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Geschlechtsrollenstereotype in der Personalauswahl

Eine quasi-experimentelle Studie

©2004 Diplomarbeit 94 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
In der modernen Berufswelt scheinen Frauen auf den ersten Blick nicht mehr diskriminiert zu werden - sie sind formal gleichgestellt und verfügen über dieselben beruflichen und führungsrelevanten Qualifikationen wie Männer. Doch der Schein trügt: Obwohl ähnlich viele Frauen wie Männer berufstätig sind, ist der Anteil an weiblichen Führungskräften - vor allem in Spitzenpositionen - im Vergleich zu männlichen sehr gering. Warum haben Frauen auf dem Arbeitsmarkt einen Sonderstatus? Weshalb kommt es in den attraktiven Berufssparten zu Diskriminierung? Verschiedene Aspekte werden in den unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen als Ursachen für die Marginalität von Frauen in Führungspositionen diskutiert: historisch-kulturelle, ökonomisch-wirtschaftspolitische, personalpolitische und sozialpsychologische.
Die vorliegende Arbeit betrachtet diese Problematik aus einer sozialpsychologischen Perspektive, indem sie die geschlechtsstereotype Wahrnehmung von Führung als Erklärungsansatz heranzieht. Nach diesem Ansatz werden gleich qualifizierte Frauen bezüglich ihrer Führungsqualitäten anders wahrgenommen als Männer, weil das typische Bild einer erfolgreichen Führungskraft stärker mit dem männlichen als mit dem weiblichen Geschlechtsstereotyp assoziiert ist (think-manager-think-male-Phänomen). Mit Hilfe dieses Erklärungsmusters soll hier die Frage untersucht werden, welche Bedeutung Geschlechtsrollenstereotypen bei der Personalauswahl und -beurteilung von Führungskräften zukommt, d.h. inwieweit sie im Bezug auf Führung angewandt werden. Die Aktivierung der Stereotype wird in der vorliegenden Studie erzeugt durch das biologische Geschlecht von Personen, ihre äußere maskuline oder feminine Erscheinung und ihre maskulinen oder femininen Hobbys. Die Hobbys sollen hierbei als cues für Persönlichkeit und Temperament dienen. Konkret soll also beleuchtet werden, inwieweit das Geschlecht, die äußere Erscheinung und die Hobbys, die unabhängig vom Geschlecht einer sich bewerbenden Person entweder als „typisch maskulin“ oder „typisch feminin“ gelten, der Umwelt als Hinweisreize für Führungsqualifikation dienen.
Durch zwei Elemente soll die vorliegende Arbeit den gegenwärtigen Stand der Forschung ergänzen: Im Gegensatz zu vielen anderen Studien zu dieser Thematik, die neben dem Geschlecht der Stimulusperson nur eine Quelle für Maskulinität bzw. Femininität verwenden, kommen hier zwei zum Einsatz. Ein weiterer wichtiger Aspekt der hier […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Situation von Frauen in Führungspositionen

3 Theorie
3.1 Die gläserne Decke
3.2 Geschlechtsstereotype
3.2.1 Inhalte und Struktur von Geschlechtsstereotypen
3.2.2 Aktivierung von Geschlechtsstereotypen
3.3 Geschlechtsstereotype Segregation des Arbeitsmarktes
3.4 Geschlechtsstereotype Wahrnehmung von Führung
3.4.1 Think-manager-think-male-Phänomen
3.4.2 Lack-of-fit-Modell
3.4.3 Role-congruity-Theorie

4 Präzisierung der Hypothesen

5 Methoden
5.1 Übersicht und Untersuchungsdesign
5.2 Voruntersuchungen und Stimulusmaterial
5.2.1 Expertenbefragung zum Umgang mit Bewerbungsunterlagen in der Praxis
5.2.2 Voruntersuchung Hobbys
5.2.3 Voruntersuchung Bilder
5.2.4 Vortest
5.3 Stichprobe
5.4 Untersuchungsablauf
5.5 Operationalisierung der Variablen
5.5.1 Unabhängige Variablen
5.5.2 Abhängige Variablen
5.6 Manipulation Check und Kontrollvariablen
5.7 Datenanalyse

6 Ergebnisse
6.1 Stichprobe
6.2 Überprüfung der Manipulation feminin/maskulin
6.3 Zuschreibung von Führungseignung
6.4 Zuschreibung von Führungskompetenz
6.5 Zuschreibung von Führungspotential
6.6 Überblick über die Führungsqualitäten
6.7 Zuschreibung von maskulinen und femininen Eigenschaften
6.8 Einflußfaktoren für Erfolg in Führungspositionen
6.9 Kontrolle der Variablen „Sympathie“ und „Attraktivität“

7 Diskussion
7.1 Diskussion der Ergebnisse
7.2 Bedeutung für die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen
7.3 Einschränkungen der Ergebnisse und zukünftige Forschung
7.4 Schluß
7.5 Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Anhang
Anhang A: Stimulusmaterial der Voruntersuchungen
Anhang B: Stimulusmaterial der Hauptuntersuchung
Anhang C: CD-ROM Rohdaten

1 Einleitung

In der modernen Berufswelt scheinen Frauen auf den ersten Blick nicht mehr diskriminiert zu werden - sie sind formal gleichgestellt und verfügen über dieselben beruflichen und führungs­relevanten Qualifikationen wie Männer. Doch der Schein trügt: Obwohl ähnlich viele Frauen wie Männer berufstätig sind, ist der Anteil an weiblichen Führungskräften - vor allem in Spitzenpositionen - im Vergleich zu männlichen sehr gering. Warum haben Frauen auf dem Arbeitsmarkt einen Sonderstatus? Weshalb kommt es in den attraktiven Berufssparten zu Diskriminierung? Verschiedene Aspekte werden in den unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen als Ursachen für die Marginalität von Frauen in Führungspositionen diskutiert: historisch-kulturelle, ökonomisch-wirtschaftspolitische, personalpolitische und sozial­psycho­logische (Abele, 1998).

Die vorliegende Arbeit betrachtet diese Problematik aus einer sozialpsychologischen Perspektive, indem sie die geschlechtsstereotype Wahrnehmung von Führung als Erklärungs­ansatz heranzieht. Nach diesem Ansatz werden gleich qualifizierte Frauen bezüglich ihrer Führungsqualitäten anders wahrgenommen als Männer, weil das typische Bild einer erfolgreichen Führungskraft stärker mit dem männlichen als mit dem weiblichen Geschlechtsstereotyp assoziiert ist (think-manager-think-male- Phänomen, z.B. Dodge, Gilroy & Fenzel, 1995). Mit Hilfe dieses Erklärungsmusters soll hier die Frage untersucht werden, welche Bedeutung Geschlechtsrollenstereotypen bei der Personalauswahl und -beurteilung von Führungskräften zukommt, d.h. inwieweit sie im Bezug auf Führung angewandt werden. Die Aktivierung der Stereotype wird in der vorliegenden Studie erzeugt durch das biologische Geschlecht von Personen, ihre äußere maskuline oder feminine Erscheinung und ihre maskulinen oder femininen Hobbys. Die Hobbys sollen hierbei als cues für Persönlichkeit und Temperament dienen. Konkret soll also beleuchtet werden, inwieweit das Geschlecht, die äußere Erscheinung und die Hobbys, die unabhängig vom Geschlecht einer sich bewerbenden Person entweder als „typisch maskulin“ oder „typisch feminin“ gelten, der Umwelt als Hin­weis­­reize für Führungsqualifikation dienen.

Durch zwei Elemente soll die vorliegende Arbeit den gegenwärtigen Stand der Forschung ergänzen: Im Gegensatz zu vielen anderen Studien zu dieser Thematik, die neben dem Geschlecht der Stimulusperson nur eine Quelle für Maskulinität bzw. Femininität verwenden (z.B. Spreemann, 2000), kommen hier zwei zum Einsatz. Ein weiterer wichtiger Aspekt der hier verwendeten Methodik ist, daß die wesentlichen Informationen zur Beurteilung der Stimuluspersonen (Bild und Hobby im Lebenslauf) in der Realität schon im ersten Screening vorliegen. Hingegen kommen die in vielen anderen Arbeiten zur Einschätzung angewandten cues (z.B. Parfum bei Sczesny & Stahlberg, 2002) erst zum Tragen, wenn man die Person kennenlernt.

Im folgenden Kapitel wird zunächst die Situation von Frauen in Führungspositionen anhand aktueller Statistiken erläutert. Der theoretische Teil gibt einen Überblick über die wichtigsten Ansätze und Ergebnisse zu diesem Thema (Abschnitt 3). Im Anschluß (Abschnitt 4) erfolgt die Präzisierung der Hypothesen. Abschnitt 5 beschreibt die verwendeten Methoden in den Voruntersuchungen und im Hauptexperiment. Im 6. Abschnitt sind die gefundenen Ergebnisse dargestellt, welche im letzten Teil (Abschnitt 7) diskutiert und zusammengefaßt werden. Die Arbeit schließt mit einem Ausblick auf Ansätze für zukünftige empirische Untersuchungen.

In Anhang C befindet sich eine CD ROM mit allen erhobenen Rohdaten, so daß die vollständigen Ergebnisse anhand der Beschreibung der angewandten statistischen Verfahren jederzeit rekonstruiert werden können. Daher schien es ausreichend, den Anhängen A und B lediglich das verwendete Stimulusmaterial in Papierform beizufügen.

2 Die Situation von Frauen in Führungspositionen

Ebenso wie Menschen werden auch Berufe geschlechtsspezifisch kategorisiert. Liegt der Beschäftigung­santeil von Männern bzw. Frauen in einem Beruf über 70-80% (die Grenze wird in der Praxis unterschiedlich gezogen), so spricht man von einem „typisch männlichen“ bzw. „typisch weiblichen“ Beruf (Wootton, 1997). Merton geht noch einen Schritt weiter und bezeichnet einen Beruf dann als sex typed, wenn nicht nur eine große Mehrheit der darin Beschäftigten einem bestimmten biologischen Geschlecht angehört, sondern auch der normative Glaube existiert, „ that this is how it should be “ (zitiert nach Schein, 1973). Blau und Ferber (1992) sprechen von horizontaler Berufssegregation, wenn Frauen und Männer in verschiedenen Berufsgruppen tätig sind (z.B. Krankenschwester vs. Bauarbeiter) und von vertikaler Berufssegregation, wenn sie unterschiedliche Hierarchien besetzen (z.B. weibliche Kassiererin vs. männlicher Geschäftsführer). Diese Unterteilung spiegelt sich auch in den existierenden empirischen Daten wider: Jene zeigen auf, daß es sowohl die horizontale als auch die vertikale Segregation auf dem Arbeitsmarkt gibt, denn die finanziell sowie aufgrund ihres Prestiges attraktiven Führungspositionen sind immer noch und größten Teils Männern vorbehalten.

Gegenwärtig sind in den industrialisierten Ländern nahezu gleich viele Männer wie Frauen erwerbstätig. In Deutschland waren im Mai 2003 laut Statistischem Bundesamt (www.destatis.de) 55,3% der Erwerbstätigen Männer und 44,7% Frauen. Inzwischen sind jedes Jahr über 54% der Abiturienten weiblich und 1995 schrieben sich erstmals mehr weibliche als männliche Studenten ein (Bierach, 2004). Auch was die akademischen Abschlüsse angeht, haben Frauen in den vergangenen Jahrzehnten stark aufgeholt (siehe Abbildung 2.1). So stellen sie mittlerweile fast 50% der universitären Absolventen in Deutschland.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.1: Seit 1980 deutlich mehr weibliche Akademikerinnen (Quelle: Statistisches Bundesamt, Hochschulstatistik, www.destatis.de)

Trotz formaler Gleichstellung und gleicher Schul- und Berufsausbildung sind Frauen in den Führungsebenen immer noch deutlich unterrepräsentiert. Denn wie Abbildung 2.2 zeigt, kann in den Führungsetagen mittelständischer Unternehmen nicht die Rede von Gleichstellung sein. Nur in Rußland sind die Geschäftsleitungsposten annähernd gleich mit Frauen und Männern besetzt. Auf den Philippinen und in Polen liegt der Frauenanteil immerhin noch bei über 35%. Das ergab eine Umfrage von Grant Thornton International, einer Organisation unabhängiger Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaften. Weltweit besetzen hiernach die Frauen 19% der Führungspositionen im Mittelstand, wobei Deutschland mit 16% unter dem Durchschnitt liegt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.2: Frauen in Führungspositionen international (Quelle Grant Thornton International Studie, veröffentlicht im Februar 2004)

Zwar belegt eine Vielzahl von Daten, daß die Anzahl der weiblichen Führungskräfte vor allem im unteren, aber auch im mittleren und Top-Management in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen ist (z.B. Eagly, 2003a und 2003b). Gleichwohl: Frauen sind in Führungspositionen - nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in Politik, Wissenschaft und Verwaltung - immer noch deutlich in der Minderheit. Dies gilt im besonderen für das Spitzenmanagement. Wie Tabelle 2.1 verdeutlicht, sind in den größten deutschen Unternehmen nur 1-8% der Mitglieder der Geschäftsführung, des Aufsichtsrates oder des Vorstandes Frauen. Im Jahr 2003 hatte sogar keines der größten Unternehmen Deutschlands eine weibliche Aufsichtsrats- oder Vorstandsvorsitzende. Ähnliches zeigt sich auch im internationalen Vergleich. In den weltweit größten 500 Unternehmen waren 2002 weniger als 1% der Vorstandsvorsitzenden weiblich (Fortune Magazine, Global Fortune 500).

Tabelle 2.1: Anteil von Frauen im Spitzen Management in Deutschland (Quelle: Europäische Datenbank - Frauen in Führungspositionen, 2003, www.db-decision.de)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wenn Frauen also vergleichbare berufliche und führungsrelevante Qualifikationen aufweisen wie Männer, warum sind die Führungsetagen dann nicht auch annähernd zu gleichen Teilen mit Männern und Frauen besetzt? Wie bereits eingangs erwähnt, werden in der Forschung hierzu verschiedene mögliche Gründe diskutiert, deren Einfluß auch nicht gänzlich von der Hand gewiesen werden kann. Doch viele der bisher in der Wissenschaft diskutierten Erklärungsmodelle haben nur eine begrenzte Reichweite. So konnten etwaige Kompetenz­unterschiede zwischen Männern und Frauen bezüglich Führungsmotivation, -stil oder -erfolg nur in sehr geringem Maße nachgewiesen werden (Eagly & Johnson, 1990; Eagly, Makhijani & Klonsky, 1992; Eagly, Karau, Miner & Johnson, 1994). Auch die Sozialisation von Jungen und Mädchen vermag es nicht mehr, diesbezüglich hinreichende Erklärungen zu liefern, da sie sich immer stärker angleicht. Ferner können die stark rückläufige Geburtenrate und die sich bessernden Angebote zur Kinderbetreuung als Indiz dafür betrachtet werden, daß es gegenwärtig viele hochqualifizierte Frauen gibt, die führen wollen, können und auch die nötige Zeit dafür haben (Eagly, 2003a). Was hindert sie außer den genannten Gründen am Ein- bzw. Aufstieg? Im folgenden Teil der Arbeit soll diese Frage unter theoretischen Gesichtspunkten erörtert werden.

3 Theorie

Aus den vorhergegangenen Ausführungen wird deutlich, daß die Unterrepräsentanz von Frauen auf hochrangigen Posten noch andere Ursachen haben muß. Die vorliegende Arbeit zieht hierzu einen sozialpsychologischen Erklärungsansatz heran: die geschlechtsstereotype Wahrnehmung von Führung. Demnach werden Frauen, auch wenn sie über gleiche Qualifikationen und Verhaltensweisen verfügen wie Männer, anders wahrgenommen, weil die prototypische erfolgreiche Führungskraft in der Wahrnehmung stärker mit dem männlichen als mit dem weiblichen Geschlechtsstereotyp assoziiert ist.

3.1 Die gläserne Decke

Das sogenannte glass-ceiling- Phänomen (Morrison, White & Van Velsor, 1987; Morrison & von Glinow, 1990) beschreibt, wie insbesondere überdurchschnittlich begabte und motivierte Frauen von einer gläsernen Decke bzw. unsichtbaren Barriere am Aufstieg in hochrangige Positionen gehindert werden. Dabei erweist sich gendering als zentraler Mechanismus, der die Konkurrenz zwischen Männern und Frauen unterbricht (Ohlendieck, 2003). Unter gendering versteht man, daß Frauen geschlechtsstereotype Eigenschaften, die sich unter dem Begriff Expressivität zusammenfassen lassen, zugeschrieben werden, die als im Beruf nachteilig angesehen werden. Wohingegen die männlichen geschlechtsstereotypen Eigen­schaften mit Instrumentalität assoziiert sind (Eckes, 1997). Personalauswahl und Beförderung erfolgen durch Vorgesetzte. Da diese in Organisationen und deren formalen und informalen Netzwerken wichtigen Positionen aber historisch männlich besetzt sind, und die Auswahl der Nachfolgenden häufig geleitet von wahrgenommener Selbstähnlichkeit erfolgt, die die Unsicherheit der Entscheidung zu mindern scheint, stoßen Frauen hier auf ein Handicap. Dementsprechend ist bezogen auf die Auswahl für eine Führungsposition und einen Aufstieg in höhere Führungsebenen ein gender bias zu erwarten, der Frauen benachteiligt.

Abbildung 3.1 veranschaulicht, daß Frauen jedoch nicht nur durch gläserne Decken am Aufstieg in höhere Managementebenen gehindert werden, sondern auch durch sogenannte glass walls in den peripheren, wenig sichtbaren und kaum prestigeträchtigen Abteilungen von Unternehmen verbleiben, wie z.B. der Verwaltung oder dem Personalwesen. Diese glass walls hindern Frauen folglich am Zugang zu strategisch zentralen und damit aufstiegs­relevanten Organisationsbereichen. Denn nur über das Zentrum, in dem die wichtigsten Karriere­netzwerke eines Unternehmens angesiedelt sind, gelangt man in den glass lift, der einen schnellen und steilen Aufstieg ermöglicht. Laut Ohlendieck (2003) zeigt sich bei genauerer Betrachtung, daß sowohl glass walls als auch glass ceilings informalen Netzwerken entspringen. Die Angehörigen dieser Netzwerke (z.B. old boys networks) erzeugen durch ihre Kooptationsmechanismen den oben beschriebenen gender bias. So sind z.B. mehr als die Hälfte der Vorstandsvorsitzenden der 500 größten Unternehmen der USA Söhne ehemaliger CEOs (Barenholtz, 1994). Baecker (2003, S.131) umschreibt das glass-ceiling- Phänomen in einem Satz mit der These: „In einer Hierarchie ist nahezu jede Verteilung von Männern und Frauen auf ihre Positionen möglich, solange ein Mann an der Spitze steht.“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.2 Geschlechtsstereotype

Stereotype sind Eigenschaften, die einer Gruppe von Personen mit bestimmten demo­grafischen Charakteristika gesellschaftlich zugeordnet und auf jedes einzelne Mitglied dieser Gruppe übertragen werden (Heilman, 1995). Dabei gehören biologisches Geschlecht und ethnische Herkunft zu den Gruppenrepräsentationen, die am besten entwickelt und am weitesten verbreitet sind, um die eigene oder andere Personen zu identifizieren (vgl. Stangor, Lynch, Duan & Glass, 1992). Sie stellen also kognitive Strukturen dar, die unser Wissen, unsere Überzeugungen und unsere Erwartungen über soziale Gruppen repräsentieren (Kunda, 1999) und wirken somit in fast allen Bereichen der sozialen Interaktion. Von besonderer Bedeutung sind dabei Geschlechtsstereotype, denn das biologische Geschlecht gilt als eine der salientesten menschlichen Charakteristiken. Geschlechtsstereotype können definiert werden als „ structured sets of beliefs about the personal attributes of women and men“ (Ashmore, Del Boca & Wohlers, 1986, S.89). In der Geschlechterforschung unterscheidet man zwischen den beiden Begriffen „soziales“ und „biologisches Geschlecht“ (gender und sex). Das soziale Geschlecht wird durch stereotype soziale Eigenschaften und Rollen begründet, die dem biologischen Geschlecht zugewiesen werden. Geschlechtszugehörigkeit als Merkmal hat folglich nicht nur körperliche Konsequenzen, sondern auch psychische und soziale, da die Zugehörigkeit zur Kategorie Mann bzw. Frau Erwartungen über geschlechts­spezifisches Verhalten erzeugt. Diese geschlechtstypischen Rollenerwartungen veranlassen Personen zur Übernahme maskuliner oder femininer Eigenschaften und Verhaltensweisen.

3.2.1 Inhalte und Struktur von Geschlechtsstereotypen

Die Inhalte von Geschlechtsstereotypen sind empirisch relativ eindeutig belegt (z.B. Deaux & Kite, 1993) und setzen sich aus verschiedenen, multidimensionalen Komponenten, wie physischen Merkmalen, Eigenschaften, Rollenverhalten und typischen beruflichen Tätigkeiten, zusammen (Deaux & Lewis, 1983, 1984; Freeman, 1987). Als typisch männlich werden Attribute wie dominant, rational, unabhängig, selbstsicher, leistungsorientiert und konkurrenzfreudig angesehen, während die typische Frau als emotional, einfühlsam, nachgiebig und kooperativ charakterisiert wird. Männern werden demnach, wie bereits erwähnt, Kompetenz­eigenschaften bzw. Instrumentali­tät und Frauen Emotionseigenschaften bzw. Expressivität zugeschrieben (Broverman, Vogel, Broverman, Clarkson & Rosenkrantz, 1972). Eagly und Karau (2002) fassen die typisch weiblichen Eigenschaften als communal attributes zusammen, die sich vorwiegend mit dem Wohlergehen nahestehender Personen beschäftigen, und die typisch männlichen als agentic attributes, die eher mit dem Ausführen von Tätigkeiten verbunden sind. Der Inhalt von Geschlechtsstereotypen ergibt sich also aus geschlechts­typischen sozialen Rollenerwartungen. Älteren Studien zufolge wurden männliche Eigenschaften positiver bewertet als weibliche (Bierhoff-Alfermann, 1977), wohingegen neuere Ergebnisse für eine allmäh­liche, leichte Umkehr dieser Tendenz sprechen (z.B. Deaux & Kite, 1993). Dagegen haben sich die Inhalte der Geschlechtsrollenstereotype in den letzten Jahrzehnten kaum verändert (z.B. Eagly & Mladinic, 1994).

Abgesehen vom Inhalt ist aber auch die Struktur von Stereotypen und damit ihre Funktions­weise relevant. Aus kognitionspsychologischer Sicht läßt sich Stereotypisierung anhand der Standardstrategien des menschlichen Informationsverarbeitungssystems erklären. Nach Tajfel (1981) entspringen Stereotype vor dem Hintergrund einer komplexen sozialen Umgebung dem Bedürfnis nach Einfachheit, Kohärenz und Vorhersehbarkeit. Sie strukturieren komplexe Informationen und vereinfachen ihre kognitive Verarbeitung und haben damit einen funktionalen Charakter. Denn zum einen werden ankommende Stimuli vereinfacht und zum anderen wird mittels dieser strukturierten Wissens­basis das Verhalten anderer besser verstanden und vorhergesagt (Bodenhausen & Wyer, 1985). Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß Personen im Alltag häufig mit komplexen Reizbedingungen oft unter begrenzter kognitiver Verarbeitungskapazität kon­frontiert sind, kann stereotypgeleitete Informationsverarbeitung entlastend und sinnvoll wirken. Sie werden als „kognitive Schemata“ bezeichnet, die bei der Informationsselektion, der Ordnungs- und Bedeutungs­stiftung und bei Entscheidungs- bzw. Problemlöseprozessen zum Einsatz kommen (Fiske & Taylor, 1991). Da sie die Wahrnehmung unbewußt beein­flussen, sind sie sehr änderungs­resistent, d.h. nur mehrfache und eindeutige inkonsistente Erfahrungen führen zu Veränderungen. Vor der Nutzung von Stereotypen findet eine soziale Kategorisierung in die sogenannte ingroup oder outgroup statt, wobei das wahrnehmende Individuum der Eigengruppe angehört und die wahrgenommene Person der Fremdgruppe zugeordnet wird. Dabei kommt es zu einer Maximierung der Unterschiede zwischen Eigen- und Fremdgruppe, während die Variabilität in der outgroup minimiert wird. Dieser outgroup homogeneity effect (z.B. Brehm, Kassin & Fein, 1998) beinhaltet, daß den Angehörigen der Fremdgruppe eine größere Ähnlichkeit untereinander unterstellt wird, als jenen der Eigen­gruppe, bei der selbst feine Differenzen registriert werden. Der Heterogenität der einzelnen Mitglieder der outgroup wird somit nicht Rechnung getragen; und zwar vor allem dann, wenn wir wenig über eine Person wissen, nehmen wir Verallgemeinerungen und Übergeneralisier­ungen vor, die entweder ungenau oder unzutreffend sein können (Heilman, 1983). Stereotypisierung kann folglich veranlassen, daß identisches Verhalten Angehöriger verschiedener sozialer Kategorien unterschiedlich interpretiert wird.

3.2.2 Aktivierung von Geschlechtsstereotypen

Geschlechtsstereotype werden durch Hinweisreize ausgelöst. Die Wahrscheinlichkeit, daß sie aktiviert werden hängt nach dem Interaktionsmodell von Deaux und Major (1987) von drei Schlüsselelementen ab: der wahrnehmenden Person, der wahrgenommenen Zielperson und der Situation. Was die wahrnehmende Person angeht, so konnten interindividuelle Unterschiede in der Zentralität der Kategorie Geschlecht und in der Bereitschaft, die damit verbundenen Überzeugungen anzuwenden, beispielsweise anhand der Geschlechterschema-Theorie von Bem (1981) nachgewiesen werden. Wonach gender-schematics Geschlechts­schemata mit höherer Wahrscheinlichkeit aktivieren und anwenden als gender-aschematics. Die Einteilung in erstere und letztere Gruppe erfolgt mittels des Bem-Sex-Role-Inventory (Bem, 1974). Ein weiterer die Aktivierung von Geschlechtsstereotypen beeinflussender Faktor sind spezifische Merkmale der wahrgenommenen Zielperson. Gemäß Deaux und Major (1987) trifft dies vor allem auf die äußere Erscheinung der Zielperson zu, aber auch ihr biologisches Geschlecht, ihre Eigenschaften, ihr Rollenverhalten oder ihr Beruf können eine stereotypgeleitete Wahrnehmung veranlassen. Da aber Geschlechtsstereotype nicht nur durch das biologische Geschlecht charakterisiert sind, existieren innerhalb des männlichen und weiblichen Stereotyps Subtypen, deren Inhalte von der globalen Kategorie abweichen (z.B. „ Softie“ oder „Karrierefrau“). Ferner kann sich die Situation hemmend oder begünstigend auf die Aktivierung von Geschlechtsstereotypen auswirken. So steigen etwa die geschlechts­spezifischen Erwartungen an Angehörige jener Geschlechterkategorie, die innerhalb einer Gruppe die Minderheit darstellt, weil ihr Geschlecht salienter ist als das der Kategorie, die in der Mehrheit ist. Kanter (1977) bezeichnet diesen Vorgang als tokening. Frauen in hoch­rangigen Führungspositionen kommt z.B. ein sogenannter token- Status zu. Weil sie dort so selten anzutreffen sind, werden sie nicht individuell wahrgenommen sondern stereotyp als Vertreterinnen ihres Geschlechts und werden somit nicht mit beruflicher Kompetenz assoziiert. Außerdem beeinflussen drei weitere Faktoren die Aktivierung und Anwendung von Geschlechts­stereotypen (z.B. Fiske & Taylor, 1991) folgendermaßen: je höher der Grad ihrer Verfügbarkeit, je niedriger die zur Verfügung stehende Verarbeitungskapazität und je geringer die Menge der dargebotenen individuierenden Information, desto wahrscheinlicher ist die stereotypgeleitete Infor­mations­­verarbeitung.

3.3 Geschlechtsstereotype Segregation des Arbeitsmarktes

Bevor das Augenmerk auf die geschlechtsstereotype Wahrnehmung von Führung gerichtet wird, soll zunächst anhand verschiedener Ergebnisse erläutert werden, wie Geschlechts­stereotype im Zusammenhang mit typisch männlichen bzw. typisch weiblichen Berufen und Leistungsbeurteilung wirken. Fidell (1970) gehört zu den ersten viel zitierten Studien zum Einfluß des Geschlechts auf Entscheidungen in der Personalselektion. Sie fand heraus, daß Männer in typischen Männerberufen bevorzugt und Frauen benachteiligt werden. Ihre Untersuchung wurde von vielen Autoren für unterschiedliche Berufe repliziert und auch die Metaanalyse von Olian et al. (1988) bestätigte ihre Ergebnisse. Rosen und Jerdee (1974), Cohen und Bunker (1975) und Cash et al. (1977) haben ähnliche Untersuchungen durch­geführt und kamen zu dem Ergebnis, daß Frauen im Vergleich zu Männern mit der gleichen Qualifikation in typischen Frauenberufen bevorzugt werden und Männer im Vergleich zu Frauen mit der gleichen Qualifikation in typischen Männerberufen bevorzugt werden. Gemäß den Studien von Heilman (1984) und Gerdes und Garber (1983) wird dieses Muster aber nur solange angewendet, wie Zweifel bezüglich der Qualifikation der Bewerberinnen bestehen. Wenn sie den Arbeitgeber jedoch von ihrer Eignung für die Stelle überzeugen können, werden Stereotype nicht aktiviert und Frauen erfahren die gleiche Behandlung wie ihre männlichen Mitbewerber. Bei gleicher Qualifikation und Produktivität, sollte das Geschlecht also keine Rolle spielen. Glick et al. (1988) konnten in ihrer Untersuchung zum Einfluß des Geschlechts auf die Bewerberauswahl zeigen, wie Maskulinität bei Frauen die Chancen, in einem typischen Männerberuf eingestellt zu werden, erhöht.

Ähnliche Befunde konnten auch für den Bereich der Leistungsbeurteilung von Männern und Frauen festgestellt werden. Hier konnte die Wirksamkeit von Geschlechtsstereotypen anhand einer Vielzahl von Studien zum Goldberg-Paradigma nachgewiesen werden, das auf Goldberg (1968) zurückgeht. Er legte seinen Versuchspersonen identische Artikel aus sechs ver­schiedenen Bereichen vor und gab an, sie wären entweder von einem Mann oder einer Frau verfaßt worden. Insgesamt wurden die von Männern verfaßten Artikel besser bewertet. Bei genauerer Betrachtung ergab sich aber, daß die Artikel von männlichen Autoren nur dann positiver eingeschätzt wurden, wenn sie einem traditionell männlichen bzw. geschlechts­neutralen Bereich zuzuordnen waren. Urteilsverzerrungen, die Frauen benachteiligen, treten demnach insbesondere auf, wenn sie in Bereichen tätig sind, die nicht ihrer traditionellen Geschlechterrolle entsprechen. Dieses Ergebnis konnte in Metaanalysen bestätigt werden (Olian, Schwab & Haberfeld, 1988; Eagly, Mahijani & Klonsky, 1992).

3.4 Geschlechtsstereotype Wahrnehmung von Führung

Die geschlechtsstereotype Wahrnehmung von Führung geht davon aus, daß die Unterschiede zwischen Männern und Frauen im Bezug auf ihre Führungsqualitäten vor allem im „Auge des Betrachters“ entstehen. Denn aufgrund geschlechtsstereotypengeleiteter Wahrnehmung werden die gleichen Verhaltensweisen beider Geschlechter unterschiedlich beurteilt. Frauen werden, selbst wenn sie über dieselben Qualitäten verfügen wie Männer, im Bezug auf Führung anders wahrgenommen, weil die prototypische erfolgreiche Führungskraft in der Wahrnehmung stärker mit dem männlichen als mit dem weiblichen Geschlechtsstereotyp assoziiert ist. Somit kann die geschlechtsstereotype Wahrnehmung von Führung, neben den einleitend erwähnten historisch-kulturellen, ökonomisch-wirtschaftspolitischen und personal­politischen Ursachen, als ein weiterer erklärender Faktor für die Marginalität von Frauen in Führungspositionen angesehen werden. Wodurch diese Wahrnehmung von Führung zustande kommt, soll im Folgenden genauer beleuchtet werden.

3.4.1 Think-manager-think-male-Phänomen

Schein überprüfte den geschilderten Sachverhalt an Managern (1973) und Managerinnen (1975). Dabei ging sie von der Hypothese aus, daß erfolgreichen Managern die gleichen Eigenschaften zugeschrieben werden, die auch Männern - nicht aber Frauen - im allgemeinen attribuiert werden. Die Befragten sollten dazu anhand einer Adjektivliste Männer und Frauen im allgemeinen und erfolgreiche Führungskräfte des mittleren Managements beschreiben. Entsprechend ihren Erwartungen, war die Korrelation zwischen dem Bild der erfolgreichen Führungskraft und dem männlichen Geschlechtsstereotyp größer als jene mit der Vorstellung von der „typischen Frau“. Diese Korrespondenz zwischen den Eigenschaften von Managern und Männern nennt man think-manager-think-male- Phänomen. Dodge, Gilroy und Fenzel (1995) konnten übereinstimmende Befunde für erfolgreiche Führungskräfte des gehobenen Managements nachweisen. Überdies wurden Belege gefunden, daß dieses Phänomen sowohl bei Männern und Frauen (Sczesny, Spreemann & Stahlberg, 1999) als auch kultur­über­greifend (Schein, Mueller, Lituchy & Liu, 1996) verbreitet ist.

3.4.2 Lack-of-fit-Modell

Das lack-of-fit -Modell (Heilman, 1983) liefert eine Erklärung für das think-manager-think-male -Phänomen: Die Erwartungen darüber, wie erfolgreich eine Person eine bestimmte Position in einem Unternehmen ausfüllen wird, hängen von der wahrgenommenen Passung (fit) zwischen den der Person zugeschriebenen Eigenschaften und den wahrgenommenen Arbeitsanforderungen ab. Wie groß diese Übereinstimmung ist, wird also zum einen davon beeinflußt, inwiefern einer Person stereotyp maskuline oder feminine Eigenschaften zugeschrieben werden und zum anderen davon, inwieweit die Position typisch maskulin bewertet wird. Eine hohe Übereinstimmung von Führungskraft und Führungsposition löst hohe Erfolgs­erwartungen aus, während eine als gering wahrgenommene Passung zur Mißerfolgs­erwartung führt. Diese durch eine wahrgenommene Passung bzw. einen wahrgenommenen Mangel an Passung ausgelösten Erwartungen, haben beispielsweise Einfluß darauf, ob eine Person eingestellt oder abgelehnt wird und wie ihre Leistung bewertet und belohnt wird. Selbstverständlich gilt das Modell auch für den umgekehrten Fall: Männern wird bei Berufen mit einem typisch weiblichen Anforderungsprofil ebenfalls mangelnde Passung unterstellt.

Überträgt man dieses Modell nun auf Frauen in Führungspositionen, so wird klar, daß die ihnen zugeschriebenen typisch weiblichen Eigenschaften nicht mit den maskulinen Arbeits­anforderungen, insbesondere im Management, korrespondieren. Dadurch entsteht gegenüber einer weiblichen Führungskraft eine negative Erwartungshaltung. Je größer dieser wahr­genommene Mangel an Passung, desto wahrscheinlicher sind stereotypengeprägte Verhaltens­weisen ihr gegenüber und eine stereotypengeleitete Bewertung ihrer Leistungen. Dadurch kann es also für Frauen im Führungsbereich zu zweierlei negativen Konsequenzen aus dem wahrgenommenen lack of fit kommen, denn einerseits werden sie diskriminiert (other-directed sex bias) und andererseits stehen sie sich selbst durch self-limiting behaviour (self-directed sex bias) im Weg. Nach Janoff-Bulman & Wade (1996) neigen Frauen im Vergleich zu Männern beispielsweise zu zwei Verhaltensweisen, die sich im Berufsleben abträglich auswirken: einerseits zu einer stark ausgeprägten Bescheidenheit (norm of modesty) und andererseits haben sie Schwierigkeiten ihre eigene Interessen zu vertreten (self-advocacy dilemma). In diesem Zusammenhang konnten Heilman, Block und Martell (1995) zeigen, daß Frauen in Führungspositionen im Vergleich zu Männern ein negativeres Image anhaftet. Die weibliche Führungskraft im allgemeinen wird als unfeminin, aggressiv, kalt, hart und für Männer nicht begehrenswert bezeichnet. Demnach scheint Erfolg als Führungskraft Weiblichkeit auszuschließen.

3.4.3 Role-congruity-Theorie

Eagly und Karau (2002) griffen das Modell von Heilman auf und entwickelten daraus einen ähnlichen Erklärungsansatz der geschlechtsstereotypen Wahrnehmung von Führung: die role-congruity- Theorie. Auch hier stellen unterschiedliche Geschlechterrollenerwartungen an Männer und Frauen den Ausgangspunkt dar, und zwar in Form von deskriptive norms, also deskriptiven Bestandteilen von Stereotypen, die die typischen Merkmale von Frauen und Männern beschreiben, und injunctive norms, den präskriptiven Bestandteilen von Stereotypen, die Aussagen darüber machen, wie sich Mitglieder einer bestimmten sozialen Gruppe idealerweise bzw. sozial erwünscht verhalten sollen. Vorurteile entstehen demnach aus einer wahrgenommenen Inkongruenz zwischen den typischen Eigenschaften eines Mitglieds einer sozialen Gruppe und den Anforderungen einer sozialen Rolle, die dieses Mitglied einnimmt oder einnehmen möchte. Erwartungen an Frauen und Erwartungen an Manager sind also inkongruent, während Erwartungen an Männer und Manager übereinstimmen. Da Geschlechter­­­rollenerwartungen in organisationalen Settings aber ebenso salient sind, wie in allen anderen Bereichen sozialer Interaktion, ergeben sich daraus zwei Formen von Diskriminierung von Frauen in Führungspositionen und potentiellen weiblichen Führungs­kräften:

- Aufgrund der unterschiedlichen Erwartungen, die mit dem Stereotyp der typischen Frau und dem der typischen Führungskraft verbunden sind, werden Frauen als potentielle Führungskräfte als weniger kompetent eingeschätzt, weil Menschen ähnliche Vorstellungen über Führungskräfte und Männer haben, aber unähnliche über Führungskräfte und Frauen. Diese Form der Benachteiligung kann demnach auf die deskriptiven Bestandteile der Geschlechterrollen zurückgeführt werden.
- Von Frauen gezeigtes Führungsverhalten wird weniger positiv bewertet, als das gleiche Verhalten bei Männern, weil erfolgreiche weibliche Führungskräfte die an ihre Geschlechter­­rolle gebundenen Erwartungen verletzen, wenn sie typisch männliches Verhalten zeigen. Diese Form der Benachteiligung kann demnach auf die präskriptiven Bestandteile der Geschlechterrollen zurückgeführt werden.

Demzufolge befinden sich Frauen in einem Dilemma: Wenn sie sich entsprechend ihrer Geschlechterrolle verhalten, scheinen sie die Anforderungen an eine Führungsposition nicht mehr zu erfüllen, und wenn sie den Erwartungen an eine Führungskraft entsprechen, kollidiert ihr Verhalten mit dem weiblichen Geschlechtsstereotyp. Daraus resultieren drei negative Folgen für Frauen:

- Die Einstellungen gegenüber weiblichen Führungskräften sind weniger positiv als die gegenüber männlichen Führungskräften.
- Führungspositionen sind für Frauen weniger zugänglich und schwieriger zu erreichen als für Männer.
- Um als erfolgreiche und kompetente Führungskraft angesehen zu werden, müssen Frauen im Vergleich zu Männern größere Hindernisse überwinden.

Diese Folgen erklären laut Eagly (2003b) das glass-ceiling -Phänomen (siehe Abschnitt 3.1) und damit die Marginalität von Frauen vor allem in hochrangigen Führungspositionen. Denn das Anforderungsprofil vieler Stellen im unteren und mittleren Management (z.B. Personalwesen bzw. HR) rückt mittlerweile oft sogenannte soft skills in den Vordergrund, so daß sich die Inkongruenz mit der weiblichen Geschlechterrolle verringert und derartige Führungspositionen für Frauen folglich leichter zugänglich sind. Prinzipiell schließt auch die role-congruity- Theorie, genau wie das lack-of-fit- Modell, eine Diskriminierung von Männern in Führungspositionen nicht aus. Nämlich dann, wenn an eine Führungsposition typisch weibliche, deskriptive und präskriptive Erwartungen geknüpft sind. Da Führung aber traditionell mit männlichen Eigenschaften verbunden wird, sind solche Stellen äußerst selten. Empirische Evidenz für die Annahmen der role-congruity- Theorie konnte in zahlreichen Studien mit diversen Untersuchungsparadigmen (für einen Überblick siehe Eagly & Karau, 2002) gefunden werden. Die Annahmen wurden dabei sowohl in Untersuchungen mit hoher externer und niedriger interner als auch in solchen mit niedriger externer und hoher interner Validität bestätigt.

Zusammenfassend liegt sowohl Heilmans als auch Eaglys und Karaus Ansatz die Annahme zugrunde, daß das think-manager-think-male- Phänomen um so stärker aktiviert wird und damit eine Diskriminierung um so wahrscheinlicher wird, je größer der wahrgenommene lack of fit bzw. die wahrgenommene Inkongruenz zwischen den geschlechtsstereotyp zuge­schrie­benen Eigenschaften einer Person und den Anforderungen der Führungsposition. Welche Komponenten von Geschlechtsstereotypen jedoch diese Passung begünstigen, soll im Folgenden anhand des biologischen Geschlechts, der äußeren Erscheinung und Hobbys, im Sinne von Hinweisreizen für Persönlichkeit, untersucht werden.

4 Präzisierung der Hypothesen

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es zu klären, welche Rolle Geschlechtsrollenstereotype bei der Personalauswahl und -beurteilung spielen. Dazu wird Führungsqualität auf den drei Dimensionen allgemeine Eignung, Führungskompetenz und Potential für weitere Führungsaufgaben erfaßt. Als geschlechtsstereotype Hinweisreize dienen hier das biologische Geschlecht, eine typische oder untypische äußere Erscheinung und geschlechtstypische oder geschlechtsuntypische Hobbys. Beleuchtet werden soll dabei der Einfluß dieser cues auf die geschlechtsstereotype Wahrnehmung von Führung. Das in vielen Studien belegte männliche Modell der Führung (z.B. Schein, 1973; Dodge, Gilroy & Fenzel, 1995) deutet darauf hin, daß typisch maskuline cues bzw. Hinweisreize (wie z.B. männliches Geschlecht, maskulines Aussehen, maskuline Hobbys) die Passung mit Führungspositionen begünstigen, demzufolge als Indikatoren für Führungserfolg gedeutet werden. Feminine cues hingegen verringen die wahrgenommene Kongruenz mit den Anforderungen an eine Führungskraft (Heilman, 1983; Eagly & Karau, 2002). Vor dem Hintergrund, daß es bei der Wahrnehmung von Führung zu einem prototype matching (Lord & Maher, 1991), d.h. einem Abgleich zwischen den Merkmalen der zu beurteilenden Person und denjenigen einer prototypischen Führungskraft kommt, soll die Zuschreibung von prototypischen Führungsmerkmalen untersucht werden. Die folgenden Hypothesen wurden aus den im theoretischen Teil der Arbeit beschriebenen Befunden abgeleitet.

H1:

Die Zuschreibung von Führungseignung, Führungskompetenz und Führungspotential ist abhängig vom biologischen Geschlecht einer Stimulusperson. Männlichen Stimuluspersonen werden diese Führungsqualitäten in stärkerem Ausmaß zugeschrieben als weiblichen.

H2:

Die Zuschreibung von Führungseignung, Führungskompetenz und Führungspotential ist abhängig von der äußeren Erscheinung einer Stimulusperson. Stimuluspersonen mit typisch maskulinem Äußeren werden diese Führungsqualitäten in stärkerem Ausmaß zugeschrieben als jenen mit typisch femininen Äußeren.

H3:

Die Zuschreibung von Führungseignung, Führungskompetenz und Führungspotential ist abhängig von den Hobbys einer Stimulusperson. Stimuluspersonen mit typisch maskulinen Hobbys werden diese Führungsqualitäten in stärkerem Ausmaß zugeschrieben als jenen mit typisch femininen Hobbys.

H4:

Männliche und weibliche Befragte beurteilen die Stimuluspersonen hinsichtlich Führungseignung, Führungskompetenz und Führungspotential nicht unterschiedlich.

Geschlecht der Versuchspersonen

Die letztgenannte Hypothese läßt sich zum einen dadurch begründe, daß es sich um eine unselegierte Gruppe von Versuchspersonen handelt, in der beide Geschlechter das gleiche Stereotyp verwenden. Hinzu kommt, daß die empirischen Befunde hinsichtlich einer geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Beurteilung von männlichen und weiblichen Führungs­­kräften alles in allem inkonsistent sind. So fanden beispielsweise Mount & Ellis (1989) in ihrer vergleichenden Literaturanalyse diesbezüglich keine Unterschiede. Zwei weitere Metaanalysen berichten jedoch gegenteilige Ergebnisse zu diesem Thema: Schein, Mueller & Jacobsen (1989) ermittelten, daß weibliche Versuchspersonen Managerinnen signifikant besser bewerteten als die männlichen dies taten, während Eagly, Makhijani & Klonsky (1992) genau das Gegenteil herausfanden. Dort wurden Managerinnen von männlichen Befragten positiver eingeschätzt. Um diesbezüglich weitere Daten zu erlangen, soll das Geschlecht der Versuchspersonen hier miterhoben werden.

Kontrollvariablen Attraktivität und Sympathie

Attraktivität und Sympathie der Stimuluspersonen sollen als Kontrollvariablen erfaßt werden, da sie sich möglicherweise verzerrend auf die Urteile der Versuchspersonen auswirken. Der sogenannte what-is-beautiful-is-good- Effekt (Dion, Berscheid & Walster, 1972) besagt, daß mit einer hohen Attraktivität allgemein ein positives Stereotyp verbunden ist. Er ist gut dokumentiert (z.B. Niketta, 1993) und wurde bereits in mehreren Metaanalysen bestätigt (z.B. Eagly, Ashmore, Makhijani & Longo, 1991). Zwar bezieht er sich eher auf Urteile bezüglich der sozialen als der intellektuellen Kompetenz, aber neuere Studien (Ashmore & Longo, 1994, zitiert nach Zebrowitz, 1997) belegen, daß attraktiven Personen ein stärkerer sozialer Einfluß und eine größere Überzeugungskraft zugeschrieben werden und daß man ihnen eher folgt und sie eher imitiert als unattraktive Personen. Auch im Bereich von Einstellungs­ent­scheidungen wurden attraktive Personen gegenüber unattraktiven bei gleicher Qualifikation bevorzugt (Cash, Gillen & Burns, 1977). Dagagen zeigten Heilman und Saruwatari (1979), daß sich Attraktivität für Frauen im Management abträglich auswirkt. Insgesamt legen diese nicht ganz einheitlichen Befunde nahe, Attraktivität in der vorliegenden Untersuchung als Kovariate mit aufzunehmen. Auch was die Sympathiewirkung von Personen anbelangt, gibt es verschiedene Befunde, die es ratsam erscheinen lassen, ihren Einfluß in dieser Arbeit zu kontrollieren. Dipboye (1985) konnte im Bereich der Personalbeurteilungen beispielsweise zeigen, daß diskriminierende Urteile allein auf die Sympathiewirkung der beurteilten Person zurückzuführen sind. Gemäß Jacksons und Cashs (1985) Resultaten werden Männer und Frauen dann als sympathischer eingestuft, wenn sie rollenkongruentes Verhalten zeigen, während Riehles (1996) Studien diese Hypothese für feminine Frauen und feminine Männer, also für feminine Personen insgesamt, bestätigen konnte.

Zusammenfassend wird vorhergesagt, daß Maskulinität (Instrumentalität) nicht aber Femininität (Expressivität) mit Führungseignung, Führungskompetenz und Führungspotential zusammenhängt. Demnach wird erwartet, daß Maskulinität erschlossen wird aus dem biologischen Geschlecht (Hypothese 1), der äußeren Erscheinung (Hypothese 2) und anderen Hinweisreizen, wie z.B. Hobbys (Hypothese 3). Da es sich um ein gesellschaftliches Stereotyp handelt, welches von Männern und Frauen geteilt wird, sollte es auch keine Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Beurteilern geben (Hypothese 4). Das nächste Kapitel beschreibt die Vorgehensweise und die verwendeten Methoden der vorliegenden Arbeit.

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Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783832484781
ISBN (Paperback)
9783838684789
DOI
10.3239/9783832484781
Dateigröße
3.8 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen – Psychologie
Erscheinungsdatum
2004 (Dezember)
Note
1,0
Schlagworte
führung frauen
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Titel: Geschlechtsrollenstereotype in der Personalauswahl
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