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Journalistische Recherche im Internet

Nutzung des World Wide Web als Recherchequelle durch Fachjournalisten der Bereiche Informations- und Telekommunikationstechnologie

©2004 Diplomarbeit 149 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Journalistische Recherche – als Fundament journalistischer Berichterstattung – hat sich entlang der Verbreitung technischer Vermittlungsmedien wie Telefon, Fax oder Internet verändert. Nach der theoretischen Einordnung der Recherche in die Systemtheorie wurde in der Diplomarbeit „Journalistische Recherche im Internet“ empirisch untersucht, wie Fachjournalisten bei Informations- und Telekommunikationsfachmedien das World Wide Web als Recherchequelle nutzen. Die Arbeit bestätigt unter anderem die Hypothese, dass das Internet mittlerweile zum wichtigsten Recherchemedium für Journalisten geworden ist. Ferner stellt sie heraus, inwieweit Journalisten das World Wide Web generell, und verschiedene Webangebote speziell, in den wichtigsten Phasen der Recherche nutzen.
Problemstellung:
Gute Recherche, da sind sich Theoretiker und Praktiker einig, ist das Fundament kompetenter journalistischer Berichterstattung. Der Rezipient erwartet, dass ihm in den Medien keine Halbwahrheiten oder gar Lügen präsentiert werden, sondern profunde recherchierte und belegbare Inhalte. Hatten Journalisten anfangs nur die Möglichkeit, sich an Ort und Stelle des Geschehens ein Bild zu machen und auch vor Ort zu recherchieren, machen es die modernen Kommunikationsmedien wie Telefon, Fax oder Internet heute leicht, einen Großteil der Recherchearbeit vom Schreibtisch aus zu erledigen. Die E-Mail ist inzwischen zum „alltäglichen Arbeitsmedium der Journalisten geworden.“ So können heute in sekundenschnelle Dokumente, Texte, Bilder oder auch audiovisuelle Materialien aus dem Netz geladen und weiterverarbeitet werden. Es stellt sich folglich die Frage, welchen Einfluss das Internet auf die klassischen Tätigkeiten beziehungsweise „Verarbeitungsroutinen” des Journalismus „Recherchieren, Selektieren, Schreiben” hat. In dieser Arbeit wird dabei speziell der Einfluss des Internets auf die Verarbeitungsroutine journalistische Recherche empirisch untersucht.
Grundlage der Untersuchung ist ein systemtheoretischer Journalismusansatz, da sich der Fokus der Arbeit klar auf das Funktionssystem Journalismus bezieht. Da sich „Funktionsweisen und Einflußfaktoren im Journalismus [...] nicht allein aufgrund individueller Motive und Einstellungen der Journalisten” erklären lassen, also eine empirische Prüfung der systemtheoretisch geprägten Journalismustheorien durch die Ausklammerung der Handlung als „die elementare soziale Basiseinheit” schwierig wenn nicht gar […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8512
Wesselmann, Matthias: Journalistische Recherche im Internet -
Nutzung des World Wide Web als Recherchequelle durch Fachjournalisten der Bereiche
Informations- und Telekommunikationstechnologie
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: Technische Universität Ilmenau, Diplomarbeit, 2004
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2004
Printed in Germany

Autorenprofil
Matthias Wesselmann
Matthias Wesselmann studierte Angewandte Medienwissenschaften an der Technischen Universität
Ilmenau. Zusammen mit Ludger Verst gründete er 1999 das Pressebüro Interfaith Communications in
Kassel und Hamm. Während seines Studiums war er im Rahmen seiner Arbeit für Interfaith als freier
Journalist für verschiedene Tages- und Technologiemedien sowie für TV- und Radiosender tätig.
Seine Projektarbeit im Studium schrieb Wesselmann zum Thema ,,Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für
die Zigarettenindustrie in Zeiten des Werbeverbots" bei der Mummert Communications GmbH.
Anschließend war er als Volontär bei Mummert Communications beschäftigt und verfasste im Rahmen
seines Volontariats seine Diplomarbeit zum Thema ,,Journalistische Recherche im Internet." Seit Ende
2004 ist Wesselmann als Textchef verantwortlich für die gesamte Textproduktion der Mummert
Communications GmbH.

I
Inhalt
1
Einleitung ... 1
1.1
Ausgangsüberlegung und Aufgabenstellung... 1
1.2
Vorgehen und Aufbau der Arbeit ... 1
2
Theorie ... 5
2.1
Journalismus als soziales System ... 9
2.1.1
Grundlagen der systemtheoretischen Journalismustheorie...11
2.1.2
Die Struktur des Funktionssystems Journalismus ...18
2.1.2.1
Journalistische Organisation ...21
2.1.2.2
Journalistische Programme ...22
2.1.2.3
Journalistische Rollen ...26
2.1.3
Einordnung der Recherche in die Programme des Journalismus...29
2.2
Betrachtung der Praxis der journalistischen Recherche ... 31
2.2.1
Die Recherche im praktischen journalistischen Arbeitskontext ...31
2.2.2
Verfahren, Methoden und Quellen ...33
2.2.2.1
Verlaufspunkte einer Recherche ...33
2.2.2.1.1
Einschätzen der Themenrelevanz...34
2.2.2.1.2
Überprüfen der Basisinformationen (Rechercheimpuls)...37
2.2.2.1.3
Erweiterte Recherche ...39
2.2.2.1.4
Motive und Einzelhypothesen ermitteln ...40
2.2.2.1.5
Grundhypothese bilden ...41
2.2.2.1.6
Motive und Einzelhypothesen überprüfen ...41
2.2.2.1.7
Rechercheabschluss ...42
2.2.2.1.8
Veröffentlichung ...42
2.2.2.2
Recherchequellen...43
2.2.2.2.1
Internet ...44

II
2.2.2.2.2
Telefon ...47
2.2.2.2.3
Persönliches Archiv ...47
2.2.2.2.4
Datenbanken ...48
2.2.2.2.5
Zeitungs- und Zeitschriftenarchive ...49
2.2.2.2.6
Post...49
2.2.2.2.7
Fax ...50
2.2.3
Exploration: Forschungsstand zur journalistischen Online-Recherche ...51
2.2.3.1
Akzeptanz der Online-Recherche ...52
2.2.3.2
Vorgehensweise bei der Recherche ...53
2.2.3.3
Recherchequellen...55
2.2.3.4
Bewertung und Verarbeitung der recherchierten Informationen ...58
2.2.3.5
Fazit zur Online-Recherche ...59
2.2.4
Fazit...60
3
Empirie... 61
3.1
Forschungsziele, Forschungsfragen ... 61
3.1.1
Akzeptanz der Online-Recherche...62
3.1.2
Vorgehensweise bei der Online-Recherche...63
3.1.3
Recherchequellen ...63
3.1.4
Bewertung und Verarbeitung der im Internet recherchierten Informationen ...64
3.2
Hypothesen ... 64
3.2.1
Akzeptanz der Online-Recherche...65
3.2.2
Vorgehensweise bei der Online-Recherche...65
3.2.3
Recherchequellen ...65
3.2.4
Bewertung und Verarbeitung der im Internet recherchierten Informationen ...65
3.3
Untersuchungsgegenstand ... 66
3.4
Methode und Untersuchungsdesign... 66

III
3.4.1
Instrument...66
3.4.2
Auswahl und Rekrutierung der Population ...68
3.4.3
Datenerhebung ...69
3.5
Ergebnisse ... 71
3.5.1
Stichprobenbeschreibung ...71
3.5.1.1
Alter und Geschlecht ...71
3.5.1.2
Journalistische Tätigkeit ...72
3.5.1.3
Internetnutzung ...74
3.5.1.4
Bildungsweg und journalistische Ausbildung...74
3.5.2
Hypothesentests...76
3.5.2.1
Akzeptanz der Online-Recherche ...76
3.5.2.1.1
Hypothese 1 ...76
3.5.2.1.2
Hypothese 2 ...78
3.5.2.1.3
Hypothese 3 ...79
3.5.2.1.4
Hypothese 4 ...81
3.5.2.2
Vorgehensweise bei der Online-Recherche ...83
3.5.2.2.1
Hypothese 5 ...83
3.5.2.3
Recherchequellen...87
3.5.2.3.1
Hypothese 6 ...87
3.5.2.3.2
Hypothese 7 ...90
3.5.2.4
Bewertung und Verarbeitung der im Internet recherchierten Informationen .91
3.5.2.4.1
Hypothese 8 ...91
3.5.2.4.2
Hypothese 9 ...93
4
Diskussion und Ausblick ... 96
5
Literatur... 100
6
Eidesstattliche Erklärung... 105

IV
Abbildungen
Abbildung 1: Kontexte des Journalismus ­ Gegenstände der Journalistik ... 9
Abbildung 2: Struktur des journalistischen Systems ... 21
Abbildung 3: Rollenschema... 28
Abbildung 4: Bei der Recherche genutzte Online-Anbieter ... 56
Abbildung 5: Wichtigkeit von Websites für die tägliche journalistische Arbeit .. 57
Abbildung 6: Altersspanne der Befragten... 72
Abbildung 7: Zeitraum der journalistischen Tätigkeit ... 72
Abbildung 8: Anteil fester, freier und festfreier Journalisten bei Medien ... 73
Abbildung 9: Nutzung des Internets beruflich und privat... 74
Abbildung 10: Ausbildungswege... 75
Abbildung 11: Recherchezeit im Vergleich... 77
Abbildung 12: Zeitaufwand für journalistische Tätigkeiten nach Medientypen .. 78
Abbildung 13: Anteil der Internetrecherche an der Recherche... 79
Abbildung 14: Vorteile der Internetrecherche ... 80
Abbildung 15: Nachteile der Internetrecherche ... 82
Abbildung 16: Nutzung verschiedener Quellen nach Recherchephasen ... 85
Abbildung 17: Nutzung verschiedener Internetquellen nach Recherchephasen... 88
Abbildung 18: Allgemeine Nutzung verschiedener Recherchequellen ... 91
Abbildung 19: Glaubwürdigkeit verschiedener Internetquellen ... 92
Abbildung 20: Korrelationen Glaubwürdigkeit/Nutzungshäufigkeit... 93
Abbildung 21: Überprüfen der Informationen aus dem Internet ... 94

1
1 Einleitung
1.1 Ausgangsüberlegung und Aufgabenstellung
Gute Recherche, da sind sich Theoretiker und Praktiker einig, ist das Fundament
kompetenter journalistischer Berichterstattung.
1
Der Rezipient erwartet, dass ihm
in den Medien keine Halbwahrheiten oder gar Lügen präsentiert werden, sondern
profunde recherchierte und belegbare Inhalte.
2
Hatten Journalisten anfangs nur die
Möglichkeit, sich an Ort und Stelle des Geschehens ein Bild zu machen und auch
vor Ort zu recherchieren, machen es die modernen Kommunikationsmedien wie
Telefon, Fax oder Internet heute leicht, einen Großteil der Rechercherarbeit vom
Schreibtisch aus zu erledigen. Die E-Mail ist inzwischen zum ,,alltäglichen Ar-
beitsmedium der Journalisten geworden."
3
So können heute in sekundenschnelle
Dokumente, Texte, Bilder oder auch audiovisuelle Materialien aus dem Netz ge-
laden und weiterverarbeitet werden. Es stellt sich folglich die Frage, welchen Ein-
fluss das Internet auf die klassischen Tätigkeiten beziehungsweise ,,Verarbei-
tungsroutinen"
4
des Journalismus ,,Recherchieren, Selektieren, Schreiben"
5
hat. In
dieser Arbeit wird dabei speziell der Einfluss des Internets auf die Verarbeitungs-
routine journalistische Recherche empirisch untersucht.
1.2 Vorgehen und Aufbau der Arbeit
Grundlage der Untersuchung ist ein systemtheoretischer Journalismusansatz, da
sich der Fokus der Arbeit klar auf das Funktionssystem Journalismus bezieht. Da
sich ,,Funktionsweisen und Einflußfaktoren im Journalismus [...] nicht allein auf-
1
vgl. Scholl (1998), S. 88
2
vgl. Haller (2004), S. 19
3
news aktuell (2002), S. 3
4
Altmeppen (1998), S. 199
5
Fuchs (1998), S. 5

2
grund individueller Motive und Einstellungen der Journalisten"
6
erklären lassen,
also eine empirische Prüfung der systemtheoretisch geprägten Journalismustheo-
rien durch die Ausklammerung der Handlung als ,,die elementare soziale Basis-
einheit"
7
schwierig wenn nicht gar unmöglich ist, wird für die in dieser Arbeit
vorgesehene empirische Untersuchung eine ,,Rekurrierung auf Handeln"
8
not-
wendig. Hierbei wird auf die Theorie journalistischer Programme
9
zurückgegrif-
fen und die Recherche unter der Prämisse der ,,Bearbeitungsprogramme"
10
und
,,Selektionsprogramme"
11
theoretisch eingeordnet.
Wenn man sich mit dem Thema journalistische Recherche in Deutschland auf
praktischer Handlungs- oder Akteursebene beschäftigt, so stößt man in der Litera-
tur dazu oft auf kritische Beiträge. Eine international vergleichende Studie ergab
beispielsweise, dass in Deutschland lediglich 21 Prozent der Journalisten sehr viel
Zeit für eigene Recherchearbeit verwenden, während diese Zahl in Großbritannien
und den USA mehr als doppelt so hoch liegt
12
. Auch bei qualitativer Betrach-
tungsweise ist immer wieder von nachlässiger, nicht selten fehlerhafter Recherche
die Rede.
13
Sicherlich lassen sich diese Unterschiede zum Teil historisch und kul-
turell begründen
14
, doch es sind viele weitere mögliche Ursachen für die kritik-
würdige Recherchesituation denkbar. Die starke Konkurrenz des Journalismus
durch immer besseren Informationskampagnen der Public-Relations und Öffent-
lichkeitsarbeit, mangelhafte journalistische Ausbildung, unerbittliche Medienkon-
6
Altmeppen (2000), S. 294
7
Altmeppen (2000), S. 293
8
Altmeppen (2000), S. 294
9
vgl. Blöbaum (1994), S. 138ff und Altmeppen (2000), S. 295ff
10
Altmeppen (2000), S. 301
11
Altmeppen (2000) S. 301
12
vgl. Haller (2004), S. 17
13
vgl. Politz (1998), S. 40
14
vgl. Haller (2004), S. 17ff

3
kurrenz und Medienkonzentration sowie die damit einhergehende allgemeine
Aushöhlung klassischer journalistischer Prinzipien ­ zu denen die intensive Re-
cherche zweifelsohne gehört ­ mögen ebenso dazugehören wie das Diktat der
Kosten und Quoten sowie der um sich greifende Trend hin zu Beliebigkeitsjour-
nalismus und Infotainment. In dieser Diplomarbeit soll und kann es jedoch nicht
um mögliche Ursachen für die defizitäre Situation der Recherche gehen, denn
diese sind so komplex und vielfältig, dass man sie an dieser Stelle kaum in ange-
messenem Umfang untersuchen kann. In der Arbeit wird die Recherche, welche
,,[...] im engeren Sinne ein Verfahren zur Beschaffung und Beurteilung von Aus-
sagen über reales Geschehen, die ohne dieses Verfahren nicht preisgegeben, also
nicht publik würden [...]"
15
, ist, von der methodischen Seite mit Fokus auf das
Internet als Recherchemedium oder Recherchetool betrachtet. Recherche, und
darin sind sich die meisten Autoren einig, ,,[...] ist im Prinzip keine hohe Kunst,
sondern schlicht Handwerk."
16
So sollen typische Verlaufspunkte und Methoden
der Recherche im zweiten Schritt ­ nach der Einordnung der Recherche in eine
Theorie des Journalismus als soziales System ­ betrachtet und erläutert werden.
Die Recherche wurde teilweise schon im Hinblick auf das Veränderungspotenzial
durch das Internet untersucht. Die Ergebnisse der Untersuchungen werden in der
Exploration dieser Diplomarbeit dargestellt.
Alle bisher bekannten Studien und Untersuchungen zum Thema Internetrecherche
beziehungsweise Internet und Journalismus setzen die Recherche jedoch einerseits
nicht in einen theoretischen Kontext einer Journalismustheorie, und betrachten das
Feld zudem andererseits eher oberflächlich aus einer Perspektive des Einsatzes
von Internetquellen während der verschiedenen Phasen der Recherche. Dieses soll
15
Haller (2004), S. 246
16
Politz (1998), S. 25

4
schließlich im empirischen Teil der Arbeit untersucht werden. Nach expliziter
Definition der Forschungsziele und Forschungsfragen wird der Untersuchungsge-
genstand definiert und abgegrenzt. Aus den im empirischen Teil dargelegten In-
strumenten der Offline- und Online-Recherche und den Ergebnissen der Explora-
tion werden Hypothesen bezüglich der Nutzung der Online-Recherche aufgestellt.
Diese gilt es, anhand der Ergebnisse der empirischen Untersuchung zu belegen
oder zu widerlegen. Die Methode der empirischen Forschung soll dabei eine
quantitative Befragung sein. Als Befragungsinstrument wird ein standardisierter
Online-Fragebogen verwendet. Mit der Darstellung der Ergebnisse und dem
Hypothesentest folgt die Auswertung der empirischen Erhebung. Die Arbeit wird
mit einer Diskussion und einem Ausblick auf zukünftige Forschungsfelder been-
det.

5
2 Theorie
Um den Journalismus sozialwissenschaftlich zu beschreiben, muss auf ein Theo-
riegebilde zurückgegriffen werden.
17
Es kann dabei nicht von einer Theorie des
Journalismus gesprochen werden, da es eine solche Supertheorie, die den Journa-
lismus in seiner Gesamtheit beschreibt, nicht gibt.
18
Dieses ist nach Ansicht
Kepplingers damit zu begründen, dass der Journalismus als ,,heterogenes Bün-
del"
19
in all seinen Facetten nur durch eine ,,Vielzahl unterschiedlicher Theo-
rien"
20
erklärt werden kann. Hinzu kommt, dass die Beobachtung und Theoriebil-
dung immer von dem beobachtenden Subjekt abhängig ist
21
. Dieses lässt sich bei-
spielsweise mit den Ausführungen des österreichischen Philosophen Paul Feyera-
bend verdeutlichen, dass die Deutung von Erfahrungen als solche schon theorie-
geleitet ist anhand vorhandener, subjektabhängiger Theorien. Folglich ,,[...] gibt
[es] keine neutrale Erfahrung."
22
Löffelholz führt in Anlehnung an die konstrukti-
vistische Erkenntnistheorie aus, dass Theorien immer von dem Beobachter abhän-
gen, und so auch nicht die Gleichgestalt von Theorie und Realität die Qualität der
Theorie bestimmt, sondern die Bewertung und ,,[...] Akzeptanz innerhalb einer
Scientific Community [...]."
23
Die Vielfalt von Theorien lässt sich schon, so führt Manfred Rühl aus, bei den
Theorietypen erkennen. So ,,stehen für den Journalismus drei Theorietypen zur
Verfügung."
24
Neben so genannten ,,Alltagstheorien der Laien" und ,,Arbeitstheo-
rien der Praktiker" versuchen ,,sozialwissenschaftliche Theorien [...], mit denen
17
vgl. Rühl (2000), S. 65
18
vgl. Kepplinger (2000), S. 81ff
19
Kepplinger (2000), S. 85
20
Kepplinger (2000), S. 85
21
vgl. Feyerabend (1978), S. 71 zitiert nach Löffelholz (2000a), S. 20
22
Feyerabend (1978), S. 71 zitiert nach Löffelholz (2000a), S. 20
23
Löffelholz (2000a) S. 21
24
vgl. Rühl (2000), S. 65

6
vor allem Kommunikationswissenschaftler umgehen"
25
, den Journalismus zu be-
schreiben.
Die Alltagstheorien beziehen sich in ihrer Belegkraft vor allem auf Fakten, mit
denen Aussagen über den Journalismus getroffen werden, und die meist von Pro-
minenten, Meinungsführern oder Experten stammen.
26
Mit diesen Faktensamm-
lungen treffen Laien die für sie richtigen Aussagen zum Journalismus. Die Ar-
beitstheorien der Praktiker hingegen bilden sich nicht aus aufgenommenen Fakten
anderer, sondern aus dem Erfahrungswissen journalistischer Praktiker, welches sie
im Laufe ihrer Arbeit angesammelt haben. Die Theorieaussagen der Praktiker sind
jedoch meist nicht wissenschaftlich-methodisch überprüft und daher gemessen an
den ,,Verfahrensregeln der Wissenschaft [...] nicht zu generalisieren."
27
Um Jour-
nalismus aus wissenschaftlicher Sicht zu betrachten, und damit auch die Aussagen
generalisierbar zu machen, sind sozialwissenschaftliche Theorien notwendig. Zur
sozialwissenschaftlichen Theoriebildung wird das Erfahrbare ,,systematisch durch
zahlreiche, wissenschaftlich vertretbare Einschränkungen"
28
aufgebrochen. Dabei
nutzen Journalismusforscher unterschiedliche methodische Verfahren, wobei sich
die empirische Methode mittlerweile durchgesetzt hat.
29
Dieser Schritt hin zur
empirisch-analytischen Journalismusforschung, der von Max Weber Anfang des
20. Jahrhunderts gefordert wurde und in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts
realisiert wurde, setzte ,,[...] die normative und subjektivistische Journalismusbe-
trachtung, die im 19. Jahrhundert begann [...]"
30
, voraus.
Journalismusforschung geschieht im Sinne einer empirisch-analytischen Herange-
hensweise sozialwissenschaftlicher Journalismusforschung dabei auf drei ,,sozia-
25
vgl. Rühl (2000), S. 65
26
vgl. Rühl (2000), S. 66
27
vgl. Rühl (2000), S. 66
28
Rühl (2000), S. 67
29
vgl. Rühl (2000), S. 68
30
Löffelholz (2000a) , S. 19

7
len Ebenen."
31
Auf der Makroebene wird Journalismus unter der Prämisse eines
gesamtgesellschaftlichen Funktionssystem-Kontextes untersucht. Dazu gehören
beispielsweise die Beziehungen des Journalismus zu anderen gesellschaftlichen
Funktionssystemen wie Politik oder Wirtschaft
32
. Untersuchungen auf der Mesoe-
bene betrachten ,,journalistische Leistungen und Gegenleistungen gleichsam
marktförmig."
33
Auf der Mikroebene beobachten Forscher den Journalismus vor
dem Hintergrund der Organisation der journalistischen Produktion.
34
Hier spielen
beispielsweise Arbeitsprogramme des Journalismus eine Rolle.
35
Bei einer Betrachtung des Gesamtkontextes journalistischer Forschungsansätze
lässt sich ,,angesichts der enormen theoretischen, methodischen und thematischen
Vielfalt"
36
nicht von einer einzigen, homogenen Journalismusforschung sprechen,
folglich gibt es auch ­ wie eingangs erwähnt ­ keine allumfassende Journalismus-
theorie. Die Journalismusforschung untersucht den Journalismus nicht auf allen
drei Ebenen gleichzeitig.
37
So entsteht folglich eine Vielzahl von Untersuchungs-
ansätzen mit immer wieder neuen Untersuchungsdimensionen. Ein hilfreiches
Modell, mit dem sich die verschiedenen Dimensionen des Journalismus und die
Forschungsgebiete der Journalismusforschung einordnen und darstellen lassen, ist
das Zwiebelmodell von Weischenberg (siehe Abbildung 1) aus dem Jahre 1992.
38
Auch kann das Modell nach Weischenberg dazu genutzt werden, um bei einer
systemtheoretischen Betrachtung des Journalismus Faktoren zu erfassen, die das
journalistische System konstituieren.
39
Weischenbergs Modell gliedert die Journa-
31
Rühl (2000), S. 68
32
vgl. Rühl (2000), S. 76
33
vgl. Rühl (2000), S. 76
34
vgl. Rühl (2000), S. 76
35
vgl. Rühl (2000), S. 76
36
Löffelholz (2000a) , S. 44
37
vgl. Rühl (2000), S. 77
38
vgl. Löffelholz (2000a) , S. 47
39
vgl. Löffelholz (2000a) , S. 47

8
listik auf vier Ebenen: Mediensysteme (Normenkontext), Medieninstitutionen
(Strukturkontext), Medienaussagen (Funktionskontext) und Medienakteure (Rol-
lenkontext). Den äußersten Kreis bilden Normen, wie beispielsweise gesellschaft-
liche und rechtliche Rahmenbedingungen, die im Mediensystem gültig sind. Der
zweite Ring der Zwiebel beschreibt Strukturen und vor allem Zwänge ökonomi-
scher, politischer, organisatorischer und technologischer Art, die auf den Journa-
lismus wirken. In den dritten Ring der Zwiebel lassen sich die ,,Leistungen und
Wirkungen"
40
des Journalismus einordnen. Der vierte und innerste Ring be-
schreibt schließlich die Journalisten als Medienakteure, wobei hier beispielsweise
demografische Merkmale oder soziale und politische Einstellungen einzuordnen
sind.
41
Die zurzeit gebräuchlichste theoretische Grundlage der Journalismusforschung ist
eine systemtheoretische, aufbauend auf der funktional-analytischen Systemtheorie
von Niklas Luhmann.
42
Sie ist die am weitesten verbreitete Systemtheorie und ist
zudem von der Journalismusforschung adaptiert und modelliert worden.
43
Obwohl
Weischenberg und Scholl in ihren späteren Ausführungen zum ,Zwiebelmodell'
das Modell auch zur Ausarbeitung der Unterschiede zwischen Journalismus-
Systemen im Sinne einer konstruktivistischen Systemtheorie nutzen
44
, wird die
Einordnung des Modells in eben diesen Kontext von anderen Wissenschaftlern
kritisiert.
45
40
Weischenberg (1992), S. 67ff
41
vgl. Weischenberg (1992) , S. 67-70
42
vgl. Löffelholz (2000b), S. 147 und Kohring (2000), S. 155
43
vgl. Löffelholz (2000b) , S. 147 und Kohring (2000) , S. 155
44
vgl. Scholl (1998), S. 216ff
45
vgl. Löffelholz (2000a) , S. 50f

9
Abbildung 1: Kontexte des Journalismus ­ Gegenstände der Journalistik
46
2.1 Journalismus als soziales System
Die ersten Ansätze zu einer systemtheoretischen Beschreibung des Journalismus
erarbeitete Manfred Rühl 1969 in seiner Studie ,,Die Zeitung als organisiertes so-
ziales System."
47
Er importierte dazu gleichsam das System-Umwelt-Paradigma
der Luhmannschen Systemtheorie in eine Theorie des Journalismus. Dort dient es
46
Weischenberg (1992) , S. 68
47
vgl. Rühl (1969), zitiert nach Löffelholz (2000a) , S. 51

10
als ,,Ordnungsprinzip einer allgemeinen Theorie des Journalismus."
48
Rühl setzte
mit seiner Theorie nicht den handelnden Journalisten als Person in den Mittel-
punkt, sondern legte den Fokus auf Entscheidungen in journalistischen Organisa-
tionen.
49
Der Vorteil des Theorieentwurfs von Manfred Rühl liegt darin, dass ei-
nerseits durch die Trennung zwischen Journalisten als Personen und dem Journa-
lismus als soziales System eine Abkehr von ,,[...] der simplifizierenden normati-
ven und individualistischen Vorstellung aus der Frühzeit der Journalismusfor-
schung sowie der Anschluss an die gesellschaftliche Debatte [...]"
50
stattfinden
kann, andererseits die empirische Prüfbarkeit erhalten bleibt.
Neben dem Konzept Rühls wurden zahlreiche weitere systemtheoretische Kon-
zepte entwickelt, die auch andere Systembegriffe verwenden.
51
Mittlerweile wer-
den systemtheoretische Ansätze als ,Mainstream' in der Journalismusforschung
betrachtet
52
, wobei sich Kritik am Ansatz beispielsweise dadurch regt, dass die
Systemtheorie des Journalismus den journalistischen Akteur und seine Handlun-
gen unterschätzt. ,,Moniert wird, dass systemtheoretische Ansätze die Relevanz
journalistischer Subjekte für den Vollzug journalistischer Handlungen unterschät-
zen."
53
Der journalistische Akteur droht, ,,sich in Strukturvorgaben aufzulösen."
54
Ein weiteres Problem, das Kritiker an der Beschreibung des Journalismus durch
eine Systemtheorie sehen, ist, dass handlungstheoretische Ansätze durch die
Zweiteilung in System und Subjekt auf eine Akteursperspektive auf Mikroebene
reduziert werden und dieses der Handlungstheorie nicht gerecht wird.
55
Die Be-
mühungen nehmen zu, diesen fehlenden ­ häufig als Mikro-Makro-Link bezeich-
48
Rühl (1992), S. 127, zitiert nach Löffelholz (2000a) , S. 53
49
vgl. Hoffjann (2001), S. 17
50
Löffelholz (2000a) , S. 54
51
vgl. Löffelholz (2000a) , S. 54
52
vgl. Neuberger (2000), Rühl (2000) und Löffelholz (2000b)
53
Löffelholz (2000a) , S. 55
54
Neuberger (2000) , S. 245
55
vgl. Löffelholz (2000a) , S. 55

11
neten
56
­ Aspekt sozialwissenschaftlich zu erarbeiten. Auf einer dieser strukturel-
len Einordnungen des Akteurs- und Handlungsaspektes in die Systemtheorie,
nämlich der von Bernd Blöbaum in seiner Dissertation 1994 erarbeiteten Idee der
journalistischen Programme
57
, basiert der empirische Teil dieser Arbeit. Zuerst
aber muss zum theoretischen Grundverständnis die systemtheoretische Journalis-
mustheorie beleuchtet werden.
2.1.1 Grundlagen der systemtheoretischen Journalismustheorie
Grundlage einer systemtheoretischen Betrachtung ist, dass nicht mehr Einzelphä-
nomene im Vordergrund stehen, sondern die Vernetzung dieser Phänomene hin zu
einem System modelliert und untersucht wird.
58
Es geht dabei nicht darum, ein
System durch Aufzählen seiner Elemente zu definieren, sondern um die Beschrei-
bung der Verbindungen und Beziehungen zwischen den Systemelementen und die
Beziehung des Systems zu seiner Umwelt. Folglich besteht ein soziales System
nicht aus Individuen, also Menschen, Akteuren oder generalisiert Bewusstseins-
systemen, sondern aus der Kommunikation der Bewusstseinssysteme, die ohne
diese keinen Kontakt untereinander aufbauen könnten
59
. Die Kommunikation ist
das verbindende Element, das die Beziehung zwischen den Systemelementen, hier
den Bewusstseinssystemen, darstellt. Nach Luhmann besteht Kommunikation aus
drei Selektionsschritten, die aufeinander folgen: Information, Mitteilung und Ver-
56
vgl. Löffelholz (2000c), S. 241 und Altmeppen (2000), S. 294
57
vgl. Blöbaum (1994), S. 128ff
58
vgl. Kohring (2000) , S. 154
59
vgl. Kohring (2000) , S. 154. Bewusstseinssysteme gelten nach der Systemtheorie als operatio-
nal geschlossen. Folglich ist eine direkte Übertragung beispielsweise von Gedanken nicht möglich,
und die Kommunikation wird als Übertragungsweg angenommen. Aus der Beobachtung derselben
­ und nur Kommunikation lässt sich beobachten ­ lässt sich jedoch nicht eindeutig auf die dahin-
terliegenden Bewusstseinsinhalte schließen. Folglich gehört zu einem sozialen System auch die
angenommene Verbindung zwischen Kommunikation und Handlung beziehungsweise Bewusst-
seinsinhalt.

12
stehen.
60
Zuerst wird die Information aus einem Repertoire von Möglichkeiten
ausgewählt, darauf folgend muss die Form der Mitteilung gewählt werden ­ die
,,Selektion des Verhaltens, das Information überträgt"
61
­ und zuletzt muss der
mitgeteilte Sinn von selektierter und mitgeteilter Information erfasst werden.
62
Die Kommunikation kann durch verschiedene Aspekte gestört werden. Informati-
onstheoretisch betrachtet ist gelingende Kommunikation sogar ein ,,hochselektiver
und unwahrscheinlicher Vorgang."
63
Das erste Problem besteht in einem gemein-
samen Verständigungskontext. Das zweite Problem, das Kommunikation unwahr-
scheinlich werden lässt, ist die physikalische Erreichbarkeit des Empfängers.
Problem drei ist die psychische Erreichbarkeit des Empfängers, also dass er die
gesendete Information erfolgreich dem gleichen Sinnhorizont zuordnet. Als Lö-
sung der Probleme, nämlich der ,,Umformung unwahrscheinlicher in wahrschein-
liche Kommunikation"
64
, nennt Luhmann einen dreigeteilten Medienbegriff.
65
Ein
gemeinsamer Verständigungskontext wird demnach über symbolisch vermittelte
Interaktion in Form eines gemeinsamen Zeichenvorrats, kurzum über (auch non-
verbale) Sprache, hergestellt. Die physische Erreichbarkeit stellt ein technisches
Verbreitungsmedium bereit. Zur Lösung des dritten Problems schlägt Luhmann
ein ,,symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium"
66
in Form eines binä-
ren Codes vor. Ein generalisiertes Kommunikationsmedium könnte beispielsweise
60
vgl. Luhmann (1988), S. 115ff
61
Blöbaum (1994), S. 75
62
vgl. Kohring (2000) , S. 157. Unter dem Verstehen der Information wird nicht die Akzeptanz
der Information verstanden, also dass das Aufgenommene zur Grundlage des eigenen Verhaltens
wird, sondern nur das Annehmen des mitgeteilten Sinns.
63
Kohring (2000) , S. 157, vgl. dazu auch Hoffjann (2001) , S. 19
64
Luhmann (1993a), S. 28, zitiert nach Hoffjann (2001) , S. 19
65
vgl. Kohring (2000) S. 157
66
Hoffjann (2001) , S. 19

13
Geld im Funktionssystem Wirtschaft sein, der binäre Code dazu sei dann zahlen
oder nicht zahlen.
67
Bewusstseinssysteme kommunizieren untereinander, um bestimmte exklusive und
universale Funktionen für die Umwelt zu erfüllen, beispielsweise gesellschaftliche
Probleme zu lösen. Aus dieser Kommunikation unterschiedlicher Bewusstseins-
systeme unter der Prämisse einer gemeinsamen Problemlösungsfunktion für die
Gesellschaft entsteht so ein funktionales System, für das es gilt, sich von seiner
Umwelt abzugrenzen
68
, sich also funktional zu differenzieren. Entscheidend für
die Abgrenzung der aus Kommunikation bestehenden Systeme gegenüber anderen
Systemen ist die jeweilige Grenze zwischen dem System zu seiner Umwelt: ,,Als
Ausgangspunkt jeder systemtheoretischen Analyse hat, darüber besteht heute
wohl fachlicher Konsens, die Differenz von System und Umwelt zu dienen."
69
Der
binäre Code, also die zweiwertige Operationalisierung des symbolisch generali-
sierten Kommunikationsmediums, dient dem System als Semantik zur Abgren-
zung gegenüber seiner Umwelt.
70
Alles, was sich nicht dem exklusiven binären
Code des betroffenen Systems fügt, und damit auch nicht dem symbolisch genera-
lisierten Kommunikationsmedium genügt, wird der Umwelt des Systems zuge-
ordnet. Folglich sichert der binäre Code die operative Geschlossenheit des Sys-
tems
71
und das System entscheidet anhand des Codes, welche Umweltereignisse
als relevant behandelt und möglicherweise verarbeitet werden. Die Kriterien für
die Zuordnung eines positiven oder negativen Wertes eines Codes leisten in Sys-
temen so genannte Programme.
72
,,Programme fungieren als Entscheidungsre-
67
Hoffjann (2001) , S. 19
68
vgl. Hoffjann (2001) , S. 19. Mit dem Begriff Funktion ist ein gesellschaftliches Problem ge-
meint, welches allein durch das sich daraus ergebende System bearbeitet wird.
69
Luhmann (1988) , S. 35, Hervorhebung im Original
70
vgl. Kohring (2000) , S. 158
71
vgl. Hoffjann (2001) , S. 20 und Kohring (2000) , S. 158
72
vgl. Hoffjann (2001) , S. 39

14
geln"
73
, welche die positiven oder negativen Werte des jeweiligen Systemcodes
einem Ereignis oder einem Sachverhalt aus der Systemumwelt zuteilen.
74
Im Gegensatz zum binären Code, der einmal im System festgelegt auch die Identi-
tät des Systems konstituiert und damit unveränderbar ist, können sich Programme
ändern. Das System ist sozusagen lernfähig auf der Ebene der Programme und
kann auf dieser Ebene seine Strukturen verändern. So kann das System als ganzes
gleichzeitig durch den binären Code als geschlossenes und durch die Programme
als offenes System agieren.
75
Eine systemtheoretische Theorie des Journalismus dient dazu, den Journalismus
sozusagen auf Makroebene von anderen gesellschaftlichen Funktionssystemen
wie Wirtschaft oder Politik abzugrenzen.
76
Dazu ist es einerseits notwendig zu
definieren, welches Problem das Funktionssystem Journalismus im Zuge der
funktionalen Differenzierung exklusiv und universal für die Gesellschaft löst,
welche Funktion das System für seine Umwelt erfüllt. Andererseits muss zur Fest-
legung der kommunikativen Systemgrenzen geklärt werden, auf welchem Code
das System Journalismus beruht.
Die Funktion, die das System Journalismus für die Gesellschaft erfüllt
77
, bezie-
hungsweise das Problem oder die Aufgabe, auf das die Gesellschaft mit der Aus-
differenzierung des Journalismus reagiert hat, wird in vielen systemtheoretischen
Ausarbeitungen vernachlässigt.
78
Funktionssysteme differenzieren sich dadurch
aus, dass sie ein Problem oder eine Aufgabe für ihre Umwelt erkennen, sich der
Lösung des identifizierten Problems exklusiv zuwenden und die Zuständigkeit
73
Blöbaum (2000), S. 76
74
vgl. Luhmann (2004), S. 268
75
vgl. Luhmann (2004) , S. 91
76
vgl. Kohring (2000) , S. 153
77
vgl.Kepplinger (2000), S. 160
78
vgl. Kohring (2000) , S. 154ff

15
dazu ebenfalls exklusiv für sich beanspruchen.
79
Manfred Rühl sieht die Funktion
des Journalismus für die Gesellschaft in der ,,organisatorischen Produktion und
schematischen Distribution programmierter Programme zur öffentlichen Kommu-
nikation"
80
, oder konkreter formuliert: Journalismus ist ausgerichtet ,,auf die Her-
stellung und Bereitstellung von Themen zur öffentlichen Kommunikation."
81
Weischenberg erweitert diese Funktionsdefinition von Rühl um den Aspekt der
Informationssammlung und -bearbeitung. Demnach besteht die Funktion des
Journalismus darin, ,,Themen aus den diversen sozialen Systemen (der Umwelt)
zu sammeln, auszuwählen, zu bearbeiten und dann diesen sozialen Systemen (der
Umwelt) als Medienangebote zur Verfügung zu stellen."
82
Beide Definitionen
beschreiben den Journalismus ­ wie es die Theorie fordert ­ nicht aus einer ak-
teursbezogenen Sichtweise, die auf die Tätigkeit fokussiert, sondern aus einem
systembezogenen Betrachtungswinkel um darzulegen, was das System Journalis-
mus für die Gesellschaft leistet. Luhmann geht noch einen Schritt weiter und abs-
trahiert den Journalismus, beziehungsweise seine Erscheinungsform als Massen-
medien, als ,,Einrichtung der ,Selbstbeobachtung' der Gesellschaft"
83
, die ihren
Bedarf nach Orientierung deckt.
Blöbaum definiert die Primärfunktion des Journalismus aus der Chronologie sei-
ner funktionalen Differenzierung.
84
Demnach ist die Aufgabe des Systems Journa-
lismus für seine Umwelt in der modernen Gesellschaft die ,,Aktuelle Selektion und
Vermittlung von Informationen zur öffentlichen Kommunikation."
85
79
vgl. Blöbaum (1994), S. 260
80
Rühl (2000) , S. 73, Hervorhebung im Original
81
Rühl (1980), S. 322f, zitiert nach Blöbaum (1994), S. 260
82
Weischenberg (1992), S. 41
83
Luhmann (1993b), S. 29, zitiert nach Blöbaum (1994), S. 260
84
vgl. Blöbaum (1994), S. 93ff
85
Blöbaum (1994), S. 261, Hervorhebung im Original. Die Beschreibung der verwendeten Grund-
begriffe Aktualität, Selektion, Vermittlung, Information, Synchronisation und Öffentlichkeit fin-
den sich im genannten Werk Blöbaums auf den Seiten 262ff.

16
Demnach fehlt also in der Journalismusforschung neben einer einvernehmlichen
Definition der Funktion des Systems Journalismus ebenso eine genaue Verortung
des Systems im Kontext eines gesellschaftlichen Gesamtsystems. So konzentrierte
sich beispielsweise Rühl auf den Journalismus als eigenständiges Funktionssys-
tem
86
, neuere Theorieentwürfe sehen den Journalismus als Leistungssystem in
anderen, größeren Funktionssystemen wie beispielsweise Öffentlichkeit oder Pub-
lizistik.
87
Luhmann selbst ordnet den Journalismus in einem System der Massen-
medien neben anderen so genannten Programmbereichen wie Werbung und Un-
terhaltung
88
an.
Diese Arbeit stützt sich auf die Idee journalistischer Organisationen, Programme
und Rollen von Bernd Blöbaum. Daher wird auch die Einordnung des Journalis-
mus als ,,eigenständiges System in der sich funktional ausdifferenzierenden Ge-
sellschaft"
89
verwendet. Auch andere Autoren wie beispielsweise Frank Marci-
nowski oder Matthias Kohring gehen von einer Autonomie eines eigenen Funkti-
onssystems Journalismus aus.
90
Blöbaum wählt bei seiner Dissertation als binären Code zur Definition der Sys-
tem-Umwelt-Grenze ,informativ und nicht-informativ'
91
, Marcinowski hingegen
definiert die beiden Zustände des binären Codes als ,veröffentlicht und nicht-
veröffentlicht'
92
, Kohring bezeichnet die Ausprägungen mit ,mehrsystemzugehö-
rig und nicht- mehrsystemzugehörig'
93
. Blöbaum rekurriert bei seiner Entschei-
86
vgl. Herbst (2001), S. 17
87
vgl. Herbst (2001), S. 17
88
vgl. Kepplinger (2000), S. 160
89
Blöbaum (1994), S. 127
90
vgl. Rühl (2000), S. 77
91
Blöbaum (1994), S. 273
92
vgl. Rühl (2000), S. 77
93
vgl. Rühl (2000) , S. 77 und [=26 - Kohring 2000 Komplexität ernst ne...=]. In den Entwürfen
Kohrings entscheidet das System Journalismus danach, ob eine Information auch in anderen Sys-

17
dung für den binären Code informativ/nicht-informativ auf den von Luhmann
gewählten Code Information/Nichtinformation, den Luhmann allerdings auf sein
System der Massenmedien bezog.
94
Der von Blöbaum gewählte Code informativ/nicht-informativ liegt auch der theo-
retischen Ausarbeitung dieser Arbeit zugrunde. Der Vorteil für die Einordnung
der Recherche als Programm des journalistischen Systems, dem der Code zugrun-
de liegt, ist das hohe Abstraktionsniveau des Codes informativ/nicht-informativ.
Andere Codes wie beispielsweise neu/alt, aktuell/nicht-aktuell oder be-
kannt/unbekannt würden die darauf aufbauenden Programme, gerade aber auch
die Recherche, zu sehr in ihren möglichen Funktionen einschränken. Mit der
Wahl informativ/nicht-informativ bleiben die genannten Begrifflichkeiten für die
Beschreibung der Programme erhalten.
95
Ein Nachteil des gewählten Codes und
der hohen Abstraktionsebene ist jedoch, dass der Begriff informativ oder Informa-
tion viele Bedeutungen in den unterschiedlichsten wissenschaftlichen Disziplinen
hat.
96
Eine einheitliche Definition des Begriffs liegt nicht vor. Sie ist jedoch für
die Verwendung des Codes im Zuge einer Grenzziehung zwischen System und
Umwelt auch nicht relevant, da hier die Abstraktheit des Begriffs hilfreich ist, um
ihn auf Ebene der Programme oder auch auf Handlungsebene bei der späteren
empirischen Umsetzung der Arbeit zu konkretisieren. Dazu ist es jedoch notwen-
dig, auch einen Blick in das System Journalismus zu werfen und nicht nur die
temen, also in den Umweltsystemen des Systems Journalismus, relevant ist, also ob sie von ande-
ren Systemen unter Verwendung des jeweils systemimmanenten Codes verarbeitet werden. Daraus
ergeben sich die Ausprägungen des binären Codes ,mehrsystemzugehörig' für Ereignisse, die auch
von anderen Systemen verarbeitet werden und ,nicht-mehrsystemzugehörig' für Umweltereignis-
se, die von den Umweltsystemen des Journalismus nicht verarbeitet werden, also an den binären
Codes und Programmen der Umweltsysteme scheitern.
94
vgl. Luhmann (1993b) , S. 6, zitiert nach Blöbaum (1994), S. 274
95
vgl. Blöbaum (1994), S. 275f
96
vgl. Blöbaum (1994), S. 276. Information wird beispielsweise in der Kybernetik, der Mathema-
tik, der Biologie oder der Kommunikationswissenschaft benutzt.

18
Verortung des Systems in der Gesellschaft beziehungsweise seine Abgrenzungs-
mechanismen zur Umwelt zu betrachten.
2.1.2 Die Struktur des Funktionssystems Journalismus
Studien zur inneren Struktur des Journalismus ziehen ihre Schlüsse häufig aus
handlungstheoretischen Annahmen.
97
Handlungen der Journalisten werden beo-
bachtet oder durch Befragungen empirisch erhoben und dienen dazu, eine Erklä-
rungsbasis für die Annahmen und Definitionen einer Theorie der Struktur des
Journalismus zu bilden. So definiert beispielsweise Elisabeth Noelle-Neumann in
ihrer Theorie der Schweigespirale: ,,Journalist ist, wer hauptberuflich an der
Verbreitung von Informationen, Meinungen und Unterhaltung beteiligt ist."
98
Al-
lein auf das berufliche Handeln zu rekurrieren, greift jedoch zu kurz. Mit der oben
genannten Definition müssten beispielsweise auch Layouter oder Drucker in Zei-
tungsredaktionen oder Druckereien als Journalisten bezeichnet werden. Das Prob-
lem dieser handlungstheoretischen Definitionen liegt darin, dass der organisatori-
sche Kontext des Journalismus unbeachtet bleibt.
99
Soll die Journalismusfor-
schung die internen Strukturen des Journalismus hinreichend beschreiben, ist ein
soziologisches Konzept unter Einbezug des Organisationskontextes unabdingbar.
So bietet die Systemtheorie eine gute Basis, sowohl die Beziehungen des Journa-
lismus zu seiner Umwelt ­ wie im vorherigen Kapital ausgeführt ­, als auch die
innere Struktur des Journalismus zu beschreiben.
100
Der systemtheoretische An-
satz der Beschreibung des Journalismus als strukturdeterminiertes System stellt
nicht wie der oben beschriebene Ansatz normativer Publizistik von Noelle-
97
vgl. Blöbaum (1994), S. 48
98
Noelle-Neumann (2001), S. 50
99
vgl. Blöbaum (1994), S. 48
100
vgl. Blöbaum (2000), S. 170

19
Neumann das journalistische Handeln in den Mittelpunkt, sondern strukturiert den
Journalismus durch die Elemente Organisationen, Programme und Rollen.
101
Erste Ansätze dieser Denkweise lieferte Manfred Rühl
102
, indem er die journalisti-
sche Tätigkeit im Kontext von Organisationen beschreibt. Entscheidungen finden
in diesen Organisationen mit ,,vorab gebildeten Entscheidungsprogrammen"
103
statt. Dabei werden diese Entscheidungen wiederum nicht einzelnen Akteuren
zugeordnet, sondern einer Handlungsrolle. So ergeben sich die drei Strukturebe-
nen des Systems Journalismus: Organisationen, Programme und Rollen.
104
Andere Forscher entwickelten das Konzept weiter, so beispielsweise Scholl und
Weischenberg in deren Ausarbeitung ,,Journalismus in der Gesellschaft"
105
, wobei
sie als Strukturelemente den Medienbereich (Zeitung, Agentur usw.), Ressorts
(Politik, Wirtschaft usw.), die Zahl der Mitarbeiter und Ressorts sowie Medien-
verbreitung
106
hinzufügten. Ähnlich wie bei der Definition der Funktion des aus-
differenzierten Systems Journalismus für die Gesellschaft und der dazugehörigen
binären Codierung besteht auch seitens der Struktur des Journalismus in der Wis-
senschaft kein Konsens. Da allerdings die Differenzen von marginaler Bedeutung
sind
107
und das Konzept von Organisation, Programm und Rolle die notwendige
Abstraktheit aber auch Trennschärfe besitzt, wird in dieser Arbeit auf diesen
Strukturentwurf zurückgegriffen.
101
vgl. Blöbaum (2000), S. 171
102
vgl. Pürer (2003), S. 8ff
103
Rühl (1988), S. 262
104
vgl. Blöbaum (1994), S. 48
105
vgl. Scholl (1998), S. 86ff
106
vgl. Scholl (1998), S. 86
107
vgl. Blöbaum (2000), S. 172

20
Das System Journalismus gewinnt durch die strukturelle Aufgliederung in Orga-
nisationen, Programme und Rollen Stabilität.
108
Im Gegensatz zum binären Code,
der ein System quasi konstituiert und operativ geschlossen hält, ermöglichen Or-
ganisationen, Programme und Rollen die Öffnung des Systems gegenüber seiner
Umwelt. Durch die Struktur kann das System gleichzeitig operativ geschlossen
und offen zugleich operieren.
109
Die Struktur ist jedoch nicht fest, sondern sie
stellt die Elemente bereit, welche die Emmergenz des Journalismus als System,
seinen Wandel und seine Anpassung an die Umweltanforderungen im Sinne einer
funktionalen Differenzierung überhaupt ermöglicht haben und ermöglichen. Diese
Entwicklung vollzog und vollzieht sich sowohl auf Ebene der Organisationen
(z.B. durch Ausbildung von Ressorts), als auch auf der der Programme (z.B. Aus-
bildung von Darstellungsformen wie Nachricht und Reportage oder Anpassung
der Rechercheprogramme an die Angebote der Umwelt) und Rollen (z.B. Ausbil-
dung von hierarchischen Rollen wie Chefredakteur oder Ressortleiter). Die fol-
gende Grafik soll die drei Strukturebenen des Journalismus verdeutlichen.
108
vgl. Blöbaum (2000), S. 173
109
vgl. Herbst (2001), S. 20

21
Organisationen
Rollen
Programme
Zeitungen Journalisten
Darstellungsprogramme
Nachrichtenagenturen Rezipienten
Selektionsprogramme
Redaktionen
Differenzierung
Politikredaktion Politikredakteur Nachricht
Wirtschaftsredaktion Wirtschaftsredakteur Bericht
Kulturredaktion Kulturredakteur Kommentar
Sportredaktion Sportredakteur Interview
Lokalredaktion Lokalredakteur Reportage
Vermischtes
Chef vom Dienst
Beilagen Rechercheur
Selektionsprogramme
Korrespondent
Neuheit, Nähe etc.
freier
Mitarbeiter
Ordnungsprogramme
Pressephotograph
Ressorts,
Rubriken
Informationssammelprogramme
Chefredakteur
Recherche
Ressortleiter
Prüfprogramm
Redakteur
(Volontär)
Abbildung 2: Struktur des journalistischen Systems
110
2.1.2.1 Journalistische Organisation
Journalisten arbeiten in oder für Medien und arbeiten innerhalb der Medien in
Redaktionen oder als freie beziehungsweise festfreie Journalisten den Redaktio-
nen zu. Dieses hat sich historisch als angemessene Form der journalistischen Or-
ganisation erwiesen.
111
Die Organisationen sind jedoch nicht starr, sondern entwi-
ckeln sich weiter, angeregt von Umwelteinflüssen. Die wachsende Menge an In-
formationen, die durch die Umwelt bereitgestellt wurden, führte beispielsweise
innerhalb der Organisationen zu einer Ausdifferenzierung von Ressorts, die the-
menspezialisiert Umweltinformationen verarbeiten. Empirisch beobachten lässt
sich die Ausdifferenzierung beispielsweise an der Vielzahl von Fachzeitschriften
auf dem Printmarkt oder den unterschiedlichen Themenbereichen einer Tageszei-
110
Blöbaum (1994), S. 20
111
vgl. Blöbaum (2000), S. 175

22
tung, die systemintern von unterschiedlichen Organisationsstufen des Systems
verarbeitet werden.
112
2.1.2.2 Journalistische Programme
Das journalistische System bildet Programme aus, die von diesem dazu genutzt
werden, den binären Code bei der Verarbeitung von Umweltereignissen zu opera-
tionalisieren und anzuwenden.
113
Programme sind das entscheidende Element im
Theoriedesign der Systemtheorie, mit dem Systeme zugleich selbstreferenziell
und fremdreferentiell agieren können.
114
,,Programme geben Entscheidungsregeln
an. Als Entscheidungsprogramme und, auf Ebene von Handlungen, als Hand-
lungsprogramme legen sie fest, wie im System operiert wird. Programme sind
veränderbar, auf der Programmebene ist das System mithin lernfähig."
115
Die
Programme schaffen aber auch den eingangs erwähnten Mikro-Makro-Link, also
die Verbindung der Systemtheorie, die Handeln weitgehend ausschließt und dem
Journalisten als Bewusstseinssystem, der als handelndes Individuum auftritt.
116
Die Programme schaffen so auch die Basis einer empirischen Überprüfbarkeit der
systemtheoretischen Annahmen zum Journalismus.
117
Blöbaum identifiziert dabei
fünf Typen von Programmen: Ordnungsprogramme, Darstellungsprogramme,
Programme zur Informationssammlung, Selektionsprogramme und ein Prüfpro-
gramm.
118
112
vgl. zur Entwicklung der Organisationen im System Journalismus die Ausführungen von Bernd
Blöbaum in seiner Dissertation ,Journalismus als soziales System', Blöbaum (1994), S. 128ff
113
vgl. Blöbaum (1994), S. 220ff
114
vgl. Blöbaum (1994), S. 277
115
Blöbaum (1994), S. 277
116
vgl. Altmeppen (2000), S. 294
117
vgl. Altmeppen (2000), S. 294
118
vgl. Blöbaum (1994), S. 277ff

23
Ordnungsprogramme sorgen dafür, dass die Informationen im System entspre-
chend verteilt werden.
119
Nach Blöbaums Ausführungen setzen die Ordnungspro-
gramme diese Informationsverteilung durch die Einteilung in Redaktionen und
Ressorts um, welche für bestimmte Informationsbereiche oder Themen zuständig
sind.
120
Andererseits jedoch schreibt Blöbaum diese Aufteilung der Emmergenz
der Organisation zu.
121
Es ist anzunehmen, dass die Organisationsprogramme die
Entwicklung der Organisation steuern, und die Organisation als Strukturelement
des Systems Journalismus für die langfristige Durchsetzung der Entwicklung im
Sinne einer Systemstabilisierung wirkt.
,,Darstellungsprogramme sind Programmierungen für die Vermittlung von Infor-
mationen."
122
Sie sind sozusagen die Anleitung zur Formung der Information in
ein entsprechendes Raster, welches der Umwelt wiederum vom System Journa-
lismus bereitgestellt wird. Ausprägungen dieser Formen sind beispielsweise der
Bericht, der Kommentar, die Reportage oder das Interview.
123
Informationssammelprogramme sind darauf ausgerichtet, Informationen nicht
passiv aus der Umwelt anhand des Codes aufzunehmen, sondern dienen der akti-
ven Generierung von Informationen anhand des Codes. Die wichtigste Form eines
Informationssammelprogramms ist die Recherche.
124
Ähnlich wie die Organisati-
onsprogramme haben auch die Informationssammelprogramme zu einer weiteren
funktionalen Differenzierung geführt. So entstanden beispielsweise Nachrichten-
agenturen als Organisation zur Sammlung von Informationen. Auch auf den Rol-
lenkontext wirkten die Informationssammelprogramme, erkennbar an einer Aus-
119
vgl. Blöbaum (1994), S. 277
120
vgl. Blöbaum (1994), S. 278
121
vgl. Blöbaum (1994), S. 287
122
Blöbaum (1994), S. 279
123
vgl. Blöbaum (1994), S. 179f
124
vgl. Blöbaum (1994), S. 280 und Blöbaum (2000), S. 178

24
differenzierung der Arbeitsrolle des Rechercheurs.
125
Diese funktionale Differen-
zierung diente dem System, seine Leistung zu steigern, da durch eigene Organisa-
tionen (als verfestigte Programme) oder eigene Rollen mehr Informationen ge-
sammelt und vermittelt werden können.
Selektionsprogramme geben als Entscheidungsprogramme an, welche Informatio-
nen nach welchen Kriterien bearbeitet werden.
126
Auf der Handlungsebene wer-
den Selektionsprogramme in den Nachrichtenfaktoren wie Nähe, Aktualität oder
Relevanz operationalisiert.
Das letzt genannte Programm in Blöbaums Ausarbeitung ist das Prüfprogramm.
127
Es dient dazu, die vom System aufgenommenen Informationen vor, während oder
nach der Verarbeitung durch andere Programme auf ihre Richtigkeit zu prüfen.
Das Programm kann als essenziell für den Bestand des Systems Journalismus ge-
sehen werden, da mit dem Programm das notwendige Vertrauen des Publikums
gesichert wird.
128
Altmeppen strukturiert die Programme des Journalismus in die Oberkategorien
Organisationsprogramme und Arbeitsprogramme.
129
Die Organisationsprogram-
me weisen Erwartungen zu, gliedern Arbeitsabläufe und regeln den Produktions-
prozess.
130
Die Arbeitsprogramme dienen den Journalisten zur Informationsver-
arbeitung ,,innerhalb der sachlich und zeitlich existierenden Ressourcen."
131
Alt-
meppen untergliedert die Arbeitsprogramme in Bearbeitungsprogramme, Selekti-
125
vgl. Blöbaum (1994), S. 178
126
vgl. Blöbaum (1994), S. 178
127
vgl. Blöbaum (1994), S. 178
128
vgl. Blöbaum (2000), S. 179
129
vgl. Altmeppen (2000), S. 300
130
vgl. Altmeppen (2000) , S. 300
131
Altmeppen (2000) , S. 300f

25
onsprogramme, Darstellungsprogramme und Themenprogramme.
132
Unter die
Bearbeitungsprogramme fallen dabei klassische Tätigkeiten der Journalisten wie
,,Redigieren, Moderieren, Recherchieren, Schreiben und Produzieren"
133
, die das
System Journalismus beziehungsweise die Akteure des Systems dazu nutzen, die
aus der Umwelt aufgenommenen Informationen zu verarbeiten, um die funktional
ausdifferenzierte Leistung für die Umwelt zu erbringen. Die Bearbeitungspro-
gramme stellen sozusagen den jeweils aktuellen Stand institutionalisierter Richtli-
nien des Systems dar, die sich als optimal zur Erbringung der Leistungen für die
Systemumwelt herausgestellt haben.
Anhand der Selektionsprogramme wählen Journalisten die Informationen aus, die
sie entlang der Arbeitsprogramme weiterverarbeiten. ,,Selektionsprogramme ent-
lasten die Journalisten, indem sie Kriterien für die Auswahl aus dem kontingenten
Themenangebot bereitstellen."
134
Ein bekanntes Beispiel für ein Selektionspro-
gramm sind die Nachrichtenfaktoren, anhand derer sich abprüfen lässt, ob eine
Information als geeignet für die Weiterverarbeitung im System Journalismus an-
gesehen werden kann, da das Ergebnis der Weiterverarbeitung zur Ausdifferenzie-
rung und Grenzziehung gegenüber der Systemumwelt im Sinne der funktionalen
Differenzierung dienen kann.
Wie die Selektionsprogramme decken sich auch die Darstellungsprogramme im
Entwurf Altmeppens inhaltlich weitgehend mit denen der Ausarbeitung Blö-
baums. Die Darstellungsprogramme legen demnach die Art und Weise der Prä-
sentation der vom System selektierten und verarbeiteten Information fest. Dieses
können beispielsweise eine Nachricht, ein Kommentar oder eine Reportage als
132
vgl. Altmeppen (2000), S. 301
133
Altmeppen (2000) , S. 301
134
Altmeppen (2000) , S. 301

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783832485122
ISBN (Paperback)
9783838685120
Dateigröße
2.7 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Ilmenau – Mathematik und Naturwissenschaften
Note
1,6
Schlagworte
systemtheorie recherchemethoden recherchephasen empirische untersuchung medien
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Titel: Journalistische Recherche im Internet
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