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Propaganda, Stereotype und Feindbilder in der Krisen- und Kriegsberichterstattung

Ein inhaltsanalytischer Vergleich der Berichterstattung über den Golfkrieg 2003 in den Nachrichtenmagazinen „Spiegel“ und „Profil“

©2004 Diplomarbeit 155 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Krisen und Kriege sind mediale Großereignisse, die in der Auslandsberichterstattung eine dominante Rolle spielen. Wie die daran beteiligten Politiker, Länder und Völker in der Weltöffentlichkeit wahrgenommen werden, hängt in großem Ausmaß von der medialen Darstellung ab, da persönliche Erfahrungen aufgrund der geographischen Distanz zum Geschehen meist nicht möglich sind.
Vor allem in unserer modernen Kommunikationsgesellschaft bekommen daher die Medien als die „vierte Gewalt“ im Staat eine nicht zu unterschätzende Rolle für den Verlauf und die Einschätzung von politischen und militärischen Konflikten.
Dies hat jedoch auch zu Folge, dass Politiker und Militär im Laufe der 150-jährigen Kriegsberichterstattung ihre Zensur- und Propagandamethoden weiterentwickelt und an die veränderten Kommunikationstechnologien angepasst haben. Vorrangiges Ziel dieser Informationskontrolle der Medien war und ist es, negative Darstellungen der eigenen Gruppe bzw. Partei zu verhindern und gleichzeitig die Berichterstattung zur Verwirklichung eigener Interessen zu nutzen. Ein beliebtes Propagandamittel ist dabei die Verbreitung von Stereotypen, Vorurteilen und Feindbildern des Gegners, um ihn somit abzuwerten, seine Bekämpfung zu legitimieren und gleichzeitig die eigene Seite in ein positiveres Licht zu setzen.
Im Rahmen dieser Arbeit werden unter anderem die unterschiedlichen Möglichkeiten, wie Freund-Feind-Bilder Eingang in die mediale Berichterstattung finden, vorgestellt. Dies kann einerseits durch die ungeprüfte Übernahme von vorgefertigten Propagandamaterialien durch die Journalisten erfolgen, oder andererseits indem Journalisten selbst durch eine einseitige Nachrichten- bzw. Bilderauswahl und/oder die Verwendung bestimmter sprachlicher Mittel, zur „Schwarz-Weiß-Wahrnehmung“ eines Konflikts beitragen.
Der Aufbau der Arbeit erfolgt in zwei Teilen: Zunächst werden im theoretischen Teil einerseits die Kennzeichen und Probleme der Kriegsberichterstattung und andererseits die Bedeutung von Stereotypen und Feindbildern als Propagandamittel erläutert. Diese beiden Bereiche stehen in einem engen Zusammenhang zueinander, da die spezielle Arbeitssituation für Journalisten in Kriegsgebieten sowie die Kennzeichen der Auslandsberichterstattung die Verbreitung von stereotypen Darstellungsweisen fördern.
Das erste Kapitel beschäftigt sich daher mit dem Verhältnis von Medien und Militär in Krisen- und Kriegszeiten und geht dabei auf die Vor- […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8697
Kneidinger, Bernadette:
Propaganda, Stereotype und Feindbilder in der Krisen- und Kriegsberichterstattung -
Ein inhaltsanalytischer Vergleich der Berichterstattung über den Golfkrieg 2003 in den
Nachrichtenmagazinen ,,Spiegel" und ,,Profil"
Hamburg: Diplomica GmbH, 2005
Zugl.: Universität Wien, Diplomarbeit, 2004
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http://www.diplom.de, Hamburg 2005
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AUTORENPROFIL
Bernadette Kneidinger, Mag. phil.
Bürgerspitalgasse 4-6/29
A-1060 Wien
0043 (0)650 5324349
bernadette_kneidinger@gmx.at
meine persönlichen Daten
geboren am 20.3.1982 in Wels (Österreich)
ledig, ortsungebunden
meine wichtigsten Eigenschaften
Einsatzfreude, Innovationsbereitschaft, Verantwortungsbewusstsein,
analytisches Denkvermögen, Teamfähigkeit, Organisationstalent,
Zielstrebigkeit
angestrebter Aufgabenbereich
Journalismus / Kommunikationswissenschaftliche Forschungsarbeit
Studium
9.
November
2004
Diplomprüfung
Akad.-Grad: Magistra der Philosophie
Diplomarbeit:
Thema ,,Propaganda, Stereotype und Feindbilder in der Krisen- und Kriegsberichterstattung.
Ein inhaltsanalytischer Vergleich der Berichterstattung über den Golfkrieg 2003 in den politischen
Nachrichtenmagazinen ,,Spiegel" und ,,Profil". (Gesamtnote: 1,0)
Diplomprüfung Schwerpunkt Journalismus / Medienkunde: Gesamtnote: 1,0
Fachrichtung:
Publizistik- und Kommunikationswissenschaft
Berufliche Entwicklung
seit Oktober 2004:
Studienassistentin am Wiener Institut für Publizistik- und
Kommunikationswissenschaft der Universität Wien
April 2003 ­ April 2004:
PR- und Marketingabteilung bei ,,Advanced Innovation"
Februar, Juli, August,
Freie Mitarbeiterin bei der OÖ Kronenzeitung (Ressort:
September 2004:
Politik und Wirtschaft)
Juli 2003:
Praktikum bei der OÖ Krone (Ressort: Politik und Wirtschaft
September 2002:
Praktikum bei Radio Oberösterreich (Ressort: Aktueller Dienst)
Juli 2001:
Praktikum bei den OÖN (Ressort: Landesnachrichten)
Fort- und Weiterbildung
Sprachkurse:
Juli 2002 ­ Spanischkurs in Málaga
August
2003
­
Spanischkurs
in
Málaga
Juli 2004 ­ Spanischkurs in Barcelona
Kenntnisse und Interessen
Sprachen: Englisch, Spanisch gute Kenntnisse in Wort und Schrift
Didaktik: Betreuung von Studenten in journalistischen Fachseminaren am Institut für Publizistik- und
Kommunikationswissenschaft der Universität Wien
Computer / Internet
Sport
Reisen

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DANKSAGUNG
An dieser Stelle gilt mein ausdrücklicher Dank meinen Eltern, die mir dieses Studium
ermöglicht haben und in jeder noch so schwierigen Lebenssituation stets wie ein Fels in
der Brandung hinter mir standen.
Weiters möchte ich mich auch bei meinem Betreuer Ao. Univ.-Prof. Dr. Hannes Haas
bedanken, der mir durch seine individuelle Unterstützung und hilfreiche Tipps die
erfolgreiche Realisierung dieser Arbeit ermöglicht hat.
Danke auch an Carina, mit der ich gemeinsam schon so manche Hürde des Studiums
genommen habe, sowie an Katharina, Sabrina und Alfred, die stets ein offenes Ohr für
meine Probleme hatten und mich immer wieder zum Weitermachen motiviert haben.

3
Für M. und D.

4
Inhaltsverzeichnis
I. EINLEITUNG ... 8
II. THEORETISCHER TEIL ... 11
1. Das Verhältnis Medien und Militär in Krisen- und Kriegszeiten: ... 11
1.1. Definition von Krisen und die Funktion von Krisenkommunikation... 11
1.2. Die Geschichte der Kriegsberichterstattung... 12
1.3. Die Symbiose zwischen Medien und Militär in Kriegszeiten ... 14
1.3.1. Profit der Medien in Kriegszeiten: ... 15
1.3.2. Profit des Militärs in Kriegszeiten:... 17
2. Die Rolle der Nachrichtenfaktoren in der Krisen- und Kriegsberichterstattung ... 20
2.1. Nachrichtenfaktoren in der Auslandsberichterstattung: ... 24
2.1.1. Aufgaben und Probleme der Auslandsberichterstattung ... 24
2.1.2. Auslandsberichterstattung als Kommunikation über Krisen... 25
2.1.3. Kritik an der Nachrichtenauswahl in der Krisen- und Kriegsberichterstattung:27
3. Wirklichkeitskonstruktion durch die Medien ... 29
3.1. Was erwarten Rezipienten von der Krisen- und Kriegsberichterstattung: ... 30
3.2. Verzerrte Wirklichkeitswahrnehmung durch Nachrichtenauswahl:... 32
3.3. Einfluss durch die medialen Präsentationstechniken... 34
3.4. Theorien zu den Folgen der medialen Wirklichkeitskonstruktion in der
Kriegsberichterstattung... 35
4. Journalismus und Zensur in Kriegszeiten ... 38
4.1. Die Entwicklung der Zensurmaßnahmen ... 38
4.2. Ziele von Zensurmaßnahmen: ... 39
4.3. Formen von Zensur: ... 40
4.4. Methoden um die Zensur zu umgehen: ... 41
4.5. Moderne Konzepte der Medienkontrolle in Kriegssituationen: ... 42
4.5.1. ,,Journalisten-Pools" ... 42
4.5.2. ,,Embedded Journalists" ... 42

5
4.6. Exkurs: Die Risiken der Journalisten im Kriegsgebiet: ... 44
4.7. Problem der Selbstzensur in den Medien ... 45
4.7.1. Der Einfluss der Rüstungsindustrie in die amerikanische Medienlandschaft ... 46
4.8. Zensur als Entschuldigung für schlechte Kriegsberichterstattung?... 46
5. Propaganda ... 48
5.1. Entwicklung der Propaganda-Methoden ... 50
5.2. Propaganda als Gefahr für eine objektive Kriegsberichterstattung:... 51
5.3. Medien als ,,Kriegsanheizer"? ... 51
6. Bedeutung und Funktionsweise stereotyper Systeme ... 53
6.1. Die Bedeutung der menschlichen Wahrnehmungsmechanismen für stereotype
Systeme... 53
6.1.1. Wahrnehmung ... 53
6.1.2. Wissen ... 54
6.1.3. Einstellungen ... 54
6.2. Stereotype Systeme... 57
6.2.1. Image ... 59
6.2.2. Stereotype ... 59
6.2.3. Vorurteile... 61
6.2.4. Feindbilder... 63
6.3. Stereotype und Feindbilder als Propagandamittel ... 65
7. Stereotype, Vorurteile und Feindbilder in der Krisen- und
Kriegsberichterstattung:... 68
7.1. Stereotype in der Berichterstattung ... 69
7.2. Feindbildkonstruktion durch die Medien ... 70
7.3. Das Feindbild Saddam Hussein... 71
7.4. Die Funktion der Sprache bei der Feindbildkonstruktion ... 74
7.4.1. Sprache und Wahrnehmung... 74
7.4.2. Sprachliche Mittel zur Konstruktion von Feindbildern... 76
7.4.3. Untersuchungen zur Feindbildkonstruktion im Golfkrieg 1991... 79

6
III. EMPIRISCHER TEIL ... 82
1. Zentrale Forschungsfrage und Hypothesen... 82
2. Untersuchungsdesign ... 90
2.1. Auswahl der Untersuchungsmethode ... 90
2.2. Auswahl des Untersuchungsmaterials ... 90
2.3. Untersuchungszeitraum ... 91
2.3.1. Chronologie des Golfkonflikts 2002/2003 ... 92
2.4. Zähleinheit:... 95
3. Datenauswertung... 96
3.1. Datenbasis... 96
3.2. Überprüfung Hypothese 1: ... 98
3.3. Überprüfung Hypothese 2: ... 108
3.4. Überprüfung Hypothese 3 + 4: ... 113
3.5. Überprüfung der Hypothese 5: ... 119
3.6. Überprüfung von Hypothese 6: ... 122
3.7. Überprüfung der Hypothese 7 ... 131
IV. SCHLUSSBETRACHTUNG ... 138
V. LITERATUR ... 141
VI. ANHANG... 146

7
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis:
Tabellen:
Tabelle 1: Verteilung der journalistischen Gattungen innerhalb der untersuchten Artikel
von ,,Spiegel" und ,,Profil"... 96
Tabelle 2: Themenverteilung in den untersuchten Artikeln: ... 97
Tabelle 3: Handlungsträgernennung in den untersuchten Artikeln des "Spiegel" ... 101
Tabelle 4: Handlungsträgernennung in den untersuchten Artikeln aus "Profil" ... 105
Tabelle 5: Handlungsträgernennungen in "Spiegel" und "Profil" ... 108
Tabelle 6: Verteilung der Bewertungsbereiche pro Handlungsträger ... 111
Tabelle 7: Bewertungsskala der untersuchten Artikel im ,,Spiegel" ... 115
Tabelle 8: Bewertungsskala in den untersuchten Artikeln von ,,Profil" ... 117
Tabelle 9: Durchschnittliche Anzahl kommentierter Bewertungsbereiche je journalistischer
Gattung in ,,Spiegel" und ,,Profil"... 120
Tabelle 10: Erwähnungen der irakischen und amerikanischen Kriegsziele ... 122
Tabelle 11: Anteil der Nennung von US-Kriegszielen in allen untersuchten ,,Spiegel"-
Artikel... 125
Tabelle 12: Anteil der Nennung von US-Kriegszielen in allen untersuchten ,,Profil"-
Artikeln... 128
Tabelle 13: Anteil der expliziten Nennung von Kriegszielen des Irak in ,,Spiegel" und
,,Profil" ... 130
Tabelle 14: Schuldzuweisungen (insgesamt) an die Konfliktgegner in ,,Spiegel" und
,,Profil" ... 132
Tabelle 15: Einzelitems der Schuldzuweisungen an die Konfliktgegner in ,,Spiegel" und
,,Profil" ... 135
Tabelle 16: Einzelitems der Schuldzuweisungen über Opfer an die Konfliktgegner in
,,Spiegel" und ,,Profil"... 136
Abbildungen:
Diagramm 1: Bewertungsindizes von ,,Spiegel" und ,,Profil" im Vergleich ... 118
Diagramm 2: Anteil der journalistischen Gattungen innerhalb der untersuchten Artikel von
,,Spiegel" und ,,Profil"... 119

8
I. Einleitung
Krisen und Kriege sind mediale Großereignisse, die in der Auslandsberichterstattung eine
dominante Rolle spielen. Wie die daran beteiligten Politiker, Länder und Völker in der
Weltöffentlichkeit wahrgenommen werden, hängt in großem Ausmaß von der medialen
Darstellung ab, da persönliche Erfahrungen aufgrund der geographischen Distanz zum
Geschehen meist nicht möglich sind.
Vor allem in unserer modernen Kommunikationsgesellschaft bekommen daher die Medien
als die ,,vierte Gewalt" im Staat eine nicht zu unterschätzende Rolle für den Verlauf und
die Einschätzung von politischen und militärischen Konflikten.
Dies hat jedoch auch zu Folge, dass Politiker und Militär im Laufe der 150-jährigen
Kriegsberichterstattung ihre Zensur- und Propagandamethoden weiterentwickelt und an die
veränderten Kommunikationstechnologien angepasst haben. Vorrangiges Ziel dieser
Informationskontrolle der Medien war und ist es, negative Darstellungen der eigenen
Gruppe bzw. Partei zu verhindern und gleichzeitig die Berichterstattung zur
Verwirklichung eigener Interessen zu nutzen. Ein beliebtes Propagandamittel ist dabei die
Verbreitung von Stereotypen, Vorurteilen und Feindbildern des Gegners, um ihn somit
abzuwerten, seine Bekämpfung zu legitimieren und gleichzeitig die eigene Seite in ein
positiveres Licht zu setzen.
Im Rahmen dieser Arbeit werden ich daher unter anderem die unterschiedlichen
Möglichkeiten, wie Freund-Feind-Bilder Eingang in die mediale Berichterstattung finden,
vorstellen. Dies kann einerseits durch die ungeprüfte Übernahme von vorgefertigten
Propagandamaterialien durch die Journalisten erfolgen, oder andererseits indem
Journalisten selbst durch eine einseitige Nachrichten- bzw. Bilderauswahl und/oder die
Verwendung bestimmter sprachlicher Mittel, zur ,,Schwarz-Weiß-Wahrnehmung" eines
Konflikts beitragen.
Der Aufbau meiner Arbeit erfolgt in zwei Teilen: Zunächst möchte ich im theoretischen
Teil einerseits die Kennzeichen und Probleme der Kriegsberichterstattung und andererseits
die Bedeutung von Stereotypen und Feindbildern als Propagandamittel erläutern. Diese
beiden Bereiche stehen in einem engen Zusammenhang zueinander, da die spezielle

9
Arbeitssituation für Journalisten in Kriegsgebieten sowie die Kennzeichen der
Auslandsberichterstattung die Verbreitung von stereotypen Darstellungsweisen fördern.
Beginnen möchte ich daher diese Arbeit mit dem Verhältnis von Medien und Militär in
Krisen- und Kriegszeiten und dabei auf die Vor- und Nachteile dieser ,,wirkungsvollen
Symbiose" eingehen (Kapitel 1).
Kapitel 2 und Kapitel 3 stehen in einem engen Zusammenhang und behandeln die
Nachrichtenfaktoren sowie die Wirklichkeitskonstruktion der Medien. Hier soll speziell
auf die Bedeutung der medialen Nachrichtenauswahl und ­darstellung für die
Wahrnehmung von Krisen und Kriegen eingegangen werden.
Kapitel 4 und 5 stellen schließlich die unterschiedlichen Erscheinungsformen und
Konsequenzen von Zensur und Propaganda in der Kriegsberichterstattung vor. Diese
beiden Kapitel sollen einen Überblick über die Entwicklung der unterschiedlichen
Methoden der Informationskontrolle und Informationsteuerung geben, wobei dies schon in
Hinblick auf die grundlegenden Vorbedingungen für die wirkungsvolle Verbreitung von
Feindbildern geschehen soll.
In Kapitel 6 gehe ich schließlich genauer auf Stereotype, Vorurteile und Feindbilder ein.
Hier erfolgt zunächst ein kurzer Exkurs über die Grundlagen der menschlichen
Wahrnehmung und der damit verbundenen Bedeutung von Einstellungen, da dies für das
Verständnis der Funktionsweise stereotyper Systeme unablässig ist. Anschließend werden
die Charakteristika und Funktionsweisen stereotyper Systeme näher erläutert.
In Kapitel 7 untersuche ich schließlich, auf welche Weise Feindbilder Eingang in die
mediale Berichterstattung finden bzw. versuche einen Überblick über sprachliche Mittel,
die zur Konstruktion von Feindbildern beitragen können, zu geben.
Der zweite große Teil meiner Arbeit erfolgt in Form einer empirischen Analyse. Im
Rahmen einer quantitativen Inhaltsanalyse soll überprüft werden, in welchem Ausmaß die
politischen Nachrichtenmagazine ,,Spiegel" und ,,Profil" in der Berichterstattung über den
Golfkonflikt 2002/2003 Stereotype bzw. Feindbilder vermittelt haben.
Durch den Vergleich der beiden Magazine möchte ich zudem untersuchen, ob sich die
unterschiedlich stark ausgeprägte Anti-Kriegspositionierung der deutschen und
österreichischen Regierung auch in der Berichterstattung von ,,Spiegel" und ,,Profil"

10
ausdrückt, d.h. ob ,,Spiegel" die USA und ihren Kriegseinsatz negativer darstellt als das
österreichische Nachrichtenmagazin.

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II. THEORETISCHER TEIL
1. Das Verhältnis Medien und Militär in Krisen- und
Kriegszeiten:
1.1. Definition von Krisen und die Funktion von Krisenkommunikation
Krisen und Kriege sind Ereignisse, die seit jeher bei Völkern unterschiedlichster Religion,
Rasse und Kultur großes Interesse hervorrufen. Die Menschen versuchen in solchen
Situationen durch zusätzliche Informationen ihre Verunsicherung, die Krisen durch die
Gefährdung allgemeiner Werte bzw. der Gesellschaft insgesamt hervorrufen, zu
reduzieren.
Nikolas Luhmann definiert daher Krisen aus systemtheoretischer Sicht folgendermaßen:
,,Krisen sind unerwartete, thematisch nicht vorbereitete Bedrohungen nicht nur
einzelner Werte, sondern des Systembestandes mit seinem eingelebten
Anspruchsniveau. Sie stimulieren und sammeln Aufmerksamkeit dadurch, dass sie
den Erfüllungsstand zahlreicher Werte diffus, unbestimmt und unter Zeitdruck
gefährden." (Luhmann 1979: 39, zit. nach: Löffelholz 1993: 11)
Krisen sind somit keine punktuellen Ereignisse, sondern erstrecken sich meist über einen
längeren Zeitraum. Im Extremfall spitzen sich Krisen schließlich zu Kriegen zu.
Die Aufgabe der Medien besteht daher in Krisen- und Kriegszeiten in erster Linie darin,
dem erhöhten Orientierungsbedürfnis der Menschen durch eine informative
Berichterstattung entgegenzukommen und auf diese Weise den Grad der gesellschaftlichen
Verunsicherung zu reduzieren.
Krisenkommunikation soll daher in Bezug auf Dombrowsky als ein Diskursverfahren
verstanden werden, dass sich ,,nicht auf zukünftige, sondern auf gegenwärtige, akut
ausgelöste oder chronisch schwelende krisenhafte Ereignisse" bezieht.
(Dombrowsky 1991: 1)

12
Prinzipiell kann man von zwei Hauptaufgaben ausgehen, welche die Kommunikation über
Krisen erfüllen kann bzw. soll:
1. Krisenbewältigungsaufgabe: Krisenkommunikation soll durch eine umfassende
Informationspolitik zur psycho-sozialen Schadensbewältigung und zur
Verhinderung von Folgeschäden beitragen.
2. Akzeptanz- und Legitimationsaufgabe: Krisenkommunikation soll die nicht
bestehende oder in Frage stehende Loyalität der an der Krise Beteiligten
wiederherstellen.
(vgl. Dombrowsky 1991: 6ff)
Besonders die zweite Funktion von Krisenkommunikation erinnert stark an Public-
Relations-Strategien, bei denen versucht wird, durch bewusste Information über die Krise
gewisse Kommunikationsziele beim Rezipienten zu erreichen. Inwieweit derartige PR-
Methoden der kriegsführenden Parteien mit einer objektiven Berichterstattung zu
vereinbaren sind, lässt sich vor allem aus medienethischer Sicht stark in Frage stellen.
1.2. Die Geschichte der Kriegsberichterstattung
Da eine detaillierte Darstellung der historischen Entwicklung der Kriegsberichterstattung
über das Thema meiner Arbeit hinausführen würde, möchte ich im Folgenden nur gezielt
einige Ereignisse herausgreifen, die das Verhältnis zwischen Medien und Militär bis heute
geprägt haben und daher für das Verständnis der modernen Zensur- und
Propagandamethoden wichtig sind.
Auch wenn es schon immer jemanden gab, der über die blutigen Kämpfe und Schlachten
unterschiedlichster Konflikte berichtet hat, so kann man von Kriegsberichterstattern im
heutigen Sinn erst ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sprechen.
Der erste Journalist, der tatsächlich als Kriegsberichterstatter bezeichnet wurde, war der
englische Reporter Howard Russell. Er und einige englische und französische Kollegen
berichteten über Belagerungen und Kampfhandlungen im Krimkrieg (1853-1856), der

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schließlich als der erste ,,Pressekrieg" in die Geschichte einging. Das Besondere (aus
heutiger Sicht) am Krimkrieg war, dass die Reporter damals noch relativ frei vom
Schlachtfeld berichten konnten, da es noch keine institutionalisierte Zensur und
Presselenkung gab. Die meisten Soldaten waren zu diesem Zeitpunkt den Umgang mit den
Journalisten nicht gewöhnt und ihnen war scheinbar auch nicht bewusst, welchen Einfluss
die Medien auf den Kriegsverlauf haben können.
Doch auch ohne offizielle Zensurmaßnahmen zeigte sich bereits damals das gespannte
Verhältnis zwischen Medien und Militär. Wenn es etwa ein Journalist wie Russell wagte,
die heimischen Truppen negativ darzustellen, so wurde er von den angegriffenen
Militärmachthabern für seine unpatriotische Berichterstattung hart kritisiert.
Zensur und Informationskontrolle sollten solche unvorteilhaften medialen Darstellungen
verhindern. Sehr bald erkannte das Militär zudem auch, dass sich gezielte Informationen
über die Kriegsereignisse hervorragend als Kampfmittel nach außen und innen einsetzen
lassen. Als Kampfmittel nach innen, indem die Bevölkerung über die Kriegsentwicklung
auf dem Laufenden gehalten wird und man sich somit ihre Unterstützung und
Zustimmung für die Kampfeshandlungen sichert; nach außen, sollen Berichte über die
eigene Stärke den Gegner einschüchtern, ihn gezielt desinformieren und ihn durch
Falschmeldungen irritieren.
Das Repertoire der Medienkontrolle und ­lenkung hat sich im Laufe der 150-jährigen
Geschichte der Medienberichterstattung über Kriege nach und nach perfektioniert und an
veränderte Kommunikationstechnologien angepasst.
Nach dem Krimkrieg, dem ersten ,,Pressekrieg", stellte vor allem der Vietnamkrieg ein
weiteres einschneidendes Ereignis in der medialen Kriegsberichterstattung dar. Erstmals
kam hier das Medium Fernsehen zum Einsatz, weshalb der Krieg in Vietnam auch als der
erste ,,Krieg im Wohnzimmer" in die Geschichte einging. Beinahe täglich lieferten die
großen amerikanischen Fernsehstationen die neuesten Bilder aus Vietnam direkt in die
amerikanischen Wohnzimmer, wodurch das Publikum den Eindruck bekam, tatsächlich
,,hautnah" am Kriegsgeschehen teilhaben zu können.

14
Neben diesen technologischen Weiterentwicklungen, ist der Vietnamkrieg aus heutiger
Sicht auch deshalb beachtenswert, da hier Journalisten zum vorerst letzten Mal relativ frei
vom Kriegsgeschehen berichten konnten.
Der Zugang zum Kriegsgebiet war sehr einfach: Wer als Journalist mit Visum und dem
Begleitschreiben eines Medienunternehmens nach Vietnam kam, hatte automatisch den
Rang eines Mayors und konnte Unterkunft, Verpflegung und Transport von der US-Army
beanspruchen. Es ist angesichts dieser einfachen Zugangsbedingungen für Journalisten
nicht erstaunlich, dass 1967 bereits an die 700 Reporter in Südvietnam waren.
Die Militärs konnten durch diese starke Präsenz an Berichterstattern keine genauen
Kontrollen mehr durchführen und beschränkten sich daher darauf, den Journalisten einige
militärische Grundregeln vorzugeben. Solange sich die Reporter an diese Punkte hielten,
wurde ihre Arbeit in keiner Weise behindert. (vgl. Löffelholz 1993: 44)
Genau diese mehr oder weniger uneingeschränkte Berichterstattung ermöglichte es den
Journalisten auch grausame und erschreckende Bilder von Toten und Massakern zu zeigen.
Das amerikanische Militär sieht bis heute in genau diesen Bildern den Grund für die
sinkende Zustimmung der US-Bevölkerung zum Kriegseinsatz und die Forderung nach
einem Ende der Kampfhandlungen. Ob es tatsächlich die Medienberichte waren, die den
Rückzug der USA aus dem Vietnam erzwungen haben, ist jedoch nicht bewiesen.
Dennoch zogen die US-Militärs aus den Erlebnissen im Vietnamkrieg die Erkenntnis, dass
es notwendig sei, mit einer strengen Zensur der Kriegsberichterstattung die öffentliche
Meinung zu kontrollieren, um einen derartigen Meinungsumschwung in Zukunft zu
verhindern.
1.3. Die Symbiose zwischen Medien und Militär in Kriegszeiten
In Kriegszeiten müssen Medien und Militär zwangsläufig zusammenarbeiten, damit die
Weltöffentlichkeit über die Geschehnisse informiert werden kann. Die Soldaten sind zwar
meistens von den Journalisten im Kriegsgebiet nicht sehr erfreut, weil diese ihrer Ansicht
nach einerseits eine Behinderung ihrer Arbeit darstellen und andererseits durch ihre
Berichterstattung feindliche Spionage erleichtern bzw. das Ansehen der eigenen Truppen
in Frage stellen können. Trotz dieser skeptischen Einstellung wissen die militärischen

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Machthaber aber auch, dass ihnen die Medien gerade in Kriegszeiten wertvolle Dienste
leisten können.
Thomas Dominikowski spricht daher von einer sehr ,,wirkungsvollen Symbiose" zwischen
Medien und Militär in Kriegszeiten, aus der beide Seiten großen Nutzen ziehen können.
(vgl. Dominikowski 1993: 39)
1.3.1. Profit der Medien in Kriegszeiten:
Auf der einen Seite profitieren die Medien gleich auf mehreren Ebenen von
Kriegssituationen. Kriege sind ohne Frage mediale Großereignisse und bereits im
Krimkrieg zeigte sich, dass während Kriegszeiten die Einschaltquoten und Auflagenzahlen
der Medien deutlich steigen.
Kein Wunder also, dass die Medienschaffenden daher eine möglichst umfassende
Berichterstattung aus Krisengebieten forcieren, um auf diese Weise den größtmöglichen
Profit aus der Situation schlagen zu können.
Dominikowski nennt drei Hauptmotivationen der Medien in der Kriegsberichterstattung:
1. Die Medien wollen durch eine umfassende Berichterstattung die
,,Partizipationsinteressen des Publikums" (Dominikowski 1993: 39) zufrieden
stellen.
2. Dabei werden sie von den ,,machtpolitischen Interessen der Regierung und des
Militärs" (ebd.) unterstützt.
3. Und nicht zuletzt, werden die Medienunternehmen auch von ökonomischen
Interessen geleitet, indem sie versuchen aus der ,,Mediatisierung des Kriegs" (ebd.)
möglichst großen Profit zu ziehen.
Aber nicht nur in ökonomischer Hinsicht zahlen sich Kriege für die Medien aus. Auch in
der Entwicklung neuer Kommunikationstechnologien profitieren die Medien von Kriegen.
Nicht umsonst meint auch Georg Ruhrmann, dass ,,Kriege die ´Väter´ aller Dinge, allen
voran der neuen elektronischen Kommunikationsmittel" (Ruhrmann 1993: 81), sind.
Wie zutreffend diese Feststellung ist, zeigte sich bereits zu Beginn der Jahrhundertwende:
Stets waren es Kriege, die den Medien entscheidende Entwicklungssprünge ermöglicht

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haben, denn in solchen Situationen wurden Medien im Großeinsatz erprobt, verändert und
optimiert. Die kontinuierliche Weiterentwicklung der Waffensysteme ging mit einer
zunehmenden Modernisierung der Informationstechnologien einher.
Während im Krimkrieg die Berichte noch hauptsächlich in Form von Briefen an die
Redaktionen weitervermittelt wurden, kam im amerikanischen Sezessionskrieg
(1861-1865) erstmal die Telegraphie in größerem Ausmaß zum Einsatz.
(vgl. Löffelholz 1993: 39)
Neben den Übertragungstechnologien entwickelten sich in Krisenzeiten aber auch die Art
der Berichterstattung und die allgemeinen Strukturen der Medien enorm weiter.
Berechtigterweise kommt Dominikowski daher zu dem Schluss, dass wir ,,ohne den
Medieneinsatz in Kriegen heute andere Medien hätten" (Dominikowski 1993: 47).
Mit den neuen Kommunikationstechnologien gewann zum Beispiel die Aktualität der
Berichte immer mehr an Bedeutung. Erst die modernen Übertragungstechnologien
machten es möglich ohne wochenlange Verzögerungen über Geschehnissen zu berichten,
wodurch der Krieg schließlich ,,zu einem Medienereignis avancierte"
(Löffelholz 1993: 39).
Heute spielt in der Kriegsberichterstattung vor allem das Fernsehen eine wichtige Rolle, da
es durch seine bildhafte Darstellungsweise dem Informationsbedürfnis der Rezipienten im
Kriegsfall am besten entspricht.
Den Durchbruch für das Fernsehen in der Kriegsberichterstattung brachte, wie schon
erwähnt, der Vietnamkrieg. Fast täglich konnten die Amerikaner am Abend mittels TV-
Bilder ,,miterleben", was die heimischen Soldaten im fernen Vietnam erlebten, wobei aber
zu sagen ist, dass diese Bilder keineswegs live, sondern meist schon einige Tage alt waren.
Die Live-Berichterstattung setzte sich erst mit dem Golfkrieg 1991 durch. Ab diesem
Zeitpunkt galt es als oberstes Ziel der Medien, möglichst hautnah von den Geschehnissen
in Bagdad berichten zu können.
Dieser Rausch nach Aktualität erreichte im Golfkonflikt 2002/2003 seinen vorläufigen
Höhepunkt: Mittels Videotelephonie waren erstmals Berichte aus allen Bereichen des Iraks
und direkt von der Kampffront möglich.

17
Diese neue Form der Kriegsberichterstattung wurde auch von den Medien immer wieder
thematisiert, wobei auch kritische Stimmen laut wurden. Als Beispiel möchte ich hier eine
kurze Stelle aus dem Spiegel zitieren:
,,Wenn es eine Gewissheit gibt in diesem Konflikt, dann die: Es ist der erste Live-Krieg der
Geschichte. Noch nie waren Hunderte Millionen Menschen weltweit als Zuschauer dabei,
wenn Armeen gegeneinander ziehen. Real Time und 24 Stunden am Tag. Auf Panzern
installierte Kameras, ´tank cams´ genannt, wurden zum Sinnbild dieser (Medien-)Schlacht:
schnell, direkt, authentisch ­ so wollen, oder wollten, die alliierten Militärstrategen den
´War in Iraq´ fürs Fernsehen inszenieren." (Fleischhauer u.a. 2003: 198)
Dieser Ausschnitt weist sehr deutlich darauf hin, dass auch die Live-Berichterstattung von
der Front keine Garantie für eine objektive und propagandafreie Kriegsberichterstattung
sein kann.
1.3.2. Profit des Militärs in Kriegszeiten:
Auch Politik und Militär haben im Laufe der Kriege sehr schnell gelernt, dass sie die
Medien sehr gut für ihre Ziele einsetzen können. Gerade was den Bereich der öffentlichen
Meinungssteuerung und die Mobilisierung der Massen betrifft, können die Medien dem
Militär unbezahlbare Dienste leisten.
Die Strategie von Militär und Politikern besteht daher aus zwei grundlegenden Aktionen:
Einerseits versuchen die Armeen die Journalisten so weit als möglich vom
Kampfgeschehen fernzuhalten und die Berichterstattung einzuschränken, andererseits
müssen aber gleichzeitig genug aktuelle Informationen und Bildmaterial angeboten
werden, damit die Medien ihre Aufgabe der Informationsmitteilung dennoch erfüllen
können.
Die Medien werden somit einerseits vom Militär streng bewacht, aber andererseits auch
unterstützend betreut, um eine kontinuierliche Berichterstattung überhaupt möglich zu
machen.
Werner Meier drückt dieses Verhältnis zwischen Medien und Militär folgendermaßen aus:

18
,,...Medienschaffende agieren an der Front auf der einen Seite als eine Art
privilegierter Kriegsgefangene und auf der anderen Seite als Verbündete im Dienste
alliierter Interessen. Die Hauptaufgabe der politisch-militärischen Führung besteht
darin, ein positives Meinungsklima (notwendiger/ gerechtfertigter Krieg) vor
Ausbruch der Kampfhandlungen zu schaffen und gleichzeitig mit allen Mitteln
sicherzustellen, dass die Medien bloß erfreuliche und keine schrecklichen
´Wahrheiten´ der Öffentlichkeit präsentieren können." (Meier 1996: 149)
Zusammenfassend kann man die Zusammenarbeit von Militär und Medien auf mehren
Ebenen feststellen:
1. Medien sind technologisch militarisiert: Viele wichtige Entwicklungen der
Informationstechnologie kamen durch Kriege zustande, sei es nun die Einführung
der Felddruckerei im 30-jährigen Krieg oder der Einsatz des Fernsehen im
Vietnamkrieg bis hin zur Live-Berichterstattung im 2. und 3. Golfkrieg.
2. Die Medien sind unter ökonomischen Aspekten militarisierbar: Kriege,
Katastrophen und Krisen sind mediale Großereignisse, die den Medien großen
wirtschaftlichen Nutzen bringen können. Problematisch an diesem Zusammenhang
zwischen Medien und Krieg ist jedoch, dass so manche Medienunternehmen, allen
voran die Boulevardformate, dazu verleitet werden, derartige Ereignisse
auflagensteigernd zu vermarkten, und dabei auch nicht davor zurückschrecken,
menschliche Schicksale medial auszuschlachten.
Das Bestreben der Medien möglichst aktuell über Großereignisse wie Kriege und
Krisen berichten zu können und sich damit eine große Zuseher- bzw. Leserschaft zu
sichern, geht einher mit dem Interesse des Militärs an professioneller
Meinungsführung durch die Medien.
3. Die Medien sind politisch militarisierbar. In vielen Kriegen wurde beobachtet, dass
sich die Medien gerne auf die Seite der Mächtigen schlagen.
Nach außen hin wird zwar das Ideal der objektiven Berichterstattung präsentiert,
trotzdem kann man feststellen, dass die Medien häufig ihre kritische Distanz zu den
Kriegen verloren haben und in erster Linie aus ,,nationaler" Sicht berichtet haben.

19
Dominikowski weist kritisch darauf hin, dass manche Journalisten es scheinbar als
ihre Aufgabe sehen, heimische Politiker und Truppen mit einer patriotischen
Berichterstattung zu unterstützen. Trifft dies tatsächlich zu, so haben die
militärischen Kontroll- und Beschränkungsmaßnahmen der Information leichtes
Spiel, da ,,heimattreue" Journalisten vermutlich ohne großen Widerstand bereit
sind, die verbreiteten Propagandainformationen sowie die konstruierten Feindbilder
der gegnerischen Kriegsparteien auch in ihren Berichten zu vermitteln.
Dieser Patriotismus zeigte sich auch in der Berichterstattung über den Golfkonflikt
2002/2003 in den amerikanischen Medien. Während in Europa die Notwendigkeit
eines Kriegseinsatzes im Irak sehr kritisch kommentiert wurde, setzten sich vor
allem im amerikanischen Fernsehen die Kriegsbefürworter und Unterstützer von
George W. Bush durch. Europäische Medienkritiker sprachen daher von einem
Rechtsrutsch der amerikanischen Medien, durch den kritische Stimmen in der
allgemeinen Pro-Kriegs-Berichterstattung untergingen. (vgl. Kilian 2003: 114f)
Der Medienanalytiker Andrew Tyndall berichtete zum Beispiel, dass allein in den
letzten Monaten vor Kriegsausbruch ,,von 414 TV-Beiträgen zum Irak [...] 380 aus
Abteilungen der US-Regierung und nur 34 aus dem Rest Amerikas"
(Ringler 2003: 97) kamen.
4. Die Medien sind individuell militarisierbar. Eine kritisch distanzierte
Berichterstattung wird durch den zunehmenden Konkurrenzkampf zwischen den
Reportern im Kriegsgebiet immer schwieriger. Zusätzlich müssen die Journalisten
bei der Gestaltung ihrer Beiträge auch die Anweisungen der Heimatredaktionen
sowie das Streben nach hohen Einschaltquoten und Auflagenzahlen
berücksichtigen. Diese interne Problematik des Systems Journalismus haben
mittlerweile auch die Militärs erkannt und nutzen diese Faktoren für ihre
Propagandazwecke aus.
(vgl. Dominikowski 1993: 47f)

20
2. Die Rolle der Nachrichtenfaktoren in der Krisen- und
Kriegsberichterstattung
Medien haben in unserer modernen Gesellschaft die wichtige Funktion übernommen, die
breite Öffentlichkeit mit Informationen über die Geschehnisse auf der ganzen Welt zu
informieren. Journalisten bekommen damit eine große Verantwortung, denn sie bestimmen
durch ihre Auswahl, Aufbereitung und Vermittlung, was zum Zeitgespräch der
Gesellschaft wird bzw. welche Ereignisse der Öffentlichkeit verborgen bleiben.
Die Auswahl der Nachrichten geschieht nicht willkürlich, sondern Journalisten haben bei
ihrer Arbeit stets eine mehr oder weniger implizite Vorstellung davon, wie das Publikum
eine Geschichte interpretieren wird, was es hören will, was Interesse erregt. Oder anders
ausgedrückt wählen sie für ihre Berichterstattung nur jene Ereignisse aus, von denen sie
annehmen, dass sie für ihre Zuschauer, Zuhörer oder Leser interessant und nützlich sein
können.
Kommunikationswissenschaftliche Untersuchungen haben sich mittlerweile sehr genau mit
dem journalistischen Selektionsprozess bei der Nachrichtenvermittlung auseinandergesetzt.
Als einer der ersten formulierte Einar Östgaard (1965) Hypothesen zu den wichtigsten
Selektionskriterien im Nachrichtenfluss. Er unterschied dabei zwischen externen und
internen Faktoren, die bei der Nachrichtenselektion eine Rolle spielen. Unter den externen
Faktoren fasst er die ökonomische Struktur der Medien, die redaktionelle Linie und die
Einflüsse des Verlegers, subjektive Dispositionen des Redakteurs zu einem Ereignis bzw.
Handlungsträger, aber auch die Orientierung an anderen Medien sowie den Einfluss der
Regierung bzw. Zensurvorschriften zusammen.
Bei den internen Nachrichtenfaktoren geht Östgaard von der Annahme aus, dass der
Journalist die Auswahl und Darstellung eines Ereignisses immer hinsichtlich seiner
Vorstellungen über das Interesse und die Wünsche des Publikums trifft. In Folge dieser
Überlegung nennt Östgaard drei Faktorenkomplexe, die bei der Selektion und
Verarbeitung von Nachrichten ausschlaggebend sind:
· Vereinfachung: Einfache Berichte werden komplexeren vorgezogen bzw.
komplizierte Zusammenhänge werden von den Journalisten auf möglichst einfache
Strukturen reduziert

21
· Identifikation: Journalisten versuchen die Aufmerksamkeit der Rezipienten dadurch
zu erreichen, indem sie Themen verwenden, zu denen die Menschen einen Bezug
haben. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn über bereits bekannte Themen
berichtet wird bzw. prominente Akteure zu Wort kommen
· Sensationalismus: Über dramatische Sachverhalte, Konflikte und Sensationen wird
in allen Medien häufig berichtet, da diese Ereignisse bei den Rezipienten
Emotionen wecken und meist auf großes Interesse stoßen.
(vgl. Östgaard 1965, zit. nach: Burkart 1998: 275f
)
Erfüllt ein Ereignis diese drei oben genannten Faktorenkomplexe, dann kann man mit
hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass es auch Gegenstand medialer
Berichterstattung wird.
Johan Galtung und Mari Ruge nehmen diese drei von Östgaard genannten
Faktorenkomplexe als Grundlage für die Entwicklung eines ersten umfassenderen
Nachrichtenwertekatalogs. Sie versuchen dabei jene Kennzeichen aufzulisten, die ein
Ereignis haben muss, damit es eine gute Chance hat als Nachricht in der Berichterstattung
aufgenommen zu werden. Winfried Schulz hat diese Überlegungen von Galtung und Ruge
in zahlreichen empirischen Untersuchungen überprüft, weiter spezifiziert und daraus
schließlich folgende Nachrichtenfaktoren abgeleitet, anhand derer Journalisten ihre
Nachrichtenselektion durchführen: (vgl. Schulz 1976: 32ff, zit. nach: Burkart 1998: 277f
)
· ZEIT:
o Dauer: punktuelle Ereignisse von kurzer Dauer haben einen höheren
Nachrichtenwert als Langzeitereignisse
o Thematisierung: Ereignisse, die bereits länger in den Medien thematisiert
werden, haben höhere Chancen publiziert zu werden.
· NÄHE:
o Räumlich: geographische Entfernung zwischen Ereignis und Reaktionssitz
o Politisch: Ausprägung der wirtschaftspolitischen Beziehungen zum
Ereignisland

22
o Kulturell: sprachliche, religiöse, literarische und wissenschaftliche
Beziehungen zum Ereignisland
o Relevanz: Grad der Betroffenheit und existenziellen Bedeutung eines
Ereignisses
· STATUS:
o Regionale Zentralität: Grad der politisch-ökonomischen Bedeutung der
Ereignisregion
o Nationale Zentralität: Wirtschaftliche, wissenschaftliche und/ oder
militärische Macht des Ereignislandes
o Persönlicher Einfluss: politische Macht der beteiligten Personen
o Prominenz: Bekanntheitsgrad der beteiligten Personen
· DYNAMIK:
o Überraschung: Erwartbarkeit des Zeitpunktes, Verlaufs und Resultates eines
Ereignisses
o Eindeutigkeit: Komplexität der Verlaufsformen, sowie Beteiligung und
Überschaubarkeit eines Ereignisses
· VALENZ:
o Konflikt: Grad der Aggressivität politischer Ereignisse
o Kriminalität: Rechtswidrigkeit von Handlungen
o Schaden: Personen-, Sach- oder finanzielle Schäden bzw. Misserfolge
o Erfolg: Fortschritt auf politischem, wirtschaftlichen oder kulturellem
Gebiet, den ein Ereignis bewirkt
o Negativismus: Ereignisse mit negativen Auswirkungen werden
,,alltäglichen" Ereignissen vorgezogen
· IDENTIFIKATION:
o Personalisierung: Grad des personellen Bezugs eines Ereignisses
o Ethnozentrismus: Ausmaß, in dem ein Ereignis die Bevölkerung des Landes
betrifft, in dem das jeweilige Medium erscheint.

23
Je eindeutiger ein Ereignis einen oder (noch besser) mehrere dieser Faktoren erfüllt, desto
wahrscheinlicher wird es zu einer Nachricht. Galtung und Ruge gehen zudem davon aus,
dass diejenigen Faktoren, die schließlich das Ereignis ,,nachrichtenwürdig" machen, in der
Berichterstattung überbetont werden. Dadurch geht mit der Nachrichtenauswahl auch
gleichzeitig eine Verzerrung des Ereignisses einher. (vgl. Ohde 1994: 98)
Es stellt sich dabei nun die Frage, ob diese Nachrichtenwerte den Ereignissen tatsächlich
inhärent sind und somit für die Berichterstattung in den Medien ausschlaggebend sind,
oder ob die Journalisten bewusst mit Hilfe der Nachrichtenfaktoren die Aufmerksamkeit
auf bestimmte Ereignisse lenken können.
Joachim Staab unterscheidet daher zwischen dem ,,Kausalmodell" der Nachrichtenauswahl
und einem ,,Finalmodell" (Staab 1990: 97ff). Gemäß dem Kausalmodell ist der Journalist
nur ein passiver Informationsvermittler, der nach objektiven Kriterien und völlig ohne
Zweckorientierung berichtet. Grundlage für die Auswahl der Nachrichten ist ein
internationaler journalisteninterner Konsensus über die Merkmale von
,,nachrichtenswerten" Ereignissen.
Im Finalmodell verfolgt der Journalist mit seiner Berichterstattung hingegen einen
gewissen Zweck. Er wählt seine Nachrichten immer in Hinblick auf die damit verbundenen
sozialpolitischen Hintergründe aus. Nachrichtenfaktoren werden hier als ,,Blickfang"
eingesetzt, um die Aufmerksamkeit für bestimmte Ereignisse zu erhöhen. (vgl. ebd.)
Extrem ausgedrückt kann man sagen, dass Journalisten schon allein durch die Auswahl
ihrer Nachrichten versuchen, selbst Einfluss auf das politische Geschehen zu nehmen.
Wenn zum Beispiel in der außenpolitischen Berichterstattung Fehlverhalten der eigenen
Regierung unterschlagen werden, dafür aber die Entgleisungen der politischen Gegner
umso deutlicher hervorgehoben werden, so beziehen die Medien hier eine sehr eindeutige
Position und von einer rein objektiven Nachrichtenauswahl kann nicht mehr die Rede sein.
Eine Untersuchung über das journalistische Selbstverständnis von Donsbach hat gezeigt,
dass die Journalisten ihre Hauptaufgabe darin sehen, ,,politische und gesellschaftliche
Prozesse kritisch zu kommentieren und zu kontrollieren" (Donsbach 1982: 173f)
Journalisten sehen sich somit nicht als objektive Informationsübermittler, sondern wollen
selbst quasi-politisch aktiv werden.

24
Dröge geht zudem davon aus, dass die Nachrichtenauswahl weniger in Hinblick auf das
Publikum ausfällt, sondern dass sie vielmehr die persönlichen Einstellungen der
Journalisten zu den jeweiligen Sachverhalten ausdrückt. ,,Insofern ist die
Nachrichtenauswahl in ihrer Zusammensetzung bereits ein Spiegelbild der Stereotypen und
Vorurteile des Kommunikators." (Dröge 1967: 177 zit. nach: Ohde 1994: 121)
2.1. Nachrichtenfaktoren in der Auslandsberichterstattung:
Die im vorangegangenen Kapitel vorgestellten Strategien zur Nachrichtenauswahl gelten
natürlich auch für die Auslandsberichterstattung. Dennoch gibt es hier einige
Besonderheiten, die ich im Folgenden etwas genauer darstellen möchte, da sie für die
Verbreitung von Propagandabotschaften sowie die Konstruktion von Feindbildern von
Bedeutung sind.
2.1.1. Aufgaben und Probleme der Auslandsberichterstattung
Primäre Aufgabe der Auslandsberichterstattung ist es, das Publikum an außernationalen
Ereignissen teilhaben zu lassen und ihm umfassende Informationen zu liefern. Auf diese
Weise soll dem Rezipienten eine eigenständige Einschätzung der internationalen
Geschehnisse ermöglicht werden, der Abbau nationaler Selbstbezogenheit sowie das
Entstehen realistischer Weltvorstellungen gefördert werden.
Oder anders ausgedrückt sollen Medien durch Informationen über Ziele, Bestrebungen,
Kulturen und Bedürfnisse aller Völker dazu beitragen, nationale Vorurteile und
Stereotypen abzubauen und so die Friedensförderung in internationalen Beziehungen zu
unterstützen.
Inwieweit dies in der Auslandsberichterstattung tatsächlich realisiert werden kann, ist
fraglich. Oft ergeben sich Probleme allein aus dem Grund, dass es auch für die
Auslandskorrespondenten oft schwer ist, sich in einer fremden Kultur zurechtzufinden und
diese angemessen zu kommentieren. Zusätzlich entstehen Schwierigkeiten aus der
Tatsache, dass das Korrespondentennetz sehr ungleich über die Welt verteilt ist. Nur
wenige Medienunternehmen können sich Auslandsberichterstatter in allen Erdteilen
leisten. Während es in den Industrienationen in Europa und in den USA ein relativ dichtes

25
Netz an Korrespondenten gibt, berichten aus Lateinamerika und Afrika nur sehr wenige
Korrespondenten.
Dies hat zur Folge, dass sämtliche Einschätzungen über die Länder in Südamerika bzw.
Afrika auf den Darstellungen einiger weniger Auslandskorrespondenten beruhen. Diese
Journalisten können durch eine einseitige Nachrichtenauswahl und ­darstellung Vorurteile,
Stereotype und Feindbilder dieser Staaten fördern. (vgl. Glotz/Langenbucher 1969: 49)
Die allgemeine Berichterstattung der westlichen Medien scheint sich somit auf
Geschehnisse in der nördlichen Erdhalbkugel zu konzentriert. Verstärkt wird dieses Nord-
Süd-Gefälle beim Nachrichtenfluss dadurch, dass die vier großen Nachrichtenagenturen
ihre Zentralen in westlichen Industriestaaten haben. (Associated Press, United Press
International, Reuters, Agence France Press). Da der Großteil der Auslandsnachrichten von
diesen Agenturen stammt, dominiert daher auch eindeutig der ,,westliche" Blick in der
Berichterstattung. (vgl. Ohde 1994: 103)
Die ungleiche Verteilung der medialen Aufmerksamkeit für die einzelnen Kontinente und
Staaten, wird damit begründet, dass Medien nur über solche Ereignisse berichten, die für
das eigene Land politisch oder wirtschaftlich wichtig sind.
2.1.2. Auslandsberichterstattung als Kommunikation über Krisen
Die Definition der Auslandsberichterstattung als ,,Kommunikation über Krisen"
(Schulz/ Schönbach 1980: 20f, zit. nach: Löffelholz 1993: 18) stammt von Schulz und
Schönbach und erfolgte nicht zu unrecht, wie mittlerweile Untersuchungen deutscher
Medien bewiesen haben, denn tatsächlich beschäftigt sich der Großteil der medialen
Auslandsberichterstattung mit Krisen bzw. Kriegen.
Dabei spielen einerseits natürlich die von Schulz genannten Nachrichtenfaktoren eine
wichtige Rolle, aber andererseits bekommen Krisen und Kriegen laut Georg Ruhrmann
darüber hinaus automatisch eine gewisse Sonderstellung in den Medien, da sie nicht nur
die allgemein akzeptierten Werte innerhalb einer Gesellschaft gefährden, sondern den
Bestand der Gesellschaft insgesamt. Und auch hier gilt wieder der Grundsatz, dass ,,je
größer die Bedrohung, je skandalöser die politischen Entscheidungen, je einfallreicher
Friedensinitiativen [sind / BK], desto eher wird darüber berichtet." (Ruhrmann 1993: 85)

26
Zusätzlich zeigte sich in Analysen westlicher Medien, dass die geographische Distanz
dabei eine entscheidende Rolle spielt: Je weiter entfernt ein Land ist, desto höher ist die
Wahrscheinlichkeit, dass es nur im Zusammenhang mit einer Krise bzw. kriegerischen
Auseinandersetzung erwähnt wird. Positive Berichte über entlegene Regionen sind
hingegen in der Auslandsberichterstattung kaum zu finden. Die Gefahr besteht nun darin,
dass die Rezipienten durch eine solch einseitige Nachrichtenauswahl einen negativen
Eindruck fremder Länder und Kulturen bekommen. Vor allem wenn eigene Erfahrungen
und Kenntnisse des Landes fehlen, bekommen manche Völker ein negatives und
kämpferisches Image, allein aus dem Grund, weil sie in den Medien stets im
Zusammenhang mit kriegerischen Ereignissen dargestellt werden.
Andererseits muss man aber auch darauf hinweisen, dass, obwohl Kriege und Krisen auf
Grund ihrer Nachrichtenwerte immer interessante Ereignisse für die Medien sind, dennoch
bei weitem nicht über alle kämpferischen Konflikte berichtet wird.
Kommunikationswissenschaftler haben sich daher in einer Reihe von empirischen
Inhaltsanalysen mit der Frage auseinandergesetzt, welche Faktoren entscheiden, ob eine
Krise oder ein Krieg zum Gegenstand medialer Berichterstattung wird. Aus diesen
Untersuchungen ergaben sich folgenden Punkten, die für die ,,Nachrichtenwürdigkeit" von
Krisen oder Kriegen ausschlaggebend sind:
· Zahl der potentiell Betroffenen
· Grad der existentiellen Betroffenheit: Wie groß wird die unmittelbare Gefahr für
das eigene Land und die Nachbarstaaten eingeschätzt?
· Wahrscheinlichkeit schädlicher Konsequenzen: (ökologisch, ökonomisch, ...)
· die kulturelle, politische und ökonomische Distanz zum Kriegsgeschehen
· die politische Bedeutung des Konflikts für das NATO-Bündnis
· und die Beteiligung von politischer Prominenz oder Elitenationen (USA,
Frankreich, Großbritannien)
(vgl. Löffelholz 1993: 19; Ruhrmann 1993: 85f
)
Im Zeitalter der elektronischen Medien spielt schließlich auch noch die Möglichkeit zur
Visualisierung eine nicht zu verachtende Rolle, d.h. ob ausreichend Bildmaterial von den
Kriegsgeschehnissen zur Verfügung steht bzw. ob die Kamerateams Zugang zu den
Kriegsschauplätzen erhalten.

27
2.1.3. Kritik an der Nachrichtenauswahl in der Krisen- und Kriegsberichterstattung:
Durch die zunehmende Bedeutung medialer Berichterstattung in Krisen- und
Kriegssituationen, werden auch die Arbeitsweisen der Journalisten immer wieder kritisch
hinterfragt.
Die Ergebnisse dieser empirischen Untersuchungen fallen dabei für die Medien oft wenig
erfreulich aus.
So haben zum Beispiel einige Inhaltsanalysen der deutschen Massenmedien bestimmte
journalistische Nachrichtenselektionsfaktoren identifiziert, die für die mangelhafte
Berichterstattung verantwortlich sind:
1. Journalisten wählen ihre Nachrichten immer mit einer gewissen
Ereignisbezogenheit aus, was jedoch auf Kosten der Hintergrundberichterstattung
geht.
2. Da sich das mediale Interesse an Einzelereignissen orientiert, findet die
Berichterstattung über fremde Länder nur sehr sporadisch und diskontinuierlich
statt. Die Vorstellungen und das Wissen der Rezipienten über diese fernen
Regionen der Welt bleiben somit lückenhaft, oberflächlich und ungenau.
3. Auf Grund dieses mangelnden Wissens der Rezipienten neigen Journalisten vor
allem in Krisen- und Kriegszeiten dazu, komplexe Zusammenhänge durch
Stereotypisierung und Personalisierung leichter verständlich zu machen.
4. Militärischen Konflikten, Krisen und Katastrophen werden in den Medien oft
übersteigerte Bedeutung zugeschrieben. Es wird dabei hauptsächlich über negative
Ereignisse bzw. Kämpfe berichtet, nicht jedoch über friedliche Lösungen.
5. Es wird in den Berichten aus Krisengebieten häufig ein Bild von Chaos und
Irrationalität vermittelt.
6. Aus Ländern, zu denen eine große kulturelle Distanz besteht, wird kaum berichtet.
(vgl. Löffelholz 1993: 110)
Ruhrmann kritisiert zudem, dass die westlichen Medien ihre Aufgabe in Kriegsfällen in
erster Linie darin sehen, die Position des eigenen Landes zu stärken und gleichzeitig ein
übersteigertes Feindbild des Gegners zu vermitteln. Dies sei auch ein Zeichen dafür, dass

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,,die Nachrichtenmedien gerade auch in Krisen- und Kriegszeiten das Bewusstsein und die
Einstellung der Elite reproduzieren" (Ruhrmann 1991: 23, zit. aus Ohde 1994:104)
Eine derartige Tendenz hat sich auch in der Berichterstattung zum Golfkonflikt 2002/03
vor allem in den amerikanischen Medien gezeigt. Die Mehrheit der Fernsehsender,
Radiostationen und auch viele Printmedien haben die von der Bush-Regierung
vorgebrachten Begründungen für den Kriegseinsatz übernommen und somit den
Waffengang indirekt unterstützt. Kritische Stimmen waren in Amerika nur sehr selten zu
hören und wurden meist als unpatriotisch abgewertet.
Insgesamt kann man festhalten, dass die Auslandsberichterstattung, deren
Hauptschwerpunkt auf der Darstellung von Krisen- und Kriege liegt, gewisse Strukturen
aufweist, welche die Verbreitung von Vorurteilen, Stereotypen und Feindbildern fördern
können. Grund dafür ist einerseits die Tendenz zur vereinfachten und unvollständigen
Darstellung von Ereignissen aus weit entfernten Ländern bzw. fremden Kulturen,
andererseits aber auch die ungleiche Verteilung von Korrespondenten sowie die Neigung
der Journalisten zu einer patriotisch ausgerichteten Berichterstattung.

29
3. Wirklichkeitskonstruktion durch die Medien
Vertreter des radikalen Konstruktivismus gehen davon aus, dass wir die Realität nie als
Ganzes wahrnehmen können, sondern dass sich das ,,Konstrukt der Realität" aus
Einzelereignissen zusammensetzt. Und auch diese Ereignisse, bestehen nicht an sich,
sondern ,,entstehen" erst durch unsere Wahrnehmung, die in jedem Fall subjektiv und von
persönlichen Interessen geleitet ist. Dies gilt auch für medial vermittelte Ereignisse: ,,Das,
was der Journalist als Ereignis erkennt und worüber er berichtet, nachdem er entsprechend
bestimmter Kriterien selektiert hat, ist im eigentlichen Sinne ein Ereignis."
(Ohde 1994: 114)
Die Aufgabe der Medien beschränkt sich daher nicht allein auf die passive Rolle als
Informationsvermittler, sondern sie werden zu einem wichtigen Konstrukteur der
gesellschaftlichen Wirklichkeit. Die mediale Realität bildet dabei nie die gesamte
Wirklichkeit objektiv ab, sondern zeigt nur einen begrenzten Ausschnitt dieser
Wirklichkeit. Die Auswahl dieser Realitätsausschnitte wird durch persönliche
Einstellungen und Vorannahmen der Journalisten bzw. internen Strukturbedingungen der
Medien beeinflusst. Schulz geht daher davon aus, dass ,,die in den Medien dargebotene
Wirklichkeit [...] in erster Linie die Stereotypen und Vorurteile der Journalisten, ihre
professionellen Regeln und politischen Einstellungen, die Zwänge der
Nachrichtenproduktion und die Erfordernisse medialer Darstellung"
(Schulz 1989: 139, zit. aus: Ohde 1994: 115) repräsentiert.
Es wäre daher wichtig, dass sich die Rezipienten immer wieder bewusst machen, dass die
Medienwirklichkeit keine Realität im eigentlichen Sinne ist, sondern vielmehr ein
Konstrukt darstellt, das nach journalistischen Auswahl- und Darstellungsbedingungen
entsteht. Doch dieses Bewusstsein der Unterschiede zwischen medialer Realität und
Wirklichkeit scheint im Alltag oft nur mehr sehr schwach ausgeprägt zu sein.
Problematisch wird eine unklare Grenzziehung zwischen medialer Realität und der echten
Welt dann, wenn von der Öffentlichkeit nur mehr jene Ereignisse als real existent
wahrgenommen werden, über die auch in den Medien berichtet wird. Gerade im
Zusammenhang mit Kriegen und Krisen ist dies von großer Bedeutung. Folgt man dem

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oben genannten Ansatz, so ,,existieren" für die Rezipienten nur jene Kriege, über die sie in
den Medien informiert werden.
3.1. Was erwarten Rezipienten von der Krisen- und Kriegsberichterstattung:
Medien haben neben der Funktion der Nachrichtenvermittlung gleichzeitig auch die
Aufgabe, den Menschen durch ihre Berichterstattung Informationen zu vermitteln, die
ihnen eine Orientierung und Einschätzung einer Situation und der daran beteiligten
Personen ermöglichen. Gerade in Krisen- oder Kriegszeiten nutzen die Rezipienten die
Medien verstärkt, um sich über die Entwicklung der Konflikte und Kampfhandlungen zu
informieren, und bilden sich schließlich daraus eine Einschätzung, ob die Krise bzw. der
Krieg auch Konsequenzen oder Gefahren für ihr persönliches Leben haben könnte.
Die Medien sollten uns daher vor allem bei Geschehnissen, bei denen wir auf Grund der
geographischen Distanz auf keine persönlichen Erfahrungen zurückgreifen können,
ausreichend Informationen über die sozialpolitischen Hintergründe einer Kriegssituation
und die Kriegsgegner liefern und so zum Abbau von Bedrohungsängsten beitragen.
Alexander Görke unterscheidet in diesem Zusammenhang zwei Arten von
Erwartungshaltung, welche die Rezipienten in Krisen- und Kriegszeiten an die Medien
stellen:
1. Auf der einen Seite stehen Rezipienten, die erwarten, dass ihnen die Medien durch
ihre Darstellung der Kriegssituationen auch gleichzeitig sichere
Orientierungsmöglichkeiten bieten, mit denen die persönliche Unsicherheit
reduziert werden kann. Diese Publikumsgruppe hält meist auch im Alltag die
Medienwirklichkeit für absolut verbindlich und übernimmt daher in Krisenzeiten
die medialvermittelten Einschätzungen eines Konflikts.
2. Die zweite Gruppe von Rezipienten ist im Alltag weniger ,,mediengläubig" und
geht daher auch in Krisenzeiten nicht davon aus, dass die Medien ihre Unsicherheit
reduzieren können. Diese Gruppe nutzt die Medien in erster Linie um möglichst
viel Hintergrundwissen zu erlangen, aus dem sie sich schließlich ein eigenes Bild
der Situation macht, das jedoch mehr oder weniger unabhängig von den medialen
Einschätzungen ist. (vgl. Görke 1993: 138)

31
Die Einschätzung einer Krise hängt also neben der journalistischen Auswahl und
Darstellung auch mit den Rezeptionsmustern und den persönlichen Dispositionen des
Publikums ab. Diese Faktoren spielen bei der Konstruktion und Wirkung von Feindbildern
ebenfalls eine große Rolle.
Ruhrmann hat in einer Untersuchung in Deutschland drei Typologien für die Rezeption
von Konflikt- und Kriegsberichterstattung erstellt:
(vgl. Ruhrmann 1989: 118f, zit. aus: Löffelholz 1993: 92f
)
· Typ 1: Ist ein durchschnittlich älterer Rezipient aus der Oberschicht, der über ein
relativ gutes Allgemeinwissen verfügt und sich mit Hilfe der
Kriegsberichterstattung ein konfliktorientiertes Bild der Wirklichkeit konstruiert.
Die Rezipienten von Typ 1 können auch implizite Hintergrundinformationen sowie
Zusammenhänge der Krise und die Bedeutung der getroffenen politischen
Entscheidungen in einem komplexen Zusammenhang interpretieren. Laut
Ruhrmann zählen zu dieser Gruppe etwa 35 % der deutschen Bevölkerung.
· Typ 2: ist ein eher junger Angehöriger der Mittelschicht, der nur sehr wenig von
normativen Einstellungen und Vorurteilen geprägt ist. Die Inhalte der Nachrichten
werden personalisiert rekonstruiert und nur die prominentesten Politiker werden
dabei als legitime Handlungsträger angesehen.
Die Angehörigen dieser Gruppe informieren sich nicht nur über das Fernsehen
sondern auch aus tagesaktuellen Prestige-Zeitungen und verfügen über ein
durchschnittliches politisches Hintergrundwissen. Etwa 45 % der deutschen
Bevölkerung ordnet Ruhrmann dieser Gruppe zu.
· Typ 3: ist eher in der sozialen Unterschicht angesiedelt und zeichnet sich dadurch
aus, dass er Krisen oder Kriege, über die in den Medien berichtet wird, ignoriert
oder mangels Wissen nicht verstehen und in einen größeren Zusammenhang
einordnen kann. Das Medieninteresse dieser Gruppe ist in erster Linie auf
Unterhaltung ausgerichtet, was sich auch darin ausdrückt, dass der Boulevardpresse

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783832486976
ISBN (Paperback)
9783838686974
DOI
10.3239/9783832486976
Dateigröße
759 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Wien – Human- und Sozialwissenschaften
Erscheinungsdatum
2005 (April)
Note
1,0
Schlagworte
kriegsjournalismus zensur wirklichkeitskontruktion auslandsberichtserstattung
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Titel: Propaganda, Stereotype und Feindbilder in der Krisen- und Kriegsberichterstattung
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