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Theorie und Empirie unvollständiger Arbeitsverträge

©2004 Diplomarbeit 95 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Betrachtung klassischer sowie neuerer Ansätze zur Überwindung von Ineffizienzen, die aus unvollständigen Arbeitsverträgen resultieren.
Die neoklassische Arbeitsmarkttheorie geht von einem kompetitiven Umfeld aus, bei dem Arbeitsangebot und -nachfrage und somit Lohn und Beschäftigung langfristig zu einem stabilen, markträumenden Gleichgewicht finden. Jeder Arbeitnehmer, der bereit ist zu den vorherrschenden Konditionen Arbeit anzubieten, wird eine Beschäftigung finden. Langfristig tendiert der Markt zur Vollbeschäftigung. Die unfreiwillige Arbeitslosigkeit wird nach dieser Theorie durch Staatseingriffe, hohem Gewerkschaftsgrad und Branchenumstrukturierungen bedingt.
Kritiker dieser Theorie sehen dabei einen wichtigen Aspekt vernachlässigt. Verträge zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind meist in hohem Grade unvollständig. Sie regeln die Entlohnung, Sozialleistungen, Arbeitszeit u.ä.. Der eigentliche Anlass für das Zustandekommen eines Arbeitsvertrages, nämlich die Leistung des Arbeitnehmers, wird meist nur sehr ungenau spezifiziert. Der Arbeitnehmer hat innerhalb dieser Vertragsschranken häufig einen hohen diskretionären Entscheidungsspielraum. Hieraus ergibt sich unmittelbar die Prinzipal-Agenten-Problematik. Der Arbeiter hat die Möglichkeit, seinen Freiraum sowohl zur Steigerung des Leistungsniveaus wie auch zur Bummelei zu nutzen. Zudem sind die Leistungen des Arbeitnehmers zwar häufig für beide Parteien beobachtbar, aber weder vertraglich bestimmbar noch gegenüber einer dritten Partei verifizierbar. Der Arbeitgeber versucht diese Unsicherheit der Leistungsimplementierung mit den ihm zur Verfügung stehenden, geeigneten Instrumenten zu überwinden.
Klassische Arbeitsmarktmodelle gehen seit mehr als 100 Jahren ausschließlich von egoistischen Akteuren aus. Der sog. homo oeconomicus ist ein vollständig rationales Wesen, das ständig bemüht ist, seinen eigenen Nutzen durch optimale Wahl seiner Entscheidungsvariablen zu maximieren. Unter der Annahme dieses Menschentypen wurden diverse Modelle entwickelt, die anhand von Effizienzlöhnen den Arbeitnehmer zu einer effizienten Leistungserbringung disziplinieren sollen.
In den letzten zwei Jahrzehnten kündigte sich in den Wirtschaftswissenschaften durch die Berücksichtung eines neuen Menschentyps ein Paradigmenwechsel an. Kooperatives und loyales Verhalten des Arbeitnehmers lassen sich weder erzwingen noch vertraglich fixieren. Durch […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8491
Richterich, Jens: Theorie und Empirie unvollständiger Arbeitsverträge
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: Universität Mannheim, Diplomarbeit, 2004
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2004
Printed in Germany

_____________________________________________________________ I
INHALTSVERZEICHNIS
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis...III
1. Einführung in die Problematik... 1
2. Gründe für die Existenz von Unternehmen und Arbeitsverträgen... 3
2.1 Unterschiede zwischen einer Markt- und einer Unternehmensökonomie... 4
2.2 Sinn und Zweck von Arbeitsverträgen ... 7
2.2.1 Arbeitsverträge aus ökonomischer Sicht... 7
2.2.2 Arbeitsverträge aus juristischer Sicht... 9
3. Unvollständige Arbeitsverträge: Definitionen und Erklärungsansätze... 11
3.1 Beschränkte Rationalität und Informationsasymmetrie... 12
3.2 Kosten der Vertragsgestaltung ... 14
3.3 Weitere Erklärungsansätze für unvollständige Verträge ... 16
3.3.1 Reziprozität als Grund für unvollständige Arbeitsverträge ... 18
3.3.2 Komplexe Arbeitsaufgaben... 22
3.3.3 Intrinsische Motivation ... 23
4. Konsequenzen und Lösungsansätze unvollständiger Arbeitsverträge ... 26
4.1 Durchsetzung von Arbeitsverträgen ... 26
4.1.1 Selbstdurchsetzbarkeit von Verträgen ... 27
4.1.2 Reziprozität und langfristige bilaterale Beziehungen als Vertragsdurchsetzung. 28
4.1.2.1 Erhöhte Leistungswahl aufgrund von Reziprozität... 28
4.1.2.2 Reputationen und langfristige bilaterale Verhandlungen... 31
4.1.3 Gerichtliche Vertragsdurchsetzung... 34
4.1.4 Lohnpolitik als Mittel zur Steigerung des Leistungsniveaus ... 36
4.1.4.1 Effizienzlohnmodell von Shapiro und Stiglitz... 37
4.1.4.2 Lohnkürzungen und Lohnfairnesshypothese ... 42

_____________________________________________________________ II
4.2 Investitionsverhalten... 48
4.2.1 Hold-up Problem... 50
4.2.2 Investitionsverhalten unter verschiedenen Eigentumsstrukturen... 56
4.3 Vertragsgestaltung ... 60
4.3.1 Arbeitsplätze mit geringem diskretionären Entscheidungsspielraum... 61
4.3.2 Arbeitsplätze mit hohem diskretionären Entscheidungsspielraum ... 66
5. Abschließende Bemerkung... 74
Anhang 1 ­ Ungleichheitsaversionsmodell von Fehr und Schmidt (1999) ... 76
Anhang 2 ­ Modifikation des Modells von Malcomson (1999)... 77
Literaturverzeichnis... 78

_____________________________________________________________ III
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildungen
Abb. 1 ­ Phasen des Experimentes ...20
Abb. 2 ­ Gleichgewicht im Effizienzlohnmodell ...38
Abb. 3 ­ Lohnverteilungen in Deutschland und USA ...47
Abb. 4 ­ Qualifikationsstruktur von Arbeitslosen und Beschäftigten in Deutschland und
USA...47
Abb. 5 ­ Dynamik des Lohnes...53
Abb. 6 ­ Interdependenzen sozialer und reziproker Präferenzen ...61
Abb. 7 ­ Selektion von hoch- und geringproduktiven Arbeitnehmern...63
Abb. 8 ­ Überlebensraten neubegonnener Beschäftigungsverhältnisse in
Westdeutschland im Zeitraum von 1996-2000 ...72
Abb. 9 ­ Präferenzen mit Ungleichheitsaversion...76
Tabellen:
Tab. 1 ­ Kosten eines vollständigen Vertrages...15
Tab. 2 ­ Vergleich der Vertragsergebnisse ...23

_____________________________________________________________ 1
1. Einführung in die Problematik
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Betrachtung klassischer sowie neuerer
Ansätze zur Überwindung von Ineffizienzen, die aus unvollständigen Arbeitsverträgen
resultieren.
Die neoklassische Arbeitsmarkttheorie geht von einem kompetitiven Umfeld aus, bei
dem Arbeitsangebot und -nachfrage und somit Lohn und Beschäftigung langfristig zu
einem stabilen, markträumenden Gleichgewicht finden. Jeder Arbeitnehmer, der bereit
ist zu den vorherrschenden Konditionen Arbeit anzubieten, wird eine Beschäftigung
finden. Langfristig tendiert der Markt zur Vollbeschäftigung. Die unfreiwillige
Arbeitslosigkeit wird nach dieser Theorie durch Staatseingriffe, hohem Gewerkschafts-
grad und Branchenumstrukturierungen bedingt.
1
Kritiker dieser Theorie sehen dabei einen wichtigen Aspekt vernachlässigt. Verträge
zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind meist in hohem Grade unvollständig. Sie
regeln die Entlohnung, Sozialleistungen, Arbeitszeit u.ä.. Der eigentliche Anlass für das
Zustandekommen eines Arbeitsvertrages, nämlich die Leistung des Arbeitnehmers, wird
meist nur sehr ungenau spezifiziert. Der Arbeitnehmer hat innerhalb dieser
Vertragsschranken häufig einen hohen diskretionären Entscheidungsspielraum. Hieraus
ergibt sich unmittelbar die Prinzipal-Agenten-Problematik. Der Arbeiter hat die
Möglichkeit, seinen Freiraum sowohl zur Steigerung des Leistungsniveaus wie auch zur
Bummelei zu nutzen. Zudem sind die Leistungen des Arbeitnehmers zwar häufig für
beide Parteien beobachtbar, aber weder vertraglich bestimmbar noch gegenüber einer
dritten Partei verifizierbar. Der Arbeitgeber versucht diese Unsicherheit der
Leistungsimplementierung mit den ihm zur Verfügung stehenden, geeigneten
Instrumenten zu überwinden.
Klassische Arbeitsmarktmodelle gehen seit mehr als 100 Jahren ausschließlich von
egoistischen Akteuren aus. Der sog. homo oeconomicus ist ein vollständig rationales
Wesen, das ständig bemüht ist, seinen eigenen Nutzen durch optimale Wahl seiner
Entscheidungsvariablen zu maximieren. Unter der Annahme dieses Menschentypen
wurden diverse Modelle entwickelt, die anhand von Effizienzlöhnen den Arbeitnehmer
zu einer effizienten Leistungserbringung disziplinieren sollen.
In den letzten zwei Jahrzehnten kündigte sich in den Wirtschaftswissenschaften
durch die Berücksichtung eines neuen Menschentyps ein Paradigmenwechsel an.
2
1
Vgl. Fehr, E und S. Renninger (2001), S.27.
2
Vgl. Schmidt, K. (2004), S.18.

_____________________________________________________________ 2
Kooperatives und loyales Verhalten des Arbeitnehmers lassen sich weder erzwingen
noch vertraglich fixieren. Durch Zahlung höherer Löhne ex-ante erwartet der
Arbeitgeber, dass dieser Vertrauensvorschuss mit erhöhter Arbeitsanstrengung belohnt
wird. Diese psychologischen Erwägungen sind unter dem homo oeconomicus irrelevant.
Zahlreiche experimentelle Studien ergaben, dass die Annahme des rein egoistischen
Menschenbildes in bilateralen Arbeitsbeziehungen oftmals nicht zutreffend ist bzw.
unter Berücksichtigung sozialer Präferenzen die Resultate klassischer Modelle in Frage
stehen. Gemäß dem neueren Ansatz wird die Festlegung des Lohnes nicht allein durch
Angebot und Nachfrage, sondern auch aufgrund psychologischer Überlegungen
determiniert.
Die Intention dieser Arbeit ist die Analyse, ob Instrumente, welche sich unter
egoistischen Individuen theoretisch als effizient erweisen, bei der Modifikation des
Menschenbildes weniger effizient oder sogar kontraproduktiv wirken können. Dies
könnte einen entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung des Arbeitsvertrages sowie auf
weitere Komponenten der Vertragsbeziehung, wie etwa dem Lohnfindungsprozess,
haben.
Obwohl 77% aller Arbeitsverträge Tarifverträge sind, werden in 76% aller
Unternehmen individuelle Lohnvereinbarungen über Einzelverträge getroffen.
3
Der
Einfluss der Variation der Präferenzannahmen sowie die Ineffizienzen aus
unvollständigen Arbeitsverträgen lassen sich auf individueller Ebene deutlicher
veranschaulichen. Deshalb beschäftigt sich diese Arbeit mit der individuellen
Vertragsgestaltung. Kollektive Verträge werden dabei nicht berücksichtigt.
Im folgenden Kapitel werden die wesentlichen Vor- und Nachteile einer Unterneh-
mensökonomie im Vergleich zu der Marktökonomie gegeneinander abgewogen. Dies
soll dem Leser verdeutlichen, warum es effizienter sein kann, Transaktionen in einem
Unternehmen anstatt am Markt zu vollziehen. Darauf aufbauend folgt in diesem Kapitel
die ökonomische und rechtliche Begründung von Arbeitsverträgen innerhalb von
Unternehmen.
Im dritten Kapitel werden zunächst die traditionellen Begründungen und anschlie-
ßend die neuen Erklärungsansätze für unvollständige Arbeitsverträge erläutert.
Die von der klassischen Theorie propagierten Ineffizienzen, die sich aus der Existenz
unvollständiger Arbeitsverträge ergeben, sind ­ wie im vierten Kapitel analysiert wird ­
stark von den Präferenzannahmen abhängig. Es wird theoretisch und empirisch gezeigt,
3
Vgl. Franz, W. et al. (2000), S.3 .

_____________________________________________________________ 3
dass sowohl die Wahl als auch die Wirkung der Instrumente stark von dem unterstellten
Menschenbild abhängig sind. Je realistischer das Verhalten der Individuen modelliert
wird, desto wirkungsvollere Prognosen können getroffen werden. Dabei wird
insbesondere auf die Durchsetzbarkeit der gewünschten Leistungen, das Investitions-
verhalten und die Vertragsgestaltung eingegangen. Abschließend folgt eine kritische
Würdigung der Ergebnisse dieser Arbeit.
2. Gründe für die Existenz von Unternehmen und Arbeitsverträgen
Die neoklassische Theorie friktionsloser Märkte geht u.a. von vollkommener
Information und Voraussicht, dem Fehlen von Transaktionskosten, einer kostenlosen
Vertragsfestsetzung sowie einer schnellen und effizienten Allokation aus. Sie
beschreibt, welche Ziele Unternehmen verfolgen und wie technische Rahmenbedingun-
gen zu berücksichtigen sind. Hingegen wird der Nutzen eines Unternehmens, wie in
diesem Kapitel beschrieben wird, durch diese Theorie nicht erläutert.
4
Des Weiteren
wird davon ausgegangen, dass Angebot und Nachfrage und damit Produktion und
Konsum durch dynamische Prozesse zu einem stabilen Marktgleichgewicht finden.
5
Durch diese Theorie kann unter den gemachten Annahmen die optimal zu
produzierende Menge in Abhängigkeit der sich auf dem Markt eingestellten
Gleichgewichtspreise bestimmt werden.
Offensichtliche Ineffizienzen in einem Unternehmen können durch diese Theorie
ebenso wenig erklärt werden, wie ähnliche Probleme bspw. auf den Kredit- und
Versicherungsmärkten. Grundsätzlich kann die Theorie unter den gemachten Annahmen
keine Begründung für die Existenz von Unternehmen und Arbeitsverträgen liefern, da
ebenso alle Transaktionen auf dem Markt vollzogen werden könnten.
In den 60er Jahren begannen die ersten Ökonomen Erklärungen für Marktineffizienzen
aufgrund von Informationsproblemen zu suchen. Informationen der Wirtschaftssubjekte
gelten in der Informationsökonomik häufig als unvollständig und asymmetrisch verteilt.
Dies war u.a. eine wichtige Erkenntnis für die neue Institutionenökonomik, die
versucht, den Grund für die Existenz von Unternehmen und Arbeitsverträgen mit
derartigen Friktionen zu erklären und zu modellieren, sowie deren Ineffizienzen
aufzudecken.
4
Vgl. Hart, O. (1995), S.17.
5
Vgl. Coase, R. (1937), S.387.

_____________________________________________________________ 4
2.1 Unterschiede zwischen einer Markt- und einer Unternehmensökonomie
Durch die Organisation und Produktion von Gütern in Unternehmen können viele
Ineffizienzen verursacht werden, die sich bspw. aus Informationsasymmetrien,
Transaktionskosten und Verteilung von Eigentumsrechten ergeben. Im Gegensatz zum
Unternehmen benötigt der Markt keine Person oder Institution, die das Marktgeschehen
kontrolliert und bei Bedarf eingreift. Der Markt gilt als selbst regulierend. Von daher ist
die Frage berechtigt, ob nicht der Markt ein effizienteres und die Wohlfahrt steigerndes
Ergebnis liefern könnte, als es in Unternehmen möglich ist.
Coase hat bereits 1937 zur Beantwortung dieser Frage einen Artikel veröffentlicht,
wofür er u.a. 1991 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhielt. Er gilt als
geistiger Vater der neuen Institutionenökonomik.
6
Ein Unternehmen wird oftmals als eine Ökonomie an sich verstanden. Daher liegt es
nahe, diese Ökonomie mit der Marktökonomie zu vergleichen. Hierzu werden von
Coase sechs Unterschiede hervorgehoben:
7
1.
Im Gegensatz zur Marktökonomie hat der Preismechanismus im Unterneh-
men nicht den gleichen Einfluss auf die Koordination von Angebot und
Nachfrage. Die Anzahl der Inputfaktoren, wie Arbeit und Rohstoffe, verän-
dern sich nicht oder zumindest kurzfristig nicht aufgrund von Preisänderun-
gen. Eine freiberuflich agierende Person kann ihre Leistung zu den am Markt
bestmöglichen Konditionen anbieten. Ein abhängiger Arbeitnehmer hinge-
gen produziert seine Leistung für den Arbeitgeber zu den im Vertrag festge-
legten Konditionen.
2.
Für ein Unternehmen ist es charakteristisch, dass der Preismechanismus
ausgeschaltet ist und Transaktionen über hierarchische Anordnungen koordi-
niert werden. Dementsprechend wird die Lenkungsfunktion in einem Unter-
nehmen durch den Arbeitgeber übernommen.
3.
Eine Produktion über einen dezentralen Preismechanismus zu steuern, ist mit
erheblichen Transaktionskosten verbunden. Zum einen müsste für jede
Transaktion am Markt ein Preisvergleich angestrebt werden, um kostengüns-
tiger als die Wettbewerber produzieren zu können und zudem wäre für jede
Transaktion ein weiterer Vertrag notwendig. Diese Kosten werden durch die
6
Vgl. Krause, G. (1996), S.14.
7
Vgl. Zajac, E. (1996), S.46f.

_____________________________________________________________ 5
Produktion in Unternehmen nicht ganz, aber zumindest zum größten Teil,
eliminiert. Ein Unternehmer muss nicht für jede Faktorverwendung einen
eigenen Vertrag abschließen, sondern kann seine gesamte Produktion unter
weitaus weniger Verträgen als es am Markt notwendig wäre vollziehen. Man
stelle sich vor, es würden zur Herstellung eines Gutes N Personen benötigt.
Auf dem Markt wäre zwischen jeder Person ein Vertrag notwendig, um
letztendlich das Gut herstellen zu können. Demnach wären also
N(N 1)
2
-
Verträge nötig. Ein Unternehmen hingegen schließt N Verträge ab, nämlich
mit jedem einzelnen Arbeitnehmer. Bei bspw. N=50 sinkt die Anzahl der
abzuschließenden Verträge um 1.175.
8
Ein Unternehmen hat daher gegen-
über dem Markt den Vorteil, dass die Anzahl der abzuschließenden Verträge
erheblich geringer ausfällt, als es am Markt notwendig wäre, zudem werden
Unsicherheiten abgemildert sowie eine höhere Flexibilität gewährleistet.
Diese Verträge stellen gleichzeitig für den Unternehmer die Schranken der
Produktion dar, in deren der Arbeitgeber selbst die Produktion leiten kann.
Ein Unternehmen wird daher auch als eine Ansammlung von vertraglichen
Verhältnissen unter Einzelpersonen verstanden.
4.
Eine besondere Vertragsform stellt im Unternehmen der Beschäftigungsver-
trag dar. Durch ihn werden beiderseitige Rechte und Pflichten gesetzt. Der
Arbeitnehmer hat innerhalb der durch den Vertrag festgelegten Schranken,
seine ihm übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Am Markt hat ein Anbieter
einer Leistung weitaus mehr Freiheiten und kann selbst über die Vorgehens-
weise in der Herstellung entscheiden. In Anbetracht der typischerweise un-
terstellten Risikoaversion von Arbeitnehmern führt ein Arbeitsvertrag, der
über mehrere Perioden abgeschlossen werden kann, zu einer Pareto-
Verbesserung. Dem Arbeitnehmer werden durch den Vertrag über mehrere
Perioden Einkommen zugesichert und der Arbeitgeber kann eine höhere
Kontrolle über den Inputfaktor Arbeit erlangen. Demnach wird hierdurch
eine beiderseitige Risikoreduktion erlangt.
5.
Transaktionen innerhalb einer Firma oder am Markt werden unterschiedlich
durch Regeln des Staates behandelt. Coase führt dabei das Beispiel von Ver-
8
Vgl. Milgrom, P. und J. Roberts (1992), S.331.

_____________________________________________________________ 6
kaufssteuern
9
an, die bei Transaktionen am Markt aber nicht im Unterneh-
men anfallen. Diese Kosten können durch die Produktion im Unternehmen
umgangen werden.
6.
Ein Unternehmen wird solange expandieren bis die Grenzkosten einer
zusätzlichen Transaktion im Unternehmen den Grenzkosten der Transaktion
am Markt entsprechen. Steigende Transaktionen innerhalb eines Unterneh-
mens sind mit zunehmenden Kosten verbunden und ab einer bestimmten
Menge kann es kostengünstiger sein, weitere Produktionen durch den Markt
vorzunehmen. Werden zu viele Transaktionen in einem Unternehmen vorge-
nommen, kann dies zu einer ineffizienten Ressourcenallokation durch den
Arbeitgeber führen. Des Weiteren besteht die Gefahr, dass spezialisierte Un-
ternehmen das Produkt kostengünstiger herstellen können. Demnach wird
die optimale Firmengröße durch den Markt determiniert.
Im Gegensatz zu der Prämisse vieler volkswirtschaftlicher Modelle, dass Informati-
on, Kommunikation und Koordination kostenlos seien, ging Coase von der Existenz
derartiger Informations- und Koordinationskosten aus. Diese Kosten der Vereinbarung
und der Verwirklichung einer arbeitsteiligen Leistung bezeichnet er als Transaktions-
kosten. Ein Unternehmen ist nach der Theorie von Coase in erster Linie eine
Möglichkeit, Transaktionskosten zu senken.
Die Frage, ob nun Transaktionen über den Markt oder über das Unternehmen getätigt
werden sollen, ist abhängig von den Alternativkosten. Solange sich die Transaktionen
innerhalb des Unternehmens zu geringeren Kosten organisieren lassen, als wenn
dieselben über den Markt abgewickelt werden, treten Unternehmen an die Stelle des
Marktes.
Einen weiteren komplementären Erklärungsansatz liefert die Theorie der Verfü-
gungsrechte. In jener wird unterstellt, dass Unternehmen sich dort bilden, wo Verträge
nur unvollständig abgeschlossen werden können und demnach die Allokation der
Verfügungsrechte ein entscheidendes Kriterium ist. Eigentum ist eine Art von Macht,
wenn Verträge unvollständig sind, da nicht geregelte Eigentumsverhältnisse die
Möglichkeit zu opportunistischem Verhalten eröffnen.
Ferner wird das Unternehmen als ein soziales Gebilde heterogener Agenten
verstanden, mit deren Hilfe die subjektiven Ziele und Interessen ­ in der Regel
9
Entspricht einer einfachen Umsatzsteuer auf der Endverbraucherstufe.

_____________________________________________________________ 7
einkommens- bzw. gewinnbezogen ­ verwirklicht werden.
10
Die allgemeine
Gleichgewichtstheorie, die voraussetzt, dass Transaktionen in anonymen Märkten
stattfinden und sich die Akteure an ihre Abmachungen halten, kann hier nicht
angewendet werden. Daher wird ein Unternehmen auch als sog. black box bezeichnet,
in der die angesprochenen konfliktären Ziele zu einem Gleichgewicht gebracht werden,
aber modelltheoretisch nicht erklärt werden konnten.
11
Die Spieltheorie und die neuere
experimentelle Wirtschaftsforschung versuchen das Verhalten der Agenten und die sich
daraus ergebenden Gleichgewichte zu untersuchen.
Durch die Integration des Faktors Arbeit in einem Unternehmen kann das Verhalten
der Arbeitnehmer leichter gesteuert und die Leistung besser durchgesetzt werden. Die
Preise für den Faktor Arbeit können genauer vorhergesehen und bestimmt werden und
zudem kann ein Unternehmen bilaterale Verhältnisse aufgrund der gegenseitigen
Bindung besser als am Markt durchsetzen.
12
Dennoch haben Unternehmen meist ähnliche Probleme wie der Markt. Als Beispiele
sind interne Transaktionskosten, unvollständige Interaktionsregelung (Hold-up) und
Anreiz- bzw. Informationsprobleme zu nennen.
2.2 Sinn und Zweck von Arbeitsverträgen
Die Kontrakttheorie wurde gerade in den letzten 15 bis 20 Jahren in der Ökonomie
immer weiter entwickelt. In der Literatur sind zu diesem Thema auch die Begriffe
Prinzipal-Agenten Modelle, Mechanismen Design, Implementierungstheorie, Theorie
unvollständiger Verträge, Transaktionskostenökonomik etc. zu finden. Die folgenden
Unterabschnitte erläutern, warum Arbeitsverträge aus ökonomischer bzw. rechtlicher
Sicht von Bedeutung sind und weswegen sie einen elementaren Bestandteil in der
Interaktion von Arbeitnehmer und Arbeitgeber darstellen.
2.2.1 Arbeitsverträge aus ökonomischer Sicht
In der Literatur werden verschiedene Gründe genannt, warum es aus ökonomischer
Sicht effizient sein kann, Arbeitsverträge abzuschließen. Aufgrund der hohen Anzahl
möglicher Gründe für die Existenz von Arbeitsverträgen werden hier nur die
wichtigsten Argumente erläutert.
10
Vgl. Turk, F. (2001), S.3.
11
Vgl. Jensen M. und W. Meckling (1976), S.308.
12
Vgl. Baker, G. et al. (2002), S.46.

_____________________________________________________________ 8
Arbeitsverträge kommen zustande, wenn sich beide Vertragsparteien mit ihnen
besser oder zumindest gleich gut stellen als ohne.
13
In Abhängigkeit der von Coase
formulierten Annahmen, wird es immer dann zwischen den Parteien zu einer Einigung
kommen, wenn dies für beide Seiten von Vorteil ist (Pareto-Kriterium).
14
Aus
volkswirtschaftlicher Sicht sollen Verträge somit der Effizienzsteigerung dienen.
Der Arbeitgeber stellt in dem Arbeitsverhältnis eine Art Versicherung für den
Arbeitnehmer dar. Einkommensstabilität und Arbeitsplatzsicherheit sollen durch
Verträge weitestgehend gewährleistet sein. Es findet hier im Vergleich zum Spotmarkt
eine Umverteilung der Risiken zu Lasten des Arbeitgebers statt, da der Arbeitgeber
implizit verspricht auch bei schlechter wirtschaftlicher Lage zunächst keine
Lohnsenkung oder Entlassungen vorzunehmen, während der Arbeitnehmer sich dazu
verpflichtet, nicht vor Ende der Laufzeit zu kündigen (sog. implizite Verträge).
15
Arbeitgeber haben durch eine differenzierte Gestaltung von Arbeitsverträgen die
Möglichkeit, die Arbeitnehmer einem groben Selektionsverfahren zu unterziehen.
Analog zum Versicherungsmarkt, kann auch die Vertragsgestaltung im Arbeitsmarkt
dazu führen, dass durch Offerten verschiedener Verträge, sich die hochproduktiven
Arbeitnehmer für andere Verträge entscheiden als es die Geringproduktiven tun.
16
Dies
wird auch als adverse Selektion bzw. Screening-Verfahren bezeichnet und ist
Gegenstand von Kapitel 4.3.
17
Investitionen in eine Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Beziehung generieren Erträge. Die
unzureichende und ineffiziente Verteilung von Eigentumsrechten kann zu ex-post
opportunistischem Verhalten bei der Ertragsverteilung führen und somit bei
Antizipation dieser Problematik, zu einer ex-anten ineffizienten Investitionshöhe.
18
Dieses Problem ist in der Literatur unter dem Begriff Hold-up wieder zu finden.
19
Ferner werden durch eine Gruppe von Individuen aufgrund von Kooperation
gemeinsame Überschüsse erwirtschaftet und untereinander aufgeteilt. Die Höhe des
13
Vgl. Schmitz, P. (2001), S.2.
14
Vgl. Coase, R.H. (1992), S.717.
15
Bei einem impliziten Arbeitsvertrag werden Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
getroffen, die lediglich mündlich vereinbart wurden oder auf einem stillschweigenden Einverständnis
beruhen. Ein impliziter Arbeitsvertrag ist im Unterschied zum juristischen, expliziten Vertrag ohne
rechtlichen Status. Ein impliziter Vertrag gilt als selbstdurchsetzend, wenn sich beide Parteien aus
eigenem Interesse an die Vereinbarungen halten. Hierbei wird für einen gewissen Zeitraum die
Entlohnung von der Produktivität abgekoppelt. Für eine ausführliche Erläuterung zu diesem Thema, vgl.
Franz, W. (2003), S.310f.
16
Vgl. Chiappori, P. und B. Salanié (2000), S.3.
17
Vgl. Chen, P. und P. Edin (2002), S.617.
18
Vgl. Saussier, S. (2000), S.380.
19
Siehe hierzu Abschnitt 4.2.1.

_____________________________________________________________ 9
Überschusses hängt von den Produktivitäten der einzelnen Mitglieder dieser Gruppe ab.
Oftmals stimmen aber die Ziele zur privaten Nutzenmaximierung nicht mit den
gruppen- bzw. firmenorientierten Zielen überein. Dies kann zu einer geringen Leistung
des Arbeitnehmers und folglich einem geringeren Überschuss führen. Arbeitsverträge
können in dieser Hinsicht gewährleisten, dass egoistisches Verhalten gemildert bzw.
verhindert wird.
Die Integration von Arbeitnehmern und deren Beteiligung am Produktionsprozess
kann zu einer Abmilderung der Prinzipal-Agenten-Problematik beitragen. Längerfristige
bilaterale Verhandlungen können die Loyalität und somit auch die Produktivität des
Arbeitnehmers erhöhen. Gerade in der neuen Institutionenökonomik wird dieser
Problematik nachgegangen. Die auf die Anreizsetzung von Arbeitsverträgen abzielende
Betrachtung ist bedeutender Gegenstand gegenwärtiger experimenteller Wirtschaftsfor-
schung und wird im Laufe der Arbeit noch genauer analysiert werden.
Schon vor dem Zustandekommen eines Arbeitsvertrages entstehen, sowohl auf
Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite, Kosten. Werbungs- und Entlassungskos-
ten müssen sich für den Arbeitgeber ebenso wie für den Arbeitnehmer amortisieren.
20
Diese Kostenarten werden unter dem Begriff Turnover-Kosten
21
subsumiert. Durch die
Gewährleistung einer bestimmten Beschäftigungsdauer in Arbeitsverträgen ist es für
beide Seiten vorteilhaft während des Beschäftigungsverhältnisses in Trainings- und
Fortbildungsmaßnahmen zu investieren, da sich diese Kosten im Laufe der Zeit
amortisieren und diese Investitionen zu einer Produktivitätssteigerung führen können.
2.2.2 Arbeitsverträge aus juristischer Sicht
Der Arbeitsvertrag als einer der häufigsten Arten des Dienstvertrages ist in §§ 611 ff
BGB normiert. Sein abstrakter Inhalt ist gem. § 611 I BGB die entgeltliche, auf die
Herbeiführung eines Erfolges gerichtete Leistung.
In einem Arbeitsvertrag werden für den abhängigen Arbeitnehmer u.a. seine
Arbeitszeit und Bezüge, seine Leistungen, zu denen er sich im Vertrag verpflichtet hat,
seine Stellung im Unternehmen und die ihm übertragenen Vollmachten weitestgehend
festgelegt. Ferner werden Regelungen über Urlaub und Vertragsdauer bestimmt.
20
Vgl. Malcomson, J. (1997), S.1919.
21
Unter Turnover-Kosten werden nach herrschender Meinung Such-, Anbahnungs-, Entwurfs-,
Verhandlungs-, Trainings- und Entlassungskosten verstanden.

_____________________________________________________________ 10
Kündigungsfristen sind in § 622 BGB in Abhängigkeit der bisherigen Beschäfti-
gungsdauer geregelt; bei Kündigungen durch den Arbeitgeber sind die Fristen
gesetzlich genau festgelegt (§ 622 II BGB). Einzelvertraglich kann eine kürzere
Kündigungsfrist vereinbart werden, sofern die Voraussetzungen gemäß § 622 V BGB
erfüllt sind. Zudem können abweichende Fristen im Tarifvertrag gemäß § 622 IV BGB
bestimmt werden.
Das Gesetz schränkt hierbei die Vertragsgestaltung ein, bspw. Verbot von Sklaverei
oder Beschränkung der Strafen bei Vertragsbruch, und hat daneben die Funktion, durch
die Regeln der §§ 611 ff BGB und des Allgemeinen Schuldrechts mögliche
Vertragslücken zu füllen. Dem Staat steht im Lohnbildungsprozess keine Regelungs-
kompetenz zu (Grundsatz der Tarif- bzw. Privatautonomie). Das den Vertragsparteien
auferlegte Arbeitsvertragsrecht regelt die privatrechtlichen Beziehungen zwischen dem
Arbeitgeber und dem einzelnen Arbeitnehmer (Schutz- und Treupflichten des
Arbeitnehmers sowie Schutz- und Fürsorgepflichten des Arbeitgebers). Besonders
kommt dabei dem Grundsatz von Treu und Glauben eine hohe Bedeutung zu.
Grundsätzlich gilt, dass einzelne Vertragsbestandteile auch dann gerichtlich klagbar
sind, wenn nicht alle Punkte in schriftlicher, sondern auch in mündlicher Form
vereinbart worden sind, wobei der Kläger dann in der Praxis oft Beweisschwierigkeiten
haben wird.
22
Dauerschuldverhältnisse können gemäß § 313 I BGB einer Anpassungspflicht
unterliegen, wenn sowohl exogen als auch endogen Veränderungen erfolgen und unter
Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Vertragsanpassung beiden
Parteien zuzumuten ist, insbesondere im Hinblick auf die vertragliche oder gesetzliche
Risikoverteilung. Im Rahmen des Arbeitsschutzrechtes hat der Gesetzgeber
Verordnungen erlassen, deren Erfüllung sich der Arbeitgeber aufgrund dieser öffentlich-
rechtlichen Pflichten dem Arbeitnehmer gegenüber verpflichtet hat (bspw.
Ladenschlussgesetz, Mutterschutz). ,,Durch das Arbeitsschutzrecht [.] werden dem
Arbeitgeber, in Ausnahmen auch dem Arbeitnehmer, öffentlich-rechtliche Pflichten
auferlegt, deren Einhaltung durch staatliche Aufsicht, Zwang und Strafe oder Buße
unabhängig vom Willen des Arbeitnehmers durchgesetzt wird." (Sadowski, D. (2002),
S.88).
22
Es gilt neben expliziten Vertragspunkten das sog. Gewohnheitsrecht in Vertragsbeziehungen (sog.
Verkehrssitte).

_____________________________________________________________ 11
3. Unvollständige Arbeitsverträge: Definitionen und Erklärungsansätze
In der Literatur ist keine eindeutige Definition zu finden, wodurch ein unvollständi-
ger Vertrag genau gekennzeichnet ist. North (1990) argumentiert, dass die
Unvollständigkeit von Verträgen ein Hauptgrund für ineffizientes ökonomisches
Wachstum und Wohlfahrtsverluste ist.
Ein unvollständiger Vertrag birgt Risiken, aber auch Chancen für die Parteien. Bspw.
können Verhaltensweisen durch den Agenten aufgrund exogener oder endogener
Zustandsänderungen leichter angepasst werden als wenn seine Handlungsfähigkeit zu
stark durch den Vertrag abgegrenzt wird. Die Unvollständigkeit eines Vertrages hat
demnach den Vorteil einer erhöhten Flexibilität.
23
Dies eröffnet jedoch zugleich
Spielraum für egoistische Handlungsweisen des Arbeitnehmers und diese können für
die angestrebte Gewinnmaximierung des Arbeitgebers schädlich sein. Ebenso kann der
Arbeitgeber die Vertragsunvollkommenheit zur Verfolgung seiner Ziele ausnutzen.
Folge davon können pareto-suboptiomale Gleichgewichte sein.
Nach herrschender Meinung ist ein vollständiger Vertrag dadurch charakterisiert,
dass er zu jedem möglichen Zustand, der sich einstellen kann, alle Rechte, Pflichten
sowie Handlungsanweisungen der jeweiligen Vertragsseite festlegt und für Dritte
nachvollziehbar bzw. unumstritten formuliert wurde.
24
Um einen vollständigen Vertrag
aufsetzen zu können, muss perfekte Voraussicht gewährleistet sein, es dürfen keine
Vertragskosten vorhanden bzw. sie müssen für die Vollständigkeit irrelevant sein,
zudem muss eine symmetrische Informationsverteilung vorliegen. Die Aufteilung von
Kosten und Erträgen sind in dem Kontrakt eindeutig festgelegt. Nachverhandlungen
sind unter vollständigen Verträgen nicht relevant, da der Vertrag auch ex-post keine
Fragen mehr offen lässt und unter der Annahme des homo oeconomicus somit die first-
best
Lösung implementiert wird.
In der Arbeitswelt, ,,[...] treffen Arbeitnehmer mit mehrdimensionalen Präferenzen
und Fähigkeiten auf Arbeitgeber, die ihnen Arbeitsplätze oder ­aufgaben anbieten, die
ihrerseits vielfältige Herausforderungen, Belastungen [...] mit sich bringen können."
(Sadowski, D. (2002), S.74). In Bezug auf vollständige Arbeitsverträge spiegeln sich
die Fähigkeiten des Arbeitnehmers in dem Vertrag wider. Hochproduktive Arbeiter
erhalten eine Entlohnung entsprechend ihrer Grenzproduktivität und Geringproduktive
23
Vgl. Levin, J. (2003), S.835.
24
Wobei die Vertragsdurchsetzung gegenüber einer dritten Partei bei Vollständigkeit redundant wäre,
vgl. Tirole, J. (1999), S.746.

_____________________________________________________________ 12
entsprechend weniger. Der Entscheidungsspielraum des Mitarbeiters ist vertraglich ex-
ante so geregelt, dass seine Rechte und Pflichten in der Arbeitsbeziehung vollständig
determiniert und durchsetzbar sind. Es ergibt sich ein stabiles Marktgleichgewicht aus
dem Schnittpunkt der Arbeitsangebots- und der Arbeitsnachfragefunktion. Unfreiwillige
Arbeitslosigkeit kann unter den oben gemachten Annahmen dieser neoklassischen
Sichtweise nicht entstehen.
25
Es gibt eine Vielzahl von Gründen, warum in der Realität nur selten annähernd
vollständige Verträge zu beobachten sind. Es ist schlichtweg nicht möglich alle
Obligationen zu jedem möglichen Zustand der Parteien vertraglich zu fixieren.
26
Dies
liegt einerseits an den Problemen der oben erwähnten Annahmen, aber eventuell auch
an einem beidseitigen Interesse einen Vertrag nicht vollständig zu spezifizieren.
27
Die vertragsschließenden Agenten sind sich in der Regel bewusst, dass sie zum
Zeitpunkt des Abschlusses einen unvollständigen Vertrag unterzeichnen. Arbeitsverträ-
ge legen meist nur Richtlinien und bestimmte Qualitätsstandards fest, nicht jedoch
genaue Handlungsanweisungen, wie die Anforderungen eines sich dynamisch
entwickelnden Arbeitsplatzes zu erfüllen sind.
28
Letztendlich werden Verträge so
geschrieben, dass keiner der beiden Seiten einen zu großen Vorteil erlangen kann.
Dieses Kapitel soll einen Überblick über die in der Literatur diskutierten Thesen und
Erklärungen für unvollständige Arbeitsverträge geben. Zunächst werden die klassischen
Argumente der beschränkten Rationalität und der Vertragsgestaltungskosten in den
ersten beiden Unterabschnitten genauer erläutert und untersucht. In Abschnitt 3.3
werden in Abhängigkeit der Präferenzannahmen weitere Gründe diskutiert, warum es
bei unvollständigen Arbeitsverträgen effizient sein kann, auch andere, vertraglich
festlegbare Aspekte nicht zu spezifizieren.
3.1 Beschränkte Rationalität und Informationsasymmetrie
Sowohl beschränkte Rationalität als auch asymmetrische Information sind nach der
klassischen Vertragstheorie die zwei Hauptargumente für unvollständige Arbeitsverträ-
ge. Diese Aspekte sind mitunter auch der Grund dafür, dass sich in der Arbeitswelt die
25
Als freiwillig arbeitslos gilt derjenige, der nicht bereit ist zu den vorherrschenden Marktbedingungen
positive Leistungseinheiten anzubieten.
26
Vgl. Al-Najjar, N. (1995), S.432.
27
Vgl. Bernheim, D. und M. Whinston (1998), S.902.
28
Vgl. Fehr, E. und S. Renninger (2001), S.27.

_____________________________________________________________ 13
Individuen nicht nur auf explizite Vertragspunkte verlassen, sondern die impliziten
Vereinbarungen ebenso von Bedeutung sind.
Eine Auflistung der zu erbringenden Leistungen des Arbeitnehmers wird unbewusst
oder auch bewusst im Vertrag meist nicht explizit aufgeführt, da wie oben erwähnt sich
zum einen die Arbeitsplatzanforderungen dynamisch entwickeln und zum anderen ex-
ante nicht vorhersehbare wirtschaftliche Ereignisse eine stetige Anpassung des
komplexen Produktionsprozesses erfordern. Beschränkte Rationalität bezieht sich auf
die Unmöglichkeit alle Eventualitäten, die sich im Laufe der Vertragsbeziehung
ergeben, ex-ante zu antizipieren und im Vertrag festzuschreiben. Dies hat zur Folge,
dass festgelegte Ziele auch ohne opportunistische Absichtsweisen mit dem
festgeschriebenen Vertrag nicht in optimaler Weise verfolgt werden können.
29
Je
komplexer die Arbeitsaufgabe ist, desto eher kann man davon ausgehen, dass der
abgeschlossene Vertrag Lücken aufweist. Dies hat wiederum zur Folge, dass
insbesondere bei hoher Unsicherheit bezüglich der möglichen zukünftigen Ereignisse
die Vertragsdauer sinkt.
30
Die Gestaltung eines Vertrages wird zudem erheblich durch asymmetrische
Informationsverteilung erschwert. Dabei sind zwei Fälle zu unterscheiden. Zum einen
besteht der sog. vorvertragliche Opportunismus darin, dass die Informationsasymmetrie
bereits vor der Vertragsschließung vorliegt und zu Ungunsten der jeweils anderen Partei
verschwiegen wird. Darunter kann man sich private Informationen wie die wahre
Arbeitsbereitschaft (hidden action)
31
, die Qualifikation oder die Kenntnis über den
Gesundheitszustand des Arbeitnehmers vorstellen, der Arbeitgeber hingegen kann
anstehende Solvenz oder Standortverlagerungspläne verschweigen. Zum Zweiten ist der
nachvertragliche Opportunismus zu nennen, der dadurch entsteht, dass während der
Vertragsbeziehung neue Informationen hinzukommen, diese aber ebenso verschwiegen
werden. So ist meist nur schwer feststellbar, ob eine Qualitätsminderung auf Bummelei
durch den Arbeitnehmer zurückzuführen ist oder ob die Qualität der Inputfaktoren
abgenommen hat (moral hazard-Problem). Im Hinblick auf die Verbesserung von
Arbeitsprozessen, die evtl. zu Rationalisierungsmaßnahmen und somit zu einem
möglichen Arbeitsplatzverlust führen könnten, ist eine bewusste Wissenszurückhaltung
seitens des Arbeitnehmers sehr wahrscheinlich.
29
Vgl. Fehr, E. (2001), S.29.
30
Vgl. Bárcena-Ruiz, J. und M. Campo (2000), S.249.
31
Vgl. Neunzig, A. (2002), S.2

_____________________________________________________________ 14
Aufgrund der verschiedenen Positionen in einem Unternehmen ergibt sich ein
differenzierter Zugang zu Informationen. Führungspersonen wissen meist mehr über
den wirtschaftlichen Zustand eines Unternehmens, Arbeiter in der Konstruktion haben
hingegen leichteren Zugang zu Informationen, die den Produktionsprozess betreffen.
Diese Informationen werden oft aus unternehmenspolitischen Aspekten nicht
weitergeleitet, da hierdurch wiederum Freiraum zu opportunistischen Verhaltensweisen
geschaffen werden kann.
32
Je detaillierter ein Vertrag formulierbar ist bzw. je effizienter
die Anreizsetzung im Vertrag festlegbar ist, desto mehr kann der hier angesprochenen
Prinzipal-Agenten Problematik resultierend aus der Informationsasymmetrie unter den
klassischen Annahmen begegnet werden.
33
Sollten Verträge aufgrund von beschränkter Rationalität oder Informationsasymmet-
rien unvollständig sein, so kann es besser sein, weitere festlegbare Punkte auch nicht in
dem Vertrag zu fixieren. Dies liegt zum einen daran, dass eine teilweise Spezifizierung
eventuell die Handlungsmöglichkeiten von nur einer Seite einschränkt, die andere
Vertragspartei hingegen zu großen Spielraum erlangt. Des Weiteren besteht die Gefahr,
dass der Arbeitnehmer sich hauptsächlich auf die fixierten und verifizierbaren
Leistungen konzentriert, die anderen dabei weitestgehend außer Acht lässt, bspw. die
Weitergabe von impliziten Wissen.
34
Ereignisse, die nahe am Zeitpunkt des Vertragesabschluss liegen, können meist
besser und genauer antizipiert werden, als Ereignisse, die weiter in der Zukunft liegen.
Daher sind insbesondere langfristige Verträge meist durch einen hohen Grad an
Unvollständigkeit gekennzeichnet. Jede Partei erlangt durch den Vertrag bestimmte
Rechte, aber seine Unvollständigkeit beinhaltet auch, dass sog. Residualrechte
verbleiben, die im Vertrag nicht festgeschrieben werden können.
35
Diese Rechte, die
sich aufgrund nicht eindeutig definierter Eigentumsverhältnisse ergeben, sind von
besonderer Bedeutung sollte es zu Nachverhandlungen zwischen den Parteien kommen.
Dieses Thema wird in Kapitel 4.2.2. untersucht werden.
3.2 Kosten der Vertragsgestaltung
Selbst wenn die oben angesprochenen Informationsprobleme nicht bestehen würden,
kann es prohibitiv hohe Kosten verursachen, alle vorhersehbaren Eventualitäten in einer
32
Vgl. Hart, O. (1983), S.23.
33
Vgl. MacLeod, W. und D. Parent (1999), S.18.
34
Siehe hierzu Abschnitt 3.3.2.
35
Vgl. Brynjolfsson, E. (1994), S.1647.

_____________________________________________________________ 15
Vertragsbeziehung so festzulegen, dass sie durch eine dritte Partei, wie etwa einem
Gericht, durchsetzbar wären. Ein sehr intuitives Beispiel für hohe Vertragskosten bietet
der Vertrag zwischen der Bundesregierung und dem Betreiberkonsortium Toll Collect.
Der Vertrag umfasst 17.000 Seiten und die Verhandlungskosten des Vertrages werden
auf 16.000 geschätzt. Trotz dieser hohen Anzahl von Seiten, ist der Vertrag, wie die
jüngsten Nachrichten verdeutlichen, im hohen Maße unvollständig.
Folgende Berechnung von MacLeod (2000) soll eine Intuition für das Ausmaß von
Vertragskosten liefern. Angenommen einen Vertragspunkt festzulegen, verursacht
Kosten in Höhe von
0,01
=
. Es gibt k verschiedene Aufgaben, die jeweils n
Produktivitätslevels bzw. m Kostenlevels erfordern. Die Produktivitätslevels können als
die vom Arbeitnehmer implementierte Produktivität aufgefasst werden, die
Kostenlevels hingegen als Opportunitätskosten, da andere Aufgaben zu diesem
Zeitpunkt nicht bearbeitet werden können. Demnach sind die vollständigen
Vertragskosten gegeben durch:
k
k
C(c) n m
=
. Nimmt man ferner an, dass n=m gilt,
ergeben sich folgende Kosten für einen vollständigen Vertrag:
Anzahl der Aufgaben k
n=m
2
5
10
15
2
0,16
10,00
10.000,00
10 Millionen
3
0,81
600,00
35 Millionen
2 Billionen
4
2,56
10.000,00
11 Milliarden
811.000 Billionen
5
6,25
100.000,00
1000 Milliarden
10 Millionen Billionen
Tab. 1 ­ Kosten eines vollständigen Vertrages
Je höher die Komplexität eines Vertrages ist, desto kostspieliger wird es, einen
vollständigen Vertrag zu schreiben.
36
Die Vertragsparteien müssen demnach zwischen
dem Nutzenzugewinn aus einer eindeutigen Festlegung und den Kosten der Aufsetzung
des Vertrages abwägen. Die optimale Vertragslänge ergibt sich damit aus dem
Schnittpunkt der marginalen Vertragskostenkurve und dem marginalen Zugewinn aus
der Festlegung eines weiteren Vertragspunktes. Je höher die Kosten der Vertragsgestal-
36
Vgl. Rebitzer, J. (1999), S.29.

_____________________________________________________________ 16
tung, desto sinnvoller ist der Abschluss eines längerfristigen Vertrages, damit diese
Kosten nicht in der nächsten Periode wieder anfallen.
37
Unvollständige Arbeitsverträge werden nach der Vertragskostentheorie gelegentlich
bewusst herbeigeführt, da dies Kosten und Zeit spart. Daher wird aufgrund der
Vertragskosten oftmals ein unvollständiger Vertrag gewählt und die Strategie wait and
see
von den Parteien verfolgt.
38
3.3 Weitere Erklärungsansätze für unvollständige Verträge
Typischerweise wird in klassischen Modellen der homo oeconomicus unterstellt.
Dieser Typ Mensch trifft Entscheidungen, indem er rational und emotionslos zwischen
den erwarteten Kosten und Nutzen von verschiedenen Alternativen abwägt und sich
dann für jene entscheidet, welche ihm selbst den höchsten Nutzen stiftet. Weder das
Leid noch das Wohlergehen anderer fließt in seine Entscheidungen mit ein.
39
Es liegt
somit auch nicht in seinem Interesse jemanden für seine Handlungen zu belohnen oder
zu bestrafen.
Gerade in den letzten Jahren gelang der Einzug von sozialen Präferenzen in
wirtschaftstheoretische Modelle. Beispiele für soziale Präferenzen sind Fairness,
Altruismus, also Freundlichkeit und Hilfe ohne jede Bedingung, aber ebenso gehören
auch Neid und Eifersucht dazu. Eine Person weist soziale Präferenzen auf, wenn auch
der Nutzen anderer für sie von Belang ist.
40
Eine besonders wichtige Form von sozialen
Präferenzen ist die Präferenz für Reziprozität, die der sog. homo reciprocans offenbart.
Das Verhalten reziproker Individuen ist nach der Definition von Rabin (1993) dadurch
gekennzeichnet, dass sie faires Verhalten belohnen und Unfaires bestrafen, auch wenn
dies mit materiellen Kosten für sie verbunden ist und sie im Gegensatz zur Kooperation,
keine zukünftigen Erträge erwarten.
41
Demnach werden ihre Handlungen als eine
Reaktion auf das Verhalten anderer geleitet.
Dieses Verhalten wurde zuvor unter dem Begriff der Geschenkaustauschtheorie von
Akerlof (1982) modelliert. Dabei wird angenommen, dass eine Lohnzahlung über dem
markträumenden Lohnsatz an die Arbeitnehmer von diesen als Geschenk aufgefasst und
mit einer erhöhten Leistungsanstrengung erwidert wird.
37
Vgl. Bárcena-Ruiz, J. und M. Campo (2000), S.249.
38
Vgl. Hart, O. (1983), S.23.
39
Vgl. Frey, B. und M. Benz (2001), S.2.
40
Vgl. Fehr, E. (2002), S. C2.
41
Vgl. Falk, A. (2003), S.143.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783832484910
ISBN (Paperback)
9783838684918
DOI
10.3239/9783832484910
Dateigröße
751 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Mannheim – unbekannt
Erscheinungsdatum
2004 (Dezember)
Note
1,3
Schlagworte
reziprozität investitionsverhalten beziehung vertragsgestaltung informationsasymmetrie
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Titel: Theorie und Empirie unvollständiger Arbeitsverträge
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