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Erklärungsansätze für spekulative Blasen auf Aktienmärkten

Ein Vergleich

©2004 Diplomarbeit 116 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Gang der Untersuchung:
Irgendwann führen spekulative Blasen zu einem Crash, der die Wirtschaft eines Landes, einer Region oder gar der Weltökonomie stark beeinträchtigen kann. Deshalb wäre es wichtig, genau herauszufinden, wann sich eine spekulative Blase anbahnt, welche Effekte diese mit sich bringt und warum sie auftritt. Spekulative Blasen bringen eine hohe Schwankungsanfälligkeit der Aktienkurse mit sich, die das Vertrauen der Bürger in die Wirtschaft lähmt und somit das Wachstum und den Wohlstand reduziert.
Die Arbeit wird sich mit spekulativen Blasen auf Finanzmärkten, insbesondere auf Aktienmärkten beschäftigen. Das Ziel ist, den Leser in das Gebiet einzuführen und mehrere Theorieansätze aus der „rationalen“ und „irrationalen“ Perspektive zu präsentieren und zu vergleichen. Der Unterschied der Theorieansätze ist derjenige, dass die Ergebnisse aus einer rationalen und aus einer irrationalen Erwartungsbildung heraus abgeleitet werden können. Die meisten Ansätze der irrationalen Erwartungsbildung haben ihren Ursprung aus der Psychologie.
Deshalb kann man zum Stand der Forschung sagen, dass sich zwei wissenschaftliche Forschungsrichtungen entwickelten, die das Phänomen der spekulativen Blasen auf einer grundlegend verschiedenen Argumentationsbasis aus bearbeiten. Da spekulative Blasen immer von auf Aktienmärkten agierenden Menschen verursacht werden, ergibt sich der Unterschied der beiden Forschungsrichtungen aus der unterschiedlichen Annahme über die Denkweisen der Anleger. Die eine Richtung geht davon aus, dass der Mensch seine Umwelt stets kontrollieren kann, die andere Meinung verneint diese Annahme. In den 70er Jahren entwickelte sich die Forschungsrichtung des Behavioral Finance, die eine Schnittstellenfunktion zwischen den beiden Richtungen einnehmen versucht.
Es soll untersucht werden, ob psychologische Theorien geeigneter sind als rationale Ansätze, spekulative Blasen auf Aktienmärkten zu erklären. Rationale Ansätze nehmen an, dass der Mensch sich wie ein „homo oeconomicus“ verhält und stets die optimale Investitionsentscheidung trifft. Irrationale Ansätze räumen dem Menschen Fehler bei den Entscheidungsprozessen ein.
Diese Arbeit versucht auch einen Beitrag zur Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Psychologie und Ökonomie zu leisten, indem Denkanstöße für einen interdisziplinären Ansatz geleistet werden sollen.
Zuerst wird ein historischer Überblick über die wichtigsten spekulativen Blasen und Crashs aus der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

ABBildungsverzeichnis

SYMBOLVERZEICHNIS

1 Einleitung
1.1 Problemdefinition
1.2 Ziel der Arbeit
1.3 Vorgehensweise

2 Spekulative Blasen und Crashs
2.1 Die Geschichte der spekulativen Blasen
2.1.1 Das Mittelalter und die Tulpenmanie (1634-1637)
2.1.2 Die Mississippi Spekulationsblase und der Crash an der Wallstreet von 1929
2.1.3 Der Börsencrash von 1987 und die Japan Euphorie
2.1.4 Die Internetblase im Jahre 1999/2000
2.2 Spekulative Blasen und Crashs – Definition, Erklärung und Typisierung
2.2.1 Definition einer spekulativen Blase
2.2.2 Der Begriff der Spekulation
2.2.3 Marktteilnehmer
2.2.4 Charakteristika, Ursachen und Wirkungen von spekulativen Blasen
2.2.5 Positive Effekte von spekulativen Blasen
2.2.6 Zwischenfazit

3 Ökonomische Erklärungsansätze
3.1 Theorie der rationalen Erwartungen
3.2 Effizienzmarkthypothese
3.2.1 Definition
3.2.2 Schwache Markteffizienz
3.2.3 Mittelstarke Markteffizienz
3.2.4 Starke Markteffizienz
3.2.5 Zwischenfazit
3.3 Theorie der rationalen spekulativen Blasen
3.3.1 Deterministische und stochastische rationale Blasen
3.3.2 Agencyinduzierte rationale Blasen
3.3.3 Noise und Positive Feedback Trading
3.4 Einfluss von Termingeschäften

4 Die Psychologie der spekulativen Blasen
4.1 Das ökonomische Menschenbild und seine Erwartungen in der Psychologie
4.2 Ansätze des Behavioral Finance
4.3 Psychologische Erklärungsansätze
4.3.1 Verhaltensanomalien
4.3.1.1 Overconfidence
4.3.1.2 Framing
4.3.2 Urteilsheuristiken
4.3.2.1 Repräsentativitätsheuristiken
4.3.2.2 Verfügbarkeitsheuristiken
4.3.2.3 Mental Accounting
4.3.3 Konzept der Wahrnehmungsschwellen und Klassifikationsprozesse
4.3.4 Konsistenztheorien
4.3.4.1 Balancetheorie
4.3.4.2 Theorie der kognitiven Dissonanz
4.3.5 Gruppentheorien und Herding
4.3.6 Lerntheorien
4.3.6.1 Klassische Konditionierung
4.3.6.2 Operante Konditionierung
4.3.6.3 Kognitives Lernen
4.3.7 Motivation, Emotion und Stimmungen
4.4 Ein Erklärungsansatz für spekulative Blasen mittels Verknüpfung psychologischer Faktoren
4.5 QME-Modell der spekulativen Blasen
4.6 Zwischenfazit

5 Zusammenfassung

LITERATURVERZEICHNIS

ANHANG

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Wallstreet Crash 1929

Abbildung 2: Japaneuphorie an der Börse

Abbildung 3: Kursentwicklung der Morphosys AG

Abbildung 4: Börsenemissionen von Internetfirmen

Abbildung 5: Kursentwicklung des NEMAX 03.97-09.01 / NASDAQ 01.97-07.01

Abbildung 6: Kursentwicklung Nanogen Inc. auf der Basis von einem Jahr

Abbildung 7: Charakteristische Merkmale der Börsenteilnehmer

Abbildung 8: Wertfunktion der Prospect Theory

Abbildung 9: Konzept der Wahnnehmungsschwellen/Klassifikationsprozesse

Abbildung 10: Theorie der negativen ersten Ableitung

Abbildung 11: Zuordnung psychologischer Faktoren zur stabilen Phase

Abbildung 12: Die euphorische Phase

Abbildung 13: Panische Phase

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Problemdefinition

Spekulative Blasen auf Aktien- oder Gütermärkten traten schon im Mittelalter auf. Durch alle Epochen hindurch konnte man sie beobachten. Der Wallstreet Crash 1929 verursachte durch das „Platzen“ einer spekulativen Blase die vielleicht größte finanzielle Katastrophe der Neuzeit. Es wird sogar behauptet, dass der Wallstreet Crash maßgeblichen Einfluss auf die damaligen politischen Umstände hatte, die letztlich zum zweiten Weltkrieg führten. Schon Schumpeter stellte fest, dass das Spekulationsfieber zu einem Ausbruch von Wirtschaftskrisen führen kann.[1] Diese Krisen können zu „Wendepunkten der wirtschaftlichen [und der politischen Entwicklung] werden“.[2] In der Vergangenheit hat man immer wieder beobachtet, dass nach dem Platzen einer spekulativen Blase eine oder mehrere Volkswirtschaften in eine Rezession gerieten. Aufgrund dessen ist es wichtig, sich mit diesem Thema zu beschäftigen.

Es hat sich gezeigt, dass Anleger nicht fähig ist, von Crashs zu lernen. Immer wieder wurden die Preise von Wertpapieren weit von ihrem fundamental gerechtfertigten Wert getrieben. Dabei ähneln sich die meisten spekulativen Blasen von ihren Charaktereigenschaften her sehr. Schon Petracyzki (1906) entdeckte, dass nicht nur Laien preisliche Über- oder Untertreibungen verursachen, sondern auch die bürgerliche Schicht mit dem höchsten Bildungsniveau. Dies zeigt, dass sich die Anleger durch alle Bildungsschichten hindurch irrational verhalten.

Bis heute ist nicht klar, ob rationales oder irrationales Verhalten der Investoren spekulative Blasen auf Aktienmärkten verursacht. Man kann auch nicht klar sagen, was für Konsequenzen sie hervorbringen, wann sie z.B. platzen und wie hoch das Ausmaß der Kursrückgänge ist. Eine Erklärung ist also immer nur ex post möglich.

1.2 Ziel der Arbeit

Irgendwann führen spekulative Blasen zu einem Crash, der die Wirtschaft eines Landes, einer Region oder gar der Weltökonomie stark beeinträchtigen kann. Deshalb wäre es wichtig, genau herauszufinden, wann sich eine spekulative Blase anbahnt, welche Effekte diese mit sich bringt und warum sie auftritt. Spekulative Blasen bringen eine hohe Schwankungsanfälligkeit der Aktienkurse mit sich, die das Vertrauen der Bürger in die Wirtschaft lähmt und somit das Wachstum und den Wohlstand reduziert.

Die Arbeit wird sich mit spekulativen Blasen auf Finanzmärkten, insbesondere auf Aktienmärkten beschäftigen. Das Ziel ist, den Leser in das Gebiet einzuführen und mehrere Theorieansätze aus der „rationalen“ und „irrationalen“ Perspektive zu präsentieren und zu vergleichen.[3] Der Unterschied der Theorieansätze ist derjenige, dass die Ergebnisse aus einer rationalen und aus einer irrationalen Erwartungsbildung heraus abgeleitet werden können. Die meisten Ansätze der irrationalen Erwartungsbildung haben ihren Ursprung aus der Psychologie.

Deshalb kann man zum Stand der Forschung sagen, dass sich zwei wissenschaftliche Forschungsrichtungen entwickelten, die das Phänomen der spekulativen Blasen auf einer grundlegend verschiedenen Argumentationsbasis aus bearbeiten. Da spekulative Blasen immer von auf Aktienmärkten agierenden Menschen verursacht werden, ergibt sich der Unterschied der beiden Forschungsrichtungen aus der unterschiedlichen Annahme über die Denkweisen der Anleger. Die eine Richtung geht davon aus, dass der Mensch seine Umwelt stets kontrollieren kann, die andere Meinung verneint diese Annahme. In den 70er Jahren entwickelte sich die Forschungsrichtung des Behavioral Finance, die eine Schnittstellenfunktion zwischen den beiden Richtungen einnehmen versucht.

Es soll untersucht werden, ob psychologische Theorien geeigneter sind als rationale Ansätze, spekulative Blasen auf Aktienmärkten zu erklären. Rationale Ansätze nehmen an, dass der Mensch sich wie ein „homo oeconomicus“ verhält und stets die optimale Investitionsentscheidung trifft. Irrationale Ansätze räumen dem Menschen Fehler bei den Entscheidungsprozessen ein.

Diese Arbeit versucht auch einen Beitrag zur Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Psychologie und Ökonomie zu leisten, indem Denkanstöße für einen interdisziplinären Ansatz geleistet werden sollen.

1.3 Vorgehensweise

Zuerst wird ein historischer Überblick über die wichtigsten spekulativen Blasen und Crashs aus der Vergangenheit gezeigt. Ausführlicher wird auf die Interneteuphorie Ende der neunziger Jahre eingegangen. Anschließend werden die allgemeinen Ursachen, Charaktereigenschaften und Wirkungen erläutert. Ausgehend von dem Prinzip der rationalen Erwartungen werden Erklärungsansätze vorgestellt und diskutiert.

Im zweiten Teil der Arbeit werden Ansätze und Theorien vorgestellt, die aus der Sozialpsychologie und Soziologie stammen und das Postulat der rationalen Erwartungen aufgeben. Sie beschäftigen sich mit dem einzelnen Individuum. Es soll gezeigt werden, aus welchen psychologischen Elementen sich irrationale Erwartungen ergeben. Schließlich werden noch einige Vorschläge gezeigt, wie spekulative Blasen verhindert werden können.

2 Spekulative Blasen und Crashs

Dieses Kapitel ist in zwei Unterkapitel aufgeteilt. Zum einen wird die Historie der spekulativen Blasen kurz vorgestellt, und zum anderen Definitionen, typische Charaktereigenschaften, Ursachen und Wirkungen erläutert und diskutiert. Kurz wird darüber berichtet, warum es kontroverse Meinungen über die Wirkungen von spekulativen Blasen gibt.

2.1 Die Geschichte der spekulativen Blasen

Spekulative Blasen (SB) (auf Immobilienmärkten) wurden schon im antiken Athen beobachtet. Im Jahre 333 v. Chr. sollen die Preise von Land und Gebäuden um ein vielfaches angestiegen sein.[4] Es gibt jedoch zu wenige Informationen, um darüber ausführlicher zu berichten. Daher wird das 16. Jahrhundert den zeitlichen Beginn der Historie machen. Die älteste gut archivierte Spekulationsblase wurde 1557 durch das Haus Habsburg initiiert, als Zins- und Tilgungszahlungen der Staatsanleihen nicht mehr bedient werden konnten.[5]

2.1.1 Das Mittelalter und die Tulpenmanie (1634-1637)

Die Tulpenmanie in den Niederlanden ist die älteste gut dokumentierte SB. Sie entwickelte sich während des 30-jährigen Krieges, als die Niederlande eine große Handelsflotte war und zu den reichsten Nationen der Erde gehörte. Amsterdam besaß die bedeutendste Börse der Welt. Im 16. Jahrhundert wurde die Tulpe das erste Mal nach Westeuropa importiert, wo besonders hierzulande der Handel mit Tulpenzwiebeln florierte. Bald entstand ein gut funktionierender Tulpenmarkt.[6] Dieser wurde 1634 für jedermann geöffnet, vorher durften nur professionelle die Zwiebeln züchten.[7] Als es schick wurde, Kleider mit Tulpen zu schmücken, zog die Nachfrage sehr stark an. Tulpenzwiebeln wurden fortan als attraktive Geldanlage angesehen und sogar als Statussymbol verehrt. Man glaubte, mit diesen Pflanzen höhere Anerkennung bei der Gesellschaft zu erlangen, weshalb man sich für den Erwerb um jeden Preis bemühte.[8] Ab 1636 handelten auch die niedrigen Einkommensschichten mit den Tulpenzwiebeln. Die Tulpenpreise stiegen durch das Engagement immer größerer Investorengruppen fortlaufend an. Die Spekulation war positiv mit dem Ausmaß der Pest korreliert. Dies zeigt, dass die Menschen ein hohes Risiko in Kauf nahmen, um reich zu werden und sich ein besseres Leben zu erkaufen. Fortan entstand eine Masseneuphorie, weil man an schnellen Reichtum glaubte.[9] Gegen Ende der SB basierten Handelsvereinbarungen auf Termingeschäften, welche zwar verboten waren, aber strafrechtlich nicht verfolgt worden sind. Dadurch beschleunigten sich die Preisschwankungen (Volatilität) der Tulpenzwiebeln. In der höchsten spekulativen Phase zu Beginn des Jahres 1637 wurde jede Tulpe unabhängig von der Qualität verkauft, den Rekordpreis erzielte eine Tulpe des Typs „ Admirael van der Eyck “ in Höhe von 244.000 US$ (umgerechnet in heutigen Preisen). Durch ein ausgeübtes Termingeschäft bezahlte ein Händler für eine Tulpe 12 Hektar Land der Stadt Haarlem, oder es wurden drei seltene Zwiebeln gegen eine Brauerei getauscht. Verglichen mit den Crashs des 20. Jahrhunderts hatte die Tulpenmanie einen besonders irrationalen Verlauf, weil sich die Manie auf Wertgegenstände mit einem relativ kurzfristigen Verfallsdatum bezog.[10] Bald brach der Markt zusammen und ließ die Preise für Tulpen dramatisch fallen.

Es ist in diesem Fall nicht unumstritten, ob sich die Menschen irrational verhielten. Manche behaupten, dass die ausgefallenen Tulpen derart hohe Preise fundamental gesehen rechtfertigten und dass dies mit den Preisen heutiger Gemälde von z.B. von van Gogh oder Picasso vergleichbar ist. Aufgrund dessen, dass Tulpen nicht unendlich haltbar sind, ist dieses Argument zu verneinen.

2.1.2 Die Mississippi Spekulationsblase und der Crash an der Wallstreet von 1929

Die Mississippi – und die Südsee Spekulationsblase ereigneten sich im 18. Jahrhundert. Unter der Mississippi Spekulationsblase versteht man die Versuche eines Herrn John Law, im 18. Jahrhundert durch die Ausgabe von Papiergeld die Wirtschaft Frankreichs anzukurbeln. Eine SB entstand mit neu emittiertem nicht gedecktem Geld, welches von den Anlegern zur Bezahlung von neuen Aktien, die dieser zur Erweiterung seiner Unternehmungen ausgab. Anfangs stiegen die Aktienpreise auf das zwanzigfache, später kam es zu einem Crash, weil Anleger die Aktien in Gold tauschen wollten.[11]

Die Südsee Spekulationsblase entwickelte sich 1720 in Großbritannien, wo ähnliche Versuche unternommen wurden, die Staatsschulden zu konsolidieren. Ein Unternehmen mit dem Namen South Sea Company wurde beauftragt, diese zu refinanzieren. Die Firma gab Aktien aus, und machte unrichtige Versprechungen, hohe Dividenden zu bezahlen. Fälschlicherweise gab man an, dass der Handel mit Sklaven zu spanischen Kolonien wirtschaftlich attraktiv war. Anfangs wurden die versprochenen Erträge auch ausgezahlt, was auf das Ponzi-Schema zurückzuführen ist.[12] Hierbei gibt es einen Unternehmer, der entweder von einer Geschäftsidee überzeugt ist oder ein bewusster Betrüger. Er wirbt für sein Projekt, um Anleger zu gewinnen. Die ersten Anleger erhalten ihre erwarteten Erträge durch die Einlagen der hinzukommenden Kunden. Dadurch wird das Projekt künstlich attraktiv gemacht, obwohl es real gesehen keine exorbitanten Erträge abwirft. Das System bricht zusammen, wenn keine neuen Anleger hinzukommen. Dieses Schema führt zwangsläufig zu einer spekulativen Blase. Der Aktienkurs der Südseegesellschaft stieg von 100 auf 1050, was nur auf die Handelsphantasie in der Südsee zurückzuführen war. Die Gesellschaft verbuchte in ihrem 140-jährigen Geschäft nie besonders nennenswerte operative Gewinne. Als die tatsächlichen wirtschaftlichen Zustände der Gesellschaft aufgedeckt wurden, kam es sofort zu hohen Kursverlusten.

Den Börsencrash von 1929 an der New York Stock Exchange ging als „schwarzer Freitag“ in die Börsengeschichte ein. Nach dem 1. Weltkrieg gab es einen großen wirtschaftlichen Aufschwung. In den 20er Jahren wuchs der Wohlstand in den USA durch die Innovationen Automobil, Radio und elektrische Anlagen.[13] In der Zeit von 1921-1929 stieg die Industrieproduktion jährlich um 4%, ständig entstanden neue Wirtschaftszweige.[14] Dadurch stieg auch die Spekulation auf den Aktienmärkten an. Neue Technologien und Managementmethoden erzeugten eine Euphoriewelle; der Glaube auf schnellen Wohlstand stieg. Zwischen 1922-1927 stiegen die Dividenden sowie die Aktienpreise stark an.[15] Die positive Korrelation von Dividenden und Aktienpreisen ist ein Indiz für einen auf fundamentale Daten zurückzuführenden Börsenaufschwung.

Ab 1928 endete diese gleichgerichtete Bewegung, denn die Kurse stiegen schneller als die Dividenden. Die Arbeiterschicht und die Mittelschicht gehörten bald auch der Anlegerschicht an. Zwischen 1925 und 1929 verdoppelte sich die Anzahl der Aktien an der New Yorker Börse. Ein weiterer Grund für den damaligen Aktienboom war die lockere Kreditvergabe der Geschäftsbanken an die privaten Anleger. Mitte der 20er Jahre konnten die Anleger in den USA immer leichter an Maklerbarkredite herankommen. Damit begann die Zeit der kreditfinanzierten Aktienkäufe. Empirisch konnte man nachweisen, dass es auch einen gleichgerichteten Lauf zwischen Aktienmarkt-Index und Kreditvergabevolumen gab. Dann wurde die Kreditvergabe durch die Erhöhung der Zinsen der Zentralbank der USA erschwert; jedoch stiegen die Kurse immer weiter. An jenem schwarzen Freitag, den 25. Oktober 1929, kam es zu einem abrupten Rückgang der Aktienkurse. Zwischen dem 23. und den 29. Oktober verlor der Dow Jones Index ca. 25% seines Wertes.[16] Am 29. Oktober 1929 wurden 12 Millionen Aktien gehandelt.[17] 1932 verlor der Index in Relation zum Höchstkurs 1929 über 41%. Der Tiefstkurs lag 90% unter dem damaligen Höchstkursen. Einige Historiker glauben, dass dieser Crash indirekt verantwortlich war für den 2. Weltkrieg. Hiermit soll verdeutlicht werden, welche schweren politischen Folgen spekulative Blasen mit sich bringen können.

Bis heute kann nicht eindeutig gesagt werden, ob es sich um eine SB handelte, weil es aufgrund der Datenlage von 1928-1929 unmöglich ist, diese Entwicklungen in ein Modell zu legen und eine SB abzuleiten.[18] Dennoch kann man durch qualitative Indikatoren heute gut abschätzen, ob der Markt von irrationalem Verhalten „befallen“ wurde. Verglichen mit der Tulpenmanie investierten gegen Ende des Booms selbst Laien in Aktien. Das ist eine wichtige Beobachtung, denn diese entfacht die Diskussion, ob eine SB durch das Eindringen von unprofessionellen Anlegern in die Märkte zum Platzen gebracht wird und einen Crash einläutet. Vor diesem Aktienboom wurde in der Literatur behauptet, dass die Anleger mit der höchsten Bildung in SB involviert sind.[19]

Einige behaupten, dass das Management die Aktien als überbewertet ansah und deshalb die Dividenden nicht erhöhte. Fortan gab es keinen Gleichlauf zwischen Aktiekursen und Dividenden, was „der Markt irgendwann bemerkte“ und eine Verkaufswelle auslöste. Das würde heißen, dass aus fundamentalen rationalen Überlegungen ein Crash entstand.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Wallstreet Crash 1929

2.1.3 Der Börsencrash von 1987 und die Japan Euphorie

Seit den 80er Jahren kam es weltweit zu Kurssteigerungen an den Aktienmärkten, historische Höchstkurse wurden erreicht. Der japanische Nikkei Index z.B. konnte sich in 7 Jahren vervierfachen, der Dow Jones Index verdreifachte sich im Zeitraum 1980-1987.[20] Bis Mitte Oktober 1987 stiegen die Kurse an, wobei die Anleger optimistische Zukunftserwartungen pflegten.

Am „schwarzen Montag“, den 19.Oktober 1987 ereignete sich der weltweite Crash an den Börsen. In den ersten 3 Quartalen 1987 war die Unsicherheit über die künftige wirtschaftliche Entwicklung in den westlichen Industriestaaten groß.[21] Die Spekulation auf Wechselkurse, Zinsen und Unternehmensdaten hatte ein hohes Ausmaß angenommen. Die Gründe waren starke Leistungsbilanzungleichgewichte, „ stärker werdende protektionistische Tendenzen, ungelöste Verschuldungsprobleme, […] Unsicherheit über die Rohölversorgung und zunehmende Inflationserwartungen“. Besonders hervorzuheben sind die außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte. Die USA wies z.B. ein Leistungsbilanzdefizit von 3,65% des Bruttoinlandsproduktes auf. Deutschland und Japan hatten starke Leistungsbilanzüberschüsse. Die terms of trade, d.h. die Relation von Ausfuhrpreisen zu Einfuhrpreisen, hatte sich in den USA verschlechtert, was abermals das Leistungsbilanzdefizit erhöhte. Der Dollar wertete in den Jahren 1985/86 stark ab, wodurch die Exporte der USA zunahmen und das Leistungsbilanzdefizit zurückging. Mit dem Louvre-Akkord von 1987 sollten die Ungleichgewichte der Weltwirtschaft reduziert werden, der Dollar sollte ein Niveau von

1,80 DM -1,85 DM pro US$ erreichen. Trotz dieser Vereinbarungen von 1987 fiel der Dollar in den darauf folgenden Monaten auf einen historischen Tiefsstand von 1,58 DM. Diese hohe Volatilität an den Devisenmärkten erwies sich ex post als Indikator für die Entwicklungen an den Aktienmärkten.

Im Sommer 1987 stiegen die Leitzinsen, jedoch stiegen die Aktienkurse wider Erwarten weiter. Als die Notenbank der USA die Zinsen aufgrund der deutschen Bundesbankpolitik abermals anhob, sanken die Kurse rapide. Am 12.10 – 16.10.1987 wurden die stärksten Kursrückgänge gemeldet. Am 19.Oktober verlor der Dow Jones Index 22,6% seines Wertes bei einem Umsatz von 604 Millionen Aktien, was damals 500 Indexpunkten entsprach. Der S&P 500 verlor sogar 30% seines Wertes.

Verglichen mit dem „schwarzen Freitag“ von 1929 war dieser Rückgang an einem Tag etwa doppelt so hoch. Insgesamt betrugen die Kursrückgänge 36% verglichen mit dem Höchstkurs vom 19.Oktober 1987. Der deutsche Aktienindex verlor in wenigen Wochen ein Drittel seines Wertes. Als Gründe wurden die hohe Auslandsabhängigkeit der deutschen Wertpapiermärkte, kurze Erfüllungsfristen bei Wertpapiertransaktionen und fehlende Terminmärkte genannt.

Die Ausmaße des Crashs verglichen mit 1929 waren für die Realwirtschaft deutlich geringer.[22] Nach dem Börsenkrach konnte 1989 der Dow Jones Industrial Average die Kursverluste von 1987 bereits aufholen. Der Crash war ex post gesehen ein Produkt überzogener Erwartungen.

Er war auch das Produkt der negativen Effekte aus den Geschäften mit Derivaten. Damals waren Instrumente wie das delta hedging, index arbitrage und die p ortfolio insurance neue Errungenschaften in der Theorie, welche eine Anwendung auf den Kapitalmärkten fanden. Bei einer portfolio insurance z.B. kann man das Verlustpotential eines Portfolios begrenzen wenn man neben der Longposition in Wertpapieren auch mehrere Put Optionen dieser Wertpapiere eingeht. Bei fallenden Kursen kann man die den Put long ausüben oder es findet ein Netting zwischen Put Gewinn und Aktienverlust statt.[23] Man argumentiert, dass sich in dieser Zeit die Finanzmärkte durch Finanzinnovationen zu stark verändert haben.[24] Das Problem war also, dass man es nicht rechtzeitig geschafft hatte, die Finanzmärkte aufgrund der rapiden Veränderungen effizient neu zu regulieren und zu strukturieren.

Ein gutes Beispiel sind Indexkontrakte, mit denen man mit einem relativ geringen Einsatzbetrag in milliardenschweren Aktienkontrakten spekulieren konnte.[25] Diese Finanzinnovationen mussten zu 5% gedeckt sein, war das nicht der Fall, wurden die Engagements zwangsläufig verkauft. Weil in dieser Zeit sehr viele Anleger die Deckungsbeiträge nicht einbrachten, kam es zu massiven Verkäufen. Der andere Grund waren Leerverkäufe, die dazu führten, dass bei immer weiter fallenden Kursen immer mehr Kontrakte verkauft wurden.

Die Japaneuphorie erlebte ihren Höhepunkt in Jahre 1990. Zwischen 1955 und 1972 erlebte die japanische Wirtschaft eine Hochwachstumsphase. Auch in der Zeit des Ölpreisschocks zwischen 1973 und 1974 konnten dank der hohen Anpassungsfähigkeit stetige Wachstumsraten erreicht werden.[26] Aktienkurse und Immobilienpreise bauten auf zukünftigen Ertragserwartungen auf und erreichten extrem hohe Werte.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Japaneuphorie an der Börse

1990 kam es zu starken Kurseinbrüchen an der Börse in Tokio. In 10 Jahren verlor der Index 30.000 Punkte bei einem Höchststand von 40.000 Punkten 1990.[27]

2.1.4 Die Internetblase im Jahre 1999/2000

Die Internetblase ereignete sich im Jahre 1999/2000 und wurde als „ TMT-Bubble “ bezeichnet. Sie entwickelte sich durch starke Kurszuwächse von Aktien der Telekommunikationsbranche, „.com“ Internetfirmen aus Nordamerika, Medien-, Biotechnologie- und Technologiebranche. Basis der spekulativen Blase war die damals neue Kommunikationstechnologie Internet. Der damalige Neue Markt Index NEMAX-all-share stieg während der Euphorie von 500 auf 9000 Punkte an. Ab März 2000 kam es zu einem „Crash auf Raten“.[28] Das bedeutet, dass die Aktienkurse nicht abrupt gefallen sind, sondern nach und nach der Index immer mehr an Wert verlor.

Die untere Graphik zeigt solch einen extremen Aktienverlauf. Die Aktie der Morphosys AG hat innerhalb von knapp 3 Monaten eine Performance von fast 1800% erreicht. Als der Crash kam, verlor die Aktie 20% ihres Wertes. Die Kursrückgänge dauerten knapp 3 Jahre, bis der Kursboden von 4,77€ erreicht worden ist, was einen Kursrückgang von 98,675 % bedeutet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Kursentwicklung der Morphosys AG[29]

In den USA erlebte der Marktindex NASDAQ die gleiche Entwicklung wie der neue Markt, jedoch mit einer etwas geringeren Volatilität.

Ein extremes Beispiel aus den USA zeigt, wie hoch die Verluste gewesen sind.[30] Das kalifornische Computerunternehmen VA Linux Systems hatte einen Jahresumsatz vom 17,7 Mio. US$ und einen Verlust von 14,5 Mio. US$, was etwa 82% des Umsatzes entspricht. Beim Börsengang am 9. Dezember 1999 (IPO) stieg der Aktienkurs von 30 US$ auf 239US$. Dies entspricht einer Rendite von 698%. Die Marktkapitalisierung betrug zu diesem Höchstkurs 9 Mrd. US$. Die Kursspekulation und damit die Kurssteigerungen basierten auf überdrehten Gewinnerwartungen, welche fundamental nicht gerechtfertigt waren. Diese Spekulationsblase platzte Ende März 2001, der Kurs reduzierte sich auf 3 US$, was einem Verlust von fast 99% entsprach.

Abbildung 4: Börsenemissionen von Internetfirmen

Die Abbildung verdeutlicht, wie hoch der relative Anteil der Internetfirmen an den gesamten Erstemissionen zur Zeit der Interneteuphorie war. Gegen Ende 1999 und Anfang 2000 betrug dieser Anteil über 80% am Gesamtvolumen.

Abbildung 5: Kursentwicklung des NEMAX 03.97-09.01 / NASDAQ 01.97-07.01

Das Internet war eine Technologie, die in Westeuropa und Nordamerika Mitte der 90er Jahre im Privat- und Arbeitsleben etabliert wurde. Jeder Bürger konnte das Medium nutzen und selbst nachvollziehen, welche neuen Möglichkeiten sich ergeben können. Die Wachstums- und Gewinnmöglichkeiten wurden kollektiv überschätzt.[31] Die Internetfirmen verbuchten zu Beginn hohe Verluste, diese wurden als „ burning rate “ positiv etikettiert. Je höher die Umschlaggeschwindigkeit des Geldverbrauchs bei einem Unternehmen war, desto attraktiver war dieses für die Anleger. Man glaubte, dass einige Unternehmen die Märkte monopolisieren könnten. Dieser Gedanke wurde jedoch auf zu viele Unternehmen übertragen, weil Monopolrenten nur von ganz wenigen Firmen verdient werden können. Dies erklärt auch, warum in den Boomzeiten der Internetfirmen, jede Firma mit einem „.com“ Anhängsel am Firmennamen als „Goldgrube“ betrachtet wurde und die Aktienkurse stark anstiegen.

Die vergangenen Ereignisse zeigen also, dass es auch in Zukunft immer wieder zu spekulativen Blasen kommen kann und dass das Individuum aus der Vergangenheit nicht lernt. Zurzeit spricht man von einer neuen möglichen Spekulationsblase, die von den Internetfirmen in den USA ausgehen könnte. Seit den letzten Monaten gab es Kurssteigerungen von bis zu 100%. Die Erwartungen an die großen überlebenden Internetfirmen sind groß, weil diese im Jahr 2003 ihre Umsätze trotz schlechter Wirtschaftslage stark steigern konnten.[32] Die höhere Wahrscheinlichkeit, dass eine neue SB entsteht, geht zurzeit von der Nano-Technologie aus. Diese beschäftigt sich mit der Entwicklung mikroskopisch kleiner Bauteile, die z.B. Defekte von Erbmaterial aufspüren können.[33] Firmen, die den Begriff „Nano“ in ihrem Firmennamen tragen, profitieren derzeit stark vom Aufwärtstrend. Die Aktie des Unternehmens Nanogen ist z.B. in zwölf Monaten um 525% gewachsen. Nächstes Jahr werden die wichtigsten Firmen dieser Branche an die Börse gehen. Es gibt erstaunliche Parallelen zu der vergangenen Interneteuphorie. Viele dieser Unternehmen machen derzeit noch Verluste, die Wachstumsaussichten sind jedoch sehr groß. Zudem ist die Technologie eine Innovation, die Revolutionscharakter haben könnte. Experten schätzen das

Marktpotential dieser Branche bis 2015 auf eine Billion US$.[34]

Abbildung 6: Kursentwicklung Nanogen Inc. auf der Basis von einem Jahr

2.2 Spekulative Blasen und Crashs – Definition, Erklärung und Typisierung

Dieser Abschnitt befasst sich mit dem allgemeinen Ablaufprozess von SB, wobei Gemeinsamkeiten aus vergangenen Erscheinungsformen abgeleitet werden sollen. Daraufhin werden Wirkungen, Ursachen und Folgen aufgezeigt. Normalerweise hat der Laie mit dem Begriff eine negative Assoziation. Es werden aber auch positive Funktionen diskutiert. Es soll auch kritisch hinterfragt werden, ob überhaupt positive Funktionen existieren. Außerdem soll der Begriff der Spekulation näher erläutert und analysiert werden. Es soll argumentativ diskutiert werden, ob Spekulationen SB begünstigen oder der Entwicklung solcher sogar entgegenwirken.

2.2.1 Definition einer spekulativen Blase

In der Literatur ist noch nicht eindeutig geklärt, was unter einer SB zu verstehen ist. Einige argumentieren, dass es jedwede Kurabweichung ist, andere definieren sie mit einer längerfristigen Abweichung und einer anschließenden Kurskorrektur.[35] SB sind Begleiterscheinungen auf Finanzmärkten, die den Börsenzyklus durcheinander bringen.[36] Dabei meint man genauer gesagt schon das Endstadium einer Kursübertreibung auf den Märkten, der Prozess der zur Über- oder Untertreibung führt, kann als Manie bezeichnet werden.[37] Dieser besteht aus der Phase der Anpassung, Übertreibung und Korrektur.[38]

Ein Kurs sei in der Vergangenheit zu tief gefallen und wird auf ein höheres Niveau korrigiert. Gute Fundamentaldaten geben dem Aufwärtstrend zusätzlichen Schub. Wenn die Kurssteigerungen übertrieben werden, erzeugt dies eine positive Stimmung, die in eine Euphorie überschwappen kann. Höhere Kurse geben nun nicht mehr die Fundamentaldaten wieder, sondern werden von der Massenhysterie bestimmt. Irgendwann dreht die Stimmung und die Kurse sinken in enormer Geschwindigkeit. Die Kurse werden bei der Korrektur tiefer fallen, als dies fundamental gerechtfertigt wäre; es kommt also zu einer Untertreibung. Im nächsten Schritt kommt es wieder zu Korrekturen, welche die Kurse steigen lassen.

Definitionsgemäß ist eine SB eine starke Abweichung von den Fundamentalwerten nach oben. Die Kurse steigen über einen relativ langen Zeitraum hinweg an und sinken anschließend relativ schnell. Nach Kindleberger (2000) kann man von fünf Phasen sprechen: „ displacement, take off, exuberance, critical stage und crash “.[39] Mit „ displacement “ ist die „Entwurzelung“ des Preises einer bestimmten Aktie vom Fundamentalwert gemeint. Die „ take off “ Phase ist der Beginn der Preis Hausse, die in eine Übertreibungsphase (exuberance) übergeht. In der Phase der „ critical stage “ ist der Wert fundamental nicht mehr zu rechtfertigen, der Crash ist die Folge. Eine SB ist eine also selbstverstärkende Bewegung von Aktienkursen weg vom Gleichgewicht, welches durch die fundamentalen Werte determiniert ist.

Preise können auch dann steigen, wenn jeder weiß, dass diese nicht fair sind.[40] Der Glaube, dass die Preise nicht sinken werden, reicht, um weitere Preissteigerungen zu induzieren. Befindet sich der Markt in einer SB, sind fundamentale Werte irrelevant. Die Preise werden weiter steigen, solange die Anleger im Durchschnitt glauben, dass die Preise weiter steigen werden. Der Unterschied zwischen einem Aktienmarkt ohne und mit einer spekulativen Blase kann folgendermaßen gezeigt werden:

(1)

Der heutige Aktienkurs kann als eine Funktion der erwarteten fundamentalen Werte angesehen werden. Diese Werte könnten z.B. Dividenden, Wachstumsrate der Dividenden, Diskontierungsfaktor, makroökonomische Daten oder KGV etc. sein. Befindet sich der Markt in einer SB, sieht die Formel derart aus:

Dabei wird der Unterschied nur durch den Term ausgemacht.[41] Eine spekulative Blase ist praktisch der Restwert aus der Subtraktion des Aktienkurses mit dem fundamentalen Wert.[42] Er gibt die Abweichung des Aktienkurses von dem fundamentalen Wert an. Man kann bei diesem Term den Erwartungswert bilden, welcher folgende Eigenschaft besitzt:

mit (3)

Man nimmt an, dass nur eine bestimmte Gruppe von Anlegern den Faktor erkennen kann. Das sind Spekulanten und kurzfristig orientierte Anleger. In jeder Periode legen diese Anleger subjektive Wahrscheinlichkeiten fest, wann die SB platzen wird. Nach dem Platzen würden sich die Kurse auf das fundamentale Gleichgewicht hinbewegen. Die Kurse werden solange steigen, bis die erwarteten Gewinne der Spekulanten den erwarteten Verlusten dieser durch den Crash entsprechen. Die Kurse sinken also schon dann, wenn die erwarteten Gewinne kleiner sind wie die erwartete Differenz zwischen tatsächlichen Kursen und fundamental gerechtfertigten Kursen.

Wann eine SB entsteht, ist ex ante kaum feststellbar, weil ein Steigen der Kurse nicht unbedingt ein Abschweifen vom fundamentalen Wert des Gegenstandes bedeutet.[43] Es kann möglich sein, dass der Aktienkurs aufgrund von Insiderwissen steigt, die Öffentlichkeit kennt die Insiderinformationen nicht. Man spricht hier von einer mittelstarken Markteffizienz. Legt man in dieser Phase die öffentlichen Informationen zugrunde, dann ist der Kurs überbewertet. Tatsächlich entspricht dieser dem fairen Wert, jedoch kennen nur die Insider diesen Wert. Wird die Insiderinformation veröffentlicht, entspricht der Kurs auch aus Sicht der Öffentlichkeit dem fundamentalen Wert. Man kann also nicht ex ante erkennen, ob eine signifikante Kurssteigerung auf fundamentalen Daten basiert, oder ob diese auf Spekulationen beruht.

Neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass spekulative Blasen psychologisch-soziologischer Natur sind. Durch Massenmedien und Mund zu Mund Propaganda breiten sich Informationen schnell aus, dadurch werden immer mehr Anleger angelockt. Zurzeit existieren keine Theorien, die gut genug erklären können, warum und wie es zu spekulativen Blasen kommt.[44]

2.2.2 Der Begriff der Spekulation

Der heutige Begriff der Spekulation entwickelte sich im 18. Jahrhundert, es wurde als Wette auf zukünftige unsichere Preisbewegungen angesehen.[45] Spekulation kann beschrieben werden als „ assumption of considerable business risk in obtaining commensurate gain “.[46] Es ist der Kauf von Aktien in Erwartung eines Profits durch die Schwankungen von Preisen.[47] Die Diskussion dieses Begriffs ist sehr wichtig, weil die Spekulation eng verknüpft ist mit der Entwicklung von SB. Das Oxford Lexikon definiert die Spekulation als „ the action of practice of buying and selling goods, stocks and shares etc. in order to profit by the rise or fall in the market value, as distinct from regular trading or investment.” Der Unterschied zwischen einer Spekulation und einer Lotterie ist der, dass man bei der letzteren weiß, wie die Wahrscheinlichkeiten verteilt sind.[48] Bei der Spekulation hat man Vermutungen und Meinungen zum Ausgang eines bestimmten Vorganges, ist sich diesen aber nicht sicher. Die Gemeinsamkeiten zwischen der Spekulation und der Lotterie ist das Ziel der Teilnehmer, nämlich das Streben nach schnellem Profit.

Die Spekulation muss von dem Begriff der Investition unterschieden werden. Eine Investition ist der Verzicht auf heutigen Konsum. „[Die] Investition ist eine betriebliche Tätigkeit, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten [..] Aus- und Einzahlungen […] verursacht, wobei dieser Vorgang immer mit einer Auszahlung beginnt.[49] Diese Beschreibung differenziert die Investition und die Spekulation noch nicht, der Zeithorizont bringt die Unterschiede. Denn bei der Spekulation ist die Haltedauer des erworbenen Wertgegenstandes in der Regel geringer als bei einer Investition.[50]

Friedmann argumentiert, dass die Spekulation eine stabilisierende Funktion hat, weil eine erfolgreiche Spekulation einen Kauf bei geringen Preisen und einen Verkauf bei hohen Preisen erfordert.[51] Es wird aufgrund von Liquiditätsbestrebungen spekuliert, wegen Marktmeinungsverschiedenheiten und aus Diversifikationsgründen. Keynes definiert die Spekulation als das Voraussehen der Psychologie des Marktes. „ [...] to appropriate the term speculation for the activity of forecasting the psychology of the market […]”.[52] Er schreibt der Spekulation einen großen Einfluss auf die Märkte zu. Seiner Auffassung nach ist die „Kunst der Spekulation“ zu erkennen, was der Durchschnitt der Anleger glaubt wie die durchschnittliche Meinung der Anleger sein wird. „ [...] Americans are apt to be unduly interested in discovering what average opinion believes average opinion to be; [...]”.[53]

Spekulationen finden immer in stark standardisierten homogenen Märkten mit niedrigen Transaktionskosten und einer hohen Handelsfrequenz statt.[54]

Über die Wirkung der Spekulation wird kontrovers diskutiert. Biswanger (1999) argumentiert, dass sie eine wichtige ökonomische Funktion übernimmt, obwohl sie destabilisierend wirkt. Spekulationen können zwar SB hervorrufen, dadurch werden jedoch zusätzliche Ertragsmöglichkeiten generiert sowie die Wirtschaft vor Kapitalüberakkumulation geschützt. Durch Spekulationen kommt es also immer wieder zu Gewinnmitnahmen, was letztlich den Konsum erhöht und die Wirtschaft ankurbelt.

Wirkt nun eine Spekulation stabilisierend oder destabilisierend auf die Aktienkurse?

Spekulanten agieren auf dem Markt, indem sie Wertpapiere kaufen und verkaufen und somit Kursbewegungen auslösen. Eine Spekulation kann sowohl stabilisierend als auch destabilisierend auf die Kurse wirken.[55] Vertreten die Spekulanten die Meinung, dass sich der Markt in einer spekulativen Blase befindet, dann destabilisieren sie den Markt, denn dann kaufen sie bei hohen Kursen und verkaufen bei niedrigen Kursen. Sie setzen auf noch weiter steigende Kurse, was zu einer Erhöhung der Volatilität führt. Die Kurse bewegen sich weiter vom gerechtfertigten fundamentalen Wert weg. Sinken die Kurse als Folge der Übertreibung, sind sie diejenigen, die durch ihre Aktionen die Kursrückgänge forcieren. Die Aktionen werden von der Vermutung gestützt, dass die spekulative Blase geplatzt ist und dass die sinkenden Kurse noch weiter sinken werden. Im Ergebnis wird eine spekulative Blase umso eher platzen, je schneller die Spekulanten sie als solche erkennen. Ob es zu einem Crash an den Finanzmärkten kommt, beruht also auf den Annahmen der Spekulanten. Nehmen diese an, dass es sich um keine spekulative Blase handelt, dann werden sie den Markt durch ihre Aktionen stabilisieren. Sie werden bei steigenden Kursen verkaufen und bei fallenden Kursen kaufen. Die Spekulation wirkt volatilitätsreduzierend, wenn sich die Annahmen der Spekulanten über die Kurse in der Zukunft ex post als richtig herausstellen. Je höher die Risikoneigung der Spekulanten, desto schneller wird sich der Markt in die ex post richtige Richtung bewegen, weil die Spekulanten umso mehr bereit sind, ex ante Risiken einzugehen.[56] Erwarten die Spekulanten Kursrückgänge, die fundamental ex post gerechtfertigt sind, dann sinken die Kurse umso schneller, je mehr Aktien die Spekulanten verkaufen.

Festzuhalten ist, dass die Spekulation eine notwendige Bedingung für die Entwicklung von SB ist. Ob die Spekulation eine ausreichende Bedingung ist, ist fraglich.

Kindleberger (2000) argumentiert, dass Spekulationen auf mindestens 2 Basisinstrumente stattfinden müssen, damit es zu einer SB kommen kann, z.B. Entwicklung der „New Economy“ und niedrige Leitzinsen.

2.2.3 Marktteilnehmer

Auf Aktiemärkten interagieren Anlegertypen miteinander, die zwar das gleiche Fundamentalziel haben, aber andere Instrumentalziele zur Verwirklichung des Fundamentalziels einsetzen. Das Ziel eines jeden Anlegers ist, eine positive Rendite nach Abzug der Transaktionskosten zu erzielen. Der Unterschied bei der Umsetzung macht sich beim Zeithorizont bemerkbar. Der eine Anleger möchte innerhalb eines Tages eine bestimmte Rendite realisieren, wobei ein anderer sein Investment mehrere Jahre halten kann. Die Typisierung der Anlegerschaft ist deshalb von Bedeutung, weil diese offen legt, ob auf dem Rationalprinzip basierende Theorien mit der Annahme rationaler Erwartungen beibehalten werden können.

In der Literatur reicht die Segmentierung der Anleger von 2 bis 6 Typen. Unumstritten ist zumindest die Aufteilung in zwei Gruppen, und zwar die langfristig orientierten und die kurzfristig orientierten Anleger. Geht man von drei Anlegertypen aus, könnte sich eine spekulative Blase in drei Stufen entwickeln.[57] In der ersten Phase sind Kleinanleger und institutionelle Anleger im Markt vertreten. Sie haben das Ziel, mittel- und langfristig Kapitalerträge zu generieren. Diese Anleger werden als Fundamentalanalysten bezeichnet, weil der fundamentale Ertrag eines Investments für sie relevant ist. Später dringt die Gruppe der Spekulanten in den Markt ein, angelockt von den vorherigen Erträgen der Fundamentalanalysten. Die Spekulanten kann man in die Untergruppe der Insider und Outsider unterteilen. Zuerst dringen die Insider ein und treiben die Kurse nach oben. Sie steigen aus, wenn die Kurse eine für sie kritische Größe erreicht haben. Die Outsider steigen in den Markt zu Höchstkursen ein. Wenn die Insider aussteigen, stürzen die Kurse ab. Die Verluste der Outsider entsprechen den Gewinnen der Insider. Der Markt ist danach wieder im Gleichgewicht, obwohl die Kurse stark gefallen sind.

Man kann auch von sechs Anlegertypen sprechen, die jeweils eine individuelle Börsenbewertung vornehmen.[58] Der Fundamentalanalyst interessiert sich für den wahren Wert eines Unternehmens. Er glaubt, dass die Börse den wahren Wert widerspiegelt. Die Volatilität des Marktes bezeichnet er als „Störrauschen“ (Noise), also als eine unerklärbare Größe. Der Chartanalyst (technischer Analyst) untersucht historische Kursbewegungen und versucht daraus, zukünftige Kursbewegungen zu antizipieren. Diese Vorgehensweise bezeichnet man als technische Aktienanalyse. Dabei nimmt man an, dass sich Aktienkurse in Trends bewegen, und dass man durch die Beobachtungen des Kursverlaufes auf unbeobachtbare Informationen rückschließen und damit zukünftige Kursbewegungen prognostizieren kann.[59] Außerdem gilt, dass im aktuellen Kurs die unternehmensrelevanten Informationen und Erwartungen diskontiert sind. Untersuchungen haben ergeben, dass „die Charttechnik […] aus psychologischen Gesichtspunkten heraus erklärbar ist“.[60] Es entsteht das Problem der „ self-fulfilling prophecy “, d.h. der Charttechniker schafft sich möglicherweise bestimmte Formationen selbst und treibt den Kurs vom fairen Wert der Aktie weg. Dadurch würde er einen beträchtlichen Beitrag zur Entstehung von spekulativen Blasen leisten.

Der Trader besitzt eine kurzfristige Sichtweise und verfügt über starke Meinungsschwankungen. Je höher die Volatilität auf den Aktienmärkten ist, desto mehr Profit kann er aus dem Aktienmarkt herausschlagen.[61]

Der institutionelle Anleger möchte den Markt „ outperformen “, d.h. eine höhere Rendite erwirtschaften als der Markt im Durchschnitt. Er verfügt über einen mittleren Anlagehorizont und sammelt Informationen überwiegend über die Fundamentalanalyse. Er kann als Pendant zum Trader bezeichnet werden, weil er niedrige Volatilitäten am Markt bevorzugt.

Kleinanleger zeichnen sich dadurch aus, dass sie Informationsdefizite relativ zu den anderen Börsenteilnehmern aufweisen.

Der professionelle Privatanleger analysiert die Meinungen und Aussagen der Analysten und Fachmedien sorgfältig, studiert die Wirtschafts- und Zinszyklen und agiert meist antizyklisch zur Allgemeinheit. Eine Übersicht zeigt, wie die Anlegertypen mittels einiger Faktoren bewertet werden können.[62]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Charakteristische Merkmale der Börsenteilnehmer

Bei Betrachtung der Ergebnisse der Faktoranalyse erkennt man, dass die Anleger keine homogenen Erwartungen bezüglich der Aktienkurse besitzen. Das liegt daran, dass keine vollkommene Konkurrenz am Markt herrscht, es gibt eindeutig Anleger (keine Insider) mit mehreren aktuelleren Informationen. Die Anlagehorizonte sind unterschiedlich, denn am Markt befinden sich heterogene Anleger mit unterschiedlichen Zielen und Strategien.

Die Annahme homogener Erwartungen kann schon aus logischen Gründen nicht richtig sein, denn am Markt kommen Anleger mit unterschiedlichen Meinungsauffassungen über die Zukunftsaussichten zusammen. Ein Anleger, der die Aktie x verkauft, braucht entweder Liquidität, oder er glaubt, dass die Aktie überbewertet ist. Der Käufer der Aktie x im selben Zeitpunkt hat positive Erwartungen über die zukünftige Aktienkursentwicklung. Oder man könnte die Aktie aus Diversifikationsgründen als Folge der Portfoliobetrachtung kaufen. Demnach werden auch Aktien mit einer negativen erwarteten Rendite ins Portfolio zwecks Risikominimierung genommen. Dieses Argument ist meiner Meinung nach zu schwach, denn es gibt unterschiedliche Anlegertypen mit unterschiedlichen Zielen. Nicht alle Anleger haben das Ziel der Risikominimierung. Einige legen nicht ihr Vermögen an, sondern für sie nicht bedeutende Summen, also nur „Spielgeld“. Dieses Geld, dient nur dazu, um schnelle Renditen abzuwerfen losgelöst von der Risikobetrachtung.

Abbildung 3 zeigt, dass Anleger nicht nur andere Anlagehorizonte besitzen, sondern Informationen individuell unterschiedlich bewerten. Trader berücksichtigen z.B. psychologische Komponenten viel stärker wie Fundamentalanalysten. Deshalb kommt es zu einem äußert komplizierten Interaktionsgeflecht zwischen den Anlegern. Nur diese Interaktionen allein bewegen Kurse. Dieser Abschnitt hat also deutlich gemacht, dass das Hinzufügen von soziologischen und psychologischen Ansätzen unverzichtbar ist, um das Verstehen und Erklären des Börsengeschehens zu verbessern.

2.2.4 Charakteristika, Ursachen und Wirkungen von spekulativen Blasen

In diesem Abschnitt sollen die Charaktereigenschaften von SB ausgearbeitet werden. Es wird gezeigt, wie sie entstehen und was für Folgen daraus abzuleiten sind.

Durch Beobachtungen vergangener Vorkommnisse konnte man einige Charaktereigenschaften von SB ableiten. In Zeiten von SB spricht man auch von einem „ Information Overload “ der Anleger, weil am Ende einer solchen Phase Warnsignale ignoriert werden. Während der starken Nachfrage nach Aktien am Neuen Markt 1999-2000 kam es zu Neuemissionen immer schlechterer Qualität. Während einer Aktienhausse werden auch Betrüger angelockt, die an den Kurssteigerungen partizipieren wollen. Spekulative Blasen können kurz- oder langfristig mit niedrigen oder höheren Abweichungen vom Fundamentalwert existieren.

Ende der 80er Jahre wurde eine erste Typisierung vorgestellt. Hier unterschied man zwischen Growing bubbles, Information bubbles oder Fads. Fads sind kurzfristige SB mit relativ geringen Preisabweichungen, wobei growing bubbles langfristig sind und starke fundamentale Abweichungen zeigen.[63] Information bubbles bringen eine Abweichung der Preise durch eine unvollständige Aggregation der Informationen hervor.

Je weiter die Preise von den fundamentalen Werten abweichen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines Crashs.[64] Man beobachtet, dass die Liquidität auf einem Markt kurz vor dem Crash stark abnimmt, d.h. das Umsatzvolumen geht zurück. SB entwickeln sich über eine Informationsblase. Wenn Informationen zwischen den Akteuren auf den Märkten asymmetrisch verteilt sind, wird Herdenverhalten begünstigt.[65] Eine Informationsblase entsteht dann, wenn sich die Informationen von gut informierten zu den schlecht informierten nach und nach ausbreiten. Ein schneller Meinungsumschwung mit einer starken Volatilität auf den Finanzmärkten ist die Folge, wobei sich die Preise von den Gleichgewichtspreisen entfernen.

Meistens sind Faktoren die Auslöser, die nur eine geringe Korrelation zur Realwirtschaft aufweisen, sie müssen auch nicht wahr sein. Es sind Übertreibungen, die sich besonders in Zeiten der Prosperität und des konjunkturellen Aufschwungs entwickeln. Die Übergangsphase zwischen Rezession und Aufschwung gilt als Entwicklungsursprung. Hervorzuheben ist, dass in Zeiten von spekulativen Übertreibungen die Leitzinsen sehr niedrig sind. Dann sind die Renditen der Anleihen und Sparkonten auch gering, also relativ sichere Investments werfen hierbei eine relativ niedrige Rendite ab. Anleger suchen nach attraktiveren Investitionsmöglichkeiten; die Bereitschaft, sich Geld zu leihen, wird ansteigen. Investoren werden sich verschulden, um Investitionen auf den Aktienmärkten tätigen zu können. Die Preise der Aktien werden steigen, was mehr Anleger anlocken wird. SB entstehen also, wenn es eine positive Abhängigkeit des aktuellen Preises bezüglich der Erwartungen gibt.[66] Außerdem muss ein starres Angebot an Aktien vorzufinden sein.

Schon im frühen 20. Jahrhundert fand man heraus, dass nicht nur Laien die Verursacher von Crashs und SB sind, sondern auch professionelle und Eliten.[67] Der Grund der panischen Reaktionen bei Crashs ist nicht Dummheit oder Ignoranz, sondern eine psychologische Schwäche, die zu irrationalen Verhalten führt. Demnach könnten in Zukunft derartige Bewegungen auf den Finanzmärkten nicht durch bessere Bildung und Berichterstattung beseitigt werden. Ob die Ursachen für die Entwicklung von spekulativen Blasen rationale oder irrationale oder eine Mischung von beiden Verhaltensweisen sind, ist umstritten.

Nach der Auffassung von Jentzsch ist das Risiko einer SB positiv mit der Entwicklung von Netzwerken korreliert.[68] In spekulativen Blasen wird die Aufnahme von relevanten Informationen teurer. Deshalb substituieren die Anleger relevante Informationen mit billigen Signalen.[69] Das begünstigt Herdenverhalten, kollektive Euphorien und Panik, weil sich so schneller einheitliche Meinungen entwickeln können. Man kann eine Transaktion an der Börse in drei Phasen unterteilen: in eine Informations- Verhandlungs- und Exekutionsphase. In jeder Phase besteht die Gefahr, dass falsche Informationen ausgetauscht werden. Je größer die Netzwerke der Anleger sind, desto weniger kann man abschätzen, mit wem die anderen interagieren.

Spekulative Blasen bringen einen wirtschaftlichen Boom mit sich und können die Ursache einer langjährigen Rezession sein. Sie treten zeitversetzt zur Realwirtschaft auf und verstärken in der Regel die Konjunkturzyklen. Je stärker die Konjunkturzyklen sind, desto negativer ist der Nettoeffekt, deshalb sollte es das Ziel sein, hohe Schwankungen der Konjunktur zu vermeiden. SB bewirken eine starke über eine bestimmte Periode andauernde fundamental nicht gerechtfertigte Kurssteigerung. Solange Kurssteigerungen fundamental gerechtfertigt sind, kann man von keiner spekulativen Blase sprechen. Es ist schwierig, diesen Grenzwert zu bestimmen. Früher waren Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) Indikatoren dafür, ob eine Aktie über- oder unterbewertet ist. Das KGV sagt darüber aus, wie lange ein Unternehmen braucht, um den Aktienkurs durch Gewinneinnahmen zu verdienen. Der Kurs der Aktie wird dabei ins Verhältnis gesetzt zum Gewinn pro Aktie. Als 1999 die Interneteuphorie an den Finanzmärkten aufkam, war diese Kennzahl umstritten, weil die meisten Internetfirmen noch keine Gewinne erzielten. Deshalb wurde sie durch das Kurs-Cash-Flow (KCF) Verhältnis oder das Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV) ersetzt.

Wenn die Kurse steigen, können Spekulanten den Markt betreten, die nicht an einem langfristigen Investment interessiert sind. Man kann also sagen, dass der Keim der SB fundamentale Werte sind, denn zuerst sind die Fundamentalanalysten im Markt aktiv. Diese kaufen die Aktien nur, wenn sie das Unternehmen als fundamental interessant ansehen. Sie sind diejenigen, die quantitative und qualitative Fundamentalanalyse betreiben. Mit dem Eintritt der Spekulanten destabilisiert sich der Markt unter bestimmten Bedingungen[70]. Ab einer bestimmten Schwelle kommt es zu abrupten Kursrückgängen, die meist zu Panikreaktionen führen. Das liegt daran, dass gewisse Anleger ihre Gewinne mitnehmen wollen, es sind meist die Spekulanten, die den Markt als erstes betreten haben. Auch Fundamentalanalysten könnten zu den Verkäufern gehören, weil sie zum einen Abweichungen vom fundamentalen Wert erkennen und zum anderen noch größere Gewinne realisiert haben als die verkaufenden Spekulanten. Etabliert sich die allgemeine Meinung, dass die Kurse nicht mehr steigen können, versuchen Anleger so schnell wie möglich ihre Aktienbestände zu veräußern. Dabei kann es zu Kettenreaktionen via „psychologischer Kanäle“ kommen, die auch andere Börsen betreffen können.[71]

[...]


[1] Vgl. Schumpeter, S.419.

[2] Vgl. Schumpeter, S.425.

[3] Es ist zwar umstritten, von rationalen oder irrationalen Theorien zu sprechen, jedoch sind diese Abgrenzungen in der Literatur üblich und werden deshalb übernommen.

[4] Vgl. Cohen, S. 19 ff.

[5] Vgl. Pinner, S.53.

[6] Tulpen konnten entweder über Samen oder Zwiebeln fortgepflanzt werden, bei Zwiebeln ging dieser Prozess schneller voran. Deshalb spezialisierte sich der Markt in diese Richtung (Vgl. Engelmann, S.2.)

[7] Vgl. Engelmann, S. 3.

[8] Vgl. Brenner, S.99.

[9] Vgl. Engelmann, S. 3.

[10] Vgl. Pinner, S.53.

[11] Vgl. Engelmann, S. 7ff.

[12] Vgl. Tvede, S. 184. / Vgl. Shiller, S.44ff.

[13] Vgl. Schultz, S.55ff.

[14] Vgl. Tvede [Börsenhandel], S.53.

[15] Vgl. Engelmann, S. 9.

[16] Vgl. Cohen, S.34.

[17] Vgl. Tvede [Börsenhandel], S.57.

[18] Vgl. Engelmann, S. 11.

[19] Vgl. Petrazycki, S. 84.

[20] Vgl. Kremer, S.14.

[21] Vgl. Kremer, S.11ff.

[22] Vgl. Pinner, S.53ff.

[23] Vgl. Gabler Bank Lexikon, S.1044

[24] Vgl Poitras, S.54.

[25] Vgl. Kostolany, S.88ff.

[26] Vgl. www.ub.uni-duisburg.de/Japan

[27] Vgl. www.investopedia.com/features/crashes/crashes7.asp

[28] Vgl. Lens[TMT-Bubble], S.1.

[29] Vgl. www.comdirekt.de

[30] Beispiel aus dem Artikel von Lens [TMT-Bubble], S.1.

[31] Vgl. Lens[TMT-Bubble], S.4ff.

[32] Vgl. www.boerse.ard.de/content.jsp?key=dokument_34312

[33] Vgl. www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,292418,00.html

[34] Vgl. www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,292418,00.html

[35] Vgl. Kugler, S.144.

[36] Vgl. Lens[TMT-Bubble], S.2.

[37] Vgl. Kindleberger, S.15.

[38] Vgl. Kostolany, S.79ff.

[39] Vgl. Kindleberger, S.22.

[40] Vgl. Moosa. S.207.

[41] Vgl. Rippin, S.6ff.

[42] Vgl. Bruns, S.22

[43] Im folgendem werden nur Aktienkurse betrachtet, die von SB betroffen werden.

[44] Vgl. Moosa, S.207

[45] Vgl. Gaulke, S.106.

[46] Vgl. Bodie et al., S.156.

[47] Vgl. Carret, S.10.

[48] Vgl. Brenner, S.91.

[49] Vgl. Kruschwitz, S..3.

[50] Vgl. Brenner, S.93.

[51] Vgl. Moosa, S.183.

[52] Vgl. Keynes, S. 158.

[53] Vgl. Keynes, S.159.

[54] Vgl. Biswanger [New Dimensions], S. 104ff.

[55] Vgl. Moosa, S.205ff.

[56] Vgl. Gaulke, S.113.

[57] Vgl. Kindleberger, S.28ff.

[58] Vgl. Pinner, S.25.

[59] Vgl. Folien „ Finanzierungslehre; Investments“ Prof. Kempf,

[60] Vgl. Pinner, S.25.

[61] Vgl. Pinner, S.29.

[62] Übersicht in Anlehnung zu Pinner, S.31.

[63] Vgl. Hoffmann, S. 34ff.

[64] Vgl. Gaulke, S.113.

[65] Vgl. Gaulke, S.101.

[66] Vgl. Hoffmann, S.37.

[67] Vgl. Petrazycki, S.84.

[68] Vgl. Jentzsch

[69] Vgl. Jentzsch

[70] Siehe Abschnitt 2.2.3

[71] Vgl. Kindleberger, S.119.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
2004
ISBN (eBook)
9783832485672
ISBN (Paperback)
9783838685670
DOI
10.3239/9783832485672
Dateigröße
820 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität zu Köln – Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
Erscheinungsdatum
2005 (Februar)
Note
2,3
Schlagworte
crash erwartung internetblase verhaltensanomalie
Produktsicherheit
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Titel: Erklärungsansätze für spekulative Blasen auf Aktienmärkten
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