechslungsreicher zu gestalten. Des Weiteren sind alle
Mediennamen kursiv gesetzt. Eine Ausnahme bilden Zeitungstitel, die in einem kursiv
geschriebenen Absatz stehen: In diesem Fall werden die Zeitungstitel in einfache
Anführungsstriche gesetzt. Auch in Quellenangaben werden Publikationsnamen nicht
kursiv geschrieben (Bsp.: Röper, In: Der Spiegel 7 / 2004: 170). Zeitungstitel wie
Daily Mail oder Daily Express werden auch als Mail oder Express bezeichnet, wenn aus
dem Zusammenhang heraus deutlich wird, um welche Zeitung es sich handelt.
Unternehmen und Verlagshäuser wie die Axel Springer AG sowie Organisationen wie
die Press Complaints Commission oder der Deutsche Presserat werden nicht kursiv
geschrieben.
Kolumen-Namen oder Büchernamen stehen in Anführungszeichen ebenso wie
englische Begriffe (Bsp.: ,,yellow journalism") und Gesetze (Bsp.: ,,Freedom of
Information Act"). Zitate in Zitaten werden mit einfachen Anführungsstrichen
versehen. Der besseren Lesbarkeit geschuldet hält sich die Autorin dieser Arbeit an
den journalistischen Grundsatz, Zahlen bis Zwölf auszuschreiben. Eine Ausnahme
bilden Uhrzeiten, Währungsangaben oder Zahlen in Tabellen. Im Fließtext wird
darüber hinaus die Schreibweise ,,Prozent" verwendet, in Grafiken und Tabellen
dagegen ,,%".
Die Begriffe ,,englisch" und ,,britisch" werden synonym verwendet, da dies auch im
deutschen und englischen Sprachgebrauch der Fall ist. Dies trifft jedoch nicht auf die
Länderbezeichnungen England und Großbritannien zu, da Großbritannien die
historischen Länder England, Schottland und Wales bezeichnet. Das Vereinigte
Königreich oder United Kingdom benennt England, Schottland, Wales sowie die
Republik Nord-Irland. Die Bezeichnung ,,angelsächsisch" verbindet Strukturen, Historie
und Phänomene des amerikanischen und britischen Kultur- und Sprachraums (Esser
1998: 20).
Hingewiesen werden soll in diesem Glossar auch auf die ambivalente Nutzung des
Begriffes Qualitätszeitung, da auch Boulevardzeitungsmacher ihr Produkt als qualitativ
hochwertiges Produkt ansehen, und es daher nicht wünschen, dass eine begriffliche
Unterscheidung zwischen Qualitäts- und Boulevardzeitungen vorgenommen wird
(Interview Christoph Simon, 4.3.2004, A13).
Da die Unterscheidung zwischen
Boulevardzeitungen und ,,seriösen" Publikationen wie der FAZ oder der Süddeutschen
Zeitung in der vorliegenden Arbeit aber dringend erforderlich ist, soll an dieser Stelle
einmalig festgehalten werden, dass sich die Autorin der nicht unbedingt trennscharfen
Begriffsdefinition Qualitäts- und Boulevardzeitung durchaus bewusst ist, diese Begriffe
zur typologischen Unterscheidung aber dennoch verwendet, da diese Begriffe in allen
einschlägigen Medienpublikationen verwendet werden.

3
Abkürzungsverzeichnis
ABC: Audit Bureau of Circulation
ag.ma: Arbeitsgemeinschaft Mediaanalyse
ASV: Axel Springer Verlag
AWA: Allensbacher Markt- und Werbeträger Analyse
BDZV: Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V.
bspw.: beispielsweise
BU: Bildunterschrift
bzw.: beziehungsweise
CvD: Chef vom Dienstag
d.h.: das heißt
dpa: Deutsche Presse Agentur
DPR: Deutscher Presserat
e.a.: et alii
etc.: et cetera
f.: folgende (bei Zitaten, bzw. Seitenangaben)
ff.: fortfolgende (bei Zitaten, bzw. aufeinander folgenden Seitenangaben)
FAZ: Frankfurter Allgemeine Zeitung
FoI: Freedom of Information Act
GG: Grundgesetz
Hg.: Herausgeber
IVW: Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern
LpA: Leser pro Ausgabe
LPG: Landespressegesetze
MA: Media Analyse
Mopo: Morgenpost (Dresdner Mopo und Hamburger Mopo)
MORI: Market and Opinion Research International
NUJ: National Union of Journalists
NRS: National Readership Survey
o.ä.: oder ähnliches
PCC: Press Complaints Commission
s.o. / s.u.: siehe oben / siehe unten
SZ: Süddeutsche Zeitung
u.a.: unter anderem; u.ä.: und ähnliches; usw.: und so weiter
v.a.: vor allem
vgl.: vergleiche
z.B.: zum Beispiel

4
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
(Artikel und Beiträge aus der Sun und der Bild stehen in Anführungsstrichen.)
Abbildung 1: Kontextmodell des Boulevardjournalismus (nach Dulinski 2003) 16
Abbildung 2: ,,Küblböck-Unfall"
28
Abbildung 3: Reichweitenanteil deutscher Tageszeitungen 2003
82
Abbildung 4: Beschwerden bei PCC und Presserat (1986 ­ 2003)
98
Abbildung 5: Marktanteil britischer Tabloids 2003
112
Abbildung 6: Auflagenentwicklung Tabloids Großbritannien 2002 / 2003
113
Abbildung 7: Reichweiten deutscher Boulevardzeitungen 2003
116
Abbildung 8: Leser britischer Tabloids 2003
119
Abbildung 9: Entwicklungstendenzen der britischen Tabloidleserschaft
120
Abbildung 10: Ansehen und Beurteilungen britischer Tageszeitungen
128
Abbildung 11: Verkaufte Auflage Bild-Zeitung 2002 / 2003 (gesamt)
145
Abbildung 12: Anzeigenbeispiel Bild
169
Abbildung 13: Anzeigenbeispiel Sun
170
Abbildung 14: Anzeigenbeispiel ,,in eigener Sache Bild"
170
Abbildung 15: Größenverhältnisse Illustrationen
171
Abbildung 16: Anteil der Überschriften am Gesamtbeitrag
172
Abbildung 17: Darstellungsformen in Sun und Bild (gesamt)
173
Abbildung 18: Nachrichtlich-Berichtende Darstellungsformen
175
Abbildung 19: Themenfelder The Sun und Bild
177
Abbildung 20: Flächenanteil Themenfelder The Sun
178
Abbildung 21: Flächenanteil Themenfelder Bild
178
Abbildung 22: Ansprechhaltung der Beiträge in Sun und Bild gesamt
191
Abbildung 23: ,,Meldung Bush"
193
Abbildung 24: Zwei Beispiele für belehrende Kommentare der Sun
193
Abbildung 25: ,,Tanzender Außenminister"
196
Abbildung 26: ,,Explodierende Kloschüssel"
196
Abbildung 27: ,,School Hypocrite"
198
Abbildung 28: ,,Sun-Kommentar: Immigration"
199
Abbildung 29: ,,Hundegeschichte"
200
Abbildung 30: ,,Bild-Kommentar: Kanzlerauto"
202
Abbildung 31: Ansprechhaltung der nachrichtlich-berichtenden Beiträge
204
Abbildung 32: Optimistische vs. Pessimistische Berichterstattung
207
Abbildung 33: Faktische vs. Spekulative Berichterstattung
208
Abbildung 34: ,,Perugia-Präsident"
208
Abbildung 35: Objektive vs. Subjektive Berichterstattung
209
Abbildung 36: ,,In und Out"
210
Abbildung 37: Rationale vs. Emotionale Berichterstattung
210
Abbildung 38: Skandalöse vs. Neutrale Berichterstattung
211
Abbildung 39: ,,Boop GP"
212
Abbildung 40: Überschriften The Sun
215
Abbildung 41: Überschriften Bild
215
Abbildung 42: ,,The Fat Gat(so)"
216
Abbildung 43: Illustrationsarten in der Bild
216
Abbildung 44: Illustrationsarten in der Sun
217
Abbildung 45: ,,Rockender Tony"
218

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis Diplomarbeit: Susanne Höke
____________________________________________________________________________
5
Abbildung 46: ,,Sabotageplan Sun"
221
Abbildung 47: ,,Sabotageplan Bild"
221
Abbildung 48: ,,Kannibalenstamm in der Bild"
222
Abbildung 49: ,,Kannibalenstamm in der Sun"
222
Abbildung 50: ,,Pöbel-Alarm"
227
Tabelle 1: Reichweiten britischer Tageszeitungen 2003
80
Tabelle 2: Auflage The Sun 2003
138
Tabelle 3: Sun-Leser 2003
140
Tabelle 4: Anzahl der Beiträge in The Sun und Bild im Untersuchungszeitraum 168
Tabelle 5: Verhältnis Anzeigen und redaktioneller Teil
168
Tabelle 6: Darstellungsformen im jeweiligen Zeitungstitel
174
Tabelle 7: Themen im Untersuchungszeitraum (gesamt)
180 - 181
Tabelle 8: Beitragsquellen
188
Tabelle 9: Beispiele für Überschriften in Sun und Bild
214
Tabelle 10: Exklusivbeiträge
219
Abbildungen und Tabellen im Anhang
(gekennzeichnet mit ,,A")
(Die Nummerierung beginnt bei ,,A1".)
Abbildung A1: Auflagenentwicklung der Bild-Ausgabe Nielsen 1 West
A108
Abbildung A2: Bildunterschriften Bild
A133
Abbildung A3: Bildunterschriften The Sun
A134
Abbildung A4: Beitrag ,,Cadbury"
A135
Abbildung A5: ,,Holocaust-Mahnmal"
A136
Abbildung A6: ,,Busenwunder"
A136
Abbildung A7: ,,Britische Braut"
A137
Abbildung A8: ,,Bonfire Night"
A137
Abbildung A9: ,,Roys Todeskampf"
A138
Abbildung A10: ,,Squirrel"
A138
Abbildung A11: ,,Dirty Rat"
A139
Abbildung A12: ,,Geyer"
A140
Abbildung A13: ,,Sex-Mord"
A140
Abbildung A14: ,,Villa Größenwahn"
A141
Abbildung A15: ,,Jordan"
A142
Abbildung A16: ,,Thief"
A142
Abbildung A17: ,,Gherkin"
A143
Abbildung A18: ,,Busfahrer-Affaire"
A144
Abbildung A19: ,,New Mum"
A145
Abbildung A20: ,,Renten-Telefonaktion"
A145
Abbildung A21: ,,Spuddy Hell"
A145
Abbildung A22: ,,Kiss Jonny's Foot"
A146
Abbildung A23: ,,Poptitan Bohlen"
A147
Abbildung A24: ,,Gun Cops"
A148
Abbildung A25: ,,Fischer ­ Presseball"
A149
Abbildung A26: ,,Kfz-Versicherung"
A149
Abbildung A27: ,,Diana-Double"
A150

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis Diplomarbeit: Susanne Höke
____________________________________________________________________________
6
Abbildung A28: ,,Bohlen-Buch"
A151
Abbildung A29: ,,Becker-Buch"
A151
Abbildung A30: ,,Ihr Bestien!"
A152
Abbildung A31: ,,Burrell-Cover"
A153
Abbildung A32: ,,Seitensprung"
A154
Abbildung A33: ,,Illegale Asylsuchende"
A154
Tabelle A1: Darstellungsformen Bild und Sun (gesamt)
A108 - 110
Tabelle A2: Themenspektrum Sun und Bild (aufgeschlüsselt)
A110 - 116
Tabelle A3: Größen von Illustrationen
A117
Tabelle A4: Art der Illustrationen / Freigestellte Fotos
A117
Tabelle A5: Art der Illustrationen / Karikaturen
A118
Tabelle A6: Art der Illustrationen / Montagen
A118
Tabelle A7: Art der Illustrationen / Infografiken
A118
Tabelle A8: Themen, die auf der ersten Seite erscheinen
A119 - 122
Tabelle A9: Aufmacherthemen auf den anderen Seiten
A123 - 127
Tabelle A10: Flächenanteil Themenfelder Sun gesamt (cm²)
A127
Tabelle A11: Flächenanteil Themenfelder Bild gesamt (cm²)
A127
Tabelle A12: Ansprechhaltung nachrichtlich-berichtende Beiträge (gesamt) A128
Tabelle A13: Ansprechhaltung der Überschrift
A129
Tabelle A14: Größenanteile der Überschriften zum Gesamtbeitrag
A129
Tabelle A15: Ansprechhaltung der Unter-Überschrift
A130
Tabelle A16: Ansprechhaltung Politikbeiträge
A130
Tabelle A17: Skandale in der Politikberichterstattung
A130
Tabelle A18: Objektivität / Subjektivität in der Politikberichterstattung A131
Tabelle A19: Ansprechhaltung Klatschberichterstattung
A131
Tabelle A20: Faktische und spekulative Klatschberichterstattung
A131
Tabelle A21: Ansprechhaltung Beiträge Gesellschaft / Soziales
A131
Tabelle A22: Ansprechhaltung Sportbeiträge
A132
Tabelle A23: Ansprechhaltung optimistisch / pessimistisch
A132
Tabelle A24: Bildinhalte
A132 - 133
Tabelle A25: Bildunterschriften Bild und Sun
A134

Einleitung Diplomarbeit: Susanne Höke
______________________________________________________________________________________
7
Einleitung
Geliebt und verabscheut, kritisiert aber auch sehr erfolgreich: Die Diskussion um die
Boulevardberichterstattung erhitzt immer wieder die Gemüter (ausführlich 1.4.). Bou-
levardisierung und Globalisierung sind vage Schlagworte, über die seit geraumer Zeit
kontrovers diskutiert wird (1.5.; vgl. Plate, in: Informationen zur politischen Bildung
280 / 2003: 3 ­ 6). Die inhaltliche Struktur und spezielle Leseransprache national er-
folgreicher, populärer Printmedien sind im Zuge dieser Überlegungen wichtige Indika-
toren für die kulturelle Identität und mediale Konstruktion von Realität eines Medien-
publikums und -landes. Die medienwissenschaftliche Untersuchung internationaler und
interkultureller sowie boulevardisierender Kommunikationstendenzen wird in diesem
Zusammenhang zwar immer bedeutender, steckt aber bislang noch in ihren Anfängen
(Brosius 2000; Dulinski 2003: 168).
Wenn nationale Märkte gesättigt, die Expansion im eigenen Land erschöpft und inter-
nationale Erweiterungschancen gesehen werden, intensivieren Wirtschaftsunterneh-
men ihr Auslandsengagement (Wilke 2000: 415). Diskussionen über Internationalisie-
rungs- sowie Globalisierungstendenzen bestimmen alle Bereiche der privaten Wirt-
schaft und somit auch die international aktiven und global fungierenden Medienkon-
zerne. So sorgte beispielsweise im Frühjahr 2004 ein Vorhaben des Axel Springer Ver-
lags für Schlagzeilen: Demnach plant Springer-Chef Mathias Döpfner, den britischen
Daily Telegraph ­ die auflagenstärkste Qualitätszeitung des Vereinigten Königreichs ­
für rund eine Milliarde Euro zu erwerben. Das bislang profitstärkste Produkt des Medi-
enunternehmens Springer ist gleichzeitig Europas größte Boulevardzeitung, die Bild.
Springers transnationales Engagement fand bislang vorrangig auf osteuropäischem
Terrain statt. Nun will es das deutsche Unternehmen anderen Medienkonzernen wie
der australischen News Corporation und der Gütersloher Bertelsmann AG gleichtun,
indem vermehrt auf weltweite Expansion gesetzt wird. Der Kauf des renommierten,
konservativen Telegraph wäre ein entscheidender Schritt, um zur mächtigen Riege der
Global Players zu gehören (Spiegel Online 3, 21.3.2003; ausführlich Hornig, in: Spie-
gel 17 / 2004: 208 ­ 210; vgl. 1.5.2.).
Gleichzeitig ist der angestrebte Kauf ein Indiz für die Notwendigkeit, sich
wissenschaftlich und intensiv mit den Charakteristiken internationaler Medienmärkte
auseinanderzusetzen, und dieser Trend der Internationalisierung geht einher mit dem
Trend der Boulevardisierung (1.5.), benannt nach den bunten und sensationellen
Boulevardzeitungen. Nur der Verlag oder Medienkonzern, der sich zuvor intensiv mit
den Lebens- und Medienrealitäten eines möglichen Expansionslandes auseinander
gesetzt hat, kann erfolgreich operieren, neue Produkte lancieren, bzw. publizistische
Konzepte kulturell transferieren. Die vorliegende Diplomarbeit konzentriert sich auf
einen wichtigen Teilaspekt nationaler Medienmärkte: die Boulevardpresse in
Großbritannien und Deutschland mit einem besonderen Augenmerk auf The Sun und
Bild als ihre prominentesten und auflagenstärksten Vertreter. Auf den ersten Blick sind
diese Blätter geprägt von reißerischen Überschriften, Skandalen, Schicksalen und
Sensationen. Diese Arbeit möchte einen Blick unter die scheinbar offensichtliche
Oberfläche des Boulevards wagen, journalistische Muster analysieren und Anspruch,
Kritik und Realität miteinander vergleichen. Im internationalen Vergleich ergeben sich
hier neue Blickwinkel und Sichtweisen auf nationale Besonderheiten.

Einleitung Diplomarbeit: Susanne Höke
______________________________________________________________________________________
8
Rudi Renger (2002: 486) stellt in diesem Zusammenhang fest: ,,Journalismus wird auf
diese Art zu einem der fundamentalen Codes der Kultur, der dazu verhilft, Bedeutun-
gen zu (re-)produzieren und gesellschaftlichen Sinn zu stiften."
Um diesen kulturellen Code zu entschlüsseln und somit erfolgreich auf dem internatio-
nalen Parkett operieren zu können, müssen zuvor nicht nur finanzielle und technische
Aspekte hinterfragt werden. Gesellschaftliche, historische und rechtliche Rahmenbe-
dingungen sind ebenso zu analysieren wie die daraus resultierenden Medieninhalte.
Jörg Becker (1996: 65) resümiert in seinem Essay zu den globalen Medienentwicklun-
gen, ,,daß der internationale Wettbewerb nicht auf dem Gebiet von neuen technischen
Infrastrukturen, sondern auf dem Gebiet von Inhalten (Software, Film- und TV-Rechte,
Verlagswesen) gewonnen wird." Einen bedeutenden aber auch vielfach diskutierten
Part in der medial initiierten, kulturstiftenden Realitätsdarstellung und gesellschaftli-
chen Interpretation von Wirklichkeit nehmen die nationalen Boulevardzeitungen ein.
Im Zeitalter globaler Medienmärkte ist es daher unumgänglich und essentiell, die na-
tionalen Besonderheiten und Rahmenbedingungen eben dieser Boulevardzeitungen
genau zu kennen, wissenschaftlich zu analysieren und zu vergleichen, um so zum ei-
nen auf kulturelle Besonderheiten eingehen zu können, zum anderen aber auch wirt-
schaftliche Expansions-Überlegungen einordnen zu können.
Für die Boulevardzeitungen entscheidet sich der ,,Kampf um den Leser" jeden Tag aufs
Neue am Kiosk. Nur die Zeitung, die das Interesse sofort auf das eigene Blatt lenkt,
wird auch gekauft. Dies gilt für die britischen Tabloids The Sun oder Daily Mirror eben-
so wie für die deutschen Boulevardzeitungen Bild oder Dresdner Morgenpost. Im wirt-
schaftlichen Kontext spielen die Boulevardzeitungen eine lukrative Rolle für ihre Verla-
ge. Dulinski (2003: 192) bezeichnet sie gar als ,,Profit-Center" und ,,Milchkühe" für das
publizierende Unternehmen.
Die vorliegende Diplomarbeit möchte neben dem internationalen Vergleich derzeitiger
Boulevardzeitungsrealitäten aber auch auf nationale und internationale Entwicklungs-
tendenzen eingehen. So wird in jüngster Zeit sowohl in Deutschland als auch in Groß-
britannien vermehrt über einen Trend der Boulevardisierung diskutiert: Zuvor als seri-
ös und rein informativ eingestufte Qualitätsprintprodukte wie die FAZ oder The Times,
Fernsehen, Rundfunk und Online-Medien versuchen, sich durch ein breiter angelegtes
Themenspektrum nach dem Muster der Boulevardzeitungen eine neue Publikumsposi-
tionierung zu schaffen. Diese zunehmende Boulevardisierung der Journalismus- und
Kommunikationskultur ­ dies gilt in beiden Studienländern ­ wird dabei zumeist als
gesellschaftliches und kulturelles Problem dargestellt. So wird diskutiert, ob Skandal-
presse und Boulevardformate eine Gefahr für den Anspruch auf umfassende Informa-
tion und somit für Meinungsfreiheit und Demokratie darstellten (vgl. Esser 1999;
Lungmus 2002; Marlow 2002; Sparks 1999; Washington 1999; Bromley / Stephenson
1998; 1.5.1.).
Die theoretische und praxisbezogene Beschreibung, Einordnung und persönliche Dis-
kussion dieser Trends sind ebenso Bestandteil der vorliegenden Diplomarbeit wie ein
inhaltlicher Vergleich der beiden national dominanten Boulevardprodukte: Nur wer sich
intensiv mit dem Ist-Zustand auseinander gesetzt hat, kann aus den Ergebnissen und
Einschätzungen Rückschlüsse auf Entwicklungstendenzen wie beispielsweise Boulevar-
disierung und Internationalisierung ziehen (vgl. Dulinski 2003: 13). Der deutsch-
britische Diskurs erscheint hier von speziellem Interesse, da in der Medienwissenschaft
des Öfteren Parallelen zwischen deutschem und angelsächsischem Journalismus gezo-
gen und Unterschiede aufgezeigt werden (vgl. Donsbach 2000: 84; Esser 1998; Brom-
ley / Stephenson 1998: 1).

Einleitung Diplomarbeit: Susanne Höke
______________________________________________________________________________________
9
Diese Ähnlichkeiten und / oder Besonderheiten werden in den folgenden Kapiteln an-
hand direkter Vergleiche der Printsystemstruktur, spezieller Charakteristiken, juristi-
scher Rahmenbedingungen und direktem Produktvergleich hinterfragt, herauskristalli-
siert und auch widerlegt.
So werden Ansätze für weitere international vergleichende, medienwissenschaftliche
Diskussionen und zukünftige Analysen geboten, die zweifelsohne verstärkt im interna-
tionalen Mediengeflecht stattfinden werden (vgl. Brosius 2000; Weischenberg / Alt-
meppen / Löffelholz 1994). Colin Sparks (In: Stokes 1999: 6) vertritt die Meinung:
,,British media companies are well equipped to play a significant role in the globaliza-
tion of media industries." Und auch bei einer Betrachtung des internationalen Enga-
gements großer deutscher Konzerne wie der Bertelsmann AG oder des Axel Springer
Verlags zeichnet sich eine deutliche Internationalisierung bzw. Globalisierung des Me-
dienmarktes ab (Hachmeister / Rager 2002).
Diese Diplomarbeit zeigt, in welchen Bereichen sich große, nationale Boulevardzei-
tungen unterscheiden, wo Schwerpunkte der inhaltlichen Gewichtung liegen, und wo
kulturelle Besonderheiten bemerkbar sind. In einem ersten theoretischen Teil liegt das
Hauptaugenmerk auf speziellen Strukturen, Spezifika und Trends im Boulevardjourna-
lismus allgemein. Dieser Teil gibt den theoretischen Rahmen vor. Der zweite deskripti-
ve und komparative Teil vergleicht die Boulevardzeitungsmärkte in Großbritannien und
Deutschland direkt und legt besondere Schwerpunkte auf die systemimmanenten, hi-
storischen sowie rechtlichen Rahmenbedingungen und eine Beschreibung der beiden
Boulevardprintmedien Sun und Bild. Der dritte analytische Teil widmet sich der empiri-
schen Untersuchung einer realen Stichprobe sowie dem direkten Vergleich inhaltlicher
Strukturen und Ansprechhaltungen der genannten Boulevardtageszeitungen.
Ergänzt werden Theorie und Inhaltsanalyse durch acht intensive Leitfadeninterviews,
die zu den theoretischen und empirischen Ergebnissen persönliche Meinungen und
Einschätzungen hinzufügen. Im synoptischen und resümierenden vierten Teil werden
die gefundenen Ergebnisse ­ gesammelt auf der theoretischen, komparativen, empiri-
schen und persönlichen Ebene ­ ob ihrer Bedeutung für die weitere Forschung sowie
der Perspektiven für den Medienmarkt zusammengefasst. Diese Diplomstudie bietet
wichtige Diskussionsansätze unter dem internationalen Blickwinkel großer Verände-
rungen im Gesellschafts- und Medienbereich: Die intensive Analyse der Boulevardzei-
tungsmärkte in Großbritannien und Deutschland, ihre Bedeutungen für die Öffentlich-
keit des jeweiligen Landes und somit ihre Konstruktionen von Wirklichkeit gibt Auf-
schluss über nationale Besonderheiten, schafft Denkanstöße für transkulturelle Boule-
vardtendenzen, ethische Konsequenzen und Perspektiven für die zukünftige Forschung
in der internationalen Medienlandschaft.
Die Verfasserin sieht diese Arbeit als eine Einladung, durch den interkulturellen Ver-
gleich neue, auf theoretischen und empirischen Belegen sowie persönlichen Meinun-
gen, Einschätzungen und Erfahrungen aufbauende, diskursive Wege in Richtung inter-
nationaler Mediendiskussion zu beschreiten. Zunächst wird im Folgenden auf den For-
schungsgegenstand sowie angewendete Methoden eingegangen.

Einleitung Diplomarbeit: Susanne Höke
______________________________________________________________________________________
10
a. Forschungsgegenstand
Im folgenden Abschnitt soll zunächst der wissenschaftliche Rahmen dieser Diplomar-
beit festgelegt werden, indem der Forschungsgegenstand und die damit verbundenen
Forschungsfragen definiert, die Entwicklung der international vergleichenden Journa-
lismusforschung erörtert, die vorliegende Arbeit in den Gesamtzusammenhang einge-
ordnet und daraus resultierend eine Forschungsmethode aufgestellt werden. Wei-
schenberg, Altmeppen und Löffelholz (1994: 135) gehen in ihrer Studie zu den Trends
im Journalismus davon aus, dass in den kommenden Jahren nationale Medien ver-
stärkt kooperieren werden, zunächst technisch und personell (via Korrespondenten),
dann aber auch durch die Übertragung erfolgreicher Produktkonzepte.
2
Diese engere
internationale Zusammenarbeit setzt ein besseres Verständnis nationaler Medienbe-
sonderheiten voraus: Die vorliegende Studie möchte sich einem Teilsystem des Jour-
nalismus zuwenden und den Boulevardjournalismus in Großbritannien und Deutsch-
land sowie zwei beispielhafte Printprodukte, ihre Themenspektren und Berichterstat-
tungsmuster vergleichen.
Eine Einschätzung des britischen Medienwissenschaftlers Peter J.S. Dunnett (1988:
142) gibt der gesamten Diplomstudie das übergeordnete Forschungsinteresse vor:
"The German newspaper industry is mostly an unsurprising hybrid of its US and British
counterparts."
3
Ob auch die deutsche Boulevardzeitungslandschaft ein ,,nicht überra-
schender Hybrid" der angelsächsischen Tabloid-Industrie ist, gilt es in der vorliegen-
den Arbeit zu untersuchen. Nationale Spezifika im Mediensystem und in Medienteilsy-
stemen eines Landes treten im internationalen Vergleich besonders signifikant hervor,
bieten Möglichkeiten für das bessere Verständnis globaler Interaktionen, und können
neue Ansätze für Problemlösungen aufzeigen (Esser 2000). Daher geht diese Arbeit
nicht nur interkulturell vergleichend vor, sie bietet auch Aufschlüsse über die Boule-
vardlandschaft in Deutschland und Großbritannien im Einzelnen sowie globale
Perspektiven im Besonderen. Da nationale Presselandschaften ständigen
Veränderungen, Trends und Möglichkeiten für zukünftige Markttendenzen unterworfen
sind (ebd.: 1) und sich technischen und gesellschaftlichen Veränderungen anpassen
müssen (vgl. Saltzman 1999: 66), gilt auch für die medienwissenschaftliche
Forschung, dass diese sich beständig auf veränderte Medienangebote, -inhalte und
Rahmenbedingungen einstellen muss.
Fest steht, dass die Tages- und Sonntagszeitungen in Großbritannien, Deutschland
und europaweit trotz intermedial verstärkter Konkurrenz durch audiovisuelle und Onli-
ne-Medien nach wie vor zu den bedeutenden Markt- und Meinungsführer zählen (vgl.
Dunnett 1988: 3; Dulinski 2003). Die medienwissenschaftliche Erforschung populärer
Medien- und Printprodukte begann jedoch erst im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhun-
derts (Dulinski 2003: 12). Auf diesem Gebiet gibt es daher deutlichen Forschungsbe-
darf, da sowohl in Großbritannien als auch in Deutschland die auflagenstärksten und
somit sehr bedeutenden Tageszeitungen ein Tabloid, The Sun, und eine Boulevardzei-
tung, die Bild, sind (ausführlich 2.1.1.).
2
Ein Beispiel ist die erfolgreiche Einführung der Boulevardzeitung Fakt in Polen durch den deut-
schen Axel Springer Verlag (ausführlich in 2.5.2.4.).
3
Dunnet (1988: 142) weist des Weiteren auf die engen kulturellen Bindungen Deutschlands zu
Großbritannien und Deutschland hin: ,,Despite two world wars Germany has close cultural ties to
Britain and the United States. Like them, Germany acquired the newspaper habit in the days
before broadcasting."

Einleitung Diplomarbeit: Susanne Höke
______________________________________________________________________________________
11
Die beiden Länder Großbritannien und Deutschland wurden deshalb für diesen interna-
tionalen Vergleich gewählt, da die deutsche Medienlandschaft oft, wie bereits erwähnt,
als Nachahmer angelsächsischer Traditionen beschrieben wird, und auch die beiden
Zeitungen Sun und Bild viele Parallelen ­ aber auch Unterschiede ­ aufweisen.
4
Schon in der Einleitung wurde angesprochen, dass die wirtschaftliche und / oder publi-
zistische Internationalisierung, also der Aufkauf nationaler Verlage und / oder der Ex-
port publizistischer Konzepte (Zeitschriften wie bspw. Gala oder Geo) große Kenntnis-
se der jeweiligen Lebenswirklichkeiten und medialen sowie gesellschaftlichen Rahmen-
bedingungen voraussetzt (Wilke 2000: 415). Dies gilt nicht nur für die Medienwirt-
schaft sondern auch für die international vergleichende Journalismusforschung. Da
bislang zwar sehr viel über die Boulevardpresse diskutiert, jedoch noch verhältnismä-
ßig wenig wissenschaftlich und empirisch erforscht wurde, möchte diese Diplomarbeit
in diesem Bereich Ansatzpunkte für weitere international vergleichende Studien liefern
(Dulinski 2003: 17).
Der Australier Rupert Murdoch, der seit über drei Jahrzehnten den britischen Zei-
tungsmarkt zunächst stark beeinflusste und nun dominiert, scheiterte im Mai 1991 mit
seinem Vorhaben, in Deutschland mit der ostdeutschen Super!-Zeitung eine Konkur-
renz zu Bild zu schaffen. Dieses Joint Venture mit dem deutschen Burda-Verlag zeigt,
dass nationale Erfolgsgeschichten wie die der Sun in Großbritannien nicht deckungs-
gleich international übertragen werden können, sondern mögliche Neugründungen und
transkulturelle Übertragungen publizistischer Konzepte intensiv den nationalen Gege-
benheiten, Medienstrukturen, Kulturen und nicht zuletzt den unterschiedlichen Le-
sereinstellungen angepasst werden müssen.
5
James Curran und Jean Seaton (1997) fordern in ihrer umfassenden Analyse zum bri-
tischen Presse- und Rundfunksystem, dass mehr Skepsis und Beweise notwendig sei-
en, um eine verantwortungsvolle Medienzukunft zu gestalten ­ dieser Appell gilt si-
cherlich nicht nur für den britischen Medienmarkt, sondern lässt sich auf andere natio-
nale Mediensysteme übertragen. Um aber Denkanstöße für eben diesen zukünftigen
Medienumgang bieten zu können, erscheint ein transkultureller Vergleich des oftmals
kritisierten, jedoch zweifelsohne immens kulturprägenden Print-Boulevardjournalismus
ein sinnvoller und notwendiger Ansatz.
Es gibt einige Studien, die sich explizit mit inhaltlichen und semantischen
Besonderheiten der Bild-Zeitung auseinandersetzen (siehe ausführlich zu den
einzelnen Studien Dulinski 2003: 169), jedoch sprechen diese vor allem spezielle
Themenkomplexe, ethische und linguistische Probleme und immens fokussierte
Analyseebenen an. Eine international vergleichende Studie zweier
Boulevardzeitungsmärkte und spezieller Produkte wie der Sun und der Bild wurde nach
Kenntnisstand der Autorin dieser Diplomarbeit bislang nicht vorgenommen oder
angestrebt.
4
The Sun und die Bild-Zeitung sind die größten nationalen Tages- und gleichzeitig Boulevardzei-
tungen in Großbritannien und Deutschland. Darüber hinaus sind die News International Incorpo-
ration in Großbritannien und die Axel Springer AG in Deutschland die größten und einflussreich-
sten Medienunternehmen des jeweiligen Landes (Esser 1998: 145), und beide Länder besitzen
Selbstkontrollorgane der Presse. Marcel Machill (In: Lünenborg 2000: 250) sieht ebenfalls Paral-
lelen zwischen deutschem und britischem Journalismus, die er unter der Bezeichnung ,,nordi-
scher Journalismus" zusammenfasst. Dieser Journalismus unterscheide sich durch eine sachlich-
nüchterne Berichterstattung vom erzählerisch-emotionalen ,,mediterranen Journalismus" Spani-
ens oder Italiens. Teil 2 dieser Arbeit schlüsselt ausführlich sowohl Gemeinsamkeiten als auch
Unterschiede zwischen deutschen und britischen Journalismusausprägungen auf.
5
vgl. zur Super!-Zeitung ausführlich 2.3.2.2. und zur Stellung Rupert Murdochs in Großbritanni-
en 2.3.6.1. sowie 2.4. ff.

Einleitung Diplomarbeit: Susanne Höke
______________________________________________________________________________________
12
Diese Arbeit stellt somit eine erste Annäherung an diesen wichtigen Themenkomplex
international vergleichender, populärer Medienanalyse dar.
b. International vergleichende Journalismusforschung
Die international vergleichende Journalismusforschung, sei sie intereuropäisch oder
global, ist in den vergangenen Jahren, ähnlich wie die Erforschung populärer Medien,
zwar auf vermehrtes Interesse gestoßen, jedoch steht auch sie noch in ihren Anfängen
(Esser 1999: 294). Gerade in Zeiten vermehrter Diskussionen über eine globale Rolle
der Medien und Medienaktiven kann der internationale Vergleich wichtige und auf-
schlussreiche Ansätze für zukünftige Tendenzen und Trends sowie Problematiken bie-
ten. Esser (1998: 18) weist in seiner fundierten und umfassenden Studie zum briti-
schen und deutschen Journalismus darauf hin, dass gerade der interkulturelle Ver-
gleich viele Hinweise auf das eigene journalistische Agieren und die nationalen Zu-
sammenhänge bieten könne.
Die vorliegende Diplomarbeit greift einige von Essers Forschungsergebnissen auf und
untersucht diese hinsichtlich ihres Gehaltes für die Boulevardpresse. Doch was bein-
haltet international vergleichende Medienforschung im Speziellen? Als schlüssig und
praktikabel erscheint hier wiederum eine Definition Essers (2000: 143):
,,Man spricht im allgemeinen von komparativer Kommunikationsforschung, wenn zwi-
schen mindestens zwei geographisch definierten, räumlich getrennten Systemen Ver-
gleiche in Hinblick auf mindestens einen medienwissenschaftlich relevanten Untersu-
chungsgegenstand gezogen und dabei auch Wechselbeziehungen und zusätzliche Hin-
tergrundvariablen berücksichtigt werden."
In diesem Fall werden also die Boulevardjournalismen (Untersuchungsgegenstand) in
Großbritannien und Deutschland (getrennte geografische Systeme) miteinander vergli-
chen. Auf die Hintergrundvariablen (beeinflussende Rahmenbedingungen und Entwick-
lungen) wird in Punkt ,,d. Forschungsmethode" explizit eingegangen.
Da Großbritannien und Deutschland europäische Staaten sowie Mitglieder der Europäi-
schen Union sind, kann diese Diplomarbeit darüber hinaus in die europäische Journa-
lismusforschung eingeordnet werden. Obwohl das Thema Europa und Europäisierung
der Medien seit einigen Jahren im Blickfeld des Interesse steht, kann bislang nicht von
einer singulär europäischen Öffentlichkeit sondern lediglich von europäischen Themen
und nationalen Mediensystemen gesprochen werden (Lünenborg 2000: 245; siehe
auch Weischenberg / Altmeppen / Löffelholz 1994: 37). Wichtig ist es, an dieser Stelle
darauf hinzuweisen, dass das Entstehen einer europäischen Öffentlichkeit nicht
gleichgesetzt werden sollte mit einer kulturellen und journalistischen Gleichmachung
und dem Verschwinden nationaler Besonderheiten, sondern verbunden ist mit dem
Wunsch nach, wie es Margret Lünenborg (2000: 246) formuliert, ,,kooperative[r]
Kommunikation". Die medienwissenschaftliche Forschung und auch die vorliegende
Arbeit wollen dazu beitragen, kulturelle Besonderheiten im Journalismus herauszuar-
beiten. Diese Diplomarbeit reiht sich somit in die europäische Mediendiskussion ein.

Einleitung Diplomarbeit: Susanne Höke
______________________________________________________________________________________
13
Für die international und interkulturell vergleichende Medienforschung ist ein multidi-
mensionaler Forschungsansatz von essentieller Bedeutung; daher fließen in diese Ar-
beit diverse, vielschichtige Methoden, Quellen und Studien zur Medienproduktebene,
Rezipientenebene, Akteursebene und Medienperspektivebene ein (Esser 1999: 299).
Diese vier Ebenen dienen als Methodenrahmen dieser Arbeit und werden in Punkt ,,d.
Forschungsmethode" näher erläutert.
Durch den genannten, vielschichtigen und gesellschaftlich relevanten Ansatz kann die
vorliegende Diplomarbeit auch in die Medienkulturdiskussion eingereiht werden: So-
wohl Großbritannien als auch Deutschland besitzen eine eigenständige nationale Medi-
enkultur, mit der diverse Medienangebote und Rezeptionsangewohnheiten verbunden
sind (Faulstich 1998: 100 f.).
c. Einordnung der Diplomarbeit
Da noch keine einheitliche Theorie zur vergleichenden Medienforschung existiert, kann
diese Arbeit in kein bestehendes einheitliches Theoriegerüst eingefügt werden (vgl.
Esser 2000: 138; Lünenborg 2000: 260), sondern kann lediglich einen interkulturellen
Vergleich aufstellen und frühere, ähnlich geartete Studien zum Vergleich heranziehen.
Einen vorbildhaften, systematischen Vergleich stellt Frank Esser (1998) mit seiner
sehr ausführlichen Studie zum britischen und deutschen Journalismus auf. Während
Esser jedoch allgemein hinterfragt, ob der britische Pressejournalismus noch ein Vor-
bild für deutsche Journalisten sein könne, möchte sich die vorliegende Diplomarbeit
explizit dem deutschen und britischen Boulevardjournalismus zuwenden. Essers Studie
gilt hierbei als zugrunde liegendes Standardwerk, das jedoch auch kritisch hinterfragt
wird. Während Essers Hauptaugenmerk auf einem Vergleich der britischen und deut-
schen Redaktionsebenen, der Gesellschaftssphären sowie der Subjektsphären liegt,
möchte die vorliegende Arbeit ähnliche Ansätze für den Boulevardjournalismus weiter-
führen, jedoch dem inhaltlichen Vergleich zweier Boulevardprodukte einen großen
Stellenwert einräumen.
Neben dem speziellen, theoretischen Augenmerk auf Entwicklung, Struktur und
Selbstregulierung der Boulevardpresse sowie ihrer Bedeutung für das Pressesystem
des jeweiligen Landes fußt diese Diplomarbeit auf einer quantitativ-qualitativ vorge-
henden Inhaltsanalyse, ein empirischer Ansatz, den Esser in seiner Studie ausklam-
mert. Des Weiteren liegt ein Hauptaugenmerk von Essers Studie auf den journalisti-
schen Arbeitsweisen und Arbeitsbedingungen in Großbritannien und Deutschland. Die-
se Themen sollen in der vorliegenden Arbeit nur gestreift werden, um inhaltlichen und
publizistischen Aspekten, speziellen Ausprägungen sowie Differenzen der beiden Bou-
levardzeitungen Sun und Bild mehr Raum zu bieten. Außen vor gelassen werden auch
spezielle Medienwirkungen, wie sie beispielsweise in Ulrike Dulinskis Studie zum Sen-
sationsjournalismus in Deutschland (2003: 325 ­ 365) explizit aufgeführt werden.
International vergleichende Journalismusstudien konzentrierten sich bislang stark auf
die Akteurs- bzw. Journalistenebene, während die Rezipienten und die journalistischen
Produkte deutlich weniger beachtet wurden, eine Einbeziehung historischer und recht-
licher Rahmenbedingungen kaum stattfand, und sich die Forschung auf den Vergleich
von Qualitätsnachrichtenmedien konzentrierte, der Populärjournalismus jedoch größ-
tenteils ausgeklammert wurde (Lünenborg 2000).

Einleitung Diplomarbeit: Susanne Höke
______________________________________________________________________________________
14
Ein wichtiges Studienprojekt, das sich mit den unterschiedlichen Ansichten und Be-
rufseinstellungen von Journalisten aus fünf verschiedenen Ländern beschäftigte, ist die
Langzeit-Journalistenbefragung ,,Media and Democracy" von Thomas L. Patterson und
Wolfgang Donsbach (In: Donsbach 1993). Da sich diese Diplomarbeit aber insbeson-
dere mit inhaltsanalytisch gestützten Tendenzen der britischen und deutschen Boule-
vardpresse und somit der Medienproduktebene auseinandersetzt, muss konstatiert
werden, dass es auf diesem Gebiet der international vergleichenden Forschung bislang
nur wenige inhaltsanalytische Studien gibt, und der Autorin im Bereich des Boulevard-
journalismus keinerlei Studien bekannt sind.
6
Zusammengefasst bedeutet dies: Die vorliegende Arbeit geht auf nationale Kommuni-
kationsstrukturen im britischen und deutschen Boulevardjournalismus ein, vergleicht
diese miteinander und möchte so den wissenschaftlichen Diskurs in Richtung europäi-
sche Öffentlichkeit anregen.
d. Forschungsmethode
Die vorliegende Arbeit schließt sich Frank Essers Ansatz (1998: 21) eines vielschichtig
beeinflussten, nationalen Journalismus an. Esser stellt fest, dass der Journalismus
eines bestimmten Landes von gesellschaftlichen Aspekten, geschichtlichen sowie ge-
setzlichen Rahmenbedingungen, dem ökonomischen Umfeld, aber auch von professio-
nellen und ethischen Einstellungen der in den Medien agierenden Personengruppen
beeinflusst und geprägt werde.
7
Die von Esser in seinem integrativen Mehrebenen-
Modell angesprochenen Rahmenebenen Gesellschaftssphäre, Institutionssphäre, Medi-
enstrukturebene und Subjektsphäre sollen durch eine Beschreibung der rechtlichen,
gesellschaftlichen, strukturellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen als beein-
flussende Faktoren des Boulevardjournalismus im nationalen Kontext im deskriptiven
und komparativen Teil dieser Diplomarbeit explorativ erläutert werden (Esser 1998:
27). Als methodischer Rahmen dienen die aus Essers Studie (ebd.) abgeleiteten je-
doch für die vorliegende Studie modifizierten Begriffe Medienproduktebene (Produkt
Boulevardzeitung, Inhalt, Berichterstattung), Rezipientenebene (Leser, Vorstellun-
gen, Einfluss), Akteursebene (Journalisten, journalistisches Selbstverständnis), da-
mit verbunden die Selbstregulierungsebene (ethische und rechtliche Standards,
Selbstregulierungsorgane) sowie die Medienperspektivebene (wirtschaftliche und
gesellschaftliche Tendenzen und Trends).
6
Esser (1998: 28 ­ 31) setzt sich in seiner Dissertation ausführlich mit international verglei-
chenden Journalismus-Studien auseinander. Da sich diese Studien jedoch nicht speziell mit dem
Boulevardjournalismus und darüber hinaus lediglich mit sehr speziellen Berichterstattungsmu-
stern sowie Themen des Journalismus der vergangenen Jahrzehnte beschäftigen, wäre es im
Rahmen dieser Diplomarbeit zu ausufernd, auf ihre Befunde explizit einzugehen. Wichtig ist
jedoch Essers Quintessenz seines Studienvergleichs, dass die international vergleichende Jour-
nalismusforschung ein bislang wenig beachtetes Forschungsgebiet sei. Dieser Feststellung
möchte sich die Autorin der vorliegenden Diplomarbeit anschließen und durch ihre Studie einen
weiteren transkulturellen Vergleich eines speziellen Journalismusteilgebiets anstellen.
7
Esser (1998) entwickelt in seiner Studie ein geschichtetes Sphärenmodell, das auf dem von
Weischenberg entwickelten Zwiebel-Modell der verschiedenen Normen, Strukturen, Funktionen
und Rollen des Journalismus aufbaut (Weischenberg 1998b: 71; vgl. zum Zwiebelmodell auch
Dulinski 2003: 16). Für diese Diplomarbeit erscheint das von Dulinski weiterentwickelte Zwie-
belmodell der Boulevardpresse jedoch noch passender und praktikabler (s.u.). Normen be-
schreiben dabei die Rahmenbedingungen des Mediensystems, die Strukturen beziehen sich auf
die Regeln der jeweiligen Medieninstitutionen, Funktionen bezeichnen den Wirkungskontext der
Medieninhalte und die Rollen beziehen sich auf die Akteure, d.h. die Journalisten.

Einleitung Diplomarbeit: Susanne Höke
______________________________________________________________________________________
15
Gesellschaftssphäre, Institutionssphäre, Medienstrukturebene und Subjektsphäre
spiegeln sich in den fünf genannten Ebenen des Medienprodukts, der Rezipienten, der
Akteure, der Selbstregulierung und der Perspektiven wider. Redaktionelle Organisati-
onsstrukturen wie Arbeitsalltag und redaktionelle Hierarchien werden dabei anders als
bei Esser (1998) nur peripher einbezogen, die Subjektsphäre wird durch die subjekti-
ven Einzelmeinungen der Intensivinterviews zwar aufgegriffen, jedoch kann diese Dar-
stellung nur sehr persönliche Einschätzungen und somit Tendenzen wiedergeben und
erhebt keinen wissenschaftlichen Allgemeingültigkeitsanspruch.
Im Rahmen dieser zeitlich und thematisch begrenzten Diplomarbeit kann leider nicht
auf jeden Faktor der von Esser beschriebenen Rahmenebenen explizit eingegangen
werden. Die Exploration und Deskription rechtlicher, historisch-struktureller sowie
ökonomischer Einflussfaktoren sollen jedoch der empirischen Untersuchung der inhalt-
lichen Merkmale der beiden Boulevardzeitungen vorangestellt werden, um durch den
Kontext aus Theorie, Historie, Beurteilung, methodischer Inhaltsanalyse und intensiver
Gespräche ein vielschichtiges und möglichst umfassendes Bild der beiden Boulevard-
zeitungsmärkte darzustellen. Pressestrukturen, Presseselbstkontrolle, ökonomische
Faktoren, Rezipienten sowie produktimmanente Spezifika beschreiben nach Meinung
der Autorin die prägnantesten Tendenzen der Boulevardpublikationen dies- und jen-
seits des Ärmelkanals.
Das folgende Boulevardjournalismusmodell von Ulrike Dulinski (2003: 193) verdeut-
licht anschaulich die Dominanz wirtschaftlicher Interessen auf die Straßenverkaufs-
presse.
8
Die vorliegende Diplomarbeit greift sowohl den von Dulinski beschriebenen
ökonomischen Imperativ als auch die ethischen Standards (durch die Beschreibung
der Presseselbstkontrolle), die Berichterstattungsmuster (durch die Inhaltsanalyse)
und persönliche Beispiele des Rollenselbstverständnisses (durch Intensivinterviews)
auf. Der Strukturkontext (Organisation der Redaktionen) ist von minderem Interesse
in dieser inhalts- und produktbezogenen Studie und soll daher lediglich durch allge-
meine Angaben am Rande betrachtet werden. Das Hauptaugenmerk ist methodisch
bedingt durch die Inhaltsanalyse und den direkten Vergleich auf den Funktionskontext
gerichtet (Angaben zur Medienproduktebene in allen drei Teilen dieser Arbeit), der
Normenkontext ist durch den Vergleich der rechtlichen Rahmenbedingungen das zwei-
te wissenschaftliche Standbein dieser Diplomarbeit (v.a. 2.2. und 3.2.2.3.). Diese bei-
den Kontexte beeinflussen den Rollenkontext, der am Rande ebenfalls angeschnitten
wird (v.a. 1.2.3.5.; 2.3.4.; 3.2.2.3.).
8
Die Marktorientierung setzte in Großbritannien eher ein als in Deutschland und war auch posi-
tiver konnotiert (Esser 1998: 58). Auf die historischen Unterschiede geht der Punkt 2.3.1. inten-
siv ein.

Einleitung Diplomarbeit: Susanne Höke
______________________________________________________________________________________
16
Abbildung 1: Kontextmodell des Boulevardjournalismus (nach Dulinski 2003)
Normenkontext:
Ethische Standards
Strukturkontext: Organisation und
Technologie in den Redaktionen
Rollenkontext der Journalisten:
Professionalisierung und
Selbstverständnis
Funktionskontext: Berichterstattung
und Realitätsdarstellung
Ökonomischer Imperativ
des Boulevardjournalismus
Quelle: Dulinski 2003: 193
Normenkontext, Funktionskontext und Rollenkontext finden sich bei den fünf Ebenen
der Medienproduktebene, der Rezipientenebene, der Akteursebene, der Selbstregulie-
rungsebene und der Medienperspektivebene wieder. Der Strukturkontext wird, wie
bereits erwähnt, lediglich gestreift. Ausführliche Beschreibungen zu diesem Komplex
finden sich bei Esser (1998). Die wirtschaftlichen Interessen beeinflussen im Boule-
vardjournalismus alle vier Kontextbereiche und daher auch die für diese Diplomarbeit
umformulierten fünf Ebenenbereiche, da bei der Straßenverkaufszeitung der tägliche
Verkauf und somit ökonomische Überlegungen, das journalistische und verlegerische
Handeln dominieren (1.1.2.).
Um sich dem Boulevardjournalismus in Großbritannien und Deutschland in seiner
Komplexität, Bedeutungsdichte und auch seinen Kritikpunkten annähern zu können,
bedarf es neben der Einordnung in ein Forschungsmodell mehrerer empirischer For-
schungsinstrumente, der so genannten Triangulation, bzw. ,,cross examination"
(Diekmann 2000: 18 und 451; vgl. auch Noelle-Neumann 2000: 267). Diese Metho-
denkombination soll dazu beitragen, ein verlässliches Gesamtbild darzustellen. Kon-
kret bedeutet dies, dass bei der vorliegenden Diplomarbeit Literaturanalyse, Intensiv-
interviews und eine quantitativ-qualitative Inhaltsanalyse aufeinander aufbauen. Der
theoretische erste Teil beschreibt die Strukturen, Spezifika und Trends im Boulevard-
journalismus auf einer allgemein theoretischen Ebene. Im zweiten deskriptiven und
komparativen Teil stehen die beiden Boulevardjournalismussysteme in Großbritannien
und Deutschland im Mittelpunkt des Interesses: Ihre Strukturen sowie die rechtlichen
Rahmenbedingungen und die beiden prominentesten Vertreter Sun und Bild werden
beschrieben und in einen direkten Vergleich zueinander gestellt. Der dritte analytische
Teil beinhaltet die empirische Untersuchung der eben genannten Boulevardprodukte
sowie eine Zusammenfassung der Leitfadeninterviews. Der vierte synoptische und re-
sümierende Teil fasst die Ergebnisse der vorangegangenen drei Teile zusammen und
geht auf mögliche Tendenzen sowie Perspektiven ein.

TEIL 1: Strukturen, Spezifika und Trends im Boulevardjournalismus Diplomarbeit: Susanne Höke
______________________________________________________________________________________
17
I. Theoretischer Teil
TEIL 1: Strukturen, Spezifika und Trends im Boulevardjournalismus
Es ist wesentlich einfacher, Boulevardzeitungen zu kritisieren oder zu verdammen, als
den Reiz zu verstehen und zu erklären, den sie auf ihre Leser ausüben (Bird 1992:
201). In der Medienwissenschaft wurde bislang wenig vorurteils- oder wertfrei über
Boulevardzeitungen geforscht, da diese als qualitativ minderwertiger Journalismus
verurteilt wurden und große Auflagenerfolge sowie öffentliche Wirkungen wissen-
schaftlich nicht ausreichend Beachtung fanden (Renger, in: Sage Schreibe, journalist
6 / 2000: 9). Um sich dem Phänomen Boulevardzeitung, Straßenverkaufszeitung und /
oder Tabloid in seiner Komplexität und vielseitigen Funktion sowie Bedeutung im Ge-
samtgefüge der Zeitungslandschaft anzunähern, will dieser erste theoretische Teil all-
gemeine Einordnungen und Erläuterungen vornehmen, die die theoretische Grundlage
für die folgenden deskriptiven, komparativen sowie empirisch-analytischen und resü-
mierend-synoptischen Teile bilden.
9
Als seichter Populärjournalismus manchmal belä-
chelt und kritisiert, zeigt die Erfolgsgeschichte der Boulevardpresse über nationale
Ländergrenzen hinaus: ,,Sex sells" und Boulevard macht Auflage (Dulinski 2003). Die
folgenden theoretischen sowie die anschließenden komparativen Betrachtungen sind
die Grundlage der Kategorien- und Hypothesenbildung des dritten empirischen Teils.
1.1. Allgemeine Einordnungen und Definitionen
1.1.1.
Printmedien und ihre Funktion
Zunächst erscheint es sinnvoll, die Boulevardpresse in den übergeordneten Zusam-
menhang der Printmedien einzuordnen. Allgemeine Definitionen, die für die Tageszei-
tung gelten, besitzen auch Definitionsanspruch für die Straßenverkaufszeitung, da
diese zu den Tageszeitungen gezählt wird. Volker Schulze (1993: 7) erläutert:
,,Die Zeitung ist ein in regelmäßiger Folge erscheinendes, grundsätzlich jedermann zu-
gängliches Medium, das aktuelle Informationen aus allen Lebensbereichen verbreitet."
Kriterien, die für jede Zeitung gelten, sind: Aktualität (ein zeitnahes Erscheinen zum
Nachrichtenereignis), Publizität (die Zeitung muss öffentlich und allgemein zugänglich
sein), Periodizität (sie muss regelmäßig erscheinen) sowie Universalität (sie muss ein
vielfältiges, gegenüber allen Themen offenes, inhaltliches Spektrum besitzen) (Schulze
1993: 7; Schaffrath 1998: 433). Diese Universalität in der Themenwiedergabe wird
allerdings nicht von allen Zeitungen gleichrangig in der Realität umgesetzt. Auf diesen,
auch mit den Boulevardzeitungen in Verbindung gebrachten, Punkt soll im Verlauf die-
ser Arbeit noch explizit eingegangen werden. Der Begriff der Tageszeitung setzt per
definitionem im Unterschied zur Wochenzeitung eine tägliche Erscheinungsweise vor-
aus.
9
Eine sehr praxisorientierte Annäherung an den Boulevardjournalismus bietet die Sage
Schreibe Werkstatt, in: journalist 6 / 2000. In diesem Sonderheft finden sich viele Meinungen
und Tipps von Praktikern und Medienwissenschaftlern für einen Einsatz boulevardesker Bericht-
erstattungsmuster auch in regionalen und nationalen Abo-Zeitungen. In der vorliegenden Arbeit
werden zwar einige Autoren dieser Sage Schreibe Werkstatt zu Wort kommen, es soll aber
eine umfassendere, theoretische Basis gesetzt werden.

TEIL 1: Strukturen, Spezifika und Trends im Boulevardjournalismus Diplomarbeit: Susanne Höke
______________________________________________________________________________________
18
Denis McQuail (1994: 14) hebt ähnliche Charakteristiken der Tageszeitung hervor:
,,[R]egular and frequent appearance, commodity form, informational content, public
sphere functions, urban, secular audience and relative freedom."
Interessant an dieser Beschreibung ist, dass auch Rezipienten und gesellschaftliche
sowie rechtliche Rahmenbedingungen (Pressefreiheit) miteinbezogen werden, wie es
auch in dieser Diplomarbeit geschehen soll.
Die Tageszeitung und somit auch die Boulevardzeitung fungiert in einer Doppelrolle
sowohl als Lesestoff als auch als Werbeträger. Im Laufe ihrer Geschichte haben sich
die Aufgaben und Bedeutungen der tagesaktuellen Printmedien deutlich gewandelt:
Während sie beispielsweise in den autoritären Systemen des 16. Jahrhunderts Staat
und Regierung unterstützen sollten, entwickelte sich bis zum Ende des 19. Jahrhun-
derts ein neues Verständnis der Presse als vierte Macht im Staat, die die Regierung
überwachen, informieren und nach der Wahrheit suchen soll (Dunnett 1988: 18 ff).
10
Die Zeitung dient der Information, Meinungsäußerung und Unterhaltung, sie beein-
flusst Kultur, Gesellschaft und damit verbunden die Meinungsbildung, und sie besitzt
eine öffentliche Aufgabe und Bildungsfunktion (vgl. Schulze 1993: 8 f.; Seymour-Ure
2001: 11 f.; Dunnett 1988: 35; Schaffrath 1998: 433).
11
Diese genannten Funktionen
sind je nach Zeitungstyp und Verbreitungsart anders gewichtet. So hat bei den Boule-
vardzeitungen die Unterhaltung eine besondere Bedeutung ­ ein Fakt, auf den in den
folgenden Ausführungen noch des Öfteren eingegangen wird (bspw.: 1.2.3.2.; 1.3.2.;
1.4.).
Die britische ,,Royal Commission of the Press" beschrieb die Funktionen und Aufgaben
der Presse im Jahr 1977 deutlich ausdifferenzierter (zitiert in: Williams 1998: 249):
Zum einen müsse sie informieren und Zusammenhänge interpretieren. Darüber hinaus
müsse die Presse über politische Missstände berichten, Machtkonzentrationen aufdek-
ken, die Kommunikation zwischen Gruppen der Gesellschaft vorantreiben, soziales
Verständnis und soziale Veränderungen darstellen sowie unterhalten. Jedoch würden
die erst genannten Funktionen vor dem Unterhaltungsaspekt die besondere Bedeutung
einer freien Presse in der Demokratie rechtfertigen.
12
Je nach Typ erfüllt die Tageszei-
tung andere Funktionen, spricht ein anderes Publikum an und wird von anderen Inten-
tionen des Herausgebers beeinflusst. Typologisch können Zeitungen in ihrer Erschei-
nungsweise (Tageszeitungen, Wochenzeitungen, Sonntagszeitungen), ihrer Vertriebs-
art (Abonnement, Straßenverkauf, Kiosk) und ihrem Verbreitungsgebiet (überregional,
regional) unterschieden werden (Schulze 1993: 39; Schaffrath 1998: 434).
10
Eine schlüssige Beschreibung bietet auch Stein Ringen (Auf: British Journalism Review Online
Vol. 14, No. 3 / 2003): ,,In an open and democratic society, the press has a job to do and is as
good as it does that job. [...]That job is to enlighten the public and to educate and entertain it.
It is to inform the political process. It is to serve as an arena of deliberation. It is to hold to an-
swer those who exercise power. Let us for simplicity say that the job has two elements, to in-
form the public and to scrutinise power."
11
Pürer und Raabe (1996: 316- 318) fassen in ihrem Überblick über die deutsche Presse die
Ergebnisse einer Studie von Petra E. Dorsch aus dem Jahr 1978 zusammen. Funktionen der
Tageszeitung seien demnach: Information, Service und Orientierungshilfe, kulturbildende und
rituelle Funktionen, Kommunikationsplanung, Integration im Alltagsleben, Identifikations- und
Sozialisationshilfe sowie Habitualisierung (Gewöhnung, bzw. Leser-Blatt-Bindung). In der vorlie-
genden Arbeit, die Boulevardpresse betreffend, sollen jedoch die zusammengefassten Funktio-
nen Information, Meinungsbildung und Unterhaltung eine übergeordnete Rolle spielen.
12
Boulevardzeitungen messen dem Unterhaltungsaspekt en gros mehr Bedeutung bei als Quali-
tätszeitungen (vgl. 1.2.3.).

TEIL 1: Strukturen, Spezifika und Trends im Boulevardjournalismus Diplomarbeit: Susanne Höke
______________________________________________________________________________________
19
Kernuntersuchungsobjekte der vorliegenden Arbeit sind die tagesaktuellen, überregio-
nalen Straßenverkaufszeitungen. Im deutschen Kontext werden dabei die Begriffe
,,Boulevardzeitung" oder ,,Straßenverkaufszeitung" verwendet, im britischen Kontext
,,Tabloid" oder ,,Popular Paper". Ist vom journalistischen Typus an sich die Rede, wird
losgelöst vom nationalen Kontext auf den Begriff der ,,Boulevardzeitung" zurückgegrif-
fen. Die britischen Tageszeitungen lassen sich in zwei Typen aufteilen: Die ,,Quality
Papers" oder ,,Broadsheets" sowie die ,,Popular Papers" oder ,,Tabloids" (vgl. Esser
1998: 139). ,,Broadsheet" und ,,Tabloid" bezeichnen zunächst das Format der jeweili-
gen Zeitungsgattung, die Broadsheets sind ungefähr doppelt so groß wie die Tabloids.
,,Quality Paper" und ,,Popular Paper" lassen von ihrer Begrifflichkeit erste Rückschlüsse
auf das Themenspektrum zu, auf welches im Folgenden noch explizit eingegangen
werden soll (Dunnett 1988: 102 ff.) Für die britischen Leser und Blattmacher beinhal-
tet die Aufteilung in Broadsheets und Tabloids bislang eben diesen unterschiedlichen
Anspruch in Inhalt und Funktion. Dadurch, dass mittlerweile aber auch typische
Broadsheets im Tabloidformat erscheinen, verwischt die traditionelle Distinguierung
(Tabloid = Boulevardinhalt) peu à peu (Esser 1999: 296; Esser 1998: 140; siehe aus-
führlich 1.5.1.3.). Andere Medienwissenschaftler nehmen eine weitere Aufsplittung
vor, indem sie britische Tages- und Sonntagszeitungen in die drei Kategorien ,,Quali-
ty", ,,Middle Market" oder ,,Popular Broadsheet" sowie ,,Mass Market" oder ,,Popular
Tabloid" unterteilen (Seymour-Ure 2001: 27; ausführlich 2.1.1.1.).
13
Die britischen
,,Popular Tabloids" (The Sun, The Daily Star sowie The Daily Mirror) werden aufgrund
ihres roten Titelkonterfeis auch ,,redtops" genannt (bspw.: Ringen, auf: British Journa-
lism Review Online Vol. 14, No. 3 / 2003).
1.1.2.
Definitionen Boulevardzeitung und Tabloid
Die Boulevardzeitung (englischer Begriff ,,Tabloid" s.o.) gehört zu den Tageszeitungen.
Sie unterscheidet sich von anderen regionalen oder überregionalen Tagespublikationen
vor allem durch die Verbreitungsart, da sie ausschließlich auf der Straße oder am Ki-
osk zu kaufen ist ­ daher die Bezeichnung Straßenverkaufszeitung (Meyn 2001:
107).
14
Andere vor allem in der Umgangssprache geläufige Begriffe für die Boulevard-
zeitung sind Klatsch- oder Sensationszeitung. In der vorliegenden Arbeit wird aber von
den Boulevardzeitungen oder Tabloids die Rede sein, da diese zwar tatsächlich häufig
über Klatsch und Sensationen berichten (1.3.), dies aber kein alleiniges Charakteristi-
kum darstellt, und die Bezeichnung ,,Boulevard" darüber hinaus weniger unterschwelli-
ge Wertungen enthält.
15
Die Verkaufsorientierung der Boulevardzeitung ­ im Gegen-
satz zu den Abonnementszeitungen, die die deutsche Presselandschaft dominieren
(2.1.1.3.) ­ bedingt ein auffälligeres Erscheinungsbild und eine intensivere Leseran-
sprache.
13
Die Begriffe ,,Tabloid" etc. wurden nur in dieser einführenden Beschreibung in Anführungszei-
chen gesetzt. Im Folgenden stehen die Qualities oder Broadsheets sowie die Populars oder Ta-
bloids nicht mehr in Anführungszeichen.
14
Der Begriff ,,Boulevardzeitung" hat seinen Ursprung bei den großen Boulevards des ausge-
henden 19. Jahrhunderts (Bsp. ,,Unter den Linden" in Berlin), denn hier wurden die ersten deut-
schen Straßenverkaufszeitungen verkauft (vgl. 1.2.1. und 2.3.1.)
15
Zu einer ausführlichen Einordnung der Boulevardpresse in den Zusammenhang der Populär-
Kultur-Forschung siehe Renger (2000). Ein Aufgreifen des kulturwissenschaftliches Ansatzes der
Boulevardberichterstattung liegt nicht im Hauptstudieninteresse der vorliegenden Arbeit.

TEIL 1: Strukturen, Spezifika und Trends im Boulevardjournalismus Diplomarbeit: Susanne Höke
______________________________________________________________________________________
20
Unverkennbare Charakteristika der Boulevardzeitungen und Tabloids sind die auffällige
Aufmachung, reißerische Überschriften, großformatige Fotos, Sex- und Grusel-, Pro-
minenten- und Skandalgeschichten (Meyn 2001: 107; ausführlich 1.2.3.).
Das Tabloid-Format liegt zwischen DIN A3 und DIN A4 und bezeichnete ursprünglich
Medizin in Tablettenform, die narkotisierend wirkte und leicht einzunehmen war. Da-
her wurde der Begriff ,,Tabloid" auf die einfach zu konsumierende und leicht verständ-
liche, unterhaltende Straßenverkaufszeitung übertragen (Esser 1999: 292). Der Be-
griff ,,Tabloid" bezeichnete bald nicht mehr alleinig das Format sondern auch den spe-
ziellen Inhalt, den journalistischen Stil, die Aufmachung und die soziale Schicht der
Leserschaft (vgl. Esser 1998: 140).
Boulevardzeitungen sind heute ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil der popu-
lären Massenmedien, da sie komplexe Mitteilungsstrukturen schnell, in knapper Form
und simultan an viele Rezipienten weitergeben (Seymour-Ure 2001: 7). In der vorlie-
genden Arbeit steht die tagesaktuelle Boulevardpresse im Blickfeld des Interesses.
Diese Printmedien unterscheiden sich von anderen boulevardesken, populären Zeit-
schriften-Printprodukten wie beispielsweise Goldenes Blatt, Gala oder OK! sowie Sonn-
tagstabloids wie News of the World oder Bild am Sonntag durch ihre tägliche Publikati-
on, ihr Layout, ihre Leser und auch durch ihr Themenspektrum.
Dulinski (2003: 91 ­ 99) unterscheidet populäre Printmedien darüber hinaus ob ihres
Grades an Sensationsbefriedigung. An der äußersten Peripherie des populären Journa-
lismus steht für sie (ebd.) die Sensationspresse, die sich von der Boulevardpresse da-
durch unterscheide, dass sie insbesondere auf Themen wie Sex, Kriminalität und
menschliche Tragödien setze, während sich der Boulevardjournalismus in erster Linie
auf Klatschgeschichten und Prominenz fokussiere. Sensationsjournalismus ist also
graduell negativer und sensationeller konnotiert. Da Sensations- und Boulevardpresse
in ihrer speziellen Art der Leseransprache, ihrer Aufmachung, Berichterstattung,
Marktorientierung und Bedeutung jedoch deutlich mehr Gemeinsamkeiten als eklatan-
te Unterschiede aufweisen, werden sie in dieser Arbeit synonym, ob ihrer ähnlichen
Bedeutung verwendet. Die mögliche Unterscheidung wurde an dieser Stelle einmalig
zur besseren Begriffsfestlegung angegeben.
1.1.3.
Einordnung in den Kontext der Printmedien
Wie bereits in 1.1.2. erwähnt, unterscheiden sich Boulevardzeitungen in ihrer Verbrei-
tungsart, ihrem Stil, ihren Themen und größtenteils auch in ihrer Leserschaft von an-
deren Zeitungen. Für die Straßenverkaufszeitungen hat dabei vor allem eine sensatio-
nalisierende, sofort ins Auge fallende Aufmachung der ersten Seite eine große Bedeu-
tung. Anders als bei anderen überregionalen und regionalen Zeitungen spielt das Le-
serbedürfnis sowie das übergeordnete Ziel der Boulevardzeitung, das Interesse des
Lesers für sich zu gewinnen eine noch prominentere Rolle, da letztendlich die verkauf-
te Auflage über die Existenz des Blattes entscheidet. Um dieses Leserinteresse zu
wecken, dramatisieren Boulevardzeitungen. Sie erkunden die Werte und Meinungen
ihrer Leser, so dass sie für ihre Rezipienten eine verlässliche und vorhersehbare Re-
zeptionsbefriedigung, sei es reine Unterhaltung, sei es die Befriedigung spezieller
emotionaler Bedürfnisse (Freude, Angst, Ekel usw.), bietet (Bird 1992: 202).

TEIL 1: Strukturen, Spezifika und Trends im Boulevardjournalismus Diplomarbeit: Susanne Höke
______________________________________________________________________________________
21
Während traditionelle Qualitätszeitungen den Leser über das informieren wollen, was
er ihrer Meinung nach wissen muss, wird die Massenboulevardzeitung vor allem durch
Marktbeobachtungen und Leservorlieben gesteuert und sieht sich als Sprachrohr des
Lesers, des so genannten ,,kleinen Mannes" (Seymour-Ure 2001: 263; siehe auch In-
terview Roycroft-Davis, 16.12.2003, A4; Interview Kai Diekmann, in: MediumMagazin
11 / 2003: 24).
Prägnantestes Charakteristikum ist der ökonomische Imperativ (siehe ,,d. For-
schungsmethode"), über den im Verlauf dieser Arbeit des Öfteren zu sprechen sein
wird. Natürlich beeinflussen finanzielle Interessen und Überlegungen alle Zeitungen.
Bei den Boulevardzeitungen sind aber Erfolg und Misserfolg anders als beispielsweise
bei den Abonnementzeitungen direkt mit dem täglichen Absatz, der täglichen Auflage
verbunden.
1.2. Entwicklung und Funktion der Boulevardzeitung
Im folgenden Abschnitt stehen allgemeine Entwicklungen und Funktionen der Boule-
vardzeitung im Blickfeld des Interesses. Voraussetzung für eine erfolgreich operieren-
de Boulevardpresse ist das Recht auf freie Meinungsäußerung, plurale Meinungen und
Einstellungen in der Gesellschaft sowie der Warencharakter von Nachrichten und In-
formationen (Dulinski 2003: 173). Diese Voraussetzungen der Entwicklung werden
sowohl in Großbritannien als auch in Deutschland erfüllt. Der direkte Vergleich beider
Boulevardzeitungsmärkte findet sich in Teil 2 dieser Arbeit, im Folgenden wird auf
Entwicklungen eingegangen, die allen tagesaktuellen Boulevardpublikationen gemein
sind.
1.2.1. Einordnung in den historischen Kontext
Voraussetzung und Vorläufer für das Entstehen einer Boulevardpresse war zunächst
die Entwicklung einer Massenpresse per se, die wiederum einherging sowohl mit der
Entwicklung neuer technischer Erfindungen als auch mit politischen und wirtschaftli-
chen Faktoren. Hingewiesen werden muss an dieser Stelle auf die Entwicklung des
Massenbegriffes zum Ende des 19. Jahrhunderts. Dieser ist wiederum eng verbunden
mit dem Entstehen einer Massenpresse als neuer Abgrenzung zu einer nur für be-
stimmte Bevölkerungsgruppen gedachten, elitären Oberschichtpresse (vgl. Williams
1998: 2 ff.). Die Massenpresse konnte nur durch technische Erfindungen und Neuent-
wicklungen wie eine Herstellungstechnik zur möglichst billigen Produktion großer Auf-
lagen entstehen, bzw. erfolgreich vertrieben werden.
Erstmalig wurde die Massenpresse nicht alleinig durch den Verkauf sondern auch
durch Anzeigen finanziert. Doch es gab weitere Faktoren, die das Entstehen einer
Presse für die Massen begünstigten: So war die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts
geprägt von umwälzenden Entwicklungen wie der voranschreitenden Urbanisierung,
der Industrialisierung, dem Ausbau der Verkehrswege und damit verbunden der Ge-
burtsstunde einer kommerziellen Presse, die das soziale Alltagsverhalten und die Rea-
litätswahrnehmung für immer beeinflusste und veränderte (Williams 1998: 11).

TEIL 1: Strukturen, Spezifika und Trends im Boulevardjournalismus Diplomarbeit: Susanne Höke
______________________________________________________________________________________
22
Hinzu kamen ein besserer Bildungszugang für große Teile der Bevölkerung, eine deut-
lich bessere Drucktechnik und niedrigere Papierpreise (Weischenberg / Altmeppen /
Löffelholz 1994: 67 f.).
16
Gesellschaftliche Entwicklungstendenzen wie die Kommerzialisierung und Entpolitisie-
rung werden ebenfalls erstmals Mitte und Ende des 19. Jahrhunderts wahrgenommen
und mit dem Entstehen einer sensationalistisch geprägten Massenpresse in Verbin-
dung gebracht.
17
Verbunden mit den bereits genannten Entwicklungen konnte die
Wirtschaft im 19. Jahrhundert expandieren, und größere Massen der Bevölkerung be-
saßen die finanziellen Mittel, sich eine, durch die verbesserte Drucktechnik deutlich
verbilligte Zeitung zu leisten.
Zum Ende des 19. Jahrhunderts entstanden in der Folge die ersten Pressekonzerne
(vgl. Schaffrath 1998: 437 ff.). Die Ursprünge einer sensationellen Boulevardpresse
finden sich in den USA: Um 1830 entstand hier die so genannte ,,Penny Press", die
erstmals für wenig Geld auf der Straße verkauft wurde und eine breit gefächerte An-
zahl von Rezipienten ansprach. Diese Billigblätter berichteten über lokale und sensa-
tionelle Nachrichten (Dulinski 2003: 74; vgl. auch Sparks 1999: 44).
18
In der Folge
entstand zu Beginn der 1890er in den USA der auf Sensationen und Skandale
ausgerichtete ,,Yellow Journalism".
19
Als erste mit den heutigen Tabloids und Boulevardzeitungen vergleichbare Publikation
gilt der Daily Mirror, der erstmals 1903 von Lord Northcliffe in Großbritannien heraus-
gebracht wurde. Es folgten zahlreiche weitere Massenblätter, die in den europäischen
Metropolen wie London, Paris und Berlin auf den Straßen, den Boulevards, zumeist
von Zeitungsjungen lauthals angepriesen und verkauft wurden (Esser 1999: 294; Du-
linski 2003: 103 ­ 166; ausführlich 2.3.1.1.).
Der amerikanische Journalist Joseph Medill Patterson lernte den Daily Mirror während
des 1. Weltkriegs kennen und gründete wenig später (1919) in New York die Illustra-
ted Daily News nach britischem Mirror-Vorbild. Doch auch wenn die USA als Ur-
sprungsland der Sensationspresse gelten: Eine täglich erscheinende Boulevardzeitung
gibt es hier heute, anders als in Großbritannien, Deutschland und anderen Ländern,
nicht mehr, sondern lediglich wöchentliche Supermarktboulevardzeitungen (Esser
1999: 295 f.). Resümierend kann mit den Worten Peter J.S. Dunnetts (1988: 6) fest-
gehalten werden: ,,The mass circulation newspaper is largely a twentieth-century
phenomenon."
16
1845 wurde die erste Rotationsmaschine in Betrieb genommen, 1884 revolutionierte die Lino-
type-Setzmaschine den massenhaften Druck von Printprodukten jeglicher Art.
17
vgl. zur Geschichte der Sensationspresse ausführlich Dulinski (2003: 103 ­ 166) sowie Ren-
ger (2000: 46 ­ 161). Das Phänomen der Entpolitisierung greift Humphreys (1996: 41) auf.
18
Die New York Sun (erstmals erschienen 1833) gilt als erste ,,Penny Paper" (vgl. Dulinski
2003: 74). Erwähnt werden müssen auch die sensationalistischen Zeitungen des Verlegers Ran-
dolph Hearst, die den amerikanischen Präsidenten McKinley in den Spanisch-Amerikanischen
Krieg zwangen. Weitere Sensationstitel der ersten Stunde waren die so genannten Titbits des
britischen Verlegers Lord Northcliffe und die amerikanische Publikation New York World des Ver-
legers Joseph Pulitzer (Dunnett 1988: 6).
19
Der ,,Yellow Journalism" steht chronologisch hinter der Ära der ,,Penny Press" und bezeichnete
ursprünglich eine gelbe Comicfigur im New York Journal des Verlegers William Randolph Hearst.
Allgemein gilt ,,Yellow Journalism" als Synonym für sensationalistischen, sehr auffälligen, auf
Klatsch und Katastrophen fixierten Journalismus (Dulinski 2003: 78; siehe auch Esser 1998:
60).

TEIL 1: Strukturen, Spezifika und Trends im Boulevardjournalismus Diplomarbeit: Susanne Höke
______________________________________________________________________________________
23
1.2.2. Allgemeine Ziele und Funktionen der Boulevardzeitung
Ulrike Dulinski (2003: 80) spricht in ihrer sehr ausführlichen Studie zur Sensations-
presse in Deutschland von einem Hauptziel von Printprodukten am äußeren Rand des
populären Spektrums: Der Sensationsbefriedigung einer großen Anzahl von Rezipien-
ten, d.h. Sensationalisierung. Kennzeichen dieser Sensationalisierung seien die opti-
sche Aufmachung, die Verzerrung von Nachrichteninhalten, die Oberflächlichkeit der
Darstellung sowie die Tendenz zur Serialisierung und die Human-Interest-Orientierung
(ebd.). Noch präziser und einfacher formuliert: Die Boulevardzeitung soll zunächst ins
Auge fallen, damit sie gekauft wird. Im Folgenden soll sie unterhalten, auf den Punkt
informieren und im Idealfall Gesprächsstoff für den Tag liefern (vgl. Philipps, in: Sage
Schreibe, journalist 6 / 2000: 15). Doch da dies zunächst nur Schlagwörter sind, soll
im Folgenden intensiver auf die Ziele und Funktionen von Boulevardzeitungen einge-
gangen werden.
Jim Marlow (In: Contemporary Politics, Vol. 8, No. 4 / 2002: 335) unterscheidet in
diesem Zusammenhang drei spezielle Charakteristika einer Boulevardzeitung: Zum
einen wollten Tabloids auf eine möglichst verständliche und einleuchtende Art und
Weise Fakten darstellen, zweitens wollten sie unterhalten und drittens moralisieren.
Auffällig ist bei diesen Charakterisierungen, dass sich keine trennscharfe Unterschei-
dung zu anderen Printprodukten vornehmen lässt. Wichtig ist alleinig die Tatsache,
dass sich Boulevardzeitungen und Qualitätszeitungen in ihrem Grad der Unterhaltung,
verständlicher Faktendarlegung und Informationswiedergabe unterscheiden. Die einzi-
ge der oben genannten Charakterisierungen, die bei Qualitätszeitungen keine eklatan-
te Rolle spielt, ist die des Moralisierens.
Einen besonderen Stellenwert in der journalistischen Boulevard-Darstellung besitzt der
Einsatz typischer Sprach- und Stilmuster, die Visualisierung von Informationen, die
emotionale Aufbereitung, die privatisierenden, personalisierenden Berichterstattungs-
muster und Themen und in ganz besonderem Maße die dominante Stelle des Lesers
(vgl. Bird 1992: 78; Dulinski 2003). Anschaulich fasst der derzeitige Chefredakteur
der Bild-Zeitung die Funktionen einer Boulevardzeitung zusammen. So muss eine gut
gemachte Straßenverkaufszeitung, nach Aussage Kai Diekmanns, ,,[...] den Leser in-
teressieren, packen fesseln. Das können klare Informationen zu politischen Themen
sein, aber auch völlig nutzwertfreie Geschichten." (In: MediumMagazin 11 / 2003: 24).
Die besondere Leseransprache der Boulevardzeitung soll in den folgenden Punkten
genauer definiert werden. Eine hilfreiche Einteilung der Funktionen von Boulevardzei-
tungen nimmt Jim Marlow vor (In: Contemporary Politics, Vol. 8, No. 4 / 2002), der
von den Boulevard-Dynamiken ,,Facticity" (Erwartungen des Lesers sollen erfüllt wer-
den ­ ein Netz aus Fakten, denen ein gemeinsames Weltbild und Verständnis zugrun-
de liegt, soll gewoben werden), ,,Entertainment" (der Leser erwartet von seiner Zei-
tung, unterhalten und erfreut zu werden), sowie ,,Moralising" spricht. Auf das Morali-
sieren als Ausprägung der Emotionalisierung wird nun explizit eingegangen.
1.2.2.1. Emotionalisierung
Eine erste auffällige Charakteristik boulevardesker Berichterstattung ist der hohe Grad
an Emotionalisierung, die erzähltheoretische Relevanz von Emotionen. Als wichtigstes
Werkzeug der Emotionalisierung und somit emotionalen Ansprache des Lesers nutzen
Boulevardzeitungen die Human-Interest-Orientierung.

TEIL 1: Strukturen, Spezifika und Trends im Boulevardjournalismus Diplomarbeit: Susanne Höke
______________________________________________________________________________________
24
Da dieser Begriff im Verlauf der vorliegenden Arbeit noch des Öfteren Verwendung
finden wird, soll er an dieser Stelle genauer definiert werden. Human-Interest-Themen
sind von ihrer Struktur her universell verständlich. Sie behandeln ­ wie der Name be-
schreibt ­ menschliche Interessen im Allgemeinen und fokussieren einen Themeninhalt
auf menschliche Aspekte, können daher meistens nicht trennscharf von anderen The-
men getrennt werden.
20
Oft zeichnen sich Human-Interest-Themen darüber hinaus
durch eine spezielle Narrationsstruktur aus, die ähnlich wie in der klassischen griechi-
schen Tragödie mit einem Schicksal beginnt, im Verlaufe der konfliktreichen Handlung
mit der Lösung des Problems endet, zuvor jedoch auf das Mitleiden des Rezipienten
zielt. Dulinski (2003: 84) beschreibt die Human-Interest-Story als Volkskultur, die
allgemeine Gefühle durch besondere Individual-Schicksale anspreche und personalisie-
re (vgl. auch Interview Uwe Zimmer, 5.3.2003, A41). Hier wird deutlich, dass die Tak-
tiken des Boulevardjournalismus ineinander greifen; auf den Aspekt der Personalisie-
rung soll im folgenden Punkt näher eingegangen werden.
Auffällig ist bei den Boulevardmedien darüber hinaus, dass sie Ereignisse in narrative
Strukturen überführen und somit den Text emotionalisieren. Dies bedeutet: Berichte in
Boulevardzeitungen sollen die Emotionen ihrer Rezipienten positiv oder negativ an-
sprechen. S. Elisabeth Bird (1992: 48 ­ 56) spricht in diesem Zusammenhang sehr
anschaulich von ,,uppers" und ,,downers": Typische ,,uppers" (positiv emotionalisie-
rend) sind beispielsweise niedliche Kindergeschichten aber auch katastrophale Erei-
gnisse mit plötzlichem Happy End und amüsante Tiersensationen. Typische ,,downers"
sind Geschichten über Familientragödien, Kindesentführungen etc. Hinzu kommen rei-
ne Unterhaltungs- und Ekelgeschichten. Christoph Simon, Chef vom Dienst der deut-
schen Bild-Zeitung, erläutert die besondere Bedeutung von Emotionalisierungen in
Boulevardzeitungen (Interview 4.3.2004, A16):
,,Es ist eine Grundvoraussetzung des Boulevards, dass man sicherlich die Geschichten
berichtet, die an irgendeiner Stelle emotionalisieren. Die Bild macht nicht auf mit 120
Zeilen trockener Analyse zu einem Wirtschaftsunternehmen, das verkauft wurde, oder
zu zwei großen Pharma-Unternehmen."
Die Fähigkeit zur Artikulation von Emotionen, einhergehend mit individualisierenden
Tendenzen, gewinnt in der modernen Welt an Bedeutung. In Boulevardzeitungen sind
Kummertanten wie ,,Dear Deidre" (Kolumne The Sun) gute Beispiele für diesen Trend,
im Fernsehen der immense Erfolg von Seifenopern. Diese emotionsbetonten Medienin-
halte, gepaart mit den Ratgeberrubriken, verändern die Selbst- und Fremdwahrneh-
mung der Rezipienten sowie die Darstellung und Artikulation von Emotionen, die so-
wohl in den Medien eine besondere Funktion erhalten, als auch die Emotionalität ihrer
Rezipienten beeinflussen (Curran / Seaton 1997: 255 f.; Renger, in Sage Schreibe,
journalist 6 / 2000: 8).
20
Siehe auch die Definition Ulrike Dulinskis (2003: 84): ,,Human Interest Stories sind thema-
tisch schwer einzugrenzen; es handelt sich bei ihnen vorzugsweise um amüsante, bewegende
oder außergewöhnliche Episoden, Vorfälle oder Erfahrungen von ganz normalen Menschen."
Human-Interest-Elemente sind für Siegfried Weischenberg (1990: 21 f.): Kuriosa, Konflikte,
Humor, Liebe und Sex, Romantik, Wissenschaft und Fortschritt, Spannung, Abenteuer, Sympa-
thie, Tragödie, Alter und Tiere.

TEIL 1: Strukturen, Spezifika und Trends im Boulevardjournalismus Diplomarbeit: Susanne Höke
______________________________________________________________________________________
25
Eine Gefahr kann in der Tatsache bestehen, dass nicht nur Human-Interest-
Geschichten sondern auch nachrichtliche Themen emotional und individualisiert jour-
nalistisch aufbereitet werden: Hintergründe werden zugunsten einer Fokussierung auf
spektakuläre und Aufsehen erregende Details vernachlässigt, die reine Information
wird durch die oftmals verzerrende Sensation verdrängt (vgl. 1.4.;1.5.1.; Lungmus,
in: jourmnalist 5 / 2004: 30).
Emotionale Berichterstattung bringt nicht per se einseitige und somit verzerrende Rea-
litätsdarstellungen mit sich. Dadurch, dass aber sowohl bei politischen und anderen,
als ,,hart" bezeichneten, Themen als auch bei ,,weichen" Themen emotionale Kompo-
nenten in den Vordergrund gestellt werden, besteht die Gefahr, dass eine umfassende
Informierung mit ihren detaillierten Hintergrundbeschreibungen zu kurz kommt, was
wiederum strukturelle Entpolitisierungs- und Moralisierungstendenzen zur Folge haben
kann.
21
Da die Medien im Allgemeinen und die Boulevardzeitungen im Besonderen eine Ver-
bindung zu ihren Rezipienten, respektive Käufern, aufbauen möchten, verwenden sie
nach Marlow (In: Contemporary Politics, Vol. 8, No. 4 / 2002: 340) einen ,,quasi-
moralistic tone that seeks both to persuade and to command a certain authority."
22
Durch diese moralische Meinungsführerschaft, die teilweise eine Tendenz des Predi-
gens erkennen lässt, erhofft sich das Boulevardmedium eine Bindung der Leserschaft.
Das Moralisieren soll beim Leser den Anschein erwecken, dass es die Zeitung ist, die
sich um die Belange des täglichen Lebens kümmert, der Realität quasi Strukturen ver-
leiht. Das Sorgen um eine Strukturierung von Realität ist jedoch nicht als edles, päd-
agogisches Anliegen zu betrachten, sondern ist häufig gepaart mit Neugier, Selbstin-
teresse und sogar Voyeurismus (ebd.: 340 ff.).
Doch wie findet diese emotionale Aufbereitung von Themen in Boulevardzeitungen
konkret statt? Zum einen versuchen die Massenpublikationen im alltäglichen Kampf
um den Leser, die Helden des Alltags, die freiwilligen Helfer und benachteiligten Men-
schen, die große Leistungen vollbringen, als Vorbilder darzustellen, um so den Leser
emotional zu berühren aber auch zu moralisieren (Bird 1992: 57). Zum anderen wer-
den menschliche Schicksale beschrieben, persönliche Erlebnisse geschildert und The-
men des Tages mit einer persönlichen Geschichte verwoben.
23
Deutlich wird: Emotionalisierende, moralisierende, privatisierende und personalisie-
rende Berichterstattungsmuster in Boulevardzeitungen sind nicht voneinander zu tren-
nen, sondern müssen in ihrer Gesamtheit ­ sowohl was ihre sprachliche und stilisti-
sche Konstruktion als auch ihre Funktion und Wirkung angeht ­ betrachtet werden.
Ein gutes Beispiel für dieses typische Boulevardberichterstattungsmuster sind die Bild-
Zeitung und ihre emotionale ,,Kampagne" (Interview Wassink, Deutscher Presserat,
26.2.2004, A32) gegen die türkische Schauspielerin Sibel Kekillis, deren Vergangen-
heit als Porno-Darstellerin nach dem Berlinale-Erfolgs ihres Filmes ,,Gegen die Wand"
von Deutschlands größter Boulevardzeitung mithilfe emotionalisierender Boulevard-
techniken ausgeleuchtet wurde.
21
Harte Meldungen (hard news) sind für Weischenberg (1990: 48) Nachrichten, bei denen der
Nachrichtenfaktor ,,Bedeutung" im Vordergrund steht, während bei den weichen Themen (soft
news) das Publikumsinteresse dominiert (siehe 1.3.1.1.).
22
Siehe vergleichend auch die Aussage Birds (1992: 78): ,,Tabloid content today presents a
picture of decent folk standing siege against an army bearing the standards of humanism, liber-
alism and loose morals."
23
Ein mögliches Beispiel: Politische Entwicklungen wie die Steuer- oder die Gesundheitsreform
werden anhand von Schicksalsgeschichten über kranke Menschen aufgegriffen, die Angst haben,
nun nicht mehr zum Arzt gehen zu können.

TEIL 1: Strukturen, Spezifika und Trends im Boulevardjournalismus Diplomarbeit: Susanne Höke
______________________________________________________________________________________
26
Bild wechselte im Zuge dieser Moralkampagne im Februar 2004 des Öfteren An-
sprechhaltung und Position: Sie moralisierte und klagte an, sie setzte aber auch auf
Mitleid. Sie schrieb über die unmoralische, verruchte Kekillis, auf der anderen Seite
wurde aber auch die Moralität Kekillis türkischer Eltern angeklagt. Kekillis wurde ob
ihrer Vergangenheit gerügt, in anderen Artikeln dagegen für ihre Tapferkeit gelobt.
Hensel, Knöfel, Mohr und Wolf (In: Spiegel 9 / 2004: 161) stellen in diesem Zusam-
menhang fest: ,,Auf dem Boulevard funktioniert die Mechanik der Scheinmoral noch
anstandslos."
24
Es kann nicht länger nur vom Moralisieren gesprochen werden, durch
die Interaktion verschiedener Wertvorstellungen sowie der ökonomischen Ausrichtung,
wird die Emotionalität der Boulevardzeitung vielerorts zur Scheinmoral.
Diese Boulevard-Mechanik beinhaltet jedoch diverse Faktoren, auf die im Verlauf die-
ser Arbeit noch häufiger ­ mit speziellem Interesse auf den internationalen Vergleich ­
eingegangen werden soll. Eine spezielle Charakteristik, die als Grundstruktur fest-
gehalten werden kann, ist der enge Zusammenhang zwischen Boulevardberichterstat-
tung und persönlicher, emotionalisierender Lesersprache sowie wertenden und morali-
sierenden Tendenzen, die insbesondere im internationalen Vergleich bedeutend sind,
da eben diese kulturstiftenden Werte nationale Besonderheiten und damit verbunden
auch Differenzen aufweisen.
1.2.2.2. Privatisierung und Personalisierung
Eng verbunden mit der Emotionalisierung in Boulevardzeitung sind die Privatisierung,
Personalisierung und Sensationsbefriedigung als publizistische Perspektive (vgl. Bird
1992: 59; vgl. auch Philips, in: Sage Schreibe, journalist 6 / 2000: 15). Nicht nur
die Beschreibung menschlicher Schicksale an sich, sondern vor allem das Ausleuchten
des Privatlebens von Stars besitzt einen besonderen Stellenwert in der boulevardesken
Berichterstattung.
25
Emotionalität und Privatisierung sind insofern miteinander verbunden, da durch die
Darstellung der persönlichen Geschichte, des persönlichen Schicksals, die Gefühlswelt
des Lesers angesprochen werden soll: Sei es Romantik (Bsp.: ein berühmtes Schau-
spielerehepaar heiratet), Zorn (Bsp.: Butler Paul Burrel schreibt ein enthüllendes Buch
über die von vielen Lesern verehrte Prinzessin Diana) oder Trauer / Bestürzung (Bsp.:
Sir Peter Ustinov ist gestorben). Impliziert wird die emotionale Anteilnahme und Be-
troffenheit des Lesers, in vielen Fällen jedoch vorrangig die Befriedigung menschlicher
Neugier.
S. Elisabeth Bird (1992: 49) gelangt in ihrer Analyse amerikanischer Supermarktta-
bloids zu dem überraschenden Ergebnis, dass die Leser trotz der Annahme, dass ne-
gative Schlagzeilen über Stars eine hohe Auflage versprächen, vermehrt positiv ange-
sprochen würden: Es würden weitaus weniger negative und schockierende Geschich-
ten aus dem Privatleben von Stars sowie Familientragödien berichtet als angenom-
men.
24
Hensel, Knöfel, Mohr und Wolf (In: Spiegel 9 / 2004: 160 - 162) gehen in ihrem Bericht aus-
führlich auf gesellschaftliche Moralvorstellungen sowie die Bild-Kampagne gegen Sibel Kekillis
ein.
25
So antwortet der Executive Editor der Sun, Chris Roycroft-Davis, auf die Frage, welche Titel-
geschichte die höchste Auflage verspreche: ,,The perfect front page story would be about a TV
star having sex with a footballer. Not her husband, I mean." (Interview 16.12.2003, A6).

TEIL 1: Strukturen, Spezifika und Trends im Boulevardjournalismus Diplomarbeit: Susanne Höke
______________________________________________________________________________________
27
Stattdessen griffen Boulevardzeitungen vermehrt private Geschichten, die positive
Emotionen ­ wie amüsante oder romantische Begebenheiten ­ hervorriefen, auf. Wie
bereits in 1.2.2.1. angesprochen, versucht insbesondere die personalisierte Berichter-
stattung in Boulevardzeitungen, den Leser direkt und persönlich anzusprechen. Dar-
über hinaus kann die zunehmende Personalisierung politischer Themen aber auch als
typisches Kennzeichen einer voranschreitenden Boulevardisierung in diversen Medien
angesehen werden.
So berichtet die Bild über den persönlichen Autokauf des deutschen Kanzlerpaares
Schröder unter dem Gesichtspunkt nationaler Interessen, bezieht die Autobauer in die
Berichterstattung mit ein und nimmt dieses Thema zum Anlass für einen Kommentar
zur Steuersenkung und zum Wirtschaftsstandort Deutschland (Abbildung 30;
vgl. Es-
ser 1999: 307).
Ein weiterer Aspekt der Personalisierung und Privatisierung in der journalistischen Be-
richterstattung ist, dass durch sie komplexe und unpersönliche Zusammenhänge auf
überschaubare Interaktionen reduziert werden und somit wiederum das Weltverständ-
nis des Lesers vereinfacht werden soll. Durch die Darstellung persönlicher Schicksale
wird ein klares Aktionsfeld mit personalisierten Individualbeziehungen und klar defi-
nierten Handlungsträgern geschaffen. Dem Leser wird ein personalisiertes Weltver-
ständnis ermöglicht, welches jedoch oftmals Nuancen ausklammert und somit Gefahr
läuft, die Realität zu verzerren (ausführlich 1.4.3.). Insbesondere im amerikanischen
Kontext sind die so genannten ,,Rags-to-Riches"-Stories ein gutes Beispiel für die sehr
persönliche Ansprache von Leserinteressen und -vorstellungen. Der Bericht über einen
armer Bürger, der plötzlich reich und / oder erfolgreich wird, spricht Leserträume an
(Bird 1992: 56 f.). Erfolgsgeschichten wie diese passen zwar besonders gut in die Tra-
dition des ,,American Dream", Casting-Phänomene wie ,,Deutschland sucht den Super-
star" (eine TV-Produktion, die aber auch von den Boulevardzeitungen gerne aufgegrif-
fen wurde und wird), zeigen aber deutlich, dass der Wunsch nach Ruhm und Erfolg,
gepaart mit finanziellem Wohlstand, auf der ganzen Welt zu den Träumen und Vorstel-
lungen vieler Menschen zählt.
Häufig werden Stars und Persönlichkeiten, aber auch ,,normale" Bürger in Boulevard-
zeitungen mit besonderen Beschreibungen, Abkürzungen und / oder Spitznamen ver-
sehen, um wiederum den Leser persönlich anzusprechen und eine gemeinsame Kom-
munikationsebene, also eine engere Leser-Blatt-Bindung, zu schaffen (vgl. Dulinski
2003: 93). So wurde aus dem Sozialhilfeempfänger, der in Florida finanzielle Unter-
stützung vom deutschen Staat bekommt, ,,Florida Rolf" und der Trainer der deutschen
Fußballnationalmannschaft Rudi Völler wird in der Bild oftmals ,,Tante Käthe" oder ein-
fach ,,Rudi" genannt. Ähnliches gilt für die britische Sun, die ihr liebstes Prominenten-
pärchen Victoria und David Beckham abwechselnd als Posh (Victorias Name als Mit-
glied der Girl Group ,,Spice Girls") und Becks oder als Paar auch als ,,Beckspice", bzw.
,,Spicehams" bezeichnet. Auch Namenskreationen wie diese sollen eine engere Bezie-
hung zwischen Leser und Publikation herstellen.
26
26
Zu den Namen-Wortspielen gehören aber auch Bezeichnungen für Dinge, wie beispielsweise
der von der Bild-Zeitung geprägte Begriff ,,Teuro" für die neue Währung Euro, durch die vieles
teurer geworden sei. Vgl. zur Boulevardberichterstattung über die angeblichen Affären des Fuß-
ballprofis Beckham sowie über die speziellen Tabloid-Strategien in Großbritannien: Schulz, in:
Spiegel 17 / 2004: 206 ­ 207.

TEIL 1: Strukturen, Spezifika und Trends im Boulevardjournalismus Diplomarbeit: Susanne Höke
______________________________________________________________________________________
28
So beschreibt Chris Roycroft-Davis von der Sun das Verhältnis seiner Zeitung zu den
Lesern wie folgt (Interview 16.12.2003, A4):
"We try to make the readers feel very special as if they are part of a great family. [...]
We don't talk down to them. We don't treat them as fools, and they know that we are
their big brother, always there to look after them. If they've got problems, they can look
to us to solve them. That is also reflected in our politics because we look after working
people ­ the little man we call him in England, the man who does his job, pays his taxes
but is, all in all, powerless against the big powerful council, the powerful government,
the police, the courts. So we try to stand up for the little people."
Diese pathetische Selbstbeschreibung einer Boulevardzeitung als ,,großer Bruder des
kleinen Mannes", der diesen vor dem großen, mächtigen Staat beschützen müsse, ist
natürlich sehr beschönigend und vor allem subjektiv. Roycroft-Davis' Aussage zeigt
aber dennoch sehr anschaulich, wie sich die Boulevardzeitungsmacher gern selbst se-
hen und beschreiben. Doch auch die Boulevard-Kritiker, die sich abfällig über die ein-
seitige Berichterstattung, die im Zusammenhang mit eben dieser strikten Leserorien-
tierung zugunsten des ,,kleinen Mannes" steht, äußern, werden im Verlauf dieser Ar-
beit noch des Öfteren Erwähnung finden (z.B. 1.4.3.). Das folgende Beispiel aus der
Praxis verdeutlicht abschließend noch einmal, wie Boulevardzeitungen Prominentenge-
schichten und persönliche Einstellungen miteinander vermischen und dabei personali-
sieren und emotionalisieren.
Abbildung 2: ,,Küblböck-Unfall"
Bild, Donnerstag, 26.10.2003
Wenige Tage nach dem Unfall
des ,,Deutschland-sucht-den-
Superstar"-Teilnehmers und
Teenie-Sängers Daniel Küblböck
mit einem Gurkenlaster erschien
in der Bild-Zeitung der neben-
stehende Artikel. Enthalten sind
neben den typischen Boulevard-
faktoren ,,Prominenz"
(Küblböck), ein ,,persönliches
Schicksal" (LKW-Fahrer) sowie
,,emotionale Schilderungen"
(Urban ist ,,bleich" und ,,weint").
Dieses Beispiel zeigt anschau-
lich, dass im Boulevardjourna-
lismus Emotionalisierungen und
Personalisierungen immer wie-
derkehrende, übergeordnete
Muster der direkten Leseran-
sprache darstellen.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783832486143
ISBN (Paperback)
9783838686141
DOI
10.3239/9783832486143
Dateigröße
29.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Leipzig – unbekannt, Kommunikations- und Medienwissenschaft
Erscheinungsdatum
2005 (März)
Note
1,9
Schlagworte
sensationspresse tabloid tageszeitung printforschung boulevardisierung
Zurück

Titel: "Love it or Loath it - you can't ignore it"  - Die tagesaktuelle Boulevardpresse in Grossbritannien und Deutschland
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
book preview page numper 22
book preview page numper 23
book preview page numper 24
book preview page numper 25
book preview page numper 26
book preview page numper 27
book preview page numper 28
book preview page numper 29
book preview page numper 30
book preview page numper 31
book preview page numper 32
book preview page numper 33
book preview page numper 34
book preview page numper 35
book preview page numper 36
book preview page numper 37
book preview page numper 38
book preview page numper 39
book preview page numper 40
book preview page numper 41
438 Seiten
Cookie-Einstellungen