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Rechtsberatung im Wandel

Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Rechtsberatungsgesetz unter besonderer Berücksichtigung wirtschaftsrechtlicher Studiengänge

©2004 Diplomarbeit 81 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
„Das Rechtsberatungsgesetz entspricht in weiten Bereichen nicht mehr den tatsächlich gegebenen Verhältnissen in unserer Gesellschaft“. Dieses Zitat des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesjustizministerium Alfred Hartenbach anlässlich einer Tagung der Rechtsanwaltkammer Frankfurt am 05. März 2004 verdeutlicht den zunehmenden Reformbedarf des RBerG. Die Diskussion um das am 13. Dezember 1935 verabschiedete Gesetz wird ihren Höhepunkt in dem für Mitte diesen Jahres angekündigten Reformentwurf haben. In diesem Zusammenhang wird sich die Abteilung „Rechtsberatungsgesetz“ des 65. Deutschen Juristentages vom 21. - 24. September 2004 in Bonn damit beschäftigen.
Durch das RBerG wird die Befugnis zur Rechtsbesorgung einschließlich der Rechtsberatung ausschließlich in die Hände der Erlaubnisinhaber oder dazu berufenen Personen, insbesondere Rechtsanwälte und Notare, gelegt. Das so garantierte anwaltliche Beratungsmonopol sieht sich jedoch wachsender Kritik ausgesetzt. Während einige die Rechtsberatung weiterhin der Anwaltschaft vorbehalten wollen, gehen andere davon aus, dass der Rechtsberatungsmarkt grundsätzlich jedem offen stehen sollte.
Die Anhaltspunkte der Kritik sind dabei von unterschiedlicher Natur. So stand noch in den 70er Jahren die nationalsozialistische Herkunft des Gesetzes im Vordergrund; seit den 90er Jahren vollzieht sich darüber hinaus ein tief greifender Wandel auf dem Rechtsberatungsmarkt. Das Rechtsberatungsmonopol der Anwälte gerät zunehmend durch Konkurrenten, die auf dem Gebiet der nichtanwaltlichen Rechtsberatung auf den Markt drängen wollen, unter Druck. Dazu gehören vor allem Banken, Versicherungen, Unternehmensberater und Verbände. Alle Lebensbereiche sind rechtlich durchdrungen, so dass es heute immer mehr Rechtsgebiete und Spezialisierungen gibt. Dies macht auch eine Anpassung der Ausbildung erforderlich, wodurch neue Berufe entstehen. So wird beispielsweise kritisiert, dass sich die an den Fachhochschulen ausgebildeten Diplom-Wirtschaftsjuristen trotz der praxisnahen Ausbildung in den Bereichen Wirtschaft und Recht und einem erfolgreich abgeschlossenen Hochschulstudium nicht mit einer Rechtsberatungstätigkeit selbständig machen können.
Der Konkurrenzdruck auf dem nationalen Dienstleistungsmarkt wird aber auch durch die zunehmende europäische und internationale Öffnung des Rechtsberatungsmarktes weiter erhöht. So hat die Kommission der europäischen Gemeinschaft am 09. Februar 2004 in […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8366
Graumann, Stefan: Rechtsberatung im Wandel - Eine kritische Auseinandersetzung mit
dem Rechtsberatungsgesetz unter besonderer Berücksichtigung wirtschaftsrechtlicher
Studiengänge
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: Hochschule Wismar, Diplomarbeit, 2004
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2004
Printed in Germany

I
NHALTSVERZEICHNIS
1 E
INLEITUNG
...
1
1.1 P
ROBLEMSTELLUNG DER
A
RBEIT
...
1
1.2 Z
IELE UND
A
UFBAU DER
A
RBEIT
...
2
2
D
AS
R
ECHTSBERATUNGSGESETZ
...
3
2.1 H
ISTORIE
D
ES
R
ECHTSBERATUNGSGESETZES
...
3
2.1.1 Entstehungsgeschichte
...
3
2.1.2
Entwicklung nach 1945
....
5
2.2 Z
IELSETZUNG DES
G
ESETZGEBERS
...
7
2.2.1
Grundlagen
...
7
2.2.2
Verbraucherschutz
...
8
2.2.3
Reibungsloser Ablauf im Rechtsverkehr
...
9
2.2.4
Schutz des Anwaltsstandes
...
10
2.3 S
YSTEMATIK UND
E
INORDNUNG DES
R
ECHTSBERATUNGSGESETZES
...
11
2.4 T
ATBESTAND DES
A
RT
. 1 § 1 S. 1 R
ECHTSBERATUNGSGESETZ
...
15
2.5 R
EFORMBEDARF DES RECHTSBERATUNGSGESETZES
...
16
2.5.1 Rechtspolitische
Diskussion
...
16
2.5.2
Entwicklung in Europa
.................................................
20
2.5.3
Reformbedarf aufgrund neuer wirtschaftsrechtlicher Studiengänge
...
22
2.5.3.1 E
NTWICKLUNG UND
I
NHALT DES
S
TUDIENGANGS
WR
...
22
2.5.3.2 E
NTWICKLUNG UND
I
NHALT VON
B
ACHELOR
/M
ASTERS
...
24
2.5.3.3 W
IRTSCHAFTSRECHT ALS SCHLECHTERE
A
USBILDUNG
?
...
26

II
3 D
AS
R
ECHTSBERATUNGSGESETZ IM
S
PANNUNGSFELD ZWISCHEN
V
ERFASSUNGS
-
UND
G
EMEINSCHAFTSRECHT
...
29
3.1 R
ECHTSBERATUNGSGESETZ UND
V
ERFASSUNGSRECHT
...
29
3.1.1
Konflikt mit Grundrechten
...
29
3.1.2
Vereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 1 GG
...
33
3.1.2.1 S
CHUTZBEREICH
...
33
3.1.2.2 E
INGRIFF
......
34
3.1.2.3 R
ECHTFERTIGUNG
...
36
3.1.3
Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG
...
47
3.1.4
Vereinbarkeit mit Art. 2 Abs. 1 GG
...
48
3.2 R
ECHTSBERATUNGSKONZEPT UND
G
EMEINSCHAFTSRECHT
...
48
3.2.1 Regelungen
in
einigen europäischen Ländern
...
49
3.2.2
Internationale Anwendbarkeit des RBerG
...
52
3.2.3
Konflikt mit Grundfreiheiten
...
55
3.2.4
Vereinbarkeit mit Art. 43 EGV
...
57
3.2.4.1 A
NWENDBARKEIT
...
57
3.2.4.2 B
ESCHRÄNKUNG
...
58
3.2.4.3 R
ECHTFERTIGUNG
...
60
3.2.5 Vereinbarkeit mit Art. 49 EGV
...
62
3.2.5.1 A
NWENDBARKEIT
...
63
3.2.5.2 B
ESCHRÄNKUNG
......
64
3.2.5.3 R
ECHTFERTIGUNG
....................................................
64
3.2.6
Inländerdiskriminierung
.....
65
4 S
CHLUSSBETRACHTUNG
...
67
A
BKÜRZUNGSVERZEICHNIS
...
70
L
ITERATURVERZEICHNIS
...
71

1
1 E
INLEITUNG
1.1 P
ROBLEMSTELLUNG DER
A
RBEIT
,,Das Rechtsberatungsgesetz
1
entspricht in weiten Bereichen nicht mehr den tatsächlich gege-
benen Verhältnissen in unserer Gesellschaft".
2
Dieses Zitat des Parlamentarischen Staatssek-
retärs im Bundesjustizministerium Alfred Hartenbach anlässlich einer Tagung der Rechtsan-
waltkammer Frankfurt am 05. März 2004 verdeutlicht den zunehmenden Reformbedarf des
RBerG. Die Diskussion um das am 13. Dezember 1935 verabschiedete Gesetz wird ihren Hö-
hepunkt in dem für Mitte diesen Jahres angekündigten Reformentwurf
3
haben. In diesem Zu-
sammenhang wird sich die Abteilung ,,Rechtsberatungsgesetz" des 65. Deutschen Juristenta-
ges vom 21. - 24. September 2004 in Bonn damit beschäftigen.
4
Durch das RBerG wird die Befugnis zur Rechtsbesorgung einschließlich der Rechtsberatung
ausschließlich in die Hände der Erlaubnisinhaber oder dazu berufenen Personen, insbesondere
Rechtsanwälte und Notare, gelegt. Das so garantierte anwaltliche Beratungsmonopol sieht
sich jedoch wachsender Kritik ausgesetzt. Während einige die Rechtsberatung weiterhin der
Anwaltschaft vorbehalten wollen
5
, gehen andere davon aus, dass der Rechtsberatungsmarkt
grundsätzlich jedem offen stehen sollte.
6
Die Anhaltspunkte der Kritik sind dabei von unterschiedlicher Natur. So stand noch in den
70er Jahren die nationalsozialistische Herkunft des Gesetzes im Vordergrund;
7
seit den 90er
Jahren vollzieht sich darüber hinaus ein tief greifender Wandel auf dem Rechtsberatungs-
markt. Das Rechtsberatungsmonopol der Anwälte gerät zunehmend durch Konkurrenten, die
auf dem Gebiet der nichtanwaltlichen Rechtsberatung auf den Markt drängen wollen, unter
Druck. Dazu gehören vor allem Banken, Versicherungen, Unternehmensberater und Verbän-
de. Alle Lebensbereiche sind rechtlich durchdrungen, so dass es heute immer mehr Rechtsge-
biete und Spezialisierungen gibt. Dies macht auch eine Anpassung der Ausbildung erforder-
lich, wodurch neue Berufe entstehen. So wird beispielsweise kritisiert, dass sich die an den
Fachhochschulen ausgebildeten Diplom-Wirtschaftsjuristen trotz der praxisnahen Ausbildung
1
Bis zum Jahre 1958 war der ursprüngliche Titel ,,Rechtsberatungsmissbrauchsgesetz" (RBerMG). Für Vor-
gänge ab 1958 wird das Gesetz mit dem Titel ,,Rechtsberatungsgesetz" als ,,RBerG" zitiert.
2
Vgl. o.V., in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 8.3.2004, S. 13; Ruch,
Sonderbeilage ,,Beruf und Karriere" in
Financial Times Deutschland, 16.4.2004, S. 4
.
3
Lag bis zum Redaktionsschluss dieser Arbeit am 16.8.2004 noch nicht vor.
4
Vgl. Koch / Hamacher, AnwBl. 2004, S. 386.
5
Vgl. Henssler, AnwBl. 2001, S. 525 ff.; Koch, ZRP 2004, S. 158 f.
6
Vgl. Lehmann, NJ 2000, S. 337; Kleine-Cosack, NJW 2000, S.1596.
7
Vgl. Schneider, MDR 1976, S. 1; Reifner, JZ 1976, S. 509 ff.

2
in den Bereichen Wirtschaft und Recht und einem erfolgreich abgeschlossenen Hochschulstu-
dium nicht mit einer Rechtsberatungstätigkeit selbständig machen können.
8
Der Konkurrenzdruck auf dem nationalen Dienstleistungsmarkt wird aber auch durch die zu-
nehmende europäische und internationale Öffnung des Rechtsberatungsmarktes weiter erhöht.
So hat die Kommission der europäischen Gemeinschaft am 09. Februar 2004 in ihrem Bericht
über den Wettbewerb bei freiberuflichen Dienstleistungen angekündigt, das Rechtsbera-
tungsmonopol auf den Prüfstand zu stellen.
9
Ein weiterer Kritikpunkt an der starren Regelung ist das generelle Verbot der altruistischen
Rechtsberatung. Durch die Gesetzesnovelle von 1980, in der die Möglichkeit der Erlaubniser-
teilung auf fünf Berufsgruppen beschränkt wurde, war nunmehr dem Bürger auch die karitati-
ve oder sonst altruistische Rechtsberatung untersagt. Selbst Volljuristen können also die Er-
laubnis nicht mehr erhalten.
10
In diesem Zusammenhang werden verstärkt verfassungs- und gemeinschaftsrechtliche Beden-
ken geäußert, die es gilt genauer zu untersuchen. Vor diesem Hintergrund wird immer öfter
die Frage aufgeworfen, ob es eines solchen Gesetzes überhaupt noch bedarf
11
, oder ob es zu-
mindest grundlegend reformiert werden sollte.
12
Auch die gegenwärtig zunehmend geführte
rechtspolitische Diskussion macht deutlich, dass eine Klarstellung seitens des Gesetzgebers in
naher Zukunft unausweichlich sein wird.
1.2 Z
IELE UND
A
UFBAU DER
A
RBEIT
Die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ist es, vor dem zuvor beschriebenen Hintergrund
aufzuzeigen, wie sich das RBerG von seinem geschichtlichen Ursprung bis heute unter be-
sonderer Berücksichtigung der Gesetzesziele entwickelt hat. Neben dem Darstellen des der-
zeitigen Diskussionsstands und der Reformbedürftigkeit, wird die Arbeit insbesondere der
Frage nachgehen, ob es gerechtfertigt ist, Wirtschaftsjuristen den Zugang zum Rechtsbera-
tungsmarkt durch das RBerG zu verweigern. In diesem Zusammenhang wird besonders auf
den Studiengang Wirtschaftsrecht eingegangen und das Verbot der Rechtsberatung an verfas-
sungsrechtlichen Vorgaben untersucht und gemeinschaftsrechtliche Bedenken am RBerG
geprüft.
8
Vgl. Klees, NJ 2002, S. 17.
9
Vgl. Ahlers, AnwBl. 2004, S. 238.
10
Vgl. Kramer, KJ 2000, S. 606.
11
Vgl. Kleine-Cosack, NJW 2000, S. 1593; Lehmann, NJ 2000, S. 337; Rasehorn, DRiZ 2000, S. 442.
12
Vgl. Koch, ZRP 2004, S. 158.

3
Die vorliegende Arbeit ist in vier Gliederungspunkte unterteilt. Im ersten Punkt wird zu-
nächst die zu lösende Problemstellung aufgezeigt. Anschließend erfolgt die Darstellung der
Zielsetzung und des Aufbaus dieser Untersuchung. Unter Punkt zwei werden die Grundlagen
für die vorliegende Arbeit entwickelt. Zuerst erfolgt ein Abriss der Entstehungsgeschichte und
der weiteren Entwicklung des RBerG nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Danach werden
die vom Gesetzgeber verfolgten Ziele dargestellt. Zudem wird auf die teilweise Anerkennung
durch die Rechtssprechung als Gemeinwohl eingegangen. Als nächstes folgen Ausführungen
zur Systematik und der rechtlichen Einordnung des RBerG in die Normen des anwaltlichen
Berufsrechts, sowie dem Tatbestand des Art. 1 § 1 S. 1 RBerG.
Im Anschluss daran werden der Reformbedarf und der derzeitige Diskussionsstand aufge-
zeigt, und die Entstehung und der Inhalt wirtschaftsrechtlicher Studiengänge näher beleuchtet.
Gliederungspunkt drei setzt sich mit dem Rechtsberatungsgesetz im Spannungsfeld zwischen
Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht auseinander und geht dabei vorwiegend auf das Verbot
der Rechtsberatung für den Wirtschaftsjuristen ein. Den Abschluss dieser Arbeit bildet Punkt
vier mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse und einer kritischen Schlussbetrachtung.
2 D
AS
R
ECHTSBERATUNGSGESETZ
2.1 H
ISTORIE
D
ES
R
ECHTSBERATUNGSGESETZTES
2.1.1
Entstehungsgeschichte
Das Rechtsberatungsgesetz hat seinen Ursprung in der nationalsozialistischen Zeit und bedarf
daher einer genaueren Darstellung seiner Entstehungsgeschichte.
Vor 1933 unterlag die gewerbsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten den Be-
stimmungen der Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes von 1896. An nichtanwaltliche
,,Rechtskonsulenten" wurden keine besonderen Anforderungen gestellt. Lediglich hatte der,
der gewerblich Rechtsberatung ausübte, diese bei der Ordnungsbehörde gegen Aushändigung
des sogenannten Gewerbescheins anzumelden. Nach § 35 Gew0 a.F. konnte die Rechtsbera-
tung nur bei konkreter, insbesondere durch strafrechtliche Verurteilung erwiesener persönli-

4
cher Unzuverlässigkeit untersagt werden. Mit dieser liberalen Konzeption der nichtanwaltli-
chen Rechtsbesorgung brach das RBerMG.
13
Bis 1933 wuchs die Zahl der Rechtsanwälte stark an. Gab es 1880 im deutschen Reich noch
4091, so waren es bereits im Jahr 1913 12297 und 1933 19500 Rechtsanwälte. Dies und die
allgemeine negative wirtschaftliche Entwicklung während der Zeit der Weimarer Republik
führten zu einer katastrophalen wirtschaftlichen Lage der Anwaltschaft. Die durch Beschluss
des Vorstands vom Deutschen Anwaltverein im Jahre 1932 geforderte Zulassungssperre
machte sich die Anfang 1933 unter Hitler gegründete Reichsregierung zu eigen, allerdings mit
einer ganz anderen Zielsetzung. Im Vordergrund stand die Hinausdrängung jüdischer Rechts-
anwälte aus dem Anwaltstand.
14
Am 13. Dezember 1935
15
, ursprünglich als ,,Gesetz zur Verhütung von Missbräuchen auf dem
Gebiet der Rechtsberatung" geplant, wurde das RBerMG auf der Grundlage des Ermächti-
gungsgesetzes dem ,,Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich" vom 24. März 1933
16
erlassen. Zuvor wurden durch das ,,Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft" vom
07. April 1933
17
rassisch und politisch missliebige Personen aus der Anwaltschaft ausge-
schlossen oder ihnen der Zugang versperrt. Es richtete sich sowohl gegen die ,,nichtarischen"
Juristen, als auch gegen alle ,,Personen, die sich im kommunistischen Sinne betätigt haben".
Damit wurden die meisten jüdischen Juristen aus der Anwaltschaft, Justiz und Verwaltung
entfernt.
18
Durch das RBerG sollten eben diese daran gehindert werden, in die nichtanwaltli-
che Rechtsberatung auszuweichen, was zu einer stufenweisen Entrechtung der jüdischen An-
wälte führte. Die erste Ausführungsverordnung zum RBerG sah dies in § 5 vor: ,,Juden wird
die Erlaubnis nicht erteilt".
19
Dies führte zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz der
jüdischen und der politisch missliebigen Juristen.
20
Auch mit der gleichfalls am 13. Dezember
1935 erlassenen Rechtsanwaltsordnung und der völligen Beseitigung des Anspruchs auf An-
waltszulassung steht das Rechtsberatungsgesetz insoweit im Zusammenhang. ,,Unerwünscht
mussten den Machthabern gerade diejenigen Juristen erscheinen, die nicht nur durch die Ab-
legung der beiden Staatsexamina, sondern auch wegen ihrer mangelnden Anpassung an das
13
Vgl. Schönberger, NJW 2003, S. 250; Rasehorn, DRiZ 2000, S. 444.
14
Vgl. Römermann, JA 2004, S. 256; Römermann / Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, § 3, Rn. 9 ff.
15
Vgl. RGBl I, 1478.
16
Vgl. RGBl I, 42.
17
Vgl. RGBl I, 188.
18
Vgl.
www.rechtsberatungsgesetz.info/entstehung.html
(16.8.2004); Kramer, KJ 2000, S. 601f.
19
Vgl. RGBl I, 1481.
20
Vgl. König, RBerG ­ Grundfragen und Reformbedürftigkeit, 1993, S. 18 f.

5
Unrechtsregime zusätzlich durch rechtsstaatliche Standfestigkeit als zur Rechtsberatung be-
sonders geeignete Juristen ausgewiesen waren".
21
So sollte im Zuge der nationalistischen
Feindbekämpfung auch die juristische Intelligenz in einem Beruf mit ausgeprägtem Politbe-
zug von jeder Einflussnahme ausgeschaltet werden, wie es auch in anderen Bereichen der
Bildung und Kultur geschehen war. Die Machthaber erwarteten gerade auch von der nicht
gewerbsmäßig ausgeübten Rechtsberatung Störungen, denn derartige ,,Volksschädlinge" und
andere ,,unzuverlässige Elemente" hätten ja ,,Staatsfeinde" rechtlich beraten können. Folglich
bezog man die Volljuristen in das Verbot ein und stellte auch die uneigennützig geleistete
Rechtsberatung unterschiedslos unter Strafe.
22
2.1.2 Entwicklung nach 1945
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde durch den Alliierten Kontrollrat das RBerMG
nicht ausdrücklich aufgehoben. Vielmehr kam es durch das Kontrollgesetz Nr.1 vom 20. Sep-
tember 1945 nur zur Aufhebung des Ermächtigungsgesetzes, auf dem das RBerMG beruhte.
Dies entfaltete jedoch keine Rückwirkung, so dass dies nicht zur Beseitigung des RBerMG
führte.
23
Durch den Art. I der Kontrollratsproklamation vom 20. Oktober 1945 ist der Wegfall des § 5
der 1. AVO RBerMG (,,Juden wird die Erlaubnis nicht erteilt") und der in § 11 Abs. 2 der 1.
AVO RBerMG aufgestellten Erfordernissen, die Abstammung nachzuweisen, angeordnet
worden.
24
Im weiteren Verlauf bestätigte die Rechtssprechung
25
die Fortgeltung des Gesetzes ohne seine
antijüdischen Vorschriften. So wurde es schließlich 1958 unter der abgeänderten Überschrift
,,Rechtsberatungsgesetz" in die Sammlung des Bundesrechts aufgenommen.
26
Seit 1949 wurde das Rechtsberatungsgesetz verschiedentlich angepasst, wobei die zeitlichen
Abstände der Änderungen immer kürzer wurden. Waren es zwischen 1950 und 1960, wie
bereits erwähnt nur eine, folgten in den folgenden Dekaden jeweils zwei und in den Achtzi-
21
Vgl. Hennemann, Betrifft JUSTIZ 2000, S. 330.
22
Vgl. Kramer, KJ 2000, S. 602.
23
Vgl. Chemnitz / Johnigk, RBerG, Vorbem., Rn. 3.
24
Vgl. König, RBerG ­ Grundfragen und Reformbedürftigkeit, S. 19.
25
Vgl. OLG Hamm (Urt. v. 2.4.1951) ­ (2) 2 Ss 64/51 = NJW 1951, S. 815.
26
Vgl. Chemnitz / Johnigk, RBerG, Vorbem. Rn. 6.

6
gern drei Änderungen. Zwischen 1990 und 2000 wurde das Gesetz neunmal geändert. Weitere
drei Änderungen sind seit 2000 hinzugekommen.
27
Folgend werden der Übersichtlichkeit hal-
ber nur die wesentlichen Änderungen genannt.
1968 wurde die Strafbarkeit eines Verstoßes gegen die Erlaubnispflicht durch Umwandlung
des Art. 1 § 8 RBerG in eine Vorschrift über Ordnungswidrigkeiten beseitigt.
28
Wenige Jahre
später wurde ein weiterer Tatbestand zum Schutz der Berufsbezeichnung ,,Rechtsbeistand" in
Art. 1 § 8 RBerG angefügt, der bisher in § 132 a StGB geregelt war.
29
Zu einer Verschärfung des Gesetzes kam es 1980 im Zuge der Abschaffung des Berufes des
Vollrechtsbeistandes in Art. 2 des 5. BRAGOÄndG durch den Gesetzgeber. Folglich war es
nicht mehr möglich, dass Nichtrechtsanwälte eine umfassende Rechtsberatung Dritter beruf-
lich ausüben konnten. Sie war nun den Rechtsanwälten allein vorbehalten. Seitdem werden
abweichend von dem früheren Rechtszustand keine unbeschränkten Vollerlaubnisse, sondern
nur noch Teilerlaubnisse auf den in Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 RBerG abschließend aufgezählten
Rechtsgebieten erteilt.
30
Danach gilt dies für Rentenberater, Frachtprüfer, vereidigte Verstei-
gerer, Inkassounternehmer und Rechtskundige in einem ausländischen Recht und seit 1989
auch für den Beruf des Versicherungsberaters.
1994 erfuhr im Rahmen der Ratifizierung des Übereinkommens zur Errichtung der Welthan-
delsorganisation die in Art. 1 § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 RBerG geregelte Teilerlaubnisform für
Rechtskundige in einem ausländischem Recht eine Einschränkung. Davor konnte außereuro-
päischen Erlaubnisinhabern, auch ohne gesonderten Sachkundenachweis gewissermaßen als
automatischer Annex zur Rechtsbesorgungsbefugnis im ausländischen Recht, die Befugnis
zur Rechtsbesorgung auch auf dem Gebiet der Europäischen Gemeinschaft erteilt werden. Im
Rahmen den mit dem allgemeinen Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen
(GATS) eingegangenen Verpflichtungen, soll sich für Nichteuropäer die entsprechende Er-
laubnis nur noch auf das Recht ihres Herkunftsstaates beschränken. So steht nach der derzei-
tigen Rechtslage fest, dass das Gemeinschaftsrecht nur dann erfasst ist, wenn es sich bei dem
ihm zugrunde liegenden ausländischen Recht um das Recht eines Mitgliedsstaates handelt.
31
27
Vgl.
www.rechtsberatungsgesetz.info/gesetzgebung/aenderungen.html
, (16.8.2004).
28
Vgl. Weth, in: Hennsler / Prütting, BRAO, Einl. RBerG, Rn. 2.
29
Vgl. Chemnitz / Johnigk, RBerG, Vorbem. Rn. 6.
30
Vgl. Rennen / Caliebe, RBerG, Art. 1 § 1, Rn. 13.
31
Vgl. Weth, in: Hennsler / Prütting, BRAO, Art 1 § 1, Rn. 97 f.

7
1998 wurde der § 1 a in den Art. 1 des Gesetzes eingefügt. Dieser regelt die Bestellung eines
Abwicklers für den Fall, dass der Inhaber einer Erlaubnis verstorben ist oder seine Erlaubnis
widerrufen worden ist.
32
Eine Erweiterung der Aufgabenbereiche von Verbraucherzentralen, die bereits 1980 Einzug in
den Katalog der nicht vom RBerG berührten Tätigkeiten in Art. 1 § 3 RBerG hielten, erfolgte
2001. Nunmehr haben sie die Befugnis, als Prozessstandhafter oder Zessionar nach Abtretung
der entsprechenden Forderung des Verbrauchers Zahlungsansprüche von Verbrauchern ge-
richtlich geltend zu machen.
33
Seit dem 03. Oktober 1990 ist das Rechtsberatungsgesetz Gegenstand des Einigungsvertrages
und gilt nun in ganz Deutschland. Das RBerMG ist in der sowjetischen Besatzungszone sowie
in der ehemaligen DDR niemals formell aufgehoben oder geändert worden. Vielmehr galt es
in seiner ursprünglichen Fassung von 1935 bis zur Wiedervereinigung Deutschlands weiter,
hatte aber in der Praxis wenig Bedeutung.
34
Ab dem Jahre 1984 wurde mittels anderer
Rechtsvorschriften geregelt, Missbräuche auf dem Gebiet der Rechtsberatung in Gestalt ent-
geltlicher Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten zu unterbinden.
35
So hat der Gesetzgeber im Laufe der Zeit den Erlaubnisbereich des RBerG stark einge-
schränkt und den Ausnahmekatalog für spezielle Gruppen im geringen Maße erweitert.
2.2 Z
IELSETZUNG DES
G
ESETZGEBERS
2.2.1 Grundlagen
Neben der antisemitischen Zielsetzung, wie bereits unter 2.1.1 dargestellt, wurden in der amt-
lichen Begründung zum Rechtsberatungsmissbrauchgesetz vom 13. Dezember 1935 aus-
drücklich drei Gesetzesziele
36
angegeben:
Die Regelung verfolgte zum einen den ,,Schutz der Rechtssuchenden, auf die das Winkelkon-
sulententum von jeher vielfach eine bedenklich starke Anziehungskraft ausgeübt hat". Die
Begründung spricht weiterhin vom ,,Interesse der Behörden und sonstigen Dienststellen, de-
32
Vgl. Weth, in: Hennsler / Prütting, BRAO, Einl. RBerG, Rn. 2.
33
Vgl. Reich, VuR 1996, S. 143; Heidemann-Peuser, VuR 2002, S. 455.
34
Vgl. Chemnitz / Johnigk, RBerG, Vorbem. Rn. 13.
35
Vgl. Treffkorn, Rbeistand 1991, S. 41.
36
Vgl. RStBl. 1935, S.1528 abgedruckt in: Altenhoff / Busch / Chemnitz, RBerG, Anhang B, S. 359.

8
ren Arbeit häufig durch die Tätigkeit nicht hinreichend sachkundiger Vertreter wesentlich
erschwert wird". Schließlich wird der Schutz der Anwaltschaft angesprochen: ,,Wenn der
Staat im Wege besonders langer Ausbildung auf einem bestimmten Gebiet einen besonderen
Berufsstand schafft, wenn er diesen durch berufs- und standesrechtliche Regeln, Gebühren-
ordnung usw. in der Berufsausübung weitgehenden Bindungen unterwirft, so muss er ihm
auch ein ausreichendes Arbeitsfeld sichern und ihn gegen den Wettbewerb anderer schützen,
die gleichartigen Bindungen nicht unterworfen sind".
Inwieweit die zuvor beschriebenen Gesetzesziele im Einzelnen konkretisiert und welche als
Gemeinwohl anerkannt worden, soll nun Gegenstand der weiteren Ausführungen sein. In
Rechtsprechung und Literatur sind die Gesetzesziele im Einzelnen wie folgt beschrieben wor-
den:
2.2.2 Verbraucherschutz
Das erste Ziel des Gesetzes, der Schutz der Rechtsuchenden, dient dem allgemeinen Verbrau-
cherschutz und wird als Hauptschutzrichtung angesehen. Denn auch der Rechtssuchende be-
findet sich, wenn er seine Rechtsangelegenheiten in fremde Hände legt, in einer klassischen
Verbraucherlage. Zumindest wenn er hierfür in irgendeiner Weise ein Entgelt entrichtet. Die
Qualität der Rechtsberatung lässt sich aufgrund fehlender spezieller Rechtskenntnisse als Laie
nicht annähernd richtig bewerten, wie es bei dem Erwerb von Waren oder der Entgegennahme
sonstiger Dienstleistungen noch teilweise möglich ist.
37
Der Rechtssuchende soll vor der Gefahr bewahrt werden, die Erledigung seiner Rechtsange-
legenheiten Personen zu überlassen, die nicht über die für die ordnungsgemäße Erledigung
erforderliche Sachkenntnis verfügen.
38
Es soll dadurch verhindert werden, dass der Rechtssu-
chende durch fehlerhafte Rechtsbesorgung Rechtsnachteile erleidet oder Rechtspositionen
verliert. Denn der Schaden erschöpft sich regelmäßig nicht in der minderwertigen Leistung,
die er für das Entgelt erhält. Ihm drohen möglicherweise der Verlust anvertrauter Gelder und
sonstiger Vermögenswerte.
39
37
Vgl. König, RBerG ­ Grundfragen und Reformbedürftigkeit, S. 22; Schneider, MDR 1976, S. 1.
38
Vgl. Senge, in: Erbs / Kohlhaas, RBerG, Vorb. Rn. 2; OLG Hamm (Urt. v. 13.11.1953) ­ 9 u 19/53 = NJW
1954, S. 517; BVerfG (Beschl. v. 15.12.1999) ­ 1 BvR 2161/93 = NJW 2000, S. 1251.
39
Vgl. König, RBerG ­ Grundfragen und Reformbedürftigkeit, S. 22.

9
Auch habe der Staat derzeit ein hohes Interesse daran, dass dem Bürger die sensible Rechts-
materie durch Personen erschlossen werde, die kraft ihrer Vorbildung und Berufserfahrung,
aber auch und gerade wegen ihrer besonderen Berufspflichten (Wahrheitsgebot, Gewissenhaf-
tigkeit, Unabhängigkeit, Verschwiegenheit, Verbot der Wahrnehmung widerstreitender Inte-
ressen) eine besondere Gewähr für eine zuverlässige Arbeit und eine am Gedanken des Rechts
orientierte Rechtsverwirklichung bieten.
40
Diese Berufspflichten sind teilweise sogar straf-
rechtlich abgesichert (§§ 203, 356 StGB). Hinzu tritt die vorgeschriebene Berufshaftpflicht-
versicherung mit einer Mindestdeckungssumme von EUR 250.000,- (§ 51 BRAO).
41
Die Schutzrichtung des Rechtsberatungsgesetzes umfasst darüber hinaus das Ziel, vor solchen
Personen zu schützen, die aus anderen Gründen als mangelnder Sachkunde nicht die erforder-
liche Gewähr für eine sachgemäße Beratung bieten, etwa weil sie durch ungeordnete wirt-
schaftliche Verhältnisse eine Gefahr für den Rechtsuchenden und die Allgemeinheit darstel-
len. Dem Rechtsberater anvertraute Gelder könnten der Gefahr des Verlustes ausgesetzt
sein.
42
In diesem Fall ist die Durchsetzbarkeit von Haftungsansprüchen gegenüber dem
Rechtsberater gefährdet, wenn keine Berufshaftpflichtversicherung besteht. Das Bundesver-
fassungsgericht
43
hat den Schutz der Rechtssuchenden als wichtigen Gemeinwohlbelang i.S.v.
Art. 12 GG angesehen.
2.2.3 Reibungsloser Ablauf im Rechtsverkehr
Zweitens soll das Rechtsberatungsgesetz aber auch die reibungslose Abwicklung des Rechts-
verkehrs, das heißt des Verkehrs der Rechtssuchenden mit Gerichten und Behörden, gewähr-
leisten, um somit eine geordnete und funktionsfähige Rechtspflege zu ermöglichen.
44
Insbesondere die Durchführung von Rechtsstreitigkeiten soll nicht durch die Einschaltung von
Personen, die nicht über die persönliche Zuverlässigkeit, Eignung und Sachkunde verfügen,
behindert werden.
45
Solche Berater könnten die Rechtspflege beispielsweise dadurch unnötig
behindern, dass sie sogar eher zur Missachtung geltenden Rechts bereit sind.
46
Auch soll den
öffentlichen Stellen, den Ämtern, Behörden und Gerichten erspart werden, dass sie sich mit
40
Vgl. Busse, NJW 1999, S.1084.
41
Vgl. Hennsler, AnwBl. 2001, S. 527.
42
Vgl. Rennen / Caliebe, RBerG, Art. 1 § 1, Rn. 11; BVerwG (Urt. v. 3.5.1977) ­ I C 43/74 = NJW 1977, S.
2178.
43
Vgl. BVerfG (Beschl. v. 20.2.2002) ­ 1 BvR 423/99 = NJW 2002, S. 1191; BVerfG (Beschl. v. 22.12.2000 ­ 1
BvR 717/97 = NZA 2001, S. 631; BVerfG (Beschl. v. 29.10.1997) ­ 1 BvR 780/87 = NJW 1998, S. 3482.
44
Vgl. Kleine-Cosack, NJW 2003, S. 3012.
45
Vgl. Chemnitz / Johnigk, RBerG, Art.1 § 1, Rn. 18.
46
Vgl. Weth, in: Hennsler / Prütting, BRAO, Einl. RBerG, Rn. 6.

10
Ersuchen oder Klagen auseinandersetzen müssen, die aus einer juristisch nicht kompetenten
Beurteilung der Sach- und Rechtslage erwachsen können. (Dabei ist aber zu beachten, dass
dieses Ziel auch dort nicht vollständig erreicht wird, wo ein Anwaltzwang nicht besteht.)
Darüber hinaus sind möglicherweise auch Dritte schützenswert, denen gegenüber durch falsch
beratene Rechtssuchende unberechtigte Ansprüche geltend gemacht werden oder deren be-
rechtigte Ansprüche zurückgewiesen werden.
47
Nach Ansicht des Bundesverfassungsge-
richts
48
dient auch der Schutz des reibungslosen Ablauf des Rechtsverkehrs wichtigen Ge-
meinwohlbelangen i.S.v. Art. 12 GG.
2.2.4 Schutz des Anwaltsstandes
Schließlich soll das Rechtsberatungsgesetz den Anwaltsstand schützen. Diesem dritten ur-
sprünglich verfolgten wettbewerbsbezogenen Gesetzesziel kommt aber keine nennenswerte
Bedeutung mehr zu. Es sollte dazu dienen, den Anwaltstand und andere zugelassene Rechts-
berater vor nicht hinlänglich qualifizierten Rechtsberatern bzw. vor dem Wettbewerb mit
rechtsberatenden Personen zu schützen, die nicht den strengen für Rechtsanwälte geltenden
gesetzlichen Berufsausübungsvorschriften, unterliegen, wie insbesondere standesrechtliche
und gebührenrechtliche Schranken.
49
So ist beispielsweise für Rechtsanwälte die Werbung
nur eingeschränkt möglich, wodurch sie sich gegenüber den von derartigen Bindungen freien
Mitbewerbern in einer schwierigeren Wettbewerbsposition befinden. So wird es teilweise als
Schutzgesetz zugunsten des Anwaltstandes im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB verstanden.
50
Die Anwaltschaft wird durch das RBerG nicht zum Selbstzweck, sondern nur und gerade we-
gen ihrer Dienste für die Rechtssuchenden und wegen Ihrer Funktion für eine funktionierende
Rechtspflege geschützt. Insofern bezweckt das RBerG nicht den grundsätzlichen Schutz des
Anwaltstandes vor dem Wettbewerb und Konkurrenz. Vielmehr werden die Anwälte durch
den Erlaubniszwang nach Art. 1 § 1 RBerG nur vor der unqualifizierten Konkurrenz ge-
schützt, nicht aber vor der objektiv rechtswidrigen Erteilung von Erlaubnissen an Antragstel-
ler. Ein einzelner Rechtsanwalt kann beispielsweise auch nicht gegen die einem Dritten von
47
Vgl. König, RBerG ­ Grundfragen und Reformbedürftigkeit, S. 24.
48
Vgl. BVerfG (Beschl. v. 20.2.2002) ­ 1 BvR 423/99 = NJW 2002, S. 1191; BVerfG (Beschl. v. 22.12.2000 ­ 1
BvR 717/97 = NZA 2001, S. 631; BVerfG (Beschl. v. 29.10.1997) ­ 1 BvR 780/87 = NJW 1998, S. 3482.
49
Vgl. Chemnitz / Johnigk, RBerG, Art.1 § 1, Rn. 19.
50
Vgl. Rennen / Caliebe, RBerG, Art. 1 § 1, Rn. 11.

11
der Erlaubnisbehörde objektiv rechtswidrig erteilte Erlaubnis zur Rechtsberatung vorgehen,
da ein so weit gehender Drittschutz nicht gewährt wird.
51
Mit dem Wettbewerbsschutz hat sich das Bundesverfassungsgericht in seiner ,,Masterpat-
Entscheidung"
52
beschäftigt. Seit der bedeutsamen Entscheidung zur Erlaubnispflicht der Pa-
tentgebührenüberwachung wird ein auf die Anwaltschaft bezogener Gemeinwohlzweck im
Gegensatz zu den anderen beiden zuvor beschriebenen Zielrichtungen ausdrücklich verneint
und einer sich auf den Wettbewerbsschutz der Anwaltschaft stützenden Argumentation eine
klare Absage erteilt. Der Schutz der Anwaltschaft halte heute der verfassungsrechtlichen Prü-
fung nicht mehr stand, weil der Konkurrenzschutz als solcher kein Gemeinwohlbelang ist. Zu
den Gemeinwohlbelangen im Zusammenhang mit einer ordnungsgemäßen Rechtspflege zähle
auch der Erhalt einer leistungsfähigen Berufsgruppe. ,,Dieser Belang sei allerdings nur inso-
fern von Bedeutung, als er dem unmittelbaren Gesetzeszweck des Verbraucherschutzes diene.
Schutz vor Wettbewerb könne allenfalls dann geboten sein, wenn sonstige Gemeinwohlbelan-
ge gefährdet würden, denen die Zugangsschranken oder Berufsausübungsregeln eines Berufes
gerade zu dienen bestimmt seien.", so das BVerfG. Grundrechte könnten nicht zum Schutz
vor oder gegen Konkurrenz dienen, soweit der Bestand der für eine ordnungsgemäße Rechts-
pflege und für den Rechtsstaat benötigten Anwaltschaft nicht gefährdet sei. Folglich darf im
Rahmen der Gesetzesauslegung zur Prüfung eines Grundrechtseingriffs durch das RBerG der
Konkurrenzschutzgedanke nicht als Gemeinwohlbelang i.S.v. Art. 12 GG herangezogen wer-
den.
53
2.3 S
YSTEMATIK UND RECHTLICHE
E
INORDNUNG DES
R
ECHTSBERATUNGSGESETZES
Das Rechtsberatungsgesetz regelt mit seinen Artikeln und den zu ihm ergangenen Ausfüh-
rungsverordnungen umfassend die berufsrechtliche Befugnis zur Besorgung fremder Rechts-
angelegenheiten und stellt sich damit als allgemeine Regelung des Rechtsberatungswesens
und als Berufsordnungsrecht der Rechtsbeistände dar.
54
51
Vgl. Weth, in: Hennsler / Prütting, BRAO, Einl. RBerG, Rn. 7.
52
Vgl. BVerfG (Beschl. v. 29.10.1997) ­ 1 BvR 780/87 = NJW 1998, S.3481.
53
Vgl. Kleine-Coack, BB 2000, S. 2111; BVerfG (Beschl. v. 29.10.1997) ­ 1 BvR 780/87 =NJW 1998, S. 3483.
54
Vgl. Chemnitz / Johnigk, RBerG, Art. 1 § 1, Rn. 16.

12
Zunächst enthält das Rechtsberatungsgesetz in Art. 1 § 1 die Grundregel der behördlichen
Erlaubnis. In den §§ 2, 3 und 5 - 7 des Art. 1 werden davon Ausnahmen gemacht. § 4 regelt
die Abgrenzung zur Steuerhilfe und in § 8 sind die Sanktionen eines Verstoßes gegen die
Vorschriften des RBerG geregelt.
§ 1 Abs. 1 S. 1 RBerG regelt die Erlaubnispflichtigkeit der Rechtsberatung und -besorgung in
Form eines präventiven Verbotes mit Erlaubnisvorbehalt.
55
So dürfen nur die Personen
rechtsberatend tätig werden, denen dazu von der zuständigen Behörde die Erlaubnis erteilt
worden ist. Dies bedeutet, dass vorweg behördlich geprüft werden soll, ob eine bestimmte
Person die erforderlichen Voraussetzungen für die Rechtsberatung erfüllt.
In Art. 1 § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 - 6 RBerG werden die Erlaubnisformen für bestimmte einzelne
Berufe genannt, denen jeweils für einen Sachbereich die Erlaubnis erteilt werden kann. Er-
laubnisinhaber sind beispielsweise Rentenberater oder Versicherungsberater.
Die Ausnahme in Art. 1 § 2 RBerG von der Erlaubnispflicht betrifft die Erstattung von wis-
senschaftlich begründeten Gutachten, sowie die Übernahme der Tätigkeit als Schiedsrichter.
In Art. 1 § 3 RBerG werden zulässige Tätigkeiten genannt, die durch das Gesetz nicht berührt
werden. Von der Erlaubnispflicht befreit sind beispielsweise Behörden, Notare, Rechtsanwäl-
te sowie Verbraucherverbände.
Art. 1 § 4 Abs. 1 RBerG regelt, dass die nach Art. 1 § 1 RBerG erteilte Erlaubnis nicht die
Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen gewährt, ebenso wie umgekehrt
die Befugnis zur Steuerhilfe nicht zur Rechtsbesorgung in sonstigen Angelegenheiten ermäch-
tigt.
Eine weitere Ausnahme bestimmt Art. 1 § 5 RBerG. Dieser erlaubt Angehörigen bestimmter
Berufe, einzelne rechtliche Angelegenheiten zu erledigen, die in unmittelbarem Zusammen-
hang mit einem konkreten Geschäft ihrer eigenen Berufstätigkeit stehen. So darf beispielswei-
se ein ,,öffentlich bestellter Wirtschaftsprüfer ... in Angelegenheiten, mit denen sie beruflich
befasst sind, auch rechtliche Bearbeitung übernehmen, soweit diese mit dem Aufgaben des
Wirtschaftsprüfers ... in unmittelbaren Zusammenhang steht und diese Aufgaben ohne die
Rechtsberatung nicht sachgemäß erledigt werden kann."
55
Vgl. Rennen / Caliebe, RBerG, Art.1 § 1, Rn. 8.

13
Durch Art. 1 § 6 RBerG wird die Rechtsbesorgung durch Angestellte vom Erlaubniszwang
freigestellt. Hierunter fällt der Syndikusanwalt, soweit er als Angestellter seines Dienstherrn
handelt.
56
Gleichzeitig wird durch die Vorschrift der Rahmen abgesteckt, in dem sich der
Dienstherr bei der Erledigung von Rechtsangelegenheiten der Mitwirkung Dritter bedienen
darf, ohne selbst gegen das Rechtsberatungsgesetz zu verstoßen.
Art. 1 § 7 RBerG enthält die Ausnahme von der Erlaubnispflicht zu Gunsten bestimmter be-
rufsständiger oder berufsstandähnlicher Vereinigungen, soweit sie ihren Mitgliedern im Rah-
men ihres Aufgabenbereichs Rat und Hilfe in Rechtsangelegenheiten gewährt. Daneben sieht
er die Möglichkeit eines behördlichen Verbots dieser Tätigkeit vor.
Schließlich regelt Art. 1 § 8 RBerG die Folgen eines Verstoßes gegen die Erlaubnispflicht,
sowie ein nach Art. 1 § 7 S. 2 RBerG erlassenes behördliches Verbot der Rechtsbesorgung.
Dabei handelt es sich um Ordnungswidrigkeiten.
Im folgenden soll nun kurz das RBerG in die Normen des anwaltlichen Berufsrechts einge-
ordnet werden. Das Grundgesetz, insbesondere mit seinem in Art. 12 festgeschriebenen
Grundrecht auf Berufsfreiheit, steht in der Normenhierarchie auf der nationalen Ebene an ers-
ter Stelle und ist bei der Auslegung des RBerG immer heranzuziehen.
Die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) vom 01. August 1959 enthält die wichtigsten ein-
fachgesetzlichen Regelungen für die Anwaltschaft. Sie regelt beispielsweise die Vorausset-
zungen der Zulassung und die Rechte und Pflichten des Rechtsanwaltes.
Die Berufsordnung (BerufsO) vom 29. November 1996 und die Fachanwaltsordnung (FAO)
vom selbem Tage spielen als untergeordnete Regelwerke im Anwaltsrecht eine erhebliche
praktische Rolle. Während die Berufsordnung die allgemeinen Berufspflichten aus dem drit-
ten Teil der Bundesrechtsanwaltsordnung konkretisiert, sind in der Fachanwaltsordnung die
möglichen Bezeichnungen abschließend geregelt, wie auch das notwendige Verfahren.
57
Die Bundesrechtsanwaltgebührenordnung (BRAGO) von 1957 wurde zum 01. Juli 2004
durch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) abgelöst, welches insbesondere detaillierte
Gebührentatbestände und Gebührentabellen enthält.
Das europäische Rechtsanwaltsgesetz (EuRAG) vom 09. März 2000 und die Berufsregeln der
Rechtsanwälte der europäischen Gemeinschaft (CC-BE) vom 28. Oktober 1988 regeln die
grenzüberschreitende Berufsausübung von Anwälten und erlangen immer größere Bedeutung.
56
Vgl. Jessnitzer / Blumberg, BRAO, § 3, Rn. 4.
57
Vgl. Römermann / Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, § 5, Rn. 6 ff.

14
Das europäische Rechtsanwaltsgesetz ist maßgeblich für den europäischen Anwalt, der aus
einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union in Deutschland tätig wird und fasst in
einem einzigen Gesetz die Niederlassungsrichtlinie und die schon früher erfolgte Umsetzung
der Diplomanerkennungsrichtlinie und der Dienstleistungsrichtlinie für Rechtsanwälte zu-
sammen.
58
Die Berufsregeln der Rechtsanwälte der europäischen Gemeinschaft enthalten insbesondere
Regeln über das Verhalten gegenüber Mandanten, den Gerichten und Kollegen, darüber hin-
aus auch allgemeine Grundsätze wie etwa die Unabhängigkeit, das Berufsgeheimnis und der
Werbung. Für deutsche Rechtsanwälte sind diese bei einer grenzüberschreitenden Tätigkeit
aufgrund der Verweisung in § 29 Abs. 1 BerufO verbindlich.
59
Abbildung 1 soll diese Einordnung verdeutlichen.
Abb. 1: Normen des anwaltlichen Berufsrechts
60
58
Vgl. Hellwig, in: Klein / Ott / Zerdick, Kurz-Kommpendium zum EuRAG, S. 9.
59
Vgl. Römermann / Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, § 5, Rn. 13 f.
60
Vgl. Römermann / Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, S. 28.
Grundgesetz
(GG)
insb.: Art. 12,Art.3
Dienstleistungs-RL
Niederlassungs-RL
Hochschuldiplom-
Anerkennungs-RL
EuRAG
(2000)
RBerG
(1935)
BRAO
(1959)
BRAGO
(1957)
jetzt RVG
CCBE-
Be-
rufs-
regeln
BerufsO
(1996)
FAO
(1996)
§ 29 I BerufsO

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783832483661
ISBN (Paperback)
9783838683669
DOI
10.3239/9783832483661
Dateigröße
658 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Wismar – Wirtschaft
Erscheinungsdatum
2004 (Oktober)
Note
1,3
Schlagworte
verfassung europarecht rechtsberatungsmonopol wirtschaftsjurist rechtswissenschaft
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