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Lothars III. Kampf mit den Staufern

©2004 Examensarbeit 95 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Von den großen Taten Friedrichs II. Barbarossa, von Heinrich IV und seinem Gang nach Canossa hörte wohl jedes Kind in Deutschland schon einmal durch Sprichwörter oder Erzählungen. Sie sind bekannt.
Lothar III. ist jedoch weitgehend unbekannt. Das liegt nicht nur an seiner kurzen Herrscherzeit, es ist auch ein Vermächtnis seiner Nachfolger, die keinen allzu großen Wert darauf legten, die Erinnerung an den Sachsen beizubehalten. Das Deutschland des 19. Jahrhunderts brachte ihm gar Verachtung entgegen, weil sie in seinen Taten keine heldischen Merkmale entdecken konnten. Er galt und gilt als „Pfaffenkönig“.
Im Alter von 50 Jahren erklomm er durch rechtmäßige Wahl den Thron, sah sich mit einem rebellischen Herzogsgeschlecht konfrontiert, bewies Treue zur Kirche und verließ das irdische Dasein ohne Erben. Kein Anzeichen eines übermenschlichen Monarchen.
Die Forschung hält sich, solange es sich um die Jahre 1125-1137 handelt, zurück. Wenn, dann scheint höchstens der Umstand erwähnenswert, dass nicht der wahre Erbe des salischen Throns in seine Funktion als gottgewollter Herr über Deutschland kam, sondern von einem sächsischen Herzog verdrängt wurde - und dies auch noch durch eine Wahl.
Eine Möglichkeit, mit Lothar umzugehen, ist über ihn zu schweigen. Einen Schritt weiter gehend, könnte man, angelehnt an den Hobby-Historiker Heribert Illig, sagen, es habe Lothar gar nicht gegeben. Er sei eine Erfindung der Kirche gewesen. Und doch bliebe eine Lücke von 12 Jahren deutscher Geschichte. Auch wenn wir gerne so manche 12 Jahre deutscher Vergangenheit vergessen würden, Lothars Amtszeit bietet dennoch einige interessante Aspekte. Sein Kampf mit den Staufern war nämlich kein Unfall der Geschichte. Er zeigte vielmehr sich verändernde Strukturen im politischen Miteinander auf. Lothar III. erkämpfte sich nicht die Macht, sie fiel ihm auch nicht zufällig in den Schoß, sondern er erhielt sie durch einen Akt, der für heutige Generationen das Selbstverständlichste ist: durch eine ordentliche Wahl. Dies hielt Neider nicht davon ab, seinen Anspruch auf den Thron anzuzweifeln und zu bekämpfen. Seine größten und stärksten Gegner waren die Väter des späteren staufischen König- und Kaisergeschlechts. Lothar setzte sich durch und gewann die Oberhand, die er eigentlich nie ernsthaft verlor.
Geschichte oder eigentlich die Geschichtserzählung nährt sich aus Wertungen. Es verwundert deshalb nicht, dass bis in die Jetztzeit ein König und […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung und Problemstellung

II. Vorgeschichte
1. Entwicklungslinien
2. „Die zwei Körper des Königs“ oder Konrad II.
3. Heinriche
3.1 Heinrich III. und Heinrich IV.
3.2 Heinrich V.
3.2.1 Kampf mit der Kirche
3.2.2 Innenpolitische Störungen
4.Lothar von Supplinburg und Friedrich von Schwaben

III. Wahl Lothars III.
1. Erbengemeinschaft Heinrichs V.
2. Blut ist dicker als Wasser
3. Wer nicht will
4. Die Entscheidung nimmt ihren Lauf
5. Anders wählen
5.1 Wahlvorbereitungen
5.2 Wahlversammlung

IV. Haus- versus Reichsgut
1. Ruhe vor dem Sturm
2. Regensburger Weisheiten
3. Der Sturm naht
4. Streit um Nürnberg

V. Gegenkönigtum
1. Königserhebung und Rechtmäßigkeit
2. Exkommunikation
3. Speyer
4. Konrads Wahl zum italienischen König
4. Mathildische Güter
5. Abbruch des italienischen Experiments
6. In der Heimat

VI. Schisma
1. Anaklet II. und Innozenz II.
2. Hoftag zu Lüttich
3. Romzug

VII. Schlussakt
1. Nürnberg
2. Letzte Verbündete?
3. Ulm
4. Bittender Schwabe
5. Kniefall eines Schwaben

Fazit

Abkürzungen

Literatur

Quellen

Regestenwerke und andere Hilfsmittel

Sekundärliteratur

I. Einleitung und Problemstellung

Von den großen Taten Friedrichs II. Barbarossa, von Heinrich IV und seinem Gang nach Canossa hörte wohl jedes Kind in Deutschland schon einmal durch Sprichwörter oder Erzählungen. Sie sind bekannt.

Lothar III. ist jedoch weitgehend unbekannt. Das liegt nicht nur an seiner kurzen Herrscherzeit, es ist auch ein Vermächtnis seiner Nachfolger, die keinen allzu großen Wert darauf legten, die Erinnerung an den Sachsen beizubehalten. Das Deutschland des 19. Jahrhunderts brachte ihm gar Verachtung entgegen, weil sie in seinen Taten keine heldischen Merkmale entdecken konnten. Lothar eignete sich einfach nicht für die Vorbildfunktion. Er war nicht heroisch und um ihn rankten keine Mythen. Im Gegenteil, er galt und gilt als „Pfaffenkönig“. Ins Bewusstsein des deutschen Volkes drang er zu keiner Zeit vor, selbst nicht während seiner Regentschaft. Im Alter von 50 Jahren erklomm er durch rechtmäßige Wahl den Thron, sah sich mit einem rebellischen Herzogsgeschlecht konfrontiert, bewies Treue zur Kirche und verließ das irdische Dasein ohne Erben. Kein Anzeichen eines übermenschlichen Monarchen.

Selbst seine Zeitgenossen beschäftigten sich kaum mit ihm. Chronisten berichteten meist nur am Rande oder überhaupt nicht. Otto von Freisings Zeugnis über ihn ist die wertvollste Quelle, mit der Historiker heute arbeiten können. Freilich war Otto kein Freund des Supplinburgers, denn seine verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Schwabenherzögen mussten seinen Blick trüben. Er stellte Lothar in ein Licht, das ihn als „Pfaffenkönig“ diskreditierte.

Die Forschung hält sich, solange es sich um die Jahre 1125-1137 handelt, zurück. Wenn, dann scheint höchstens der Umstand erwähnenswert, dass nicht der wahre Erbe des salischen Throns in seine Funktion als gottgewollter Herr über Deutschland kam, sondern von einem sächsischen Herzog verdrängt wurde - und dies auch noch durch eine Wahl.

Eine Möglichkeit, mit Lothar umzugehen, ist über ihn zu schweigen. Einen Schritt weiter gehend, könnte man, angelehnt an den Hobby-Historiker Heribert Illig, sagen, es habe Lothar gar nicht gegeben. Er sei eine Erfindung der Kirche gewesen. Und doch bliebe eine Lücke von 12 Jahren deutscher Geschichte. Auch wenn wir gerne so manche 12 Jahre deutscher Vergangenheit vergessen würden, Lothars Amtszeit bietet dennoch einige interessante Aspekte. Sein Kampf mit den Staufern war nämlich kein Unfall der Geschichte. Er zeigte vielmehr sich verändernde Strukturen im politischen Miteinander auf. Lothar III. erkämpfte sich nicht die Macht, sie fiel ihm auch nicht zufällig in den Schoß, sondern er erhielt sie durch einen Akt, der für heutige Generationen das Selbstverständlichste ist: durch eine ordentliche Wahl. Dies hielt Neider nicht davon ab, seinen Anspruch auf den Thron anzuzweifeln und zu bekämpfen. Seine größten und stärksten Gegner waren die Väter des späteren staufischen König- und Kaisergeschlechts. Lothar setzte sich durch und gewann die Oberhand, die er eigentlich nie ernsthaft verlor.

Geschichte oder eigentlich die Geschichtserzählung nährt sich aus Wertungen. Es verwundert deshalb nicht, dass bis in die Jetztzeit ein König und Kaiser, der sich nicht auf das Geblütsrecht berufen konnte, mit Hohn beäugt wird.

Sein wichtigster Biograph Wilhelm Bernhardi schrieb ein grundlegendes Werk über ihn, versäumte es aber nicht, seine Abneigung gegen den sächsischen Emporkömmling kundzutun, was man Bernhardi entschuldigen mag, da er ein Kind seiner Zeit, ein Mensch des wilhelminischen 19. Jahrhunderts war. Seine Ansichten mussten von seiner Umwelt geprägt gewesen sein. Das ist eben so. Doch auch modernere Autoren erwähnen den Sachsen, wenn überhaupt, meist nur mit verachtungsvollem Unterton. Karl Hampe schrieb 1964:

„[…] Denn der Versuch, ihnen [den Staufern] das durch die Verbindung eines Jahrhunderts eng mit dem salischen Hausbesitz verwachsene Reichsgut abzunehmen, rief jene zur bewaffneten Erhebung […]“[1]

Friedrich Hausmann drückte aus, was sich wohl viele auch dachten: „Der tiefe Einschnitt von 1125 wurde durch den von 1138 wettgemacht.“[2]

Es ist alles gesagt, nur noch nicht von jedem. Eine Besserung der Forschungslage tritt dennoch allmählich ein. Nicht durch neue Quellen - damit brauchen wir nicht zu rechnen -, sondern durch neue Sichtweisen. Das Ganze tritt in den Hintergrund, Teilaspekte werden betrachtet und abgewogen, Fragen gestellt und Antworten gesucht.

Als Beispiel möge hier die Arbeit Oliver Hermanns dienen.[3] Er untersuchte die Wege Lothars III., seine Reiserouten und Aufenthalte. Es entstand ein für die Lothar-Forschung hilfreiches Nachschlagewerk, durch welches zeitliche Zwischenräume verständlicher und nachvollziehbarer werden.

Die vorliegende Arbeit befasst sich ebenfalls mit einem Teilaspekt: dem Kampf zwischen Kaiser Lothar III. und den Stauferbrüdern. Ein heikles Unterfangen, bei welchem durch die Quellenlage jederzeit die Gefahr besteht, entweder von anderen Schriftstellern mehr oder minder gut abzuschreiben, oder gewagte Thesen aufzustellen, die beim leichtesten Windhauch in sich zusammenfallen.

Während der Vorbereitung überdachte der Verfasser, welche Schwerpunkte zu setzen seien, damit ein möglichst geschlossenes Bild entstünde. Es sollte keine Kopie einer Kopie einer Kopie werden. Mehrere Themenblöcke entwickelten sich und zeigten alsbald auf, dass es wahrlich nicht einfach ist, mit wenigen Quellen wenig zu schreiben. Die Arbeit drohte sich aufzublähen. Eine für den Leser erträgliche Struktur war dadurch nur noch schwer zu erreichen. So besann der Verfasser sich doch eines Besseren. Es entstand ein chronologischer Aufbau, der jedoch auf Teilfragen beschränkt gehalten wurde. Dennoch war es vonnöten, weiter auszuholen. Geschichte spielt sich nicht in zeitlich begrenzten Bahnen ab, sondern zeigt stets Entwicklungsstufen. Im Jahre 1125, mit Blick auf die Königswahl, zu beginnen, würde die Chance zerstören, über den Tellerrand hinausblicken zu können. Also beschloss der Autor, eine kurze Zusammenfassung der für das Verständnis der Vorgänge nach Lothars Wahl nötigen historischen Ereignisse. Die Motive der Fürsten, ausgerechnet den sächsischen Herzog zu wählen, sind nicht begreiflich zu machen, wenn kein Rückgriff auf die Vorgeschichte stattfindet. Konrad II. ist ebenso bedeutsam für die Wahl 1125, für den Konflikt zwischen Friedrich von Schwaben und Lothar von Supplinburg, auch für die Entstehung des Gegenkönigtums wie es beispielsweise Nikolaus II. für das Wormser Konkordat war. Sprich, es müssen auch die Faktoren betrachtet werden, die nur peripher in Erscheinung traten, obschon ihr Wirken direkten Einfluss hatte. Deshalb beginnt die Schilderung mit Konrad II. Auf tiefgehende Analysen wird bewusst verzichtet, wie auch auf Ereignisse, die für das Verständnis der späteren Politik Lothars nicht nötig erscheinen. Der erste salische König gilt sodann als Aufhänger für die „zwei Körper des Königs“, die für Lothars Politik von entscheidender Bedeutung war - auch wenn er sich darüber nicht so recht bewusst gewesen sein dürfte. Ein Weiterschreiten über die Heinriche bis zu Heinrich V. Unter seiner Regentschaft erfolgten die ersten Kontaktaufnahmen der Staufer mit dem Supplinburger.

Wunsch und Ziel des Verfassers ist vor allem, nicht nur zu erzählen, sondern zu diskutieren. Viele Fragen werden gestellt, etliche beantwortet, einige angedeutet und nicht wenige offen gelassen, weil sie gefragt werden müssen, aber (noch) nicht beantwortet werden können.

II. Vorgeschichte

1. Entwicklungslinien

Die politische Situation im deutschen Reich zur Zeit der Regentschaft Lothars III. zu erfassen, bedarf des Rückblicks auf dessen Vorgänger aus dem salischen Geschlecht.[4] Bis ins 11.Jahrhundert waren alle Lebensbereiche, wie es bereits für die frühmittelalterliche Welt charakteristisch war, miteinander verwoben.[5] Kirche und weltliche Führung waren aufeinander angewiesen, auch wenn jede der beiden Gruppen die Oberhand zu gewinnen suchte. Kirchenrechtliche Vorstellungen bestimmten die Rechtsprechung.[6] Der König oder Kaiser verstand sich als Herr der Kirche, als „caput ecclesiae“[7]. Die geschlossenen Hauswirtschaften der Fronhöfe bestanden als wirtschaftliche und soziale Zentren der Bevölkerung. Der Arbeitstag wurde vom Tagesrhythmus bestimmt und war eng an den Wohnraum und die Familie gebunden. Handel konnte nur begrenzt erfolgen, denn das Straßensystem war seit der Römerzeit verfallen und die Fronhöfe produzierten ihre Erzeugnisse in erster Linie zum unmittelbaren Verbrauch.[8] Nicht zuletzt durch die wachsende Bevölkerung[9] und ihre steigenden Bedürfnisse, durchdrang langsam nahezu alle Ebenen des menschlichen Daseins ein Prozess der tiefen Veränderung und des „schöpferischen Aufbruchs“.[10] So reifte auch in Kirche und Staat das Bewusstsein ihrer Eigenständigkeit, „regnum“ und „sacerdotium“ glitten auseinander. Kirchliche Reformkräfte, etwa Kardinal Silva Candida, sahen im Herrscher einen abzulehnenden Laien und forderten die Reinigung der Kirche von jedwedem weltlich-lakailen Einfluss.[11] Das jedoch bedeutete folgerichtig, dass dem König das Recht zur Einsetzung von Bischöfen abzusprechen sei. Es ist nachvollziehbar, dass dies nicht ohne Kämpfe vonstatten ging. Eine schwierige und für den Bestand des Reiches gefährliche Phase, in der zudem ein neues Herrschergeschlecht die Verantwortung der Macht übernahm.

2. „Die zwei Körper des Königs“ oder Konrad II.

Die Salier traten 1024 mit Konrad II. (* um 990, + 1039) die Nachfolge der Ottonen als Herrscher des Reiches an. Mehr noch: Sie verstanden sich ganz bewusst als Nachfolger und keineswegs als Erben. Letztere vermögen frei mit ihrem neuen Hab und Gut umzugehen. Einem König jedoch kamen nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten zu. So musste das Reich erhalten bleiben und geschützt werden, sowohl vor äußeren als auch vor inneren Feinden - beispielsweise strebten die Territorialfürsten zunehmend nach Selbstständigkeit.[12] Die Idee der Kontinuität des Reiches erforderte also eine Rechtsauffassung, die die Figur des Monarchen auf zwei Ebenen zu erfassen hatte: Einerseits den König als fleischliche Gestalt, deren Ende der Tod setzte, gleichzeitig aber auch als fortbestehende und unsterbliche Rechtsinstanz.[13] Konrad fasste diese Problematik 1025 in Konstanz in das Bild eines Schiffes, welches auch bestehen bliebe, wenn der Steuermann sterbe: „Si rex periit, regnum remansit, sicut navis remanet, cuius gubernator cadit.”[14] Wäre damit auch das Eigentum des Königs unveräußerlich und an das Reich gebunden gewesen, unabhängig davon, ob die Nachfolge durch Erbrecht oder durch Wahl bestimmt worden wäre?[15] Selbst wenn dies die Lehre gewesen sein mag, sah doch die Praxis oft anders aus und bot gefährlichen Sprengstoff, insbesondere nach der Wahl Lothars III. Ein Grundstein für die Unterscheidung zwischen Staat - freilich ohne diesen Begriff und dessen eigentlicher Bedeutung auf die salische Zeit anzuwenden - und Monarch war gelegt.

Um der Krone - wohlgemerkt nicht Konrads - Eigentum in Bayern überschaubar zu machen und „den durch die massenhaften Vergabungen seiner Vorgänger ohnehin bedeutend geschmälerten Domanialbesitz möglichst zusammenzuhalten und, soweit das anging, zu vergrößern“[16], erließ der König 1027 auf einem Hoftag in Regensburg die „Anordnung zur Untersuchung über die königlichen Güter“. Die Grafen und Schöffen[17] wurden nach den „[…] possessiones et predia infra eandem provintiam sita, que novissent ad solium sui imperii […] pertinere […]“ sowie den „[…] civitatibus ad marchiam istius provincię pertientibus […]“ befragt.[18] Eine erste Trennung von Reichsgut und Herzogs- oder Markgrafengut war vollzogen[19], wenn auch nur auf dem Papier.

Die partikularistischen Kräfte der Reichsfürsten schwächten zunehmend die Zentralgewalt.[20] Konrad begann deshalb, seine Macht mehr auf den niederen als auf hohen Adel zu stützen.[21] So berichtet Wipo vom abtrünnigen Herzog Ernst II. von Schwaben, einem Stiefsohn Konrads, dem seine Anhänger 1027 wegen ihrer Treueverpflichtung zum König und Kaiser[22] die Gefolgschaft kündigten.

„Nolumus inficiari, quin vobis fidem firmiter promitteremus contra omnes praeter eum, qui nos vobis dedit. Si servi essemus regis et imperatoris nostri et ab eo iuri vestro mancipati, non nobis liceret a vobis separari. Nunc vero, cum liberi simus et libertatis nostrae summum defensorem in terra regem et imperatorem nostrum habeamus, ubi illum deserimus, libertatem amittimus, quam nemo bonus, ut ait quidam, nisi cum vita simul amittit. Quod cum ita sit, quicquid honesti et iusti a nobis exquiritis, in hoc parere volumus vobis. Si autem contra hoc vultis, illuc revertemur liberaliter, unde ad vos venimus conditionaliter.“[23]

Wipo legte den Agierenden wohl als entscheidendes Argument die „Freiheit“ in den Mund, die bei Abkehr vom Kaiser, der eben diese Freiheit auch schütze, verloren ginge, doch ob dieses Immediatverhältnis ausschlaggebend war oder nicht eher Wipos Idealvorstellung entsprach, ist zu hinterfragen.[24] Die drohende Niederlage und Aussichtslosigkeit eines Kampfes dürften eher die Gründe für das Umschwenken Ernsts Vasallen gewesen sein. Doch dass Wipos Darstellung Eindruck auf seine Zeitgenossen gemacht haben dürfte, ist anzunehmen.

In einem anderen Fall versuchte der Kaiser durch rasches Handeln und geschicktes Taktieren, den niederen Adel Italiens auf seine Seite zu ziehen. Als der Machtzuwachs der militärischen Oberschicht Italiens, der „capitanei“, sowie deren Untervasallen, der „Valvassoren“, in den Augen der Bischöfe Reichsitaliens zur Gefahr ward, begannen die Bischöfe zunehmend Lehen der Valvassoren einzuziehen. Ein Aufstand brach los. Vor allem in Mailand, wo Erzbischof Aribert mit eiserner Hand regierte, kam es zu Tumulten. Die Valvassoren forderten: „[…] si imperator eorum nollet venire, ipsi per se legem sibimet facerent.“[25] Der Kaiser kam. Es wäre ihm auch kaum etwas anderes möglich gewesen. Herrschte in den zwanziger Jahren noch weitgehend ein Zweckbündnis mit den Bischöfen Reichsitaliens, so war doch ein Ausufern des Volksaufstands zu befürchten, selbst wenn er nicht so gewaltig gewesen sein mag, wie ihn Wipo beschreibt, und diese Verwirrung wäre unberechenbar und vermutlich auch gefährlich für das Reich gewesen - entweder durch ein Übergreifen der Rebellion auf deutsches Gebiet oder durch Schwächung der militärischen Präsenz des Reiches.[26] Konrad handelte, ließ Bischöfe verhaften und „sine iudicio“[27] verbannen. Darüber hinaus stellte er am 28. Mai 1037 die Urkunde „Constitutio de feudis“[28] aus, in der er bestimmte, keinem „capitan“ und keinem Valvassoren dürfe ohne Urteilsspruch durch Standesgenossen das Leben genommen werden. Außerdem erhielten die Valvassoren das Recht, ihre Lehen an ihre Nachkommen zu vererben. Besonders letzteres mutet als strategischer Streich in zwei Richtungen an. Konrad beschnitt die Macht der Bischöfe und band gleichzeitig eine große Schar treu Ergebener an das Reich. Bei einem Treueverrat der Vassalen hätten diese damit rechnen müssen, ihr neues Recht zu verspielen, ein Recht, das ihnen über Generationen eine gesicherte Existenz zubilligte. Damit stieg die Wahrscheinlichkeit, dass Reichsitalien nicht abfallen werde. Außerdem war es wohl auch ein Signal an die Gegner Konrads, die Güte des Kaisers und die Anerkennung durch das Volk nicht zu unterschätzen.

Die Zeit der „Trias“ brach an. Drei Reiche waren unter der Herrschaft des Königs und Kaisers zusammengefasst: Deutschland, Italien und Burgund.

Bereits am 2. Februar 1033 wählten und krönten in Peterlingen die Anhänger des Saliers Konrad zum König von Burgund. Nachdem König Rudolf III. von Burgund (993-1032) ohne legitimen Erben verstarb, sollte Burgund an den Sohn seiner Schwester Gisela, Kaiser Heinrich II., fallen. Dadurch entstand eine interessante und gleichzeitig schwierige Erbrechtskonstellation: Heinrich war einerseits lehnrechtlicher Erbe, damit jedoch nicht Nachfolger durch seine Person, sondern durch sein Amt. Aber darüber hinaus auch familiärer Nachlassempfänger. Es kam nicht dazu. Heinrich starb vor Rudolf. Nun wäre Graf Odo II. von der Champagne an der Reihe gewesen.

Konrad II., der wohl ebenfalls mit Rudolf über seine Gattin Gisela verwandt war,[29] dessen Anspruchsgrad jedoch deutlich schwächer gewesen wäre, konnte nur noch über die Lehnsoberhoheit Heinrichs II. einen Griff auf die Erbmasse wagen. Konrad II. erhob sofort nach seiner Wahl ein Vorrecht auf Burgund. Dies entsprach der Vorstellung, dass eben Reichsgut nicht an einem Individuum, sondern an der Funktion des Königs oder Kaisers hängt. Eine Sichtweise, die später auch bei Lothar III. bedeutsam wird.

Konrad wandte sich 1027 an Rudolf III und handelte mit ihm aus, dass die Herrschaft über Burgund dem Kaiser übergeben werde, „quemadmodum prius antecessori suo Heinrico imperatori datum fuerat“.[30]

Das Handeln Rudolfs scheint des Merkens würdig zu sein, da es etliche Fragen aufwirft. Weshalb ging der burgundische König auf Konrads Streben ein? Ihm musste bewusst gewesen sein, dass dadurch die Selbstständigkeit Burgunds gefährdet ist. Oder war es gar der gemeinsame Wille, ein einiges Reich zu schaffen, das sich durch Stärke nach außen bewähren sollte? Womöglich hatte Rudolf auch kein Vertrauen in seine in Frage kommenden Nachfolger. Auch könnte Rudolf damit einer größeren militärischen Auseinandersetzung mit dem Kaiser aus dem Wege zu gehen versucht haben, vor allem da Konrad auf dem staatsrechtlichen Anspruch beharrte. Für letzteres spricht, dass sich die Kaiserin Gisela als Vermittlerin bewährte[31] und Rudolf wohl letztlich einsah, wie gering die Erfolgsaussichten eines Widerstandes gewesen wären. Machte Konrad womöglich Zugeständnisse, die der Nachwelt verschlossen blieben?

Als es endlich soweit war und König Rudolf am 6. September 1032 starb, rebellierte die Opposition, vor allem der sich als legitimer Nachfolger sehende Odo II. von der Champagne, der jedoch von den Mächtigen Burgunds keine nennenswerte Unterstützung erhielt.[32] Odo unterlag.[33]

Der Kaiser war sich wohl kaum über die Folgen seiner für Zeitgenossen vielleicht revolutionär erscheinenden Idee, das Reichsgut an das kaiserliche Amt zu binden, bewusst. Die Reichseinheit mag ihm ein Ziel gewesen sein,[34] doch er konnte nicht ahnen, dass die Reichsgewalt einst salische Hände verlassen würde. Seine Politik richtete sich auf den Augenblick und auf die Ausweitung seiner Herrschaft. Taktische Überlegungen dürften philosophische überschattet haben. Nicht für alle Zeiten sollte die transpersonale Verankerung zwischen dem Leibe und dem Amte des Kaisers existieren, sondern so lange es salischen Zwecken dienlich schien. Ein Machtwechsel hätte durch Konrads „staatsrechtliche“ Sichtweise für das salische Hauserbe verheerend sein können, vor allem wenn Haus- und Reichsgut zu stark miteinander verwoben wären. Wohl auch um dieser Gefahr vorzubeugen, sorgte er bereits 1028 für den vorläufigen Bestand der salischen Dynastie, indem er seinen Sohn Heinrich III. (1017-1056) zum deutschen König erhob.[35]

3. Heinriche

3.1 Heinrich III. und Heinrich IV.

Die Regierung Heinrichs III. „bildete den Höhepunkt […] in der deutschen Geschichte“[36]. Sowohl innen- als auch außenpolitisch stabilisierte er die Macht des Reiches. Seine Politik konnte noch als Symbiose von Königs- und Kirchenherrschaft angesehen werden.

Seine Regentschaft vermachte er seinem Sohn Heinrich IV., der seit 1053 König war, und ließ diesen von den Fürsten nochmals als König anerkennen. Heinrich wurde dem Schutze des Papstes Viktors II. anempfohlen und der Kaiserin Agnes in Vormundschaft übergeben. Letztere trug mit ihrer nicht sonderlich glücklichen Vergabepolitik dazu bei, dass die innenpolitische Stabilität des Reiches abnahm. So übertrug sie das Herzogtum Schwaben, nach dem Tode Ottos III. 1057, Rudolf von Rheinfelden, Bayern 1061 dem Grafen Otto von Northeim und gab damit Bayern aus der Hand, sowie das Herzogtum Kärnten an Berthold von Zähringen.

Heinrich IV., der die alleinige Herrschaft seit 1062 ausübte, war bestrebt, eine an seinen Vater anknüpfende Territorialpolitik zu betreiben. Gebiete im Harz, die dem Reiche durch Vergabungen verloren schienen, nahm er wieder in Besitz. Die Fürsten, vor allem die sächsischen, erkannten dadurch eine Gefahr für ihre Rechte. Es bildete sich eine Fürstenopposition. Ein Kampf begann, ein Ringen zwischen den Rechten des Monarchen und den Rechten der Fürsten. Weihnachten 1075 war die Sache im Sinne Heinrichs ausgefochten. In Goslar versprachen die Fürsten, nach Heinrichs Tod dessen Sohn Konrad, der zu diesem Zeitpunkt gerade zwei Jahre alt war, zum König zu wählen.

Die Fürsten waren freilich nicht die einzige Sorge Heinrichs. Spannungen mit dem Papst Gregor VII., auf die hier nicht näher eingegangen werden soll, versetzten Heinrich in eine ernste Lage, denn er konnte nicht mit beiden Seiten gleichzeitig kämpfen, vor allem, wenn auch noch die Gefahr bestünde, dass sie sich zusammenschlössen. Heinrich rief am 24. Januar 1076 zur Absetzung des Papstes auf. Dieser wiederum setzte am 14. Februar 1076 den König ab, verhängte den Bann über ihn und entband alle Untertanen von ihrem Treueid. Die Fürstenopposition, unter Führung Welfs von Bayern, Rudolfs von Schwaben und Bertholds von Kärnten, formierte sich alsbald wieder. Es drohte eine Annäherung und Verbindung der kirchlichen und weltlichen Gegner Heinrichs, obgleich sehr unterschiedliche Interessen bestanden. Wollte der Papst Heinrich wieder in den Schoß der Kirche führen, hatten die Fürsten freilich ihre jeweils eigenen Ziele, die sich aber immer stärker auf eine Absetzung des Königs und eine Neuwahl zuspitzten.

Die Situation schien ausweglos. Der Papst kündigte seine Ankunft in Deutschland für Februar 1077 an. In dieser Lage wagte der König einen kühnen Schritt. Er reiste dem Papst entgegen. Am Nordhang des Apennins hielt sich der Papst in der Burg Canossa unter dem Schutz der Markgräfin Mathilde auf. Mathilde übernahm die Funktion der Vermittlerin. Es wurden Absprachen getroffen, Vorgehensweisen erörtert und ein Handlungsplan entworfen.[37] Der König erschien an drei Tagen im Büßergewand vor der Burg, bis Gregor VII. nachgab und dem König die Absolution erteilte.

Die deutschen Fürsten handelten auf ihre Weise. Sie setzten Heinrich ab und wählten auf einem Fürstentag in Forchheim im März 1077 einen neuen König: Rudolf von Schwaben. Dieser wurde am 15. März zum König erhoben. Bemerkenswert bei dieser Entscheidung war das Prinzip der freien Wahl - das Erbrecht trat in den Hintergrund.

Zunächst stand es jedoch schlecht um den Gegenkönig Rudolf. Seine Anhängerschaft war gering, einzig auf Sachsen konnte er bauen. Selbst sein eigenes Herzogtum Schwaben war gespalten.

Heinrich aber stützte sich vornehmlich auf den niederen Adel in Oberdeutschland und im Rheingebiet. Die süddeutschen Herzöge setzte er ab. Schwaben übertrug er 1079 an Friedrich von Büren, dem Verlobten seiner Tochter. Ihre neu errichtete Stammesburg nannten sie „Staufen“ und dies wurde alsbald die Bezeichnung für das ganze Geschlecht.[38]

Die Kämpfe zwischen Heinrich und Rudolf blieben unentschieden, bis sich der Papst - er pochte auf eine Verschärfung des Laieninvestiturverbots - abermals einmischte. Greogor VII. bannte den König am 7. März 1080. Heinrich reagierte und setzte im Juni 1080 den Papst ab. Gleichzeitig erhob der König Erzbischof Wibert von Ravenna zum neuen Kirchenoberhaupt.

Eine Woche später trafen sich die Truppen der beiden Könige. König Heinrich ging als Verlierer aus dieser Schlacht hervor, Gegenkönig Rudolf verlor sein Leben. Nachfolger des Gegenkönigs wurde Graf Hermann von Salm.

Heinrich IV. zog 1081 nach Rom, zog 1084 in Rom ein, ließ Wibert in aller Form zum Papst Clemens III. wählen und nahm zu Ostern, am 31. März die Kaiserkrone auf. Gregor ging ins Exil und starb am 25. Mai 1085.

Im Mai 1086 wurde Victor III. Nachfolger Gregors VII., der damit Gegenpapst des Gegenpapstes war. Kurz darauf, im September 1087, verstarb Victor. Dessen Nachfolger wurde Urban II.

Die Opposition im Reiche beschränkte sich immer stärker auf Sachsen. Heinrich drang bereits 1085 in Sachsen ein und vertrieb den Gegenkönig.

1087 ließ Kaiser Heinrich IV. seinen Sohn Konrad zum König wählen. Ein abermaliger Zug nach Italien, der anfangs erfolgreich schien, wurde zum Desaster. Nicht zuletzt durch den Abfall seines Sohnes Konrad, der sich 1093 auf die Seite Urbans schlug und in Mailand zum König von Italien gekrönt wurde.

Urban nutzte die Chance und festigte seine Macht. Beide, Konrad und Urban, trafen sich 1095 in Cremona. Konrad leistete Urban Strator- und Marschalldienste, indem er das Pferd des Papstes am Zügel führte.

Langsam gewann der Kaiser wieder an Boden. Seinem Sohn Konrad ließ er auf dem Mainzer Reichstag 1098 die Krone entziehen und statt ihm Heinrichs jüngeren Sohn Heinrich zum König Heinrich V. wählen. Der neue König musste aber schwören, sich niemals in die Regierungsgeschäfte des Vaters einzumischen. Der Sohn hielt sich nicht an sein Versprechen. Während eines erneuten Aufstandes der Fürsten fiel Heinrich V. Heinrich IV. in den Rücken. Auch erreichte der junge König 1105 die Loslösung vom Eid gegenüber seinem Vater. Er verzichtete jedoch nicht auf das Investiturrecht. Noch bevor der Vater-Sohn-Konflikt geklärt war, verschied der Kaiser am 7. August 1106 in Lüttich.

3.2 Heinrich V.

3.2.1 Kampf mit der Kirche

Heinrichs Opposition zu seinem Vater dürfte die Hoffnung geweckt haben, er werde die Streitigkeiten mit der Kirche schnell ausräumen. Dazu war er auch bereit, einzig in der Frage der Investitur bestanden gegensätzliche Positionen. Der Papst, seit 1099 Paschalis II., beharrte auf dem Verbot der Laieninvestitur. Heinrich sah diese jedoch als Königsrecht an. Verhandlungen scheiterten. Den Romzug 1110 nutzte Heinrich, am 4. Februar 1111 einen Vertrag mit dem Papst abzuschließen, wonach Paschalis den deutschen Kirchen befehlen sollte, alle Güter und Rechte des Reiches zurückzugeben, einzig die Schenkungen von Privatleuten und die Zehnten sollten sie behalten dürfen. Im Gegenzug erklärte Heinrich den Verzicht auf die Investitur. Bei der Verkündung des Vertrages am 12. Februar in der Peterskirche zu Rom kam es zu tumultartigen Szenen. Sowohl der Papst als auch der König ließen ihr Vorhaben fallen. Um doch noch zu einer Lösung zu gelangen, nahm Heinrich Paschalis gefangen. Dem Druck der Gefangenschaft neigend, erlaubte der Papst im Vertrag am Ponte Mammolo vor Rom (11. April 1111) dem König die Investitur mit Ring und Stab, die dieser aber nur vor der Weihe eines Bischofs ausüben dürfe. Am 13. April fand die vereinbarte Kaiserkrönung statt. Heinrich zog daraufhin triumphierend nach Deutschland zurück.

Kurz darauf, im April 1112, zog Paschilius die Abmachung zurück und wies darauf hin, sie sei ihm abgenötigt worden.

Die Nachricht, Markgräfin Mathilde sei am 24. Juli 1115 gestorben, kam sehr ungelegen. Es blieb Heinrich nun keine andere Wahl, als schnellstens seinen zweiten Romzug anzutreten: März 1116.[39] Die Erbschaft Mathildes, die er 1111 mit ihr vereinbarte, trat er dann auch ungehindert an. Weiterhin nutzte er die Gelegenheit und trat abermals in Verhandlung mit der Kurie. Paschalis II. widerrief abermals die Vereinbarung, das „Privileg“ von 1111. Durch einen Proteststurm genötigt, verließ der Papst alsbald Rom und der Kaiser konnte im Frühjahr 1117 einziehen. Paschilius starb Anfang 1118. Als Nachfolger erwählten die Kardinäle Johannes von Gaeta. Dieser Gelasius II. war ebenfalls zu keiner Verständigung mit dem Kaiser bereit. Kurzerhand stellte Heinrich Mauritius von Braga als Gegenpapst Gregor VIII. auf. Dessen Einfluss war jedoch gering und er fristete ab 1121 bis zu seinem Ableben 1137 eine Existenz in klösterlicher Haft. Gelasius II. ereilte der Tod bereits 1119. Calixt II., der neue Papst, war zu Gesprächen bereit, die jedoch im Sande verliefen. Durch Einlenken der Fürsten kam es wieder zur Kontaktaufnahme und dieses Mal erfolgreich. In Worms begannen am 8. September 1122 Beratungen. Als Ergebnis vereinbarten die beiden Parteien das Wormser Konkordat, welches vorsah, dass der König zukünftig auf die Investitur mit Ring und Stab verzichten und den Kirchen im Reich kanonische Wahlen und freie Weihen erlauben werde. Dafür durften Wahlen nur in seiner oder seines Vertreters Anwesenheit vollzogen werden. Auch das Recht, den Gewählten durch das Zepter mit den Regalien zu belehnen, gestand die Kirche dem Kaiser zu. Da jedoch die Urkunde persönlich auf Heinrich V. ausgestellt war, sträubte sich die Kirche nach Heinrichs Tod, die Zugeständnisse des Wormser Konkordats aufrechtzuerhalten.

3.2.2 Innenpolitische Störungen

Innenpolitisch formierte sich nach dem Dahinscheiden Heinrichs IV., fast unbemerkt, eine neue sächsische Macht. Etwa eineinhalb Jahrhunderte hatten die Billunger die Herzogswürde inne, allerdings war deren Stärke wesentlich geringer als beispielsweise die der bayerischen Könige. Nach dem Tode des letzten Billungers, Herzog Magnus, gab Heinrich V. 1106 Sachsen an Lothar von Supplinburg[40] aus.[41]

Bereits 1112 kam es zum Bruch zwischen Heinrich V. und dem Sachsen Lothar. Der stadische Ministeriale Friedrich hatte versucht, sich vor dem Königsgericht freizukaufen. Lothar führte ihn, unter Missachtung des Königsgerichtes, in Haft. Heinrich V. schritt ein, ließ wiederum Lothar verhaften und, nachdem Lothar sich unterworfen hatte, wieder freisetzen. Das Verhältnis blieb dennoch angespannt.[42] Der Kaiser führte die von seinem Vater betriebene Reichsgutpolitik fort. Auch war er bemüht, die materielle Grundlage des Reiches durch Schaffung eines zusammenhängenden Krongutkomplexes zu sichern. So geriet er in Gegensatz zu den nach Herrschaftsbeteiligung strebenden Fürsten. Nach dem Tod Ulrichs II. von Weimar-Orlamünde im Jahre 1133 zog Heinrich dessen Güter ein, ohne jedoch die Erbfolge der beiden unmündigen Söhne zu beachten. Diese Restitutionsmaßnahme rief Protest und die Bildung einer Fürstenopposition hervor, angeführt von Lothar und Erzbischof Adalbert von Mainz. Letzterem wurde vom Kaiser der Prozess gemacht. Bei der Hochzeit Heinrichs mit Mathilde 1114 in Mainz musste Lothar barfuß im Bußgewand sich dem Kaiser zu Füßen werfen.[43] Trotzdem verhärteten sich die Fronten und es kam am 11. Februar 1115 zu einer Schlacht am Welfesholz bei Mansfeld. Der Kaiser erlitt eine Niederlage und musste Sachsen verlassen.[44]

4.Lothar von Supplinburg und Friedrich von Schwaben

Die Niederlage wog schwer und erschütterte die Stellung des Herrschers. Zum Schutze des Reiches musste Heinrich V. während seines zweiten Romzuges einen Vertreter auswählen, der des Vertrauens würdig ist. Die Wahl fiel auf seinen Neffen Herzog Friedrich von Schwaben.[45] Dieser übernahm die Statthalterschaft in der Zeit der Abwesenheit Heinrichs.[46] Bislang hatten Friedrich von Schwaben und Lothar von Supplinburg keine politischen Kontakte oder Berührungen. Beide strebten wohl auf einen regen Ausbau ihres jeweiligen Herzogtums, doch grenzten Schwaben und Sachsen nicht aneinander an und boten somit auch kaum Möglichkeiten, freundschaftliche oder gegnerische Gesten auszutauschen. Ob sie sich vor 1116 begegneten, ist nicht bekannt.

Es kam schließlich im selben Jahre zu ersten kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Herzögen. Sie standen sich vor Worms und Limburg gegenüber.

Lothar und Erzbischof Adalbert von Mainz umschlossen die Burg Limburg. Die Belagerten wollten schon aufgeben, da kam ihnen Friedrich mit seinen Truppen entgegen und konnte die Feinde vertreiben.[47]

Im nächsten Jahr kam es abermals zu einer Begegnung, dieses Mal in Mainz.

„Timens autem nobilissimus dux, si irrationabili plebis furori talis daretur licentia, sanctorum forte loca direptioni et flammae exponi, ne voluntas illorum effectui manciparetur, summopere laboravit. At episcopus civitatis, fidei ducis non rectam recompensationem reddens, directis de civitate ad ipsum in dolo nunciis treugam postulat, diem, quando et ubi conveniant, petit, se ad gratiam imperatoris velle venire promittit, sicque ducem exercitum dimittere, obsidionem solvere ac ita cum paucis ad propria redire persuadet. Episcopus solutam obsidionem, dimissum cernens exercitum, apertis portis, cum magna ducem insequens milicia ex inproviso invadit […]“

Erzbischof Adalbert nutzte also eine Hinterlist, um sich aus dem Griff des Gegners zu wenden. Einen ähnlichen Betrug musste Friedrich später auch mit Heinrich dem Stolzen erleben.

Vorerst war wieder Ruhe eingekehrt. Lothar und Friedrich sollten sich jedoch bald wieder begegnen, nach dem Tode des Kaisers 1125.

[...]


[1] Karl Hampe: Das Hochmittelalter, Geschichte des Abendlandes von 900-1250, Darmstadt 51964, S. 184.

[2] Friedrich Hausmann: Reichskanzlei und Hofkapelle unter Heinrich V. und Konrad IIII., MGH Schriften 14, Stuttgart 1956, Seite 7.

[3] Oliver Hermann: Lothar III. und sein Wirkungsbereich, Räumliche Bezüge königlichen Handelns im hochmittelalterlichen Reich (1125-1137) (= Dieter Berg (Hg.): Europa in der Geschichte, Schriften zur Entwicklung des modernen Europa, Band 5), Bochum 2000.

[4] Auf tiefgehende Analysen wird bewusst verzichtet, wie auch auf Ereignisse, die für das Verständnis der späteren Politik Lothars nicht nötig erscheinen.

[5] Vgl. Tilman Struve: Die Stellung des Königtums in der politischen Theorie der Salierzeit, in: Stefan Weinfurter (Hg.): Die Salier und das Reich, Band 3, Gesellschaftlicher und ideengeschichtlicher Wandel im Reich der Salier, Sigmaringen 1991, 217-244, S. 217.

[6] Vgl. Bodo Harenberg (Hrg.): Chronik der Deutschen, Dortmund 21988, S. 186.

[7] Brief Abt Ekberts von Tegernsee an Heinrich III., in: Die Tegernseer Briefsammlung, MGH Epp. sel. 3, Berlin 1925, S. 142.

[8] Vgl. Harenberg, S. 186.

[9] In 500 Jahren verdoppelte sich die Bevölkerung Mitteleuropas nahezu. Vgl. ebd., S. 186.

[10] Karl Bosl: Die Grundlagen der modernen Gesellschaft im Mittelalter, Eine deutsche Gesellschaftsgeschichte des Mittelalters, Band 1 (= Monographien zur Geschichte des Mittelalters, Band 4/1), Stuttgart 1972, S. 162-163.

[11] Humbert von Silva Candida: Adversus simoniacos III, 21, in: MGH Ldl. 1, Hannover 1891. Vgl. Struve, S. 219.

[12] Trotz der zu erhaltenden Reichseinheit, können die Intentionen eines mittelalterlichen Königs nicht mit den Vorstellungen eines deutschen Monarchen der Neuzeit verglichen werden. Ein nationales Bewusstsein, das sich auf das Wohl des eigenen Volkes bezieht, die ethnische Komponente in den Vordergrund stellt und eine gewollte Abgrenzung zu fremden Nationen sucht, war einem mittelalterlichen Herrscher unbekannt. Wollte der deutsche Kaiser Wilhelm II. (1888-1918) aus nationalpolitischen Gründen für die Deutschen einen „Platz an der Sonne“, spielte die Volkszugehörigkeit im 12.Jahrhundert noch eine untergeordnete, ja, irrelevante Rolle. Es ging vielmehr um territorial übergeordneten Machterhalt und -zuwachs und um die Idee eines Universalreiches. Bündnisse wurden „für ewig“ geschlossen, um sie alsbald, wenn die politische Situation es bedurfte, wieder zu brechen. Kämpfe der deutschen Stämme untereinander waren üblich. Fürstentümer schlossen sich dem König an, solange sie davon Nutzen hatten, und gingen bei veränderter politischer Konstellation in Opposition.

[13] Vgl. Ernst H. Kantorowicz: Die zwei Körper des Königs, Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters, Stuttgart 1992, S. 36. „Le Roi est mort, vive le Roi“ lautete die Devise der Erbfolge in vielen europäischen Königshäusern bis in die Neuzeit.

[14] Wipo: Gesta Chuonradi II. imperatoris, hg. von Harry Bresslau, MGH SS 61, Hannover 31915, c. 7, S. 30.

[15] Vgl. Kantorowicz, S. 203, Anm. 306.

[16] Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Konrad II., Erster Band 1024-1031, hg. von Harry Breßlau, Berlin 21967, S. 214.

[17] Übersetzung von „electi judices“ nach Gerhard Beseler, Der Judex im bairischen Volksrechte, in: ZRG 9, 244-260, 1870, S. 257.

[18] Die Traditionen des Hochstifts Freising, hg. von Theodor Bitterauf, Band 2, München 1909 (= Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte, NF 5), Nr. 1422.

[19] Vgl. Elmar Wadle: Reichsgut und Königsherrschaft unter Lothar III. (1125-1137), Ein Beitrag zur Verfassungsgeschichte des 12. Jahrhunderts (Schriften zur Verfassungsgeschichte, Band 12), Berlin 1969, S. 126.

[20] Vgl. Harenberg, S. 191.

[21] Vgl. ebd., S. 191.

[22] Papst Johannes XIX. krönte Konrad II. am 26. März 1027 zum Kaiser.

[23] Wipo, S. 40.

[24] Vgl. Gerd Althoff: Spielregeln der Politik im Mittelalter, Kommunikation in Frieden und Fehde, Darmstradt 1997, S. 26-27; Walther Kienast: Untertaneneid und Treuvorbehalt, in: ZRG GA 66, 111-147, 1948, S. 111-112.

[25] Wipo, S. 54.

[26] Vgl. Stefan Weinfurter: Herrschaft und Reich der Salier, Grundlinien einer Umbruchzeit, Sigmaringen 21992, S. 45.

[27] Wipo, S. 55. So viel Eigenmächtigkeit erregte sogar die Kritik des Chronisten.

[28] Constitutio de feudis., in: Die Urkunden Konrads II., hg. von Harry Bresslau, MGH DD K II., Hannover , Nr. 244, 1909.

[29] Weinfurter, S. 46.

[30] Wipo, S. 41.

[31] Ebd..

[32] Anscheinend war von Odo eine wesentlich stärkere herrschaftliche Unterwerfung zu befürchten, als dies von dem weit entfernten Kaiser zu erwarten gewesen wäre. Vgl. Weinfurter, S. 48-49.

[33] Ein Jahr nach Odos Tod durften die Burgunder Heinrich III. zu ihrem König wählen. Damit dürfte sich bei den Einwohnern der Eindruck eingestellt haben, die Herrschaft über Burgund sei nun eben doch auf dem Erbweg an die Salier gelangt, denn Heinrich war über seine Mutter ein Großneffe König Rudolfs III. Ebd., S. 48-49.

[34] Wipo stellt sogar eine Parallele zwischen Konrad und Karl dem Großen her: „Si Carolus Magnus cum sceptro vivus adesset, non alacrior populus fuisset nec plus gaudere valeret de tanti viri reditu, quam de istius regis primo accessu.“ Wipo, S. 20.

[35] Suchenwirth bemerkt hierzu: „Von einer Wahl ist keine Rede. Das Königtum sitzt wieder fest im Sattel […].“ Richard Suchenwirth: Deutsche Geschichte, Von der germanischen Vorzeit bis zur Gegenwart, Leipzig 1937, S. 127.

[36] Karl Jordan: Investiturstreit und frühe Stauferzeit (= Handbuch der deutschen Geschichte, Band 4), München 101999.

[37] Papst Gregor VII. betonte zwar, Heinrich habe teilweise eigenmächtig gehandelt, doch ob dies nicht nur eine Schutzbehauptung des Kirchenoberhaupts war, bleibt ungewiss. Vgl. Das Register Gregors VII., hg. von Erich Caspar, MGH Epp. sel. 2, 2 Bände, Berlin 1920/23, IV, 12, S. 311-317; Althoff, S. 241-242.

[38] Obgleich der Begriff „Staufer“ erst für 1260 belegbar ist. Kaiserchronik eines Regensburger Geistlichen, hg. von Edward Schröder, MGH Dt. Chron. I, 1, Hannover 1892 1, Anhang 1, S. 397: „[…] einem Stoufaere“.

[39] Gräfin Mathilde von Tuszien setzte 1111 den Kaiser als Erben ein. Die Kirche erhob dennoch Anspruch auf die Güter. Vgl. Wolfgang Petke: Kanzlei, Kapelle und königliche Kurie unter Lothar III. (1125-1137) (= Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters, Band 5), Köln / Wien 1985, S. 165. Der Kaiser unternahm deshalb zwischen Februar 1116 und Anfang 1119 eine Reise nach Italien. Vgl. Thomas Groß: Lothar III. und die Mathildischen Güter (= Europäische Hochschulschriften, Band 419), Frankfurt am Main 1990, S. 32-35. Servatius setzt die Rückreise schon auf September 1118. Vgl. Carlo Servatius: Heinrich V. 1106-1125, in: H. Beumann (Hg.): Kaisergestalten des Mittelalters, 135-154, München 1984, S. 151.

[40] Lothar von Supplinburg, geboren Anfang Juni 1075 in Supplinburg - auch Süpplingenburg genannt -, gestorben am 3. / 4. Dezember 1137 in Breitenwang / Tirol, Sohn des Grafen Gebhard und der Hedwig von Formbach, gehörte dem sächsischen Hochadel an, denn über die väterliche Linie waren Verbindungen zu den Markgrafen von Walbeck und den Querfurtnern gegeben, außerdem, dies wiegt noch stärker, entstammte Mutter Hedwig aus der ersten Ehe Gertruds von Haldensleben mit Friedrich von Formbach. Durch die Heirat mit Richenza v. Northeim 1100 gewann Lothar Einfluss auf große Besitztümer, so die Güter Ottos von Northeim, die katlenburgischen Güter, und das brunonische Erbe. Zu Lothars Jugend ist nichts überliefert. Vgl. Wilhelm Bernhardi: Lothar von Supplinburg, Berlin 21975, S. 12.

[41] Annalista Saxo, hg. von G. Waitz, MGH SS 6, 542-777, Hannover 1844, S. 745: „[…]Ducatum Saxonie post Magnum ducem suscepit Lotharius sive Liuderus „comes de Suplingeburch […]“ Der Grund dürfte in Lothars Opposition gegen Heinrich IV zu finden sein. Vgl. Bernhardi, S. 15.

[42] Vgl. Egon Boshof: Die Salier, Stuttgart 31995, S. 281-282.

[43] „In ipsa nuptiarum sollempnitate Lotharius dux Saxonum, nudis pedibus, sago indutus coram omnibus ad pedes eius venit seque sibi tradidit. Tantus enim usque ad id temporis timor omnes principes invaserat, ut nullus rebellare auderet, vel rebellans cum maximo dampno sui vel etiam vitae detrimento in gratiam eius non rediret.“ Ottonis et Rahewini: Gesta Friderici I. imperatoris, hg. von G. Waitz, MGH SS 46, Hannover 1912, S. 15.

[44] Der Annalista Saxo, S. 765 erwähnt, dass „[…] inperatorem omnia que ad honorem regni convenirent tractare velle principum consilio.“

[45] Friedrich II., geboren 1090, gestorben zwischen dem 4. und 6. April 1147 im Schloss Hagenau, begraben im Benediktinerkloster Sankt Walburg im Heiligen Forst. Ältester Sohn Herzog Friedrichs I. und Agnes von Waiblingen, Tochter Heinrichs IV. Seit 1105, im Alter von 15 Jahren, Herzog von Schwaben. Otto von Freising lobt ihn über alle Maßen, nennt ihn tapfer, gewandt und höflich: „Erat autem praedictus dux in bellis fortis in negociis ingeniosus, vultu et animo serenus, in sermone urbanus donisseque ad serviendum illi ultro offerret […]“ Ottonis et Rahewini., S. 28.

[46] Casus monasterii Petrishusenses, hg. von O. Abel und L. Weiland, in: MGH SS 20, 621-683 Hannover 1868, S. 659: „Friderico duci Suevorum, filio sororis suae, summam rerum commendavit et ipse in Italiam secessit […]“ Bernhardi nimmt an, dass der Kaiser ihm Konrad, Friedrichs jüngerer Bruder, an die Seite gestellt hat. Jaffé glaubt jedoch, der Pfalzgraf Gottfried von Calw hätte mit Friedrich das Amt geteilt. Vgl. Bernhardi, S. 5 und 5 Anm. 12.

[47] Ottonis et Rahewini, S. 29-30.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783832483852
ISBN (Paperback)
9783838683850
DOI
10.3239/9783832483852
Dateigröße
567 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München – Geschichts- und Kunstwissenschaften
Erscheinungsdatum
2004 (November)
Note
2,0
Schlagworte
gegenkönig königswahl schisma hausgut reichsgut
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Titel: Lothars III. Kampf mit den Staufern
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