Tourismus und Naturschutz
Konfliktlösungsstrategien am Beispiel der FFH-Richtlinie in Mecklenburg-Vorpommern
©2004
Magisterarbeit
179 Seiten
Zusammenfassung
Inhaltsangabe:Einleitung:
Wo liegen die Belastungsgrenzen von Umwelt und Natur? Zu welchem Preis darf der Tourismus weiterentwickelt werden? Wie wirken sich touristische Projekte und Planungen auf Umwelt und Natur aus? Diese und noch weitere Fragen, werden seit jeher im Spannungsfeld Tourismus und Naturschutz diskutiert. Ein sich daraus ergebendes Konfliktpotenzial und tatsächlich vorhandene Konflikte sind die logische Konsequenz und gehören zur Alltagserfahrung der Akteure auf beiden Seiten.
Mit der Richtlinie 92/43/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume, sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) wurde auf europäischer Ebene ein Regelwerk zur Sicherung und zum Erhalt der biologischen Vielfalt geschaffen. Die Umsetzung dieser Richtlinie in nationales Recht wird im Vergleich zu anderen Bereichen eine Aufwertung der Umweltgesetzgebung mit sich bringen und stellt aufgrund des umfangreichen Richtlinientextes nicht nur für den Naturschutz eine Herausforderung dar.
Insbesondere die Wirtschafts- und Landesentwicklung wird sich mit einer Vielzahl von umweltpolitischen Forderungen konfrontiert sehen. Damit stehen in Bezug auf den Tourismus nicht nur die oben genannten Fragestellungen im Zentrum der Betrachtung, sondern auch die Fragen, wie viel Naturschutz der Tourismus verträgt, oder welche Konsequenzen sich daraus für eine zukünftige touristische Entwicklung ergeben.
In Deutschland ist für diese Konfliktfragen das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern beispielhaft, da es auf der einen Seite mit einem reichen Naturpotenzial ausgestattet ist und in dem auf der anderen Seite der Tourismus eine entscheidende Rolle bei der Wirtschaftsentwicklung spielt. Durch eine möglichst frühzeitige und umfassende Auseinandersetzung mit diesem Konfliktfeld erscheint es jedoch möglich, einem langwierigen und schwelenden Gegeneinander vorzubeugen und Lösungswege für bestehende Konflikte aufzuzeigen.
Ziel der Arbeit ist es, einen Maßnahmenkatalog zur Konfliktlösung zwischen der Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) und des Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern zu entwickeln.
Die Kernfrage dafür lautet: Wie lassen sich Konflikte zwischen dem Tourismus und der FFH-Richtlinie in Mecklenburg-Vorpommern unter Wahrung der Anforderungen des Richtlinientextes vermeiden bzw. lösen, so dass eine von allen Beteiligten akzeptierte Umsetzung der Richtlinie realisiert wird?
Die Arbeit […]
Wo liegen die Belastungsgrenzen von Umwelt und Natur? Zu welchem Preis darf der Tourismus weiterentwickelt werden? Wie wirken sich touristische Projekte und Planungen auf Umwelt und Natur aus? Diese und noch weitere Fragen, werden seit jeher im Spannungsfeld Tourismus und Naturschutz diskutiert. Ein sich daraus ergebendes Konfliktpotenzial und tatsächlich vorhandene Konflikte sind die logische Konsequenz und gehören zur Alltagserfahrung der Akteure auf beiden Seiten.
Mit der Richtlinie 92/43/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume, sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) wurde auf europäischer Ebene ein Regelwerk zur Sicherung und zum Erhalt der biologischen Vielfalt geschaffen. Die Umsetzung dieser Richtlinie in nationales Recht wird im Vergleich zu anderen Bereichen eine Aufwertung der Umweltgesetzgebung mit sich bringen und stellt aufgrund des umfangreichen Richtlinientextes nicht nur für den Naturschutz eine Herausforderung dar.
Insbesondere die Wirtschafts- und Landesentwicklung wird sich mit einer Vielzahl von umweltpolitischen Forderungen konfrontiert sehen. Damit stehen in Bezug auf den Tourismus nicht nur die oben genannten Fragestellungen im Zentrum der Betrachtung, sondern auch die Fragen, wie viel Naturschutz der Tourismus verträgt, oder welche Konsequenzen sich daraus für eine zukünftige touristische Entwicklung ergeben.
In Deutschland ist für diese Konfliktfragen das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern beispielhaft, da es auf der einen Seite mit einem reichen Naturpotenzial ausgestattet ist und in dem auf der anderen Seite der Tourismus eine entscheidende Rolle bei der Wirtschaftsentwicklung spielt. Durch eine möglichst frühzeitige und umfassende Auseinandersetzung mit diesem Konfliktfeld erscheint es jedoch möglich, einem langwierigen und schwelenden Gegeneinander vorzubeugen und Lösungswege für bestehende Konflikte aufzuzeigen.
Ziel der Arbeit ist es, einen Maßnahmenkatalog zur Konfliktlösung zwischen der Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) und des Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern zu entwickeln.
Die Kernfrage dafür lautet: Wie lassen sich Konflikte zwischen dem Tourismus und der FFH-Richtlinie in Mecklenburg-Vorpommern unter Wahrung der Anforderungen des Richtlinientextes vermeiden bzw. lösen, so dass eine von allen Beteiligten akzeptierte Umsetzung der Richtlinie realisiert wird?
Die Arbeit […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
ID 8526
Heinsohn, Karsten: Tourismus und Naturschutz - Konfliktlösungsstrategien am Beispiel
der FFH-Richtlinie in Mecklenburg-Vorpommern
Hamburg: Diplomica GmbH, 2005
Zugl.: Universität Potsdam, Magisterarbeit, 2004
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2005
Printed in Germany
Gliederung
I
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis...III
Kartenverzeichnis ... IV
Tabellenverzeichnis ... IV
Abkürzungsverzeichnis... V
Danksagung ... VI
1. Einleitung...1
2.
Die Bedeutung des Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern...8
2.1
Die touristische Nachfrage und das touristische Angebot...9
2.2
Der Tourismussektor im gesamtwirtschaftlichen Kontext...11
2.3
Ist-Situation und Zukunftsperspektiven des Tourismus in Mecklenburg-
Vorpommern ...13
2.3.1 Infrastruktur...14
2.3.2 Touristische
Segmente und Zielgruppen ...17
2.3.3 Zukunft des Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern ...19
2.4 Bewertung
des
Naturpotenzials
für die touristische Nutzung...21
2.5 Zwischenfazit ...23
3.
Die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und ihre Umsetzung in
Mecklenburg-Vorpommern ...25
3.1 Die
Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie...26
3.1.1 Entstehung, Aufbau und Ziele der FFH-Richtlinie ...26
3.1.2 Ausweisung
der FFH-Gebiete...28
3.1.3 Schutzgebietsmanagement ...30
3.1.4 Behandlung von Plänen und Projekten ...34
3.2 Die
Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie in Mecklenburg-Vorpommern...37
3.2.1 Umsetzung der FFH-Richtlinie in Deutschland ...37
3.2.2 Zeitplan und Stand der Umsetzung in Mecklenburg-Vorpommern...40
3.2.3 Die FFH-Richtlinie im Bundesländervergleich...43
3.3 Zwischenfazit ...45
4.
Das Konfliktfeld Tourismus und Natur ...48
4.1 Konflikte:
Ursachen und Bedeutung...48
4.2
Konflikte im Bereich Tourismus und Naturschutz in Deutschland und
Mecklenburg-Vorpommern ...52
Gliederung
II
4.3
Verfahren des Konfliktmanagements ...54
4.3.1 Voraussetzungen
und
Nutzen
von Mediationsverfahren...56
4.3.2 Arten und Verlauf von Mediationsverfahren...57
4.3.3 Weitere Methoden und Werkzeuge zur Konfliktlösung/-minimierung...59
4.4 Zwischenfazit ...61
5.
Analyse des Konfliktbereiches Tourismus vs. FFH-Richtlinie in
Mecklenburg-Vorpommern ...63
5.1 Untersuchungsansatz ...63
5.2
Tourismus- und naturschutzbezogene Ausprägungen der Raum-
nutzung in Mecklenburg-Vorpommern ...63
5.2.1 Touristische
Nutzungsräume ...63
5.2.2 Raumnutzung des flächenhaften Naturschutzes...65
5.2.3 Potenzielle
Konflikträume zwischen Tourismus und FFH ...69
5.3
Vom Konfliktpotenzial zum realen Konflikt Entwicklungspfade ...72
5.4 Quantitative Erhebung ...73
5.4.1 Auswahl der Befragten und Strukturierung des Fragebogens ...73
5.4.2 Auswertung
der quantitativen Erhebung ...75
5.5
Leitfadengespräche mit Entscheidungsträgern und Experten...84
5.5.1 Auswahl der Gesprächspartner und Strukturierung des Leitfadens ...84
5.5.2 Auswertung
der
Leitfadeninterviews ...85
5.6 Zusammenfassung der Ergebnisse ...90
6.
Konfliktlösungs- und Konfliktvermeidungsstrategien...93
6.1
Säule 1: Moderations- und Mediationsverfahren ...93
6.2
Säule 2: Informationspolitik und Öffentlichkeitsarbeit...97
6.3 Richtlinienspezifische Maßnahmen...101
7. Schlussbetrachtung...104
Literatur ...107
Abbildungsverzeichnis
III
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: ,,Roter Faden" ...4
Abb. 2: Die Struktur des Systems Tourismus...6
Abb. 3: Die gesamte Tourismusnachfrage in Mecklenburg-Vorpommern...10
Abb. 4: Touristische Bruttoumsätze 2003 in Mecklenburg-Vorpommern ...11
Abb. 5: Touristische Bruttoumsätze aus Übernachtungs- und Tagesreisen
nach Reisegebieten in Mecklenburg-Vorpommern...12
Abb. 6: Produktportfolio für den Mecklenburg-Vorpommern-Tourismus 2010 ...18
Abb. 7: Interpretation von Art. 6 Abs. 3 und 4 der FFH-Richtlinie ...35
Abb. 8: Verfahren der Gebietsauswahl und -meldung in Deutschland...38
Abb. 9: Typen von Konfliktursachen ...49
Abb. 10: Der Konflikt als Prozess...51
Abb. 11: Merkmale eines Beziehungskonfliktes...51
Abb. 12: Die Arten des Konfliktmanagements...58
Abb. 13: Phasen des Konfliktmanagements ...59
Abb. 14: Entwicklungspfade für Konflikte zwischen dem Tourismus und der
FFH-Richtlinie ...72
Abb. 15: Status der quantitativen Befragung...74
Abb. 16: Auswertungsgruppen...75
Abb. 17: Konfliktpotenzial nach Akteursgruppen...77
Abb. 18: Kenntnisstand wichtiger Begriffe der FFH-Richtlinie...83
Abb. 19: Konfliktbereiche und Wirkungszusammenhänge zwischen dem
Tourismus und der FFH-Richtlinie in Mecklenburg-Vorpommern ...90
Abb. 20: 2-Säulen-Strategie zur Konfliktlösung...93
Kartenverzeichnis, Tabellenverzeichnis
IV
Kartenverzeichnis
Karte 1: Mecklenburg-Vorpommern Eine Übersicht ...8
Karte 2: Vorhandene und geplante Bettenkapazitäten in Mecklenburg-
Vorpommern 2003 ...14
Karte 3: FFH-Vorschlagsgebiete in Mecklenburg-Vorpommern ...41
Karte 4: Vorbehaltsgebiete Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern ...65
Karte 5: Großschutzgebiete und FFH-Vorschlagsgebiete in Mecklenburg-
Vorpommern...69
Karte 6: Touristische Planungsräume und FFH-Vorschlagsgebiete in
Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich...70
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Landschaftsbezogene Maßnahmen zum Ausbau der Markterschlie-
ßung in ausgewählten touristischen Märkten und Zielgruppen...20
Tab. 2: Umsetzungs- und Vollzugsfristen der FFH-Richtlinie...27
Tab. 3: Gemeldete und zur Nachmeldung vorgesehene FFH-Gebiete nach
Bundesländern...43
Tab. 4: Auswirkungen des Tourismus auf Natur und Umwelt ...52
Tab. 5: Basisdaten der quantitativen Erhebung ...74
Tab. 6: Allgemeine Einschätzungen zum Thema Tourismus und Natur ...76
Tab. 7: Konflikte zwischen Tourismus und FFH...78
Tab. 8: Konflikte zwischen Tourismus und Großschutzgebieten ...79
Tab. 9: Chancen für den Tourismus ...80
Tab. 10: Teilnahme an der Öffentlichkeitsbeteiligung ...80
Tab. 11: Umfang der Öffentlichkeitsbeteiligung ...81
Tab. 12: Informationsstand der Akteure...82
Abkürzungsverzeichnis
V
Abkürzungsverzeichnis
Abs. Absatz
ADR
Alternative Dispute Resolution
Art. Artikel
BfN
Bundesamt für Naturschutz
BMU
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
cherheit
BNatSchGNeuregG Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und
der Landschaftspflege und zur Anpassung anderer Rechtsvor-
schriften
dwif Deutsches
Wirtschaftswissenschaftliches Institut für Fremden-
verkehr
EAGFL
Europäische Ausgleichs- und Garantiefonds für die Landwirt-
schaft
EFRE
Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung
EU Europäische
Union
EuGH Europäischer
Gerichtshof
FFH Fauna-Flora-Habitat
GTZ
Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GmbH
LSG Landschaftsschutzgebiet
LUNG
Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklen-
burg-Vorpommern
NSG Naturschutzgebiet
OSGV
Ostdeutscher Sparkassen- und Giroverband
RL Richtlinie
ROV Raumordnungsverfahren
StAUN
Staatliche Ämter für Umwelt und Natur
UAbs. Unterabsatz
UBA Umweltbundesamt
UM Umweltministerium
Mecklenburg-Vorpommern
UVP Umweltverträglichkeitsprüfung
VS Vogelschutz
VP Verträglichkeitsprüfung
VG Vergleichsgruppe
WM Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern
Danksagung
VI
Danksagung
Mein Dank gilt Frau Prof. Dr. Saupe vom Fachbereich Geographie der Universität
Potsdam für die wissenschaftliche Begleitung während meines gesamten Studiums
und Anregungen bei der Betreuung dieser Diplomarbeit.
Ich danke Herrn Dr. Feige und der dwif-Consulting GmbH für Hinweise zur Themen-
findung, Einblicke in die praxisorientierte Arbeit und ständige Diskussionsbereitschaft
während der Entwicklung dieses Werkes.
Besonderer Dank gilt meiner Freundin, die mich während der Erarbeitung dieser Ma-
gisterarbeit immer wieder aufgemuntert und angetrieben hat. Auch meinen Kommili-
tonen möchte ich danken, da sie mir mit fachlichen Hinweisen und Vorschlägen zur
Seite standen.
Nicht zuletzt danke ich meinen Eltern, die mir das Studium der Geographie ermög-
licht und mich während dieser Zeit immer unterstützt haben.
Kapitel 1
Einleitung
1
1. Einleitung
Wo liegen die Belastungsgrenzen von Umwelt und Natur? Zu welchem Preis darf der
Tourismus weiterentwickelt werden? Wie wirken sich touristische Projekte und Pla-
nungen auf Umwelt und Natur aus? Diese und noch weitere Fragen, werden seit je-
her im Spannungsfeld Tourismus und Naturschutz diskutiert. Ein sich daraus erge-
bendes Konfliktpotenzial und tatsächlich vorhandene Konflikte sind die logische Kon-
sequenz und gehören zur Alltagserfahrung der Akteure auf beiden Seiten.
Mit der Richtlinie 92/43/EWG
1
des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Er-
haltung der natürlichen Lebensräume, sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen
(Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) wurde auf europäischer Ebene ein Regelwerk zur
Sicherung und zum Erhalt der biologischen Vielfalt geschaffen. Die Umsetzung die-
ser Richtlinie in nationales Recht wird im Vergleich zu anderen Bereichen eine Auf-
wertung der Umweltgesetzgebung mit sich bringen und stellt aufgrund des umfang-
reichen Richtlinientextes nicht nur für den Naturschutz eine Herausforderung dar.
Insbesondere die Wirtschafts- und Landesentwicklung wird sich mit einer Vielzahl
von umweltpolitischen Forderungen konfrontiert sehen. Damit stehen in Bezug auf
den Tourismus nicht nur die oben genannten Fragestellungen im Zentrum der Be-
trachtung, sondern auch die Fragen, wie viel Naturschutz der Tourismus verträgt,
oder welche Konsequenzen sich daraus für eine zukünftige touristische Entwicklung
ergeben.
In Deutschland ist für diese Konfliktfragen das Bundesland Mecklenburg-Vorpom-
mern beispielhaft, da es auf der einen Seite mit einem reichen Naturpotenzial aus-
gestattet ist und in dem auf der anderen Seite der Tourismus eine entscheidende
Rolle bei der Wirtschaftsentwicklung spielt. Durch eine möglichst frühzeitige und um-
fassende Auseinandersetzung mit diesem Konfliktfeld erscheint es jedoch möglich,
einem langwierigen und schwelenden Gegeneinander vorzubeugen und Lösungswe-
ge für bestehende Konflikte aufzuzeigen.
1
vgl. Der Rat der europäischen Gemeinschaften (1992).
Kapitel 1
Einleitung
2
Zielsetzung
Ziel der Arbeit ist es, einen Maßnahmenkatalog zur Konfliktlösung zwischen der Um-
setzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) und des Tourismus in
Mecklenburg-Vorpommern zu entwickeln.
Die Kernfrage dafür lautet: Wie lassen sich Konflikte zwischen dem Tourismus und
der FFH-Richtlinie in Mecklenburg-Vorpommern unter Wahrung der Anforderungen
des Richtlinientextes vermeiden bzw. lösen, so dass eine von allen Beteiligten ak-
zeptierte Umsetzung der Richtlinie realisiert wird?
Zur Beantwortung dieser Frage und zur Erarbeitung des Maßnahmenkataloges die-
nen die fünf folgenden Thesen, die im Rahmen der Arbeit untersucht werden sollen:
These 1: Die Wirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns ist von einer weiterhin positiven
Entwicklung des Tourismus abhängig.
These 2: Das Naturpotenzial ist eine wesentliche Grundlage für die positive Entwick-
lung des Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern.
These 3: Die Ausweisung von FFH-Gebieten erfolgt zum Großteil in tourismusrele-
vanten Räumen. Daraus ergibt sich ein hohes Konfliktpotenzial zwischen Tourismus
und Naturschutz.
These 4: Der unzureichende Informationsstand der Tourismusbeteiligten ist der ent-
scheidende Konfliktbereich. So besteht aufgrund der mangelhaften bzw. fehlenden
Kommunikation/Information ein hohes Maß an Befürchtungen über negative Folgen
aus der FFH-Richtlinie (Stichwort ,,No-Go-Area").
These 5: Moderations-/Mediationsverfahren auf der einen und Informationspolitik/Öf-
fentlichkeitsarbeit auf der anderen Seite bilden die 2-Säulen-Strategie zur Konfliktlö-
sung zwischen dem Tourismus und der FFH-Richtlinie in Mecklenburg-Vorpommern.
Mit den ersten beiden Thesen wird die Bedeutung des Tourismus, aber auch die des
Naturpotenzials für Mecklenburg-Vorpommern herausgestellt, da sie die Vorausset-
zung für entstehende Konflikte darstellen. Im Zentrum der Arbeit steht dann aller-
dings die Erarbeitung von Konfliktlösungs- und Konfliktvermeidungsstrategien. Dafür
werden zunächst, gemäß These 3, die offenkundigen Raumnutzungskonkurrenzen
im Land aufgezeigt und, im Sinne von These 4, das Konfliktpotenzial bzw. die Kon-
Kapitel 1
Einleitung
3
flikte aus Sicht der beteiligten Akteure identifiziert und bewertet. Schließlich wird eine
2-Säulen-Strategie zur Konfliktlösung zwischen dem Tourismus und der FFH-
Richtlinie entwickelt, durch welche die Umsetzung der Richtlinie auf eine möglichst
breite Akzeptanz stößt und im Idealfall zu einer für alle beteiligten Akteure gangbaren
Lösung führt.
Die Betrachtung und Bewertung des Spannungsfeldes Tourismus und FFH-Richtlinie
erfolgt in dieser Arbeit aus einem landesweiten Blickwinkel. Einzelfallbezogene Kon-
fliktlösungsansätze werden demnach nur exemplarisch betrachtet. Ein Teilziel ist da-
her auch, Anregungen für eine Auseinandersetzung mit diesem Thema auf lokaler
Ebene zu geben und, aufbauend auf der 2-Säulen-Strategie, Konfliktlösungsverfah-
ren für einzelne Regionen oder konkrete FFH-Gebiete zu erarbeiten.
Die Arbeit ist an verschiedene Zielgruppen gerichtet, da sie nicht nur einen Überblick
über die Konsequenzen der FFH-Richtlinie für den Tourismus gibt, sondern auch
Maßnahmen zur Konfliktlösung aufzeigt. Hauptadressaten sind zunächst die Ent-
scheidungsträger auf Landesebene, da die Umsetzung der FFH-Richtlinie von dort
aus koordiniert wird. Sie richtet sich aber auch an alle Akteure in den untergeordne-
ten Ebenen aus den Bereichen Verwaltung, Naturschutz und Tourismus , die sich
mit Problemen aus diesem Spannungsfeld konfrontiert sehen.
Aufbau
Das forschungslogische Vorgehen der Arbeit orientiert sich an einem ,,Roten Faden"
(vgl. Abb. 1), der den Weg von der Ausgangssituation bis zur Erarbeitung von Kon-
fliktlösungsstrategien aufzeigt und sich auch in der Gliederung der Arbeit widerspie-
gelt:
Ausgehend vom Grundproblem Raumnutzungskonflikte und Konflikte bei der
Kommunikation zwischen Akteuren aus Tourismus und Naturschutz wird in Kapitel
2 zunächst die Bedeutung des Tourismussektors für Mecklenburg-Vorpommern ver-
deutlicht. Dabei werden zum einen das touristische Angebot und die touristische
Nachfrage betrachtet, zum anderen aber auch auf die Fragen nach der gesamtwirt-
schaftlichen Bedeutung und den Zukunftsperspektiven des Tourismussektors in
Kapitel 1
Einleitung
4
Mecklenburg-Vorpommern eingegangen. Außerdem wird das Naturpotenzial aus
Sicht der touristischen Nutzung bewertet.
Kapitel 3 analysiert die FFH-Richtlinie und ihre Umsetzung in Mecklenburg-Vorpom-
mern und bildet somit zusammen mit Kapitel 4 das theoretische Fundament der Ar-
beit. Hier werden die grundsätzlichen Begrifflichkeiten der Richtlinie erklärt und die
für den Tourismus relevanten Abschnitte näher erläutert. Dies gibt Aufschluss über
die Anforderungen der Richtlinie und mögliche Konsequenzen für den Tourismus.
Ferner deckt ein Vergleich auf der Ebene der Bundesländer Defizite, aber auch Best-
Practise-Beispiele bei der Umsetzung der FFH-Richtlinie auf.
Abb. 1: ,,Roter Faden"
Quelle: Eigene Darstellung (2004)
In Kapitel 4 werden Konflikte zwischen Tourismus und Naturschutz aus theoretischer
Sicht betrachtet. Im Blickpunkt stehen die verschiedenen Konfliktarten sowie die Ur-
sachen für Konflikte. Darüber hinaus werden Verfahren zur Konfliktlösung und
-vermeidung vorgestellt.
Eine Beschreibung und Bewertung des Konfliktbereiches Tourismus und FFH-
Richtlinie in Mecklenburg-Vorpommern erfolgt in Kapitel 5. Dabei ist die Analyse in
drei Stufen untergliedert:
Raumnutzungskonflikte:
Tourismus
FFH
Maßnahmenkatalog zur
Konfliktlösung zwischen
Tourismus und FFH
Potenzielle Konflikträume
Raumnutzung in
Mecklenburg-Vorpommern
Problem/
Ausgangssituation
Bedeutung und Zukunft
des Tourismus in
Mecklenburg-Vorpommern
Tourismus
Beurteilung des
Konfliktbereiches
durch die Akteure
Fallstudie Mecklenburg-Vorpommern
Konflikte zwischen Tourismus
und Naturschutz und
mögliche Lösungsverfahren
Konflikte
Konsequenzen der FFH-
Richtlinie und ihre Umsetzung
in Mecklenburg-Vorpommern
FFH-Richtlinie
Konzept
Raumnutzungskonflikte:
Tourismus
FFH
Maßnahmenkatalog zur
Konfliktlösung zwischen
Tourismus und FFH
Potenzielle Konflikträume
Raumnutzung in
Mecklenburg-Vorpommern
Problem/
Ausgangssituation
Bedeutung und Zukunft
des Tourismus in
Mecklenburg-Vorpommern
Tourismus
Beurteilung des
Konfliktbereiches
durch die Akteure
Fallstudie Mecklenburg-Vorpommern
Konflikte zwischen Tourismus
und Naturschutz und
mögliche Lösungsverfahren
Konflikte
Konsequenzen der FFH-
Richtlinie und ihre Umsetzung
in Mecklenburg-Vorpommern
FFH-Richtlinie
Konzept
Raumnutzungskonflikte:
Tourismus
FFH
Maßnahmenkatalog zur
Konfliktlösung zwischen
Tourismus und FFH
Potenzielle Konflikträume
Raumnutzung in
Mecklenburg-Vorpommern
Problem/
Ausgangssituation
Bedeutung und Zukunft
des Tourismus in
Mecklenburg-Vorpommern
Tourismus
Bedeutung und Zukunft
des Tourismus in
Mecklenburg-Vorpommern
Tourismus
Beurteilung des
Konfliktbereiches
durch die Akteure
Fallstudie Mecklenburg-Vorpommern
Beurteilung des
Konfliktbereiches
durch die Akteure
Fallstudie Mecklenburg-Vorpommern
Konflikte zwischen Tourismus
und Naturschutz und
mögliche Lösungsverfahren
Konflikte
Konflikte zwischen Tourismus
und Naturschutz und
mögliche Lösungsverfahren
Konflikte
Konsequenzen der FFH-
Richtlinie und ihre Umsetzung
in Mecklenburg-Vorpommern
FFH-Richtlinie
Konsequenzen der FFH-
Richtlinie und ihre Umsetzung
in Mecklenburg-Vorpommern
FFH-Richtlinie
Konzept
Kapitel 1
Einleitung
5
1. Raumnutzung und potenzielle Konflikträume in Mecklenburg-Vorpommern,
2. vom Konfliktpotenzial zum realen Konflikt,
3. Beurteilung durch die beteiligten Akteure.
Die erste Stufe verdeutlicht die Raumnutzungskonkurrenzen und zeigt, unabhängig
von den Akteuren, potenzielle Konflikträume auf. In der zweiten Stufe werden mit
Bezug auf Kapitel 3 verschiedene Entwicklungspfade für die zukünftigen FFH-Gebie-
te aufgezeigt und damit die Fälle herausgearbeitet, in denen sich das Konfliktpoten-
zial zu einem tatsächlich vorhandenen Konflikt entwickeln kann. Die Betrachtung des
Konfliktbereiches aus der Sicht der beteiligten Akteure erfolgt schließlich in der drit-
ten Stufe. Im Zentrum steht dabei die Einschätzung der Konfliktintensität, der Kon-
fliktbereiche, der bisherigen Umsetzung sowie des Kenntnisstandes über die FFH-
Richtlinie.
In Kapitel 6 werden die Informationen aus den Kapiteln 2, 3, 4 und 5 zusammenge-
führt und daraus eine 2-Säulen-Strategie zur Konfliktlösung erarbeitet. Als Verfah-
rensgerüst dienen auf der einen Seite die Rahmenbedingungen der FFH-Richtlinie
(Kapitel 3) und auf der anderen Seite die in Kapitel 4 beschriebenen Konfliktlösungs-
und -vermeidungsverfahren. Inhaltlich finden vor allem die Richtlinienbestimmungen
aus Kapitel 3 und die Ergebnisse aus der Analyse des Konfliktbereiches (Kapitel 5)
aber auch die Zukunftsperspektiven aus Kapitel 2 Eingang in die Strategie.
Den Abschluss der Arbeit bildet in Form einer Schlussbetrachtung das Kapitel 7. An
dieser Stelle werden die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit noch einmal zusammen-
gefasst und offene Fragen dargelegt.
Methodisches Vorgehen
Bei Betrachtung des ,,Systems Tourismus" nach KASPAR wird deutlich, dass der
Tourismus durch eine Vielzahl von externen Einflussfaktoren geprägt ist (vgl. Abb.2).
Wie aus den vorangegangenen Ausführungen hervorgeht, beschäftigt sich die Arbeit
mit der ökonomischen und ökologischen Umwelt und natürlich mit den politischen
Einflussfaktoren. Daneben stehen auch die Subsysteme Tourismussubjekt und ins-
besondere das Tourismusobjekt im Blickpunkt der Untersuchung. Dies verdeutlicht
Kapitel 1
Einleitung
6
einmal mehr den interdisziplinären Ansatz, welcher in der vorliegenden Arbeit ver-
folgt wird.
Abb. 2: Die Struktur des Systems Tourismus
Quelle: Kaspar, C. (1993, S. 14)
Grundlage für diese Arbeit bilden im Wesentlichen zwei Arbeitsweisen: erstens Lite-
raturstudien und zweitens eine Fallstudie. Diese werden im Folgenden nur kurz um-
rissen und in den entsprechenden Kapiteln ausführlicher behandelt.
Nicht dargestellt, aber erwähnt werden sollen Tagungen, Kongresse, Fachgespräche
und Reportagen, die sich als nützlich erwiesen haben, um das Thema dieser Arbeit
umfassend zu erschließen.
Umfangreiche Literaturrecherchen waren insbesondere die Basis für den theoreti-
schen Teil der Arbeit. Die Schwerpunkte lagen dabei auf drei großen Themenblö-
cken:
1. Deskriptive Darstellung der bisherigen und zukünftigen Tourismusentwicklung in
Mecklenburg-Vorpommern anhand von vorliegenden Studien, Konzepten, Gut-
achten und statistischem Material.
2. Umfassende Analyse der FFH-Richtlinie mittels juristischer Fachliteratur und vor-
handener Interpretationen zur Richtlinie.
Subsystem
Tourismus-
subjekt
T-Betriebe
bzw. Unter-
nehmungen
T-Orga-
nisationen
T-Ort
technologische
Umwelt
soziale
Umwelt
politische
Umwelt
ökologische
Umwelt
ökonomische
Umwelt
System Tourismus
Tourismus-Objekt:
Institutionelle
Subsysteme
übergeordnete Systeme
Subsystem
Tourismus-
subjekt
T-Betriebe
bzw. Unter-
nehmungen
T-Orga-
nisationen
T-Ort
technologische
Umwelt
soziale
Umwelt
politische
Umwelt
ökologische
Umwelt
ökonomische
Umwelt
System Tourismus
Tourismus-Objekt:
Institutionelle
Subsysteme
übergeordnete Systeme
Kapitel 1
Einleitung
7
3. Das Herausarbeiten von Konfliktarten und Konfliktlösungs- und -vermeidungs-
verfahren im Spannungsfeld Tourismus und Naturschutz aus der Fachliteratur.
Bei der Fallstudie Mecklenburg-Vorpommern wurde auf eine Reihe von Methoden
der empirischen Sozialforschung zurückgegriffen
2
. Zum einen wurde eine Sekundär-
analyse vorhandener Materialien, wie des vorläufigen Raumentwicklungsprogram-
mes, der FFH-Meldekulisse und weiterer statistischer Daten, durchgeführt. Diese
Analyse dient der Darstellung des Konfliktpotenzials aus raumordnerischer bzw.
-planerischer Sicht. Im Zentrum stehen dabei kartographische Darstellungen, die ei-
nen Überblick über potenzielle Konflikträume geben. Zum anderen wurden zwei Pri-
märerhebungen durchgeführt:
·
erstens eine Befragung der relevanten Akteure auf Regions- und Landesebene
mittels eines standardisierten Fragebogens (quantitativ), um Einschätzungen zum
Spannungsfeld aus allen Landesteilen einzuholen und
·
zweitens Leitfadeninterviews (qualitativ) auf Landesebene und mit externen Ex-
perten zur vertiefenden, fachbezogenen Diskussion des Konfliktfeldes.
Für die Erarbeitung des Maßnahmenkataloges wurden Literaturstudien und Fallstu-
die schließlich verknüpft, um so eine theoretisch fundierte und auf die Praxis bezo-
gene Konfliktlösungsstrategie vorlegen zu können.
2
Schnell, R.; Hill, Paul B.; Esser, E. (1999), S. 235ff.
Kapitel 2
Die Bedeutung des Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern
8
2.
Die Bedeutung des Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern
Mecklenburg-Vorpommern ist ein junges Land, geformt durch die letzte Eiszeit. Es ist
geprägt durch eine abwechslungsreiche Landschaft, einen großen Gewässerreich-
tum und lange Küstenstreifen (vgl. Karte 1). ,,Das Paradies muss hier gelegen ha-
ben", sagte schon der Dichter Fritz Reuter über Mecklenburg-Vorpommern
3
. So bie-
tet das Land die naturräumlichen Voraussetzungen für eine umfassende touristische
Erschließung.
Karte 1: Mecklenburg-Vorpommern Eine Übersicht
Quelle: Eigene Darstellung (2004)
Im letzten Jahrzehnt ist der Tourismus zu einem bedeutenden, wenn nicht sogar zum
wichtigsten Standbein der Wirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns geworden. Im fol-
genden Kapitel wird diese Entwicklung anhand der Angebots- und Nachfragestruktur
3
Reuter, Fritz (Dichter, Erzähler) (1810-1874).
Höhenschichten
0 - 100 m
100 - 200 m
Gewässer
Fluss
See
Verkehr
Bundesstraße
Autobahn
Entwurf/Kartographie:
Karsten Heinsohn
Städte
Einwohner
über 100.000
50.000 - 100.000
20.000 - 50.000
10.000 - 20.000
Grenzen
Staatsgrenze
Landesgrenze
Kreisgrenze
Reisegebietsgrenze
40 km
Höhenschichten
0 - 100 m
100 - 200 m
Höhenschichten
0 - 100 m
100 - 200 m
Gewässer
Fluss
See
Gewässer
Fluss
See
Verkehr
Bundesstraße
Autobahn
Verkehr
Bundesstraße
Autobahn
Entwurf/Kartographie:
Karsten Heinsohn
Städte
Einwohner
über 100.000
50.000 - 100.000
20.000 - 50.000
10.000 - 20.000
Städte
Einwohner
über 100.000
50.000 - 100.000
20.000 - 50.000
10.000 - 20.000
Grenzen
Staatsgrenze
Landesgrenze
Kreisgrenze
Reisegebietsgrenze
Grenzen
Staatsgrenze
Landesgrenze
Kreisgrenze
Reisegebietsgrenze
40 km
40 km
Ostsee
Kapitel 2
Die Bedeutung des Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern
9
des Landes und der Regionen nachvollzogen. Des Weiteren erfolgt eine Einschät-
zung des Tourismus als Wirtschaftsfaktor und ein Blick auf die zukünftige Entwick-
lung dieses Sektors. Selbstverständlich wird auch die Rolle des Naturpotenzials für
die touristische Nutzung erörtert.
2.1
Die touristische Nachfrage und das touristische Angebot
Zwischen den Jahren 1993 und 2003 stieg die Zahl der Übernachtungen in gewerbli-
chen Beherbergungsbetrieben (Betriebe 9 Betten) in Mecklenburg-Vorpommern
von 7,6 auf 22,1 Mio., was mit einem Wachstum von 191 % gleichzusetzen ist
4
. Zwar
flacht die Wachstumsrate auch hier langsam ab, dennoch gehört Mecklenburg-
Vorpommern nach wie vor zu den Gewinnern. So liegt das nordöstlichste Bundes-
land Deutschlands im Ländervergleich mittlerweile an sechster Stelle, noch vor der
stärksten innerdeutschen Konkurrenzdestination Schleswig-Holstein
5
. Dies entspricht
gut 7 % aller Übernachtungen in Deutschland im Jahr 2003
6
.
Die gewerblichen Beherbergungsbetriebe spiegeln zwar eindrücklich das Wachstum
der letzten Jahre wider, stellen jedoch nur eines von sechs Segmenten dar, welche
nach Berechnungen des DEUTSCHEN WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHEN
INSTITUTS FÜR FREMDENVERKEHR (dwif) zur gesamten Tourismusnachfrage
beitragen. Abbildung 3 verdeutlicht diesen Sachverhalt anhand der Aufenthaltstage
der Touristen in Mecklenburg-Vorpommern. Von insgesamt 96,1 Mio. Aufenthaltsta-
gen werden demnach nur etwa 23 % aus Übernachtungen in gewerblichen Beher-
bergungsbetrieben generiert. Hinzu kommt der so genannte ,,Graue Beherber-
gungsmarkt" mit gut 24 % und das wichtige Segment der Tagesausflüge
7
mit über
50 % der Aufenthaltstage. Damit befinden sich rein rechnerisch jeden Tag mehr als
263.000 Touristen in Mecklenburg-Vorpommern. Die Bevölkerungszahl erhöht sich
dadurch durchschnittlich um rund 15 %
8
. Schon aus dieser Betrachtung wird die Be-
deutung, aber auch der sich aus dem Tourismus ergebende Nutzungsdruck deutlich.
4
vgl. Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern (2004a), S. 6.
5
vgl. Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern; Tourismusverband Mecklenburg-Vorpom-
mern (2003), S II-22.
6
vgl. Ostdeutscher Sparkassen- und Giroverband (OSGV) (2004), S. 19.
7
Berechnet nach: dwif (1995).
8
vgl. Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern (2004a), S. 7.
Kapitel 2
Die Bedeutung des Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern
10
Berücksichtigt man zudem die Tatsache, dass Mecklenburg-Vorpommern ein typi-
sches Sommerreiseland ist und die Frequentierung in den Saisonmonaten noch
dementsprechend höher ist, erhöht sich dieser Druck noch weiter.
Abb. 3: Die gesamte Tourismusnachfrage in Mecklenburg-Vorpommern
(Aufenthaltstage
9
in Mio.)
Quelle: Verändert nach Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern (2004a, S. 7)
Regional betrachtet entfallen rund 75 % der gesamten Übernachtungen auf die drei
Küstenreisegebiete (vgl. Karte 1): Vorpommern (30,4 %), Rügen/Hiddensee (20,3 %)
und Mecklenburgische Ostseeküste (24,6 %)
10
. Diese Konzentration in den Küsten-
regionen wird auch durch die Verteilung der Übernachtungen auf Gemeindeebene
bestätigt (vgl. Anhang 1, Karte 2). Daneben kristallisiert sich mit der Mecklenburgi-
schen Schweiz und Seenplatte ein zweites Gebiet intensiver touristischer Nutzung
heraus (16,9 %). Das Reisegebiet Westmecklenburg komplettiert diese Liste mit
7,8 % der Gesamtübernachtungen.
Entsprechend der Nachfrage entwickelte sich auch das touristische Angebot. So
stieg die Bettenkapazität in gewerblichen Beherbergungsbetrieben im Zeitraum zwi-
schen 1993 und 2003 um 120 %, von ca. 77.000 auf 170.000, an
11
. Während die Ho-
tellerie und die Vorsorge- und Rehakliniken schon ein respektables Wachstum auf-
weisen konnten, war es gerade die Expansion im Ferienhaus- und Ferienwohnungs-
sektor sowie bei den Ferienzentren, die dieses starke Wachstum begünstigte. Die
9
Eine Übernachtung entspricht ebenso wie der Ausflugstag eines Touristen einem Aufenthaltstag.
10
vgl. Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern (2004a), S. 8.
11
vgl. s.a.O., S. 6.
22,1
23,4
4,2
6,9
10,2
2,1
50,6
Gewerbliche
Beherbergungsbetriebe
Grauer
Beherbergungs-
markt
Tagesausflüge
(1993)
1)
Camping
(Touristik, Dauer)
Verwandten/
Bekannten-
besuche
Privatquartiere
< 9 Betten
Freizeit-
wohnsitze
1)
Daten von 1993, Neuerhebung des dwif läuft, Ergebnisse Frühjahr 2005
Insgesamt: 96,1 Mio. Aufenthaltstage
22,1
23,4
4,2
6,9
10,2
2,1
50,6
Gewerbliche
Beherbergungsbetriebe
Grauer
Beherbergungs-
markt
Tagesausflüge
(1993)
1)
Camping
(Touristik, Dauer)
Verwandten/
Bekannten-
besuche
Privatquartiere
< 9 Betten
Freizeit-
wohnsitze
1)
Daten von 1993, Neuerhebung des dwif läuft, Ergebnisse Frühjahr 2005
Insgesamt: 96,1 Mio. Aufenthaltstage
Kapitel 2
Die Bedeutung des Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern
11
vorhandenen Bettenkapazitäten ballen sich gemäß der Nachfragesituation in den
Küstenregionen (vgl. Karte 2). Aus dieser Übersicht wird ebenfalls deutlich, dass vor
allem im Küstenbereich und in der Seenplatte weitere Anlagen geplant sind (vgl.
Kap. 2.3.1).
Trotz dieses enormen Kapazitätsausbaus konnte auch die Bettenauslastung in
Mecklenburg-Vorpommern gesteigert werden. Mit 35,7 % im Jahr 2003 (1993: 28 %)
hat sie mittlerweile den höchsten Wert Ostdeutschlands erreicht und weist, im Ge-
gensatz zu vielen anderen Bundesländern, eine kontinuierlich steigende Auslas-
tungskurve auf
12
.
2.2
Der Tourismussektor im gesamtwirtschaftlichen Kontext
Der Tourismus ist eine klassische Querschnittsbranche und wird nicht als eigenstän-
diger Wirtschaftszweig ausgewiesen. Die Umsätze lassen sich daher nur schwer der
Tourismusbranche zuordnen, weshalb eine angebotsseitige Erfassung des ökonomi-
schen Stellenwertes des Tourismus nur mittels grober Schätzungen durchzuführen
wäre. Im Folgenden wird, dem methodischen Ansatz des DWIF entsprechend, der
Wirtschaftsfaktor Tourismus nachfrageseitig betrachtet
13
.
Abb. 4: Touristische Bruttoumsätze 2003 in Mecklenburg-Vorpommern
(in Mio.)
Quelle: Verändert nach Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern (2004a, S. 14)
12
vgl. OSGV (2004), S. 12f.
13
vgl. Harrer, B. (2003), S. 149ff.
1.645,0
650,9
185,3
151,5
255,0
59,1
1.218,8
Gewerbliche
Beherbergungsbetriebe
Grauer
Beherbergungs-
markt
Tagesausflüge
(1993)
1)
Camping
(Touristik, Dauer)
Verwandten/
Bekannten-
besuche
Privatquartiere
< 9 Betten
Freizeit-
wohnsitze
1)
Daten von 1993, Neuerhebung des dwif läuft, Ergebnisse Frühjahr 2005
Insgesamt: 3.514,7 Mio. EUR
1.645,0
650,9
185,3
151,5
255,0
59,1
1.218,8
Gewerbliche
Beherbergungsbetriebe
Grauer
Beherbergungs-
markt
Tagesausflüge
(1993)
1)
Camping
(Touristik, Dauer)
Verwandten/
Bekannten-
besuche
Privatquartiere
< 9 Betten
Freizeit-
wohnsitze
1)
Daten von 1993, Neuerhebung des dwif läuft, Ergebnisse Frühjahr 2005
Insgesamt: 3.514,7 Mio. EUR
Kapitel 2
Die Bedeutung des Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern
12
In Mecklenburg-Vorpommern erwirtschaftet der Tourismus einen Bruttoumsatz von
rund 3,5 Mrd. EUR
14
. Wichtigstes Marktsegment ist der gewerbliche Beherbergungs-
sektor mit 46,8 % der Umsätze (vgl. Abb. 4). Wiederum nicht zu unterschätzen sind
die Umsätze aus den Tagesausflügen (34,7 %).
Eine Aufteilung der Umsätze nach profitierenden Wirtschaftszweigen unterstreicht
noch einmal den Charakter des Tourismus als Querschnittsbranche. So ist das
Gastgewerbe mit rund 53,4 % zwar der ökonomisch wichtigste Teil der Tourismus-
wirtschaft des Landes, doch profitieren auch Einzelhandel (25,3 %) und sonstige
Dienstleistungen (21,3 %) in erheblichem Maße vom Tourismus
15
.
Bei der Analyse der wirtschaftlichen Bedeutung auf der Ebene der statistischen Rei-
segebiete sind durchaus Veränderungen zum Marktanteil an den Gesamtübernach-
tungen zu erkennen (vgl. Abb. 5).
Abb. 5: Touristische Bruttoumsätze aus Übernachtungs- und Tagesreisen
nach Reisegebieten in Mecklenburg-Vorpommern - ohne Camping -
Quelle: Verändert nach Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern (2004a, S. 16)
Während Rügen/Hiddensee über 20 % der gesamten Übernachtungen verbuchen
kann, werden hier nur 14,7 % der touristischen Umsätze des Landes generiert. Auch
für das Reisegebiet Vorpommern ist eine ähnliche Tendenz zu erkennen. In der
Mecklenburgischen Schweiz und Seenplatte, an der Mecklenburgischen Ostseeküste
14
vgl. Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern (2004a), S. 13ff.
15
vgl. s.a.O., S. 14f.
Mecklenburgische
Ostseeküste
31,4 %
1.023,5 Mio. EUR
Rügen/Hiddensee
14,7 %
479,2 Mio. EUR
Vorpommern
26,7 %
870,3 Mio. EUR
Westmecklenburg
10,0 %
326,0 Mio.
Mecklenburgische Schweiz
und Seenplatte
17,2 %
560,7 Mio. EUR
Mecklenburgische
Ostseeküste
31,4 %
1.023,5 Mio. EUR
Rügen/Hiddensee
14,7 %
479,2 Mio. EUR
Vorpommern
26,7 %
870,3 Mio. EUR
Westmecklenburg
10,0 %
326,0 Mio.
Mecklenburgische Schweiz
und Seenplatte
17,2 %
560,7 Mio. EUR
Kapitel 2
Die Bedeutung des Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern
13
und in Westmecklenburg übertreffen die Marktanteile an den touristischen Bruttoum-
sätzen hingegen diejenigen am Gesamtübernachtungsmarkt. Hier wird die große
Bedeutung des Tagestourismus unterstrichen, der gerade für die Fremdenverkehrs-
entwicklung in den Binnenreisegebieten wichtig ist
16
.
Weitere Kennziffern zum Tourismus als Wirtschaftsfaktor lassen sich aus dem Brut-
toumsatz aller Marktsegmente ableiten. So beläuft sich der Anteil des Tourismus am
Volkseinkommen in Mecklenburg-Vorpommern nach Berechnungen des DWIF auf
7,4 % und hat dort, relativ gesehen, die größte Bedeutung aller Bundesländer
17
. Auf
lokaler Ebene, gerade entlang der Küstenlinie und in der Mecklenburgischen Seen-
platte (vgl. Anhang 1, Karte 2), kann der Tourismus sogar der maßgebliche oder ent-
scheidende Wirtschaftsfaktor sein und der Anteil am Volkseinkommen 10 bis hin zu
50 % betragen. Um diese Gemeinden genau zu identifizieren, sind allerdings indivi-
duelle Berechnungen mittels präziser Einzeldaten erforderlich, die an dieser Stelle zu
weit führen würden
18
.
Insgesamt gibt es in Deutschland rund 2 Mio. vom Tourismus abhängige Arbeitsplät-
ze
19
. Für Mecklenburg-Vorpommern ergibt sich aus dem direkten und indirekten Ein-
kommen, unter zu Grunde Legung des durchschnittlichen Einkommens pro Einwoh-
ner, ein Äquivalent von 130.000 Erwerbstätigen, die durch den Tourismus beschäftigt
sind
20
. Bei insgesamt 725.000 Erwerbstätigen in Mecklenburg-Vorpommern
21
ent-
spricht dieser Wert einem Anteil von 17,9 % (Bundes-
: 5,5 %). Somit verdient etwa
jeder sechste Erwerbstätige in Mecklenburg-Vorpommern bundesweit nur jeder
achtzehnte seinen Lebensunterhalt direkt oder indirekt durch den Tourismus.
2.3 Ist-Situation
und
Zukunftsperspektiven des Tourismus in Meck-
lenburg-Vorpommern
Doch durch wen und in welchen touristischen Marktsegmenten wird dieser Umsatz
generiert? Welche Einrichtungen im Raum sind für diesen Wirtschaftssektor ent-
16
vgl. Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern (2004a), S. 16.
17
vgl. Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern (2004b), S. 58.
18
vgl. Feige, M.; Feil, T.; Harrer, B. (2000), S. 117f.
19
vgl. Harrer, B. (2003), S. 157.
20
vgl. Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern (2004b), S. 58f.
21
vgl. www.destatis.de/themen/d/thm_erwerbs.htm.
Kapitel 2
Die Bedeutung des Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern
14
scheidend? Und wie sehen die Zukunftsperspektiven für den Tourismus in Mecklen-
burg-Vorpommern aus? Diese Fragen werden im Folgenden geklärt.
2.3.1 Infrastruktur
Eine umfangreiche und intakte Ausstattung mit den verschiedensten infrastrukturel-
len Einrichtungen ist für einen prosperierenden Tourismussektor eine der Grundvor-
aussetzungen. Neben der verkehrlichen Infrastruktur, die hier nur erwähnt werden
soll, lassen sich zwei weitere touristisch relevante Infrastrukturtypen unterscheiden.
Auf der einen Seite ist dies die Beherbergungsinfrastruktur und auf der anderen Seite
die Freizeitinfrastruktur.
Karte 2: Vorhandene und geplante Bettenkapazitäten in Mecklenburg-
Vorpommern 2003
Quelle: Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern (2004a, S. 10)
Karte 2 verdeutlicht die Situation der Beherbergungsinfrastruktur. Aus der räumlichen
Verteilung geht hervor, dass sich der Großteil des Bettenbestandes und damit auch
der gewerblichen Beherbergungsbetriebe, auf die Küstenregionen konzentriert.
Kapitel 2
Die Bedeutung des Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern
15
Darüber hinaus ist in fast allen Kreisen eine Erweiterung der Bettenkapazitäten ge-
plant. Bei Realisierung aller erfassten Projekte ergäbe sich eine Kapazitätsauswei-
tung um 32 %, von rund 170.000 auf über 224.000 Betten
22
. Relativ gesehen, sind
die Erweiterungsplanungen in Nordvorpommern, Parchim und Ludwigslust beson-
ders ausgeprägt. Allerdings zeigen die Erfahrungen aus der Praxis, dass bei weitem
nicht alle Projekte umgesetzt werden, für die ein Raumordnungsverfahren (ROV) er-
öffnet bzw. abgeschlossen wurde
23
. Deutlich wird auch, dass eine Reihe der geplan-
ten Projekte zu so genannten Feriengroßprojekten mit über 1000 Betten zu zählen ist
(bspw. Nordvorpommern, Güstrow, Parchim, Ludwigslust). Bisher gibt es in Meck-
lenburg- Vorpommern lediglich vier solcher Ferienzentren und -parks (vgl. Anhang 1,
Karte 3). Anzumerken ist, dass gerade im Hinblick auf Wirtschaftlichkeitsfragen und
mögliche Auswirkungen derartiger Anlagen eine vorsichtige Erschließung angeraten
ist
24
.
Entsprechend der Landestourismuskonzeption 2010 erfolgt bei der Betrachtung der
Freizeitinfrastruktur eine Konzentration auf ausgewählte touristische Großprojekte
(vgl. Anhang 1, Karte 3) und besonders raumprägende touristische Segmente
25
:
· Die
Ausstattung
Mecklenburg-Vorpommerns mit Zoos und Tierparks ist als gut zu
bezeichnen, denn neben den größeren Einrichtungen gibt es eine Reihe von
Haustierparks und weiteren zooähnlichen Einrichtungen von lokaler Bedeutung
26
.
· In Bezug auf Erlebnisbäder und Thermen ist eine vorsichtige Erschließung fest-
zustellen, die auch dadurch bedingt ist, dass viele Hotels und Ressorts mit eige-
nen Bade- und Wellnessabteilungen ausgestattet sind
27
.
· Die bisher sehr lückenhafte Erschließung mit Golfplätzen bietet hingegen noch
ein hohes Ausbaupotenzial, was auch durch aktuelle Gutachten bestätigt wird
28
.
Zu den raumprägenden touristischen Segmenten in Mecklenburg-Vorpommern ge-
hört ohne Frage der Wassertourismus. Zum einen bildet er eines der wichtigsten
Marktsegmente im Tourismus (vgl. Kap. 2.3.2) und zum anderen bringt er ein hohes
22
vgl. Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern (2004a), S. 9.
23
vgl. ebd.
24
vgl. Voßebürger, P.; Weber,A. (1998), S. 38ff.
25
vgl. Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern (2004a), S. 8ff.
26
vgl. www.absolut-mecklenburg.de.
27
vgl. Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern (2004a), S. 10.
28
vgl. ebd.
Kapitel 2
Die Bedeutung des Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern
16
Konfliktpotenzial zwischen Tourismus und Naturschutz/FFH-Richtlinie mit sich (vgl.
Kap. 4 und 5). Auf Grund des großen Gewässerreichtums werden nahezu alle Regi-
onen Mecklenburg-Vorpommerns durch Teilsegmente des Wassertourismus genutzt
(vgl. Anhang 1, Karte 5-8)
29
. Von größter Bedeutung ist dabei die gesamte Ostsee-
küste, einschließlich der Boddengewässer, gefolgt von der Mecklenburgischen
Seenplatte. Daraus folgen natürlich hohe Anforderungen an ein Netz von wassertou-
ristischen Infrastruktureinrichtungen, wie Marinas, Ver- und Entsorgungsmöglichkei-
ten und weitere Servicestellen. Exemplarisch verdeutlicht dies die Verteilung der
Gastliegeplätze der Sportboothäfen in Mecklenburg-Vorpommern (vgl. Anhang 1,
Karte 4). Hier ballen sich die Kapazitäten an der Ostseeküste und um die Großseen.
Trotz der überwiegend guten Erschließung sind noch Lückenschlüsse erforderlich, so
an der Ostseeküste westlich von Rostock und an den Flüssen im Binnenland
30
. Ähn-
liches gilt für die Anlegestellen der Kanuten, wobei dieses Segment ein noch engma-
schigeres Netz an Anlege- und Servicestellen, vor allem im Bereich der Flussläufe,
benötigt
31
.
Aber auch die Voraussetzungen für einen funktionierenden Radtourismus sind nicht
zu unterschätzen. Dieses dynamisch wachsende Segment im Mecklenburg-
Vorpommern-Tourismus benötigt nicht nur gut ausgebaute und beschilderte Radwe-
ge in landschaftlich reizvollen Regionen, sondern auch Standorte mit Übernach-
tungs- und Serviceangeboten in regelmäßigen Abständen. Karte 9 im Anhang 1 gibt
einen Überblick über das gegenwärtige Radfernwegenetz und die Bett & Bike-
Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern. Schon aus dieser Übersicht wird deutlich,
dass im Segment Radtourismus noch keine flächendeckende Versorgung erreicht ist.
Dieses Potenzial muss daher durch Angebotserweiterungen erst noch erschlossen
werden
32
.
Selbstverständlich benötigen auch andere touristische Segmente, wie etwa der
Wander- oder Reittourismus, infrastrukturelle Einrichtungen als Voraussetzung. Doch
29
Zur räumlichen Verteilung der aufgezeigten und weiteren wassertouristischen Nutzungsmöglich-
keiten in Mecklenburg-Vorpommern siehe: Hamburg Messe und Congress GmbH und Deutscher
Tourismusverband e.V. (2003) und Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern (2000).
30
vgl. Wirtschaftministerium Mecklenburg-Vorpommern (2004a), S. 11.
31
vgl. www.mv-maritim.de.
32
Für weitere Informationen über mögliche Entwicklungspfade und die Bedeutung des Radtouris-
mus in Mecklenburg-Vorpommern siehe: ibs-Consult (2004) und dwif-Consulting GmbH (2004).
Kapitel 2
Die Bedeutung des Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern
17
haben diese eher lokale oder regionale Bedeutung. Außerdem sind die Grundvor-
aussetzungen, nämlich linienförmige Infrastruktur in landschaftlich reizvollen Gebie-
ten, ähnlich denen des Radtourismus und werden deshalb nicht gesondert betrach-
tet.
2.3.2 Touristische Segmente und Zielgruppen
Mit 45 % der gewerblichen Übernachtungen in den Sommermonaten Juni/Juli/August
stellt der Sommer-/Badetourismus derzeit eindeutig den wichtigsten touristischen
Markt dar
33
. Daneben ist, wie im vorangegangenen Unterkapitel angedeutet, der
Wassertourismus von großer Bedeutung. So entfallen mehr als 10 % der gesamten
touristischen Wertschöpfung auf diesen Markt
34
. Auch der Campingtourismus ist zu
beachten. Im Jahr 2003 lag der Anteil der Campingtouristen an den gewerblichen
Übernachtungen insgesamt bei 20 %
35
. Radtourismus, Gesundheitstourismus, Land-
urlaub und Tagestourismus komplettieren die Hauptmärkte des Mecklenburg-
Vorpommern-Tourismus und bilden somit die Gruppe der touristischen Segmente,
die bereits heute eine große Bedeutung haben und denen ein überproportionales
Wachstum prognostiziert wird
36
.
Dagegen zeichnen sich die Entwicklungsmärkte zwar auch durch Wachstumschan-
cen aus, die Erschließung der Potenziale hat bisher allerdings erst ansatzweise
stattgefunden
37
. Zu diesen so genannten Entwicklungsmärkten gehören der Kunst-
und Kulturtourismus, der Tagungs- und Kongresstourismus und der Incoming-
Tourismus. Weiterhin lassen sich naturorientierte Segmente, wie Wander-, Reit-,
Golf- und Naturtourismus zu dieser Gruppe zählen, deren Potenziale durch eine viel-
fältigere Angebotsgestaltung noch besser ausgeschöpft werden könnten
38
. So erhielt
der Aspekt ,,Natur erleben" mit einer Durchschnittsnote von 1,5 (Schulnoten-
Bewertung) die höchste Bewertung bei der Einstufung der Wichtigkeit von insgesamt
33
,,Markt" wird im Folgenden im Sinne eines Segmentes im Tourismus verstanden. Vgl. hierzu Wirt-
schaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern (2004a).
34
vgl. Hamburg Messe und Congress GmbH; Deutscher Tourismusverband e.V. (2003), S. 16.
35
vgl. Statistisches Landesamt Mecklenburg-Vorpommern (2004), S. 41.
36
vgl. hierzu auch Weiss, W. (1996), S. 178.
37
vgl. Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern (2004a), S. 35.
38
vgl. s.a.O., S. 36.
Kapitel 2
Die Bedeutung des Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern
18
30 touristisch relevanten Aktivitäten und Angebotssegmenten durch die Gäste
39
. Das
Thema Natur ist demnach schon heute eines der Kernelemente für den Tourismus in
Mecklenburg-Vorpommern, welches es zu nutzen und zu erhalten gilt.
Mit Blick auf die Zielgruppen müssen die gegenwärtigen soziodemographischen
Entwicklungen in Deutschland, wie Überalterung, Veränderung von Familiengröße
und -struktur und die Zunahme von Single- und Paarreisenden, mit einbezogen wer-
den. Dies führt wiederum zu Veränderungen in den Zielgruppenpotenzialen und in
der Zielgruppenstruktur des Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern über 95 % der
Übernachtungen werden durch Inländer getätigt
40
.
Aus diesen Überlegungen ergibt sich das in Abbildung 6 durch das DWIF erarbeitete
Zukunfts-Produktportfolio für Mecklenburg-Vorpommern.
Abb. 6: Produktportfolio für den Mecklenburg-Vorpommern-Tourismus 2010
Quelle: Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern (2004a, S. 34)
Für eine erfolgreiche Erschließung der Potenziale sowohl in den Themenmärkten als
auch bei den Zielgruppen (definitorisch keine überschneidungsfreie Abgrenzung
möglich
41
) ist die Erfüllung der Bedürfnisse der Zielgruppen und die Vermarktung
qualitativ hochwertiger, attraktiver Angebote in den einzelnen Segmenten erforder-
lich. Ausgehend vom touristischen Image des Landes aus Nachfragersicht, mit den
39
vgl. Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern; Tourismusverband Mecklenburg-Vorpom-
mern e.V. (2003), S. II-11.
40
vgl. Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern (2004a), S. 31.
41
vgl. s.a.O., S. 37.
Hauptmärkte:
Sommer / Baden
Wasser
Gesundheit
Radfahren
Camping
Landtourismus
Tagesausflüge
Entwicklungs-
märkte:
Kunst-/Kultur
Wandern
Pferde
Naturtourismus
Tagungen/Kongresse
Golftourismus
Incoming-Tourismus
Strategische Themen-Märkte
Paare
Jugend
Familien
Senioren
Mobilitätsein-
geschränkte
Singles
Soziodemografische Zielgruppen
Hauptmärkte:
Sommer / Baden
Wasser
Gesundheit
Radfahren
Camping
Landtourismus
Tagesausflüge
Entwicklungs-
märkte:
Kunst-/Kultur
Wandern
Pferde
Naturtourismus
Tagungen/Kongresse
Golftourismus
Incoming-Tourismus
Strategische Themen-Märkte
Paare
Jugend
Familien
Senioren
Mobilitätsein-
geschränkte
Singles
Soziodemografische Zielgruppen
Hauptmärkte:
Sommer / Baden
Wasser
Gesundheit
Radfahren
Camping
Landtourismus
Tagesausflüge
Entwicklungs-
märkte:
Kunst-/Kultur
Wandern
Pferde
Naturtourismus
Tagungen/Kongresse
Golftourismus
Incoming-Tourismus
Strategische Themen-Märkte
Paare
Jugend
Familien
Senioren
Mobilitätsein-
geschränkte
Singles
Soziodemografische Zielgruppen
Kapitel 2
Die Bedeutung des Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern
19
entscheidenden Komponenten ,,schöne Landschaft/Natur", ,,Seenplatte" und ,,Ostsee"
(Top 3) und den damit verbundenen Urlaubsformen ,,Radfahren", ,,Wandern" und
,,Baden" (Top 3), bietet das aufgestellte Produktportfolio die besten Voraussetzun-
gen, weil es dem Angebotsprofil Mecklenburg-Vorpommerns entspricht
42
.
2.3.3 Zukunft des Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern
Rund 68 % der Bevölkerung Deutschlands waren noch nie zum Zwecke einer Ur-
laubsreise oder eines Tagesausfluges in Mecklenburg-Vorpommern
43
. Dadurch wird
das noch nicht voll ausgeschöpfte Potenzial im deutschen Quellmarkt verdeutlicht.
Allerdings ist der Anteil der Deutschen, die in ihrem Heimatland den Urlaub verbrin-
gen, seit Jahren relativ konstant (rund 30 %). Dies legt den Schluss nahe, dass ein
künftiges Wachstum eines Wettbewerbers im Inland nur zu Lasten eines anderen
möglich ist, was einen verstärkten Verteilungskampf der verschiedenen Inlandsdesti-
nationen zur Folge hat
44
. Steigende Qualitätsansprüche, Kurzfristigkeit bei der Bu-
chung und die wachsende Beliebtheit von Kurzreisen sind nur einige der Trends im
Reiseverhalten, welche diesen Verteilungskampf mit entscheiden werden
45
. Ein lang-
fristiges Wachstum ist demnach nur durch das Erschließen und Bewerben ausländi-
scher Quellmärkte möglich
46
.
Bezogen auf die oben erwähnten entscheidenden Themenmärkte der Zukunft sind in
der Landestourismuskonzeption Mecklenburg-Vorpommern 2010 eine Vielzahl von
Handlungsfeldern und Maßnahmen dargestellt, um den Tourismus in Mecklenburg-
Vorpommern zukunftsfähig zu gestalten
47
. So stehen vor allem eine bessere Ver-
marktung nach außen, verstärkte Kooperation und Kommunikation nach innen, Qua-
litätssicherung und -verbesserung sowie infrastrukturelle Maßnahmen im Vorder-
grund. Die jüngste ,,Qualitätsoffensive zum maritimen Tourismus in Mecklenburg-
Vorpommern" ist ein aktuelles Beispiel aus dem Bereich Qualitätssicherung und
-verbesserung, welches die erfolgreiche Umsetzung derartiger Maßnahmen veran-
42
vgl. www.svz.de/tourismus (2001).
43
vgl. ebd.
44
vgl. Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern (2004a), S. 29.
45
vgl. Becker, C.; Job, H.; Witzel, A. (1996) und Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern
(2004a), S. 34.
46
vgl. OSGV (2004), S. 20.
47
vgl. Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern (2004a), S. 49-65.
Kapitel 2
Die Bedeutung des Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern
20
schaulicht
48
. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über ausgewählte Märkte und
Maßnahmen, die gerade in Bezug auf die Raumnutzung von Bedeutung sind.
Tab. 1:
Landschaftsbezogene Maßnahmen zum Ausbau der Markterschlie-
ßung in ausgewählten touristischen Märkten und Zielgruppen
Markt / Segment
Handlungsfelder / Maßnahmen
Wassertourismus
- Sicherstellung der Entwicklung und Vermarktung des Wassertourismus (qua-
litative und quantitative Weiterentwicklung der Angebote).
- Ausbau der Infrastruktur (Lückenschluss im Hafennetz, Kapazitätserweite-
rungen, Ausbau von Umfeld und Service an den Schleusen).
- Wasserwanderwegeplan für das Segment Kanufahren (Analyse des Bestan-
des, Auf- und Ausbau, Entwicklung neuer Angebote).
Radtourismus
- Auf- und Ausbau der Radwegeinfrastruktur.
- Angebot spezieller Quartierformen für Radtouristen.
Campingtourismus - Ausbau des Segmentes ,,Wohnmobilparadies MV".
Naturtourismus
- Verständigung über touristische Kapazitätsgrenzen in ausgewählten Regio-
nen.
- Ausbau und Qualitätserhöhung der natur- und ökotouristischen Angebote
(z.B. Infrastruktur).
- Intensivierung der Kooperation/Kommunikation der beteiligten Akteure von
Tourismus und Naturschutz.
Wandertourismus
- Erstellung eines Wanderwegekonzeptes für Mecklenburg-Vorpommern.
- Infrastrukturausbau und -verbesserung für den Wandertourismus (z.B. We-
geneubau, Schutzhütten etc.).
Golftourismus
- Entwicklung von Sport-/Golfressorts an der Küste.
- Neue Golfplätze und Anlagen: Vertikale und horizontale Erweiterung.
Familientourismus
- Dauerhafte Initiativen zur Angebotsausweitung bzw. -umstrukturierung famili-
enfreundlicher Ferienwohnungen und -häuser.
Quelle: Zusammengestellt nach Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern (2004a, S. 49ff)
Bei allen aufgezeigten Potenzialen und positiven Entwicklungen darf jedoch nicht
übersehen werden, dass in einigen Regionen des Binnenlandes, aber auch im östli-
chen Vorpommern seit einigen Jahren stagnierende bzw. rückläufige Übernach-
tungszahlen zu verzeichnen sind
49
. Zur weiteren Ausschöpfung des Quellmarktes
Berlin muss deshalb der Tagestourismus weiter beworben werden, auch aufgrund
der günstigen Konkurrenzsituation
50
. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist für dieses Seg-
ment, aber auch für die gesamte touristische Entwicklung Mecklenburg-Vorpom-
merns, die Verbesserung der Erreichbarkeit. Ein Schritt in diese Richtung ist die
48
vgl. fvw International (2004), S. 160.
49
vgl. Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern (2004a), S. 8.
50
vgl. s.a.O., S. 9 und S. 57.
Kapitel 2
Die Bedeutung des Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern
21
Fertigstellung der Autobahn A20, die für 2005 geplant ist. Des Weiteren ist der Tou-
rismus in Mecklenburg-Vorpommern sehr stark vom Sommertourismus abhängig und
stößt zu dieser Jahreszeit in einigen Orten bereits an die Kapazitätsgrenzen. Daher
ist der Ausbau von saisonverlängernder Infrastruktur ein wichtiger Schritt bei der zu-
künftigen Entwicklung des Tourismussektors
51
. Diese Abhängigkeit von der Som-
mersaison wird durch die aktuellen Beherbergungsstatistiken noch einmal unterstri-
chen. So führte u.a. das schlechte Wetter im ersten Halbjahr 2004 zu einem Über-
nachtungsrückgang von 2,4 %
52
.
Bei einem Blick auf die aktuellen Zahlen und Prognosen schneidet Mecklenburg-
Vorpommern im Vergleich der Bundesländer zwar verhältnismäßig gut ab, doch ist
insgesamt in den nächsten Jahren auch mit einem Rückgang der Zuwachsraten im
Mecklenburg-Vorpommern-Tourismus zu rechnen
53
. Der Tourismusverband Meck-
lenburg-Vorpommern erwartet für das Jahr 2004 lediglich einen leichten Anstieg der
Übernachtungen um einen Prozentpunkt
54
.
2.4
Bewertung des Naturpotenzials für die touristische Nutzung
Nachdem sich der Blick in den vorangegangenen Unterkapiteln (vgl. Kap. 2.1-2.3)
vornehmlich auf die wirtschaftlichen und raumplanerischen Seiten des Tourismus
richtete statistische Daten, Wirtschaftsfaktor Tourismus, die gegenwärtige Situation
und zukünftige Perspektiven ausgewählter Aspekte liegt der Fokus in diesem Ab-
schnitt auf der Bedeutung des Naturpotenzials für den Tourismus in Mecklenburg-
Vorpommern.
Die Spitzenverbände und -organisationen des deutschen Tourismus sind sich der
Bedeutung von Natur und Umwelt bewusst: ,,Für den Tourismus sind eine intakte
Umwelt und Natur von jeher die wichtigste Grundlage. Eine saubere Luft, klares, un-
verdorbenes Wasser und eine attraktive, natürliche Landschaft
gehören zu den exis-
tentiellen Voraussetzungen für seine dauerhaft tragfähige Entwicklung"
55
.
51
vgl. Weiss, W. (1996), S. 178.
52
vgl. Statistisches Bundesamt (2004), Tab 1.1.
53
vgl. OSGV (2004), S. 20.
54
vgl. fvw International (2004), S. 162.
55
Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft e.V. (1997), S. 2.
Kapitel 2
Die Bedeutung des Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern
22
Gerade in einem Urlaubsland wie Mecklenburg-Vorpommern, welches von der Viel-
fältigkeit seiner Naturraumausstattung sehr stark profitiert, ist der hohe Stellenwert
der Natur als Pull-Faktor für den Tourismus offensichtlich. Die Aktivität ,,Natur erle-
ben" erscheint bspw. bei der Landesgästebefragung 2003 sowohl bei der Wichtigkeit
als auch bei der Zufriedenheit auf dem ersten Platz des Rankings
56
. Auch bei der
ungestützten Frage nach Assoziationen mit dem Bundesland Mecklenburg-Vorpom-
mern im Rahmen einer deutschlandweiten Befragung des Meinungsforschungsinsti-
tutes EMNID war die häufigste Antwort ,,schöne Landschaft/Natur" mit 20 % der Nen-
nungen
57
. Die hohe Bedeutung des Standortfaktors Natur ist somit nicht nur bei der
Einschätzung der Gäste vor Ort sehr stark ausgeprägt, sondern zieht sich durch die
gesamte Bevölkerung im Bundesgebiet.
Diese subjektiven Einschätzungen und allgemeinen Assoziationen werden auch von
fachlicher Seite bestätigt, wenngleich einige Autoren die hohe Bedeutung von Um-
welt und Natur in der heutigen Zeit in Frage stellen. So bezeichnet BUTLER die The-
se, der Tourismus sei von einer gesunden und natürlichen Umwelt abhängig, als ei-
nen der vielen Mythen im Tourismus
58
. Zwar bestätigen auch JOB/VOGT, dass ins-
besondere Segmente wie Kultur- und Eventtourismus oder der Besuch von Bekann-
ten und Verwandten einen geringen Bezug zur Umwelt aufweisen, doch betonen sie
gleichzeitig, dass die Erwartungen an einen Urlaub stark mit der Vorstellung von un-
verfälschter Natur und Umwelt zusammenhängen
59
. BECKER/JOB/WITZEL stellen
hingegen fest, dass ,,eine intakte Umwelt (Natur) zentrale Bedeutung für den Erho-
lungstourismus besitzt"
60
. Dabei wird das Landschaftsbild am stärksten von den Tou-
risten wahrgenommen. Das LANDESAMT FÜR UMWELT, NATURSCHUTZ UND
GEOLOGIE MECKLENBURG-VORPOMMERN (LUNG) bezeichnet Landschaft und
Natur, konkret für Mecklenburg-Vorpommern, sogar als Grundlage und wichtigstes
Kapital für den Tourismus: ,,Ohne die einmalige Natur mitsamt seinen Tier- und
Pflanzenarten gehen dem Tourismus seine Grundlagen verloren. Und mit dem Tou-
56
vgl. Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern e.V. (2004), S. 114ff.
57
vgl. vgl. www.svz.de/tourismus (2001).
58
vgl. Butler (2000), S. 339.
59
vgl. Job, H.; Vogt, L. (2003), S. 851.
60
Becker, C.; Job, H.; Witzel, A. (1996), S. 19.
Kapitel 2
Die Bedeutung des Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern
23
rismus würde Mecklenburg-Vorpommern ein wichtiges wirtschaftliches Standbein
verlieren"
61
.
Dementsprechend verbindet den Tourismus und die Natur und Umwelt eine Abhän-
gigkeit. Denn ohne eine intakte Natur ist zumindest der Tourismus nicht dauerhaft
entwicklungsfähig
62
. Doch diese Tatsache bedeutet nicht, dass es bei der Entwick-
lung des Tourismussektors und der touristischen Nutzung immer zu einer Win-Win-
Situation zwischen Tourismus und Natur bzw. Naturschutz kommt. Im Gegenteil,
oftmals führen Entwicklungen und Entscheidungen in einem Bereich zu negativen
Auswirkungen oder Konflikten in bzw. mit dem anderen Bereich. Welche Ursachen
derartige Konflikte haben und welcher Art die Auswirkungen sein können, wird in Ka-
pitel 4 nachgegangen.
2.5 Zwischenfazit
Wie aus den Ausführungen in Kap. 2 deutlich wurde, ist der Tourismus zu einem der
wichtigsten, in einigen Regionen sogar zum entscheidenden Wirtschaftsfaktor in
Mecklenburg-Vorpommern geworden. Basis für diese herausragende Stellung ist
eindeutig das Naturpotenzial (unberührte Natur, Vielfalt von Fauna und Flora etc.)
sowie der Gewässerreichtum mit den Möglichkeiten der Erholungsnutzung in, am
und auf dem Wasser. Damit sind die Thesen 1 und 2 dieser Arbeit zunächst theore-
tisch belegt (vgl. Kap. 1). Als weitere Stärken im Mecklenburg-Vorpommern-Touris-
mus sind die Innovationsfreudigkeit, das Thema Gesundheit und die Bäderarchitektur
zu nennen. Defizite hingegen bestehen trotz beträchtlicher Investitionen seit 1990
nach wie vor bei der allgemeinen, aber auch der touristischen Infrastruktur. Sowohl
saisonverlängernde und wetterunabhängige Alternativangebote, als auch Qualität
und Serviceorientierung sind weitere Bereiche, in denen noch Nachholbedarf be-
steht
63
.
Über die Wertschöpfung im Gastgewerbe hinaus sind nahezu alle Dienstleistungs-
branchen, allen voran der Einzelhandel, mit dem Tourismus vernetzt. Im Hinblick auf
61
LUNG (2001), S. 23.
62
vgl. Umweltbundesamt (2000), S. 106.
63
vgl. Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern (2004a), S. 22f.
Kapitel 2
Die Bedeutung des Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern
24
die Breitenwirkung des ,,Multi-Produktes" Tourismus ist eine stabile Tourismusent-
wicklung demnach eine Grundvoraussetzung für ein langfristig anhaltendes Wachs-
tum im strukturschwachen Mecklenburg-Vorpommern
64
.
Deutlich wurde allerdings auch, dass Wachstum im Tourismus nicht allein durch das
vorhandene Naturpotenzial geschaffen wird. So erfordert der Ausbau der Tourismus-
wirtschaft einen Balanceakt zwischen der weiteren Tourismusentwicklung und der
dauerhaften Bewahrung von Natur und Landschaft. Denn um die oben genannten
Defizite zu beheben, sind durchaus Maßnahmen, etwa zur weiteren Erschließung,
nötig, die nicht immer den Forderungen des Naturschutzes entsprechen
65
.
64
vgl. Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern (2004a), S. 17.
65
vgl. Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern (2004b), S. 289.
Kapitel 3
Die FFH-Richtlinie und ihre Umsetzung in Mecklenburg-Vorpommern
25
3.
Die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und ihre Umsetzung in
Mecklenburg-Vorpommern
Das System Tourismus wird in entscheidendem Maße von der politischen und ökolo-
gischen Umwelt mitbestimmt (vgl. Abb. 2). Neben den vorhandenen nationalen
Schutzgebieten (vgl. Kap. 5.2.2, Exkurs: Nationale Schutzgebietskategorien) entsteht
mit der Ausweisung von Gebieten gemeinschaftlicher Bedeutung, auch als FFH-
Gebiete bezeichnet, im Rahmen des Netzes Natura 2000 ein europaweiter Schutz-
gebietstyp, der neue Anforderungen mit sich bringt. Aufgrund der ausgedehnten Flä-
cheninanspruchnahme und der hohen naturschutzfachlichen Anforderungen wirkt
sich die FFH-Richtlinie auch auf den Tourismus aus.
Trotz der Tatsache, dass es die Richtlinie schon seit 1992 gibt, hat die eigentliche
Umsetzung im Bundesgebiet gerade erst begonnen. Zwar liegt eine Reihe von juris-
tischen Abhandlungen über die Auslegung der Richtlinie vor, doch ist die Auswahl
der Beiträge, die sich mit den möglichen Auswirkungen der FFH-Richtlinie in der
Praxis und dem Umgang mit den daraus resultierenden Folgen für bestimmte Wirt-
schaftssektoren als auch für öffentliche und private Planungsträger auseinanderset-
zen, noch relativ gering
66
. Neben der Darstellung der allgemeinen Rahmenbedingun-
gen erfolgt die Analyse der FFH-Richtlinie in der vorliegenden Arbeit daher aus dem
Blickwinkel des Tourismus und der in diesem Zusammenhang relevanten Aspekte.
Für die Beurteilung der möglichen Auswirkungen, die sich aus der Umsetzung der
Richtlinie für den Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern ergeben, ist die Analyse
des Richtlinientextes von entscheidender Bedeutung, weshalb ihr der größte Raum
im folgenden Kapitel eingeräumt wird (vgl. Kap. 3.1). Daran anschließend erfolgt eine
Betrachtung der bisherigen Umsetzungsbemühungen in Deutschland und in Meck-
lenburg-Vorpommern, um erste Ansätze nachzuvollziehen und Vergleiche herstellen
zu können (vgl. Kap. 3.2).
66
Zu juristischen Abhandlungen vgl. Rödiger-Vorwerk, T. (1998), Koch, T. (2000), Wirths, V. (2001)
oder Wichert, F. (2001). Zu praxisbezogenen Abhandlungen vgl. Bundesanstalt für Gewässer-
kunde (2000) oder BfN (1999).
Kapitel 3
Die FFH-Richtlinie und ihre Umsetzung in Mecklenburg-Vorpommern
26
3.1 Die
Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie
Zusammen mit der Vogelschutz-Richtlinie (VS-Richtlinie) bildet die FFH-Richtlinie die
rechtliche Grundlage für das europaweite ökologische Netz von Schutzgebieten mit
der Bezeichnung Natura 2000
67
. Die Kombination von artenschutzrechtlichen Zielen
und dem Lebensraumschutz wurde aus der älteren VS-Richtlinie (1979) in die FFH-
Richtlinie aufgenommen und weiterentwickelt. Wichtige Aspekte der VS-Richtlinie,
wie das Schutzgebietsmanagement oder die Behandlung von Plänen und Projekten,
fallen direkt unter die konkreteren Vorschriften der FFH-Richtlinie
68
. Lediglich die
Vorschriften zur Ausweisung der Vogelschutzgebiete, welche für die Zielstellung der
vorliegenden Arbeit jedoch nicht von Belang sind (vgl. Kap. 3.2.1), unterliegen auch
weiterhin den Bestimmungen der VS-Richtlinie
69
. Aufgrund dieser Überschneidungen
in den zentralen Bereichen und der damit einhergehenden fundamentalen Bedeu-
tung der FFH-Richtlinie für das Natura 2000-Netz, die auch RÖDIGER-VORWERK
und GELLERMANN bestätigen, wird im Folgenden davon abgesehen, die Bestim-
mungen der VS-Richtlinie gesondert zu betrachten
70
.
3.1.1 Entstehung,
Aufbau
und Ziele der FFH-Richtlinie
Bereits am 16. August 1988 legte die Europäische Kommission dem Rat einen Vor-
schlag für eine Richtlinie zum Schutz der natürlichen und naturnahen Lebensräume
sowie der wildlebenden Tier- und Pflanzenarten vor
71
. Im Jahr 1992 kam der Rat die-
sem Vorschlag schließlich nach und beschloss die Richtlinie 92/43/EWG, auch be-
kannt als Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Damit ist erstmals eine Richtlinie erlassen
worden, die eine umfassende und gemeinschaftsweit verbindliche Vorgabe zur Er-
haltung und Entwicklung des europäischen Naturerbes vorsieht und eine direkte
Aufwertung des Umwelt- und Naturschutzes in Bezug auf andere Politikbereiche imp-
liziert
72
.
67
vgl. LUNG (2001), S. 37.
68
vgl. Der Rat der Europäischen Gemeinschaften (1992), Art. 3, Abs. 1 und Art. 7.
69
Ausführliche Darstellung der Vorschriften zur VS-Richtlinie in: Gellermann, M. (1998).
70
vgl. Rödiger-Vorwerk, T. (1998), S. 4f; Gellermann, M. (1998), S. 50ff.
71
vgl. Wirths, V. (2001), S. 33.
72
vgl. Rödiger-Vorwerk, T. (1998), S. 5f.
Kapitel 3
Die FFH-Richtlinie und ihre Umsetzung in Mecklenburg-Vorpommern
27
Bereits mit der Bekanntgabe der FFH-Richtlinie an die Bundesrepublik Deutschland
legte der Rat der europäischen Gemeinschaften einen umfassenden Zeitplan von der
Verabschiedung der Richtlinie bis hin zum laufenden Monitoring im Nachgang der
Schutzgebietsausweisung vor (vgl. Tab. 2). Dieser wurde von Bund und Ländern al-
lerdings nicht eingehalten (vgl. Kap. 3.2.1).
Tab. 2:
Umsetzungs- und Vollzugsfristen der FFH-Richtlinie
Datum
Inhalt
21. Mai 1992
Verabschiedung der Richtlinie
5. Juni 1992
Bekanntgabe an die Bundesrepublik Deutschland
Geltung der Verpflichtungen des Art. 6 Abs. 2, 3 und 4 für die Vogelschutz-
Gebiete
bis 4. Juni 1994
Verabschiedung der erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften durch
die Mitgliedstaaten (Art. 23 Abs. 1)
bis 4. Juni 1995
Vorlage der nationalen Gebietsliste bei der Kommission (Art. 4 Abs. 1)
bis 4. Juni 1998
Festlegung der Kommissionsliste und Beginn der Verpflichtungen gemäß Art. 6
Abs. 2, 3 und 4 (Art. 4 Abs. 2 und 5)
bis 4. Juni 2000
1. Bericht der Mitgliedstaaten über die Durchführung der Maßnahmen im Rah-
men der Richtlinie (Art. 17 Abs. 1)
bis 4. Juni 2002
Gesamtbericht der Kommission über die Durchführung der Maßnahmen (Art. 17
Abs. 2)
bis 4. Juni 2004
Schutzgebietsausweisung durch die Mitgliedstaaten
ab der Ausweisung Überprüfung des Aktionsrahmens alle zwei Jahre (Art. 8 Abs. 5) und Beurtei-
lung des Beitrags von ,,Natura 2000" zur Verwirklichung des Richtlinienziels
durch die Kommission in regelmäßigen Zeitabständen (Art. 9)
bis 4. Juni 2006
2. Bericht der Mitgliedstaaten über die Durchführung der Maßnahmen im Rah-
men der Richtlinie
Quelle: Rödiger-Vorwerk, T. (1998, S. 9)
Das Hauptziel der Richtlinie ist, ,,zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung
der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen im europä-
ischen Gebiet der Mitgliedstaaten, für das der Vertrag Geltung hat, beizutragen"
73
.
Dabei werden durch die FFH-Richtlinie nicht nur gefährdete, sondern gerade typi-
sche Lebensräume und Arten geschützt, um die Artenvielfalt europaweit zu erhalten
bzw. wiederherzustellen
74
. Die auf Grundlage der Richtlinie getroffenen Maßnahmen
sollen einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und wildle-
benden Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse bewahren oder
73
Der Rat der Europäischen Gemeinschaften (1992), Art. 2, Abs. 1.
74
vgl. Wichert, F. (2001), S. 29.
Kapitel 3
Die FFH-Richtlinie und ihre Umsetzung in Mecklenburg-Vorpommern
28
wiederherstellen, gleichzeitig aber auch die Anforderungen von Wirtschaft, Gesell-
schaft und Kultur sowie die regionalen und örtlichen Besonderheiten berücksichti-
gen
75
. Zur Zielerreichung ist das Regelungskonzept der FFH-Richtlinie zweigeteilt.
So wird zum einen das Instrument der Flächenbewirtschaftung genutzt, bei der es
um die Ausweisung von Schutzgebieten und die Erarbeitung von Bewirtschaftungs-
plänen geht. Zum anderen nutzt die Richtlinie das klassische Instrument des Arten-
schutzes mit strikten Regelungen ohne konkreten Gebiets- bzw. Lebensraumbe-
zug
76
.
Diese Zweiteilung spiegelt sich auch im Aufbau der Richtlinie wider (vgl. Anhang
2.1). So gibt es einen ersten Teil zum Schutz des Lebensraumes (Art. 3 bis 11) und
einen zweiten Teil mit speziellen Artenschutzregelungen (Art. 12 bis 16). Ein dritter
Teil fasst alle weiteren Regelungen zur Durchführung der Richtlinie, flankierende
Maßnahmen und Hinweise zur Öffentlichkeitsarbeit zusammen
77
. Schließlich beinhal-
tet die Richtlinie sechs Anhänge, in denen die zu schützenden Lebensräume sowie
die zu schützenden Tier- und Pflanzenarten definiert und die Kriterien zur Beurteilung
der Gebiete und der artenschutzrechtlichen Verbote festgehalten sind
78
.
3.1.2 Ausweisung der FFH-Gebiete
Der erste Schritt zur Umsetzung der FFH-Richtlinie ist die Meldung bzw. Ausweisung
von Gebieten gemeinschaftlicher Bedeutung (FFH-Gebiete). Diese erfolgt in drei
Phasen
79
:
1. Phase: Aufstellung einer nationalen Gebietsliste durch die Mitgliedstaaten ge-
mäß den Kriterien aus den Anhängen I-III der FFH-Richtlinie.
75
vgl. Der Rat der Europäischen Gemeinschaften (1992), Art. 1 und Art. 2, Abs. 2 und 3.
Der Erhaltungszustand eines Lebensraumes ist ,,günstig", wenn sein natürliches Verbreitungs-
gebiet beständig ist oder sich ausdehnt, die für seinen langfristigen Fortbestand notwendigen spe-
zifischen Funktionen bestehen und der Erhaltungszustand der für ihn charakteristischen Arten
günstig ist.
76
vgl. Rödiger-Vorwerk, T. (1998), S. 8.
77
vgl. s.a.O., S. 7f.
78
vgl. Der Rat der Europäischen Gemeinschaften (1992), Anhang I-VI.
79
vgl. Jarass, H. D. (2000), S. 43ff und Der Rat der Europäischen Gemeinschaften (1992), Art. 4,
Abs. 1-4.
Kapitel 3
Die FFH-Richtlinie und ihre Umsetzung in Mecklenburg-Vorpommern
29
2. Phase: Festlegung der Kommissionsliste aus den nationalen Gebietslisten im
Einvernehmen mit den Mitgliedstaaten. Bei Nichtübereinstimmungen
zwischen Kommission und Mitgliedstaat wird ein Konzertierungsverfah-
ren (vgl. Anhang 2.1) zum Interessenausgleich eröffnet.
3. Phase: Schutzgebietsausweisung durch die Mitgliedstaaten entsprechend der
Kommissionsliste.
Bei der Auswahl der Schutzgebiete sind ausschließlich naturschutzfachliche Beurtei-
lungskriterien, wie der Repräsentativitätsgrad, der Erhaltungszustand oder die relati-
ve Fläche der Lebensräume, anzuwenden, so dass sämtliche als geeignet eingestuf-
ten Gebiete durch die Mitgliedstaaten gemeldet werden müssen
80
. Fachfremde Be-
lange, einschließlich solcher touristischer Art, spielen damit bei der Ausweisung der
FFH-Gebiete keine Rolle. Ferner ist eine Ausnahme von der Meldepflicht im Hinblick
auf höherrangige Gemeinwohlinteressen ebenfalls nicht möglich
81
. GELLERMANN
und RÖDIGER-VORWERK stützen diese Ansicht und begründen sie mit der Über-
tragbarkeit von Urteilen des Europäischen Gerichthofes (EuGH) zur VS-Richtlinie auf
die FFH-Richtlinie
82
. WICHERT vertritt hingegen die Meinung, dass die Mitgliedstaa-
ten durchaus einen Ermessensspielraum bei der Berücksichtigung fachfremder Be-
lange schon in der Ausweisungsphase der Schutzgebiete haben
83
. Da es noch keine
Entscheidung des EuGH gibt, die sich mit der Ausweisung von FFH-Gebieten be-
schäftigt, besteht keine eindeutige Rechtslage, wodurch die eine oder die andere
Meinung widerlegt wird.
Einen Sonderfall stellen hingegen die so genannten prioritären Arten und Lebens-
raumtypen dar. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass sie in besonders starkem
Maße bedroht sind und Maßnahmen zu ihrer Erhaltung zeitlich nah durchgeführt
werden müssen
84
. Definiert sind die prioritären Arten und Lebensraumtypen in An-
hang III der FFH-Richtlinie (vgl. Anhang 2.1). Ein solches Gebiet stellt von vornherein
ein Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung dar und muss in die nationale Liste
80
vgl. Wirths, V. (2001), S. 352.
Eine detaillierte Beschreibung der naturschutzfachlichen Kriterien findet sich in Der Rat der Euro-
päischen Gemeinschaften (1992), Anhang III oder Wichert, F. (2001), S. 28ff.
81
vgl. Wirths, V. (2001), S. 353.
82
vgl. Gellermann, M. (1998), S. 20ff und Rödiger-Vorwerk, T. (1998), S. 35f.
83
vgl. Wichert, F. (2001), S. 73f.
84
vgl. Der Rat der Europäischen Gemeinschaften (1992), Einführung.
Kapitel 3
Die FFH-Richtlinie und ihre Umsetzung in Mecklenburg-Vorpommern
30
aufgenommen werden
85
. Ein Ermessensspielraum bei der Ausweisung oder gar die
Berücksichtigung fachfremder Belange sind in diesem Fall kategorisch ausgeschlos-
sen. Bei Nichtmeldung kann die Kommission auch ohne die Zustimmung des Mit-
gliedstaates das entsprechende Gebiet als FFH-Gebiet ausweisen
86
.
Die FFH-Richtlinie legt weiterhin fest, dass ,,jeder Staat im Verhältnis der in seinem
Hoheitsgebiet vorhandenen natürlichen Lebensraumtypen und Habitate der Arten zur
Errichtung von Natura 2000 beiträgt"
87
. Damit wird in der Richtlinie keine konkrete
Anzahl oder Gesamtfläche der zu schützenden Gebiete festgelegt. Ursprünglich woll-
te die Kommission 10-20 % der Gesamtfläche der Mitgliedstaaten unter Schutz stel-
len und jeder Mitgliedstaat sollte 20-60 % der jeweiligen Habitattypen in seinem Ter-
ritorium als Schutzgebiete vorschlagen
88
. Da diese Zahlen allerdings nicht im Richtli-
nientext fixiert sind, steht den Mitgliedstaaten ein gerichtlich nicht überprüfbarer Be-
urteilungsspielraum zu
89
.
Eine Beteiligung der Bürger ist zum Zeitpunkt der Schutzgebietsausweisung im
Richtlinientext nicht vorgesehen. Lediglich bei der Beurteilung von Plänen und Pro-
jekten wird auf die Möglichkeit einer Öffentlichkeitsbeteiligung hingewiesen
90
. Ange-
sichts der Ausklammerung von fachfremden Belangen bei der Ausweisung von
Schutzgebieten widerspräche eine Integration der Vorstellungen und Belange der
Betroffenen in dieser Phase allerdings auch den Forderungen, die sich aus der Richt-
linie ergeben
91
. Eine Berücksichtigung dieser Interessen in der Phase der Schutzge-
bietsausweisung wäre daher nur bei marginalen Grenzänderungen möglich. Gericht-
lich wäre die Berücksichtigung fachfremder Belange in jedem Fall anfechtbar.
3.1.3 Schutzgebietsmanagement
Sobald ein Gebiet in die Vorschlagsliste aufgenommen wurde bzw. als FFH-Gebiet
gemeldet ist, unterliegt es dem europäischen Grund- bzw. Mindestschutz, durch den
85
vgl. Wirths, V. (2001), S. 352 und Koch, T. (2000), S. 78.
86
vgl. Der Rat der Europäischen Gemeinschaften (1992), Einführung.
87
Der Rat der Europäischen Gemeinschaften (1992), Art. 3, Abs. 2.
88
vgl. Wichert, F. (2001), S. 104f.
89
vgl. ebd.
90
vgl. Der Rat der Europäischen Gemeinschaften (1992), Art. 6, Abs. 3.
91
vgl. Wichert, F. (2001), S. 120ff.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2004
- ISBN (eBook)
- 9783832485269
- ISBN (Paperback)
- 9783838685267
- DOI
- 10.3239/9783832485269
- Dateigröße
- 10.8 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Universität Potsdam – Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
- Erscheinungsdatum
- 2005 (Januar)
- Note
- 1,0
- Schlagworte
- konfliktmanagement fauna-flora-habitat großschutzgebiete mediation tourismussektor
- Produktsicherheit
- Diplom.de