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Subjektivierung der Arbeit

Ursachen, Ausprägungen und Probleme eines Entwicklungsprozesses

©2003 Diplomarbeit 61 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Die Arbeitswelt befindet sich im Wandel. Es zeichnet sich der empirisch beobachtbare Trend eines grundsätzlich erweiterten Zugriffs auf das Arbeitsvermögen vieler Beschäftigter ab. Von den Unternehmen wird verstärkt der Versuch unternommen, den Menschen als Ganzes mit all seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten in den Dienst zu nehmen. Menschliche Subjektivität erhält dadurch einen steigenden Stellenwert in der Arbeitswelt.
Subjektive Potentiale (z. B. Emotionalität, Flexibilität, Kreativität, Risikobereitschaft), ehemals als Störfaktor angesehen, den es zu eliminieren gilt, werden nun vielfach als Erfolgsfaktor erkannt. Dieser Trend einer neuen Logik der Arbeitskraftnutzung wird als Subjektivierung der Arbeit bezeichnet. Die bisherige Logik der Arbeitskraftnutzung, die als Objektivierung bezeichnet werden kann, ist zwar immer noch weit verbreitet, nun jedoch als Leitbild nicht mehr unhinterfragt.
In Unternehmen und Verwaltungen findet der Entwicklungsprozess in einer in den 90er Jahren einsetzenden Welle der Reorganisationen seinen Niederschlag. Diese geht mit dem Einsatz einer Fülle neuer und neu entdeckter Managementkonzepte einhergeht, die den Mitarbeitern den Einsatz ihrer subjektiven Potentiale ermöglichen, aber auch von ihnen fordern. Der Trend zur Subjektivierung der Arbeit führt gleichzeitig zur zunehmenden Auflösung der Grenzen zwischen den Bereichen Leben und Arbeit.
Die vorliegende Arbeit soll zunächst den Begriff der Subjektivierung der Arbeit näher erläutern und den Unterschied zur Objektivierung der Arbeit darstellen. Anschließend wird beschrieben, welche gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technologischen Wandlungsprozesse für den Entwicklungsprozess ursächlich sind. Anhand einiger ausgewählter Beispiele organisatorischer Maßnahmen wird des weiteren dargelegt, welche konkreten Ausprägungen der Entwicklung in der Praxis vorzufinden sind.
Es folgt eine Analyse der Probleme, die sich aus der Entwicklung ergeben können. Dann wird zum bisherigen Verlauf und Umfang des Entwicklungsprozesses Stellung genommen und als Prognose der weiteren Entwicklung der sogenannte „Arbeitskraftunternehmer“ vorgestellt. Die Arbeit endet mit einer Schlussbetrachtung und einem Ausblick.
Begriffsklärung: Der aus der Arbeits- und Industriesoziologie stammende Begriff „Subjektivierung der Arbeit“ wird in der Literatur nicht explizit definiert. Es existieren vielmehr unterschiedlich gefasste Begriffe von Subjektivierung, die […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8675
Becker, Edith: Subjektivierung der Arbeit -
Ursachen, Ausprägungen und Probleme eines Entwicklungsprozesses
Hamburg: Diplomica GmbH, 2005
Zugl.: FernUniversität - Gesamthochschule Hagen, Diplomarbeit, 2003
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2005
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
Seite
Tabellenverzeichnis
I
1.
Einleitung
1
2.
Subjektivierung
von
Arbeit
­
Begriffsklärung
1
2.1. Verschiedene Perspektiven der Subjektivierung der Arbeit
2.1.1. Subjektivierung der Arbeit in der betrieblichen Perspektive
2
2.1.2. Subjektivierung der Arbeit in der überbetrieblichen Perspektive
3
2.1.3.
Normative
Subjektivierung
3
2.2. Subjektivierung der Arbeit ­ Objektivierung der Arbeit: Ein Vergleich
4
2.2.1.
Menschenbild
4
2.2.2.
Lösung
des
Transformationsproblems
5
2.2.3.
Erforderliche
Qualifikationen
8
2.2.4. Das Verhältnis von Leben und Arbeit
9
2.2.5.
Zwischenfazit
10
3.
Ursachen
des
Entwicklungsprozesses
11
3.1.
Gesellschaftliche
Wandlungsprozesse
11
3.1.1.
Wertewandel
11
3.1.2.
Bildungsexpansion
13
3.1.3.
Zunehmende
Erwerbstätigkeit
von
Frauen
14
3.2.
Wirtschaftliche
Wandlungsprozesse 15
3.2.1.
Entwicklung
zur
Dienstleistungsgesellschaft 15
3.2.2. Wandel von Verkäufer- zu Käufermärkten
16
3.2.3.
Wirtschaftliche
Globalisierung 17
3.2.4. Wandel der Arbeits- und Organisationskonzepte
18
3.3.
Technologischer
Wandel
19
3.4.
Zwischenfazit 20
4.
Ausprägungen
des
Entwicklungsprozesses
21
4.1.
Job
Enrichment
22
4.2.
Gruppenarbeitskonzepte
22
4.2.1.
Teilautonome
Arbeitsgruppen 22
4.2.2.
Qualitätszirkel
24

4.2.3.
Kontinuierlicher
Verbesserungsprozess
(KVP)
25
4.2.4.
Projektgruppen 26
4.3. Vermarktlichung am Beispiel des Profit-Center-Konzeptes
27
4.4. Arbeitszeitflexibilisierung am Beispiel der Vertrauensarbeitszeit
27
4.5.
Managementkonzepte
28
4.5.1.
Total
Quality
Management
(TQM)
28
4.5.2.
Fraktales
Unternehmen
30
4.5.3.
Business
Reengineering
31
4.5.4.
Lean
Production
32
5.
Probleme
des
Entwicklungsprozesses
34
5.1.
Probleme
aus
Sicht
der
Beschäftigten
34
5.1.1.
Gesundheitliche
Probleme
34
5.1.2. Verschränkung von Leben und Arbeit
39
5.2. Probleme aus Sicht der kollektiven Interessenvertretung
40
5.3.
Probleme
aus
Sicht
der
Gesellschaft 42
6. Der Entwicklungsprozess: Umfang, Verlauf und Prognose
43
6.1.
Umfang
und
Verlauf
der
Entwicklung 43
6.2. Der ,,Arbeitskraftunternehmer" als Prognose für den weiteren
Entwicklungsprozess 44
7.
Schlussbetrachtung
und
Ausblick 47
Literaturverzeichnis
49
Eidesstattliche
Erklärung
55

I
Tabellenverzeichnis
Seite
Tab. 1 : Grundmodi der Arbeitskraftnutzung und Rationalisierung
8
Tab. 2: Historische Typen von Arbeitkraft
44

1
1. Einleitung
Die Arbeitswelt befindet sich im Wandel. Es zeichnet sich der empirisch
beobachtbare Trend eines grundsätzlich erweiterten Zugriffs auf das Ar-
beitsvermögen vieler Beschäftigter ab. Von den Unternehmen wird ver-
stärkt der Versuch unternommen, den Menschen als Ganzes mit all seinen
Fähigkeiten und Möglichkeiten in den Dienst zu nehmen. Menschliche Sub-
jektivität erhält dadurch einen steigenden Stellenwert in der Arbeitswelt.
Subjektive Potentiale (z. B. Emotionalität, Flexibilität, Kreativität, Risikobe-
reitschaft), ehemals als Störfaktor angesehen, den es zu eliminieren gilt,
werden nun vielfach als Erfolgsfaktor erkannt. Dieser Trend einer neuen
Logik der Arbeitskraftnutzung wird als Subjektivierung der Arbeit bezeich-
net. Die bisherige Logik der Arbeitskraftnutzung, die als Objektivierung be-
zeichnet werden kann, ist zwar immer noch weit verbreitet, nun jedoch als
Leitbild nicht mehr unhinterfragt. In Unternehmen und Verwaltungen findet
der Entwicklungsprozess in einer in den 90er Jahren einsetzenden Welle
der Reorganisationen seinen Niederschlag. Diese geht mit dem Einsatz
einer Fülle neuer und neu entdeckter Managementkonzepte einhergeht, die
den Mitarbeitern den Einsatz ihrer subjektiven Potentiale ermöglichen, aber
auch von ihnen fordern.
Die vorliegende Arbeit soll zunächst den Begriff der Subjektivierung der
Arbeit näher erläutern und den Unterschied zur Objektivierung der Arbeit
darstellen. Anschließend wird aufgezeigt, welche Ursachen für den Ent-
wicklungsprozess verantwortlich sind. Anhand einiger ausgewählter Bei-
spiele organisatorischer Maßnahmen wird des weiteren dargelegt, welche
konkreten Ausprägungen der Entwicklung in der Praxis vorzufinden sind.
Es folgt eine Analyse der Probleme, die sich aus der Entwicklung ergeben
können. Darüber hinaus wird zum bisherigen Verlauf und Umfang des Ent-
wicklungsprozesses Stellung genommen und als Prognose der weiteren
Entwicklung der sogenannte ,,Arbeitskraftunternehmer" vorgestellt. Die Ar-
beit endet mit einer Schlussbetrachtung und einem Ausblick.
2.
Subjektivierung der Arbeit ­ Begriffsklärung
Der aus der Arbeits- und Industriesoziologie stammende Begriff ,,Subjekti-
vierung der Arbeit" wird in der Literatur nicht explizit definiert. Es existieren
vielmehr unterschiedlich gefasste Begriffe von Subjektivierung, die den

2
Veränderungsprozess aus verschiedenen Perspektiven betrachten, sich
dabei allerdings nicht ausschließen und in der Praxis in unterschiedlichen
Ausmaßen und Konstellationen anzutreffen sind. Unter Punkt 2.1. werden
die wesentlichen Perspektiven vorgestellt.
Zur weiteren Präzisierung des Begriffes und zur Darstellung, was das spe-
zifisch Neue an der Entwicklung ist, werden des weiteren unter Punkt 2.2.
in idealtypischer Sichtweise wesentliche Unterschiede zum Gegenbegriff,
der Objektivierung von Arbeit, dargestellt. Diese Gestaltungsperspektive
steht bekanntlich in unmittelbaren Zusammenhang mit einem Modus der
Arbeitsrationalisierung, für den die Begriffe scientific management bzw.
Taylorismus, Fordismus und Bürokratie stehen. Der Vergleich erfolgt an-
hand des für die Organisation der gewerblichen Arbeit entwickelten Taylo-
rismus.
2.1. Verschiedene Perspektiven der Subjektivierung der Arbeit
2.1.1. Subjektivierung der Arbeit in der betrieblichen Perspektive
Unter Subjektivierung von Arbeit in der betrieblichen Perspektive ist die in
zweifacher Hinsicht zunehmende Bedeutung von subjektiven Potenzialen
für den Arbeitsprozess zu verstehen. Zum einen ist damit die wachsende
Chance für die Beschäftigten verbunden, ihre Subjektivität in den Arbeits-
prozess einzubringen, zum anderen jedoch auch der Zwang, den Arbeits-
prozess unter Einsatz ihrer subjektiven Potenziale aufrecht zu erhalten und
die eigene Arbeit durch subjektive Strukturierungsleistungen weit mehr als
bisher eigenverantwortlich zu gestalten (vgl. auch Moldaschl/Voß 2002, S.
14). Insgesamt werden an viele Mitarbeiter verstärkt Ansprüche gestellt, die
sich bis dato nur an den Unternehmer bzw. an Experten und Führungsper-
sonal richteten. Unternehmerische Qualifikationen und Eigenschaften wie
Begeisterungsfähigkeit, Engagement, Innovationsfähigkeit, Problemlö-
sungsfähigkeit usw. sowie unternehmerische Strukturierungsleistungen wie
z. B. Selbstorganisation werden damit zu Schlüsselqualifikationen für im-
mer mehr Mitarbeiter auch in unteren Hierarchieebenen. Die Subjektivie-
rung von Arbeit führt damit zu einer tendenziellen Entwicklung weg vom
klassischen Arbeitnehmer hin zum Mitarbeiter, der als Mitunternehmer be-
zeichnet werden kann (vgl. auch Kuhn 2000).

3
2.1.2. Subjektivierung der Arbeit in der betriebsübergreifenden Perspekti-
ve
In der betriebsübergreifenden Perspektive wird die Subjektivierung von
Arbeit unter dem Blickwinkel des Verhältnisses von Arbeit und Leben be-
trachtet. Die Subjektivierung wird hier als zunehmende Anforderung an die
Subjekte verstanden, dieses Verhältnis individuell und aktiv zu gestalten.
Hierin wird die Forcierung eines langfristigen Trends zu einer wachsenden
Rationalisierung und Selbstdisziplinierung der Individuen gesehen (vgl.
Kleemann et al. 2002, S. 68ff.). Diese Anforderung kann als direkte Folge
des unter Punkt 2.1.1. beschriebenen Subjektivierungsprozesses gesehen
werden. Da durch die Subjektivierung in der betrieblichen Perspektive ein
tendenzieller Zugriff auf den ganzen Menschen erfolgt, verschwimmen die
Grenzen zwischen Leben und Arbeit zusehends (z. B. durch hochflexible
Arbeitszeiten). Die Lebensführung wird dadurch zu einer bewussten und
zielgerichteten Strukturierungsleistung.
2.1.3. Normative Subjektivierung
Der Begriff der normativen Subjektivierung geht auf Baethge (1991) zurück.
Mit dem Begriff ist nicht gemeint, dass Subjektivierung als Norm für betrieb-
liches Handeln gelten soll, Organisationen sich also an die subjektiven Be-
dürfnisse der Mitarbeiter anpassen sollen. Vielmehr sind es die Beschäftig-
ten, die für sich persönliche Ansprüche an die Arbeit geltend machen, die
bisher nur an das Privatleben gestellt wurden. Im Zuge allgemeiner Indivi-
dualisierungs- und Wertewandelsprozesse (vgl. Punkt 3.1.1.) findet ein
zunehmender Wandel von Arbeitswerten, Arbeitsmotivationen und Einstel-
lungen zur Arbeit statt und zwar dahingehend, dass es zu einer Betonung
von Selbstentfaltungswerten kommt (vgl. Kleemann et. al. 2002, S. 80f.).
Aufgrund verschiedener Untersuchungen zum Arbeitsverhalten und zu den
beruflichen Orientierungen konnte nachgewiesen werden, dass die Mehr-
heit der Facharbeiter und Angestellten sehr hohe Ansprüche an den Ar-
beitsinhalt hat. Die Beschäftigten wollen eine Arbeit, ,,in der sie die in Bil-
dung und Ausbildung erworbenen Fähigkeiten anwenden können, in der sie
ihre Qualifikationen auch weiterentwickeln, mit der sie sich identifizieren
und in die sie sich als Person einbringen können, die ihnen ein gutes
Kommunikationsklima bietet, deren Anforderungen ihre Kreativität und ihre
Problemlösungskompetenz herausfordert." (vgl. Baethge 1994, S. 716). Da

4
ein derartiges Arbeitsverständnis in der Arbeitsmarktkrise in allen Beschäf-
tigtengruppen und auch unter Arbeitslosen gefunden wurde, geht Baethge
(1994, S. 717) davon aus, dass es sich nicht um situationsabhängige Mei-
nungen handelt, die in Krisenzeiten ggf. aufgegeben werden, sondern um
relativ stabile Arbeitsorientierungen. Derlei subjektbezogene Ansprüche
sind nicht neu, sondern haben in der Vergangenheit für bestimmte Be-
schäftigtengruppen schon immer einer wichtige Rolle gespielt. Neu ist laut
Baethge (1991, S.10) allerdings die zunehmende Verbreitung und die
Selbstverständlichkeit, mit der solche Ansprüche verfolgt werden .
2.2. Subjektivierung der Arbeit ­ Objektivierung der Arbeit: Ein Ver-
gleich
2.2.1. Menschenbild
Dem Taylorismus liegt ein mechanistisches Menschenbild zugrunde, das
den Menschen als System von Muskeln und Gelenken sieht, das es der
Arbeit anzupassen gilt. Insbesondere war das Menschbild Taylor´s (1919)
von Misstrauen geprägt. Er sah den Durchschnittsmenschen als von Natur
aus faul an. Das ,,Sich-um-die-Arbeit-Drücken" stellte aus seiner Sicht das
größte Übel dar. In der Sichtweise des Taylorismus handelt der Mensch als
homo oeconomicus, ist verantwortungsscheu und verfolgt keine arbeitsin-
haltlichen Interessen. Die Leistungsbereitschaft hängt daher nur von mate-
riellen Anreizen und ggf. Sanktionen ab. Die Frage, ob der Durchschnitts-
mitarbeiter grundsätzlich über unternehmerisches Potential verfügt, stellt
sich hier letztlich nicht, da derartige Potenziale in tayloristisch organisierter
Arbeit systematisch nicht abgefragt und entsprechende Tätigkeiten dem
Management übertragen werden. Taylor (1919, S. 40) schien jedoch von
einer Ungleichverteilung derartiger Potentiale in der Bevölkerung auszuge-
hen, da seiner Meinung ohne weiteres ersichtlich ist, dass ,, in den meisten
Fällen ein besonderer Mann zur Kopfarbeit und ein ganz anderer zur
Handarbeit nötig ist."
Subjektivierung von Arbeit impliziert hingegen ein Menschenbild, wonach
der Mensch auch durch arbeitsinhaltliche Anreize motiviert wird und
Selbstverwirklichung auch und gerade in der Arbeit sucht. Unternehmeri-
sche Fähigkeiten wie Risikobereitschaft, Begeisterungsfähigkeit, Innovati-

5
onsfähigkeit usw. werden als normale Verhaltensdispositionen angesehen,
die folglich bei Mitarbeitern aller Hierarchieebenen grundsätzlich vorhanden
sind.
Ein derartiges Menschenbild ist keinesfalls neu. McGregor (1973) brachte
es beispielweise 1960 mit seiner berühmt gewordenen Unterscheidung von
Theorie X und Theorie Y auf den Punkt, indem er mit seiner Theorie Y an-
nahm, dass Vorstellungskraft, Urteilsvermögen und Erfindungsgabe für die
Lösung organisatorischer Problem in der Bevölkerung weit verbreitet sind
und der Mensch zu Selbstkontrolle und Selbstdisziplin fähig ist, sofern er
sich den Unternehmenszielen verpflichtet fühlt. Unter geeigneten Bedin-
gungen lerne der Mensch auch Verantwortung nicht nur zu übernehmen,
sondern sogar zu suchen. Neu ist jedoch, dass sich aktuelle Management-
konzepte tatsächlich an diesem Menschenbild orientieren, die umfassende
Nutzung der menschlichen Ressourcen als strategischen Erfolgsfaktor er-
kennen und vor allen Dingen für die Beschäftigten auch Bedingungen
schaffen, unter denen diese ihre subjektiven Fähigkeiten können und müs-
sen.
2.2.2. Lösung des Transformationsproblems
Ein weiterer entscheidender Unterschied zwischen Strategien der Subjekti-
vierung und Strategien der Objektivierung von Arbeit ist darin zu sehen, wie
das sogenannte Transformationsproblem, also die Umwandlung von abs-
traktem Arbeitsvermögen in konkrete Arbeitsleistung, gelöst wird.
Ziel des Taylorismus ist es, das Transformationsproblem durch vollständige
Automation möglichst zu umgehen und auf menschliche Arbeitskraft so
weit wie möglich zu verzichten. Wenn menschliche Arbeitskraft allerdings
unverzichtbar ist, wird die Subjektivität des Menschen in tayloristischer
Sichtweise zum potentiellen Störfaktor, den es möglichst auszuschalten
gilt. Hierfür soll der Arbeiter von jeder denkbaren geistigen Arbeit befreit
(vgl. Taylor 1919, S. 40) und somit Person und Arbeitskraft voneinander
getrennt werden. Um dieses zu erreichen, erfolgt eine weitgehende Stan-
dardisierung der Arbeit. Die Arbeitsaufgabe, der Arbeitsablauf, die benötig-
te Zeit usw. sollen in fast jeder Hinsicht durchgeplant und genauestens
vorherbestimmt werden. Grundlagen hierfür waren Zeit- und Bewegungs-
studien, weshalb Taylor seinen Ansatz als ,,scientific management" be-

6
zeichnete. Auf Basis dieser Studien erfolgte eine Zergliederung der Arbeit
in möglichst kleine, von verschiedenen Personen zu erledigende Teile er-
folgte, für deren Bewältigung keine oder nur geringe Denkvorgänge erfor-
derlich sind. So kann eine hohe Routine und Schnelligkeit der Ausführung
erreicht werden. Des weiteren wird die Arbeitsplanung strikt von der Ar-
beitsausführung getrennt und dem Management übertragen. Insbesondere
obliegt auch die Kontrolle von Arbeitsausführung und Arbeitsergebnissen
einzig dem Management. Durch Akkordlöhne sollen die Mitarbeiter hoch
motiviert werden. Ihre deutlichste Ausprägung findet diese Art der Lösung
des Transformationsproblems bis heute in der Fließbandarbeit. Insgesamt
wird durch den Taylorismus der Einfluss der Mitarbeiter auf den Arbeitspro-
zess soweit wie möglich minimiert. Aus Angst vor negativen Auswirkungen
von Subjektivität in Form von Widerstand, Subversion, Leistungszurückhal-
tung usw. wird hier somit auf positive Auswirkungen von Subjektivität bzw.
das unternehmerischen Potential der Mitarbeiter systematisch verzichtet
(vgl. Kuhn 1997, S. 204). Um das Transformationsproblem in dieser von
Taylor als ,,one best way" bezeichneten Weise zu lösen, stellt folglich der
,,erst gar nicht nach selbständiger, kooperativer und/oder kreativer Tätigkeit
strebende, dafür pflichtbewußte, disziplinierte und/oder (mittels Zeit- und
Bewegungsstudien exakt) berechenbare (klassische) ,Arbeitnehmer` den
personalen Idealtypus dar." (vgl. Kuhn 1997, S. 201).
Demgegenüber verlangt eine Strategie der Subjektivierung von Arbeit un-
ternehmerisches Denken und Handeln von allen Mitarbeitern aller Hierar-
chieebenen. Subjektives bzw. unternehmerisches Denken und Handeln
wird systematisch nach unten verlagert und den Mitarbeitern ein zum Teil
erstaunliches Maß an Autonomie eingeräumt. Die für den Taylorismus typi-
sche Abgrenzung von Person und Arbeitskraft wird aufgehoben. Durch die
Reintegration von planenden, ausführenden, kontrollierenden, kreativen
usw. Tätigkeiten weicht die Standardisierung der Arbeit ganzheitlichen Ar-
beitstätigkeiten. Für diese Dezentralisation sind z. B. flache Hierarchien
und verschiedene Formen von Gruppenarbeit typisch. Anstelle der Lösung
des Transformationsproblem durch Fremdorganisation und Fremdkontrolle
werden die Mitarbeiter nunmehr zur Selbstorganisation und Selbstkontrolle
ermächtigt, das Transformationsproblem also an die Beschäftigten dele-
giert. Jedoch entsteht hier nicht als das genaue Gegenteil des Taylorismus
ein gänzlich hierarchie- und kontrollfreier Raum. Vielmehr ändert sich der
Modus der Kontrolle, indem direkte Steuerung durch das Management zu-
gunsten einer indirekten Steuerung durch Ausrichtung auf Markt- und Kun-

7
denanforderungen zurückgenommen wird. Diente das tayloristische Mana-
gement quasi als Puffer, um die Ausführenden von den Anforderungen des
Marktes abzuschirmen, werden von Subjektivierungsprozessen betroffene
Mitarbeiter häufig dem Marktgeschehen ausgesetzt und ermächtigt, inner-
halb vorgegebener Kontexte nach der Maxime ,,Hauptsache das Ergebnis
stimmt" unter Einsatz ihrer subjektiven Potentiale quasi-unternehmerisch im
Sinne der Unternehmensziele zu agieren (vgl. auch Moldaschl/Sauer
2000). Im Gegensatz zum Taylorismus ist die Arbeitsaufgabe hier zwar
nach wie vor inhaltlich vorgegeben, es ist aber nicht im einzelnen festge-
legt, wie sie zu erledigen ist. Häufig ergibt sich der genaue Umfang einer
Aufgabe sowie die Möglichkeiten ihrer Bewältigung erst aus dem situativen
Kontext (z. B. Kundenwünsche). Den Mitarbeitern werden daher Möglich-
keiten eingeräumt, um darauf flexibel zu reagieren (z. B. flexible Arbeits-
zeitmodelle, Gruppenarbeit). Aufgrund dieser Vermarktlichung ist eine Sub-
jektivierung von Arbeit idealtypisch mit marktorientierten Anreizsystemen
verbunden.
Selbstverständlich ist auch in tayloristischen Arbeitsorganisationen Subjek-
tivität in gewissem Maß stets erforderlich, z. B. um Unvorhergesehenes zu
bewältigen. Es macht jedoch einen Unterschied, ob Subjektivität lediglich
geduldet wird oder ihre Verwertung den Mittelpunkt effizienzsteigernder
Strategien darstellt und ob Organisationen sich möglichst gegenüber Sub-
jektivität absichern wollen oder sich diese gezielt zunutze machen. Erst das
Begreifen von Subjektivität als zentrale Ressource und die damit verbun-
dene Bereitschaft, für ihre umfassende Nutzung die entsprechenden Vor-
aussetzungen zu schaffen, rechtfertigt es, von der Subjektivierung der Ar-
beit als einen neuen Grundmodus der Arbeitskraftnutzung zu sprechen
(vgl. Moldaschl 2002).
Zusammenfassend lassen sich die Unterschiede zwischen Objektivierung
und Subjektivierung als den beiden Grundmodi der Arbeitskraftnutzung wie
folgt darstellen:

8
Tab. 1: Grundmodi der Arbeitskraftnutzung und Rationalisierung
Quelle: Moldaschl (2002, S. 252)
2.2.3. Erforderliche Qualifikationen
Neben klassischen Arbeitstugenden wie Fleiß, Gehorsam und Zuverlässig-
keit fordert der Taylorismus lediglich fachliche Qualifikationen von den Mit-
arbeitern, sofern man einfache, stets zu wiederholende Handgriffe wie sie
in der Fließbandfertigung erforderlich sind, überhaupt als Qualifikation be-
zeichnen will. Für die Beschäftigten bedeutet dies, dass keine Ausbildung
erforderlich ist, sondern lediglich eine kurze Anlernphase. Da Taylorismus
üblicherweise mit einem stabilen Umfeld einhergeht (vgl. Punkt 3.2.2.), ist
in der Regel auch keine ständige Aktualisierung des Fachwissens erforder-
lich.
Post-tayloristisch gestaltete Aufgaben erfordern dagegen wesentlich um-
fassendere Qualifikationen. Die fachliche Qualifikation ist hier zwar eben-
falls wichtig, jedoch geht ihre relative Bedeutung gegenüber metafachlichen
Qualifikationen zurück (vgl. auch Voß 1994). Da die Subjektivierung von
Arbeit tendenziell auf alle potentiell verwertbaren Eigenschaften der Mitar-
beiter zielt, wird insbesondere auch auf Persönlichkeitseigenschaften und
Ressourcen zurückgegriffen, die die Mitarbeiter außerhalb der Erwerbstä-
tigkeit ausbilden. Die aufgrund von Subjektivierungsprozessen erforderli-
Logik der Objektivierung
Logik der Subjektivierung
Ziel: Fungibilität, Berechenbarkeit
Ziel: High Involvement
Entsubjektivierung:
Kalkulierte Re-Subjektivierung: Ent-
Bürokratie, Standardisierung
bürokratisierung, Entstandardisierung
Scheidung von Arbeitskraft und Person
Identität von Arbeitskraft und Person
Nutzung der Person als Arbeitskraft
Nutzung von Arbeitskraft als Person
Ausschluss der Subjektivität als
Anerkennung der Subjektivität als
Störfaktor
Ressource
Primat der Planung (Wissen)
Rückkehr der Improvisation
Führung (personal und kodifiziert,
(Erfahrung)
als Regelsysteme)
Kontextsteuerung (ökonomisch,
Herrschaft
anonymisiert)
Leistungssteuerung durch Vorgaben,
Selbstbeherrschung
zentral ausgehandelt, auf Dauer
Leistungsvereinbarung prozedural
gestellt
und individualisiert
Motivierung durch kalkulierte
Quasi-unternehmerische kontraktuelle
Anreizsysteme
Elemente (z.B. Ergebniskopplung)
Verfahren: Organisieren, Standardisie-
Verfahren: Ökonomisieren, Individuali-
ren, Kodifizieren (Chiffre: Macht)
sieren, Verflüssigen (Chiffre: Markt)

9
chen Fähigkeiten sind daher äußerst vielfältig. Zu nennen sind z. B. sozia-
le Kompetenzen, Innovationsfähigkeit, emotionale Ressourcen, Risikobe-
reitschaft, Begeisterungsfähigkeit, Fähigkeiten zur Eigenmotivation, Selbst-
kontrolle, Kooperation in Arbeitsgruppen, zum eigenständigen Lernen usw.
Insbesondere wird auch Flexibilität zu einer entscheidenden Anforderung
an die Arbeitkraft. Hierunter ist nicht nur die zeitliche Verfügbarkeit sowie
berufliche und geografische Mobilität zu verstehen, sondern vor allem auch
die Fähigkeit zur Bewältigung unplanbarer und komplexer Situationen (vgl.
Flecker 2000, S. 270). Zusammengefasst müssen Betroffene über all jene
Fähigkeiten verfügen, die zur Bearbeitung des Transformationsproblems
erforderlich sind und die in tayloristischen Arbeitsstrukturen lediglich vom
Unternehmer bzw. dem Management gefordert werden. Da sich Subjekti-
vierungsprozesse tendenziell in einem eher turbulenten Umwelt abspielen,
reichen hier einmal erworbene Kompetenzen allerdings häufig nicht aus,
sondern müssen in andauernden Lernprozessen ständig aktualisiert wer-
den.
2.2.4. Das Verhältnis von Leben und Arbeit
Kennzeichnend für tayloristische Arbeitsverhältnisse ist die klare Trennung
von Arbeit und Leben. Bewirkt wird diese Trennung insbesondere in zeitli-
cher Hinsicht durch die eindeutige Unterscheidung von Arbeitszeit und
Freizeit als auch in räumlicher Hinsicht durch die eindeutige Unterschei-
dung von Arbeits- und Wohnort. Mittels Zeitinstitutionen wie Normalar-
beitstag und Wochenende ist hier der direkte Zugriff der Unternehmen auf
die Arbeitkraft klar begrenzt.
Da Subjektivierung von Arbeit tendenziell auf den ganzen Menschen zielt,
ist hiervon auch das Verhältnis von Leben und Arbeit betroffen. Die für den
Taylorismus typischen Standardisierungen betreffend Raum und Zeit wer-
den zunehmend aufgebrochen (z. B. durch Arbeitszeitflexibilisierungen und
Home-Offices). Es kommt zu einer Entgrenzung von Arbeit und Leben, was
tendenziell an vorindustrielle Arbeits- bzw. Lebensverhältnisse erinnert, so
dass die aktuelle Entwicklung häufig auch als Re-Subjektivierung bezeich-
net wird. Voß (1998, S. 479f.) weist des weiteren darauf hin, dass es durch
den Zugriff auf den ganzen Menschen neben den Dimensionen Zeit und
Raum auch in weiteren Sozialdimensionen, nämlich Hilfsmittel/Technik,
Arbeitsinhalt/Qualifikation, Sinn/Motivation sowie Sozialorganisation zu

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832486754
ISBN (Paperback)
9783838686752
DOI
10.3239/9783832486754
Dateigröße
358 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
FernUniversität Hagen – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2005 (April)
Note
2,0
Schlagworte
arbeitskraftunternehmer transformationsproblem empowerment wertewandel gruppenarbeitskonzept
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Titel: Subjektivierung der Arbeit
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