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Bilanzierung von Entsorgungs- und Rekultivierungsverpflichtungen und die Konkretisierung durch den Interpretationsentwurf IFRIC D2

©2004 Diplomarbeit 71 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Der Abbau von Bodenschätzen und die Erzeugung von Strom haben in unserer Industriegesellschaft zunehmend an Bedeutung gewonnen. Überall auf der Welt entstehen neue Kernkraftwerke und Tagebauten zur Rohstoffgewinnung. Mit der Errichtung und Inbetriebnahme von solchen Werken entsteht jedoch in den meisten Ländern eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Entsorgung radioaktiver Abfälle und zur Rekultivierung der Werke nach Ablauf der Nutzungsdauer. Dabei stellt sich die Frage, wie die immensen zukünftigen Entsorgungskosten finanziert werden. Eine quantitative Abschätzung der Entsorgungskosten ist mit großen Unsicherheiten behaftet, da z.B. im kerntechnischen Bereich noch keine Erfahrungswerte vorhanden sind.
Um zukünftige Entsorgungskosten finanzieren zu können, sieht der Gesetzgeber eine Bilanzierung von Entsorgungs- und Rekultivierungsverpflichtungen vor. Dieser Bilanzierung kommt die Aufgabe zu, die künftigen Entsorgungskosten, die in der heutigen Nutzung eines solchen Werkes begründet liegen, dem Zeitpunkt ihrer wirtschaftlichen Verursachung zuzurechnen. Dabei vermindert die Bildung von Entsorgungs- und Rekultivierungsverpflichtungen den zu versteuernden Gewinn und somit die Ertragssteuerbelastung der entsorgungspflichtigen Werksbetreiber. Die durch diese Steuerstundung generierten Gelder stehen dem jeweiligen Unternehmen bis zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit in voller Höhe zur freien Verfügung und können z.B. zur kostengünstigen Innenfinanzierung herangezogen werden.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit die Bilanzierung von solchen Entsorgungs- und Rekultivierungsverpflichtungen nach den verschieden Rechnungslegungssystemen zweckmäßig ist und wie diese Verpflichtungen behandelt werden, wenn sich die Gesetzeslage nach einigen Jahren verschärfen sollte.
Zwischen den verschiedenen Rechnungslegungssystemen nach dt. Recht, US-GAAP und IFRS gibt es bezüglich der Behandlung von Entsorgungs- und Rekultivierungsverpflichtungen zum Teil gravierende Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten. Anfang September 2003 wurde der Interpretationsentwurf IFRIC D2 veröffentlicht, welcher Richtlinien zur Bilanzierung solcher Verpflichtungen nach IFRS beinhaltet. Ob dieser Entwurf zukunftsweisend ist und welches Rechnungslegungssystem die Bilanzierung von Entsorgungs- und Rekultivierungsrückstellungen am besten erfasst, wird in dieser Arbeit analysiert.
Gang der Untersuchung:
Ziel dieser Diplomarbeit ist es, die […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Gang der Untersuchung

2 Darstellung der Regelungen zur Bilanzierung von Entsorgungs- und Rekultivierungsverpflichtungen
2.1 Bilanzierung nach dt. Recht
2.1.1 Grundlagen der Rückstellungsbildung
2.1.2 Ansatz
2.1.3 Bewertung
2.1.3.1 Zugangsbewertung
2.1.3.2 Folgebewertung
2.1.4 Problembereiche
2.2 Bilanzierung nach US-GAAP
2.2.1 Grundlagen der Rückstellungsbildung
2.2.2 Ansatz
2.2.3 Bewertung
2.2.3.1 Zugangsbewertung
2.2.3.2 Folgebewertung
2.2.4 Problembereiche
2.3 Bilanzierung nach IFRS
2.3.1 Grundlagen der Rückstellungsbildung
2.3.2 Ansatz
2.3.3 Bewertung
2.3.3.1 Zugangsbewertung
2.3.3.2 Folgebewertung
2.3.4 Problembereiche
2.4 Zwischenfazit

3 Vorstellung des Interpretationsentwurfes IFRIC D2
3.1 Darstellung des IFRIC D2
3.2 Wesentliche Elemente des IFRIC D2 und weitere Vorgehensweise
3.3 Vergleich des IFRIC D2 mit anderen Normen
3.3.1 IFRIC D2 – IAS 8
3.3.2 IFRIC D2 – IAS 16
3.3.3 IFRIC D2 – IAS 37
3.3.4 IFRIC D2 – IAS 19
3.3.5 IFRIC D2 – Framework
3.4 Vergleich des IFRIC D2 mit weiteren Lösungen
3.4.1 IFRIC D2 – IDW
3.4.2 IFRIC D2 – SFAS 143
3.5 Zusammenfassende Beurteilung des IFRIC D2

4 Zusammenfassung

Urteilsverzeichnis

Quellenverzeichnis

Materialverzeichnis

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Der Abbau von Bodenschätzen und die Erzeugung von Strom haben in unserer Industriegesellschaft zunehmend an Bedeutung gewonnen. Überall auf der Welt entstehen neue Kernkraftwerke und Tagebauten zur Rohstoffgewinnung. Mit der Errichtung und Inbetriebnahme von solchen Werken entsteht jedoch in den meisten Ländern eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Entsorgung radioaktiver Abfälle und zur Rekultivierung der Werke nach Ablauf der Nutzungsdauer. Dabei stellt sich die Frage, wie die immensen zukünftigen Entsorgungskosten finanziert werden. Eine quantitative Abschätzung der Entsorgungskosten ist mit großen Unsicherheiten behaftet, da z.B. im kerntechnischen Bereich noch keine Erfahrungswerte vorhanden sind.

Um zukünftige Entsorgungskosten finanzieren zu können, sieht der Gesetzgeber eine Bilanzierung von Entsorgungs- und Rekultivierungsverpflichtungen vor. Dieser Bilanzierung kommt die Aufgabe zu, die künftigen Entsorgungskosten, die in der heutigen Nutzung eines solchen Werkes begründet liegen, dem Zeitpunkt ihrer wirtschaftlichen Verursachung zuzurechnen. Dabei vermindert die Bildung von Entsorgungs- und Rekultivierungsverpflichtungen den zu versteuernden Gewinn und somit die Ertragssteuerbelastung der entsorgungspflichtigen Werksbetreiber. Die durch diese Steuerstundung generierten Gelder stehen dem jeweiligen Unternehmen bis zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit in voller Höhe zur freien Verfügung und können z.B. zur kostengünstigen Innenfinanzierung herangezogen werden.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit die Bilanzierung von solchen Entsorgungs- und Rekultivierungsverpflichtungen nach den verschieden Rechnungslegungssystemen zweckmäßig ist und wie diese Verpflichtungen behandelt werden, wenn sich die Gesetzeslage nach einigen Jahren verschärfen sollte.

Zwischen den verschiedenen Rechnungslegungssystemen nach dt. Recht, US-GAAP und IFRS gibt es bezüglich der Behandlung von Entsorgungs- und Rekultivierungsverpflichtungen zum Teil gravierende Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten. Anfang September 2003 wurde der Interpretationsentwurf IFRIC D2 veröffentlicht, welcher Richtlinien zur Bilanzierung solcher Verpflichtungen nach IFRS beinhaltet. Ob dieser Entwurf zukunftsweisend ist und welches Rechnungslegungssystem die Bilanzierung von Entsorgungs- und Rekultivierungsrückstellungen am besten erfasst, wird in dieser Arbeit analysiert.

1.2 Gang der Untersuchung

Ziel dieser Diplomarbeit ist es, die Bilanzierung von Entsorgungs- und Rekultivierungsverpflichtungen in den verschiedenen Rechnungslegungssystemen miteinander zu vergleichen und zu bewerten. Dabei werden Konkretisierungsansätze wie z.B. der IFRIC D2 vorgestellt und analysiert. Um das Ziel zu erreichen, wird folgende Vorgehensweise gewählt:

In Teil 2 werden die bestehenden Regelungen zur Bilanzierung von Entsorgungs- und Rekultivierungsrückstellungen nach den verschiedenen Rechnungslegungssystemen dargestellt. Dabei wird zum einen der grundsätzliche Ansatz erörtert, des Weiteren erfolgt eine Betrachtung der Zugangs- und Folgebewertung. Letztendlich wird auf die Problembereiche eingegangen.

In Teil 3 der Arbeit wird der Interpretationsentwurf IFRIC D2 vorgestellt. Dieser soll Richtlinien für die Behandlung von späteren Änderungen der Höhe der angesetzten Verbindlichkeit beinhalten. Der IFRIC D2 wird in diesem Teil hinsichtlich der Konsistenz mit anderen Normen analysiert. Folgend wird er mit anderen Vorschlägen verglichen und es werden Divergenzen herausgearbeitet.

Im abschließenden Teil 4 werden die erarbeiteten Zwischenergebnisse zusammengefasst und in Bezug zur weiteren Entwicklung sowie zum gegenwärtigen Stand der verschiedenen Rechnungslegungssysteme gesetzt.

2 Darstellung der Regelungen zur Bilanzierung von Entsorgungs- und Rekultivierungsverpflichtungen

2.1 Bilanzierung nach dt. Recht

2.1.1 Grundlagen der Rückstellungsbildung

Der Begriff und das Wesen der Rückstellungen sind in der Literatur umstritten.[1] Einigkeit besteht jedoch darin, dass Rückstellungen Passivposten für Verluste, Verbindlichkeiten oder Aufwendungen sind, die ihrer Entstehung oder Höhe nach ungewiss sind und die der Periode ihrer Verursachung zugerechnet werden sollen. Rückstellungen dienen also dazu, spätere Ausgaben bilanziell vorweg zu berücksichtigen.[2]

Im Wesentlichen beruht die Rückstellungsbildung auf drei verschiedene Zwecke. Zum einen sind nach der statischen Bilanztheorie alle Schulden auf der Passivseite vollständig auszuweisen, welche das Haftungsvermögen schmälern. Man spricht hier von einem vollständigen Schuldenausweis. Zum anderen dienen gemäß der dynamischen Bilanztheorie Rückstellungen dazu, zukünftige Ausgaben bereits im Erkennbarkeitszeitpunkt erfolgsmindernd zu erfassen. Damit soll der periodengerechten Erfolgsermittlung Rechnung getragen werden. Außerdem werden mittels der antizipierten Aufwandsverrechnung die Erfolgsausweise und damit auch die Ausschüttungen und die Steuerzahlungen vermindert. Die dadurch generierten Gelder stehen bis zu ihrer Verwendung, entsprechend dem Rückstellungszweck, für betriebliche Entscheidungen zur Verfügung. Man spricht hier von einer Finanzierung aus Rückstellungen.[3]

Die Frage, ob nach dt. Recht die statische Bilanztheorie, welche dem Gläubigerschutz Vorrang einräumt, oder die dynamische Bilanztheorie, die den tatsächlich erwirtschafteten Gewinn als Kernstück sieht, vorherrscht, kann nicht eindeutig beantwortet werden. In der Praxis lässt sich jedoch feststellen, dass die statische Bilanztheorie überwiegt. Dieses Übergewicht resultiert auf der Grundlage des Vorsichtsprinzips, welches den Jahresüberschuss minimiert und dadurch auch den ausschüttungsfähigen Bilanzgewinn gering hält. Die konsequente Bilanzierung stiller Reserven schützt die Gläubiger vor dem Verlust ihrer Forderungen und das Unternehmen vor einer Überschuldung.[4]

Das dt. Recht differenziert nach § 249 HGB verschiedene Rückstellungsarten. Demnach sind Pflichtrückstellungen zu bilden für ungewisse Verbindlichkeiten, drohende Verluste aus schwebenden Geschäften, unterlassene Instandhaltung, welche innerhalb von drei Monaten des neuen Geschäftsjahres nachgeholt wird, Gewährleistungen ohne rechtliche Verpflichtungen sowie unterlassene Abraumbeseitigung, die im folgenden Geschäftsjahr nachgeholt wird. Für Aufwandsrückstellungen nach § 249 Abs. 2 HGB sowie Rückstellungen für unterlassene Instandhaltung, die nach Ablauf von drei Monaten im folgenden Geschäftsjahr nachgeholt wird, bestehen Passivierungswahlrechte. Für alle sonstigen Zwecke gemäß § 249 Abs. 3 HGB besteht ein Rückstellungsverbot.[5]

2.1.2 Ansatz

Entsorgungs- und Rekultivierungsverpflichtungen erfüllen den Tatbestand der Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten. Diese Rückstellungen sind zu bilden, wenn die vier folgenden Kriterien kumulativ erfüllt sind. Erstens muss ein Schuldcharakter der Verpflichtung vorliegen. Zweitens muss die Verpflichtung wirtschaftlich bzw. rechtlich verursacht worden sein. Weiterhin muss die Inanspruchnahme aus der Verpflichtung wahrscheinlich sein. Letztendlich muss die Verpflichtung quantifizierbar sein.[6]

Bezüglich des Schuldcharakters lässt sich feststellen, dass für die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung das Bestehen einer Leistungsverpflichtung gegenüber einem Dritten die Voraussetzung ist.[7] Der Schuldcharakter kann sich also primär aus einem bestehenden Vertrag oder aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis ergeben. Zudem kann der Schuldcharakter aber auch aus öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen oder aus faktischen und nicht einplanbaren Verpflichtungen, denen sich der Kaufmann jedoch nicht entziehen kann, resultieren.[8]

Die Schuld muss am Bilanztag bestanden haben, d.h. ein Erfüllungsrückstand muss vorliegen. Die Verbindlichkeit kann dazu bereits rechtlich entstanden sein, sie muss es aber nicht. Es ist auch möglich, dass die Verursachung der später rechtlich wirksam entstehenden Verbindlichkeit im alten Geschäftsjahr liegt. Hier spiegelt sich das von der dynamischen Bilanztheorie entwickelte Verursachungsprinzip wider, welches sicherstellen soll, dass die Verbindlichkeit dem Geschäftsjahr zugeordnet werden soll, in dem die Ursache entstanden ist.[9] Der BFH lehnt entgegen vielfältiger Literaturmeinungen einen allgemeinen Grundsatz, dass Aufwendungen den Erträgen zuzuordnen sind, die sie wirtschaftlich veranlasst haben, ausdrücklich ab.[10] Nach der Meinung des BFH sind Rückstellungen, soweit sie wirtschaftlich entstanden sind, unter dem Gesichtspunkt des Vorsichtsprinzips unabhängig von ihren zugehörigen Erträgen bilanzierbar.[11]

Für die Bildung einer Rückstellung wird weiterhin eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme verlangt. Diese ist gegeben, wenn der Gläubiger nach den am Bilanzstichtag vorhandenen Erkenntnissen voraussichtlich weder auf die Geltendmachung seiner Ansprüche verzichtet, noch diese mangels Kenntnis nicht geltend machen wird.[12] Gemäß BFH müssen mehr Gründe für die Inanspruchnahme als dagegen sprechen.[13] Für die Rückstellungsbildung ist demnach keine theoretische Möglichkeit der Inanspruchnahme ausreichend. Vielmehr muss der Vermögensverlust schon konkret absehbar sein.

Entsorgungs- und Rekultivierungsrückstellungen nehmen eine gewisse Sonderstellung ein, da trotz der relativ eindeutigen Rechtslage ihre bilanzielle Behandlung höchst umstritten ist. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich der Bilanzierungszeitpunkt nach h.M. nicht allein an der rechtlichen, sondern an der wirtschaftlichen Entstehung orientiert.

Für Entsorgungs- und Rekultivierungsverpflichtungen sind nach der statischen Bilanzauffassung zum Zeitpunkt ihrer Entstehung Rückstellungen zu bilden. Der Zeitpunkt der Entstehung ist spätestens der Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Vermögensgegenstands, welcher die Verpflichtung verursacht hat. Jedoch besteht meist schon zu einem früheren Zeitpunkt eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Entsorgung oder Rekultivierung. Eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung entsteht, wenn entweder die zuständige Behörde das Unternehmen durch einen Verwaltungsakt zum Handeln aufgefordert hat oder sich die Verpflichtung unmittelbar aus einem Gesetz ergibt. In diesem Gesetz muss eine Handlung des Unternehmens innerhalb eines bestimmten Zeitraums vorgesehen sein, welche bei Unterlassung sanktioniert wird.[14] Eine Rückstellung ist bereits im früheren der beiden Zeitpunkte zu bilden, also im Zeitpunkt der rechtlichen Entstehung der Verpflichtung.[15]

Meist sind detaillierte Regelungen jedoch in branchenspezifischen Gesetzen schriftlich niedergelegt. So z.B. entsteht gemäß § 9a Abs. 1 AtG eine öffentlich-rechtliche Entsorgungsverpflichtung mit der Inbetriebnahme eines Kernkraftwerkes. Hierbei müssen die geschätzten Gesamtkosten für die Stilllegung und den Rückbau der Anlage mit dem Zeitpunkt der ersten Kritikalität zurückgestellt werden.[16] Bei dieser Lösung würde jedoch eine „Verunstetigung in der Entwicklung des Periodengewinns“[17] auftreten, die betriebswirtschaftlich unbefriedigend sei. Weiterhin besteht aufgrund einer bilanziellen Überschuldung die Gefahr des Eintritts einer Insolvenz, noch „bevor das Kraftwerk ans Netz gegangen ist.“[18] Die bilanzielle Überschuldung kann einerseits als unbedenklich angesehen werden, da der Verpflichtung faktisch ein Aktivposten gegenübersteht, der handelsrechtlich aber nicht ausgewiesen werden darf. Andererseits erscheint das Ergebnis problematisch, so dass in Erwägung gezogen wird einen Ausgleichsposten zu aktivieren, um die bilanzielle Überschuldung zu vermeiden. Dieser Ausgleichsposten wäre dann über die Nutzungsdauer des entsprechenden Vermögenswerts abzuschreiben. Da diese Lösung aber nicht mit dem geltenden dt. Bilanzrecht vereinbar ist, scheidet sie aus.[19]

In der Praxis lässt die Finanzverwaltung in Anlehnung an die dynamische Bilanzauffassung ebenfalls eine Ansammlung der Rückstellungen über den Zeitraum der Nutzung des Vermögensgegenstands zu. Diese ratierliche Ansammlung der Rückstellung beruht auf dem Prinzip der wirtschaftlichen Verursachung. Demnach sollen rechtlich voll entstandene Verpflichtungen insoweit noch nicht passiviert werden, als die mit der Passivierung verbundenen Aufwendungen zukünftige Erträge alimentieren und damit wirtschaftlich noch nicht verursacht sind.[20] Diese ratierliche Ansammlung der Rückstellung kommt dem Vorschlag der Aktivierung eines Ausgleichspostens im Ergebnis sehr nahe und wird daher aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten in der Praxis bevorzugt. Weiterhin sprechen für diese Bilanzierungsalternative die Bewertungsgrundsätze der vernünftigen kaufmännischen Beurteilung gemäß § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB und der Unternehmensfortführung nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB.[21]

Die steuerbilanzielle Behandlung von Entsorgungs- und Rekultivierungsverpflichtungen ist in §6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d Satz 1 EStG geregelt. Demnach sind Rückstellungen, für die der lfd. Betrieb im wirtschaftlichen Sinne ursächlich ist, zeitanteilig in gleichen Raten anzusammeln. Der Gesetzgeber hat hier die Ansammlungsrückstellung kodifiziert, unter denen er solche versteht, bei denen die Verpflichtung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten auf die Wirtschaftsjahre verteilt werden müssen, die für das Entstehen der Verpflichtung ursächlich sind. Der Gesetzgeber stützt sich hier auf das bereits erläuterte Prinzip der wirtschaftlichen Verursachung. Bei der handelsbilanziellen Behandlung von Entsorgungs- und Rekultivierungsverpflichtungen fehlt es jedoch an einer klaren Lösung. Das Späne-Trocknungsanlagen-Urteil des BFH vom 27.06.2001 hat zuletzt die Mindermeinung gestärkt. Darin legt der BFH dar, dass es keinen GoB gebe, „der gebietet, Aufwand in das Jahr zu verlagern, in welchem die Erträge erzielt werden, aus denen die Aufwendungen gedeckt werden sollen“. „Eine am Bilanzstichtag rechtlich entstandene Verbindlichkeit“ sei deshalb „unabhängig vom Zeitpunkt ihrer wirtschaftlichen Verursachung zu bilanzieren“. Während die h.M. folglich eine Ansammlung der Rückstellung befürwortet, hält die Minderheit eine sofortige volle Passivierung für sinnvoll.[22]

2.1.3 Bewertung

2.1.3.1 Zugangsbewertung

Gemäß § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB sind Rückstellungen in der Höhe des Betrages anzusetzen, der nach kaufmännischer Beurteilung notwendig ist. Eine vernünftige kaufmännische Beurteilung dient jedoch nur als Schätzmaßstab. Eine Schätzung entspricht nach der h.M. dann der vernünftigen kaufmännischen Beurteilung, „wenn der einzelne Bilanzansatz innerhalb einer unter Berücksichtigung sämtlicher bei der Bilanzaufstellungen vorhandenen Informationen über die tatsächlichen Verhältnisse am Stichtag bestimmten Bandbreite möglicher Inanspruchnahmen (Wahrscheinlichkeitsverteilung) liegt“[23], die von der Risikoneigung unbeeinflusst ist. Es soll vorsichtig bewertet werden. Dem wird Rechnung getragen, indem man die ungewisse Verbindlichkeit mit dem Betrag der höchsten Wahrscheinlichkeit und nicht mit schwärzestem Pessimismus bewertet.[24] Steuerrechtlich relevanter Bewertungsmaßstab ist grundsätzlich der Erfüllungsbetrag, dessen Höhe sich gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG nach den Anschaffungskosten bzw. dem höheren Teilwert richtet.[25] Der Teilwert bei Geldleistungsverpflichtungen ist gemäß § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB der Rückzahlungsbetrag. Bei Dienst- oder Sachleistungsverpflichtungen bemisst sich der Teilwert nach dem Geldwert der Aufwendungen, die zur Bewirkung der Leistung erforderlich sind.[26] In diesem Fall sind das die Gesamtkosten, also Einzel- und notwendige Gemeinkosten, ohne kalkulatorische Kosten.[27] Da Rückstellungen für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen ihre Ursache zumeist in einseitigen Regelungen und nicht in einem Rechtsgeschäft finden, wird i.d.R. nur ein Ansatz zum Teilwert in Betracht kommen.[28]

Für die Bewertung sind die Preisverhältnisse am Bilanzstichtag zu Grunde zu legen. Nach der Auffassung des BFH dürfen Preissteigerungen, welche bis zum Erfüllungsstichtag noch erwartet werden, grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Berücksichtigungsfähig sind nur bereits am Stichtag verursachte oder sicher zu erwartende Preissteigerungen.[29]

Eine Abzinsung von Rückstellungen ist gemäß § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB nur vorgesehen, wenn die ihnen zugrunde liegenden Verbindlichkeiten einen Zinsanteil enthalten, der künftige Perioden betrifft.[30] Da es sich aber bei Entsorgungs- und Rekultivierungsverpflichtungen um Sachleistungsverpflichtungen handelt[31], ist eine Diskontierung ausgeschlossen.

2.1.3.2 Folgebewertung

Im Rahmen der Folgebewertung ist bei Entsorgungs- und Rekultivierungsverpflichtungen die bis zum Erfüllungszeitpunkt erwartete Preissteigerungsrate zu berücksichtigen, so dass die tatsächlichen zukünftigen Kosten zurückzustellen sind. Die Bewertung dieser Rückstellungen ist zu jedem folgenden Bilanzstichtag neu durchzuführen, d.h. der Erfüllungsbetrag ist kontinuierlich fortzuschreiben bzw. anzusammeln.[32] Maßgeblich sind bei der Bewertung die Preisverhältnisse am Bilanzstichtag.

Gemäß § 249 Abs. 3 Satz 2 HGB ist eine erfolgswirksame Auflösung der Rückstellungen vorzunehmen, soweit der Rückstellungsgrund entfallen ist. Bei Rekultivierungsverpflichtungen ist allerdings zu berücksichtigen, dass mit der Rekultivierung regelmäßig nicht erst nach Einstellung des Betriebs der Produktionsanlage begonnen wird, sondern schon vorher Teilrekultivierungen vorzunehmen sind. In diesem Fall ist der zu passivierende Rückstellungsbetrag entsprechend zu kürzen.[33]

2.1.4 Problembereiche

Gegen die Ansammlung von Rückstellungen, wie bei dem Betrieb eines Kernkraftwerkes, bestehen rechtliche Bedenken. Die Entsorgungsverpflichtung ist rechtlich bereits voll zu dem Zeitpunkt entstanden, zu dem das Kernkraftwerk seinen kontaminierenden Betrieb aufnimmt, aber die Rückstellungen werden in Abhängigkeit zu den in Zukunft erwirtschafteten Erträgen gebildet. Dieses Problem gewinnt an Bedeutung, wenn z.B. die geplante Nutzungsdauer, etwa durch die behördlich verfügte Stilllegung des Kraftwerks im Wege des Entzugs der Betriebsgenehmigung, nicht eingehalten werden kann. Diesem Problem ist nur mit einer außerordentlichen Aufstockung der Rückstellung entgegenzuwirken, wenn sich das ungünstige Ereignis hinreichend konkretisiert hat.[34]

Auch stellt das Abzinsungsverbot von Entsorgungs- und Rekultivierungsrückstellungen ein weiteres Problem dar. Um dem langen Zeitraum zwischen der Bildung der Rückstellungen und dem Anfall des zukünftigen Aufwandes Rechnung zu tragen, wäre zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage eine Abzinsung durchaus sinnvoll. Ein derartiger Barwertansatz geht davon aus, dass die rückstellungspflichtigen Unternehmen durch die Anlage der Rückstellungen eine Rendite erwirtschaften, die dem schon gebildeten Entsorgungs- bzw. Rekultivierungsfundus zufließen. Eine Abdiskontierung der entsprechenden Kosten sollte hierbei mittels der angenommenen Kapitalverzinsung des zurückgelegten Finanzvermögens erfolgen. Jedoch wirft eine Abschaffung des handelsrechtlichen Abzinsungsverbots zugunsten einer Abzinsungsregel eigens für Entsorgungs- und Rekultivierungsrückstellungen verfassungsrechtliche Bedenken auf. Ein derartiges einseitiges Abzinsungsgebot würde das steuerrechtliche Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verletzen.[35] Des Weiteren wird in der Literatur zu dieser Problematik eine Kompensation der Abzinsung bzw. der Berücksichtigung von erwarteten Preissteigerungen im Erfüllungsbetrag von langfristigen Verpflichtungen durch jeweilige Nichtberücksichtigung propagiert.[36] Diese Kompensation wäre allerdings nur wirksam und sinnvoll, wenn eine Diskontierung der betreffenden Verpflichtung unter bilanzrechtlichen Gesichtspunkten zulässig ist. Dies ist aber bei Sachleistungsverpflichtungen, wie Entsorgungs- und Rekultivierungsverpflichtungen, nicht der Fall.[37]

2.2 Bilanzierung nach US-GAAP

2.2.1 Grundlagen der Rückstellungsbildung

Nach US-GAAP wird in der Bilanz nicht zwischen Verbindlichkeiten und Rückstellungen unterschieden. Vielmehr werden beide unter dem Begriff der Schulden (liabilities) erfasst, unabhängig ob diese feststehen oder dem Grunde bzw. der Höhe nach ungewiss sind.[38]

Maßgebend für die Bilanzierung von ungewissen Schulden ist im Wesentlichen der SFAS 5. Dieser Standard behandelt die Bilanzierung von Erfolgsunsicherheiten (contigencies). Eine contigency ist definiert als eine Situation, welche die Unsicherheit eines möglichen Gewinns oder Verlustes beinhaltet und die erst dann aufgelöst wird, wenn bestimmte zukünftige Ereignisse eintreten oder nicht eintreten.[39] Die Auflösung der Unsicherheit kann dann zu einer Entstehung eines Vermögensgegenstands oder zu einer Verminderung einer liability (Gewinn) bzw. zu einer Wertminderung eines Vermögensgegenstands oder zu einer Entstehung einer liability (Verlust) führen.[40]

Nach den Financial Accounting Standards wird innerhalb der liabilities, die hinsichtlich des Bestehens und/oder der Höhe unsicher sein können, nach drei Kategorien unterschieden, welche den Rückstellungen entsprechen. Diese Kategorien sind die accrued liabilities, die contingent liabilities und die deferred credits.[41]

Die accrued liabilities sind am Bilanzstichtag bereits rechtlich entstanden, die Höhe steht jedoch noch nicht fest. Hierbei kann es sich um privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Verpflichtungen handeln, deren Höhe meist relativ genau zu schätzen ist. Die accrued liabilities entsprechen bestimmten Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten nach dem HGB.[42]

Die contingent liabilities beinhalten Verpflichtungen, welche am Bilanzstichtag noch nicht rechtlich entstanden sind und deren Höhe bekannt ist oder aufgrund vorliegender Tatsachen in vernünftiger Weise geschätzt werden kann. Sie decken nach deutschem Verständnis sowohl Rückstellungen als auch nicht zu bilanzierende Eventualverpflichtungen ab.[43] Die den contingent liabilities anhaftende Ungewissheit kann begründet sein in der Existenz der Forderung an sich, in der Höhe des zu zahlenden Betrags, im Zeitpunkt der Zahlung oder in der Person des Gläubigers. Typische Beispiele sind drohende Verluste aus schwebenden Geschäften, Prozessrisiken, Gewährleistungsrisiken und drohende Forderungsausfälle.[44]

Deferred credits könnte man nach dt. Recht als passive Rechnungsabgrenzungsposten bezeichnen. Diese passiven Rechnungsabgrenzungsposten werden gemäß US-GAAP den liabilities zugeordnet. Sie dienen der Antizipation von Aufwand. Beispiele sind Pachterneuerungsverpflichtungen, passive latente Steuern und Pensionsverpflichtungen.[45]

Nach US-GAAP dürfen keine Rückstellungen für operative Verluste sowie reine Aufwandsrückstellungen gebildet werden. Außerdem sind keine Wahlrückstellungen möglich, wie dies im dt. Recht der Fall ist.[46]

Am 29. Juni 2001 wurde vom FASB der SFAS 143, Accounting for Asset Retirement Obligations, verabschiedet. Der SFAS 143 regelt branchenübergreifend die Bilanzierung von rechtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Stilllegung und Veräußerung von Anlagevermögen, welche aus der Anschaffung, dem Bau, der Entwicklung und der sachgemäßen Nutzung desselben resultieren. Unsachgemäße Nutzung von Anlagevermögen, wie die Kontaminierung durch eine undichte Tankanlage, fällt nicht unter den Geltungsbereich des SFAS 143. Weiterhin ist der SFAS 143 bei Verpflichtungen ohne rechtlich Grundlage nicht anzuwenden.[47] Auf die Regelungen dieses Standards wird im Verlauf der Arbeit detailliert eingegangen.

2.2.2 Ansatz

Der SFAS 5 verlangt für den Ansatz von Rückstellungen generelle Kriterien, welche kumulativ erfüllt sein müssen. Diese Kriterien sind das Vorliegen einer Außenverpflichtung, eine wirtschaftliche bzw. rechtliche Verursachung, eine Wahrscheinlichkeit der Belastung aus der Verbindlichkeit und eine Quantifizierbarkeit der Verpflichtung.[48]

Bezüglich des Vorliegens der Außenverpflichtung lässt sich feststellen, dass es sich hierbei sowohl um eine rechtlich bestehende, als auch um eine faktische Verpflichtung handeln kann. Ausweisfähig sind jedoch nur solche Verpflichtungen, die gegenüber einem oder mehreren Unternehmern bestehen. Damit ist die Passivierung von Aufwandsrückstellungen grundsätzlich ausgeschlossen.[49]

Im Zusammenhang mit dem Kriterium der wirtschaftlichen bzw. rechtlichen Verursachung sprechen die FAS von einem „past event“. Demnach muss die Verursachung in Form eines zurückliegenden Ereignisses vor dem Bilanzstichtag liegen.

Der Begriff der Wahrscheinlichkeit wird vom FASB nicht näher definiert. Vielmehr wird auf den allgemeingültigen Sprachgebrauch verwiesen und es werden gemäß SFAS 5.3 bezüglich der Passivierungspflicht drei ineinander übergehende Wahrscheinlichkeitskategorien eingeteilt. Diese Kategorien sind probable (wahrscheinlich), reasonably possible (möglich) und remote (unwahrscheinlich). Für die Rückstellungsbildung wird eine hohe Wahrscheinlichkeit des künftigen Mittelabflusses und eine verlässliche Bewertbarkeit vorausgesetzt.[50]

Für das Kriterium der verlässlichen Bewertbarkeit, welches ein wesentliches Merkmal für den Ansatz einer Rückstellung ist, ergeben sich spezielle Grundsätze. Zum einen muss es sich gemäß des Wesentlichkeitsprinzips grundsätzlich um eine Schuld mit erheblicher Auswirkung auf das Ergebnis handeln. Zum anderen ist ein Bilanzausweis in entsprechender Höhe vorzunehmen, wenn aufgrund eines vorliegenden Sachverhaltes die Höhe der Schuld im Wege einer wirtschaftlich vernünftigen Schätzung relativ genau bestimmt werden kann. Sollte lediglich eine Bandbreite bestimmbar sein, in der die Inanspruchnahme zu erwarten ist, so ist ebenfalls ein Passivposten auszuweisen, welcher den wahrscheinlichen Betrag umfasst. Ein bilanzieller Ausweis unterbleibt jedoch, wenn der Betrag nicht mit einiger Genauigkeit beziffert werden kann. In diesem Fall muss der Sachverhalt dann im Anhang dokumentiert werden.[51] Sollte eine Inanspruchnahme aus der Verpflichtung unwahrscheinlich sein, so unterbleibt auch nach SFAS 5.10 die Anhangerläuterung.[52]

Gemäß SFAS 143 muss eine Verpflichtung im Zusammenhang mit der Stilllegung und Veräußerung von Anlagevermögen zu dem Zeitpunkt bilanziert werden, an dem ein Unternehmen rechtlich verpflichtet wird. Es ist dabei unerheblich, ob sich die Verpflichtung aus dem Zivilrecht oder aus öffentlichem Recht ergibt. Solche Verpflichtungen können z.B. die Verpflichtung zur Rekultivierung im Tagebau, die Entsorgung von kontaminierten Materialien aus deren sachgemäßer Nutzung, die Beseitigung von Anlagevermögen auf fremdem Eigentum oder die Beseitigung von Mietereinbauten sein. Sollte zum Entstehungszeitpunkt die Höhe der Verpflichtung nicht vernünftig geschätzt werden können, so ist die Verpflichtung in der Bilanz erst zu dem Zeitpunkt anzusetzen, an dem eine vernünftige Schätzung möglich ist. Die Tatsache, dass die Verpflichtung nicht hinreichend gut geschätzt werden kann, sowie Gründe dafür, sind in diesem Fall im Anhang zu erläutern. Beim Erwerb von Anlagevermögen mit einer bereits bestehenden Verpflichtung ist diese Verpflichtung so zu erfassen, als ob sie zum Erwerbszeitpunkt entstehen würde. Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Stilllegung und Veräußerung von Anlagevermögen sind gemäß SFAS 6 als liabilities auszuweisen, wenn die bereits dargestellten Ansatzkriterien nach SFAS 5 erfüllt sind. Rückstellungen sind demzufolge nur dann anzusetzen, wenn ihr Bestehen probable und nicht nur reasonably possible oder remote ist. Mit einem Ansatz der Rückstellung hat das Unternehmen den Gegenwert der Verpflichtung als zusätzliche Anschaffungs- und Herstellungskosten des von der Stilllegung und Veräußerung betroffenen Anlagevermögens erfolgsneutral zu aktivieren.[53] Dies wird damit begründet, dass nach geltender Bilanzierungspraxis alle Kosten einzubeziehen sind, die notwendig sind, um einen Vermögenswert für seine beabsichtigte Verwendung vorzubereiten.[54] Eine Aktivierung eines gesonderten immateriellen Vermögensgegenstands wurde vom FASB abgelehnt, da dieser keinen eigenständigen zukünftigen Nutzen aufweise.[55] Ebenfalls sei es üblich, die Kosten für Bau- und Betriebsgenehmigungen in die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des betreffenden langlebigen Vermögensgegenstands einzubeziehen.[56]

2.2.3 Bewertung

2.2.3.1 Zugangsbewertung

Bei Entsorgungs- und Rekultivierungsrückstellungen ergibt sich die Höhe der Verpflichtung gemäß SFAS 143 aus dem Barwert der zu erwartenden künftigen Auszahlungen. Dieser Barwert wird auch als fair value bezeichnet. Er ist der Wert, mit dem die Verpflichtung zum Bewertungszeitpunkt an einen Dritten übertragen werden könnte. Ein Marktpreis stellt die beste Ableitung für den fair value dar, falls ein Markt überhaupt vorhanden ist. Lässt sich kein Marktpreis für den fair value ermitteln, so ist eine Schätzung des fair value aufgrund der bestmöglichen Informationen durchzuführen. Dabei sind z.B. Bewertungen ähnlicher Verpflichtungen oder Barwertberechnungsmethoden heranzuziehen. Zur Barwertberechnung der Verpflichtung verweist der SFAS 143 direkt auf die im SFAC 7 vorgeschlagen Vorgehensweisen.[57] Demnach hat das Unternehmen die geschätzten cash flows aus der Verbindlichkeit mit all ihren Annahmen, Wahrscheinlichkeiten und Unsicherheiten mit der credit-adjusted risk free rate zu diskontieren.[58] Eine credit-adjusted risk free rate berechnet sich z.B. aus dem Zinssatz einer Null-Coupon US-Staatsanleihe, welcher nach oben hin um den Effekt der Kreditwürdigkeit des Unternehmens angepasst wird. Bei einem liquiden, solventen und kreditwürdigen Unternehmen fällt die Anpassung dieses Zinssatzes wesentlich geringer aus als bei einem weniger kreditwürdigen Unternehmen.[59]

Bei der erstmaligen Anwendung des SFAS 143 ist für bereits in Betrieb genommenes Anlagevermögen die Verpflichtung für die Stilllegung und Veräußerung in Höhe der jeweiligen Zeitwerte einzubuchen. Der Zeitwert der Verpflichtung wird berechnet, indem man die Verpflichtung zum Entstehungszeitpunkt rückwirkend ermittelt und diesen Betrag entsprechend der bisherigen Nutzung aufzinst. Außerdem ist der bereits ermittelte Verpflichtungsbetrag zum Entstehungszeitpunkt als Gegenbuchung dem Anlagevermögen zuzuordnen und entsprechend der bisherigen Nutzung auf den Restbuchwert fortzuschreiben. Sollten von dem Unternehmen in der Vergangenheit bereits Rückstellungen im Zusammenhang mit dieser Verpflichtung gebildet worden sein, so sind diese bei der Bildung der Rückstellung nach SFAS 143 zu berücksichtigen. Der bei der erstmaligen Einbuchung entstehende kumulative Effekt ist in der Gewinn- und Verlustrechnung auszuweisen und kann das Jahresergebnis dadurch enorm beeinflussen.[60]

[...]


[1] Vgl. Coenenberg et al. (2001), S. 341.

[2] Vgl. Mayer-Wegelin in HdR (1990), § 249 Rn. 12.

[3] Vgl. Schwarz (1994), S. 39; Bach (1996), S. 55-61; Coenenberg et al. (2001), S. 341; Heyd (2003), S. 369.

[4] Vgl. Happe (2002), S. 361.

[5] Vgl. Crezelius (1993), S. 5-6; Coenenberg et al. (2001), S. 344-345; Blenkers/Czisz/Gerl (1994), S. 23-24; Mayer-Wegelin in HdR (1990), § 249 Rn. 9/15/16.

[6] Vgl. Hayn/Waldersee (2000), S. 143/145.

[7] Vgl. Wangemann (1997), S. 47; Eilers (1993), S. 32; Mayer-Wegelin in HdR (1990), § 249 Rn. 27.

[8] Vgl. Crezelius (1993), S. 10 ; Mayer-Wegelin in HdR (1990), § 249 Rn. 27.

[9] Vgl. Mayer-Wegelin in HdR (1990), § 249 Rn. 29.

[10] Vgl. BFH-Urteil vom 27.06.2001, S. 121.

[11] Vgl. Happe (2002), S. 362.

[12] Vgl. Crezelius (1993), S. 10; Mayer-Wegelin in HdR (1990), § 249 Rn. 37; Happe (2002), S. 362.

[13] Vgl. BFH-Urteil vom 01.08.1984, S. 44.

[14] Vgl. Happe (2002), S. 362.

[15] Vgl. Kayser (2002), S. 257.

[16] Vgl. Bürger (1998), S. 29-30.

[17] Vgl. Reinhard (1987), S. 29.

[18] Vgl. Siegel (1993), S. 336.

[19] Vgl. Loose (1993) S. 145; Kayser (2002), S. 257.

[20] Vgl. Lüdenbach (2003), S. 836.

[21] Vgl. Kayser (2002), S. 258.

[22] Vgl. Lüdenbach (2003), S. 836-837.

[23] Vgl. Clemm/Erle (1999), §253 HGB Rn. 154.

[24] Vgl. Clemm/Erle (1999), §253 HGB Rn. 155.

[25] Vgl. EStR 38 Abs. 1 Satz 4.

[26] Vgl. EStR 38 Abs. 1 Satz 3.

[27] Vgl. BFH-Urteil vom 25.02.1986, S. 788.

[28] Vgl. Blenkers/Czisz/Gerl (1994), S. 102.

[29] Vgl. Happe (2002), S. 362; BFH-Urteil vom 07.10.1982, S. 104; BFH-Urteil vom 07.07.1983, S. 753; Blenkers/Czisz/Gerl (1994), S. 102.

[30] Vgl. Blenkers/Czisz/Gerl (1994), S. 103; Happe (2002), S. 362.

[31] Vgl. Kupsch (1992), S. 2327.

[32] Vgl. Hayn/Waldersee (2000), S. 147; Happe (2002), S. 362; Bach (1996), S. 310.

[33] Vgl. Bach (1996), S. 310.

[34] Vgl. Loose (1993) S. 143.

[35] Vgl. Bürger (1998), S. 69.

[36] Vgl. Kammann (1988), S. 352.

[37] Vgl. Kessler (1992), S. 535; Bach (1996), S. 290-291.

[38] Vgl. Coenenberg et al. (2001), S. 349; Hayn/Waldersee (2000), S. 142; Buchholz (2003), S. 101; Happe (2002), S. 363.

[39] Vgl. SFAS 5.1.

[40] Vgl. Kayser (2002), S. 76-77.

[41] Vgl. Happe (2002), S. 363.

[42] Vgl. Buchholz (2003), S. 101-102.

[43] Vgl. Schildbach (2002), S. 83-84.

[44] Vgl. Happe (2002), S. 363; Schildbach (2002), S. 83-84

[45] Vgl. Buchholz (2003), S. 103.

[46] Vgl. Hayn/Waldersee (2000), S. 142.

[47] Vgl. Rölle (2003), S. 20; Alexander/Hiner (2001), S. 49-50.

[48] Vgl. Hayn/Waldersee (2000), S. 142/144; Heyd (2003), S. 371; Happe (2002), S. 363.

[49] Vgl. Happe (2002), S. 363.

[50] Vgl. Hayn/Waldersee (2000), S. 144; Heyd (2003), S. 371; Coenenberg et al. (2001), S. 349.

[51] Vgl. Happe (2002), S. 363.

[52] Vgl. Hayn/Waldersee (2000), S. 144.

[53] Vgl. Rölle (2003), S. 21; Alexander/Hiner (2001), S. 50.

[54] Vgl. SFAS 143.B.42.

[55] Vgl. SFAS 143.B.42-43.

[56] Vgl. SFAS 143.B.43.

[57] Vgl. Deloitte & Touche (2002) S. 2 ; Mazza (2003), S. 2; Rölle (2003), S. 21-22.

[58] Vgl. Alexander/Hiner (2001), S. 50-51; Mazza (2003), S. 2.

[59] Vgl. Deloitte & Touche (2002) S. 2-3; Alexander/Hiner (2001), S. 51; McGraw-Hill (2002), S. 8.

[60] Vgl. Alexander/Hiner (2001), S. 55; Rölle (2003), S. 22.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
2004
ISBN (eBook)
9783832483470
ISBN (Paperback)
9783838683478
DOI
10.3239/9783832483470
Dateigröße
459 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Berlin – Wirtschaftswissenschaft
Erscheinungsdatum
2004 (Oktober)
Note
2,0
Schlagworte
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Titel: Bilanzierung von Entsorgungs- und Rekultivierungsverpflichtungen und die Konkretisierung durch den Interpretationsentwurf IFRIC D2
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