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Global Compact - Kritische Bestandsaufnahme der Initiative aus netzwerktheoretischer sowie wirtschafts- und unternehmensethischer Perspektive

©2004 Masterarbeit 112 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts stellt die fortgeschrittene Globalisierung große Herausforderungen an die zunehmend vernetzte Weltgesellschaft. Grenzüberschreitende Transfers von Gütern, Geld, Menschen und Informationen haben ein komplexes, globales Interdependenzgefüge geschaffen. Dabei bergen transnationale Interaktionsprozesse neue Chancen aber auch neue Risiken. Probleme wie Hunger, Krieg, Umweltzerstörung oder Menschenrechtsverletzungen sind in diesem Zusammenhang nicht neu – neu dagegen und charakteristisch für die globalisierte Welt ist, dass Probleme nicht mehr nur lokale oder regionale Ursachen und Auswirkungen haben, sondern global auftreten und auch globale Folgen haben. Die Probleme zu bewältigen und Wohlfahrtsgewinne zu ermöglichen, ist dabei die größte Herausforderung. Es müssen Strukturen geschaffen werden, die den veränderten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen gerecht werden. Gleichzeitig muss die Rolle der in diesen Prozess involvierten Akteure aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft neu definiert werden. Dabei kommt vor allem den Unternehmen als zentralem Akteur der Globalisierung eine entscheidende Rolle zu. Unternehmen werden heute stärker als bisher in die ökologische und gesellschaftliche Verantwortung genommen. „Ethisches Handeln der Privatwirtschaft als eine Rahmenbedingung für die wirtschaftliche Globalisierung“ ist zu einem aktuellen Thema in Wissenschaft und Praxis geworden. Stellvertretend dafür ist der die unternehmerische Verantwortung umfassende Begriff Corporate Social Responsibility (CSR) zu einem Schlagwort in Theorie und Praxis geworden. Unternehmen müssen sich im stetigen Dialog mit Akteuren aus Politik und Gesellschaft auseinandersetzen. Dialog und Vernetzung sind in der globalisierten Welt zu unerlässlichen Instrumenten geworden. Die Auseinandersetzung zwischen den Akteuren auf kooperative Weise zu gestalten, stellt vor allem das traditionell antagonistische Verhältnis zwischen Gesellschaft und Unternehmen vor eine neue und schwierige Herausforderung.
Als UN-Generalsekretär Kofi Annan im Jahr 1999 die führenden Wirtschaftsvertreter der Welt zu einem Global Compact mit der UNO aufrief, stellte dies und stellt noch heute einen Wendepunkt in der Geschichte der Vereinten Nationen dar. Stärker als bisher arbeiten UNO und Privatwirtschaft seitdem Hand in Hand zusammen mit dem Ziel, die globalen Probleme gemeinsam zu bewältigen. Der Global Compact stellt damit eine der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8402
Brinkmöller, Katja: Global Compact - Kritische Bestandsaufnahme der Initiative aus
netzwertheoretischer sowie wirtschafts- und unternehmensethischer Perspektive
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: Technische Universität Dresden, MA-Thesis / Master, 2004
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2004
Printed in Germany

ANGABEN ZUR PERSON
______________________________________________________________________________
Name Katja
Brinkmöller
Geburtsdatum, -ort
27.07.1976, Bad Driburg
Anschrift
Mühlenstraße 25, 33014 Bad Driburg
Tel.: 0171-48 18 715
E-Mail:
katja.brinkmoeller@gmx.de
Familienstand ledig
HOCHSCHULSTUDIUM
______________________________________________________________________________
10/1999 ­ 10/2004
Studium der Internationalen Beziehungen
Technische Universität Dresden
10/2004
M.A. Internationale Beziehungen
Akademischer
Abschluss
03/2003
B.A. Internationale Beziehungen
Akademischer
Zwischenabschluss
BERUFSAUSBILDUNG
______________________________________________________________________________
10/1996 ­ 03/1999
Staatlich Anerkannte Europasekretärin und fremd-
sprachliche
Wirtschaftskorrespondentin in Englisch,
Französisch und Spanisch
Ausbildung am Wirtschaftsinstitut der IHK, Baden-Baden
Zusätzliche Abschlüsse
Fremdsprachenkorrespondentin in Englisch, Französisch
und Spanisch und Europasekretärin IHK
SCHULAUSBILDUNG
______________________________________________________________________________
09/1987 ­ 06/1996
Gymnasium St. Xaver, Bad Driburg
06/1996
Allgemeine Hochschulreife (Note: 1,8)

PRAKTIKA/BERUFSERFAHRUNG
______________________________________________________________________________
04/2004 ­ 12/2004
Bertelsmann Stiftung, Gütersloh
Praktikum
02/2003 ­ 04/2003
Deutscher Bundestag, Berlin
Praktikum
10/2001 ­ 12/2001
Humboldt-Institut, Quito, Ecuador
Nebentätigkeit als Deutschlehrerin
09/2000 ­ 10/2000
Deutsche Stiftung für Internationale Entwicklung
(heute: InWent), Feldafing
Praktikum
05/1999 ­ 10/1999
Siemens-Nixdorf, Madrid
Praktikum
03/1998 ­ 03/1999
ABB, Mannheim
Nebentätigkeit als Übersetzerin für Englisch
06/1996 ­ 07/1996
Hotel Kempinski, Frankfurt/Gravenbruch
Praktikum
STUDIENBEGLEITENDE TÄTIGKEITEN
_______________________________________________________________________________
10/2004
Teilnahme an der "International Conference Corporate Social
Responsibility"; Ausrichter: Humboldt-Universität; Berlin
09/2004
Teilnahme an der Summer Academy "Sustainable Corporate
Governance";
Ausrichter:
Institut für ökologische
Wirtschaftsforschung,
Friedrich-Ebert-Stiftung; Potsdam
09/2004
Teilnahme am GTZ-Fachgespräch zum Thema ,,UN-Normen
zur Unternehmensverantwortung"; Ausrichter: GTZ; Berlin
05/2004
Teilnahme am BMW Group Dialogforum ,,Sustainability. It
can be done"; Ausrichter: BMW Group, München
01/2004
Teilnahme an der Konferenz ,,Globale Verantwortung von
Unternehmen: Auslandsdirektinvestitionen als Motor
nachhaltiger Entwicklung?", Ausrichter: OECD, Brasilianische
Botschaft, Ev. Akademie Loccum, BASF; Berlin
11/2003
Teilnahme am Symposium Informationsgesellschaft 2003
Ausrichter:
Alcatel
SEL
Stiftung für Kommunikations-
forschung;
Berlin
11/2003
Teilnahme an der Tagung ,,Vision Informationsgesellschaft",
Ausrichter: Evangelische Akademie Tutzing; Tutzing

10/2003
Teilnahme an der Konferenz ,,Globale Partnerschaften ­ von
der Idee zur Praxis. Der Global Compact in Deutschland",
Ausrichter:
BMZ,
AA, DGVN, GTZ; Berlin
09/2003 ­ 12/2003
Nebentätigkeit als Lehrerin für Englisch und Business
English, Studienkreis Dresden
03/2001
Teilnahme an der ,,World Model United Nations Conference"
Ausrichter: Harvard University; Istanbul, Türkei
12/2000
Teilnahme an einer UN-Simulation, Ausrichter: FU Berlin;
Berlin
10/1998 ­ 07/2000
Mitglied in der internationalen Studentenorganisation
AIESEC, aktive Mitarbeit
07/1999
Teilnahme an einmonatigem internationalen Projekt der
AIESEC,
Mexiko
06/1995 ­ heute
Mitglied des Leo-Clubs, aktive Mitarbeit
09/1993 ­ 07/1994
Schulsprecherin des Gymnasiums und Vorsitzende der
Schülervertretung
AUSLANDSSEMESTER
_______________________________________________________________________________
09/2001 ­ 03/2002
Pontificia Universidad Católica Del Ecuador,
Quito,
Ecuador
SPRACHKENNTNISSE
_______________________________________________________________________________
Englisch
verhandlungssicher in Wort und Schrift
Spanisch
verhandlungssicher in Wort und Schrift
Französisch
gut in Wort und Schrift
Latinum
EDV-KENNTNISSE
_______________________________________________________________________________
Sicherer und kompetenter Umgang mit allen Microsoft Office-Programmen
HOBBIES
_______________________________________________________________________________
Musik: Klavier und Querflöte
Sport: Tischtennis, Badminton, Skifahren

2
INHALTSVERZEICHNIS
Abkürzungsverzeichnis... 4
Anhangsverzeichnis... 5
1 Einleitung ...6
1.1. Problemstellung und Ziele ... 6
1.2 Methodik und Aufbau der Arbeit ... 8
2 Der Global Compact ­ ein Beitrag zu Global Governance und Corporate
Social Responsibility... 9
2.1 Begriffsklärung... 9
2.1.1 Global Governance ­ Strukturen einer Weltordnungspolitik... 9
2.1.2 Corporate Social Responsibility ­ Die Übernahme von Ordnungs-
verantwortung in der globalisierten Welt ... 13
2.2 Der Global Compact - Hintergrund und Entstehung ... 16
2.3 Ziele und Aufgaben ... 18
2.4 Konzeption ... 19
2.5 Akteure... 20
2.5.1 Vereinte Nationen ... 21
2.5.2 Regierungen... 21
2.5.3 Unternehmen ... 22
2.5.4 Gewerkschaften... 23
2.5.5 Organisationen der Zivilgesellschaft ... 24
2.5.6 Sonstige Akteure ... 24
2.6 Instrumente zur Durchführung ... 24
2.6.1 Dialog... 24
2.6.2 Lernforum... 25
2.6.3 Partnerschaftsprojekte ... 25
2.6.4 Lokale Netzwerke ... 26
3 Kritische Bestandsaufnahme und Legitimationszusammenhang ... 26
3.1 Der Diskurs um den Global Compact... 26
3.1.1 Die Vereinten Nationen und die Privatwirtschaft ­ Ausverkauf der UN? ... 26
3.1.2 Der Global Compact und die Forderung nach Regulierung
und Sanktionierung ... 32
3.1.3 Die Problematik der praktischen Umsetzung des Paktes - Von der Theorie
zur Praxis ... 36
3.2 Global Compact ­ die Quadratur des Kreises? ... 39

3
4 Vernetzung der Akteure ­ Der Global Compact unter netzwerktheoretischen
Gesichtspunkten ... 40
4.1 Globale Politiknetzwerke ­ Eigenschaften und Funktionen ... 40
4.1.1 Charakteristika globaler Politiknetzwerke... 40
4.1.2 Funktionen und Funktionsbedingungen globaler Politiknetzwerke ... 43
4.2 Die Notwendigkeit globaler Politiknetzwerke in einer Welt offener Systeme ... 45
4.3 Die Bedeutung globaler Politiknetzwerke für den Aufbau einer
Global Governance-Architekur ... 46
4.4 Untersuchung des Global Compact auf Effektivität unter Berücksichtigung
netzwerktheoretischer Ansätze und ausgewählter Kriterien ... 48
4.4.1 Wissensaustausch... 49
4.4.2 Implementation der Prinzipien ... 54
4.4.3 Partizipation ... 60
4.4.4 Vertrauen... 64
4.5 Fazit: Der Beitrag des Global Compact als globales Netzwerk zur Schaffung
von Global Governance ... 67
5 Ordnungspolitische Mitverantwortung im internationalen Kontext: Der
Global Compact unter wirtschafts- und unternehmensethischen
Gesichtspunkten ... 69
5.1 Ökonomische Struktur und ethische Konsequenz der Globalisierung ... 70
5.2 Lösung des Dualismus zwischen Profit und Moral: Wirtschafts- und
unternehmensethische Ansätze... 71
5.3 Interaktionsökonomik als Theoriegerüst für mehrseitig gewinnbringende
Kooperation... 75
5.4 Dilemmastrukturen als Schema der Interaktionsökonomik ... 78
5.5 Voraussetzungen für die Überwindung von Interaktionsproblemen ... 82
5.5.1 Institutionelle Regelsysteme und die Bedeutung von Handlungen und
Handlungsbedingungen... 83
5.5.2 Veränderte Spielregeln als Voraussetzung für Kooperationsgewinne ... 84
5.7 Fazit: Das Potential von Corporate Social Responsibility zum Aufbau von Global
Governance-Strukturen ... 87
6 Abschließende Bewertung und Schlussbetrachtung: Der Global Compact ­
ein innovatives Experiment ... 89
Anhang... 92
Literaturverzeichnis ... 99

4
Abkürzungsverzeichnis
BT... Bundestag
CGIAR...Consultative Group on International Agricultural Research
CSR...Corporate Social Responsibility
CTC...Centre on Transnational Corporations
DIE...Deutsches Institut für Entwicklungspolitik
EST... environmentally sound technologies
EU... Europäische Union
FE... Forschung und Entwicklung
GRI... Global Reporting Initiative
HIV/Aids...
Human Immunodeficiency Virus/Acquired Immune Deficiency Syndrome
ICC...International Chamber of Commerce
INEF...Institut für Entwicklung und Frieden
IO...International Organisation
IWF... Internationaler Währungsfonds
NGO...Non-governmental Organisation
OECD...Organisation for Economic Cooperation and Development
PPP...Public Private-Partnership
SAM... Sustainable Asset Management
TRAC... Transnational Resource Action Centre
UN/UNO...United Nations Organisation
UNCED...United Nations Conference on Environment and Development
UNEP...United Nations Environment Programme
UNICEF...United Nations Children's Fund
UNIDO...United Nations Industrial Development Organisation
UNRISD... United Nations Research Institute for Social Development
UPJ...Unternehmen: Partner der Jugend
US...United States
WBCSD... World Business Council for Sustainable Development
WCD... World Commission on Dams
WCED...World Commission on Environment and Development
WTO...World Trade Organisation (UNO)

5
Anhangsverzeichnis
The Global Compact-Principles... 92
The Global Compact Network...93
Elemente von Global Governance...94
Stakeholder-Modelle...95
Examples of the Impact of Globalization on Different Stakeholder Groups... 97
Rahmenbedingungen für Corporate Social Responsibility... 98

6
"I think we all have a sense today of having come to a turning point in history. The forces of envy,
despair and terror in today's world are stronger than many of us realized. But they are not invinci-
ble. Against them we must bring a message of solidarity, of mutual respect and, above all, of hope.
Business cannot afford to be seen as the problem. It must, working with government, and with all
other actors in society, be part of the solution."
(Kofi Annan, UN-Generalsekretär, beim Weltwirtschaftsforum 2002)
1 Einleitung
1.1. Problemstellung und Ziele
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts stellt die fortgeschrittene Globalisierung große Herausfor-
derungen an die zunehmend vernetzte Weltgesellschaft. Grenzüberschreitende Transfers
von Gütern, Geld, Menschen und Informationen haben ein komplexes, globales Interde-
pendenzgefüge geschaffen. Dabei bergen transnationale Interaktionsprozesse neue Chan-
cen aber auch neue Risiken. Probleme wie Hunger, Krieg, Umweltzerstörung oder Men-
schenrechtsverletzungen sind in diesem Zusammenhang nicht neu ­ neu dagegen und cha-
rakteristisch für die globalisierte Welt ist, dass Probleme nicht mehr nur lokale oder regio-
nale Ursachen und Auswirkungen haben, sondern global auftreten und auch globale Folgen
haben. Die Probleme zu bewältigen und Wohlfahrtsgewinne
1
zu ermöglichen, ist dabei die
größte Herausforderung. Es müssen Strukturen geschaffen werden, die den veränderten
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen gerecht werden.
2
Gleichzeitig muss
die Rolle der in diesen Prozess involvierten Akteure aus Wirtschaft, Politik und Gesell-
schaft neu definiert werden. Dabei kommt vor allem den Unternehmen als zentralem Ak-
teur der Globalisierung eine entscheidende Rolle zu. Unternehmen werden heute stärker als
bisher in die ökologische und gesellschaftliche Verantwortung genommen. ,,Ethisches
Handeln der Privatwirtschaft als eine Rahmenbedingung für die wirtschaftliche Globalisie-
rung" ist zu einem aktuellen Thema in Wissenschaft und Praxis geworden.
3
Stellvertretend
1
Der Begriff Wohlfahrtsgewinne versucht die Zunahme an Wohlfahrt im Sinne von Wohlstand zu definie-
ren. Der ältere Wohlfahrtsbegriff erhält seinen Inhalt erst durch die Bedürfnisse sowie die Nutzen- und Wert-
vorstellungen der Wirtschaftssubjekte. Den Grad individueller Wohlfahrt beurteilt somit der Einzelne
(Selbstbestimmungskriterium), die Wohlfahrt einer Gesamtbevölkerung oder Gruppe hängt ausschließlich
von der jeweiligen individuellen Wohlfahrt ihrer Mitglieder ab (individualistischer Ansatz). In der neueren
Wohlfahrtsökonomik wird ein Wohlfahrtsoptimum nur dann erreicht, wenn der Staat als Sozialstaat korrigie-
rend in den marktwirtschaftlichen Prozess eingreift. Vgl.: Brockhaus ­ Die Enzyklopädie in 24 Bänden, Bd.
24, Leipzig 1999, 319.
2
Seitz, Bernhard (2002): Corporate Citizenship, Rechte und Pflichten der Unternehmung im Zeitalter der
Globalität, in: Picot, Arnold/Reichwald, Ralf/Franck, Egon (Hrsg.): Markt- und Unternehmensentwicklung,
Wiesbaden, 1.
3
Hamm, Brigitte (2002a): Der Global Compact ­ Eine Bestandsaufnahme, in: Hamm, Brigitte (Hrsg.): Pub-
lic-Private Partnership und der Global Compact der Vereinten Nationen, INEF-Report 62/2002, Duisburg,
17.

7
dafür ist der die unternehmerische Verantwortung umfassende Begriff Corporate Social
Responsibility (CSR)
4
zu einem Schlagwort in Theorie und Praxis geworden. Unternehmen
müssen sich im stetigen Dialog mit Akteuren aus Politik und Gesellschaft auseinanderset-
zen. Dialog und Vernetzung sind in der globalisierten Welt zu unerlässlichen Instrumenten
geworden. Die Auseinandersetzung zwischen den Akteuren auf kooperative Weise zu ges-
talten, stellt vor allem das traditionell antagonistische Verhältnis zwischen Gesellschaft
und Unternehmen vor eine neue und schwierige Herausforderung.
Als UN-Generalsekretär Kofi Annan im Jahr 1999 die führenden Wirtschaftsvertreter der
Welt zu einem Global Compact mit der UNO aufrief, stellte dies und stellt noch heute ei-
nen Wendepunkt in der Geschichte der Vereinten Nationen dar. Stärker als bisher arbeiten
UNO und Privatwirtschaft seitdem Hand in Hand zusammen mit dem Ziel, die globalen
Probleme gemeinsam zu bewältigen. Der Global Compact stellt damit eine der wichtigsten
und bekanntesten Initiativen zur Förderung verantwortungsbewussten Handelns der Pri-
vatwirtschaft auf globaler Ebene dar.
5
Aufgrund ihres völlig neuen Ansatzes ist die Initiative von Kofi Annan Gegenstand eines
weltweit geführten kritischen Diskurses. Die enge Zusammenarbeit zwischen den Verein-
ten Nationen und der Privatwirtschaft stellt ein Novum dar, das Befürworter wie Kritiker
auf den Plan ruft. Als ein innovatives Experiment zur Lösung globaler Probleme und zur
Schaffung von notwendigen Global-Governance
6
-Strukturen (globalen Ordnungsstruktu-
ren) sieht es die eine Seite, als eine Privatisierung und Legitimitätsverlust der UN die ande-
re.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, den kritischen Diskurs um den Global Compact nach-
zuzeichnen, um ihn anschließend selbst kritisch zu hinterfragen. Dabei geht es konkret um
die Beantwortung der zwei Fragen, inwieweit der Global Compact erstens in seiner Kon-
zeption als Netzwerk ein effektives Policy-Instrument für bzw. von Global Governance
sein kann, und zweitens wie und unter welchen Bedingungen unternehmerisches Handeln
zu gegenseitigen Vorteilen für alle Beteiligten führen kann. Von der Beantwortung der
zweiten Frage erhofft sich die Verfasserin einen Weg aufzuzeigen, der den Konflikt zwi-
schen den Akteuren zu lösen vermag. Es geht darum, das Prinzip von Corporate Social
4
An dieser Stelle soll der Begriff ,,unternehmerische Verantwortung" für die Definition von CSR reichen. An
späterer Stelle wird eine ausführlichere Definition von Corporate Social Responsibility geliefert.
5
Hamm (2002a), 17.
6
Auf den Begriff Global Governance wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch näher eingegangen.

8
Responsibility ­ also des freiwilligen unternehmerischen Engagements zur Lösung gesell-
schaftlicher Probleme - theoretisch zu erklären und dessen Potential für den Aufbau einer
Global Governance-Struktur aufzuzeigen.
1.2 Methodik und Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit nähert sich der Frage nach dem Beitrag des Global Compact zum
Aufbau einer Global Governance-Architektur auf unterschiedliche Weise. Um dem inter-
disziplinären Anspruch an die Arbeit gerecht zu werden, wird dieselbe aus der Perspektive
zweier wissenschaftlicher Disziplinen untersucht: der Politikwissenschaft und der Ökono-
mik.
Im Rahmen der politikwissenschaftlichen Untersuchung werden Grundlagen der Netz-
werktheorie herangezogen, um den Global Compact, der als ein Netzwerk konzipiert wur-
de, auf seinen Beitrag zu Global Governance überprüfen zu können. Die ökonomische A-
nalyse stützt sich auf die Erkenntnisse der Wirtschafts- und Unternehmensethik im Allge-
meinen und das interaktionsökonomische Theoriemodell von Karl Homann
7
im Speziellen.
Im Ergebnis soll mit Hilfe der Interaktionsökonomik gezeigt werden, auf welche Weise
unternehmerisches Handeln zu Vorteilen für alle Beteiligten und somit auch für die Gesell-
schaft führt, um damit die Frage beantworten zu können, ob der mit dem Global Compact
gewählte Ansatz der freiwilligen Zusammenarbeit der Privatwirtschaft mit der UNO als
Erfolg versprechend einzustufen ist. Grundsätzlich zeichnet sich die Arbeit durch einen
Schwerpunkt im politikwissenschaftlichen Bereich aus.
In ihrem Aufbau folgt die Arbeit dem Weg von der Praxis in die Theorie. Dieser Weg
wurde gewählt, weil das dem Global Compact zugrunde liegende Konzept von Corporate
Social Responsibility aus der Unternehmenspraxis kommt und erst anschließend von der
Wirtschaftswissenschaft theoretisch fundiert wurde.
8
Nach der Klärung von für die Arbeit
zentralen Begriffen, wird der Global Compact einschließlich der beteiligten Akteure und
entwickelten Instrumentarien vorgestellt. Anschließend wird der kritische Diskurs, den die
Initiative auslöste, in Kapitel drei nachgezeichnet. Daraufhin folgen die zwei theoretischen
Teile der Arbeit, die die politikwissenschaftliche Analyse von der ökonomischen trennt. In
ihnen werden die Leitfragen der Arbeit theoretisch bearbeitet. Im abschließenden Teil sol-
len die Ergebnisse zusammengefasst und bewertet werden.
7
Professor für Philosophie unter besonderer Berücksichtigung der philosophischen und ethischen Grundla-
gen der Ökonomie (Wirtschaftsethik) an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
8
Seitz (2002), 4/6.

9
2 Der Global Compact ­ ein Beitrag zu Global Governance und Corporate So-
cial Responsibility
2.1 Begriffsklärung
2.1.1 Global Governance ­ Strukturen einer Weltordnungspolitik
Global Governance hat sich seit Anfang der neunziger Jahre in der Fachliteratur über In-
ternationale Beziehungen zu einem häufig verwendeten und nicht zuletzt durch die Arbeit
der Commission on Global Governance
9
mittlerweile fest etablierten Begriff entwickelt,
der allerdings in der Politikwissenschaft bereits vorher entstanden war und diskutiert wur-
de.
10
Global Governance genau zu definieren bzw. zu übersetzen ist schwierig und die in-
haltliche Umschreibung fällt zuweilen recht unterschiedlich aus.
11
,,Globale Strukturpoli-
tik"
12
, ,,Weltordnungspolitik"
13
, ,,globale Steuerungskapazität"
14
oder ,,globale politische
Gestaltung"
15
stellen mögliche Übersetzungen dar. Dahinter verbirgt sich in der Regel der
Versuch, politische Antworten auf die Probleme der Globalisierung zu finden. Im Allge-
meinen bedeutet Governance im Englischen ,,die Handlung oder die Art und Weise des
Regierens bzw. der Kontrolle oder Steuerung von Vorgängen"; es geht hierbei demnach
nicht um das Regieren von Regierungen, sondern Governance beschreibt ,,das Vorhanden-
sein von Regelungen, nicht aber von einem a priori definierten Handlungsträger".
16
Der Begriff Governance distanziert sich somit von einem staatszentrierten Ansatz und be-
inhaltet vielmehr das Ziel, eine umfassendere Betrachtung aller Regelungsformen sozialer
9
Die Commission on Global Governance wurde von den UN eingesetzt und erarbeitete zwischen 1991-1995
im Hinblick auf neue globale Probleme (Klimawandel, Bevölkerungsexplosion, wirtschaftliche Globalisie-
rung und deren demokratische Kontrolle) bei gleichzeitig abnehmender Steuerungsfähigkeit der souveränen
Nationalstaaten Überlegungen zur Regierbarkeit der Welt. Ramphal, Shridath (1998): Global Governance,
Die Notwendigkeit einer Weltordnungspolitik, in: Internationale Politik 11/1998, 5; Commission on Global
Governance, vgl.
http://www.itcilo.it/actrav/actrav-english/telearn/global/ilo/globe/gove.htm
10
Vgl. Mürle, Holger (1998): Global Governance, Literaturbericht und Forschungsfragen, INEF Report, Heft
32/1998, Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg-Essen/Standort Duisburg, 3/4. Mürle
weist in seinem Bericht vor allem auf Werke von Ruggie (1975), Cleveland (1988) und Rosenau/Czempiel
(1992) hin.
11
Die Schwierigkeit, den Begriff Global Governance mit eindeutigem Inhalt zu füllen, ist vor allem auf das
Wort governance zurückzuführen. Der Begriff governance führt nicht nur bei deutschsprachigen Lesern,
sondern auch im englischsprachigen Raum zum Teil auf Unverständnis, da er selbst im Englischen kein ge-
bräuchlicher und eindeutig umschriebener Begriff ist. Vgl. Mürle (1998), 4; Messner, Dirk/Nuscheler, Franz
(2003): Das Konzept Global Governance, Stand und Perspektiven, INEF Report, Heft 67/2003, Institut für
Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg-Essen/Standort Duisburg, 3.
12
Messner, Dirk (2001): Globalisierungsanforderungen an Institutionen deutscher Außen- und
Entwicklungspolitik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 18-19/2001, 21.
13
Ramphal (1998), 3.
14
Paech, Norman (2003): Aktionsfeld Weltinnenpolitik, Völkerrechtliche Grundlagen einer Global Gover-
nance, Supplement der Zeitschrift Sozialismus 3/2003, Hamburg, 1.
15
Enquete-Kommission ,,Globalisierung der Weltwirtschaft" des Deutschen Bundestages (2002): Globalisie-
rung der Weltwirtschaft - Herausforderungen und Antworten, Abschlussbericht, BT-Drucksache 14/9200,
Berlin, in:
http://www.bundestag.de/gremien/welt/glob_end/downloads.html
.
16
Mürle (1998), 4.

10
Prozesse zu erlangen.
17
Das bedeutet, dass kollektives Handeln und seine zugrunde liegen-
den Strukturen, d.h. die Aufstellung von Regeln und Ausübung von Autorität in der Welt,
gemeinschaftlich organisiert werden sollen.
18
Ziel und Zweck von Global Governance ist
demnach die ,,Entwicklung eines Institutionen- und Regelsystems und neuer Mechanismen
internationaler Kooperation, die die kontinuierliche Problembearbeitung globaler Heraus-
forderungen und grenzüberschreitender Phänomene erlauben".
19
Die Notwendigkeit von Global Governance ergibt sich zum einen aus den Veränderungen
in der Weltpolitik, die seit dem Ende des Ost-West-Konflikts aufgetreten sind. Der militä-
risch-ideologische Konflikt, der die Staaten in eine bipolare Welt aufteilte, hatte bis dahin
viele globale Probleme überlagert, die erst nach Ende des Kalten Krieges verstärkt wahr-
genommen wurden. Die klare Zweiteilung der Welt wich einer ,,neuen Unübersichtlich-
keit", deren Struktur schwer zu erfassen und die schwer regulierbar wurde.
20
Zum anderen
wurde die Notwendigkeit einer Weltordnungspolitik umso dringender, je stärker die Glo-
balisierung
21
Bedingungen schuf, die nationalstaatliche Regelungskompetenzen zu über-
treffen drohte.
22
Die de facto Erosion staatlicher interner Souveränität ist die Folge.
23
Wäh-
rend die (nationale) Politik zusehends an Einfluss verlor, entwickelten sich zumindest in
den USA und in Europa die transnationalen Konzerne zu den einflussreichsten Akteuren.
24
Dies führte so weit, dass mittlerweile transnationale Konzerne und Investitionsfonds zum
Teil über größere Macht und stärkeren Einfluss verfügen als einzelne Staaten.
25
Ihre (Um-
satz-)Größen übertreffen den Staatshaushalt und sogar das Bruttosozialprodukt vieler Län-
der und darüber hinaus ordnet man Unternehmen mit ihren weitreichenden Entscheidungen
für die Bereiche Wohlfahrt, Vollbeschäftigung, Wachstum, Innovation und Umweltschutz
zum Teil eine wichtigere Funktion zu als der Politik.
26
Im Gegensatz zu Nationalstaaten,
17
Mürle (1998), 4.
18
Hamm (2002a), 24.
19
Messner/Nuscheler (2003), 3.
20
Messner/Nuscheler zitieren Jürgen Habermas, in: Messner/Nuscheler (2003), 3.
21
Die Globalisierung ist ein Prozess, der sich durch den Fortschritt der Informations- und Kommunikations-
technologie und der Priorität neoliberaler Politikkonzepte entfalten konnte und der die Welt stärker als bisher
vernetzte, wirtschaftliche, politische und kulturelle Interdependenzen schuf und die Staaten verwundbarer
machte. Vgl. Debiel, Tobias/Hummel, Hartwig (2001): Weltpolitik in privaten Händen - Über Entstaatli-
chung und Kommerzialisierung, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 5/2001, 583/584; Messner
(2001), 21.
22
Messner/Nuscheler (2003), 3/4.
23
Messner, Dirk (1998a): Architektur der Weltordnung, Strategien zur Lösung globaler Probleme, in: Inter-
nationale Politik, 11/1998, 17/18.
24
Leitschuh-Fecht, Heike/Steger, Ulrich (2002): Mächtig, aber allein ­ Unternehmen im ökologischen Dis-
kurs mit der Gesellschaft, in: Altner, Günter/Leitschuh-Fecht, Heike/Michelsen, Gerd/Simonis, Udo E./von
Weizsäcker, Ernst U. (Hrsg.): Jahrbuch Ökologie 2003, München, 77.
25
Debiel/Hummel (2001), 584.
26
Leitschuh-Fecht/Steger (2002), 77.

11
die durch die UN-Charta und verschiedene Konventionen in ihrem Verhalten gewisserma-
ßen gebunden sind, unterliegen die Unternehmen zwar den Vorschriften und Gesetzen ein-
zelner Länder, bisher aber keiner globalen Regulierung.
27
Aus diesem Grund ist politische
Handlungsfähigkeit zunehmend immer stärker von grenzüberschreitender und internationa-
ler Kooperation und der gemeinsamen Lösung von Problemen abhängig.
28
Hier setzt das
Konzept von Global Governance an, im Rahmen dessen formelle und informelle Vereinba-
rungen getroffen werden sollen, um ,,allgemeine Angelegenheiten zu regeln, gemeinsame
Interessen zu fördern und gemeinsame Ziele zu verfolgen".
29
Global Governance ist somit
als ein Ansatz zur Gestaltung der Globalisierung zu betrachten.
30
Im Rahmen von Global
Governance sollen die Aufgaben zwischen den unterschiedlichen Ebenen der Politik ver-
teilt werden. Die Akteure werden dabei jeweils entweder auf der lokalen, regionalen, nati-
onalen oder globalen Ebene tätig, oder aber auf mehreren Ebenen zugleich. Auf diese Art
wird die internationale Politik in den innenpolitischen Kontext eingebettet. Die Vernetzung
der einzelnen politischen Ebenen und unterschiedlichen Akteure kennzeichnet Global Go-
vernance als eine Mehrebenen- und Multiakteurspolitik aus.
31
An dieser Stelle wird das analytische Konzept von Michael Zürn herangezogen, das auf-
grund seiner Bedeutung für die Wissenschaft und für die spätere Zuordnung des Global
Compact in Kapitel vier von Bedeutung sein wird. Michael Zürn definiert Global Gover-
nance als ,,Governance beyond the nation state"
32
(,,Regieren jenseits des Nationalstaates").
Dies bedeutet nicht Regieren ohne Nationalstaat, sondern es geht darum, den Nationalstaat
in multilaterale Entscheidungsstrukturen einzubinden.
33
Zürn unterteilt Global Governance
in drei mögliche Erscheinungsformen: Governance with Governments, Supranational
Governance und Governance without Government. Die erste Erscheinungsform, Gover-
nance with Governments, beschreibt u. a. die inter-gouvernementale Zusammenarbeit vie-
27
Desai, Meghnad (1998): Global Governance, in: Messner, Dirk (Hrsg.): Die Zukunft des Staates und der
Politik, Möglichkeiten und Grenzen politischer Steuerung in der Weltgesellschaft, EINE Welt-Texte der
Stiftung Entwicklung und Frieden, Band 5, Bonn, 339.
28
Messner (2001), 21.
29
Ramphal (1998), 3.
30
Zu weiteren Ansätzen zählen das Konzept einer Weltregierung (S. Finkelstein), das Konzept einer refor-
mierten UN als zentraler Akteur (quasi Regierung; Ramphal) und das Konzept der Steuerung der Welt durch
eine oder wenige Hegemonial- bzw. Supermächte (realistische Schule), in: Messner (1998a), 18.
31
Mürle (1998), 6.
32
Zürn, Michael (2003): Globalization and global governance: from societal to political denationalization, in:
European Review, Vol. 11, No. 3, July 2003, 348.
33
Zürn (2003), 343/344; Nuscheler, Franz (2000): Kritik der Kritik am Global Governance-Konzept, in.
Prokla 118: Re-Regulierung der Weltwirtschaft, 30. Jg., Nr. 1, März 2000, 7.

12
ler Staaten im Rahmen internationaler Organisationen.
34
Die Vereinten Nationen symboli-
sieren Governance with Governments und stellen gleichzeitig das wichtigste Element die-
ser Erscheinungsform von Global Governance dar.
Die zweite Form von Global Governance, Supranational Governance, umfasst die Entste-
hung supranationaler Institutionen im Zuge der zunehmenden Dichte und Reichweite in-
ternationaler Steuerung. Vorbildcharakter nimmt in diesem Zusammenhang die Europäi-
sche Union ein, deren Rechtsetzung zum Teil direkte Wirkung und Gültigkeit in den Mit-
gliedstaaten entfaltet und somit die nationale Gesetzgebung durchdringt. Diese Form von
Global Governance fordert besonders das Prinzip des Nationalstaates heraus.
35
Governance without Government, die dritte Erscheinungsform von Global Governance,
bezeichnet die Entstehung und das Wirken zahlreicher transnationaler Organisationen.
Diese lassen sich in zwei Kategorien einteilen. Der erste Typ transnationaler Organisatio-
nen liefert organisatorische und infrastrukturelle Unterstützung für bestehende transnatio-
nale Regeln. Als Beispiele lassen sich die Internationale Handelskammer oder die Internet
Society heranziehen. Der zweite Typ transnationaler Organisationen umfasst alle Organisa-
tionen, die das Ziel verfolgen, die Politik von Regierungen zu beeinflussen, indem sie im
transnationalen Rahmen die Öffentlichkeit für ihre Ziele zu mobilisieren versuchen. Diese
so genannten Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie Amnesty International oder
Greenpeace sind in der Lage, Regierungen auch vom Ausland aus zu kontrollieren. Vor
allem diese letzte Erscheinungsform ist aufgrund ihrer schnellen Entwicklung bedeutsam.
So betont Michael Zürn die Bedeutung der zunehmenden Vernetzung transnationaler Or-
ganisationen zu transnationalen Netzwerken, die wiederum eigene Institutionen bilden.
Diese Netzwerke werden laut Zürn für das Zustandekommen internationaler und transnati-
onaler Politik zuständig sein.
36
Die Bedeutung, die Zürn der Bildung von Netzwerken zu-
kommen lässt, ist auch für die Leitfrage dieser Arbeit, nämlich welchen Beitrag der Global
Compact als Netzwerk zu Global Governance leisten kann, von Relevanz.
Für die vorliegende Arbeit erscheint es zweckmäßig, Global Governance vor allem als die
Entwicklung neuer Mechanismen internationaler Kooperation zur Problembearbeitung
34
Governance with Governments besteht laut Zürn im Wesentlichen aus drei Komponenten. Diese sind ers-
tens internationale Regime, zweitens inter-gouvernementale Netzwerke und drittens internationale Organisa-
tionen. Vgl. Zürn (2003), 348.
35
Zürn (2003), 348-352.
36
Zürn (2003), 353/354.

13
globaler Probleme zu definieren, da diese Definition dem Ansatz und den Zielen des Glo-
bal Compact am ehesten entspricht. Die verstärkte Zusammenarbeit zwischen der UNO
und der Privatwirtschaft kann als ein Beispiel neuer Mechanismen internationaler Koope-
ration betrachtet werden.
2.1.2 Corporate Social Responsibility ­ Die Übernahme von Ordnungs-
verantwortung in der globalisierten Welt
Corporate Social Responsibility (CSR) ist das Schlagwort in einer aktuell weltweit geführ-
ten Debatte, in der es darum geht, Unternehmen verstärkt in ihre Verantwortung gegenüber
der Gesellschaft und ihrer Umwelt zu ziehen. Die hohe Aktualität von CSR ist dabei auf
drei entscheidende Entwicklungen zurückzuführen: erstens den Bedeutungsverlust von
Nationalstaaten, zweitens den Bedeutungsgewinn von Unternehmen und drittens den Be-
deutungsgewinn der Zivilgesellschaft
37
.
38
Dabei werden der Begriff Corporate Social
Responsibility und der oft synonym gebrauchte Begriff Corporate Citizenship
39
­ ins Deut-
sche als ,,soziale Verantwortung" oder ,,bürgerschaftliches Engagement" der Unternehmen
übersetzt - in der aktuellen Diskussion sehr uneinheitlich verwendet und sind noch nicht
abschließend definiert.
40
Die Europäische Kommission beispielsweise definiert in ihrem
37
Der Begriff Zivilgesellschaft ist in der soziologischen und politikwissenschaftlichen Forschung vorwie-
gend als Bereich gesellschaftlicher Selbstorganisation definiert worden, der nicht von staatlichen Institutio-
nen kontrolliert und reguliert wird. John Keane definiert die civil society als ,,an ideal-typical category [...]
that both describes and envisages a complex and dynamic ensemble of legally protected non-governmental
institutions that tend to be non-violent, self-organizing, self-reflexive, and permanently in tension with each
other and with the state institutions that frame, constrict and enable their activities." Die Akteure der Zivilge-
sellschaft sind dadurch charakterisiert, dass sie einen Wertekonsens teilen, der auf gegenseitiger Anerken-
nung, Toleranz und Gewaltfreiheit beruht. Zu ihren Handlungsmaximen zählen vor allem Gemeinsinn und
freie Kommunikation. Die Zivilgesellschaft füllt den Raum zwischen Privatsphäre und Staat und grenzt sich
dabei je nach Definition von privatwirtschaftlichen und/oder staatlichen Akteuren ab. Im Gegensatz zum
Streben nach politischer Legitimation oder ökonomischem Gewinn erweitern die Akteure der Zivilgesell-
schaft durch ihr Handeln die politischen und gesellschaftlichen Partizipationschancen und sind auch in der
Lage, staatliche und privatwirtschaftliche Akteure zu kontrollieren. Vgl. Bauerkämper, Arnd (Hrsg.) (2003):
Die Praxis der Zivilgesellschaft - Akteure, Handeln und Strukturen im internationalen Vergleich, Frankfurt
am Main, 9. Für die vorliegende Arbeit soll der Begriff Zivilgesellschaft stellvertretend alle Akteure aus dem
nichtstaatlichen Sektor umfassen. Die privatwirtschaftlichen Akteure werden nicht dem Begriff ,,Zivilgesell-
schaft" zugeordnet, da sie in der Arbeit (wie auch im Global Compact) eine Sonderrolle einnehmen.
38
Auf diese Punkte wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch näher eingegangen. Vgl. Schrader, Ulf (2003):
Corporate Citizenship, Die Unternehmung als guter Bürger?, Berlin, 71.
39
Bisherige wissenschaftliche Analysen zur Begriffsverwendung und Definition von Corporate Social
Responsibility und Corporate Citizenship haben ergeben, dass keine klare Abgrenzung zwischen CSR und
Corporate Citizenship möglich ist. Vgl. Schrader (2003), 67.
40
Vgl. Habisch, André (2003): Corporate Citizenship, Gesellschaftliches Engagement von Unternehmen in
Deutschland, Berlin; Seitz (2002); Konen, Georg/Wilhelms, Günter (Hrsg.) (2001): Bleibt die Ethik auf der
Strecke? Wirtschaftsethik, Shareholder Value und Katholische Soziallehre, Münster; , Ruggie, John Gerard
(2002): The Theory and Practice of Learning Networks, Corporate Social Responsibility and the Global
Compact, in: Journal for Corporate Citizenship 5, 2002; Maaß, Frank/Clemens, Reinhard (2002): Corporate
Citizenship, Das Unternehmen als "guter Bürger", Wiesbaden, 7ff. Dresewski, Felix/Häring, Bea-
te/Kromminga, Peter/Lang, Reinhard (2003): Soziale Verantwortung von Unternehmen bewerten, Ausge-
wählte Informationen zu Richtlinien, Standards, Bewertungsinstrumenten, Berichterstattung und Ethischem
Investment, Bundesinitiative ,,Unternehmen: Partner der Jugend" (UPJ), Netzwerk für Corporate Citizenship
in Deutschland, Berlin, 1.

14
Grünbuch ,,Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unter-
nehmen" CSR als ,,ein Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger
Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wech-
selbeziehungen mit den Anspruchsgruppen (Stakeholdern
41
) zu integrieren".
42
Die Weltbank versteht Corporate Social Responsibility als ,,commitment of business to
contribute to sustainable economic development, working with employees, their families,
the local community and society at large to improve their quality of life, in ways that are
both good for business and good for development." In dieser Definition wird sehr deutlich
der gegenseitige Vorteil herausgestellt, der das Konzept von CSR charakterisiert. Es geht
darum, sowohl für das Unternehmen als auch für die Gesellschaft Gewinne zu erzielen.
Das amerikanische Unternehmensnetzwerk Business for Social Responsibility definiert
CSR als ,,achieving commercial success in ways that honour ethical values and respect
people, communities and the natural environment." Darüber hinaus wird CSR verstanden
als "a comprehensive set of policies, practices and programs that are integrated into busi-
ness operations, supply chains, and decision-making process throughout the company." Ein
besonders wichtiger Punkt, der in dieser Definition berücksichtigt wird, ist die strategische
Integration von CSR in das Unternehmensmanagement.
John Gerard Ruggie, einer der geistigen Väter des Global Compact, definiert CSR als ge-
sellschaftliches Engagement und Verhalten eines Unternehmens, das sich weit über den
traditionellen Bereich der Philanthropie, zu dem vor allem wohltätige Spenden der Unter-
nehmen gehören, ausgedehnt hat und bei dem es vermehrt darum geht, dass sich Unter-
nehmen an allgemein anerkannten sozialpolitischen und umweltbezogenen Zielen ausrich-
ten, oder zumindest dafür sorgen, dass die Strategie des Unternehmens diesen nicht entge-
gensteht.
43
41
Als Stakeholder werden Einzelpersonen, Gemeinschaften oder Organisationen bezeichnet, die Einfluss auf
die Geschäftstätigkeit von Firmen nehmen oder von diesen beeinflusst werden. Man unterscheidet hierbei
interne und externe Stakeholder. Interne Stakeholder bilden die Belegschaft eines Unternehmens, während zu
externen Stakeholdern Kunden, Zulieferer, Anteilseigner, Investoren, lokale Gemeinschaften und NGOs
zählen. Vgl.: Europäische Kommission (2001): Grünbuch, Europäische Rahmenbedingungen für soziale
Verantwortung der Unternehmen, KOM (2001) 366 endgültig, Brüssel, in:
http://europa.eu.int/eur-
lex/de/com/gpr/2001/com2001_0366de01.pdf
, 30. Wichtig ist der Unterschied zwischen Stakeholdern und
Shareholdern. Letztere sind die Aktionäre oder Anteilseigner eines Unternehmens. Vgl. Hamm (2002a), 22.
42
Europäische Kommission (2001), 7.
43
Ruggie, John Gerard (2001): Nachhaltigkeit und Corporate Citizenship ­ Gedanke in der globalen Wirt-
schaft, Vortrag anlässlich einer Dialogveranstaltung des Forums Nachhaltige Entwicklung (econsense), Ber-
lin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin, 20.09.2001, in:
http://www.econsense.de
/pdfs/2_veranstaltungen_und_dialog/im_dialog_01/2211_01_vortrag_ruggie_d.pdf

15
Dieser integrative Ansatz, der sich auch in den Definitionen von Business for Social
Responsibility und der Europäischen Kommission wiederfindet, ist das eigentlich Neue an
dem Konzept von CSR. Denn auch vor dem Aufkommen der CSR-Bewegung vor fünf bis
zehn Jahren und vor der Gründung des Global Compact haben sich bereits viele Unter-
nehmen gemeinnützig engagiert.
44
Allerdings belief sich dieses Engagement oftmals ledig-
lich auf punktuell ausgeführte Sachmittel- oder Geldspenden, die keine nachhaltig positive
Wirkung versprachen. Dagegen geht es beim Konzept von Corporate Social Responsibility
um die direkte Integration ökologischer und sozialer Verantwortung von Unternehmen in
alle Bereiche der Unternehmenstätigkeit ­ von der eigentlichen Geschäftstätigkeit ein-
schließlich aller Wertschöpfungsprozesse, bis hin zu den Austauschbeziehungen mit Mit-
arbeitern, Zulieferern und sämtlichen Anspruchsgruppen.
45
Dieser ganzheitliche CSR-
Ansatz wird in Fachkreisen oft mit dem Begriff ,,triple bottom line" ausgedrückt. Damit ist
gemeint, dass Unternehmen nicht nur ein (ökonomisches) Ziel verfolgen, sondern dass sich
das gesamte Unternehmensziel in drei Ziele aufteilen lässt: ökonomische, ökologische und
soziale Ziele.
46
Triple bottom line ­ wörtlich ,,drei Striche unter einer Bilanz" - meint
demnach die dreifache Rechenschaftslegung eines Unternehmens nach sozialen, ökologi-
schen und ökonomischen Aspekten.
47
Die Bedeutung von CSR wird besonders deutlich in der jüngsten Entwicklung von Nach-
haltigkeits-Ratings. In den letzten Jahren ist nachhaltiges Wirtschaften als Basis und Er-
gebnis unternehmerischer Verantwortung zu einem Unternehmenswert geworden, der ähn-
lich den Geschäfts- und Finanzdaten eines Unternehmens von Rating-Agenturen bewertet
wird. Momentan ist ein regelrechter Boom von auf Nachhaltigkeit spezialisierten Rating-
Agenturen zu verzeichnen und die Unternehmen ihrerseits werden von den Rating-
Agenturen mit Fragebögen zu ihren CSR-Aktivitäten überschüttet. Der Grund ist, dass gute
sustainability performance vom Anleger immer stärker honoriert wird. Corporate Social
Responsibility kann daher mittlerweile auf den Aktienkurs und die Börsennotierung großer
Unternehmen Einfluss nehmen. Erkannt hat dies zum Beispiel die schweizerische Rating-
Agentur Sustainable Asset Management (SAM) recht früh und den Dow Jones Sustainabi-
44
Kluge, Jürgen, McKinsey Company: Antriebsfeder Eigennutz ­ unsere Unternehmen sind gut beraten,
diese zu nutzen!, Vortrag anlässlich des Symposiums 2003 der Initiative Freiheit und Verantwortung, Berlin,
02.07.2003, in:
http://www.freiheit-und-verantwortung.de/3_2.htm
.
45
Dresewski et al (2003), 1.
46
Crane, Andrew/Matten, Dirk (2004): Business Ethics: A European Perspective, Managing Corporate
Citizenship and Sustainability in the Age of Globalization, Oxford, 24.
47
Dresewski et al (2003), 14.

16
lity Index entwickelt, in dem Unternehmen mit besonders guter CSR-performance zusam-
mengefasst sind.
48
Die steigende Bedeutung des Themas CSR in der Wissenschaft zeigt sich u. a. in der Grün-
dung besonderer Forschungseinrichtungen wie dem Center for Corporate Citizenship am
Boston College in den USA, der Corporate Citizenship Unit an der Warwick Business
School in Großbritannien, der Corporate Citizenship Research Unit an der Deakin Univer-
sity in Australien, dem Center for Corporate Citizenship an der Katholischen Universität
Eichstätt-Ingolstadt in Deutschland oder dem Netzwerk CSR Europe in Europa.
49
Mit dem Global Compact hat Kofi Annan ein Instrument geschaffen, mit dem er auf globa-
ler Ebene einen Beitrag zur Förderung von Corporate Social Responsibility bzw. Corporate
Citizenship leisten möchte.
2.2 Der Global Compact - Hintergrund und Entstehung
Am 31. Januar 1999 stellte der UN-Generalsekretär Kofi Annan auf dem Weltwirtschafts-
forum in Davos den versammelten Wirtschaftsvertretern zum ersten Mal seine Idee eines
Global Compact vor. In einer Rede forderte Kofi Annan führende Wirtschaftsvertreter zu
einer Partnerschaft mit den Vereinten Nationen auf.
Offiziell wurde der Global Compact am 26. Juli 2000 am Amtssitz der Vereinten Nationen
in New York verabschiedet und die operative Phase eingeleitet.
50
Der Global Compact soll
ein Versuch sein, die durch die Globalisierung ausgelösten Steuerungsprobleme mittels der
Einbettung der Menschen- und Arbeitsrechte, dem nachhaltigen Umgang mit der Umwelt
sowie der Korruptionsbekämpfung in die wirtschaftlichen Prozesse zu begegnen. Da sich
in der Vergangenheit gezeigt hatte, dass Bestrebungen der Vereinten Nationen zur Regulie-
rung der Wirtschaft erfolglos geblieben waren
51
, entschied sich Kofi Annan zu einer auf
48
Dr. Alois Flatz (2004): Strategic opportunities and risks for companies from an SRI perspective, Vortrag
anlässlich des BMW-Dialogforums zum Thema Nachhaltiges Asset Management, München, 12.05.2004. Dr.
Alois Flatz ist früherer SAM Mitarbeiter und Mitbegründer des Dow Jones Sustainability Index.
48
Schrader (2003), 3.
49
Schrader (2003), 3.
50
Vgl. Kell, Georg/Levin, David (2002): The Evolution of the Global Compact Network: An Historic Ex-
periment in Learning and Action, Paper presented at: The Academy of Management Annual Conference
,,Building Effective Networks", Denver, August 11-14, 2002, 9.
51
Davon zeugt vor allem die Schließung des Centre on Transnational Corporations (CTC) im Jahre 1992.
Das CTC war ein Forschungsprogramm des UN-Sekretariats, das die Verhandlungen über die Ausarbeitung
eines Verhaltenskodex für transnationale Unternehmen unterstützte. So hatte das CTC mehrere Empfehlun-
gen zum Thema ,,transnationale Unternehmen und nachhaltige Entwicklung ausgearbeitet, die auf dem Erd-
gipfel in Rio de Janeiro 1992 in die Abschlussdokumente mit einfließen sollten. Dies wurde von Unterneh-

17
der Freiwilligkeit der teilnehmenden Akteure basierenden Initiative zur Kooperation zwi-
schen der UNO und der Privatwirtschaft.
52
Der Global Compact basiert auf Annans
Überzeugung, dass offene Märkte das einzige Mittel zur Armutsbekämpfung darstellen
und die negativen Auswirkungen der Globalisierung nur durch einen nachhaltig und sozial
gestalteten globalen Markt bekämpft werden können.
53
Ursächlich für die negativen Auswirkungen der Globalisierung ist der Mangel an geeigne-
ten institutionellen Rahmenbedingungen, die gleichberechtigte Marktzugänge ermöglichen
und nachhaltiges Wirtschaften fördern.
54
Diese institutionellen Rahmenbedingungen um-
fassen einerseits Regeln für einen möglichst fairen Welthandel und andererseits Regeln für
die Errichtung und Einhaltung sozialer und ökologischer Standards. Laut Annan liege die
Zuständigkeit für die Handelsregeln eindeutig bei der Welthandelsorganisation (WTO); für
die sozialen und ökologischen Bereiche fehle es jedoch an einer entsprechenden Kompe-
tenz bzw. Institution. Diese unzulänglichen Rahmenbedingungen sollen durch den Global
Compact ausgeglichen und Regelungslücken geschlossen werden.
55
Es wird deutlich, dass der Global Compact im Sinne seines Gründers den Anspruch erhebt,
ein Element von und ein Instrument für Global Governance und Corporate Social Respon-
sibility zu sein.
56
Damit setzt Kofi Annan die derzeit hochaktuellen Themen CSR und Glo-
bal Governance auf die internationale Agenda, um die dahinter stehende Bewegung für die
Ziele der UN zu nutzen. Inwiefern er dem oben genannten Anspruch tatsächlich gerecht
wird, soll im Rahmen der Arbeit geklärt werden. Zunächst werden jedoch Ziele und Auf-
gaben, Konzeption, Akteure und Instrumente des Global Compact kurz vorgestellt.
menslobbyisten und der Internationalen Handelskammer verhindert. Diese Opposition brachte Generalsekre-
tär Boutros-Ghali schließlich dazu, das CTC zu schließen. Vgl.: Paul, James A. (2001): Der Weg zum Global
Compact - Zur Annäherung von UNO und multinationalen Unternehmen, in: Brühl, Tanja/Debiel, Tobi-
as/Hamm, Brigitte/Hummel, Hartwig/Martens, Jens (Hrsg.) (2001): Die Privatisierung der Weltpolitik, Ent-
staatlichung und Kommerzialisierung im Globalisierungsprozess, EINE Welt ­ Texte der Stiftung Entwick-
lung und Frieden, Bd. 11, Bonn, 111/112.
52
Bendell, Jem (2004): Flags of Inconvenience? The Global Compact and the Future of the United Nations,
Nottingham University, International Centre for Corporate Social Responsibility (ICCSR), Research Paper
Series ISSN 1479-5124, No. 22-2004, in:
http://www.globalpolicy.org/reform/business/2004/flags.pdf
, 3.
53
Nelson, Jane (2000): Building Partnerships, Cooperation between the United Nations System and the pri-
vate sector, New York, 135.
54
Brinkmann, Johanna/Pies, Ingo (2003): Der Global Compact als Beitrag zu Global Governance: Be-
standsaufnahme und Entwicklungsperspektiven, Discussion Paper 03-5, Wittenberg Center for Global Ethics,
Wittenberg, 4.
55
Brinkmann/Pies (2003), 4.
56
Messner (1998a), 19/20; Hamm (2002a), 25.

18
2.3 Ziele und Aufgaben
Der Global Compact soll dazu beitragen, Unternehmen für Fragen der Menschen- und Ar-
beitsrechte sowie des Umweltschutzes und der Korruptionsbekämpfung zu sensibilisieren.
Es sollen nachhaltigere Weltmärkte mit geringerer Ausgrenzung auf der Basis gemeinsa-
mer Werte geschaffen werden. Die Beziehungen zwischen den Unternehmen und der Ge-
sellschaft sollen positiv beeinflusst und gefördert und dabei vor allem die ärmsten Bevöl-
kerungsgruppen der Welt berücksichtigt werden.
57
Das Fundament des Global Compact bilden zehn Prinzipien, zu deren Einhaltung sich die
teilnehmenden Unternehmen bereit erklären. Diese zehn Prinzipien sind in ihrem Inhalt
weltweit anerkannten Normen in den Bereichen Menschenrechte, Arbeitsnormen und
Umwelt entnommen und entstammen folgenden UN-Konventionen: Allgemeine Erklärung
der Menschenrechte (1948), Erklärung der Internationalen Arbeitsorganisation über die
grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit (1998), der Erklärung von Rio zu
Umwelt und Entwicklung einschließlich der Agenda 21 (1992) sowie der UN-Konvention
gegen Korruption (2003). Konkret fordert Kofi Annan die Vertreter der Wirtschaft auf,
-
die internationalen Menschenrechte in ihrem Einflussbereich zu achten und zu un-
terstützen (Prinzip 1);
-
sicherzustellen, dass sich die Unternehmen nicht an Menschenrechtsverletzungen
beteiligen (Prinzip 2);
-
die Vereinigungsfreiheit, z. B. im Rahmen von Gewerkschaften, anzuerkennen und
das Recht auf Tarifverhandlungen zu wahren (Prinzip 3);
-
alle Formen der Zwangs- und Pflichtarbeit zu beseitigen (Prinzip 4);
-
Kinderarbeit effektiv abzuschaffen (Prinzip 5);
-
Diskriminierungen im Bereich Beschäftigung und Beruf zu beseitigen (Prinzip 6);
-
mit ökologischen Herausforderungen umsichtig umzugehen (Prinzip 7);
-
einen verantwortlicheren Umgang mit der Umwelt aktiv zu fördern (Prinzip 8);
-
die Entwicklung und Verbreitung umweltfreundlicher Technologien zu unterstüt-
zen (Prinzip 9)
-
jegliche Formen der Korruption zu bekämpfen (Prinzip 10).
58
57
Vgl.
http://www.unglobalcompact.org/Portal/Default.asp
58
Die exakten Formulierungen der zehn Prinzipien befinden sich im Anhang sowie unter:
http://www.unglobalcompact.org
. Das zehnte Prinzip ist erst kürzlich nach einem langen Konsultationspro-
zess auf dem ersten Global Compact Leaders Summit am 24. Juni 2004 in New York hinzugefügt worden.
Vgl.:
http://www.unglobalcompact.org/Portal/?NavigationTarget=/roles/portal_user/aboutTheGC/nf/nf/theNinePri
nciples

19
Aus der Aufforderung an die Unternehmen, die genannten Prinzipien einzuhalten, ergeben
sich zwei einander ergänzende Ziele: Erstens die Integration des Global Compact und sei-
ner Prinzipien in die Unternehmensstrategie und die Geschäftstätigkeit der Wirtschaftsun-
ternehmen, sowie zweitens die Stärkung der Kooperation zwischen den wesentlichen Ak-
teursgruppen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft und mittels dessen die Schaffung von
Partnerschaften zur Umsetzung der UN-Ziele.
59
2.4 Konzeption
In seiner Konzeption zeichnet sich der Global Compact durch zwei besondere, für die Ver-
einten Nationen unübliche, Merkmale aus: Erstens ist er als ein Lernprozess konzipiert, der
auf der Freiwilligkeit seiner Teilnehmer beruht und somit dem üblichen regulativen Ansatz
widerspricht.
60
Er ist somit kein Regelwerk und stellt auch keinen Verhaltenskodex dar.
61
Zweitens wird mit der Initiative nicht die traditionelle hierarchische bzw. bürokratische
Organisationsform gewählt.
62
Vor allem die unverbindliche Form des Global Compact
gehört zu den umstrittensten Punkten, worauf im dritten Kapitel noch näher eingegangen
wird.
Der Global Compact ist ein Netzwerk, das alle betroffenen Akteursgruppen und Politik-
ebenen umspannt. Im Mittelpunkt dieses Netzwerkes befinden sich das Büro für den Glo-
bal Compact in New York und fünf Einrichtungen der Vereinten Nationen.
63
Konzipiert
als ein offenes und unverbindliches Lern- und Dialogforum, ermöglicht der Global Com-
pact einen Interessens- und Informationsaustausch zwischen den Akteuren, der schließlich
zur gemeinsamen Umsetzung der Ziele des Compact auf allen Operationsebenen führen
soll. Dabei soll die Veröffentlichung positiver Unternehmensbeispiele (best practices) bei
der Umsetzung der Prinzipien bei anderen Akteuren zu Lerneffekten und Nachahmungs-
schritten führen.
64
Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit, Transparenz und das Ei-
geninteresse von Unternehmen und der Zivilgesellschaft an der Umsetzung der Ziele, auf
59
Kell, Georg (2003): The Global Compact, Origins, Operations, Progress, Challenges, in: Journal for Cor-
porate Citizenship, 11, Autumn 2003, 36.
60
Ruggie (2002), 28.
61
Vgl. Chahoud, Tatjana (2001): Der ,,Global Compact" und die ,,OECD-Leitsätze für multinationale Unter-
nehmen" als globale Instrumente zur Förderung der Unternehmensverantwortung, DIE, Bonn, in:
http://www.bpb.de/veranstaltungen/html/body_globalisierung_chahoud.html
.
62
Ruggie (2002), 28.
63
Dazu gehören das Amt des Hohen Kommissars für Menschenrechte, das Umweltprogramm der Vereinten
Nationen, die Internationale Arbeiterorganisation, das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen und
die Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung. Vgl. Kell (2003), 40/41.
64
Hamm (2002a), 18/19.

20
denen der Global Compact beruht, sind die Pfeiler, auf denen das Konzept der Initiative
aufgebaut ist.
65
Der Global Compact arbeitet eng mit der Global Reporting Initiative zusammen. Die Glo-
bal Reporting Initiative (GRI) ist ein Multistakeholder-Prozess und eine unabhängige Insti-
tution, deren Mission es ist, international anwendbare Richtlinien für die Nachhaltigkeits-
berichterstattung zu entwickeln und zur Verfügung zu stellen. Die Richtlinien können auf
freiwilliger Basis von Unternehmen bzw. Organisationen genutzt werden, die die ökono-
mischen, ökologischen und gesellschaftlichen Dimensionen ihrer Aktivitäten, Produkte
und Dienstleistungen vermitteln wollen. An der GRI beteiligen sich Vertreter der Privat-
wirtschaft, Investoren, Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen, Forschungs- und Ar-
beiterorganisationen weltweit. Gegründet 1997, wurde die Global Reporting Initiative
2002 unabhängig. Sie ist ein offizielles Kooperationszentrum des Umweltprogramms der
Vereinten Nationen (UNEP).
66
Die einheitliche Berichterstattung bringt sowohl den Unter-
nehmen als auch der Gesellschaft bzw. den Kunden Vorteile wie Transparenz, Übersicht-
lichkeit und Vergleichbarkeit. Für den Global Compact ist die Verknüpfung der beiden
Initiativen insofern von hoher Bedeutung, als dass die GRI aufgrund oben genannter Punk-
te zur Glaubwürdigkeit des Global Compact beiträgt.
Finanziert wird der Global Compact durch freiwillige Zuwendungen von Mitgliedstaaten
(Global Compact Office) bzw. den Unternehmen selbst (Projekte und Aktionen).
67
2.5 Akteure
Die Kategorisierung der Akteure im Global Compact folgt der Logik eines Anspruchs-
gruppenkonzeptes. Das bedeutet, dass die Unternehmen die zentralen Akteure im Global
Compact sind und die übrigen Akteure nach ihren unterschiedlichen, gruppenindividuellen
Ansprüchen eingeteilt werden, die sie an die Unternehmen stellen (Stakeholder-Modell).
So haben Arbeitnehmer beispielsweise andere Ansprüche an die Unternehmen als die Poli-
tiker unterschiedlicher Regierungen oder die Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisatio-
nen. Die Erläuterung dessen ist wichtig, weil dem Global Governance-Konzept eine andere
Logik zugrunde liegt, welche die Akteure in der Regel auf die drei Gruppen der politi-
schen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Akteure reduziert.
68
Da im Rahmen der
65
Vgl.:
http://www.unglobalcompact.org/Portal/Default.asp
66
Vgl.:
http://www.globalreporting.org/about/brief.asp
67
Kell (2003), 37.
68
Vgl. Messner/Nuscheler (2003), 7.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783832484026
ISBN (Paperback)
9783838684024
Dateigröße
933 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Dresden – Internationale Beziehungen
Note
2,0
Schlagworte
corporate social responsibility global governance politiknetzwerk stakeholder globalisierung
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