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Die Bedeutung von Emotionen bei Prozessen des Wandels

Darstellung mit Anwendungsbezug zu Widerständen und kritische Würdigung

©2004 Diplomarbeit 68 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
„Panta rhei“ – alles fließt. Schon der griechische Philosoph Heraklit lehrte den ewigen Wandel der Dinge. Betrachtet man den Wandel über den Lauf der Zeit, so wird deutlich, dass es Wandel zu jeder Zeit gegeben hat, vieles aber für eine Beschleunigung des Wandels spricht. Zunehmend fühlen sich Menschen vom immer schnelleren Wandel bedroht, da die Komplexität und Dynamik im Wandelgeschehen stetig zunehmen. Globale Märkte, immer kürzere Entwicklungszeiten, rasante Änderungen in der Informations- und Kommunikationstechnologie, komplexe Marktanforderungen und Kundenbedürfnisse – Herausforderungen unserer Zeit, die Organisationen und ihre Mitglieder beschäftigen.
Vor allem bei Veränderungsprojekten in Organisationen wird deutlich, dass Wandel einen fundamentalen Konflikt auslösen kann. Organisationen streben nach Veränderung, die ständige Anpassung an die sich verändernden Rahmenbedingungen ist für sie überlebenswichtig. Organisationsmitglieder hingegen streben nach Sicherheit und Verlässlichkeit. Verunsicherung und Ungewissheit lösen Emotionen aus, die in verschiedenen Phasen des Wandelprozesses zu unterschiedlichen emotionalen Reaktionen führen.
Emotionen sind irrational und haben in der rationalen Welt der Wirtschaft nichts zu suchen. Dies war lange Zeit die vorherrschende Meinung – erst in jüngster Zeit keimt die Erkenntnis, dass für das Verständnis der Dynamik und Vielfalt menschlichen Verhaltens in Organisationen die Betrachtung von emotionalen Prozessen bedeutsam ist. Dies gilt ganz besonders für Wandelprozesse, bei denen eine rein rationale Sichtweise oft dem Verständnis der emotionalen Reaktionen von Betroffenen im Wege steht. Wahrgenommen werden nur die Widerstände, auf die mit Unverständnis reagiert wird. Damit wird die Chance vertan, die emotionalen Kräfte für die Prozesse des Wandels zu nutzen und in die richtigen Bahnen zu lenken.
Der konstruktive und respektvolle Umgang mit Emotionen – den eigenen und denen von anderen – stellt zunehmend eine Schlüsselqualifikation und einen Erfolgsfaktor für Organisationen in einem sich immer schneller wandelnden Umfeld dar.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
AbbildungsverzeichnisII
AbkürzungsverzeichnisIII
Einführung1
1.Prozesse des Wandels4
1.1Begriff und Bedeutung4
1.2Formen organisationalen Wandels6
1.3Ursachen organisationalen Wandels.8
1.4Change Management10
2.Emotionen in Organisationen14
2.1Begriff und Bedeutung14
2.2Ausdrucksformen von […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8274
Schneider, Gerda: Die Bedeutung von Emotionen bei Prozessen des Wandels -
Darstellung mit Anwendungsbezug zu Widerständen und kritische Würdigung
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: FernUniversität - Gesamthochschule Hagen, Diplomarbeit, 2004
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2004
Printed in Germany

I
Inhaltsverzeichnis
Seite
Abbildungsverzeichnis ... II
Abkürzungsverzeichnis ...III
Einführung ... 1
1
Prozesse des Wandels ... 4
1.1 Begriff und Bedeutung ... 4
1.2 Formen organisationalen Wandels ... 6
1.3 Ursachen organisationalen Wandels ... 8
1.4 Change Management...10
2
Emotionen in Organisationen...14
2.1 Begriff und Bedeutung ...14
2.2 Ausdrucksformen von Emotionen...17
2.3 Erklärungsansätze von Emotionen ...20
2.3.1 Psychodynamische Sichtweise...20
2.3.2 Sozial konstruktivistische Sichtweise ...22
2.4 Emotionen in Phasen des Wandels ...24
2.4.1 Emotionale Prozesse...25
2.4.2 Ursachen von Emotionen...29
2.4.3 Auswirkungen von Emotionen ...31
2.4.4 Umgang mit Emotionen...33
3
Widerstände gegen Wandel...38
3.1 Begriff und Bedeutung ...38
3.2 Formen und Merkmale von Widerständen ...40
3.3 Ursachen von Widerständen ...42
3.3.1 Widerstände auf der Ebene des Individuums...42
3.3.2 Widerstände auf der Ebene der Gruppe...44
3.3.3 Widerstände auf der Ebene der Organisation ...46
3.4 Strategien des Umgangs mit Widerständen...47
3.4.1 Strategien auf der Ebene des Individuums...48
3.4.2 Strategien auf der Ebene der Gruppe...49
3.4.3 Strategien auf der Ebene der Organisation ...50
4
Fazit und Ausblick...52
Literaturverzeichnis...55

Abbildungsverzeichnis
II
Seite
Abb. 1: Schichtenmodell des Wandels ... 6
Abb. 2: Wandel 1. und 2. Ordnung... 7
Abb. 3: Einordnung praktischer Konzepte zum Management
des Wandels...11
Abb. 4: Phasen des Wandels mit charakteristischen
Emotionsmustern...24
Abb. 5: Stolz als Resulat eines Prozesses ...28
Abb. 6: Allgemeine Symptome für Widerstand...41
Abb. 7: Barrieren der Veränderung als Ursache von Widerständen ...42

Abkürzungsverzeichnis
III
Abb.
Abbildung
bzw.
beziehungsweise
ca.
circa
ebd.
ebenda
et al.
et alii
f.
folgende
ff.
fortfolgende
Hrsg.
Herausgeber
Jg.
Jahrgang
S.
Seite
v. Chr.
vor Christus
vgl.
vergleiche
z. B.
zum Beispiel
zit.
zitiert

1
Einführung
Organisationen befinden sich wie das ganze Weltgeschehen in einem
ständigen Wandel. Wandel hat es zu jeder Zeit gegeben und seit Jahrzehn-
ten gehört es zu den Standardaussagen der Managementlehre, dass wir in
einer ganz besonderen Zeit leben, in der Wandel fundamentaler und um-
fassender ist als in früheren Zeiten. Der Unterschied zu früher liegt im Zeit-
faktor, vieles spricht für eine Beschleunigung des Wandels (vgl. Ulrich
1994, S. 6). Internationalisierung, neue Entwicklungen in der Informations-
und Kommunikationstechnologie sowie immer komplexere Marktanforde-
rungen und Kundenbedürfnisse haben dazu geführt, dass sich Organisati-
onen immer schneller neuen Herausforderungen stellen müssen.
Dieser beschleunigte Wandel stellt nicht nur hohe Anforderungen an die
sachliche Ebene strategischer Entscheidungen, sondern auch an die Ände-
rungsfähigkeit und Änderungsbereitschaft von Führungskräften und Mitar-
beitern aller Bereiche der Organisation. Prozesse des Wandels bedingen
veränderte Denk- und Verhaltensweisen sowie Einstellungen von Mitarbei-
tern. Diese sind jedoch ein Ergebnis von Lern- und Erkenntnisprozessen,
die ihre eigene Geschwindigkeit haben und die durch Anordnung alleine
nicht zu erreichen sind.
,,Wandel führt zu Verunsicherung und lässt das Sicherheitsstreben zur do-
minanten Verhaltensweise werden" (Bleicher 1996, S. 542). Damit entsteht
ein fundamentaler Konflikt zwischen dem Streben der Organisation nach
Veränderung und dem Streben der Organisationsmitglieder nach Sicherheit
(vgl. Judson 1991, S. 1). Verunsicherung und Ungewissheit lösen Emotio-
nen aus und Wandelprozesse werden in ihren verschiedenen Phasen von
unterschiedlichen emotionalen Reaktionen begleitet (vgl. Roth 2000, S. 15).
In westlichen Industriegesellschaften wird Emotionalität häufig als Schwä-
che, Unreife oder Luxus angesehen, den man sich nur in besonderen, da-
für vorgesehenen ,,Freiräumen", wie zum Beispiel der Familie, erlauben
sollte (vgl. Ulich 1982, S. 12). Organisationen gehören nicht zu solchen
Freiräumen, deshalb werden Emotionen dort möglichst nicht gezeigt. Dies
betrifft vor allem Manager, von denen kühle Überlegung, faktenorientiertes
Entscheiden und rationales Handeln erwartet wird (vgl. Freimuth/Zirkler
1999, S. 240).

2
Die Auseinandersetzung mit Emotionen in Organisationen ist noch relativ
neu. Lange Zeit wurden Emotionen als irrational betrachtet, die in der ratio-
nalen Welt der Wirtschaft nichts zu suchen haben. Langsam keimt jedoch
die Erkenntnis, dass für das Verständnis der Dynamik und Vielfalt mensch-
lichen Verhaltens in Organisationen die Betrachtung von emotionalen Pro-
zessen bedeutsam ist (vgl. Carr 2001, S. 2 f.). Gerade bei Wandelprozes-
sen steht eine rein rationale Sichtweise dem Verständnis der emotionalen
Reaktionen von Betroffenen im Wege. Damit wird auch die Chance vertan,
die emotionalen Kräfte für die Prozesse des Wandels zu nutzen und in die
richtigen Bahnen zu lenken.
Organisationen gelingt es oft nicht, die notwendigen Veränderungen im Un-
ternehmen umzusetzen. Die Ursache für den Misserfolg wird weniger bei
der Strategie als vielmehr bei der Implementierung (vgl. Mohr/Woehe 1998,
S.9 und Roth 2000, S. 14) gesehen. Es kommt teilweise zu massiven Wi-
derständen, die auf Unverständnis seitens der Führungskräfte und der Or-
ganisation stoßen. Bewährte Managementkonzepte zur Führung und Moti-
vation von Mitarbeitern liefern keine fruchtbaren Konzepte, wie mit Wider-
stand gegen Veränderungen umzugehen ist. Führungskräfte stehen oft
machtlos den Emotionen der Betroffenen gegenüber. Es wird versucht, den
Widerstand zu brechen oder zumindest zu reduzieren (vgl. Härtel/Zerbe
2002, S. 70). Emotionen werden damit als Ursache der Probleme bei der
Implementierung von Veränderungsprozessen angesehen und als Gegen-
satz zur gewünschten Rationalität wahrgenommen (vgl. Carr 2001, S. 421).
Es ist das Anliegen dieser Arbeit, die Bedeutung von Emotionen in einer
Organisation und insbesondere bei Prozessen des Wandels aufzuzeigen.
Besonders die Widerstände und der konstruktive Umgang damit sollen ei-
ner eingehenden Betrachtung und kritischen Würdigung unterzogen wer-
den.
Dazu werden zunächst der Begriff ,,Wandel" und die Bedeutung von Wan-
delprozessen erläutert. Formen und Ursachen des Wandels beeinflussen
die emotionale Betroffenheit der Organisationsmitglieder und spielen auch
bei der Betrachtung verschiedener Ansätze des Change Management eine
Rolle.
Zu dem hypothetischen Konstrukt ,,Emotion" gibt es vielfältige Theorien und
Definitionen. Deshalb ist es wichtig, ein grundlegendes Verständnis zu er-
arbeiten, wie Emotion in dieser Arbeit verstanden werden soll. Dabei soll

3
nicht nur auf die Frage eingegangen werden, was Emotionen sind, sondern
auch darauf, wie sich Emotionen äußern, d. h., welche Ausdrucksformen es
gibt. Aus der Fülle der Erklärungsansätze für Emotionen werden die Be-
trachtung aus einer psychodynamischen Sicht und einer sozial konstrukti-
vistischen Sicht dargestellt (vgl. Fineman 1993, S. 10 ff.).
Nach der Erarbeitung eines grundlegenden Verständnisses von Emotionen
werden emotionale Prozesse in den einzelnen Phasen des Wandels erläu-
tert (vgl. Roth 2000, S. 15 ff.). Dabei wird auf die Ursachen und Auswirkun-
gen verschiedener Emotionen im Wandelprozess eingegangen und darauf,
wie Emotionen für den Änderungsprozess genutzt werden können. Der
konstruktive Umgang mit Emotionen bei Prozessen des Wandels ist ein Er-
folgsfaktor für die Implementierung von Änderungen und bildet die Grund-
lage für das Verständnis von Widerständen.
Negative Emotionen bei Änderungsprozessen werden meist als Widerstän-
de oder als emotionale Barrieren wahrgenommen, die Organisationsmit-
glieder gegen den Wandel aufbauen. Diese Barrieren äußern sich in vielfäl-
tigen Ablehnungsformen, die aktiv oder passiv sein können und oft auf be-
wussten oder unbewussten Ängsten basieren. Die Ursachen von Wider-
ständen werden auf den Ebenen des Individuums, der Gruppe und der Or-
ganisation näher untersucht, um anschließen Strategien zur Überwindung
von Widerständen auf diesen Ebenen zu erläutern.
Abschließend wird die Fokussierung auf Widerstände als negative Emotio-
nen und damit als zu überwindende Barrieren einer kritischen Analyse un-
terzogen.

4
1
Prozesse des Wandels
1.1 Begriff und Bedeutung
Seit jeher wurden philosophische Diskurse über das Phänomen des Wan-
dels geführt. Bereits der griechische Philosoph Heraklit (ca. 544-484 v.
Chr.) beschäftigte sich mit Wandel und lehrte den ewigen Wandel der Din-
ge. Er prägte den Ausspruch: ,,Alles fließt" (Panta rhei) und sprach von ei-
nem ständigen ,,Strom des Entstehens und Vergehens". Nach seiner An-
sicht erfolgt Wandel durch das Zusammenspiel gegensätzlicher Kräfte, de-
ren Fehlen das Ende aller ,,schöpferischen Spannungen" und damit den to-
talen Stillstand der Menschheit bedeuten würde (vgl. Vahs 2003, S. 241).
Wandel steht in der deutschsprachigen Literatur für das englische Wort
,,Change", das im direkten Wortsinn auch mit Veränderung übersetzt wer-
den kann. Eine Unterscheidung der Begriffe ,,Wandel" und ,,Veränderung"
findet sich bei Weibler (2002, S. 13): Er definiert Wandel als ,,...die Entwick-
lung und Schaffung einer neuen Ordnung von Organisationen oder die die-
se Ordnung konstituierende Elemente." Veränderungen hingegen beziehen
sich ,,... auf konkrete Prozesse oder Einzelaspekte innerhalb des Wandels".
Reiß (1997, S. 9) definiert Wandel als grundlegende und fundamentale
Veränderungen und Staehle (1999) beschreibt Wandel als Übergang von
einem gegenwärtigen Zustand zu einem fundamental anderen zukünftigen
Zustand. Wandel wird als Prozess dargestellt, der aus vielen derartigen ,,Ü-
bergangsphasen" besteht. Auch der zukünftige Zustand wird niemals ein
Endzustand sein, so dass dieser Prozess fortwährend ist und sich laufend
weiterentwickelt (vgl. ebd., S. 593). Nach Reiß (1997) gleicht Wandel je-
doch nicht immer einer steten Aufwärtsentwicklung, sondern bedeutet häu-
fig ,,Auf und Ab", ,,Renaissance", ,,Aufstieg, Fall und Wiederaufstieg" (vgl.
ebd., S. 7). In dieser Arbeit wird Wandel als Prozess von grundlegenden
und fundamentalen Veränderungen verstanden.
Die Einschätzung, ob es sich wirklich um einen Wandel handelt, wird durch
individuelle Wahrnehmungen und subjektive Einschätzungen, Wünsche,
Ziele, Vor-Urteile und Befürchtungen beeinflusst. Es ist deshalb umstritten,
ob Wandel überhaupt anhand von objektiven, allgemein anerkannten Krite-
rien definiert werden kann (vgl. Reiß 1997, S. 13). Jedes Individuum kon-
struiert die Wirklichkeit stets nach Modellen, die es, wenn auch oft unbe-
wusst, in sich trägt. Deshalb werden nur die Veränderungen wahrgenom-
men, die in das vorgefasste Modell von der Außenwelt passen. Auch Erfah-

5
rungen und Erwartungen bestimmen die Wahrnehmung von Veränderun-
gen mit (vgl. Ulrich 1994, S. 23). Staehle (1999) warnt jedoch davor, Wahr-
nehmungs- und Bewusstseinsprozesse so zu verstehen, dass diese aus-
schließlich der individuellen Beliebigkeit unterliegen. Die objektive äußere
Welt hat einen großen Einfluss auf die Wahrnehmung und die Ve rarbeitung
im Bewusstsein (vgl. ebd., S. 903).
Menschen in Organisationen sind vielfältigen Prozessen des Wandels
technologischer, struktureller, persönlicher und gesellschaftlicher Art aus-
gesetzt. Die Entwicklungen in einer globalisierten Wirtschafts- und Unter-
nehmenswelt vermischen sich mit geänderten gesellschaftlichen und per-
sönlichen Werthaltungen und demografischen Entwicklungen. Nicht nur
Organisationsmitglieder stehen vor der Herausforderung, neue Denkansät-
ze und Verhaltensformen zu entwickeln, sondern auch Organisationen (vgl.
Wimmer 2001, S. 4).
Die Zunahme an Komplexität und Dynamik im Wandelgeschehen führt da-
zu, dass Probleme mit zunehmender Vernetztheit und Schwierigkeit gelöst
werden müssen, und dies in immer kürzerer Zeit (vgl. Bleicher 1996, S. 45).
Hinzu kommt eine erhöhte Vielfalt und Diskontinuität bzw. Nichtlinearität
des Wandels (vgl. Weibler 2002, S. 13 f.). Man könnte somit von einem
Wandel des Wandels sprechen, der hohe Anforderungen an Organisati-
onsmitglieder und Organisationen stellt. Vor allem das Management eines
Unternehmens trägt eine hohe Verantwortung, muss der Wandel doch
durch sie erkannt, verkraftet und derart umgesetzt werden, dass nicht nur
das Überleben, sondern die Wandlungs- und Lernfähigkeit des Unterneh-
mens langfristig gesichert wird (vgl. Bleicher 1996, S. 26). Dies erfordert
neben strategischen besonders auch soziale und emotionale Fähigkeiten,
damit Mitarbeiter von der Notwendigkeit von Veränderungen überzeugt und
diese akzeptiert und aktiv umgesetzt werden können.
In Organisationen kommen jedoch verschiedene Formen organisationalen
Wandels vor, die unterschiedliche Reaktionen verlangen und von denen
Mitarbeiter unterschiedlich betroffen sind. Diese werden im Folgenden kurz
dargestellt.

6
1.2 Formen organisationalen Wandels
Viele Veränderungen in Organisationen sind nicht beabsichtigt, zufällig und
bleiben lange Zeit mehr oder weniger unbemerkt. Solch ungeplante organi-
sationale Wandelprozesse sind notwendig und selbstverständlich und
kommen, insbesondere in informellen Zusammenhängen, immer wieder vor
(vgl. Weibler 2002, S. 19). Es handelt sich dabei um unintendierte Hand-
lungsfolgen, die sich aufgrund entstehender Eigendynamik quasi von selbst
ergeben und so nicht angestrebt wurden. Deshalb ist ein solcher Wandel
auch schwer steuer- und kontrollierbar.
Dem gegenüber steht der geplante organisatorische Wandel, bei dem eine
bewusste, beabsichtigte und angestrebte Veränderung der Struktur oder
des Verhaltens angestrebt wird und bei dem meist Effizienz- und Effektivi-
tätsüberlegungen im Mittelpunkt stehen. Er umfasst die zielgerichtete und
antizipative Gestaltung der Organisation durch die Implementierung von
kontrollierten und gesteuerten Strategien (vgl. Lippitt et al. 1985, S. 28 und
Vahs 2003, S. 242). Diese Gestaltung kann sich auf verschiedene Objekte
und Formen des Wandels beziehen oder unterschiedliche Dimensionen
des Wandlungsmanagements betreffen. Nach dem Schichtenmodell kön-
nen vier Formen des Wandels unterschieden werden, die sich wiederum
entsprechend ihrer Wandlungstiefe auffächern:
Abb. 1: Schichtenmodell des Wandels (vgl. Krüger 1994, S. 200)
Strukturen, Prozesse, Systeme, materielles Realisationspotenzial
Restrukturierung
Strategie
Reorientierung
Fähigkeiten, Verhalten
Revitalisierung
Werte und Überzeugungen
Remodellierung
Wertmäßig-kulturelle Dimension
Management von
Bewusstseinslagen
Sach-rationale Dimension
Management von Sachfragen
Politisch-verhaltensorientierte Dimension
Einflussmanagement
Objekte
und
Formen
des
Wandels
Dimensionen
des
Wandlungs-
managements

7
Aus den in der Abbildung gezeigten Objekten und Formen des Wandels er-
geben sich drei Aktivitätsdimensionen des Wandlungsmanagements. Die
Restrukturierung ist noch weitgehend ein sachrationaler Prozess. Die Re-
orientierung bewegt sich verstärkt auf einer politisch-verhaltensorientierten
Ebene und erfordert den Einbezug verschiedener Interessenlagen und Wi-
derstände. Revitalisierung und Remodellierung schließlich verlangen dar-
über hinaus die Beachtung der wertmäßig-kulturellen Dimension. Je tiefer
der Wandel, desto erforderlicher ist ein sensibler Umgang mit den Emotio-
nen und Bewusstseinslagen der Betroffenen und desto wahrscheinlicher
sind Widerstände gegen die Veränderungen (vgl. Krüger 1994, S. 201).
Tiefgreifende Veränderungen implizieren, dass Organisationsmitglieder et-
was aufgeben müssen, das sie schätzen und dem sie sich verpflichtet füh-
len. Dies ist auch mit dem Gefühl verbunden, dass die bisherigen Verhal-
tensweisen und Einstellungen irgendwie falsch oder unangemessen waren.
Dagegen werden sich die Betroffenen meist zu wehren versuchen, deshalb
werden derartige Einstellungsänderungen auf emotionalen Widerstand sto-
ßen (vgl. Schein 1975, S. 128).
Neben der Tiefe des Wandels spielen auch die Geschwindigkeit und das
Ausmaß eine Rolle. Bei dem Ausmaß des Wandels wird zwischen Wandel
1. und 2. Ordnung unterschieden (vgl. z.B. Staehle 1999, S. 900 f. und
Vahs 2003, S. 242).
Abb. 2: Wandel 1. und 2. Ordnung (vgl. Vahs 2003, S. 242)
Bei dem Wandel 1. Ordnung handelt es sich um einen quantitativen, evolu-
tionären und kontinuierlichen Wandel, der auf einzelne Dimensionen und
Ebenen beschränkt ist. Es findet hier keine grundlegende Umgestaltung
der Unternehmenswerte, der strategischen Ausrichtung, der Verhaltens-
normen, der Prozesse und Strukturen statt. Der Wandel 2. Ordnung ist von
Wandel 2. Ordnung
Wandel 1. Ordnung
Angst der Betroffenen
Komplexität
Intensität

8
komplexer, grundlegender und qualitativer Natur. Er umfasst mehrere Ebe-
nen und Dimensionen und erfolgt diskontinuierlich und revolutionär. Ein
solcher Wandel stellt eine einschneidende, paradigmatische Veränderung
dar und bedeutet oft einen ,,Bruch mit der Vergangenheit". Dementspre-
chend groß sind auch die Ängste und die Unsicherheit der Betroffenen.
Revolutionärem Wandel wird von Krüger (1994) eine hohe Geschwindigkeit
zugesprochen, da sich Veränderungsprozesse häufig in Form eines ,,Quan-
tensprungs" vollziehen und von begrenzter Zeitdauer sind. Evolutionärer
Wandel verläuft nach seiner Ansicht hingegen in kleinen Entwicklungs-
schritten als kontinuierlicher, dauerhafter Lernprozess und damit langsamer
(vgl. ebd., S. 216 ff.).
Neben der beschriebenen Systematisierung des Wandels werden noch
weitere Charakterisierungen genannt. Dazu zählen die Ganzheitlichkeit, Di-
versität, Volatilität und Permanenz des Wandels (vgl. hierzu u.a. Reiß 1997,
S. 18). Welche Form Wandelprozesse annehmen, hängt auch von den
Gründen für die Initiierung ab.
1.3 Ursachen organisationalen Wandels
Organisationen sind vielfältigen Einflüssen ausgesetzt, die Handlungsbe-
darf für Veränderungen erzeugen. Diese lassen sich auf zwei grundlegende
Ursachenkomplexe zurückführen, nämlich externe und interne Ursachen
(vgl. Weibler 2002, S. 15 ff. und Vahs 2003, S. 261 ff.).
Externe Ursachen sind in einem Druck von außen auf die Organisation
durch eine sich wandelnde Umwelt begründet. Dazu sind vor allem sozio-
kulturelle Veränderungen zu beachten. Der vielzitierte gesellschaftliche
Wertewandel hat die Einstellung der Menschen zu ihrer Arbeit grundlegend
verändert. Mehr Mitbestimmung, größere Entscheidungs- und Handlungs-
spielräume, sinnerfüllte Aufgaben, der Wunsch nach Eigenverantwortung
und die Berücksichtigung von Gefühlen und Wünschen der Mitarbeiter stel-
len nicht nur eine große Herausforderung der Organisationen an Strukturen
und Strategien dar, sondern auch an die Führungskräfte. Hinzu kommt eine
in den letzten Jahren zu beobachtende Entwicklung von der Berufs- und
Leistungsorientierung zu einer hedonistischen Haltung, in der die Freizeit
und Selbstentfaltungswerte eine größere Rolle spielen. Generell lässt sich
sagen, dass die Ansprüche an das berufliche Tun höher sind und eine qua-
litative Veränderung erfahren haben. Um die Leistungspotentiale der Mitar-

9
beiter auszuschöpfen, muss diesen veränderten Werten Rechnung getra-
gen und es müssen in den Organisationen entsprechende Voraussetzun-
gen geschaffen werden (vgl. Klages 1985, S.107 ff., Rosenstiel 1992, S.
47 ff., Weibler 2002, S. 15, Vahs 2003, S. 262 f.).
Eine weitere externe Ursache für den Wandlungsdruck ist in der Verände-
rung der Markt- und Wettbewerbssituation zu sehen. Die Kundenansprüche
steigen und erfordern hohe Flexibilität und eine ausgeprägte Dienst-
leistungs- und Kundenorientierung. Hohe Qualität, die Zeit als Wettbe-
werbsfaktor und Produktinnovationen nehmen an Bedeutung zu. Die fort-
schreitende globale Vernetzung der nationalen Wirtschaften, die Öffnung
nach Osten und die fernöstliche Konkurrenz sind Herausforderungen, de-
nen Unternehmen sich stellen müssen und die nach innovationsfördernden
und vernetzten Organisationsformen verlangen (vgl. Doppler/Lauterburg
2000, S. 44, Weibler 2002, S. 15 f., Vahs 2003, S. 262).
Auch die demographische Entwicklung wird in Zukunft zu einem erhöhten
Wandlungsdruck beitragen. Die Gesellschaft wird immer älter, junge Nach-
wuchskräfte werden rar und die Wirtschaft wird auf den Einsatz gut ausge-
bildeter Frauen nicht verzichten können. Diese Entwicklung wird sich nicht
nur auf die Umbildung der Sozialsysteme auswirken, sondern auch ganz
erheblich auf die Personalpolitik der Unternehmen, die sich zunehmend mit
älteren und weiblichen Mitarbeitern beschäftigen und entsprechend flexible
Modelle entwickeln muss (vgl. Doppler/Lauterburg 2000, S. 30 ff.).
Aber auch durch einen Druck von innen können Veränderungen ausgelöst
werden. Interne Auslöser sind häufig Krisen, die laut Krystek (1987) als
,,...ungeplante und ungewollte Prozesse von begrenzter Dauer und Beein-
flussbarkeit sowie mit ambivalentem Ausgang" definiert werden. Sie können
bestandsgefährdend oder sogar existenzvernichtend wirken. Krisen entwi-
ckeln sich oft durch Fehlentscheidungen der Vergangenheit bezüglich der
Absatzpolitik, der Investitionspolitik oder den Markterfordernissen und Kun-
denbedürfnissen. Evident werden solche Krisen im Anfangsstadium oft
durch Abweichungen zwischen Plan- und Ist-Zuständen, Umsatzeinbrüche,
Lieferschwierigkeiten oder Absatzprobleme (vgl. ebd. S. 6 f., Staehle 1999,
S. 902 f., Weibler 2002, S. 16).
Neben Fehlentscheidungen in der Vergangenheit kann auch die strategi-
sche Neuausrichtung in die Zukunft Veränderungsprozesse auslösen. Stra-
tegieänderungen sind oft auf neue Ziele und eine Erhöhung der Flexibilität

10
und Innovationskraft des Unternehmens ausgerichtet, die eine Anpassung
der Strukturen und eventuell neue Ressourcenverteilungen erfordern (vgl.
Weibler 2002, S. 16). Innerorganisatorische Probleme können ebenso per-
sonale Ursachen haben. Gestiegene Erwartungen der Mitarbeiter, Macht-
kämpfe, Motivationsmängel, hohe Fluktuationsraten sind nur einige Bei-
spiele davon.
Die Aufteilung in organisationsexterne und ­interne Ursachen ist rein analy-
tisch, in der Praxis vermischen sich extern und intern induzierte Wandel-
prozesse (vgl. Staehle 1999, S. 905).
1.4 Change Manageme nt
Veränderungsphänomene sind für das Management in Unternehmen nichts
Neues. Schon immer mussten sich Organisationen an sich wandelnde poli-
tische, kulturelle und technische Rahmenbedingungen vorausschauend
und aktiv anpassen und damit ihre Überlebensfähigkeit sichern (vgl. Ulrich
1994, S. 24). Change Management umfasst nach neuerem Verständnis al-
lerdings nicht nur einzelne Problembereiche, sondern geht von einer ganz-
heitlichen Perspektive aus, die Strategie, Organisation, Kultur und Techno-
logie des Unternehmens sowie durch Veränderungsmaßnahmen entste-
hende Wechselwirkungen beinhaltet. Danach gilt: ,,Change Management ist
die zielgerichtete Analyse, Planung, Realisierung, Evaluierung und laufen-
de Weiterentwicklung von ganzheitlichen Veränderungsmaßnamen in Un-
ternehmen." (Vahs 2003, S. 252).
Grundlage jedes Veränderungsmanagements ist die Analyse der Aus-
gangssituation und darauf aufbauend die Formulierung einer Vision, die
dann in einem Leitbild konkretisiert wird. In dieser Phase ist es wichtig,
dass die Beteiligten die Ziele des Veränderungsprozesses verstehen und
es der Führung gelingt, Begeisterung für diese Ziele zu wecken (vgl. Hin-
terhuber/Popp 1994, S. 124 ff.). Darauf aufbauend erfolgt die Entwicklung
der Gesamtstrategie und die Neukonzipierung der Organisation, bei der die
Erfordernisse des Marktes und strukturelle Kontextfaktoren wie Zeit- und
Budgetrestriktionen zu beachten sind. Aber auch personelle Kontextfakto-
ren wie Präferenzen, Wissen und Macht der betroffenen Mitarbeiter müs-
sen berücksichtigt werden (vgl. Picot et al. 1999, S. 46).

11
Es gibt viele praktische Konzepte, die zum Teil erhebliche Neuorientierun-
gen und -konzipierungen der Organisation zur Folge haben und zwischen
den beiden Extrempositionen ,,Transformation" und ,,Evolution" liegen.
Management des Wandels
Transformation
Evolution
Mechanistisches
Unternehmensmodell
Fremdorganisation
Radikaler Wandel
Organisches
Unternehmensmodell
Selbstorganisation
Inkrementaler Wandel
Business
Reengineer-
ing
Lean
Management
Total
Quality
Management
Organisations-
Entwicklung
Organisationales
Lernen
Abb. 3: Einordnung praktischer Konzepte zum Management des Wandels
(vgl. Gagsch 2002, S. 86).
Gagsch (2002) führt aus, dass diese Konzepte in einigen wesentlichen
Bausteinen übereinstimmen. So betonen zum Beispiel das Business Reen-
gineering als auch das Lean Management die Bedeutung der Prozessori-
entierung zur Steigerung der Effizienz, verbunden mit einer Forderung nach
einem Hierarchieabbau und stärkerer Mitarbeiter- und Kundenorientierung.
Auch die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Betrachtung des Unterneh-
menswandels wird von allen Konzepten anerkannt, auch wenn einige den
Wandel des Produktionssystems in den Mittelpunkt rücken. Unterschiede
bestehen hauptsächlich in der Art und Weise, wie diese Bausteine umge-
setzt werden, wobei die drei in der Abbildung genannten Spannungsfelder
zu unterscheiden sind.
Das mechanistische Unternehmensmodell setzt eine technisch-
ökonomische Perspektive und ein manipulatives Eingreifen der Unterneh-
mensführung in transformativer Weise voraus. Das organische Unterneh-
mensmodell geht von einem Wandel aus sich selbst heraus aus und von
einem allenfalls sanften Eingreifen der Unternehmensführung. Im Zentrum
steht hier die kulturell-kognitive Perspektive. Die Pole Selbst- und Fremd-
organisation bewegen sich zwischen ,,Bottom-up" getriebenen, selbstorga-
nisatorischen Strömungen und starken ,,Top-Down"-Orientierungen, wobei
diese meist in Mischformen vorkommen, da die Extrempole nicht praktika-
bel erscheinen. Radikaler Wandel wird oft von Konzepten getrieben, die

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783832482749
ISBN (Paperback)
9783838682747
DOI
10.3239/9783832482749
Dateigröße
430 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
FernUniversität Hagen – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2004 (September)
Note
2,3
Schlagworte
change management emotionale prozesse wandels organisatorscher wandel barrieren
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Titel: Die Bedeutung von Emotionen bei Prozessen des Wandels
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