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Fauna-Flora-Habitat Oste mit Nebenbächen: Landnutzungskonflikt zwischen Naturschutz und Landwirtschaft?

©2004 Diplomarbeit 188 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Der Analysegegenstand der vorliegenden Arbeit ist der mögliche Landnutzungskonflikt zwischen Naturschutz und Landwirtschaft in der mittleren Osteniederung zwischen Brauel und Bremervörde – einem Teil des gemeldeten Fauna-Flora-Habitats Oste mit Nebenbächen –, der sich durch die Aufnahme in das europäische Schutzgebietssystem Natura 2000 ergeben könnte. Niedersachsen hat den im Landkreis Rotenburg (Wümme) liegenden Naturraum in die FFH-Vorschlagsliste aufgenommen, weil er einer der größten und wertvollsten naturnahen Fließgewässerkomplexe der niedersächsischen Geestgebiete ist. Ein Ziel gemäß der FFH-Richtlinie ist der Schutz und die Entwicklung von mageren Flachland-Mähwiesen im Komplex mit artenreichen Feuchtwiesen. Dies ist ohne die Partizipationsbereitschaft der Landwirte und die Integration des Naturschutzes in den betrieblichen Ablauf auf Dauer nicht bezahlbar. Demnach müssen für ein verwirklichungsorientiertes, räumliches Konzept die Umsetzungsbereitschaft und die Chancen der Realisierung von Naturschutzzielen ermittelt werden. Denn aus den speziellen Vorgaben und Ansprüchen des Naturschutzes auf der einen und der Landwirtschaft auf der anderen Seite entstehen häufig Interessenskonflikte, die den Prozess einer integrierten Lösung hemmen können. Ob in der mittleren Osteniederung solche Spannungen existieren, ist mit einer empirischen Untersuchung auf Grundlage eines selbst entwickelten Fragebogens analysiert worden. Als Methode der quantitativen Sozialforschung ist das standardisierte Interview gewählt worden. Die Befragungsergebnisse basieren bei den Landwirten auf einer Totalerhebung und bei den Naturschützern auf einer Expertenbefragung. Anhand der Aussagen beider handelnden Gruppen wurde der mögliche Landnutzungskonflikt mit Hilfe von vier denkbaren Szenarien abgeschätzt. Die Resultate wurden parzellenscharf dargestellt. Am Ende steht die Diskussion eines Lösungsvorschlages, der ein Weg sein könnte, die Ansprüche beider Seiten zu integrieren und Spannungen abzubauen.
Die landwirtschaftliche Nutzung im Untersuchungsgebiet ist aufgrund der edaphischen und hydrologischen Verhältnisse durch Grünlandwirtschaft geprägt: 96,1 % der agrarisch genutzten Fläche von 759,6 Hektar sind Wiesen und Weiden. In der vorliegenden Arbeit sind 85,8 % der Grünlandflächen näher analysiert worden. Wie verschiedene Studien zeigen, ist das ehemals in der mittleren Osteniederung vorherrschende artenreiche Feuchtgrünland in den […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8502
Baur, Ralf: Fauna-Flora-Habitat Oste mit Nebenbächen: Landnutzungskonflikt zwischen
Naturschutz und Landwirtschaft
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: Universität Bremen, Diplomarbeit, 2004
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Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2004
Printed in Germany

Vorwort
I
Vorwort
Die vorliegende Diplomarbeit entstand durch Anregungen von Prof. Dr. Jörg-Friedhelm
Venzke, Institut für Geographie der Universität Bremen, und Dipl.-Biologe Axel Roschen, Lei-
ter der Umweltpyramide des Naturschutzbundes Deutschland in Bremervörde. Bei Prof. Dr. Jörg-
Friedhelm Venzke möchte ich mich für seine geduldige Betreuung bedanken. Dr. Karin
Steinecke, Institut für Geographie der Universität Bremen, danke ich für die Bereitschaft, als
Zweitgutachterin die Arbeit zu betreuen.
Darüber hinaus möchte ich mich für hilfreiche Diskussionen, Überlassung von Datenmaterial
und Durchsicht des Manuskriptes bedanken bei:
·
Dipl.-Geograph Tobias Augustin
·
Dipl.-Geograph Gunnar Becker
·
Anja Ehlers
·
Dr. Nils Mevenkamp, Institut für Geographie, Universität Bremen
·
Dipl.-Geographin Ulrike Meyer
·
Dr. Josef Müller, Institut für Ökologie und Evolutionsbiologie, Abt. Geobotanik und Natur-
schutz, Universität Bremen
·
Dipl.-Geograph Steffen Schwantz
·
Dipl.-Geograph Peter Strohschän
·
Dr. Burghard Wittig, Institut für Ökologie und Evolutionsbiologie, Abt. Geobotanik und Natur-
schutz, Universität Bremen
·
Amt für Naturschutz und Landschaftspflege, Landkreis Rotenburg (Wümme)
Zuletzt gilt mein Dank selbstverständlich den vielen Landwirten und den Naturschützern für ihre
Bereitschaft, an der Befragung teilzunehmen sowie für ihre Offenheit und Geduld bei den Inter-
views. Dadurch ist die vorliegende Diplomarbeit erst möglich geworden.
Bremen, im Mai 2004

©
2004 Ralf Baur
Alle Rechte bei
©
Ralf Baur
Vervielfältigungen und Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Rechteinhabers
II

Inhaltsverzeichnis
III
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1
1.1 Fragestellung
2
2. Untersuchungsgebiet
5
2.1 Naturräumliche Zugehörigkeit
5
2.2 Geologie und Geomorphologie
7
2.3 Boden
8
2.4 Hydrologie
8
2.5 Fließgewässer Oste
10
2.6 Klima
11
2.7 Vegetation
12
2.7.1 Potenzielle natürliche Vegetation
12
2.7.2 Rezente Vegetation
12
2.7.2.1 Feuchtgrünland
13
2.8 Fauna
15
2.9 Regionalplanerische Zweckbestimmung
16
2.9.1 Landes-Raumordnungsprogramm
16
2.9.2 Regionales Raumordnungsprogramm
16
2.9.3 Landschaftsrahmenplan
17
2.10 Hoheitlicher Gebietsschutz und agrarumweltpolitische Instrumente
18
2.11 Landwirtschaft
19
2.11.1 Wirtschaftliche Bedeutung
22
3. Methodik
23
3.1 Wahl der empirischen Methode
23
3.1.1 Fehlerquellen bei mündlichen Interviews
23
3.1.2 Reliabilität
24
3.1.3 Validität
24
3.2 Datenerhebung
25
3.3 Datenauswertung
26
3.4 Einsatz des Geographischen Informationssystems ArcView
27
4. Ergebnisse
29
4.1 Bestandsaufnahme Landwirtschaft
29
4.1.1 Betriebsstruktur
29
4.1.2 Flächennutzung
33
4.1.2.1 Grünland
35
4.2 Naturschutz aus Sicht der befragten Landwirte
51
4.2.1 Naturwert des Untersuchungsgebietes aus Sicht der Landwirte
51
4.2.2 Landwirtschaftlicher Einfluss auf die Kulturlandschaft aus Sicht der
Landwirte
52
4.2.3 Wissensstand
55
4.2.4 Gebietsschutz
56
4.2.4.1 Erforderlicher Schutzstatus nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie
56
4.2.4.2 Gegenwärtige Situation
57
4.2.4.3 Hoheitlicher Gebietsschutz aus Sicht der Landwirte
61

4.2.4.4 Nicht naturschutzorientierte Extensivierungsmaßnahmen
64
4.2.4.5 Naturschutzorientierte Extensivierungsmaßnahmen
65
4.2.4.6 Naturschutzbezogene Nutzungsauflagen aus Sicht der Landwirte
73
4.2.4.6.1 Fallstudie
74
4.2.5 Bereitschaft zum Flächenverkauf und -tausch
86
4.3. Landwirtschaft aus Sicht der befragten Naturschützer
88
4.3.1 Allgemeines
88
4.3.2 Verbandsnaturschutz und ehrenamtlicher Naturschutz
89
4.3.2.1 Naturwert
90
4.3.2.2 Einfluss der Landwirtschaft auf die Kulturlandschaft im
Untersuchungsgebiet aus Sicht der NABU-Vertreter und
Naturschutzbeauftragten
90
4.3.2.3 Wissensstand
91
4.3.2.4 Folgen der Aufnahme in das Schutzgebietssystem Natura 2000 für die
Landwirtschaft aus Sicht der NABU-Vertreter und Naturschutzbeauftragten
91
4.3.2.5 Flächenerwerb/Flächentausch
92
4.3.3 Staatlicher Naturschutz
92
4.3.3.1 Naturwert
93
4.3.3.2 Einfluss der Landwirtschaft auf die Kulturlandschaft im
Untersuchungsgebiet aus Sicht der staatlichen Naturschützer
93
4.3.3.3 Wissensstand
94
4.3.3.4 Folgen der Aufnahme in das Schutzgebietssystem Natura 2000 für
die Landwirtschaft aus Sicht der staatlichen Naturschützer
94
4.3.3.5 Flächenerwerb/Flächentausch
95
5. Diskussion und Schlussfolgerung
97
5.1 Landnutzungskonflikt zwischen Naturschutz und Landwirtschaft
im Untersuchungsgebiet
97
5.1.1 Ordnungsrechtliche Nutzungsauflagen
97
5.1.1.1 Verbandsnaturschutz und ehrenamtlicher Naturschutz
97
5.1.1.2 Staatlicher Naturschutz
101
5.1.2 Hoheitlicher Schutzstatus
102
5.1.2.1 Vorschläge der Naturschützer
103
5.1.2.2 Szenarien hoheitlicher Schutzgebietsausweisungen
104
5.2 Lösungsansätze
113
5.2.1 Lösungsansätze aus Sicht der Naturschützer
113
5.2.2 Eigener Lösungsansatz
-
Diskussionsvorschlag
114
6. Ausblick
123
7. Zusammenfassung
127
8. Literatur- und Quellenverzeichnis
129
9. Gesetze, Verordnungen, Richtlinien und Verwaltungsvorschriften
145
10. Kartenverzeichnis
147
IV
Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis
V
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Wasserstufen von
LIENKAMP
im Vergleich mit den ökologischen
Feuchtegraden nach
KUNZMANN
10
Tab. 2: Abflussmengen der Oste am Pegel Rockstedt in m³/s
10
Tab. 3: Wasserstandshauptwerte der Oste am Pegel Rockstedt in Zentimeter
10
Tab. 4: Landwirtschaftliche Betriebe nach Betriebsgrößenklassen und ihr prozentualer
Anteil an der landwirtschaftlich genutzten Fläche im Untersuchungsgebiet
30
Tab. 5: Häufigkeit der landwirtschaftlichen Betriebssysteme und ihr Anteil an der
landwirtschaftlich genutzten Fläche im Untersuchungsgebiet
31
Tab. 6: Anteil an der landwirtschaftlich genutzten Fläche im Untersuchungsgebiet
an der gesamten landwirtschaftlich genutzten Betriebsfläche je Betrieb in
Größenklassen
33
Tab. 7: Grünland-Anteile im Untersuchungsgebiet pro Betrieb am jeweiligen
gesamten Betriebsgrünland
33
Tab. 8: Flächenanteile der Nutzungs-Intensitätsstufen am untersuchten
Wirtschaftsgrünland
37
Tab. 9: Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Nutzflächen im Untersuchungsgebiet
durch die befragten Landwirte
38
Tab. 10: Flächenanteile der Koppelweiden an den einzelnen Intensitätsstufen
gemessen an der gesamten Koppel-/Umtriebsweidefläche
41
Tab. 11: Flächenanteile der Standweiden an den einzelnen Intensitätsstufen
gemessen an der gesamten Standweidefläche
42
Tab. 12: Flächenanteile der Mähweiden an den einzelnen Intensitätsstufen
gemessen an der gesamten Mähweidefläche
43
Tab. 13: Flächenanteile der Mähwiesen an den einzelnen Intensitätsstufen
gemessen an der gesamten Mähwiesenfläche
47
Tab. 14: Flächenanteile der Grünfutter- und Silagewiesen an den einzelnen
Intensitätsstufen gemessen an der gesamten Grünfutter- und (vielschürigen)
Silagewiesenfläche
48
Tab. 15: Gründe für den Naturwert des Untersuchungsgebietes aus Sicht der Landwirte 51
Tab. 16: Bewertung des landwirtschaftlichen Einflusses auf die Kulturlandschaft im
Untersuchungsgebiet aus Sicht der Landwirte
52
Tab. 17: Bewertung des landwirtschaftlichen Anteils an den Veränderungen der Kultur-
landschaft im Untersuchungsgebiet aus Sicht der Landwirte
54
Tab. 18: Bewertung des Einflusses einer intensivierten Landwirtschaft auf die
Kulturlandschaft im Untersuchungsgebiet aus Sicht der Landwirte
55
Tab. 19: Standpunkt der Landwirte zu einer Naturschutzgebiets-Ausweisung des
Fauna-Flora-Habitat-Gebietes Oste mit Nebenbächen
61
Tab. 20: Nutzungsauflagen in den bestehenden Schutzgebieten aus Sicht der Landwirte 63
Tab. 21: Bereitschaft der Landwirte zur Teilnahme am Vertragsnaturschutz
66
Tab. 22: Nutzungsauflagen und ihre Häufigkeit in den elf privatrechtlichen
Naturschutzverträgen
70
Tab. 23: Nutzungsauflagen der naturschutzbezogenen Vereinbarungen aus Sicht
der Landwirte
71
Tab. 24: Akzeptanz der Nutzungsauflagen
74
Tab. 25: Flächenanteil der Akzeptanzkategorien am untersuchten Grünland
75

Tab. 26: Gesamtakzeptanz aller Auflagen für jeden einzelnen Landwirt (AL
j
) und
der jeweilige Flächenanteil
85
Tab. 27: Bereitschaft zum Flächentausch und Flurbereinigungsverfahren
88
Tab. 28: Von den Naturschützern 2, 6 und 10 befürwortete Nutzungsauflagen und
die jeweilige Anzahl der Ablehnungen und Einwilligungen der befragten
Landwirte
100
Tab. 29: In der angenommenen Naturschutzgebietsverordnung verankerte
Nutzungsauflagen und per Vertragsnaturschutz umzusetzende
Bewirtschaftungsvorgaben
108
Tab. 30: Das Konfliktpotenzial mit dem jeweiligen Flächenanteil am untersuchten
Grünland für das Szenarium 2
110
Tab. 31: Die spezielle Auflagenakzeptanz (AL*
j
) mit dem jeweiligen Flächenanteil
am untersuchten Grünland für das Szenarium 2
110
Tab. 32: Die spezielle Auflagenakzeptanz (ALV
j
) mit dem jeweiligen Flächenanteil
am untersuchten Grünland für das Szenarium 2
110
Tab. 33: Das Konfliktpotenzial mit dem jeweiligen Flächenanteil am untersuchten
Grünland für das Szenarium 3
111
Tab. 34: Die spezielle Auflagenakzeptanz (AL*
j
) mit dem jeweiligen Flächenanteil
am untersuchten Grünland für das Szenarium 3
111
Tab. 35: Die spezielle Auflagenakzeptanz (ALV
j
) mit dem jeweiligen Flächenanteil
am untersuchten Grünland für das Szenarium 3
112
Tab. 36: Lösungsvorschläge aller befragten Naturschützer zur
Konfliktvermeidung beziehungsweise zum Spannungsabbau
113
Tab. 37: Wesentliche Bestandteile eines kooperativen Beteiligungsverfahrens
116
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Geographische Lage des Untersuchungsgebietes
5
Abb. 2: Bodenlandschaften der Geest und ihre Leitböden
9
Abb. 3: Klimadiagramm Bremervörde-Nieder Ochtenhausen für den
Beobachtungszeitraum 1961-90
11
Abb. 4: Vegetationsentwicklung unter dem Einfluss landwirtschaftlicher Nutzung im
mittleren Wümmetal
13
Abb. 5: Ein feinverzweigtes Rieselsystem mit Zu- und Ableitungsgräben
versorgte die Wiesen mit zusätzlichen Nährstoffen
19
Abb. 6: Entwicklung der Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe im
Landkreis Rotenburg (Wümme)
21
Abb. 7: Entwicklung der landwirtschaftliche genutzten Fläche pro Betrieb im
Landkreis Rotenburg (Wümme) und Niedersachsen
22
Abb. 8: Flächenanteile der Nutzungsarten im Untersuchungsgebiet in Prozent
34
Abb. 9: Flächenanteile der sechs Bewirtschaftungsformen im Untersuchungsgebiet
in Prozent
36
Abb. 10: Prozentuale Flächenanteile der Düngungshäufigkeit bei
Umtriebs-/Koppelweiden
41
Abb. 11: Prozentuale Flächenanteile der Schnittfrequenz, des ersten Mähzeitpunktes,
der Aufwuchsnutzung und der Düngungshäufigkeit bei Mähwiesen
45
Abb. 12: Flächenanteile der Schnittfrequenz, des ersten Schnittzeitpunktes
und der Düngungsfrequenz bei Silagewiesen
49
VI
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Anhangverzeichnis
VII
Anhang A
A.1 Erläuterungen der geologischen Karten
A
Tab. I: Erläuterungen zur geologischen Karte 2a
A
Tab. II: Erläuterungen zur geologischen Karte 2b
B
Tab. III: Erläuterungen zur geologischen Karte 2c
C
A.2 Erläuterungen der Bodenkarten
D
Tab. IV: Erläuterungen zur Bodenkarte 3a
D
Tab. V: Erläuterungen zur Bodenkarte 3b
E
Tab. VI: Erläuterungen zur Bodenkarte 3c
F
A.3 Rote-Liste-Arten im Untersuchungsgebiet
G
Tab. VII: Bei verschiedenen Vegetationsaufnahmen in der mittleren Osteniederung
festgestellte Rote-Liste-Arten, nach der Bundesartenschutzverordnung
geschützte Pflanzen
-
eine Auswahl mit Schwerpunkt auf
Feuchtgrünlandarten
G
A.4 Landschaftsbezogene Ziele für das Untersuchungsgebiet
H
Tab. VIII: Im Landschaftsrahmenplan für den Landkreis Rotenburg (Wümme)
festgelegte landschaftsbezogene Ziele, die für das UG von Bedeutung
sind
H
A.5 Erläuterungen zu den Landschaftsschutzgebieten im UG
I
Tab. IX: Erläuterungen zu den im Untersuchungsgebiet liegenden
Landschaftsschutzgebieten; vergleiche Karten 4a-c
I
A.6 Antworten der befragten Naturschützer
K
Tab. Xa: Meinungsbild der befragten Vertreter der Kreis-Jägerschaften
Bremervörde und Zeven sowie der Fischereisportverbände
K
Tab. Xb: Meinungsbild der befragten Vertreter des Naturschutzbundes
Deutschland und der Naturschutzbeauftragten
L
Tab. Xc: Meinungsbild der befragten Vertreter des staatlichen Naturschutzes
O
Anhang B
B.1 Fragebogen Landwirte
Q
B.2 Fragebogen Naturschützer
X

Kartenverzeichnis (CD-ROM)
Karte 1a: Grenze des Untersuchungsgebietes im Vergleich zur Grenze des Fauna-Flora-
Habitat-Gebietes Oste mit Nebenbächen (nördlicher Abschnitt)
Karte 1b: Grenze des Untersuchungsgebietes im Vergleich zur Grenze des Fauna-Flora-
Habitat-Gebietes Oste mit Nebenbächen (südlicher Abschnitt)
Karte 2a: An der Geländeoberfläche anstehende geologische Schichten im Untersuchungs-
gebiet und den angrenzenden Flächen (nördlicher Abschnitt)
Karte 2b: An der Geländeoberfläche anstehende geologische Schichten im Untersuchungs-
gebiet und den angrenzenden Flächen (mittlerer Abschnitt)
Karte 2c: An der Geländeoberfläche anstehende geologische Schichten im Untersuchungs-
gebiet und den angrenzenden Flächen (südlicher Abschnitt)
Karte 3a: Bodentypen im Untersuchungsgebiet und den angrenzenden Flächen (nördlicher
Abschnitt)
Karte 3b: Bodentypen im Untersuchungsgebiet und den angrenzenden Flächen (mittlerer
Abschnitt)
Karte 3c: Bodentypen im Untersuchungsgebiet und den angrenzenden Flächen (südlicher
Abschnitt)
Karte 4a: Hoheitliche Schutzgebiete und Extensivierungsflächen im Untersuchungsgebiet
(nördlicher Abschnitt)
Karte 4b: Hoheitliche Schutzgebiete und Extensivierungsflächen im Untersuchungsgebiet
sowie den angrenzenden Flächen (mittlerer Abschnitt)
Karte 4c: Hoheitliche Schutzgebiete und Extensivierungsflächen im Untersuchungsgebiet
(südlicher Abschnitt)
Karte 5a: Landnutzung im Untersuchungsgebiet (nördlicher Abschnitt)
Karte 5b: Landnutzung im Untersuchungsgebiet (mittlerer Abschnitt)
Karte 5c: Landnutzung im Untersuchungsgebiet (südlicher Abschnitt)
Karten 6a-p: Nutzung der untersuchten Grünlandflächen
Karte 7a: Nutzungsintensität im Untersuchungsgebiet (nördlicher Abschnitt)
Karte 7b: Nutzungsintensität im Untersuchungsgebiet (mittlerer Abschnitt)
Karte 7c: Nutzungsintensität im Untersuchungsgebiet (südlicher Abschnitt)
Karten 8a-k: Konfliktpotenzial für das Szenarium 1
Karten 8l-p: Konfliktpotenzial für die Szenarien 1 und 2
Karten 9a-j: Konfliktpotenzial für die Szenarien 2, 3 und 4
Karten 9k-p: Konfliktpotenzial für die Szenarien 3 und 4
Karten 10a-p: Gesamtakzeptanz aller Auflagen (AL
j
)
Karten 11a-p: Gesamtakzeptanz der Auflagen der in den Szenarien 2 und 3 angenommenen
Naturschutzgebiets-Verordnung
Karten 12a-p: Gesamtakzeptanz der in vertraglichen Vereinbarungen integrierten Auflagen
in den Szenarien 2 und 3
Karte 13: Konfliktpotenzial für das Szenarium 2
VIII
Kartenverzeichnis

Verzeichnisbaum CD-ROM
1. Ebene ,,Karten"
2. Ebene ,,Auflagenakzeptanz"
3. Ebene ,,Auflagenakzeptanz-AL"
·
Karten 10a-p: Gesamtakzeptanz aller Auflagen (AL
j
)
3. Ebene ,,Auflagenakzeptanz-AL#"
·
Karten 11a-p: Gesamtakzeptanz der Auflagen der in den Szenarien 2 und 3 ange-
nommenen Naturschutzgebiets-Verordnung
3. Ebene ,,Auflagenakzeptanz-ALV"
·
Karten 12a-p: Gesamtakzeptanz der in vertraglichen Vereinbarungen integrierten Auf-
lagen in den Szenarien 2 und 3
2. Ebene ,,Bodentypen"
·
Karte 3a: Bodentypen im Untersuchungsgebiet und den angrenzenden Flächen (nörd-
licher Abschnitt)
·
Karte 3b: Bodentypen im Untersuchungsgebiet und den angrenzenden Flächen (mittle-
rer Abschnitt)
·
Karte 3c: Bodentypen im Untersuchungsgebiet und den angrenzenden Flächen (südlicher
Abschnitt)
2. Ebene ,,Geologie"
·
Karte 2a: An der Geländeoberfläche anstehende geologische Schichten im Untersu-
chungsgebiet und den angrenzenden Flächen (nördlicher Abschnitt)
·
Karte 2b: An der Geländeoberfläche anstehende geologische Schichten im Untersu-
chungsgebiet und den angrenzenden Flächen (mittlerer Abschnitt)
·
Karte 2c: An der Geländeoberfläche anstehende geologische Schichten im Untersu-
chungsgebiet und den angrenzenden Flächen (südlicher Abschnitt)
2. Ebene ,,Grenzen_Untersuchungsgebiet"
·
Karte 1a: Grenze des Untersuchungsgebietes im Vergleich zur Grenze des Fauna-Flora-
Habitat-Gebietes Oste mit Nebenbächen (nördlicher Abschnitt)
·
Karte 1b: Grenze des Untersuchungsgebietes im Vergleich zur Grenze des Fauna-Flora-
Habitat-Gebietes Oste mit Nebenbächen (südlicher Abschnitt)
2. Ebene ,,Intensitätsstufen_Landnutzung"
·
Karte 7a: Nutzungsintensität im Untersuchungsgebiet (nördlicher Abschnitt)
·
Karte 7b: Nutzungsintensität im Untersuchungsgebiet (mittlerer Abschnitt)
·
Karte 7c: Nutzungsintensität im Untersuchungsgebiet (südlicher Abschnitt)
2. Ebene ,,Konfliktpotenzial_Szenarien"
3. Ebene ,,Szenarien_1+2"
·
Karten 8l-p: Konfliktpotenzial für die Szenarien 1 und 2
3. Ebene ,,Szenarien_2+3+4"
·
Karten 9a-j: Konfliktpotenzial für die Szenarien 2, 3 und 4
3.Ebene ,,Szenarien_3+4"
·
Karten 9k-p: Konfliktpotenzial für die Szenarien 3 und 4
3. Ebene ,,Szenarium_1"
·
Karten 8a-k: Konfliktpotenzial für das Szenarium 1
3. Ebene ,,Szenarium_2"
·
Karte 13: Konfliktpotenzial für das Szenarium 2
Verzeichnisbaum CD-ROM
IX

2. Ebene ,,Landnutzung"
3. Ebene ,,Grünlandnutzung_Maßstab_5000"
·
Karten 6a-p: Nutzung der untersuchten Grünlandflächen
3. Ebene ,,Landnutzung_Maßstab_25000"
·
Karte 5a: Landnutzung im Untersuchungsgebiet (nördlicher Abschnitt)
·
Karte 5b: Landnutzung im Untersuchungsgebiet (mittlerer Abschnitt)
·
Karte 5c: Landnutzung im Untersuchungsgebiet (südlicher Abschnitt)
2. Ebene ,,Schutzgebiete_Extensivierungsflächen"
·
Karte 4a: Hoheitliche Schutzgebiete und Extensivierungsflächen im Untersuchungsge-
biet (nördlicher Abschnitt)
·
Karte 4b: Hoheitliche Schutzgebiete und Extensivierungsflächen im Untersuchungsge-
biet sowie den angrenzenden Flächen (mittlerer Abschnitt)
·
Karte 4c: Hoheitliche Schutzgebiete und Extensivierungsflächen im Untersuchungsge-
biet (südlicher Abschnitt)
X
Verzeichnisbaum CD-ROM

a
Jahr
A
Eo
oberirdisches Einzugsgebiet
A
i
Anzahl der Ablehnungen je Auflage
i
über alle Landwirte
a
ij
tatsächliche Ablehnung der Auflage
i
jedes einzelnen Landwirtes
j
Abb.
Abbildung
Abs.
Absatz
Abschn.
Abschnitt
AL
j
Gesamtakzeptanz aller Auflagen für
jeden einzelnen Landwirt
j
ALV
j
Gesamtakzeptanz der in vertraglichen
Vereinbarungen integrierten Auflagen
für jeden einzelnen Landwirt
j
AL*
j
Gesamtakzeptanz der Auflagen in der
angenommenen Naturschutzgebiets-
verordnung für jeden einzelnen Land-
wirt
j
Art.
Artikel
AUM
Agrar-Umweltmaßnahmen
BAL
Institut für Betriebswirtschaft, Agrar-
struktur und ländliche Räume
BfN
Bundesamt für Naturschutz
BfNL
Beirat für Naturschutz und Land-
schaftspflege beim Bundesministerium
für Umweltschutz
BK
Bodenkarte
BMU
Bundesministerium für Umweltschutz
BMVEL
Bundesministerium für Verbraucher-
schutz, Ernährung und Landwirtschaft
BNatSchG
Bundesnaturschutzgesetz
BRV
Bremervörde
bspw.
beispielsweise
BÜK
Bodenübersichtskarte
BZ
Bremervörder Zeitung
bzw.
beziehungsweise
Ca
Kalzium
CIR
Colorinfrarot
cm
Zentimeter
DBV
Deutscher Bauernverband
DGK
Deutsche Grundkarte
d. h.
das heißt
DNR
Deutscher Naturschutzring
DRL
Deutscher Rat für Landespflege
DWD
Deutscher Wetterdienst
E
Ost(en)
ebd.
ebenda
EG
Europäische Gemeinschschaft
et al.
et alii (und andere)
EU
Europäische Union
EuGH
Europäischer Gerichtshof
evtl.
eventuell
EWG
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
f. (Plural ff.) (und) der, die, das folgende
FF
Naturnaher Fluss
FFH-RL
Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie
FlurbG
Flurbereinigungsgesetz
GAP
Gemeinsame Agrarpolitik der Europäi-
schen Union
GfP
Gute fachliche Praxis
GIA
Intensivgrünland der Auen
GIF
Sonstiges feuchtes Intensivgrünland
GIN
Intensivgrünland auf Niedermoor-
standorten
GIS
Geographisches Informationssystem
GK
Geologische Karte
GM
Mesophiles Grünland
GN
seggen-, binsen- oder hochstaudenrei-
che Nasswiese
GVE
Großvieheinheiten
h
Höhe
ha
Hektar
HHW
Höchste Hochwasserhöhe
HQ
Hochwasserdurchfluss (-abfluss)
HW
Hochwasser (-höhe)
i.d.R.
in der Regel
Jh.
Jahrhundert
K
Kalium
Kap.
Kapitel
KAS
Kalkammonsalpeter
kg
Kilogramm
LF
Landwirtschaftliche Nutzfläche
LGN
Landesvermessung und Geobasisinfor-
mation Niedersachsen
LK ROW
Landkreis Rotenburg (Wümme)
LN
landwirtschaftlich genutzte Fläche
LP BRV
Landschaftsplan Bremervörde
LROP
Landes-Raumordnungsprogramm
LRP
Landschaftsrahmenplan
LSG
Landschaftsschutzgebiet
LUFA
Landwirtschaftliche Untersuchungs-
und Forschungsanstalten
Verzeichnis der Abkürzungen
XI
Verzeichnis der Abkürzungen

LWK
Landwirtschaftskammer
m
Meter
Quadratmeter
Kubikmeter
MEKA
Marktentlastungs- und Kulturland-
schaftsausgleich
MG
Moorheide-Stadium von Hoch-
und Übergangsmooren
MHQ
Mittlerer Hochwasserdurchfluss
(-abfluss)
MHW
Mittlere Hochwasserhöhe
MJ
Megajoule
mm
Millimeter
MNQ
Mittlerer Niedrigwasserdurchfluss
(-abfluss)
MNW
Mittlere Niedrigwasserhöhe
MQ
Mittlerer Durchfluss (Abfluss)
MW
Mittelwasserhöhe
N
Stickstoff/Nord(en)
NABU
Naturschutzbund Deutschland
NAU
Niedersächsisches Agrarumweltpro-
gramm
NAU-RL
Richtlinie zum Niedersächsischen
Agrarumweltprogramm
NEL
Nettoenergielaktation
NLG
Niedersächsische Landgesellschaft
NLfB
Niedersächsisches Landesamt für
Bodenforschung
NLÖ
Niedersächsisches Landesamt für
Ökologie
NLS
Niedersächsisches Landesamt für Sta-
tistik
NLWK
Niedersächsischer Landesbetrieb für
Wasserwirtschaft und Küstenschutz
NMELF
Niedersächsisches Ministerium für
Ernährung, Landwirtschaft und For-
sten
NMU
Niedersächsisches Ministerium für
Umweltschutz
NN
Normal-Null
NNatG
Niedersächsisches Naturschutzgesetz
NNW
Niedrigste Niedrigwasserhöhe
nördl.
nördlich
nordöstl.
nordöstlich
nordwestl.
nordwestlich
NPK-Dünger Mehrnährstoffdünger (Stickstoff-Phos-
phor-Kalium-Dünger)
NQ
Niedrigwasserdurchfluss (-abluss)
NR
Landröhricht
Nr.
Nummer
NROG
Niedersächsisches Gesetz über Raum-
ordnung und Landesplanung
NS
Seggen-, Binsen- und Staudensumpf
NSG
Naturschutzgebiet
NW
Niedrigwasser(höhe)
NWG
Niedersächsisches Wassergesetz
ONB
Obere Naturschutzbehörde
OVG
Oberverwaltungsgericht
PEPL
Pflege- und Entwicklungsplan
PSM
Pflanzenschutzmittel
RGV
Rauhfutterfressende Großvieheinheiten
RROP
Regionales Raumordnunungspro-
gramm
SG
Samtgemeinde
SRU
Sachverständigenrat für Umweltfragen
StAWA
Staatliches Amt für Wasser- und
Abfallwirtschaft
südl.
südlich
südöstl.
sudöstlich
SuE
Schutz und Entwicklung
TM
Trockenmasse
Tab.
Tabelle
TK
Topographische Karte
u.
und
u. a.
unter anderem
u. ä.
und ähnliche
UG
Untersuchungsgebiet
UNB
Untere Naturschutzbehörde
ÜSG
Überschwemmungsgebiet
v.
von
v. a.
vor allem
vgl.
vergleiche
vglw.
vergleichsweise
VO
Verordnung
VogelSch-RL Vogelschutzrichtlinie
VwVfG
Verwaltungsverfahrensgesetz
WA
Erlen-Bruchwald
WHG
Wasserhaushaltsgesetz
WSG
Wasserschutzgebiet
z. B.
zum Beispiel
z. T.
zum Teil
z. Zt.
zur Zeit
°C
Grad Celsius
Gamma
Lambda
XII
Verzeichnis der Abkürzungen

1. Einleitung
Die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (Richtlinie 92/43/EWG u. 97/62/EWG des Rates der EG
1992, 1997 [FFH-RL])
1
ist die erste umfassende gesetzliche Richtlinie der Europäischen Union
(EU) zum Lebensraum- und Artenschutz. Für den ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für
Naturschutz (BfN), Prof. Martin Uppenbrink, ist sie ein erster Schritt auf dem Weg zur Verwirk-
lichung ,,... einer einheitlichen europäischen Naturschutzpolitik ..." (zit. in
SSYMANK et al.
1998:
5). Das wesentliche Ziel der FFH-RL ist es, die biologische Vielfalt europaweit zu erhalten (Prä-
ambel u. Art. 2 FFH-RL). Dazu wollen die Mitgliedsstaaten ein gemeinsames kohärentes Schutz-
gebietssystem mit dem Namen ,,Natura 2000" errichten, in dem die natürlichen Lebensräume
und Habitate der wild lebenden Tiere und wild wachsenden Pflanzen erhalten oder wiederher-
gestellt werden sollen (Präambel, Art. 2 u. 3 FFH-RL). Die Auswahl der Gebiete für das Netz-
werk Natura 2000 erfolgt ausschließlich nach den naturschutzfachlichen Kriterien der FFH-RL
(
BALZER, HAUKE & SSYMANK
2002). Sie sind in Art. 4 und im Anhang III der FFH-RL benannt
sowie durch die Lebensraumtypen und Arten der Anhänge I & II der FFH-RL bestimmt (
SSY-
MANK
1994). Besonders gefährdete Arten und Lebensräume sind als prioritär gekennzeichnet
(Art. 1 FFH-RL). Sie unterliegen verschärften Schutzbestimmungen (
DEUTSCHER RAT FÜR LAN-
DESPFLEGE
[
DRL
] 2000). Auf weitere Inhalte der FFH-RL soll hier nicht eingegangen werden;
eine ausführliche Darstellung ist z. B. bei
SSYMANK et al.
(1998) nachzulesen. Für die Erfassung
und Bewertung von FFH-Gebieten sowie zur Berichtspflicht finden sich Hinweise z. B. bei
ELL-
WANGER, PETERSEN & SSYMANK
(2002) und
RÜCKRIEM & ROSCHER
(1999) sowie zu recht-
lichen Fragen u. a. bei
GELLERMANN
(2001).
In der ersten niedersächsischen FFH-Gebietsliste war die Osteniederung 1997 nicht enthalten,
sondern aus dem Landkreis Rotenburg (Wümme) [LK ROW] nur fünf bereits bestehende Natur-
schutzgebiete (
KLÖFKORN
1997;
BORGARDT
1997). Hier habe sich ,,... die starke Lobby der
Landwirtschaft [...] mit ihrer Forderung durchgesetzt ...", so
KLÖFKORN
(1997) in der Bremer-
vörder Zeitung (BZ) vom 30. Mai 1997. Dies gehe aus der Begründung der Bezirksregierung
Lüneburg hervor, in der von ,,... grundlegenden Bedenken aus landwirtschaftlicher Sicht ..." die
Rede sei. Auch
KEHREIN
(2002) und
SCHREIBER & SPILLING
(1999) merken kritisch an, dass
die Bundesländer die Gebiete nicht, wie gefordert, nur nach rein fachlichen Kritierien ausge-
wählt hätten. Dies ist nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 7. Novem-
ber 2000 vertragswidrig (
NIES & SCHRÖDER
2002). Demnach dürfen politische Entscheidungen
nicht dazu führen, dass fachlich geeignete Flächen nicht gemeldet werden, sondern die Bundes-
länder müssen alle in Frage kommenden Areale benennen (ebd.). Für Niedersachsen wies die
zuständige Fachbehörde, das Niedersächsische Landesamt für Ökologie (NLÖ), die Vorwürfe
einer politisch motivierten Auswahl zurück (
DAHL & VON DRACHENFELS
1999).
Bereits zwei Jahre später war die Oste mit ihren Nebenbächen Teil der zweiten Tranche Nieder-
sachsens, die nach einem Beteiligungsverfahren auf regionaler und Landesebene über das
Bundesministerium für Umweltschutz (BMU) an die EU gemeldet wurde (
NIEDERSÄCHSISCHES
MINISTERIUM FÜR UMWELTSCHUTZ [NMU]
2003a). Sie ist damit Teil der deutschen FFH-
Gebietsvorschläge für die atlantische biogeographische Region (
BfN
2003). Daraus ergiebt sich
eine Reihe von Fragen bezüglich der Bewertung der Lebensräume, der Umsetzung der Berichts-
pflicht, der Festlegung der Erhaltungsziele und Managementpläne sowie des Monitorings.
Die vorliegende Diplomarbeit beschäftigt sich ausschließlich mit dem möglichen Landnutzungs-
konflikt zwischen Landwirtschaft und Naturschutz, der sich aus den Erhaltungszielen, einem
1. Einleitung
1
1
Nachfolgende Zitate aus der FFH-RL beziehen sich auf die oben genannte Fassung.

Pflege- und Entwicklungsplan (PEPL) und der gewählten Schutzgebietskategorien ergeben
könnte. Schließlich sind die Landwirte die Hauptbetroffenen von Schutzgebietsausweisungen
(
HASELHOFF
2001). Zudem muss nach
BAUER
(1994) ein Naturschutzschwerpunkt der Erhalt
einer vielfältigen Kulturlandschaft durch entsprechende Landnutzungsformen sein. Diese Auf-
gabe ist jedoch finanziell nur dann zu bewältigen, ,, ...wenn es gelingt, Landwirtschaft vor Ort
zu erhalten und die Landschaftspflege wieder in umweltverträgliche Nutzungsprozesse ..." zu
integrieren (
BAUER
1994: 85). Der Landwirt ist nach Ansicht von
BAUER
(ebd.) wegen seiner
Ortskenntnis und maschinellen Ausstattung ,, ...ein gut geeigneter Partner für den praktischen
Naturschutz ...". Die Kulturlandschaft im Untersuchungsgebiet (UG) kann also, wenn man der
Argumentation von
BAUER
(1994) folgt, nur zusammen mit den Hofeigentümern erhalten wer-
den. Denn ohne die Partizipationsbereitschaft der Bevölkerung vor Ort ist die Sicherung der viel-
fältigen Landschaftselemente in der Osteniederung auf Dauer nicht bezahlbar. Darum ist es wich-
tig zu untersuchen, ob und unter welchen Bedingungen die Landwirte bereit sind, in der Oste-
niederung langfristig mit dem Naturschutz zu kooperieren. Es gilt für ein umsetzungsorientier-
tes räumliches Konzept, ,,... mehr Wissen über die Umsetzungsbereitschaft und -möglichkeit für
Naturschutzziele in der Landwirtschaft ..." zu sammeln, wie
VON HAAREN & BRENKEN
(1998:
1997) anmahnen. Weiterhin ist in ihren Augen eine ,,... Identifikation von Interessenüberschnei-
dungen zwischen Landwirtschaft und Naturschutz..." für das Realisieren von Umweltschutzzie-
len unerlässlich (ebd.). Eine Zusammenarbeit im UG ist besonders vor dem Hintergrund eines
immer stärker schrumpfenden Anteils an artenreichen Feuchtgrünland-Lebensgemeinschaften
und ihrer Kontaktgesellschaften in Norddeutschland geboten, um die verbliebenen Standorte zu
erhalten (
HELLBERG et al.
2003;
ROSENTHAL et al.
1998;
DIERSCHKE & WITTIG 1991
). Die vor-
liegende Arbeit soll Hinweise für eine langfristige Kooperation geben.
1.1 Fragestellung
Niedersachsen hat die Oste mit ihren Nebenbächen und deren Niederungen als FFH-Gebiet
gemeldet, weil sie ,,... einer der größten und wertvollsten naturnahen Fließgewässerkomplexe
der niedersächsischen Geestgebiete ..." ist (
NMU
1999: 2). Ferner ist die Oste als wesentlicher
Ausbreitungsweg für Tier- und Pflanzenarten ein wichtiges Element für ein kohärentes Netz von
Natura-2000-Gebieten (ebd.). Der Raum beherbergt repräsentative Vorkommen prioritärer
Lebensraumtypen gemäß Anhang I FFH-RL wie Erlen-Eschenwälder und weitere Lebensraum-
typen gemäß Anhang I FFH-RL wie magere Flachland-Mähwiesen meist im Komplex mit
Feuchtgrünland (ebd.). Zudem sind im FFH-Gebiet Lebensraumtypen von landesweiter Bedeu-
tung wie sonstiges mesophiles Grünland (überwiegend Weidelgras-Weißklee-Weiden [Lolio-
Cynosuretum])
2
mit Arten der Feuchtwiesen, Magerrasen oder Borstgrasrasen, Feuchtgrünland
(z. B. Sumpfdotterblumen-Wiesen [Calthion]) sowie übriges Grünland mit Bedeutung als
Lebensraum für gefährdete Arten zu finden (ebd.). Die aus Naturschutzsicht wertvollen Feucht-
wiesen sind jedoch kein Lebensraumtyp gemäß Anhang I FFH-RL. Dies kritisiert
VON DRA-
CHENFELS
(2001): Denn die Auswahl der prioritär zu schützenden Lebensraumtypen wird den
Gegebenheiten in Nordwestdeutschland zum Teil nicht gerecht; viele besonders charakteristische
und gefährdete Biotoptypen wie Sumpfdotterblumen-Wiesen fehlen durch die Ausklammerung
meso- bis eutropher Niedermoorstandorte ganz. Die Folge: Mehr als 90 % des nordwestdeut-
schen Extensivgrünlandes fallen nicht oder nicht eindeutig unter Anhang I FFH-RL (ebd.).
Ein Erhaltungziel gemäß der FFH-RL soll im UG u. a. der Schutz und die Entwicklung von
mageren Flachland-Mähwiesen und Borstgrasrasen im Komplex mit artenreichem Feuchtgrün-
2
1.1 Fragestellung
2
Nomenklatur der Pflanzengesellschaften erfolgt nach PREISING et al. (1997).

land sein (
NMU
1999). Dies kann jedoch nur in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft reali-
siert werden, da die genannten Grünlandgesellschaften u. a. von einer regelmäßigen Nutzung
abhängig sind (
DIERSCHKE & BRIEMLE
2002;
ELLENBERG
1996;
KLAPP
1971). Doch aus den
speziellen Vorgaben und Ansprüchen des Naturschutzes auf der einen und der Landwirtschaft
auf der anderen Seite resultieren oft Interessenkonflikte, die den Prozess zu einer integrierten
Lösung hemmen können.
BRIEMLE
(1991: 182) sieht vor allem beim Grünland ,,erhebliche Mei-
nungsverschiedenheiten" zwischen den beiden Gruppen; besonders nährstoffreiche Feuchtwie-
sen stehen ,,... im Brennpunkt von Auseinandersetzungen ...". Die Spannungen zwischen Natur-
schutz und Agrarwirtschaft sind in der Vergangenheit z. B. von
PRÜTER & KAISER
(2002),
BAN-
GERT
(2001),
VON ZECH
(1999),
VOß
(1999),
MEYER ZU ERBE
(1997) und
BAHNER
(1996) unter-
sucht worden.
Ziel dieser Diplomarbeit ist es, anhand einer Befragung von Landwirten und Naturschützern
3
mittels selbst entwickelter Fragebögen (vgl. Anhang B) zu klären, inwieweit in der Osteniede-
rung ebenfalls Landnutzungskonflikte zwischen den beiden handelnden Gruppen existieren.
Dazu ist es zunächst erforderlich, die landwirtschaftliche Struktur, die Wertigkeit der Flächen für
den einzelnen Landwirt und die gegenwärtige Nutzung der Niederungsflächen herauszuarbei-
ten. In einem zweiten Schritt wird das mögliche Konfliktpotenzial allgemein und mit Hilfe der
Landnutzungskartierung parzellenscharf dargestellt. Abschließend soll ein möglicher Lösungs-
weg aufgezeigt werden. Hierbei soll auch das agrarumweltpolitische Instrument Vertragsnatur-
schutz berücksichtigt werden, da der Gebietsschutz nach Vorschlägen vom
NLÖ
(1999) u. a. die-
ses zur Förderung der extensiven Grünlandnutzung vorsieht. Die Arbeit soll erste Hinweise lie-
fern, ob und unter welchen Voraussetzungen die Landwirte an angebotenen Programmen teil-
nehmen würden. Mit der Arbeit soll letztlich das Verständnis zwischen den beiden handelnden
Gruppen gefördert werden. Denn: ,,Naturschutz muss so vermittelt werden, dass er von der betrof-
fenen lokalen Bevölkerung nicht als sachfremde oder fremdbestimmte Maßnahme wahrgenom-
men wird, sondern auch als Bereicherung des eigenen Lebensumfeldes" (
SACHVERSTÄNDIGEN-
RAT FÜR UMWELTFRAGEN
[
SRU
] 2003: 73).
1. Einleitung
3
3
Unter Naturschützern sind in der vorliegenden Arbeit alle Vertreter von in Niedersachsen anerkannten Natur-
schutzverbänden und dem staatlichen Naturschutz zu verstehen (vgl. Kap. 3.2).

2. Untersuchungsgebiet
5
2. Untersuchungsgebiet
Das UG liegt im Altmoränengebiet des Norddeutschen Tieflandes und dort zentral im Elbe-Weser-
Dreieck (
LIEDTKE
1994). Abb. 1 zeigt die geographische Lage des UGs zwischen den beiden
Oberzentren Bremen und Hamburg. Es liegt auf den Kartenblättern Bremervörde, Gnarrenburg
und Selsingen der Topographischen Karte 1:25 000 (
LANDESVERMESSUNG UND GEOBASISIN-
FORMATION NIEDERSACHSEN
[
LGN
] 2001). Die UG-Grenze orientiert sich an der Grenze des
FFH-Gebietes Oste mit Nebenbächen (vgl. Kap. 3.4). Das UG umfasst allerdings nicht das
gesamte FFH-Gebiet, sondern nur die mittlere Osteniederung von Brauel bis Bremervörde (vgl.
Karten 1a-b). Dies entspricht der Gliederung der FFH-Teilräume durch die Bezirksregierung
Lüneburg (
GROß
2003). Eine Beschränkung war notwendig, weil sonst die Bearbeitung den zeit-
lichen Rahmen einer Diplomarbeit gesprengt hätte. Die Eisenbahnbrücke in Bremervörde
begrenzt das UG im Norden (53°28'45''N/9°9'4''E). Es endet im Südosten an der Bundes-
straßenbrücke in Brauel (53°19'15''N/9°16'18''E). Seine Flächengröße beträgt 11,83 km
2
(1183 ha). Das UG liegt im LK ROW und ist Teil der mittleren Osteniederung. Die nachfolgen-
den Kapitel geben einen Überblick über das Geoökosystem ,,Mittlere Osteniederung", die
regionalplanerische Zweckbestimmung und die landwirtschaftliche Entwicklung.
2.1 Naturräumliche Zugehörigkeit
Die mittlere Osteniederung gehört zum Naturraum Stader Geest (
MEYNEN et al.
1959-62). Eine
Beschreibung der Stader Geest findet sich u. a. bei
LIEDTKE & MARCINEK
(1994),
SEEDORF &
MEYER
(1992) und
PERTSCH
(1970). Sie gliedert sich nach
MEISEL
(1961, 1962 & 1964) in wei-
tere naturräumliche Einheiten. Die mittlere Osteniederung liegt im Teilgebiet Zevener Geest, das
sich wiederum in verschiedene Landschaftsräume aufspaltet, von denen das mittlere Ostetal die
Untereinheiten Heeslinger Geest und Ostetal durchzieht (ebd.).
Abb. 1: Geographische Lage des Untersuchungsgebietes;
Maßstab: 1:600000 (Quelle: EIGENE DARSTELLUNG).

6
2.1 Naturräumliche Zugehörigkeit
Der nachfolgende Absatz basiert auf den Ausführungen von
MEISEL
(1961). Die Oste und ihre
Nebenbäche geben der Heeslinger Geest ihre charakteristische Struktur. Sie schneiden sich alle
10-20 m tief und unvermittelt in die Geest ein, die dadurch ein lebendiges Relief erhält. So gren-
zen ausgeprägte Hangkanten die flache, ausgeräumte Osteniederung gegen die deutlich höhe-
ren, benachbarten Gebiete ab. Die Oste verlässt bei Rockstedt ihr enges, zwischen den umge-
benden Geesthöhen eingesenktes Tal und fließt am westl. Rand der Zevener Geest entlang nach
Norden. Ab hier liegt die mittlere Osteniederung in der naturräumlichen Untereinheit Ostetal.
Linksseitig begleiten die Oste fortan Hochmoore der Hamme-Oste-Niederung und Geestinseln
sowie Flugsandfelder, die sie von der eigentlichen Hamme-Oste-Niederung abdrängen. Dadurch
bleibt sie bis zum nördlichen Rand des UGs ein Geest- bzw. Geestrandfluss. Kurz hinter Rock-
stedt pendelt sie in einer verhältnismäßig breiten Niederung hin und her. Diese wird stellenweise
stärker eingeengt, wenn der östliche Geestrand und die Geestinseln auf dem linken Ufer dichter
zusammentreten. Abschnittsweise wird der Niederungsrand von Flugsand- und Dünenfeldern
gesäumt.
Das Landschaftsbild im UG ist durch landwirtschaftliche Nutzung
-
v. a. Grünlandbewirtschaf-
tung
-
geprägt. Es ist durch Gräben, Altwässer und Feldgehölze stark gegliedert und hat ein aus-
geprägtes Querhöhenprofil. Auf der angrenzenden Geest sind im Gegensatz dazu fast ausschließ-
lich Ackerflächen und wenige Eichen-Buchenwälder (Querco Fagetea)
4
anzutreffen. In einigen
Gebieten der Niederung haben die Landwirte in den vergangenen Jahren besonders die hoffer-
nen oder/und nassen Wiesen und Weiden aufgegeben bzw. an den LK ROW für Naturschutz-
zwecke verkauft (vgl. Kap. 4.1.2). Auf diesen Grenzertragsstandorten sind vermehrt Brachen
zu finden. Vereinzelt, vor allem am Talrand wachsen kleinflächige, anthropogen beeinflusste
Erlen-Bruchwälder (Alnetea glutinosae) und Erlen-Eschen-Auenwälder (Alno-Fraxinetalia)
zwischen den Grünlandflächen (vgl.
ROSENTHAL & MÜLLER
1988). Auf den meist sandigen
Arealen der Dünen- und Flugsandfelder am Niederungsrand sind Kiefern aufgeforstet worden.
Die Bestände sind oft lückenhaft und weisen Reste von Heide auf. Baumreihen u. a. aus Schwarz-
Erlen und zum Teil Weidengebüschen säumen die Oste und viele Gräben.
Aufgrund des streckenweise geringen Gefälles innerhalb der weiten Niederungen hat die Oste
nur eine geringe Fließgeschwindigkeit (
LK ROW
2001). Die Folge ist der stark mäandrierende
Lauf, der nur an wenigen Stellen mittels Durchstichen von Mäandern begradigt wurde; diese lie-
gen aber bereits über ein Jahrhundert zurück (
STAATLICHES AMT FÜR WASSER- UND ABFALL-
WIRTSCHAFT [StAWA]
1997). Durch die genannten Charakteristika erhält das Ostetal seine für
nordwestdeutsche Geesttäler ,,so typische Gestalt" (
ROSENTHAL & MÜLLER
1988: 81). Für den
LK ROW ist die Oste mit ihrer Niederung nach dem Landschaftsrahmenplan [LRP] (
LK ROW
2001) ein wichtiger, landschaftsprägender Lebensraum. Für diesen sind zwischen Minstedt und
Bremervörde die großflächig vorhandenen Biotoptypen Fließgewässer, Gräben, Stillgewässer,
Nassgrünland, Sümpfe und Feuchtgrünland kennzeichnend (
STADT BREMERVÖRDE
[
STADT
BRV
] 1991). Im Landschaftsplan Bremervörde (LP BRV) werden besonders die großen
zusammenhängenden Feuchtgrünlandbestände hervorgehoben (ebd.). Eine Gefährdung für den
,,wertvollsten Biotoptypenkomplex" (
STADT BRV
1991: 53) im Plangebiet geht einerseits von
einer weiteren Nutzungsintensivierung und andererseits von einer Aufgabe der Feuchtgrünland-
wirtschaft aus (vgl. Kap. 2.7.2.1). Die Bestandsaufnahme von Biotoptypen, Fauna und Flora
im LP BRV stammt jedoch von 1988 und 1989. Sie ist deshalb nur noch eingeschränkt gültig.
Es ist davon auszugehen, dass sich das Bild der heutigen Landschaft zum Teil stark verändert
hat (vgl. Kap. 2.7.2.1 & Kap. 4.2).
4
Nomenklatur der Wälder und Gebüsche nach PREISING, WEBER & VAHLE (2003)

2.2 Geologie und Geomorphologie
Das Quartär hat durch Ablagerungs- und Umlagerungsprozesse
-
beginnend im Mittel-Pleisto-
zän
-
das Gesicht der rezenten Landschaft im LK ROW entscheidend geprägt. Das aus älteren
geologischen Schichten aufgebaute präglaziale Relief wird vollständig von den Geschiebe- und
Schmelzwasserablagerungen der Gletscher überdeckt. Die voreiszeitliche Geologie im LK ROW
ist u. a. bei
LANG
(1971) und
PLEIN
(1984) erläutert; die glazialen Formungsprozesse sind bei
HÖFLE
(1980),
LANG
(1971) und
ILLIES
(1952) nachzulesen. Die Blätter 2520, 2620 und 2621
der Geologischen Grundkarte zeigen die Verbreitung, Art und Abfolge von Gesteinen bis in eine
Tiefe von 2 m unter der Geländeoberfläche (
NIEDERSÄCHISCHES LANDESAMT FÜR BODEN-
FORSCHUNG
[
NLfB
] 2003). Sie liegen für das UG als Ausschnitt vor (Karten 2a-c). In den Tab.
I-III im Anhang A sind Hinweise zur Stratigraphie, Genese und Petrographie zu finden.
Da detaillierte Studien zur geologischen Flussgeschichte der Oste fehlen, lässt sie sich nach dem
derzeitigen Kenntnisstand nur unzureichend rekonstruieren. Nach den Arbeiten von
HÖFLE
(1980),
LANG
(1971) und
ILLIES
(1952) ist die mittlere Osteniederung eine stark in die saaleeis-
zeitliche Geestplatte eingetiefte schmale Rinne, die zur Elbe hin entwässert. Wie die Autoren
erläutern, hat sich das Einschneiden und Wiederauffüllen der Niederung überwiegend im Weich-
sel-Glazial ereignet, als das Klima im UG durch permanenten Wechsel von tiefgreifendem Boden-
frost und oberflächennahen Auftauprozessen bestimmt war (ebd.). Dies ist auf den geologischen
Karten 2a-c deutlich dadurch zu erkennen, dass sich die jüngeren Sedimentfüllungen aus dem
Weichsel-Glazial und dem Holozän farblich von den saaleeiszeitlichen Ablagerungen absetzen.
Für
LANG
(1971: 40) sind die weichselzeitlichen fluviatilen Sande das ,,... typische Sediment der
weiten, feuchten und vielfach vermoorten Niederungen ...". Die aus glaziären saalezeitlichen
Schichten aufgebauten Geestrücken rahmen das mittlere Ostetal ein. Sie sind von nicht sehr mäch-
tigem weichselzeitlichen Geschiebedecksand oder weichselzeitlich-holozänen Flugsanddecken
überlagert oder lückhaft überdeckt (vgl. Karten 2a-c). Das Relief im UG ist in der Weichseleis-
zeit durch glaziäre Prozesse wie Solifluktion über Permafrostböden oder Abtragungen und
Umschichtungen durch Wind sowie Wasser eingeebnet und überformt worden (
LANG
1971).
Dünen und teilweise zusammenhängende Flugsanddecken begleiten beidseitig die mittlere Oste-
niederung (vgl. Karte 2a-c).
LANG
(1971) nimmt an, dass sie nach dem Ende der weichselzeit-
lichen fluviatilen Sedimentation an den Flussrändern abgelagert wurden. Die Flüsse konnten erst
ab diesem Zeitpunkt ihren heutigen Lauf ausbilden, begründet er seine Vermutung (ebd.). Der
größte Teil der äolischen Ablagerungen besonders in den mit weichselzeitlichen Sanden erfüll-
ten Niederungen ist deshalb im Holozän verweht worden (ebd.).
HEIDER
(1995) weist indes da-
raufhin, dass natürliche Bedingungen zur Dünenbildung zuletzt im ausgehenden Weichselspät-
glazial vorhanden waren, bevor sich die Vegetationsdecke endgültig schloss. Dies wird ihrer Mei-
nung nach durch mesolithische Fundplätze im Dünengebiet südlich von Minstedt bestätigt
(
FRANKE
1978). Sie zeigten, so
HEIDER
(1995:57), dass es sich hier ,,... ebenfalls primär um spät-
glaziale Flugsandbildungen handelt."
Im Holozän setzte die nacheiszeitliche Vermoorung ein. In den feuchten Flusstälern, Niederun-
gen und Senken wuchsen Nieder- und Hochmoore (
LANG
1972). Nördlich von Rockstedt sto-
ßen die Hochmoorkomplexe der Hamme-Oste-Niederung fast bis an den Rand der mittleren Oste-
niederung (vgl. Karte 3b). Ansonsten finden sich beidseitig der Oste stellenweise Niedermoo-
re (vgl. Karten 3a-c). Das Torfwachstum begann nach einer Pollenanalyse von
HEIDER
(1995)
im mittleren Ostetal nördlich von Minstedt an der Wende Subboreal/Subatlantikum. Die ehe-
2. Untersuchungsgebiet
7

mals großflächigen Hochmoore der Hamme-Oste-Niederung und die Moore im Oste-Tal wur-
den laut
HEIDER
(1995) seit dem 18. Jh. im Zuge der Moorkolonisation abgebaut. Mit Beginn
der Nacheiszeit bis heute setzen sich in der mittleren Osteniederung vor allem bei Hochwasser
sandig-schluffige, aber auch humose Sedimente ab; in Altwasserarmen wurden auch schluffige
Tone sedimentiert (
ROESCHMANN
1971). Für die Bildung des Auelehms nimmt
LANG
(1971)
einen hohen anthropogenen Einfluss an: Rodungen und anschließender Ackerbau legten die
Bodenschichten frei, die so erst den Erosionsprozessen ausgeliefert waren. In vielen Flusstälern,
kleinen und flachen Senken sowie Randgebieten der Moore sind auch Anmoorbildungen weit
verbreitet (ebd.). Die Anmoore gehen ohne scharfe Grenze in Niedermoortorf über.
2.3 Boden
Aus dem Ausgangsmaterial der saaleeiszeitlichen Moränen v. a. des Geschiebedecksandes haben
sich im LK ROW durch physikalische und chemische Prozesse zu meist Braun- bzw. Parabraun-
erden herausgebildet (
HEIDER
1995). Je nach Untergrund und Nutzung gehen sie in Pseudogley
bzw. Podsolbraunerden über (
LK ROW
2001). Als regionale Besonderheit treten bei Ostereistedt
Plaggenesch- und südwestl. von Godenstedt Pseudogley-Plaggeneschböden auf (vgl. Karte 3c).
Sie sind durch anthropogenen Einfluss entstanden (
SCHEFFER & SCHACHTSCHABEL
2002). In
der mittleren Osteniederung haben sich über nährstoffarmen, alluvialen Sanden vor allem Auen-
und Moorgleye, Niedermoore sowie Übergangsformen wie Gley-Podsole entwickelt (vgl.
ROESCHMANN
1971; Karten 3a-c). Sie sind durch Grundwassereinfluss geprägt und stehen
unter hohem Grundwasserandrang (
SCHEFFER & SCHACHTSCHABEL
2002). Während sich die
Niedermoore in den tiefsten, nassen Lagen unter ständigem Grundwassereinfluss bildeten, ent-
standen die Gleye auf Standorten mit mittleren tiefsten Grundwasserständen um 20-30 cm und
relativ geringen Grundwasserschwankungen (
ROESCHMANN
1971). Prägend für die Dünen bzw.
Flugsandfelder entlang der Oste sind Podsole (vgl.
PERTSCH
1970; Karten 3a-c). Wegen der
natürlichen Gegebenheiten sind im LK ROW die Böden landwirtschaftlich fast ausschließlich
als Grünland nutzbar (
LK ROW
1996).
Die Blätter 2620 und 2621 der Bodengrundkarte sowie die Bodenübersichtskarte L2520 geben
die Verbreitung der Bodentypen im UG wieder (
NLfB
1984, 1986 u. 2003). Sie liegen für das UG
als Ausschnitt vor (Karten 3a-c). In den Tab. IV-VI im Anhang A sind Hinweise zum Grund-
wassereinfluss, mittleren Grundwasserstand und zur Feuchtestufe zu finden. Die dominierenden
Bodentypen im UG sind Gleye und Niedermoore. Letzere sind erst ab Rockstedt vorhanden, tre-
ten dann aber flussabwärts zunehmend großflächiger auf. Ab hier wird durch das Zurückwei-
chen der Geest und der randlichen, podsolierten Dünen sowie ihrer Übergangsformen auch der
Niederungscharakter mit ausgedehnten Niedermooren immer deutlicher. Zwischen Rockstedt
und Ober Ochtenhausen sowie südwestl. von Bremervörde sind kleinflächig Hochmoore anzu-
treffen. Vereinzelt existieren Übergangsformen der Braunerde zum Podsol und Pseudogley.
Abb. 2 zeigt einen Schnitt durch Geest und Niederung mit den typischen Leitböden, von denen
die meisten im UG vorkommen.
2.4 Hydrologie
Die hydrologischen Bedingungen der mittleren Osteniederung sind gekennzeichnet von jahres-
zeitlich stark schwankenden Wasserständen, regelmäßigen mehrwöchigen Überschwemmungen
8
2.3 Boden

im Winter und Frühjahr sowie Hangdruckwasser-Zufluss in den geestrandnahen, hängigen
Gebieten (
HELLBERG et al.
2003;
ROSENTHAL & MÜLLER
1988). Die jährliche Schwankungs-
amplitude zwischen Hochwasser und Niedrigwasser betrug zwischen 1983 und 2002 maximal
2,86 m. Regelmäßigen Überschwemmungen im Winter stehen gelegentliche Überflutungen im
Sommer gegenüber (
ROSENTHAL & MÜLLER
1988). Zudem ist die Überflutungsdauer im Som-
mer in der Regel viel kürzer (ebd.). Die Vegetation im Wirkungsbereich des Ostewassers ist also
einem starken Wechsel der Wasserversorgung ausgesetzt. Außer den regelmäßigen Überschwem-
mungen muss sie im Sommer trockene Perioden überstehen (ebd.). Allerdings nimmt die Drai-
nagewirkung der Flussrinne bei niedrigem Flussniveau zum Talrand schnell ab (ebd.). Dort sorgt
das von der Geest herabdrückende Grundwasser für eine konstante Wasserversorgung mit ört-
licher Staunässe (ebd.). Es sind völlig andere Feuchtigkeitsbedingungen als auf den ufernahen
Flächen vorhanden (ebd.). In den genutzten Gebieten leiten die Gräben Hangdruck-, Nieder-
schlag- und Überschwemmungswasser ab. Nach Nutzungsaufgabe verlanden die Entwässerungs-
gräben. Dadurch kommt es wie
FRESE
(1994) für Flächen z. B. bei Godenstedt beobachtet hat,
vor allem bei Hangwassereinfluss zu ausgeprägten sekundären Wiedervernässungen. In tiefer
liegenden Gebieten wie in den Hochartwiesen (südl. von Ober Ochtenhausen) führte die Verlan-
dung laut
FRESE
(ebd.) zu einem reduzierten Abfluss des Regen- und Überschwemmungswas-
sers. Die Folge: Die Flächen trocknen kaum ab (ebd.).
Der Wasserhaushalt ist zusammen mit dem Nährstoff- und Basengehalt des Bodens die wesent-
liche Einflussgröße auf die Pflanzenvergesellschaftung und die Produktivität des Feuchtgrün-
landes (vgl.
DIERSCHKE & BRIEMLE
2002). So ist die Ertragsleistung und Futterqualität von Wie-
sen und Weiden im Wesentlichen von der Wasserverfügbarkeit abhängig (ebd.).
LIENKAMP
(1993) hat die Grundwasserstände in der mittleren Osteniederung für verschiedene Vegetations-
einheiten an drei Standorten charakterisiert. Dabei wurden die untersuchten Pflanzengesellschaf-
ten und die hydrologischen Parameter zu den in Tab. 1 dargestellten sieben Wasserstufen
zusammengefasst. Ihnen gegenübergestellt sind die ökologischen Feuchtegrade nach
KUNZ-
MANN
(1989). Die Wasserstufen spiegeln laut
LIENKAMP
(ebd.) das Bodenrelief sehr deutlich
wider. So gehören bspw. die trockenen, meist sandigen Uferwälle alle den Wasserstufen VI und
VII an (ebd.). Anhand der erstellten Wasserstufenkarten können in begrenztem Ausmaß Feststel-
lungen über das Standortpotenzial bezüglich seiner Wasserversorgung gemacht werden (ebd.).
Dieses Wissen ist für eine ,,... Regeneration von degradiertem Grünland zu artenreichen Feucht-
wiesen ..." wichtig (ebd.: 4).
2. Untersuchungsgebiet
9
Abb. 2: Bodenlandschaften der Geest und ihre Leitböden. (Quelle: SEEDORF & MEYER 1992: 205)

2.5 Fließgewässer Oste
Das Gesicht der mittleren Osteniederung wird außer durch die menschliche Tätigkeit besonders
durch den Vorfluter Oste geprägt. Kennzeichnend für das Fließgewässer ist ,,... eine enge Ver-
zahnung durch Stoff- und Individuenaustausch mit der Aue ..." (
RASPER et al.
1991: 11). Auch
die Nutzung der Niederungsflächen ist unmittelbar vom Wasserstand der Oste und von der Über-
flutungsdauer abhängig. Darum soll kurz auf die hydrologischen Daten eingegangen werden.
Eine Darstellung weiterer Aspekte soll hier nicht erfolgen, weil sich die Arbeit ausschließlich
mit den Niederungsflächen beschäftigt. Für eine detaillierte Betrachtung sei z. B. auf den ,,Unter-
haltungsrahmenplan für die Obere Oste" (
StAWA
1997) verwiesen und für den ökologischen
Zustand auf die Internetseite des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft und
Küstenschutz [NLWK] (NLWK 2003a).
Das oberirdische Einzugsgebiet (A
Eo
) der Oste beträgt am Hochwassermeldepegel Rockstedt
611 km
2
(
NLWK
2003) und am Pegel Bremervörde 934 km
2
(
StAWA
1997). Die mittleren Abfluss-
mengen der Abflussjahre
5
1983 bis 2002 am Pegel Rockstedt sind in Tab. 2 dargestellt. Die Was-
serstandshauptwerte für den selben Zeitraum sind in Tab. 3 aufgelistet. Das
StAWA
(1997: 29)
bescheinigt der Oste einen ,,... weitgehend naturbelassenen Verlauf [...] [und] überwiegend natur-
nahe Abflußverhältnisse ...". Das Stauwehr in Bremervörde ist nach der Betriebsordnung vom
30.07.1980 so geregelt, dass ein Wasserstand von NN + 1,90 m eingehalten wird (ebd.). Der
Wasserstand kann während der Heuernte bis auf NN + 1,60 m und bei auftretenden Hochwäs-
sern zur Schaffung von Stauraum abgesenkt werden (ebd.). Der Rückstau durch das Wehr reicht
rechnerisch bei mittlerem Wasserabfluss bei einem Wasserstand am Wehr von NN + 1,90 m ca.
8 500 m und bei NN + 1,60 m ca. 7 000 m flussaufwärts (ebd.).
10
2.5 Oste
5
Das hydrologische Abflussjahr dauert vom 1. November des Vorjahres bis zum 31. Oktober.
Tab. 2: Abflussmengen der Oste am Pegel Rockstedt in m³/s. (Daten: NLWK, AUßENSTELLE STADE 2003)
MNQ im
Winter
1983-2002
MNQ im
Sommer
1983-2002
MQ im
Winter
1983-2002
MQ im
Sommer
1983-2002
MHQ im
Winter
1983-2002
MHQ im
Sommer
1983-2002
NQ
1983-2002
HQ
1983-2002
3,0
1,84
8,88
4,05
33,0
20,7
1,33 (26.8.1996)
1,34 (13.9.1999)
88,4 (20.7.2002)
69,8 (12.9.2001)
Tab. 3: Wasserstandshauptwerte der Oste am Pegel Rockstedt in m (NN - 0,01m).
(Daten: NLWK, AUßENSTELLE STADE 2003)
MNW
1983-2002
MHW
1983-2002
MW
1983-2002
NNW
2002
HHW
2002
MW
2002
NNW
1983-2002
HHW
1983-2002
660
660
710
687 (3.10.)
932 (20.07.)
759
646 (01.09.1983)
650 (23.08.1996)
932 (20.07.2002)
920 (12.09.2001)
Tab. 1: Wasserstufen von LIENKAMP im Vergleich zu den ökologischen Feuchtegraden nach KUNZMANN
(1989). (Quelle: LIENKAMP 1993: 105)
Wasserstufen
mF
MGW
mWFZ
WI
mÜZ
ÜD in %
ökologischer Feuchtegrad
nach KUNZMANN (1989)
I
II
III
IV
V
VI
VII
8,6
8,2
8,0
8,0
8,0
6,6
6,1
-13
-21
-19
-32
-25
-61
-91
8,6
8,2
8,0
8,0
8,0
6,6
6,1
-13
-21
-19
-32
-25
-61
-91
2,8
1,3
0,2
2,0
1,0
0
0,1
29
7
0
14
4
0
1
8
8
8w
8
7w
6w
mF = mittlere gewichtete Feuchtezahl, MGW = mittlerer Grundwasserstand in cm unter Flur, mWFZ = mittlere gewichtete Wechselfeuchtezahl, WI =
Wechselfeuchteindex, mÜZ = mittlere gewichtete Überflutungszahl, ÜD = Überflutungsdauer in % (10 %
29 Tage)

Im Hinblick auf die Nutzung der Niederung ist wichtig, dass die Oste nach dem Niedersächsi-
schen Fließgewässerschutzsystem ein Hauptgewässer der ersten Priorität ist (
RASPER et al.
1991).
Danach ist sie in ihrem gesamten Verlauf zu schützen, weitestgehend zu renaturieren und natur-
nah zu erhalten, damit sich die typische Arten- und Biotopvielfalt auf der gesamten Fließstrecke
wieder entwickeln kann bzw. sie nicht verloren geht (ebd.). Im LRP (
LK ROW
2001) wird die-
ses weiter konkretisiert: So wird eine konsequente Umsetzung der Entwicklung naturnaher Ufer,
zwecks Aufbaus eines regional bedeutsamen Biotopverbundsystems gefordert. Ebenso sollen
die naturraumtypischen Fließgewässerstrukturen und naturnahe, wenig beeinträchtigte Gewäs-
serabschnitte, wie sie an der Oste im UG anzutreffen sind, gesichert und erhalten werden (ebd.).
2.6 Klima
Die Nähe zum Meer, vorherrschend westliche Winde und wenig stabile Wetterlagen bestimmen
das ozeanisch geprägte Klima im UG (
HEIDER
1995). Die Folge sind regnerische, sonnenschein-
arme, mäßig warme Sommer und milde Winter (ebd.). Die mittlere Temperatur liegt an der Kli-
mahauptstation Bremervörde-Nieder Ochtenhausen für den Beobachtungszeitraum 1961-90 bei
8,5°C (
DEUTSCHER WETTERDIENST
[
DWD
] 2003). Die mittlere Dauer eines Tagesmittels der
Lufttemperatur von mindestens 5°C bzw. 10°C beträgt 220 bis 230 bzw. 150 bis 160 Tage (
DWD
1964). Der mittlere Jahresniederschlag lag im 30-jährigen Mittel (1961-90) bei 772 mm (
DWD
1963-92). Aufgrund der Temperatur- und Niederschlagswerte wurde das UG im Klimaatlas von
Niedersachsen (
DWD
1964) in den Klimabezirk ,,Niedersächsisches Flachland" eingeordnet. In
Abb. 3 ist das Klimadiagramm des 30-jährigen Mittels an der Klimastation Bremervörde-Nie-
der Ochtenhausen wiedergegeben. Die Darstellung ist angelehnt an
STRÄßER
(1998).
Das Mikroklima verändert sich lokal durch Relief, Boden und Vegetation. So hat
MIEß
(1968)
bei einer geländeklimatologischen Untersuchung im nördlichen Bremer Becken beträchtliche
Unterschiede zwischen den Naturraum-Grundtypen Geest, Nieder- und Hochmoor festgestellt:
Niedermoore sind nach seinen Ergebnissen am stärksten kaltluftgefährdet. Dadurch ist auch in
2. Untersuchungsgebiet
11
Abb. 3: Klimadiagramm Bremervörde-Nieder Ochtenhausen (53°32'N/9°10'E; h=5m) für den Beobachtungs-
zeitraum 1961-90. (Daten: DEUTSCHER WETTERDIENST 1963-1992; EIGENE DARSTELLUNG)

der Osteniederung die Gefahr von Spät- und Frühfrost erhöht. Als Ursachen nennt
MIEß
(1968)
u. a. den vergleichsweise geringen nächtlichen Wärmenachschub aus dem Boden und hohen Wär-
mebedarf für die Verdunstung am Tag. Das Hochmoor zeichnet sich an jedem sommerlichen
Strahlungstag durch besonders hohe Temperaturen an der Oberfläche aus (ebd.). Die Geest nimmt
bei den thermischen Verhältnissen am Tag eine Mittelstellung zwischen Nieder- und Hochmoor
ein; während sie in der Nacht wegen des höheren Wärmenachschubs aus dem Boden fast immer
am wärmsten ist (ebd.).
2.7 Vegetation
2.7.1 Potenzielle natürliche Vegetation
KRAUSE & SCHRÖDER
(1993/94) haben für die mittlere Osteniederung die potenzielle natürli-
che Vegetation
6
bestimmt. Die Autoren (ebd.) räumen allerdings ein, dass es in Tälern und Niede-
rungen schwierig ist, die heutige potenzielle natürliche Vegetation zu charakterisieren. Zum einen
ist die Umwandlung der vom Menschen extrem veränderten Standorte vielfach noch nicht been-
det (ebd.). Zum anderen haben die vorhandenen Gehölzbestände ,,... ihren Zeigerwert zumindest
bezüglich des Wasserhaushaltes eingebüßt ...", weil sie unter anderen Bedingungen aufgewach-
sen sind (ebd.: 9). Darum sind Aussagen über die Vegetationsentwicklung bei unbeeinflusster
Sukzession relativ spekulativ. Für das südliche UG (Naturraum Heeslinger Geest) bilden Trau-
benkirschen-Erlenwälder (Pruno-Fraxinetum)
7
, reine Erlenbruchwäder (Carici elongatae-
Alnetum glutinosae) und Erlenbruchwälder mit Übergängen zu Erlen-Birken-Eichenwäldern
(Betulo-Quercetum alnetosum) oder feuchten Birken-Eichenwäldern (Betulo-Quercetum moli-
nietosum) die potenzielle natürliche Vegetation (ebd.). Das mittlere und nördliche UG (Natur-
raum Ostetal) dominierten nach
KRAUSE & SCHRÖDER
(ebd.) Erlenbruchwälder. Kleinflächig
geben die Autoren Erlenbruchwälder mit Übergängen zu Erlen-Birken-Eichenwäldern oder
feuchten Birken-Eichenwäldern und Erlen-Birken-Eichenwald im häufigen Wechsel mit feuch-
tem Birken-Eichenwald für die Vegetation bei unbeeinflusster Sukzession an (ebd.).
2.7.2 Rezente Vegetation
Als reale natürliche Vegetation sind Erlenbruchwälder (Alnetea glutinosae) und Erlen-Eschen-
auenwälder
8
(Alno-Fraxinetalia) nur noch vereinzelt an den Talrändern vorhanden (
ROSENTHAL
& MÜLLER
1988). Während der Erlenbruchwald charakteristisch für ständig vernässte und zeit-
weilig auch überschwemmte Niedermoorböden ist, wächst der Erlen-Eschenwald auf den
trockeneren mineralischen Nassböden wie Gley, Nassgley und Anmoorgley, wie sie im UG vor-
kommen (
ELLENBERG
1996;
FRESE
1994;
DÖRING-MEDERAKE
1991). Die Esche (Fraxinus
excelsior) bevorzugt gegenüber der Erle (Alnus glutinosa) wasserzügige Böden (
SCHWAAR
1990). Deshalb siedelt sie eher auf Standorten mit bewegtem Grundwasser in der Nähe der Geest-
hänge (ebd.). Ansonsten ist im UG Feucht- und Intensivgrünland vorherrschend. Hinzu kom-
men mesophiles Grünland sowie die Feuchtgrünland-Kontakt- und Folgegesellschaften wie
Hochstaudenfluren (
STADT BRV
1991). Sie sind anthropogene Ersatzgesellschaften der ursprüng-
lichen Waldvegetation (
KRAUSE & SCHRÖDER
1993/94). Für
SCHWAAR
(1990) müssen die
12
2.7 Vegetation
6
Pflanzengesellschaften, die sich unter heutigen Standortbedingungen und auf Grundlage des aktuellen Wildpflan-
zenbestandes einstellten, wenn der menschliche Einfluss auf die Pflanzen unterbliebe (TÜXEN 1956).
7
Nomenklatur der Waldgesellschaften in Kap. 2.7.1 abweichend nach KRAUSE & SCHRÖDER (1993/94)
8
Traubenkirschen-Erlenwald (Pruno-Fraxinetum) ist nach ELLENBERG (1996) ein älterer Begriff für Erlen-
Eschenauenwald (Alno-Fraxinetalia).

Ersatzgesellschaften allerdings bereits vor der menschlichen Tätigkeit kleinfächig anzutreffen
gewesen sein. So sind laut
SCHWAAR
(1990: 69) ,,Grünlandembryonen" als Ausgangspunkt der
heutigen Grünlandsippen in der Urlandschaft schon vorhanden gewesen. Sie könnten ,,Relikte
spätglazialer Flußniederungen" sein (
SCHWAAR
1990: 70). Abb. 4 zeigt die Veränderung der
natürlichen Vegetation unter dem Einfluss der landwirtschaftlichen Nutzung im mittleren Wüm-
metal. Im UG dürfte die Entwicklung gestützt auf die Aussagen von
SCHWAAR
(1972) ähnlich
abgelaufen sein. Auf eine Beschreibung der Wasservegetation wird aus den in Kap. 2.5 genann-
ten Gründen verzichtet.
2.7.2.1 Feuchtgrünland
In der norddeutschen Tiefebene war das Feuchtgrünland laut
ROSENTHAL et al.
(1998) in perio-
disch überfluteten Tälern und vermoorten Niederungen landschaftsprägend. Bei extensiver Nut-
zung beherbergt das Feuchtgrünland eine Vielzahl von Pflanzengesellschaften (ebd.). Ferner ist
es Lebensraum für zahlreiche speziell angepasste Tierarten sowie -gemeinschaften und spielt
eine wichtige Rolle für den Wasserhaushalt von Landschaften (ebd.). Weiterführende Darstel-
lungen zum Feuchtgrünland wie geschichtliche Entwicklung und Typologie finden sich z. B. bei
DIERSCHKE & BRIEMLE
(2002),
ROSENTHAL et al.
(1998) und
ELLENBERG
(1996). Mittlerwei-
le ist der Flächenanteil des Feuchtgrünlandes in Nordwestdeutschland durch Melioration, Dün-
gung, erhöhte Schnitthäufigkeit, vorverlegten Schnittzeitpunkt, Überweidung sowie Nutzungs-
aufgabe stark zurückgegangen bzw. seine Artenzusammensetzung und Struktur hat sich erheb-
lich verändert, wie zahlreiche Arbeiten belegen (z. B.
ROSENTHAL et al.
1998;
DIERSCHKE &
WITTIG
1991;
GANZERT & PFADENHAUER
1988). Die ehemals artenreichen Nasswiesen und
-weiden sind heute größtenteils verarmt und eintönig von wenigen Lebensgemeinschaften geprägt
(
MÜLLER, ROSENTHAL & UCHTMANN
1992). Für das UG haben
ROSENTHAL & MÜLLER
(1988)
den Rückgang der Feuchtgrünland-Pflanzengesellschaften 1988 erstmals dokumentiert.
2. Untersuchungsgebiet
13
Abb. 4: Vegetationsentwicklung unter dem Einfluss landwirtschaftlicher Nutzung im mittleren Wümmetal. (Quel-
le: KRAUSE & SCHRÖDER 1993/94: 19)

Bei einem Vergleich der Vegetationsaufnahmen von
LENSKI
(1953) bei Godenstedt aus dem Jahr
1952 stellten
ROSENTHAL & MÜLLER
(1988: 79) einen ,,... drastischen Wandel der Grünlandve-
getation ..." fest. Bei der Kartierung von
LENSKI
(1953) dominierten noch die zum Verband
Sumpfdotterblumen-Wiesen (Calthion) gehörende Assoziation Wassergreiskraut-Wiese (Sene-
cioni-Brometum racemosi) und auf den trockeneren, höher gelegenen Uferwällen der Oste ver-
schiedene Subassoziationen der Glatthafer-Wiese (Arrhenatherion elatioris). Doch durch Nut-
zungsintensivierung und -aufgabe verarmten die Grünlandbestände in den folgenden Jahren
(
ROSENTHAL & MÜLLER
1988). Auf den artenarmen Intensivflächen dominierten mittlerweile
die wertvollen Futtergräser (ebd.). Und während auf den Intensivflächen durch die Verschiebung
des Artenspektrums ,,... nicht einmal mehr Relikte der 1952 ausgewiesenen Pflanzengesellschaf-
ten zu erkennen ..." waren, hatten sich auf den aufgelassenen Flächen feuchte, artenärmere Hoch-
staudenfluren, Großseggenrieder und Röhrichte (Phalaridetum-, Glycerietum-, Filipendula-
und Convolvuletalia-Gesellschaften) ausgebildet (ebd.: 79). Die Artenzahl in brachebedingten
Folgegesellschaften geht im Vergleich zu Feuchtgrünland drastisch zurück: Sie liegt in einigen
Beständen ähnlich wie im Intensivgrünland bei sechs bis neun im Gegensatz zu 35 bis 40 Arten
in den Wassergreiskraut-Wiesen (
HELLBERG et al.
2003).
ROSENTHAL & MÜLLER
(1988: 97)
bezeichnen die Hochstaudenfluren und Röhrichte als Beinahe-Dauerstadium, da diese ,,... nach
mehr als 20 Jahren Brache noch dominieren ...". Wegen der geschlossenen Streu- und Pflanzen-
decke sowie des dichten Rhizomgeflechtes können sich neue Arten nur schwer oder wie die Holz-
gewächse aus den angrenzenden Erlen-Eschenwäldern gar nicht etablieren (ebd.).
Weitere Studien stützen die von
ROSENTHAL & MÜLLER
(1988) aufgezeigten gravierenden Ver-
änderungen der Pflanzengesellschaften im Ostetal in den vergangenen Jahrzehnten: So konnte
FRESE
(1994) durch einen Vergleich mit den Vegetationsaufnahmen von
MEISEL
(1967) aus den
Jahren 1964/65 den Wandel in der mittleren Osteniederung zwischen Eitzte und Bremervörde
repräsentativ und flächenscharf ermitteln. Dabei stellte er einen ,,starken Rückgang" der Feucht-
weiden (Lolio-Cynosuretum lotetosum) sowie der Wassergreiskraut-Wiesen fest (
FRESE
1994:
129). Die Binsen-Pfeifengraswiesen (Junco-Molinietum) waren ganz verschwunden (ebd.). Für
fast alle Kennarten des Wirtschaftsgrünlandes (Molinio-Arrhenatheretea) registrierte
FRESE
(ebd.) einen Rückgang. Dagegen hatten sich die Nährstoffzeiger und brachetoleranten Arten aus-
gebreitet (ebd.). Bei den ehemals vorherrschenden Wassergreiskraut-Wiesen zeigte der floristi-
sche Wandel, dass sie in einem großen Umfang (29 %) brachgefallen waren und die Verände-
rung in Flutrasen (Potentillo-Polygonetalia) oder Fragmentgesellschaften durch Nutzungsin-
tensivierung (34 %) entscheidend zum Rückgang beigetragen hatte (
FRESE & MÜLLER
1996:
449). Dies wird auch durch die Untersuchungen von
HENGSTENBERG
(1992),
LÜTKE
(1992)
sowie
MÜLLER, ROSENTHAL & UCHTMANN
(1992) bestätigt. Infolge zeitweiligen Brachfallens
breiten sich nach
FRESE & MÜLLER
(1996) höherwüchsige Arten (v. a. Rohr-Glanzgras [Phala-
ris arundinacea])
9
auch in den restlichen Wassergreiskraut-Wiesen aus. Der Rückgang gut aus-
geprägter Gesellschaftsbestände ist demnach ,,... nicht nur Folge intensivierter, sondern auch
extensivierter, häufig verspäteter Nutzung der vormals zweischürigen Feuchtwiesen ...", schluss-
folgern
HELLBERG et al.
(2003: 247).
Ferner waren bei den Aufnahmen 1993 Nährstoffzeiger wie Gemeiner Löwenzahn (Taraxacum
officinale agg.) häufiger und dominanter als noch 1964/65 (
FRESE & MÜLLER
1996). Der frü-
here erste Mahdtermin ließ den Anteil an spät fruchtenden Arten mit kurzlebiger Samenbank
schrumpfen (ebd.). Davon v. a. betroffen ist mit der Traubigen Trespe (Bromus racemosus) eine
Kennart der Wassergreiskraut-Wiesen (ebd.). Laut Roter Liste für Farn- und Blütenpflanzen ist
ihr Bestand in Niedersachsen und Bremen stark gefährdet (
GARVE
1993); eine Übersicht der im
14
2.7 Vegetation
9
Nomenklatur der Farn- und Blütenpflanzen erfolgt nach GARVE & LETSCHERT (1991).

UG kartierten Rote-Liste-Arten bietet Tab. VII im Anhang A. Im Gegensatz zur Traubigen
Trespe profitiert nach
FRESE & MÜLLER
(1996) die zweite Kennart, Wasser-Greiskraut (Sene-
cio aquaticus), vom früheren Schnittzeitpunkt, weil sie erst nach der ersten Mahd einen Blüten-
stand ausbildet. Sie war 1993 häufiger in den Wassergreiskraut-Wiesen anzutreffen (ebd.). Letzt-
lich fielen mehr als die Hälfte der Feuchtwiesen zwischen 1964 und 1993 der Nutzungsaufgabe
zum Opfer, stellen
FRESE & MÜLLER
(ebd.) fest. Trotz des beschriebenen Rückgangs war die
mittlere Osteniederung laut
HENGSTENBERG
(1992: 92) Anfang der 90er Jahre im Vergleich zu
anderen Flusstälern ,,... ein an verschiedenen Pflanzengesellschaften reiches [...] [und] durch
großen Artenreichtum an z. T. seltenen Arten ..." charakterisiertes Gebiet. Nicht zuletzt weil der
Rückgang nach der Vergleichskartierung von
FRESE
(1994) nicht so gravierend ausfiel wie in
anderen Flusstälern. Die Vernetzung zwischen den extensiv genutzten Feuchtbiotopen und inten-
siver genutzten landwirtschaftlichen Nutzflächen beschrieb
FRESE
(1994: 130) noch als ,,groß-
flächig". Aus diesen Gründen kommt der Osteniederung ,,... eine große ökologische Bedeutung
..." zu, unterstreicht
HENGSTENBERG
(1992: 88).
HELLBERG et al.
(2003: 252f.) ziehen für die
gesamte mittlere Osteniederung mittlerweile allerdings ein ernüchterndes Fazit: Die ,,... arten-
reichen Feuchtwiesen [...] [waren] im Ostetal bis vor zehn Jahren [...] in hervorragendem Zustand
erhalten ...".
2.8 Fauna
Über die Fauna in der mittleren Osteniederung existieren nicht derart detaillierte Arbeiten wie
zur Flora. Einzig für die Stadt BRV listet der LP BRV (
STADT BRV
1991) das gesamte Artenin-
ventar auf. Die Listen beziehen sich jedoch nicht nur auf das UG, so dass sie keinen genauen
Überblick über die dort lebenden Tiere liefern. Einzig für die Avifauna hat
KULLIK
(1992) eine
umfassende Bestandsliste erstellt. Darum kann im Folgenden lediglich ein grober Abriss der Tier-
welt im UG gegeben werden. Allgemeine Aussagen zur Feuchtgrünland-Biozönose finden sich
z. B. bei
ROSENTHAL et al.
(1998). Auf die Fauna des Fließgewässers Oste soll aus den in Kap. 2.5
genannten Gründen nicht eingegangen werden.
Der Wiesenvogelschutz ist oft das Hauptanliegen beim Erhalt von Feuchtgrünland. Nicht ohne
Grund: Die Bestände von Kiebitz (Vanellus vanellus)
10
, Uferschnepfe (Limosa limosa), Rot-
schenkel (Tringa totanus), Bekassine (Gallinago gallinago) und Großem Brachvogel (Nume-
nius arquata) gehen drastisch zurück (
NATURSCHUTZBUND DEUTSCHLAND [NABU]
2003). Das
NMU
(2001: 21) nennt die Situation der Kulturlandschaftsvögel ,,besorgniserregend". Als Ursa-
chen führen verschiedene Autoren Brachfallen, Entwässerung, hohe Düngergaben und frühe
Bewirtschaftung an (vgl.
NABU
2003;
NMU
2001). Infolgedessen entstehen struktur- und arten-
arme, dicht aufwachsende Grünlandflächen, die nur wenig Nahrung und Schutz bieten: Die Vögel
verhungern, wandern ab oder sind leichte Beute für Feinde (
NMU
2001).
Im nördlichen LK ROW hat
KULLIK
(1992) diesen Abwärtstrend ebenfalls festgestellt. Danach
konnte der Autor (1992) ehemals nachgewiesene Leitarten für das Feuchtgrünland wie Kampf-
läufer (Philomachus pugnax) und Rotschenkel nicht mehr beobachten. Ebenfalls nicht mehr
nachweisbar waren u. a. Goldregenpfeifer (Pluvialis apricaria), Bruchwasserläufer (Tringa gla-
reola), Blaukehlchen (Luscinia svecica) und Trauerseeschwalbe (Chlidonias niger). Zudem
weist
KULLIK
(1992) auf die negativen Effekte der anhaltenden Feuchtgrünland-Melioration auf
den Bestand der Wiesenbrüter der Roten-Liste wie Bekassine, Uferschnepfe, Großer Brachvo-
gel und Braunkehlchen (Saxicola rubetra) hin (vgl.
NABU
2003;
SÜDBECK & WENDT
2002).
2. Untersuchungsgebiet
15
10
Nomenklatur nach NICOLAI, SINGER & WOTHE (1993)

Seit der zitierten avifaunistischen Aufnahme sind mittlerweile über zehn Jahre vergangenen. Es
ist deshalb anzunehmen, dass die Wiesenbrüterzahl im UG, analog zum allgemeinen Trend wei-
ter abgenommen haben dürfte (vgl. ebd.). Diese Annahme wird durch den in Kap. 2.7.2.1 auf-
gezeigten Rückgang ihrer Lebensräume gestützt.
2.9 Regionalplanerische Zweckbestimmung
2.9.1 Landes-Raumordnungsprogramm
Für das UG von Relevanz ist die Aussage im
LANDES-RAUMORDNUNGSPROGRAMM [LROP]
(2002) bezüglich der moorigen Niederungen, Feuchgrünlandgebiete, Sandheiden und naturna-
hen Fließgewässer im Naturraum Stader Geest. Sie weist das
LROP
(Teil II, 2002: Abschn. C 1.7,
Ziffer 03.3) als ,,vorrangig schützenswert" aus. Die natürlichen Abläufe der genannten Natur-
räume sollen durch Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen gesichert werden. Dementsprechend
müssten die verbliebenen artenreichen Feuchtgrünlandstandorte (vgl. Kap. 2.7.2.1) mit Hilfe
der Landwirte geschützt werden. Aufgrund seines allgemeinen Charakters fehlen allerdings kon-
krete Hinweise, wie und mit welchen Instrumten solche Gebiete geschützt, entwickelt und erhal-
ten werden sollen (vgl. Niedersächsisches Gesetz über Raumordnung und Landesplanung
[NROG]). Ferner wird im
LROP
gefordert, dass eine leistungsfähige ,,bäuerlich strukturierte Land-
wirtschaft" gestärkt, die Kulturlandschaft mit Hilfe einer ,,umweltschonende[n] Landbewirtschaf-
tung" erhalten und wiederhergestellt wird sowie naturnahe Flächen in ,,ausreichender Ausdeh-
nung" erhalten und entwickelt werden (Teil II, 2002: Abschn. C 1.3, Ziffer 02). Zudem sollen im
Rahmen der ordnungsgemäßen Landwirtschaft
11
extensive Nutzungsformen und besondere
Landschaftsbestandteile erhalten und entwickelt werden.
2.9.2 Regionales Raumordnungsprogramm
Im
REGIONALEN RAUMORDNUNGSPROGRAMM [RROP]
(2001) des LK ROW wird die große
Bedeutung einer leistungsfähigen Landwirtschaft für den LK ROW hervorgehoben. Um sie lang-
fristig zu sichern, sind die Flächenansprüche anderer, ,,... so gering wie möglich ..." zu halten
(
RROP
2001: 55). Damit sich der Wirtschaftszweig weiter entwickeln kann, muss landwirtschaft-
liche Nutzfläche in genügendem Umfang erhalten bleiben. Gleichzeitig sollen die charakteristi-
schen Landschaftselemente wie Grünlandflächen und naturnahe Fließgewässer gesichert wer-
den. Wie schon beim
LROP
(2002) sind im
RROP
(2001) keine konkreten Vorschläge enthalten,
wie das Grünland erhalten werden soll. Der Grund hierfür ist sein rahmenhafter Charakter (vgl.
Verwaltungsvorschrift zum NROG). Die
RROP-AUTOREN
(2001: 40) weisen lediglich auf die
,,besondere Bedeutung" hin, die eine Kooperation mit der Landwirtschaft für die Umsetzung der
genannten Ziele hat.
Die Feuchtgrünlandflächen der mittleren Osteniederung zwischen Rockstedt und Bremervörde,
das naturnahe Fließgewässer Oste mit seiner Niederung und die Dünenzüge entlang der Niede-
rung nördlich von Minstedt (Tempelberg) und bei Granstedt sind nach dem
RROP
(2001: 104)
,,besonders erhaltenswert". In der zeichnerischen Darstellung ist die mittlere Osteniederung zwi-
schen Granstedt und Bremervörde als Vorranggebiet für Natur und Landschaft ausgewiesen. Hier
sind nach dem
RROP
(2001) die Voraussetzungen für ein Naturschutzgebiet (NSG) gegeben. Süd-
lich von Granstedt ist das UG in der Karte als Vorsorgegebiet für Natur und Landschaft einge-
16
2.9 Regionalplanerische Zweckbestimmung
11
Im Folgenden werden ordnungsgemäße Landwirtschaft und gute fachliche Praxis (GfP) synonym verwendet.

tragen. Als Gründe für die Ausweisung als Vorrang- und Vorsorgegebiet werden im
RROP
(ebd.:
42/107) seine Funktion als kennzeichnendes Landschaftselement, seine Gefährdung, seine Sel-
tenheit und seine ,,besonders hohe Bedeutung" für die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes
genannt. Ferner dient artenreiches Grünland dem Hochwasserschutz und extensiv genutzte sowie
aufgelassene landwirtschaftliche Flächen sind letzte Rückzugsräume für seltener werdende Tier-
und Pflanzenarten. Nach dem
RROP
(ebd.: 43) ist die mittlere Osteniederung wegen ihren viel-
fältigen Funktionen ,,... vor störenden Einflüssen oder Veränderungen durch andere [...] [Nutzer]
zu schützen." Davon ausgenommen ist die ordnungsgemäße Landwirtschaft.
Die mittlere Osteniederung ist nach der zeichnerischen Darstellung in weiten Teilen ebenfalls
Vorsorgegebiet für die Landwirtschaft. Zum einen, weil es besonders wertvolle Gebiete für die
Hofbetreiber sind (u. a. zwischen Rockstedt und Eitzte)
-
hier sind nach dem
RROP
(2001: 56)
alle anderen Flächenansprüche weitestgehend ,,... auf landwirtschaftlich weniger wertvolle ..."
Areale zu lenken. Falls dies nicht möglich ist, sollen Flurneuordnungsverfahren Landnutzungs-
konflikte entschärfen. Zum anderen ist es landwirtschaftliches Vorsorgegebiet, weil die Agrar-
wirtschaft in der Osteniederung das charakteristische Landschaftsbild erhält und u. a. besonde-
re Funktionen für den Naturhaushalt, den Hochwasserschutz sowie die Klimaverbesserung hat.
Darum sind nach den Vorgaben des
RROP
alle schutzrelevanten Erhaltungs-, Pflege- und Ent-
wicklungsmaßnahmen mit der Landwirtschaft abzustimmen. Im
RROP
(2001: 119) wird heraus-
gestellt, dass die weitere Grünlandnutzung die Grundlage für Bewahrung ,,... einer artenreichen,
zunehmend selteneren Tier- und Pflanzenwelt des Feuchtgrünlandes ..." ist.
2.9.3 Landschaftsrahmenplan
Im
LRP
(
LK ROW
2001) sind für Biotoptypen aus regionaler Sicht Prioritätsstufen festgelegt wor-
den. Die im UG vorkommenden Biotoptypen wie naturnaher Fluss (FF)
12
, Erlenbruchwald (WA),
Seggen-, Binsen und Staudensumpf (NS), Landröhricht (NR) und seggen-, binsen und hochstau-
denreiche Nasswiese (GN) sind als besonders schutzwürdig und -bedürftig eingestuft worden.
Mesophiles Grünland (GM) mit avifaunistischer Bedeutung, Intensivgrünland feuchter bis nas-
ser Standorte (GIN, GIA u. GIF) und mesophiles Grünland gelten nach dem
LRP
(ebd.: 151) als
,,schutz- und entwicklungsbedürftig". Für die Sicherung der sich aus den Biotoptypen ergeben-
den Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Landschaft im LK ROW fordern die
LRP-AUTOREN
den
Schutz typischer naturräumlicher Strukturen und örtlicher Charakteristika sowie den Erhalt der
kulturlandschaftlichen Eigenart wie sie auch im mittleren Ostetal vorhanden ist. Letzteres kann
nur mit der Landwirtschaft erreicht werden. Darum soll sie laut
LRP
in ein regionales und über-
regionales Bewirtschaftungs- und Pflegekonzept eingebunden werden. Dieses soll die Existenz
der bäuerlichen Betriebe sichern und dadurch gewachsene, raumtypische Orts- und Landschafts-
bilder erhalten. Für verschiedene Landschaftstypen, zu denen auch die mittlere Osteniederung
gehört, sind im
LRP
ebenso wie für kleinräumig gegliederte, von Grünland geprägte Flur natur-
schutzfachliche Ziele definiert worden. Diese sind in Tab. VIII im Anhang A wiedergegeben.
Die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes im LK ROW ist nur durch ein System von Schutz-
gebieten zu sichern. Dabei misst der
LRP
(ebd.: 163) den zumeist großflächigen Landschafts-
schutzgebieten ,,... eine besondere Bedeutung für die dringend notwendige Bewältigung von Nut-
zungskonflikten ..." bei. Die mittlere Osteniederung ist zurzeit zum größten Teil als Landschafts-
schutzgebiet (LSG) gesichert (vgl. Karten 4a-c). Nach dem
LRP
erfüllt sie im UG zwischen
Granstedt und Bremervörde sowie an der Einmündung der Bade die notwendigen Voraussetzun-
2. Untersuchungsgebiet
17
12
Abkürzungen nach VON DRACHENFELS (1994)

gen für ein Naturschutzgebiet (NSG). Als Schutzzweck definiert der
LRP
(ebd.: 180/184) den
,,... Erhalt und [die] Entwicklung eines naturnahen Fließgewässersystems mit seinen angrenzen-
den grünlandgeprägten Niederungsbereichen als Lebensraum seltener und gefährdeter Tier- und
Pflanzenarten ..." sowie den ,,... Erhalt naturnaher Niedermoorbereiche mit Feuchtgebüschen
und Sümpfen ...". Ein detaillierter PEPL soll für jedes zukünftige NSG erarbeitet werden. Der
Erfolg der eingeleiteten Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen soll durch Biotopmonitoring über-
prüft werden. In geeigneten Gebieten ist laut
LRP
(ebd.: 178) auch der Vertragsnaturschutz ein
,,sinnvolles Instrument" zum langfristigen Schutz und zur Pflege von Arealen. Zudem sollen
Räume mit Biotoptypen, die durch Nutzungsänderung stark bedroht sind, mit hoher Priorität als
Schutzgebiete ausgewiesen werden. Wie in Kap. 2.7.2.1 dargelegt, trifft dies auf die Feucht-
grünlandflächen im UG zu.
Das übrige UG erfüllt nach dem
LRP
die Voraussetzungen für ein LSG. Als Schutzzweck steht
im
LRP
(ebd.: 203) u. a. die ,,... Sicherung und Entwicklung von Lebensraumkomplexen im Über-
schwemmungsraum der Niederung ...". Ferner soll das LSG als Pufferzone für angrenzende NSG
und großflächige Areale, die nach § 28a Niedersächsisches Naturschutzgesetz (NNatG) geschützt
sind, dienen. Als Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen wird im
LRP
(ebd.) die ,,... Entwicklung
von Feuchtgrünland und mesophilem Grünland ..." durch Nutzung nach naturschutzfachlichen
Kriterien und die Rückführung von Acker- in Grünland vorgeschlagen. Erreicht werden soll dies
durch Vertragsnaturschutz oder vergleichbare Instrumente. Gleichzeitig gehen laut
LRP
(ebd.:
203) von der Landwirtschaft in intensiv genutzten Gebieten ,,Beeinträchtigungen und Beein-
trächtigungsrisiken" für die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes
aus.
Der
LRP
skizziert allgemeine und besondere Anforderungen an die Landwirtschaft. Darunter fal-
len auch Erhalt und Entwicklung von Feucht- und Nassgrünland wie es im UG vorkommt. Bei
den Biotopen besteht aufgrund ,,... der akuten Gefährdung von Feuchtgrünlandarten bzw. deren
Lebensräumen [...] dringender Handlungsbedarf ..." (ebd.: 255). Der
LRP
nennt je nach speziel-
lem Schutzzweck einige Vorgaben wie Verzicht auf Düngung und Neueinsaat. Die Landvolk-
verbände Bremervörde, Zeven und Rotenburg haben den
LRP-VORENTWURF
aus dem Jahr 2000
scharf kritisiert. So können laut
ARBEITSGEMEINSCHAFT DER LANDVOLKVERBÄNDE BREMER-
VÖRDE, ROTENBURG UND ZEVEN
(2000: 6) ,,... weitere Einschränkungen der landwirtschaft-
lichen Flächenbewirtschaftung in bereits vorhandenen Schutzgebieten [...] nicht hingenommen
werden." Dieser Satz verdeutlicht den vorhandenen Nutzungskonflikt zwischen Landwirtschaft
und Naturschutz in den bereits geschützten Gebieten, zu denen auch das UG teilweise gehört
(vgl. Karte 4a-c).
2.10 Hoheitlicher Gebietsschutz und agrarumweltpolitische
Instrumente
Im UG sind große Flächen entweder nach § 28a NNatG als besonders geschützte Biotope, LSG,
Wasserschutzgebiet (WSG) und/oder Überschwemmungsgebiet (ÜSG) ausgewiesen. Ihre geo-
graphische Lage ist den Karten 4a-c zu entnehmen. Weitere Hinweise zu den Schutzgebieten
erfolgen in Kap. 4.2.4. In den Karten 4a-c sind außerdem die Flächen dargestellt, die Land-
wirte im Rahmen von Extensivierungsmaßnahmen bewirtschaften. Auf die Einzelheiten wie
Abgrenzung, Nutzungseinschränkungen und deren Beurteilung durch die Landwirte wird in Kap.
4.2.4 näher eingegangen.
18
2.10 Hoheitlicher Gebietsschutz und agrarumweltpolitische Instrumente

2.11 Landwirtschaft
Die Feuchtwiesen in der Osteniederung gehörten für die Hofbetreiber bis ins vergangene Jahr-
hundert zu den wertvollsten landwirtschaftlichen Nutzflächen, weil sie den Hauptanteil für die
jährliche Heumenge lieferten (
ROSENTHAL & MÜLLER
1988). Die standörtlichen Voraussetzun-
gen mit einer ausreichenden Feuchtigkeit und durch die periodischen Überschwemmungen einer
genügenden Nährstoffversorgung waren für gewinnträchtige Wirtschaftswiesen vorhanden
(ebd.). Doch zunehmende Nutzungsansprüche erforderten bald eine zusätzliche Düngung, um
die Erträge zu steigern (ebd.). Stallmist kam hierfür nicht in Frage, weil die Landwirte ihn für
die Ackerfläche brauchten (ebd.). Stattdessen versuchten sie die düngende Wirkung der natür-
lichen Überflutungen durch künstliche Berieselung zu erhöhen (vgl.
SCHWINEKÖPER
2000). Der
Haupteffekt für die Ertragsentwicklung ist nach
KLAPP
(1971: 133) ,,die anfeuchtende Wirkung"
während trockener Wetterperioden.
ROSENTHAL & MÜLLER
(1988) rekonstruierten für die Oste-
niederung bei Godenstedt das komplizierte Grabensystem zur Wiesenberieselung: Wie Abb. 5
zeigt, waren die Zu- und Ableitungsgräben nicht direkt miteinander verbunden, sondern über die
jeweils mit leichtem Gefälle versehenen, berieselten Teilflächen der Wiese (ebd.). Die Dünge-
wirkung und die Ertragssteigerung durch die Bewässerung schätzen
ROSENTHAL & MÜLLER
(1988: 83) als ,,nicht allzu groß" ein, weil das Rieselwasser aus nährstoffarmen Sand- und Moor-
gebieten stammte und das Hangdruckwasser zwar reich an Mineralstoffen wie Mg, K und Ca
ist, aber arm an den primär wichtigen Nährstoffen Nitrat sowie Amonium. Darum war die jähr-
liche Heumenge pro Fläche nur bei nährstoff- und feinsedimentreichem Wasser sowie sachge-
rechter Berieselung überdurchschnittlich hoch. Nach
KLAPP
(1971) haben die Rieselwiesen in
der Regel ein hohes Düngebedürfnis. Da die berieselten Flächen bei Godenstedt zumeist mit
nährstoffarmem Wasser erfolgte, dürfte eine Bodenverarmung die langfristige Folge der häufi-
gen Berieselung gewesen sein (ebd.).
Mitte der fünfziger Jahre änderte sich die traditionelle Wirtschaftsweise durch den verstärkten
Mineraldüngereinsatz, die Aufgabe des unterhaltungsaufwendigen Berieselungssystems und den
zunehmenden Maschineneinsatz auf den vormals kleinparzelligen Rieselwiesen (
ROSENTHAL
& MÜLLER
1988). Die Grundstücke, die nicht durch Hangdruckwasser beeinflusst waren, trock-
neten rasch ab (ebd.). Dadurch veränderten sich die Standorteigenschaften und Bewirtschaftung
der einzelnen Flächen (ebd.). Die Landwirte passten die Grünlandnutzung innerhalb der betriebs-
wirtschaftlichen Erfordernisse an die Marktlage im westlichen Europa an, begründet
HARTMANN
(1969) die starke Nivellierung der Standorte. Letztlich hat sich die Form und Intensität der land-
2. Untersuchungsgebiet
19
Abb. 5: Ein feinverzweigtes Rieselsystem mit Zu- und Ableitungsgrä-
ben versorgte die Wiesen mit zusätzlichen Nährstoffen. (Quel-
le: ROSENTHAL & MÜLLER 1988: 83)
Z = Zuleitungsgraben; A = Ableitungsgraben

13
Öffentliche Kollektivgüter unterliegen im Gegensatz zu privaten Gütern ,,... nicht dem Marktmechanismus von
Angebot und Nachfrage, weil [...] [sie] freie Güter ohne Preis sind ..." (ROGALL 2000: 547).
14
Unter Opportunitätskosten (Alternativkosten) versteht die Volkswirtschaftslehre Kosten, die hätten entstehen kön-
nen, wenn die vorhandenen Produktionsmittel für eine andere als die tatsächliche Verwendung eingesetzt worden
wären; bei ökonomischen Problemstellungen werden bei alternativer Verwendung eines Produktionsmittels oft für
den eventuell entgangenen Nutzen in entsprechender Höhe Opportunitätskosten angesetzt (SCHREIBER 1987).
wirtschaftlichen Nutzung in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt (
BORGGRÄFE
1996).
So spielt das natürliche Standortpotenzial in der agrarwirtschaftlichen Praxis eine immer gerin-
gere Rolle, stellt
BORGGRÄFE
(ebd.) fest. Die heutige Graslandwirtschaft ist nach
DIERSCHKE
& BRIEMLE
(2002) durch folgende Merkmale geprägt:
·
Flüssigmist- statt Festmistwirtschaft
·
Futterkonservierung durch Einsäuerung (Silage) statt Dürrfutterbereitung (Heu)
·
früherer erster Schnittzeitpunkt, dadurch mehr Nutzungen pro Jahr
·
infolge hoher Viehzahlen pro Betrieb und hoher Besatzstärke Gefahr der Überdün-
gung hofnaher Flächen mit Gülle
Damit gehen diverse Umweltprobleme einher, die im Zusammenhang mit der Landwirtschaft
stehen.
KORNECK & SUKOPP
(1988) sehen die Agrarwirtschaft z. B. als Hauptverursacher des
Rückganges von Farn- und Blütenpflanzen. Für den
SRU
(1985) wiegt der hauptsächlich durch
die Landwirtschaft verursachte Artenschwund am schwersten. Als wesentliche Rückgangs-
ursachen für Pflanzen und Pflanzengesellschaften des Grünlandes führen
POSCHLOD & SCHU-
MACHER
(1998) den hohen Stickstoffeinsatz, die Entwässerung, den Grünlandumbruch, das
Brachfallen und die Aufforstung an. Auf weitere Aspekte der Umweltprobleme soll hier nicht
eingegangen werden. Es sei auf die umfangreiche Literatur wie z. B.
SRU
(1985)
HABER & SALZ-
WEDEL
(1992) und
LINCKH et al.
(1997) verwiesen.
Außer den negativen Effekten (Umweltwirkungen) sprechen verschiedene Autoren wie
MEYER-
AURICH
(2001) der Landwirtschaft aber auch positive Umweltleistungen zu, die honoriert wer-
den müssen. Der Grund: Über Jahrhunderte wurden laut
BAHNER
(1996: 18) die heute knappen
und nachgefragten, ökologischen Kollektivgüter
13
wie Artenvielfalt als kostenlose ,,... Koppel-
produkte der Nahrungsmittelerzeugung erstellt." Die Artenvielfalt auf Feuchtgrünland war also
ein ungezielter Nebeneffekt der Bewirtschaftung von Wiesen und Weiden bei der Herstellung
von privaten Gütern wie Heu oder Fleisch. Erst als Mitte der 50er Jahre durch neue Produktions-
verfahren die Erzeugung der Nahrungsmittel nicht mehr an die ökologischen Zusammenhänge
gebunden war, entfielen die positiven ökologischen Begleiterscheinungen weitgehend (
BREIT-
SCHUH & ECKERT
1997;
MUNCH
1997). So ermöglichte bspw. die technische Entwicklung der
Güllewirtschaft Massentierhaltung bei Schweinen auf der Basis von Zukauffutter
-
eine flächen-
unabhängige Veredlung war machbar geworden. Es fand also eine produktionstechnische Ent-
koppelung von kollektiven und privaten Gütern statt (
BAHNER
1996). Da der Preis von Kollegtiv-
gütern unbewertet ist, ist ihre Erzeugung sogar mit Opportunitätskosten
14
verbunden (ebd.). Das
heißt, für die positiven externen Effekte der Landwirtschaft wie die Schaffung einer vielfältigen
Landschaft, ist die Gesellschaft nicht bereit, soviel Geld zu bezahlen, wie für eine optimale Aus-
stattung damit notwendig wäre (
ROGALL
2000). Demgegenüber muss der Landwirt für negative
externe Effekte wie Bodenerosion nichts bezahlen, weil die Kosten externalisiert sind (ebd.).
Wer demnach unerwünschte Verhaltensweisen vermeiden und erwünschte fördern will, muss
hierzu Anreize schaffen. Zurzeit ist es laut
HAMPICKE
(2000a: 44f.) jedoch so, dass ,,... die Ver-
nichtung der Artenvielfalt ..." honoriert wird. Der Autor nennt die nahezu flächendeckende und
finanzstarke Förderung der landwirtschaftlichen Infrastruktur durch die Flurbereinigung als Bei-
spiel. Auf weitere Aspekte der ökonomischen Zusammenhänge soll an dieser Stelle nicht einge-
20
2.11 Landwirtschaft

gangenen werden. Es sei auf die Fachliteratur wie z. B.
ROGALL
(2000) und
WICKE
(1993) ver-
wiesen.
In der ausgesprochenen Grünlandregion des LK ROW etablierten sich nach dem 2. Weltkrieg
zunehmend Betriebe mit einem hohen Spezialisierungsgrad (
LK ROW
2001;
FUHRMANN
1990).
Infolge der Produkteinengung ist die Zahl der traditionellen Gemischtbetriebe gesunken (
LK ROW
2001). 1999 war im LK ROW Futterbau mit Rinderhaltung die dominierende Betriebsform
(
NIEDERSÄCHSISCHES LANDESAMT FÜR STATISTIK [NLS]
2003e). Über 65 % der landwirt-
schaftlichen Betriebe erwirtschafteten hiermit ihren Lebensunterhalt (ebd.). Die Grünlandwirt-
schaft ist dabei die entscheidende Basis der Rinderhaltung (
ISSELSTEIN
2003). Das Grünland
dient als Futterlieferant und Lebensraum für die Nutztiere (ebd.). Die höhere Spezialisierung ist
nur ein Merkmal des jahrzehntelangen Strukturwandels in der Landwirtschaft. So ist im LK ROW
die Anzahl der Betriebe ab einer landwirtschaftlich genutzten Fläche (LF) von 1 ha zwischen
1979 und 2001 um 50,5 % gesunken (Landesdurchschnitt: 51%). In Abb. 6 ist der Abwärtstrend
dargestellt. Trotz Rückgang der Betriebszahl sind im Landkreis entsprechende Nutzflächen im
größeren Umfang nicht brachgefallen, sondern sie wurden von expandierenden Höfen über-
nommen (
LK ROW
1996). Nach den Untersuchungen von
FRESE & MÜLLER
(1996) sind im UG
jedoch die unattraktiven Grenzertragsstandorte aufgelassen worden. Die durchschnittliche LF
pro Betrieb ist im LK ROW von 1979 bis 2001 um 94,1 % gestiegen (
NLS
2003, 2003a-c). Im
überregionalen Vergleich liegt sie mit 45,8 ha über dem Landesdurchschnitt von 42 ha (
NLS
2003c). Die so genannte Wachstumsschwelle beträgt nach dem
RROP
(2001) 50 ha. Im ,,Gutach-
ten zur Landwirtschaft im Landkreis Rotenburg/Wümme" sprechen die Autoren dagegen von
einer Wachstumsschwelle von 75 ha (
LK ROW
1996). Abb. 7 zeigt den absoluten Zuwachs der
durchschnittlichen LF pro Betrieb.
2. Untersuchungsgebiet
21
Abb. 6: Entwicklung der Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe im Landkreis Rotenburg (Wümme). (Daten:
NLS 2003, 2003a-c; EIGENE DARSTELLUNG)
5668
4220
3718
2919
2805
0
1000
2000
3000
4000
5000
6000
1979
1991
1995
1999
2001
Jahr
Betriebszahl ab 1ha LF

Die Folgen für das Feuchtgrünland infolge der Strukturveränderungen sind dramatisch: Die exten-
siven Feuchtwiesen als Ergebnis einer über 300-jährigen Wiesenkultur in den Niederungen er-
fahren seit ca. 40 Jahren wegen weiterer Melioration und Aufgabe von Grenzertragsstandorten
eine fast vollständige Veränderung (
FRESE
1994). Zu der skizzierten landwirtschaftlichen Ent-
wicklung hat die gemeinsame europäische Agrarpolitik (GAP) ebenso beigetragen wie die
Marktmacht weniger Handelskonzerne und das Verhalten preisbewusster Verbraucher (z. B.
SIGGE
2003;
BORGGRÄFE
1996;
SRU
1996).
2.11.1 Wirtschaftliche Bedeutung
Der LK ROW ist laut
RROP
(2001: 97) ,,überdurchschnittlich stark" von der Landwirtschaft
geprägt. Trotz jahrzehntelangem Strukturwandel ist der wirtschaftliche Stellenwert der Agrar-
wirtschaft weiterhin hoch (
RROP
2001). Gerade in den überwiegend ländlich strukturierten
Gemeinden wie im UG hat die Landwirtschaft weiterhin einen hohen wirtschaftlichen Stellen-
wert und ist die Lebensgrundlage vieler Menschen (
LK ROW
1996). Als Belege werden der Anteil
der Erwerbstätigen in der Land- und Forstwirtschaft im Kreisgebiet und das Vorhandensein wich-
tiger Verarbeitungs- und Vermarktungsunternehmen für landwirtschaftliche Produkte wie
Schlachthöfe, Molkereien sowie Landmaschinenunternehmen im Kreis angeführt (ebd.). So
waren 2001 noch von 7,3% der Erwerbstätigen im LK ROW in der Land- und Forstwirtschaft
tätig [Niedersachsen: 3,5%; Bund: 2,4%] (
NLS
2002 u. 2003d). Die Bruttowertschöpfung der
Land- und Forstwirtschaft im LK ROW zu Herstellungspreisen betrug 2001 169,5 Mio. (
NLS
2003d). Dies entspricht einem Anteil von 5,7 % an der gesamten Bruttowertschöpfung (Nieder-
sachsen: 2,6%; Bund: 1,2%) (
NLS
2003d).
22
2.11 Landwirtschaft
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
50
Jahr
LF in ha
LK ROW
23,6
31,3
44,2
45,8
Nds
20,9
28,4
40,5
42,0
1979
1991
1999
2001
Abb. 7: Entwicklung der landwirtschaftlich genutzten Fläche (LF) pro Betrieb im Landkreis Rotenburg
(Wümme) und Niedersachsen. (Daten: NLS 2003, 2003a-c; EIGENE DARSTELLUNG)

3. Methodik
23
3. Methodik
3.1 Wahl der empirischen Methode
Die vorliegende empirische Untersuchung des möglichen Landnutzungskonfliktes zwischen
Landwirtschaft und Naturschutz in der Osteniederung basiert auf dem standardisierten Interview
15
-
einer Methode der quantitativen Sozialforschung. Es ist das geeignete Erhebungsinstrument,
weil relevante Merkmale gemessen und nicht so sehr Sachverhalte untersucht sowie Bezugssys-
teme der Befragten ermittelt werden sollen (
LAMNEK
1995). Allerdings sind mit der Standar-
disierung auch Nachteile verbunden: So sind z. B. Breite und Tiefe der durch die Antworten gege-
benen Informationen beschränkt (ebd.). Eine Möglichkeit, die Oberflächlichkeit und den feh-
lenden Tiefgang auszugleichen, ist nach den Gründen einer Antwort zu fragen. Dadurch wird
das standardisierte Interview auch dem Bezugsrahmen und der Relevanzsysteme des Befragten
gerechter (
FRIEDRICHS
1990). Zudem hält
FRIEDRICHS
(ebd.: 195) solche Fragen für ,,... außer-
ordentlich wichtig, um Ablehnung oder Zustimmung zu differenzieren". Deshalb wurden Nach-
fragen in den selbst entworfenen Fragebogen aufgenommen. Aber auch, um einen Sachverhalt
von besonderer individueller Vielfalt zu ermitteln, wie sie bei der sehr unterschiedlichen Betrof-
fenheit der Landwirte von der Ausweisung des FFH-Gebietes zweifellos vorliegt, werden offe-
ne Fragen
-
also auch Warum-Fragen
-
verwendet (
KROMREY
2002). Die Landwirte konnten
so innerhalb ihres eigenen Referenzsystems antworten, ohne durch Antwortvorgaben bereits in
eine bestimmte Richtung gelenkt zu werden (
SCHNELL, HILL & ESSER
1999).
Der Autor wählte aus mehreren Gründen die mündliche Einzelbefragung. Bei unerwarteten Ver-
ständnisproblemen seitens der Befragten war eine Klärung ohne deutliche Beeinflussung mög-
lich (
ATTESLANDER
2000). Trotz sorgfältiger Pretests mussten bei wenigen Interviews einige
Fragen erläutert werden. Bei einer schriftlichen Befragung hätten die jeweiligen Landwirte den
Fragebogen eventuell zur Seite gelegt und nicht zurückgeschickt. Die Folge wäre eine höhere
Ausfallquote (vgl. Kap. 3.1.1). Bei der mündlichen Befragung konnte der Interviewer Regel-
und Kontrollfunktionen übernehmen (
ATTESLANDER
2000). So musste sich der Interviewer in
seltenen Fällen vergewissern, ob die Fragen im Sinne des Autors verstanden wurden. Es konn-
ten so genannte schwierige Fragen, wie z. B. Verhaltens- und Meinungsfragen in offener Form
gestellt werden (
WESSEL
1996). Ferner wurde deutlich, warum Landwirte ein Interview ablehn-
ten (ebd.). Dem gegenüber standen die Nachteile einer mündlichen Befragung: u. a. größerer
Zeitaufwand, höhere Kosten, größere organisatorische Mühe und die Gefahr von Antwortver-
zerrungen z. B. durch den Interviewereffekt (ebd.). Vor allem die wesentlich höhere Ausschöp-
fungsquote als bei einer schriftlichen Befragung gab den Ausschlag für das mündliche Interview
(
STIER
1996). Denn nur eine hohe Rücklaufquote konnte eine möglichst umfassende landwirt-
schaftliche Nutzungskartierung des Untersuchungsgebietes sicherstellen.
3.1.1 Fehlerquellen bei mündlichen Interviews
Fehlerquellen sind Befragtenmerkmale wie soziale Erwünschtheit und Response-Set, Fragemerk-
male wie Frageformulierung und -position sowie Merkmale des Interviewers und der Interview-
situation (
DIEKMANN
2001). Ist es aber sonst in der Feldforschung üblich, dass die Wissenschaft-
ler nicht selbst interviewen, so sind bei der vorliegenden empirischen Arbeit Interviewer und For-
15
SCHEUCH (1973: 70f.) versteht unter einem Interview das ,,... planmäßige Vorgehen mit wissenschaftlicher
Zielsetzung, bei dem die Versuchsperson durch eine Reihe gezielter Fragen oder mitgeteilter Stimuli zu verbalen
Informationen veranlaßt werden soll."

24
3.1 Wahl der empirischen Methode
scher identisch. Dadurch gibt es keine Interpretationsfehler der mitgeschriebenen Antworten und
keine Antwortfälschungen.
Eine weitere Fehlerquelle sind so genannte Ausfälle (
KROMREY
2002). In der vorliegenden empi-
rischen Untersuchung waren nur sieben von 71 Landwirten (Ausschöpfungsquote 64 = 90,15%;
Nonresponsequote 7 = 9,86%) nicht zu einem Interview bereit, so dass der Verzerrungseffekt
sehr gering ist. Zumal die Nonresponsequote deutlich unter den von
SCHNELL, HILL & ESSER
(1999) angegebenen, typischen Werten von 25 bis 30% liegt. Dies lässt den Rückschluss zu, dass
die Landwirte ein hohes Interesse hatten, sich an der Befragung zu beteiligen, sie also den Nut-
zen weitaus höher einschätzten als den zu erwartenden Aufwand (ebd.). Außerdem sind es keine
systematischen Ausfälle, sondern rein zufällige, weil die Landwirte ihre Ablehnung sehr unter-
schiedlich begründeten (vgl. Kap. 3.2), sie also aus verschiedenen Teilgruppen der Analyseein-
heit stammen. Auf Grund der Heterogenität der Verweigerer ist eine Ergebnissverzerrung eben-
falls sehr gering, auch wenn die Verweigerung sicherlich mit Variablen der Untersuchung
zusammenhängen (ebd.). Für die aus den Ergebnissen gezogenen Schlussfolgerungen bedeutet
die geringe Ausfallquote letztlich, dass sie ein schlüssiges und ein allenfalls sehr gering verzerr-
tes Abbild der Realität liefern. Die Repräsentativität ist demnach gegeben. Bei den Naturschüt-
zern lehnten nur zwei von 14 ein Interview ab (Ausschöpfungsquote 12 = 85,71 %; Nonrespon-
sequote 2 = 14,29 %).
3.1.2 Reliabilität
Die Daten der vorliegenden Untersuchung sind relativ zuverlässig, da nach
SCHEUCH
(1973:
138) folgende Je-desto-Beziehung besteht: ,,Je größer die emotionale Besetzung eines Themas
für den Befragten, desto stabiler die Angaben selbst angesichts verzerrender Einflüsse." Und es
ist unbestritten, dass das Thema Naturschutz bei Landwirten bzw. Landwirtschaft bei Natur-
schützern mit starken Emotionen verbunden ist. Schließlich existiert eine intensive Wechselbe-
ziehung zwischen Landwirtschaft und Naturschutz, die durch die konkurrierenden Zielvorstel-
lungen im Flächenmanagment ein hohes Konfliktpotenzial entwickelt (
PRÜTER & KAISER
2002).
Einschränkend muss allerdings gesagt werden, dass der Zeitraum der Zuverlässigkeit begrenzt
ist, weil sich die Rahmenbedingungen für den Landwirt ändern können. Wenn bspw. in einem
Ort sehr viele Flächen außerhalb der Osteniederung durch Hofaufgabe frei werden, ist der Land-
wirte vielleicht nicht mehr auf die Flächen in der Osteniederung angewiesen. Dadurch könnten
seine Antworten anders ausfallen. Dies bestätigt
SCHEUCH
(1973: 137), der postuliert: ,,Wenn
sich die Lage des Befragten in bezug auf die Untersuchungsmerkmale zwischen zwei Beobach-
tungsperioden veränderte, dann ist die Verläßlichkeit der Angaben geringer, als wenn keine sol-
che Veränderung vorlag."
3.1.3 Validität
Eine Form der Gültigkeitsmessung ist die Inhaltsvalidität (content validity) (
LAATZ
1993). Sie
wurde in der vorliegenden Arbeit verwendet. Das Erhebungsinstrument der vorliegenden Unter-
suchung ist gültig, weil es sowohl bei den Landwirten auf Grund der Vollerhebung und bei den
Naturschützern dank der Stichprobenauswahl das gesamte Spektrum aller Personen erfasst. Eine
Schieflage (bias) ist also nicht vorhanden. Ferner ist die Messung zweifellos ,,... bei den richti-
gen Objekten vorgenommen ..." worden (
LAATZ
1993: 33). Zudem spiegelt sich der mögliche

3. Methodik
25
Landnutzungskonflikt in der unterschiedlichen Vorstellung von der die Nutzung der Niederungs-
flächen wider. Und genau dieser Aspekt ist Hauptteil der Befragung gewesen. Des Weiteren
spricht für die Gültigkeit der mündlichen Befragung ,,... ihre Ähnlichkeit mit den Kommunika-
tionsprozessen des Alltages" (
LAATZ
1993: 108). Außerdem waren sowohl Landwirte als auch
Naturschützer sehr daran interessiert, ihre eigenen Erfahrungen in das Interview einfließen zu
lassen. Es kann demnach davon ausgegangen werden, dass die Motivation beim Interviewer und
den Befragten relativ gleich war, weil es auch eine hohe Gemeinsamkeit in der Kommunikation
gab. Die geringe Ausfallquote spricht ebenfalls für eine hohe Motivation bei Landwirten und
Naturschützern. Darum dürfte nach
ATTESLANDER
(2000) die Gültigkeit der Meinungsäußerun-
gen der Befragten hoch sein.
3.2 Datenerhebung
Damit der Fragebogen ein verlässliches und gültiges Messinstrument ist, sind vorher umfang-
reiche Vortests und Überprüfungen notwendig (
ATTESLANDER
2000). Laut
DIEKMANN
(2001)
sollte die Pretest-Stichprobengröße ungefähr fünf Prozent des gesamten Samples umfassen. Im
vorliegenden Fall sind für den Fragebogen der Landwirte vier und für den Naturschutz-Frage-
bogen zwei Pretests durchgeführt worden. Nachdem die Pretests zu einigen kleinen Änderun-
gen des Fragebogens geführt hatten, folgte die Feldarbeit.
Bereits zu Beginn der empirischen Untersuchung war die Analyseeinheit eindeutig festgelegt
worden: Es sollten die Daten aller Landwirte erhoben werden, die bis zum Ende der Vegetations-
periode 2002 im UG Flächen bewirtschaftet hatten. Die Grundgesamtheit der vorliegenden empi-
rischen Arbeit ist die beschriebene Personengruppe. Alle Elemente dieser Grundgesamtheit soll-
ten untersucht werden, weil mit der Befragung auch die landwirtschaftliche Flächennutzung und
die landwirtschaftliche Betriebsstruktur in der Osteniederung ermitteln werden sollte sowie par-
zellenscharfe Aussagen über die möglichen Landnutzungskonflikte möglich sein sollten. Eine
Vollerhebung schien auch gerechtfertigt, da die Grundgesamtheit mit 76 Bauern sehr klein war
und der Landnutzungskonflikt vor allem deskriptiv untersucht werden sollte (
SCHNELL, HILL &
ESSER
1999). Zudem besitzt sie nach
SCHNELL, HILL & ESSER
(ebd.: 250) allgemein den Vor-
teil, ,,... dass die gesamte Verteilung der Merkmale ihrer Elemente bekannt ist."
Die umfangreiche Datenerhebung erstreckte sich vom Winter 2002 bis zum Frühjahr 2003. Die
Namen, Adressen und Telefonnummern stellten das Landvolk Bremervörde, das Landvolk Zeven
und die Ortsvertrauenslandwirte zur Verfügung. Zunächst wurden alle Landwirte angerufen, um
telefonisch das Vorhaben zu erklären und einen Termin zu vereinbaren. Dabei stellte sich her-
aus, dass nicht alle 94 angegebenen Landnutzer auch wirklich Flächen in der Osteniederung
bewirtschafteten. 13 hatten keine Flächen im UG und fünf hatten die Nutzung aufgegeben. Von
den verbliebenden 76 lehnten fünf Landwirte eine Befragung ab (,,Refusals") (ebd.: 290). Als
Gründe nannten sie, dass sie kaum Fläche im UG hätten, es niemand etwas angehe, im Ort schon
genug befragt worden seien und sie nicht auch noch etwas dazu sagen müssten. Zwei Landwir-
te konnten trotz mehrfacher Anrufe nicht erreicht werden (,,Not-at-homes") (ebd.: 290). Und bei
fünf Landnutzern wurde einzig die Nutzung erfragt, weil sie keinen landwirtschaftlichen Betrieb
besitzen, sondern nur einige Pferde in der Osteniederung weiden lassen bzw. Heu für eigene
Pferde werben. Diese Gruppe wird im weiteren Verlauf der Arbeit als ,,Hobbylandwirte" be-
zeichnet. Ihre Angaben hätten die Ergebnisse verfälscht, da der Landnutzungskonflikt zwischen
Naturschützern und Landwirten untersucht werden sollte. In die empirische Untersuchung sind

26
3.2 Datenerhebung
letztlich die Daten von 64 Landwirten eingeflossen. Die Interviews dauerten zwischen 45 Minu-
ten und drei Stunden. Nach
ATTESLANDER
(2000) liefern mehrstündige Interviews ebenso
schlüssige Informationen wie kurze. Bei allen befragten Landwirten war die Bereitschaft sehr
groß, detaillierte Auskünfte zu geben. Viele freuten sich, einmal persönlich zu dem Thema befragt
zu werden. Sie nutzten das Interview auch, um allgemeine Dinge zum Verhältnis Landwirtschaft-
Naturschutz zu erzählen. Vielleicht lag dies auch am gewählten Interviewerverhalten. Der Autor
entschied sich für eine Mischung aus neutralem und weichem Interview, weil sich dies nach
MAC-
COBY & MACCOBY
(1976: 63) ,,... als wirksamer Kompromiss herausgestellt hat ...". Die Auf-
nahme der Antworten erfolgte per Mitschrift.
Die Befragung der Naturschützer verlief nach dem für die Landwirte beschriebenen Muster. Mit
einem Unterschied: Auf eine Vollerhebung wurde verzichtet. Statt dessen suchte der Autor die
Interviewpartner für die Stichprobe bewusst nach einem festgelegten Auswahlplan aus, an des-
sen Ende eine Expertenbefragung stand (
SCHNELL, HILL u. ESSER
1999). Auf der einen Seite
wurden die Vorsitzenden bzw. die Naturschutzbeauftragten der im UG aktiven Naturschutzver-
bände
16
wie NABU, Kreis-Jägerschaft Bremervörde, Kreis-Jägerschaft Zeven, Besatzgemein-
schaft Rotenburg/Wümme und Fischereisportverein Bremervörde sowie die beiden für die Oste-
niederung zuständigen Naturschutzbeauftragten des LK ROW interviewt. Auf der anderen Seite
wurden Vertreter des staatlichen Naturschutzes wie die Leiter der Unteren und Oberen Natur-
schutzbehörde, der Leiter des Dezernates 2.1 ,,Grundsatzangelegenheiten der Abteilung Natur-
schutz und Biotopschutz" im NLÖ und Mitarbeiter der Naturschutzämter der betroffenen Kom-
munen befragt. Allerdings war bei den Kommunen nur die Samtgemeinde Zeven bereit, an der
Befragung teilzunehmen. Die Samtgemeinde Selsingen und Stadt Bremervörde verwiesen dage-
gen an andere Stellen wie die Untere Naturschutzbehörde (UNB).
Eine solche Stichprobe nach absoluten Merkmalen (
FRIEDRICHS
1990) reicht für die Fragestel-
lung der vorliegenden empirischen Untersuchung aus, weil es nicht darum geht, von der Stich-
probe auf die Grundgesamtheit zu schließen. Vielmehr soll die Vorstellung der Naturschützer,
aber vor allem des staatlichen Naturschutzes von der zukünftigen Entwicklung der Osteniede-
rung deskriptiv dargestellt und mit den Ansichten der Landwirte verglichen werden. Es sollten
mit den Ergebnissen aus der Befragung der Naturschützer keine Hypothesen überprüft werden.
Auf weitere Details des standardisierten, mündlichen Interviews soll nicht eingegangen werden.
Denn nicht das Theoriegebäude ist Gegenstand der vorliegenden empirischen Untersuchung,
sondern das Anwenden von Methoden und Techniken, das Darstellen der Ergebnisse und sich
daraus ergebenen Schlussfolgerungen. Darum sei für eine Vertiefung auf die umfangreiche Fach-
literatur verwiesen wie z. B.
KROMREY
(2002),
DIEKMANN
(2001) und
ATTESLANDER
(2000).
3.3 Datenauswertung
Die einzelnen Daten sind laut
ATTESLANDER
(2000: 138) selbst bei ausgefeilter Auswertung
nicht als isolierte Daten zu betrachten, sondern ,,... vornehmlich als Hinweise auf Zusammen-
hänge." Sie sind immer ,,... Konstrukte der sozialen Wirklichkeit." (
ATTESLANDER
2000: 179)
Die Antworten der offenen Fragen wurden mitgeschrieben. Anschließend wurden sie zunächst
einer Inhaltsanalyse unterzogen und dann kategorisiert. Zusammen mit den Antworten der bereits
vorher klassifizierten Fragen werden sie statistisch ausgewertet. Hierbei handelt es sich zum gro-
ßen Teil um eine beschreibende, univariate Analyse
-
dies gilt nur für Fragebögen der Landwir-
16
Grundlage sind die in Niedersachsen gemäß § 29 BNatSchG anerkannten Naturschutzverbände (NMU 2004).

3. Methodik
27
te. Ferner sollen verschiedene Hypothesen überprüft werden, wie ,,Je höher der Landwirt die
Wirtschaftlichkeit der Flächen in der Osteniederung einschätzt, desto geringer die Auflagenak-
zeptanz" oder ,,Je höher der Grünlandanteil in der Osteniederung am gesamten Betriebsgrün-
land ist, desto geringer die Auflagenakzeptanz". Näheres zu den untersuchten Hypothesen ist in
Kap. 4.2.4.6.1 zu finden. Die statistische Datenanalyse erfolgte mit SPSS. Für Einzelheiten der
statistischen Auswertung sei auf die umfassende Fachliteratur wie z. B.
BENNINGHAUS
(2001),
KÄHLER
(1998) und
BAHRENBERG, GIESE & NIPPER
(1990) verwiesen.
Die Ergebnisse aus den Fragebögen der Naturschützer dienen als Basis für die in Kap. 5 aufge-
führten Vorschläge für Erhaltungsziele, Schutzstatus und PEPL sowie zur Konfliktanalyse (vgl.
Kap. 5). In diese sind die Antworten eingeflossen. Ferner werden sie deskriptiv ausgewertet und
teilweise mit den Antworten der Landwirte verglichen (vgl. Kap. 4.3).
3.4 Einsatz des Geographischen Informationssystems ArcView
Die Kartengrundlage der vorliegenden Arbeit ist die Deutsche Grundkarte 1:5 000 (DGK 5). Die
verwendeten Blätter sind im Kartenverzeichnis aufgelistet. Die DGK 5 mit ihrem großen Maß-
stab wurde gewählt, weil auf ihr die Grundstücksgrenzen verzeichnet sind und sie eine weitge-
hend grundrisstreue Darstellung liefert (
HAKE, GRÜNREICH & MENG
2002). Beides ist wichtig,
da parzellenscharfe Aussagen über den möglichen Landnutzungskonflikt zwischen Naturschutz
und Landwirtschaft getroffen werden sollen sowie die gegenwärtige Landnutzung wiedergege-
ben werden soll. Die Grundrisse der DGK 5 lagen beim LK ROW in digitaler Form als tif-Files
vor; die Behörde stellte die Rasterdaten kostenlos zur Verfügung. Die Georeferenz-Informatio-
nen lieferte der Landkreis als txt-files. Damit die ,,DGK 5-Bilder" im verwendeten Geogra-
phischen Informationssystem (GIS) ArcView im geographischen Raum registriert werden
konnten, mussten die txt-files in tfw-files umgewandelt werden. Für die Übersichtskarten wur-
den als Grundlage je nach Maßstab die Topographische Karte 1:25 000 oder die Topographische
Karte 1:50 000 verwendet. Die benutzten Blätter sind im Kartenverzeichnis aufgeführt. Die
Rasterdaten lagen beim LK ROW ebenfalls als tif-Files vor.
Die Grenzen von NSG und LSG stellte der LK ROW in digitaler Form als dxf-Files für die vor-
liegende Arbeit zur Verfügung. Eine weitere Bearbeitung war nicht notwendig, da ArcView das
gelieferte Format unterstützt.
Die FFH-Gebietsgrenze kann über den NLÖ-GEO-Daten-Server heruntergeladen werden (
NLÖ
2002). Sie liegt als Vektordatensatz im Shape-Format vor. Deshalb kann der Datensatz in Arc-
View ohne weitere Schritte benutzt werden. Die FFH-Grenzen wurden in Niedersachsen vom
NLÖ nach Vorgabe der Landesregierung im Maßstab 1:50 000 digitalisiert (
NLÖ
2003). Auf-
grund der dadurch bedingten Generalisierung sind die Grenzlinien weit weniger grundrisstreu
als Linien der DGK 5. Zwar ist die nach Brüssel gemeldete Grenze eine völkerrechtlich verbind-
liche Grenze, sie wurde jedoch bewusst sehr grob und nicht parzellenscharf festgelegt, um einen
gewissen Spielraum bei der Ausgestaltung zu lassen (ebd.). Denn laut
NLÖ
(2003) kann die Gren-
ze ,,... im Einzelfall bei der Sicherung der Gebiete durch Schutzgebietsausweisungen konkreti-
siert werden." Dies ist jedoch nicht zwingend notwendig und bedarf eines eigenen Genehmi-
gungsverfahrens, falls es erforderlich sein sollte (ebd.). Durch eine NSG-Ausweisung wird die
eigentliche FFH-Grenze nicht verändert, sondern das Gebiet wird durch die neue Schutzgebiets-
grenze, die sich eher an Parzellengrenzen orientiert und daher auch von der FFH-Grenze abweicht,

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783832485023
ISBN (Paperback)
9783838685021
Dateigröße
2.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Bremen – Sozialwissenschaften, Geographie
Note
1,0
Schlagworte
grünland vertragsnaturschutz niederung fließgewässer auflagenakzeptanz
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Titel: Fauna-Flora-Habitat Oste mit Nebenbächen: Landnutzungskonflikt zwischen Naturschutz und Landwirtschaft?
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