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Corporate Governance in Bulgarien im Zuge von Transformation und Privatisierung

Determinanten der Investition

©2005 Diplomarbeit 101 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Ziel dieser Arbeit ist es, einen kritischen, wissenschaftlichen Beitrag zu der noch relativ jungen Diskussion rund um das Thema Corporate Governance in Bulgarien zu leisten.
Seit dem Fall der Berliner Mauer und dem damit eingeleiteten Niedergang der kommunistischen Regime in Mittel- und Osteuropa, befinden sich die betroffenen Länder in einem in der Geschichte einmaligen Transformationsprozess. Die Transformation in den einzelnen Ländern verlief zwar grundsätzlich ähnlich, auf Grund unterschiedlicher nationaler Ausgangslagen aber doch mit sehr unterschiedlichen Erfolgen und Geschwindigkeiten. Bulgarien, von Beginn an einer der engsten Verbündeten der damaligen Sowjetunion, gehört dabei zu jener Gruppe von Ländern die zwar mittlerweile beträchtlichen Fortschritte erzielen konnten, für einen EU-Beitritt im Mai 2004 jedoch noch nicht reif waren. Der angestrebte Beitritt soll gemeinsam mit Rumänien und eventuell Kroatien im Jahr 2007 erfolgen.
Vor dem Hintergrund dieses Transformationsprozesses versucht diese Arbeit die Entwicklung von Corporate Governacne in Bulgarien zu untersuchen und zu analysieren. Die große Bedeutung von Corporate Governance für die Schaffung von Wohlstand ist in entwickelten Marktwirtschaften kaum umstritten. In Bulgarien gilt es jedoch, nach den von politischer und wirtschaftlicher Instabilität sowie misslungenen Privatisierungen ausgelösten Wirren der 90-iger, entsprechende Forschungs und Aufklärungsarbeit zu leisten.
Gang der Untersuchung:
Zu Beginn dieser Arbeit wird auf die Situation Bulgariens seit dem Fall des Kommunismus eingegangen. Hervorzustreichen ist dabei, dass das Land entgegen den Hoffnungen der Bevölkerung vermutlich erst nach einigen Jahrzehnten EU-Niveau erreichen wird. Anschliessend wird das Konzept der Corporate Governance vorgestellt und das Prinzipal-Agente-Problem in Marktwirtschaft und Planwirtschaft illustriert. Im weiteren Verlauf werden Mechanismen der Corporate Governance erläutert und auf den Systemwettbewerb zwischen anglo-amerikanischem und kontinentaleuropäischem System eingegangen. Kapitel sieben behandelt die Entwicklung von Corporate Governance in Bulgarien. Dieses ausführliche Kapitel geht zunächst Etablierung eines kapitalistisch-kommunistischen Netzes ein. Diese postkommunistischen Interessensgruppierungen beeinflussten ganz wesentlich den Verlauf von Privatisierung und den daraus entstehenden Eigentümerstrukturen. Die für die CG bedeutsame Entwicklung der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8546
Hölzl, Werner: Corporate Governance in Bulgarien im Zuge von Transformation und
Privatisierung - Determinanten der Investition
Hamburg: Diplomica GmbH, 2005
Zugl.: Universität Wien, Diplomarbeit, 2005
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2005
Printed in Germany

i
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung... 1
2
Bulgarien seit dem Fall des Kommunismus... 3
2.1 Politische
Entwicklungen... 3
2.2 Die
Transformation
in Bulgarien ... 4
2.3
Wirtschaftlage und Wirschaftspolitik... 5
2.4
Bulgarien erst in 50 Jahren auf EU-Niveau? ... 6
3 Corporate
Governance ... 8
3.1 Definition ... 8
3.2 Prinzipal-Agent-Theorie... 10
3.3 Asymetrischer
Informationsstand ... 12
3.4
Prinzipal-Agent-Theorie in der Plan- und Marktwirschaft ... 14
3.4.1 Planwirtschaft... 14
3.4.2 Marktwirtschaft ... 15
3.5 Die
Prinzipal-Agent-Beziehung
im Transformationsprozess ... 16
4
Mechanismen der Corporate Governance... 18
4.1 Externe
Kontrollsysteme ... 18
4.1.1 Überwachung
durch den Kleinaktionär ... 18
4.1.2 Überwachung
durch Großaktionäre ... 19
4.1.3 Markt
für
Unternehmenskontrolle ... 21
4.1.4 Überwachung
durch Gläubiger... 22
4.1.5 Staat... 23
4.2 Interne
Kontrollsysteme... 24
4.2.1 Führungsorganisation ... 24
4.2.2 Arbeitnehmermitbestimmung ... 24
5 Corporate
Governance-Systeme... 26
5.1 Systemwettbewerb ... 28
6
Corporate Governance Systemausprägung in Bulgarien ... 29
7
Die Entwicklung des Corporate Governance Systems in Bulgarien ... 30
7.1
Etablierung eines kapitalistisch-kommunistischen Netzes (State-Capture) 30
7.2
Die Entwicklung der Finanzmarktsegmente in Bulgarien ... 32
7.2.1 Banken... 32
7.2.2 Börse... 35
7.3 Zweigeteilte
Wirtschaft ... 38
7.4 Korruption
in
Bulgarien... 39
7.5
Privatisierung der Staatsunternehmen im Allgemeinen... 40
7.5.1 Begriffliche Abgrenzungen ... 40
7.5.2
Zum Verfahren der Voucher-Privatisierung... 41
7.6 Privatisierung
in Bulgarien... 44
7.6.1
Formelle und illegale Privatisierung 1989-1991/92/93 ... 44
7.6.2 Privatisierung 1991-1996 ... 45
7.6.3
Privatisierung 1996/97 (Voucher-Privatisierung) ... 45
7.6.4
Privatisierung ab 1997 (MEBO-Privatisierung)... 46
7.6.5
Fazit der Privatisierung ... 48
7.7 Eigentümerstrukturen nach der Privatisierung (Stand 2001)... 51
7.7.1 Eigentümerkonzentration
von Aktiengesellschaften... 54
8
Cash-Flow und Investition ... 57
8.1
Die grundlegende Investitionsentscheidung... 57
8.2
Die Modigliani und Miller Theoreme ... 58
8.2.1
Die Irrelevanz von Fremdkapital und Dividenen... 58

ii
8.2.2
Alternativdemonstration der Irrelevanz der Kapitalstruktur... 64
8.3 Modigliani
und
Miller
in der realen Welt... 65
8.3.1 Transaktionskosten ... 65
8.3.2 Informationsasymmetrien... 66
8.3.3 Managementwillkür
(Managerial Discretion MD)... 68
8.4 Verschiedene
Investitionstheorien... 69
8.4.1 Die
Beschleunigungstheorie ... 69
8.4.2 Cash
Flow Modelle... 70
8.5
Die Neoklassische Investmenttheorie ... 72
8.6 Die
Erwartungstheorie für Investment ... 73
9
Empirische Untersuchung bulgarischer Unternehmen ... 76
9.1 Hintergrund ... 76
9.2 Das
Modell ... 77
9.3 Daten... 78
9.4
Regression ohne Berücksichtigung der Eigentümerstruktur... 78
9.4.1 Hypothese 1 ... 78
9.5
Berücksichtigung der Eigentümerstruktur... 79
9.5.1 Hypothese 2 ... 81
9.5.2 Hypothese 3 ... 84
10 Zusammenfassung
und
Conclusio ... 86
11 Literaturverzeichnis ... 89

iii
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Privatisierung in Bulgarien (1993-2001) ... 48
Abbildung 2: Ausländische Direktinvestitionen pro Kopf für den Zeitraum 98-02 .. 50
Abbildung 3: Ausländische Direktinvestitionen in Bulgarien ... 51
Abbildung 4: Eigentümerkonzentration bei AGs - größter direkter Eigentümer ... 55
Abbildung 5: Darstellung des Endeigentümerbegriffes... 55
Abbildung 6: Eigentümerkonzentration der Endeigentümer bei AGs... 56
Abbildung 7: Die grundlegende Investitionsentscheidung ... 58
Abbildung 8: Beziehung von Kapitalrendite und Leverage ... 61
Abbildung 9: Unternehmenswerte bei einer Investition von 100 und
Informationsasymmetrie ... 66
Abbildung 10: Mangementwillkür und Investment ... 69
Abbildung 11: Cash Flow und Investment ... 71

iv
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Charakteristika des kontinentaleuropäischen und des anglo-
amerikanischen Corporate Governance Systems... 27
Tabelle 2: Kommerzbanken in Bulgarien... 34
Tabelle 3: Marktkapitalisierung in % des BIP im internationalen Vergleich ... 37
Tabelle 4: Eigentümerheterogenität in Bulgarien... 52
Tabelle 5: Rechtsform der größten Nicht-Finanzunternehmen... 53
Tabelle 6: Größte Nicht-Finanzfirmen Bulgariens nach Eigentümer, Rechtsform und
BSE-Listing ... 53
Tabelle 7: Eigentümerwechsel von AGs... 54
Tabelle 8: Investitionsmöglichkeiten eines Investors zur Erreichung von
Gewinnen... 60
Tabelle 9: Beschreibung der Modellvariablen... 78
Tabelle 10: Regressionen der Hypothese 1 ... 78
Tabelle 11: Regressionen der Hypothese 2 ... 82
Tabelle 12: Regressionen der Hypothese 2 ­ Berücksichtigung des Endeigentüm. 83
Tabelle 13: Regressionen der Hypothese 3 ... 84

v
Abkürzungsverzeichnis
BGL Bulgarisch
Leva (Landeswährung)
BIBA Bulgarian
Internationel Business Association
BIP Brutto
Inlandsprodukt
BSE
Bulgarische Börse Sofia (Bulgarian Stock Exchange)
CBA
Currency Board Arrangement
CD Central
Depository
CF Cash
Flow
CG Corporate
Governance
DV Drzven vestnik (bulgarisches Gesetzblatt)
IWF Internationaler
Währungsfond
KP
Kommunisitische Partei
MEBO Management-Employ-Buy-Out
MOEL
Mittel- und Osteuropäische Länder
PrivG Privatisierungsgesetz
SSC Staatliche
Wertpapierkommission

Seite 1
Seite 1
1 Einleitung
Ziel dieser Arbeit ist es, einen kritischen, wissenschaftlichen Beitrag zu der noch
relativ jungen Diskussion rund um das Thema Corporate Governance in Bulgarien zu
leisten.
Seit dem Fall der Berliner Mauer und dem damit eingeleiteten Niedergang der
kommunistischen Regime in Mittel- und Osteuropa, befinden sich die betroffenen
Länder in einem in der Geschichte einmaligen Transformationsprozess. Die
Transformation in den einzelnen Ländern verlief zwar grundsätzlich ähnlich, auf
Grund unterschiedlicher nationaler Ausgangslagen aber doch mit sehr
unterschiedlichen Erfolgen und Geschwindigkeiten. Bulgarien, von Beginn an einer
der engsten Verbündeten der damaligen Sowjetunion, gehört dabei zu jener Gruppe
von Ländern die zwar mittlerweile beträchtlichen Fortschritte erzielen konnten, für
einen EU-Beitritt im Mai 2004 jedoch noch nicht reif waren. Der angestrebte Beitritt
soll gemeinsam mit Rumänien und eventuell Kroatien im Jahr 2007 erfolgen.
Vor dem Hintergrund dieses Transformationsprozesses versucht diese Arbeit die
Entwicklung von Corporate Governacne in Bulgarien zu untersuchen und zu
analysieren. Die große Bedeutung von Corporate Governance für die Schaffung von
Wohlstand ist in entwickelten Marktwirtschaften kaum umstritten. In Bulgarien gilt es
jedoch, nach den von politischer und wirtschaftlicher Instabilität sowie misslungenen
Privatisierungen ausgelösten Wirren der 90-iger, entsprechende Forschungs und
Aufklärungsarbeit zu leisten.
Zu Beginn dieser Arbeit wird auf die Situation Bulgariens seit dem Fall des
Kommunismus eingegangen. Hervorzustreichen ist dabei, dass das Land entgegen
den Hoffnungen der Bevölkerung vermutlich erst nach einigen Jahrzehnten EU-
Niveau erreichen wird. Anschliessend wird das Konzept der Corporate Governance
vorgestellt und das Prinzipal-Agente-Problem in Marktwirtschaft und Planwirtschaft
illustriert. Im weiteren Verlauf werden Mechanismen der Corporate Governance
erläutert und auf den Systemwettbewerb zwischen anglo-amerikanischem und
kontinentaleuropäischem System eingegangen. Kapitel sieben behandelt die
Entwicklung von Corporate Governance in Bulgarien. Dieses ausführliche Kapitel

Seite 2
geht zunächst Etablierung eines kapitalistisch-kommunistischen Netzes ein. Diese
postkommunistischen Interessensgruppierungen beeinflussten ganz wesentlich den
Verlauf von Privatisierung und den daraus entstehenden Eigentümerstrukturen. Die
für die CG bedeutsame Entwicklung der Finanzmarktsegmente und deren
Ausprägung ist ebenfalls Gegenstand dieses Kapitels. Hervorzuheben ist, dass auf
Grund der noch sehr unterentwickelten Börse Banken eine bedeutende Rolle als
Kontrollorgan übernehmen.
Es folgen Erläuterungen zur Privatisierung von Staatsunternehmen im Allgemeinen
sowie konkret zur Privatisierung in Bulgarien und die sich daraus ergebenden
Eigentümerstrukturen (Stand 2001). Das Kapitel acht, Cash Flow und Investition,
wird als besonders wesentlich erachtet da es die theoretische Grundlage für die
empirsche Untersuchung und das dabei verwendete mathmatische Modell bildet. Im
Zuge dieses empirischen Teils werden drei konkrete Hypothesen bezüglich der
Determinanten von Investition formuliert und mit Hilfe einer OLS-Regression auf ihre
Beständigkeit getestet. Es wird dabei versucht eventuell auftretende Corporate
Governance Probleme in Bulgarien zu identifizieren. Das letzte Kapitel fasst die
gewonnenen Ergebnisse und Erkenntnisse zusammen.

Seite 3
2 Bulgarien seit dem Fall des Kommunismus
2.1 Politische Entwicklungen
Bulgarien ist in Richtung EU unterwegs, konnte aber auf Grund mancherlei Defizite
nicht bei der erst kürzlich erfolgten, historischen Erweiterungsrunde teilnehmen.
Allein die Hoffnung auf einen möglichst raschen Beitritt lässt die Bevölkerung die
schwierigen Reformschritte halbwegs erdulden. Seit 1985 haben aber bereits in etwa
eine Million Bulgaren ihr Land verlassen.
Während zum Beispiel Rumänien unter Ceausescu immer ein Außenseiter in der
Reihe der Ostblockstaaten war, galt Bulgarien unter dem langjährigen (1953-1989)
Partei- und Staatschef Schivkov als Musterschüler. Schivkov schlug sogar vor,
Bulgarien zur 16. Unionsrepublik zu machen, was von Moskau aber abgelehnt
wurde. Der Staat bewies mit dieser Geste zumindest, dass er der treueste
Verbündete der Sowjetunion war. Ein Dissens oder eine Gegenöffentlichkeit wie in
anderen Mittel- und Osteuropäischen Ländern fehlte bis zum Schluss. Die Wende
1989 bestand aus einem aus der KP selbst kommenden Elitenwechsel. Die zweite
Reihe der Nomenklatura zwang in der so genannten Palastrevolution Schivkov
genau einen Tag nach der Maueröffnung (10.11.1989) zum Rücktritt und rückte nach
vorne.
1
Die ersten Wahlen wurden aufgrund einer schwachen Opposition von den
Postkommunisten (Sozialistische Partei, BSB) gewonnen, die sich nach einem
Zwischenspiel der inzwischen erstarkten Opposition (Union der demokratischen
Kräfte) bis 1997 (Erstürmung des Parlaments) halten konnte.
Aus vorgezogenen Parlamentswahlen im April 1997 gingen die bürgerlich-liberalen
,,Vereinigten Demokratischen Kräfte" (ODS; u.a. SDS, Bauernpartei sowie 13 kleinere
Parteien) als Sieger hervor, Ministerpräsident wurde I.Kostow. Bei den
Parlamentswahlen am 17.6. 2001 errang die erst im April 2001 registrierte Partei
,,Nationale Bewegung Simeon II." eine deutliche Mehrheit und am 24.7. 2001 wählte
das Parlament Simeon II. zum neuen Ministerpräsidenten. Bei den
1
Vgl. Höpken, 1995, S. 329

Seite 4
Präsidentschaftswahlen am 11./18.11. 2001 siegte jedoch in der Stichwahl der
Sozialist Georgi Parwanow über den Amtsinhaber Stojanow.
2
Bis 1997 gab es auch keine nennenswerten Reformschritte (siehe Kapitel 6.1 ­
Etablierung eines kapitalistisch-kommunisiten Netzes), erst der konservative Premier
Iwan Kostow begann entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Die Reformen
mündeten in eine Transformationsrezession, die zur Folge hatte, dass Kostow im
Juni 2001 abgewählt wurde.
Der Wahlsieger und somit neue Premier, der frühere König Simeon II (heute Simeon
Sakskoburggotski) versprach, Bulgarien innerhalb von 800 Tagen wieder zu
Wohlstand zu führen, was sich natürlich schwierig gestaltet und somit die politische
Apathie in Bulgarien weiter verstärkt. Große Hoffnungen, die Armut zu überwinden,
werden in den EU-Beitritt gesetzt der schon bei der nächsten Erweiterungsrunde
gemeinsam mit Rumänien und nun vielleicht auch Kroatien erfolgen soll. Bulgarien
hat daher in jüngster Zeit besonders rasch und intensiv verhandelt. Beim EU-Gipfel
im Juni 2004 wurde verkündet, dass mit Bulgarien bereits alle Verhandlungskapitel
abgeschlossen werden konnten.
2.2 Die Transformation in Bulgarien
Während alle anderen Länder nur eine Transformationskrise durchmachten, traf es
Bulgarien gleich zweimal.
Die erste Phase (1989-1994) brachte einen realen Rückgang auf ca. 70 % des BIP
von 1989, der wie in allen anderen Ländern anpassungsbedingt war. Die bulgarische
Wirtschaft war komplett in den sozialistischen Block integriert und auf Landwirtschaft
sowie gewisse Schwerindustrien spezialisiert. Bulgarien war besonders vom Zerfall
des sozialistischen Systems in Form von Einbruch der Nachfrage für Exporte und der
Angleichung des Handels auf Grund des Wechsels zu Marktpreisen betroffen.
3
Der
Beginn des Umsturzes war verbunden mit einer starken Output-Reduzierung in allen
Ländern des ehemaligen Ostblocks. Die Ursache für den anfänglichen
Produktionsrückgang war der enorme Strukturwandel, welcher durch den Zerfall des
2
Vgl. Brockhaus, 2004, elektronische Ausgabe
3
Vgl. IWF Working Paper, 2002, S. 6

Seite 5
Systems ausgelöst wurde
4
Diese Kontraktion führte zu atemberaubenden
Arbeitslosigkeitsraten.
Nach einer leichten Erholung 1995 kam es 1996 zu einer zweiten schweren
Rezession und Finanzkrise (Währungskrise und Krise des Bankensektors). Das BIP
schrumpfte 1996 um 10,9 % und 1997 um 7,0 %. Die Inflation kletterte monatlich auf
bis zu 243%
5
, bevor mit dem IWF unter harten Auflagen eine strikte
Stabilisierungspolitik umgesetzt wurde. Herzstück dieser Politik war die Einführung
eines Currency Boards ab Mitte 1997 mit der Koppelung der Bulgarischen Lewa an
die DM im Verhältnis 1:1. Die makroökonomischen Erfolge der neuen Politik waren
beachtlich. Betrug die Inflationsrate im Jahr 1997 noch 579%, so konnte sie in den
Folgejahren auf unter 10% reduziert werden und das trotz der Preisliberalisierung am
1998, als fast alle Preise freigegeben wurden.
2.3 Wirtschaftlage und Wirschaftspolitik
Die Rezession wurde überwunden und Bulgariens Wirtschat wuchs kräftig, dies trotz
des Kosovo-Krieges von 1999, durch den der Donau-Transportweg in die EU
blockiert war. Durch das ,,Currency Board", welches über die Wirtschafts- und
Währungspolitik wacht, ist der Handlungsspielraum der bulgarischen
Wirtschaftspolitik sehr eingeschränkt. Die Restrukturierung wurde jedoch rasch
vorangetrieben und die Investitionen nahmen in jedem Jahr deutlich zu.
Ausländische Direktinvestitionen begannen allmählich zu fließen. Die Kehrseite
dieser Stabilisierungspolitik ist jedoch eindeutig die hohe Arbeitslosigkeit, die weiter
zunahm und zum Beispiel im Jahr 2000 mit 18,1% im Jahresdurchschnitt ihren
Höchststand erreichte und seither nur langsam sinkt.
Darin liegt das Dilemma der bulgarischen Wirtschaftspolitik, die einerseits eine
beachtliche makroökonomische Stabilität (Inflation auch 2002 und 2003 einstellig)
und ein hohes Wirtschaftswachstum (3-4%) aufweist, andererseits aber
Unzufriedenheit auslöst, weil ein großer Teil der Bevölkerung zumindest derzeit
daran nicht partizipieren kann.
6
Der gesetzliche Mindestlohn bei umgerechnet 56
Euro. Das Durchschnittsgehalt ist mit 140 Euro ebenfalls äußerst niedrig, besonders
4
Vgl. Blanchard, 2002, S. 467
5
Vgl. Wirtschaftkammer Österreich (2002), Länderblatt Bulgarien
6
Vgl. Breinbauer/Wakovnig, 2003, S. 182

Seite 6
wenn in Betracht gezogen wird, dass fast die Hälfte davon für Nahrung ausgegeben
wird. Fast 22% der bulgarischen Bevölkerung lebt mit täglich weniger als 2 Dollar. In
Polen oder der Tschechischen Republik liegt dieser Wert zum Vergleich bei cirka 2
%.
Die politische Führung ist in den kommenden Jahren unter anderem mit folgenden
Problemfeldern konfrontiert:
Die hohe Arbeitslosenquote und der sehr niedrige Lebensstandard drängen die
Bevölkerung in den informellen Sektor, verlangsamen oder behindern die
Reformfortschritte und erzeugen soziale Spannungen.
Es besteht ein Dilemma zwischen einer dem IWF verpflichteten harten
Stabilitätspolitik (also auch dem Vorhaben, die Staatsschulden von derzeit ca.
75% des BIP rasch abzutragen) und dem Ziel, Investitionsanreize für
einheimische und ausländische Unternehmen zu schaffen.
Bulgarien ist derzeit auf dem Weltmarkt fast nur durch arbeits- und
rohstoffintensive Exportartikel (Textilien, Bekleidung, Chemikalien, und
Metallerzeugnisse) vertreten und muss sich möglichst bald auf Know-how
intensive Produkte umorientieren.
7
Ein weiterer Problembereich Bulgariens ist vor allem der hohe Grad an
Korruption. Der Transparency International Korruptionsindex listet Bulgarien an
Stelle 47 von 91 Ländern, neben Kroatien und der Tschechischen Republik.
8
Indirekt damit verbunden ist das organisierte Verbrechen, welches in
westeuropäischen Ländern zu steigender Besorgnis führt, besonders im Hinblick
auf einen möglichen EU-Beitritt im Jahr 2007.
2.4 Bulgarien erst in 50 Jahren auf EU-Niveau?
Das Institut für Marktwirtschaft in Sofia rechnete vor, dass es ca. 50 Jahre dauern
könnte, bis Bulgarien mit dem EU-Durchschnitt (gemessen am BIP) gleichzieht, ein
jährliches Wirtschaftswachstum von 4-5% vorausgesetzt.
9
7
Vgl. Petkova, 2000, S. 86-92
8
Vgl. Transperancy International Corruption Perception Index 2003
9
Vgl. Breinbauer/Wakovnig, 2003, S. 182

Seite 7
Nach einer Konvergenzstudie der DGZ-Dekabank liegt Bulgarien etwas vor
Rumänien und aufgrund der realwirtschaftlichen Schwächen, aber monetären
Stabilisierung an vorletzter Stelle der Mittel- und Osteuropäischen Länder (MOEL)
10. Im Unterschied zu Rumänien ist Bulgarien nach Auffassung der EU-Kommission
2002 zum ersten Mal eine funktionierende Marktwirtschaft und dürfte mittelfristig in
der Lage sein, dem Wettbewerb des Binnenmarktes standhalten zu können.
10
Gelobt
wird von der Kommission die Stabilisierung des makroökonomischen Umfeldes. Der
­ trotz nomineller Privatisierung ­ noch weitreichende Einfluss des Staates wird
kritisiert. Weiters gäbe es laut EU-Kommission noch zu große Hürden für private
Unternehmer. Allerdings waren 2001 immerhin 73,4% der Beschäftigten im privaten
Sektor tätig und seit Beginn der Transformation bis April 2002 fast 80% der dafür
vorgesehenen staatlichen Betriebe privatisiert.
Mit einem BIP pro Kopf von etwa 26% des EU-Durchschnitts liegt Bulgarien
realwirtschaftlich hinter Rumänien an letzter Stelle. Gemessen an anderen Kriterien
wie zum Beispiel Kapitalstock für zukünftiges Wachstum, Zustand des Agrarsektors,
Währungsstabilität usw. liegt es nach dem EU-Reifegrad weit vor Rumänien und
sogar auch Litauen.
11
Als Handlespartner ist die EU für Bulgarien wichtig (ca. 51%
der Exporte, 44% der Importe im Jahr 2000
12
.
10
Vgl. EU-Kommissionsbericht, 2002, S. 47
11
Vgl. Breinbauer/Wakovnig, 2003, S. 183
12
Vgl. EU-Kommissionsbericht, 2001, S. 96

Seite 8
3 Corporate Governance
3.1 Definition
Obwohl Corporate Governance heute im Zentrum akademischer Diskussionen steht,
so fehlt dennoch ein Konsens hinsichtlich einer einheitlichen Begriffsbestimmung.
Blair liefert folgende Definition:
,,Governance systems broadly defined, set the ground rules that determine who
has what control rights under what circumstances, who receives what share of
wealth created, and who bears what associated risks."
13
Eine weitere Definition liefert die Begriffsbestimmung von Zingales, wonach
Corporate Governance als die Gesamtheit der institutionellen Rahmenbedingungen
definiert wird, von denen die Machtstellung jeder Kooperationspartei im Unternehmen
(Eigenkapitalgeber, Arbeitnehmer, Gläubiger, Kunden, Lieferanten usw. ) bei den
nach Eingehen der Kooperationsbeziehung, also ex post, stattfindenden
Verhandlungen über Quasirenten abhängt.
,,I define corporate governance as the complex set of constraints that shape the
ex post bargaining over the quasi-rents generated by a firm."
14
Dabei soll darauf hingewiesen werden, dass dieser Begriff der Corporate
Governance ausdrücklich sowohl die Interessen der Anteilseigner als auch anderer
Stakeholder beinhaltet. So auch Witt, der Corporate Governance als Mischung aus
verschiedenen, sich ergänzenden bzw. ersetzenden Instrumenten zur Organisation
der Leitung und Kontrolle eines Unternehmens sieht. Dadurch soll das Ziel eines
dauerhaften Interessensausgleichs zwischen verschiedenen Stakeholdergruppen
erreicht werden.
15
13
Vgl. Blair, 1995, S. 17
14
Vgl. Zingales, 1998, S. 498
15
Vgl. Witt, 2000, S. 159

Seite 9
Die Regelungen, welche die Stellung der unterschiedlichen Gruppen bei den ex-post
Verhandlungen bestimmen, werden folgendermaßen eingeteilt:
16
In den gesetzlichen einklagbaren Teil ­ Handelsrecht, Aktiengesetz,
Mitbestimmungsrechte, einklagbare Vereinbarungen, wie z.B. Satzungen,
Geschäftsordnungen, Verträge usw. ­ sie bilden die Unternehmensverfassung.
In den nicht einklagbaren Teil ­ die ,,weichen" Spielregeln und andere
Sachverhalte, die auf die Verteilung von Quasirenten faktisch Einfluss haben.
Die grundsätzlichen Fragen, mit denen sich Corporate Governance beschäftigt,
betreffen die Verteilung der Entscheidungsrechte in einer Unternehmung und die
Kontrolle des Managements im Hinblick auf die Zielerreichung. Das Ziel eines
Unternehmens wird je nach angewandtem Ansatz (Shareholder oder Stakeholder)
unterschiedlich verstanden. Laut der Shareholder-Theorie soll ein Unternehmen das
Ziel der Wertmaximierung für Anteilseigner verfolgen. Im Gegensatz dazu sieht der
Stakeholder-Ansatz das Ziel in der Unternehmenswertmaximierung durch einen
längerfristigen Interessensausgleich zwischen den wichtigsten Stakeholdern.
17
Beispiele zu den konkreten Ausprägungen beider Theorien finden sich im Kapitel 8.
An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass es zu Teil große
Unterschiede in der Literatur bezüglich des Begriffs der CG gibt. Das hängt damit
zusammen, dass Corporate Governance-Probleme im Wesentlichen aus zwei
Blickrichtungen betrachtet werden. Vor allem im angelsächsischen Raum wird unter
dem Stichwort CG untersucht, mit Hilfe welcher Regelungen das Management
diszipliniert werden kann, um im Sinne der Aktionäre zu handeln. Typisch
insbesondere für Kontinentaleuropa oder auch Japan ist die stärkere
Berücksichtigung auch der Interessen der übrigen, am Unternehmen beteiligten,
Gruppen, insbesondere der Mitarbeiter der Unternehmung. Die öffentliche
Auseinandersetzung mit Corporate Governance führte jedoch besonders in Europa
dazu, dass in immer mehr Ländern ein sogenannter Gorporate Governance Kodex
formuliert und ins Rechtssystem aufgenommen wurde. Diese Kodizes orientieren
sich mehrheitlich jedoch tendenziell am anglo-amerikanischen System.
16
Vgl. Schmidt, 2001, S. 65
17
Vgl. Schmidt, 2001, S. 18-20 und S. 24-25

Seite 10
3.2
Prinzipal-Agent-Theorie
Die Trennung von Eigentum und Kontrolle in grossen Gesellschaften, d.h. die
Uebertragung der Unternehmerfunktion durch die Eigentuemer auf einen anderen
Personenkreis, das Management, führt zur Entstehung von Handelsspielräumen und
Schwierigkeiten. Diese Probleme werden in der Prinzipal-Agent Theorie erforscht.
Dank der Delegation der Unternehmensfuehrung durch die Anteilseigner (Prinzipal)
an professionelle Manager (Agent) lassen sich Vorteile der Arbeitsteilung bzw. der
Spezialisierung erzielen. Während die Stärke der Eigenkapitelgeber u.a. die
Risikotragung ist, sind Manager aufgrund ihres spezifischen Wissens besser zur
Unternehmensleitung im Sinne des Treffens von Entscheidungen ueber Verwendung
zur Verfuegung stehender Ressourcen geeignet.
Zwischen den beiden Parteien wird ein Vertrag geschlossen, welcher die Rollen
beider Wirtschaftssubjekte innerhalb der Beziehung festlegt. Dabei wird der Prinzipal
versuchen, den Agenten zu einem Verhalten anzuleiten, das zu einem für ihn
möglichst günstigen Ergebnis führt und im Idealfall seinen Nutzen maximiert.
18
Der
Prinzipal ist dem Agenten hierarchisch übergeordnet. Bei der Delegation komplexer
Entscheidungen besteht jedoch die Gefahr, dass sich der Agent, für den sein
Eigeninteresse im Vordergrund steht, in einem nicht ausreichendem Maße engagiert
oder nicht im Sinne des Prinzipals handelt. Dieses Problem ist umso
schwerwiegender, je größer der Unterschied zwischen dem Informationsstand des
Prinzipals und jenem des Agenten ist. Hierdurch wird der Prinzipal in der
angemessenen Ausübung seiner Kontrollfunktion behindert. Die fachliche
Kompetenz des Prinzipals spielt für die Beurteilung der Handlungen des
Entscheidungsträgers ebenfalls eine entscheidende Rolle.
19
Um die weiteren Zusammenhänge und Implikationen besser darstellen zu können, ist
es notwendig, die Nutzenfunktion der beiden Parteien etwas näher zu erläutern. Der
Nutzen des Agenten in der Periode t wird dabei festgelegt durch die eigenen
Handlungen in der laufenden Periode t und durch eine Zufallsvariable, die die
Einflüsse aus dem Umfeld repräsentiert. Außerdem durch Restriktionen, welche der
18
Vgl. Kiener, 1990, S. 19
19
Vgl. Laux, 1990, S. 1 ff.

Seite 11
Prinzipal in der vorhergehenden Periode t-1 festgesetzt hat.
20
Diese sind notwendig,
da der Agent zu allererst den erwarteten Nutzen seines eigenen Anteils am Erfolg
maximiert und nicht unbedingt jenen des Prinzipalen. Deshalb wird dieser versuchen
auf die Handlungen des Agenten Einfluss zu nehmen. Er kann sein Ziel mit Hilfe von
vertraglichen und gesetzlichen Regelungen oder anderweitigen
Sanktionsmaßnahmen erreichen.
21
Der Nutzen des Prinzipals wird von denselben Größen bestimmt, was die
Interdependenz der beiden Parteien zum Ausdruck bringt. Das bedeutet, dass das
Verhalten des Agenten direkten Einfluss auf den Nutzen des Prinzipals hat. Der
Idealzustand für den Prinzipal wäre demnach dann erreicht, wenn der Agent seine
eigene Nutzenfunktion durch Maximierung derjenigen des Prinzipals optimiert.
22
Welche Art der Einflussnahme der Prinzipal wählen wird, hängt einerseits von den
zugrunde liegenden Entscheidungsproblemen und andererseits von den zur
Verfügung stehenden Informationen ab. Handelt es sich um ein
Entscheidungsproblem und Sicherheit und symmetrischer Informationsverteilung,
stellt sich der Sachverhalt für den Prinzipal allein als Problem der Ermittlung der
optimalen Entlohnung dar. Weit schwieriger ist es jedoch, wenn der Fall der
Unsicherheit vorliegt und Prinzipal und Agent einen unterschiedlichen
Informationsstand aufweisen. Obwohl der Prinzipal versuchen wird, die Unsicherheit
durch Informationsgewinn zu verringern und Entscheidungen auf Basis eines
höheren Informationsstandes zu fällen,
23
kann unter Umständen ex post nicht
festgestellt werden, ob das Ergebnis rein zufällig oder durch gezieltes Handeln des
Agenten zustande kam.
24
Da der Zustand der Informationssymmetrie in der Realität nie erreicht wird, wird im
Weiteren der Fall des symmetrischen Informationsstandes auch nicht weiter
behandelt.
20
Vgl. Bofinger, 1991, S. 2
21
Vgl. Wenger, Terberger, 1988, S. 506
22
Vgl. Bofinger, 1991, S. 2
23
Vgl. Kiener, 1990, S. 19
24
Vgl. Wenger, Terberger, 1988, S. 506

Seite 12
3.3 Asymetrischer Informationsstand
Anders verhalten sich die Zusammenhänge, wenn der realistischere Fall der
ungleichen Informationsverteilung zwischen den beiden Parteien vorliegt. Dies
bedeutet nichts anderes, als dass es Wirtschaftssubjekte mit besserem und solche
mit schlechterem Informationsstand gibt und somit Kooperations- und
Abhängigkeitsprobleme zwischen den Parteien unvermeidlich sind. Das
nutzenmaximierende Verhalten sowohl des Prinzipalen als auch des Agenten führt
jetzt nicht mehr automatisch über den Marktmechanismus zu einem pareto-optimalen
Ergebnis. Außerdem verhindern Kosten der Vertragserfüllung (Transaktionskosten)
die optimale Koordination von Entscheidungen.
25
Somit kann der Agent nicht oder jedenfalls nicht kostenlos daran gehindert werden,
Maßnahmen zu ergreifen bzw. Entscheidungen zu treffen, die zwar seinem eigenen
Vorteil, nicht aber dem Interesse des Prinzipalen dienen. Der hierdurch entstehende
,,diskretionäre Handelsspielraum"
26
des Agenten führt zu
,,Reichtumsverschiebungen"
27
zu seinen Gunsten, ohne dass der Prinzipal dies
beobachten kann. Die Größe des Handelsspielraumes des Agenten ist dabei
abhängig von der Höhe seines Informationsvorsprungs gegenüber dem Principal.
Der Informationsvorsprung, der offensichtlich bei der mit der Durchführung der
Aufgabe betrauten Partei liegt, lässt sich in zwei Situationsmerkmalen unterscheiden.
Nach Arrow (1985) werden diese mit ,,hidden action" oder ,,moral hazard" und ,,hidden
information" oder ,,adverse selection" bezeichnet.
28
Im Fall der ,,hidden action" ist es dem Agenten möglich, bei der Ausführung einer
bestimmten Aufgabe zwischen mehreren Handlungsmöglichkeiten eine Auswahl zu
treffen:
25
Vgl. Gabler-Wirtschatslexikon, 1988, S. 995
26
Vgl. Spremann, 1987, S. 342
27
Vgl. Hax/Hartmann-Wendels/von Hinten, 1988, S. 707
28
Vgl. Wenger/Terberger, 1988, S. 507

Seite 13
,,the most typical hidden action is the effort of the agent. Effort is disutility to the
agent, but it has a value to the principal in the sense that it increases the
likelihood of a favorable outcome"
29
Für den Prinzipal ist aber nur die ex-post Größe, nämlich das Ergebnis, das aus der
Aktivität des Agenten resultiert sichtbar. Sichere Rückschlüsse auf die
Handlungsweise und die Entscheidungen des Agenten sind dem Prinzipal daher
nicht möglich. Ein eventuell schlechtes Betriebsergebnis wird dann dem Prinzipal
gegenüber auf einen ungünstigen Umweltzustand zurückgeführt. Dieser kann nur
indirekt auf die Aktivitäten des Agenten Einfluss nehmen, indem er entsprechende,
zum Beispiel finanzielle Anreize schafft, die den Agenten dazu veranlassen, in
seinem Sinne zu handeln. Während für den Prinzipal letztendlich nur das Ergebnis
relevant ist, wird der Agent eventuell auch eine Nutzenminderung durch seinen
Arbeitseinsatz (effort) berücksichtigen.
30
Es besteht somit ein gewisser
Interessenskonflikt zwischen Prinzipal und Agent, da der Entscheidungsträger
(Agent) zusätzliche Aktionen unterlassen wird, die einen hohen Arbeitseinsatz
erfordern, da diese für ihn eine Wohlfahrtsminderung bedeuten.
31
Ein Beispiel für eine derartige ,,hidden action"-Problematik ist die Beziehung
zwischen einer zentralen Planungsinstanz und den ihr unterstellten
Produktionsstätten. Hierbei ist die zentrale Planungsinstanz (Prinzipal) nicht in der
Lage, alle Handlungen der Betriebsleiter (Agenten) zu kontrollieren.
Im Fall der ,,hidden information" kann der Prinzipal zwar die Handlungen des
Entscheidungsträgers beobachten, der Agent besitzt jedoch weitere Informationen,
die dem Prinzipal nicht oder jedenfalls nicht kostenlos zur Verfügung stehen. Er weiß
mehr als der Prinzipal. Um der Gefahr einer seiner Interessen zuwiderlaufenden
Nutzung dieser Informationen zu begegnen, kann er die Handlungsweise des
Agenten durch eine geeignete Wahl seiner Restriktionen verhindern. Der Agent hat
aber grundsätzlich kein Interesse, seinen kompletten Wissensstand preiszugeben, da
entweder die entsprechende Anreizstruktur fehlt, oder er durch die Preisgabe ein zu
29
Vgl. Arrow, 1985, S. 38
30
Vgl. Arrow, 1985, S. 38 und Jensen/Meckling, 1976, S. 313
31
Vgl. Hartmann-Wendels, 1989, S. 714

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hohes Arbeitsleid erfährt. Der Agent wird deshalb immer nur jene Mitteilungen
offenbaren, die ihm den höchsten Nutzen einbringen. Daher ist es die Aufgabe des
Prinzipals, entsprechende Anreize für den Agenten zu setzen, damit er
wahrheitsgemäß informiert wird.
32
Greift man das oben genannte Beispiel wieder auf, so kann die Zentrale aus der
beobachtbaren Ausbringungsmenge einzelner Betriebseinheiten nicht darauf
schließen, ob das dezentralisierte Wissen über die jeweiligen
Produktionsmöglichkeiten optimal genutzt wurde.
33
Somit werden bei asymmetrischer Informationsverteilung zwischen den Beteiligten
sich sowohl die ,,hidden action" als auch ,,hidden information" negativ auf das
Kostengefüge und den Nutzen des Prinzipals auswirken. Der Agent wird auf jeden
Fall versuchen seinen eigenen Nutzen zu optimieren, auch wenn aus seinem Vorteil
ein größerer Nachteil für den Prinzipal resultiert. Es ist also im Allgemeinen mit
Wohlfahrtsverlusten (residual losses) zu rechnen.
3.4 Prinzipal-Agent-Theorie in der Plan- und Marktwirschaft
3.4.1 Planwirtschaft
Charakteristisch für die reine Zentralverwaltungswirtschaft ist eine vertikale, streng
hierarchische Prinzipal-Agent-Struktur. Dabei werden Konflikte zwischen
individuellen Eigeninteressen und gesamtwirtschaftlichen Zielen durch eine strikte
Unterordnung der Agenten unter die zentrale Planungsinstanz, die als oberster
Prinzipal auftritt, unterbunden. Dadurch bleibt dem Agenten theoretisch kein
Spielraum zur Verfolgung seiner eigenen Interessen. In der Realität ist diese These
aber nicht haltbar, da selbst durch die Vorgabe eines strenger Plankennziffern, dem
Einsatz eines Kontrollsystems und der Androhung strafrechtlicher Sanktionen bei
Planverfehlung nicht verhindert werden kann, dass der Agent versucht, seinen
eigenen Nutzen zu maximieren.
34
Dies beruht auf der Tatsache, dass für die Zentrale
Informations- und Kontrollprobleme bestehen. Da die Agenten versuchen werden,
Informationen über Produktionsmöglichkeiten im Betrieb nur teilweise oder verzerrt
weiterzugeben, können sie bei der Zentrale Planvorgaben durchsetzen, die ihnen ein
32
Vgl. Hartmann-Wendels, 1989, S. 715
33
Vgl. Gutmann, 1993, S. 191 ff
34
Vgl. Hensel, 1966, S. 7

Seite 15
relativ ruhiges Leben gewährleisten.
35
Dies führt für den Prinzipal zu einem hohen
,,residual loss", womit die Differenz zwischen tatsächlichem Ergebnis und dem
Ergebnis, das sich bei kooperativem Verhalten des Agenten eingestellt hätte,
gemeint ist.
36
3.4.2 Marktwirtschaft
In der Marktwirtschaft spielen im Gegensatz zur Planwirtschaft privatrechtliche
Verträge eine wesentliche Rolle. Die Beziehungen zwischen Prinzipal und Agent
können sowohl vertikaler als auch horizontaler Art sein und beziehen sich nicht
ausschließlich auf ein strenges Über- bzw. Untergeordnetenverhältnis. Das lässt sich
anhand folgender Beispiele verdeutlichen.
Eigenkapitalgeber können als Prinzipal und das Management einer
Unternehmung als deren Agenten aufgefasst werden.
Aus schuldrechtlicher Sicht vertritt der Fremdkapitalgeber die Position des
Prinzipals und die Eigenkapitalgeber zusammen mit dem Management einer
Firma die der Agenten.
Aus Unternehmenssicht spiegelt die Arbeitgeber ­ Arbeitnehmer ­ Beziehung das
Prinzipal ­ Agenten ­ Verhältnis wider.
Es ist also denkbar, dass manche Wirtschaftssubjekte Prinzipal und Agent zugleich
sind. Auch in der Marktwirtschaft kann es dementsprechend zu einer Trennung von
Verfügungs- und Nutzungsrechten kommen, wie aus obigen Beispielen ersichtlich ist.
Dies kann zu Interessenskonflikten führen, die eine ineffiziente Ressourcenallokation
nach sich ziehen.
37
Im Gegensatz zur Planwirtschaft besitzt der Agent in der Marktwirtschaft aber eine
höhere Eigenverantwortlichkeit. Durch die mögliche Koppelung von Anreiz
orientierten Lenkungsverfahren an den Unternehmenserfolg, ist der Agent in einem
marktwirtschaftlichen System eher bereit, einen größeren Teil an Informationen
preiszugeben, da er neben dem Nutzen des Prinzipals in erster Linie auch seinen
35
Vgl. Gutmann, 1993, S. 191-195
36
Vgl. International Bank for Reconstruction and Development, 1991, S. 2
37
Vgl. Jensen/Meckling, 1976, S. 305 ff

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783832485467
ISBN (Paperback)
9783838685465
DOI
10.3239/9783832485467
Dateigröße
717 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Wien – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2005 (Januar)
Note
1,0
Schlagworte
osteuropa regression cash flow controlling fremdkapital
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Titel: Corporate Governance in Bulgarien im Zuge von Transformation und Privatisierung
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