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Sanierungskredite in der Restrukturierungsfinanzierung

©2004 Diplomarbeit 141 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Seit der Jahrtausendwende ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen durchschnittlich um ca. 10,5 Prozent per annum gestiegen und hat im Jahr 2003 mit rund 39.700 Insolvenzen abermals einen neuen Höchststand erreicht. Neben überwiegend kleinen und mittelgroßen Firmen waren auch große (Traditions-)Unternehmen wie Aero Lloyd, Babcock Borsig, Fairchild Dornier, Grundig, Herlitz, Kirch Media oder Philipp Holzmann in den Jahren 2001 bis 2003 von der Insolvenz betroffen. Der gesamtwirtschaftliche Schaden ist enorm. Im Jahr 2003 betrugen die Insolvenzschäden in Deutschland rund 40 Mrd. EUR, wobei infolge der Unternehmensinsolvenzen über 613.000 Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verloren. Die Zahl der Insolvenzanträge zeigt jedoch nur die „Spitze des Eisbergs“, da die Insolvenz das vorläufige Endstadium einer krisenhaften Entwicklung von Unternehmen ist. Die Anzahl der Unternehmen, die sich in den letzten Jahren tatsächlich in einer Krise befanden, ist folglich um ein Vielfaches höher. Neben der konjunkturellen Schwäche der letzten Jahre, wird gerade bei kleinen bis mittleren Unternehmen die unzureichende Kapitalausstattung als Hauptgrund der Unternehmenskrisen identifiziert.
Die Schlüsselrolle bei der Finanzierung einer Krisenbewältigung obliegt in Deutschland bis heute den Banken, da sie in der Regel die Großgläubiger der Krisenunternehmen sind und sich die Frage der Krisenbewältigung unter anderem auf die Gewährung neuer Finanzmittel, insbesondere von Sanierungskrediten, konzentriert. Die Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2003 verdeutlichen jedoch, dass die Bereitschaft der Banken, Sanierungskredite zu vergeben, selektiver und restriktiver geworden ist.
Diese Erkenntnis begründet die hohe Relevanz der vorliegenden Arbeit für die Praxis. Grundsätzlich basiert die Entscheidung zur Sanierungskreditvergabe unter Sicherheit auf einem Barwertvergleich. In der Praxis respektive unter Unsicherheit kommt es aber zu Abweichungen von dieser Entscheidungsregel. Daher stellt die Arbeit einen Versuch dar, das Entscheidungsproblem mittels mehrdimensionaler und interdependenter Einflussfaktoren zu erfassen.
Ziel soll es sein, Banken, Krisenunternehmen und Dritten eine Parameterfunktion an die Hand zu geben, die das einzelfallspezifische Entscheidungsproblem der Sanierungskreditvergabe annäherungsweise konzeptionalisiert. Darüber hinaus soll die Arbeit aktuelle Entwicklungstendenzen aufzeigen und so unter Verwendung der ermittelten Ergebnisse […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8221
Weigl, Tobias: Sanierungskredite in der Restrukturierungsfinanzierung
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: European Business School Schloß Reichartshausen, Oestrich-Winkel, Diplomarbeit,
2004
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2004
Printed in Germany

- I -
Danksagung
An dieser Stelle bedanke ich mich bei Herrn Prof. Dr. Dirk Schiereck, der diese Dip-
lomarbeit angeregt und intensiv betreut hat.
Besonderer Dank gebührt Herrn Karl-Josef Kraus, Herrn Dr. Ralf Moldenhauer, Herrn
Klaus Kremers und Herrn Ralph Kudla, die durch ihre persönliche Unterstützung sowie
zahlreiche fachliche Ratschläge stets zur Verbesserung der Arbeit beigetragen haben.
Darüber hinaus bedanke ich mich recht herzlich bei all jenen von Roland Berger Strate-
gy Consultants, die durch ihre fachliche und persönliche Unterstützung zum Gelingen
dieser Diplomarbeit beigetragen haben, sowie den Bankenvertretern, die aufgrund Ihres
detaillierten und spezifischen Fachwissens mir wertvolle und praxisrelevante Inhalte
vermittelten.

-
II
-
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis... IV
Abkürzungsverzeichnis... V
1 Einleitung...
1
1.1
Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit... 1
1.2
Aufbau der Arbeit... 2
1.3 Methodische
Vorbemerkungen... 3
2
Unternehmenskrisen und Restrukturierung... 4
2.1 Unternehmenskrisen... 4
2.1.1 Begriffliche
Abgrenzung
...
4
2.1.2 Ursachen
für
Unternehmenskrisen
...
.
...
4
2.1.3
Arten von Unternehmenskrisen
...
5
2.2
Restrukturierung als Instrument zur Krisenbewältigung... 7
2.2.1 Begriffliche
Abgrenzung
...
7
2.2.2
Träger der Restrukturierung von Krisenunternehmen
...
8
2.2.3
Ablauf der Restrukturierung von Krisenunternehmen
...
8
2.2.4
Maßnahmen im Rahmen der Restrukturierung
...
10
2.2.4.1
Strategische und operative Maßnahmen in der Restrukturierung
...
10
2.2.4.2
Finanzwirtschaftliche Maßnahmen in der Restrukturierung
...
11
3 Sanierungskredit
als
finanzwirtschaftliche Maßnahme
im Rahmen der Restruktuierung... 13
3.1
Grundlagen zum Sanierungskredit... 13
3.1.1
Begriffliche Abgrenzung
...
13
3.1.2 Charakteristika
eines
Sanierungskredites
...
13
3.2
Banken als wesentliche Sanierungskreditgeber... 14
3.3
Gründe für die Vergabe von Sanierungskrediten... 15
3.4
Probleme und Haftungsrisiken bei der Sanierungskreditvergabe... 17
3.4.1 Probleme
...
17
3.4.2 Haftungsrisiken
...
19

- III -
4
Konzeptionalisierung des Entscheidungsproblems... 21
4.1
Entscheidungsproblem der Sanierungskreditgeber... 21
4.2
Entscheidungsparameter bei der Restrukturierungsfinanzierung
durch Sanierungskredite... 24
4.2.1 Qualitative
Entscheidungsparameter
...
25
4.2.1.1 Endogene
Parameter
...
25
4.2.1.2 Exogene
Entscheidungsparameter
...
29
4.2.2 Quantitative
Entscheidungsparameter
...
32
4.3
Erstellung der Parameterfunktion... 36
5
Empirische Untersuchung zur Sanierungs-
kreditvergabe...
38
5.1
Methodische Vorgehensweise und Datenerhebung... 38
5.1.1 Methodik
...
38
5.1.2
Auswahl der Stichprobe
...
39
5.1.3
Profil der Stichprobe
...
39
5.2
Auswertung und Interpretation der Ergebnisse... 41
5.2.1
Häufigkeit der Vergabe von Sanierungskrediten innerhalb der
Stichprobe
...
41
5.2.2
Statistische Auswertung und Interpretation der einzelnen Parameter
...
42
5.2.3
Statistische Auswertung und Interpretation der Parameterfunktion
...
47
5.3
Kritische Würdigung der empirischen Ergebnisse... 49
6
Zukünftige Bedeutung des Sanierungskredites... 50
6.1
Entwicklungstendenzen und der Einfluss auf die
Sanierungskreditvergabe... 50
6.2
Alternativen zum Sanierungskredit... 53
6.3
Auswirkungen auf die Entscheidungsparameter... 56
7
Schlussbemerkungen und Ausblick... 57
Anhangsverzeichnis ...60
Literaturverzeichnis...115

-
IV
-
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Konzeptionelle Grundlagen von Unternehmenskrisen...6
Abbildung 2: Charakteristika von Sanierungskrediten...14
Abbildung 3: Entscheidungsproblem der Sanierungskreditvergabe...21
Abbildung 4: Auflistung und Gewichtung der qualitativen Entscheidungsparameter...32
Abbildung 5: Auflistung und Gewichtung der quantitativen Entscheidungsparameter...35
Abbildung 6: Einordnung sämtlicher Entscheidungsparameter...36
Abbildung 7: Parameterfunktion...37
Abbildung 8: Profil der Stichprobe...40
Abbildung 9: Häufigkeitsverteilung der Sanierungskreditvergabe...41
Abbildung 10: Auswertung der Ausprägungsstärken der Parameter in den jeweiligen Gruppen...43
Abbildung 11: Adjustierte Parameterfunktion...47
Abbildung 12: Ergebnisse der Parameterfunktion für die jeweiligen Gruppen...48
Abbildung 13: Modifizierte Relevanz einzelner Entscheidungsparameter...56

- V -
Abkürzungsverzeichnis
Abb.
Abbildung
AG
Aktiengesellschaft
Aufl.
Auflage
Bayern LB
Landesbank Bayern
BGB
Bügerliches
Gesetzbuch
Bd.
Band
BGH
Bundesgerichtshof
BFuP
Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis
bzgl.
bezüglich
bspw.
beispielsweise
bzw.
beziehungsweise
ca.
circa
CDAX
Composite
Index
CF
Cashflow
d.
der/die/das
d.
h.
das
heißt
Diss.
Dissertation
DSWR
Deutsche
Zeitschrift
für
Wirtschafts- und Insolvenzrecht
EBIT
Earnings
before
Interest
and
Taxes
EBITDA
Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization
EDV
Elektronische
Datenverarbeitung
EK
Eigenkapital
et
al.
et
alii
etc.
et
cetera
EU
Europäische
Union
EUR
Euro
e.
V.
eingetragener
Verein
FCF
Free-Cash-Flow
FTSE
Financial Times Stock Exchange
ggf.
gegebenenfalls
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GmbHG
GmbH-Gesetz
Hrsg.
Herausgeber
i.d.R.
in der Regel
IDW
Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V.
InsO
Insolvenzordnung
insb.
insbesondere

-
VI
-
IRU
Institutional
Restructuring
Unit
Jg.
Jahrgang
KapAEG Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz
KG
Kommanditgesellschaft
KI
Kreditinstitute
KonTraG
Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im
Unternehmensbereich
LA
Lenkungsausschuss
LfA
Förderbank Bayern (früher: Bayerische Landesanstalt für
Aufbaufinanzierung)
MA
Mergers
Acquisitions
Max.
Maximal
Min.
Minimal
Mio.
Million(en)
Mrd.
Milliarde(n)
Nr.
Nummer
o.
Jg.
ohne
Jahrgang
o. Nr.
ohne Nummer
o.
V.
ohne
Verfasser
sog.
so
genannt(e,er,es)
u.
und
u.
a.
und
anderem
USA
United
States
of
America
v.
a.
vor
allem
vgl.
vergleiche
Verbindlk. Verbindlichkeiten
VG
Vermögensgegenstände
WP-Handbuch
Wirtschaftsprüfer Handbuch
z.
B.
zum
Beispiel
zfbf
Schmalenbachs
Zeitschrift
für
betriebswirtschaftliche
Forschung
ZinsO
Zeitschrift
für
die
Insolvenzpraxis
ZIP
Zeitschrift
für
Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis

-1-
1
Einleitung
1.1
Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
Seit der Jahrtausendwende ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen durchschnittlich
um ca. 10,5 Prozent per annum gestiegen und hat im Jahr 2003 mit rund 39.700 Insol-
venzen abermals einen neuen Höchststand erreicht.
1
Neben überwiegend kleinen und
mittelgroßen Firmen waren auch große (Traditions-)Unternehmen wie Aero Lloyd,
Babcock Borsig, Fairchild Dornier, Grundig, Herlitz, Kirch Media oder Philipp Holz-
mann in den Jahren 2001 bis 2003 von der Insolvenz betroffen. Der gesamtwirtschaftli-
che Schaden ist enorm. Im Jahr 2003 betrugen die Insolvenzschäden in Deutschland
rund 40 Mrd. EUR, wobei infolge der Unternehmensinsolvenzen über 613.000 Mitar-
beiter ihren Arbeitsplatz verloren.
2
Die Zahl der Insolvenzanträge zeigt jedoch nur die
,,Spitze des Eisbergs", da die Insolvenz das vorläufige Endstadium einer krisenhaften
Entwicklung von Unternehmen ist.
3
Die Anzahl der Unternehmen, die sich in den letz-
ten Jahren tatsächlich in einer Krise befanden, ist folglich um ein Vielfaches höher. Ne-
ben der konjunkturellen Schwäche der letzten Jahre, wird gerade bei kleinen bis mittle-
ren Unternehmen
4
die unzureichende Kapitalausstattung als Hauptgrund der Unterneh-
menskrisen identifiziert.
5
Die Schlüsselrolle bei der Finanzierung einer Krisenbewältigung obliegt in Deutschland
bis heute den Banken, da sie in der Regel die Großgläubiger der Krisenunternehmen
sind und sich die Frage der Krisenbewältigung unter anderem auf die Gewährung neuer
Finanzmittel, insbesondere von Sanierungskrediten, konzentriert.
6
Die Unternehmensin-
solvenzen im Jahr 2003 verdeutlichen jedoch, dass die Bereitschaft der Banken, Sanie-
rungskredite zu vergeben, selektiver und restriktiver geworden ist.
7
Diese Erkenntnis begründet die hohe Relevanz der vorliegenden Arbeit für die Praxis.
Grundsätzlich basiert die Entscheidung zur Sanierungskreditvergabe unter Sicherheit
auf einem Barwertvergleich. In der Praxis respektive unter Unsicherheit kommt es aber
1
Vgl. Creditreform (2003), S. 1.
2
Vgl. Kudla (2004), S. 1; Creditreform (2003), S. 6.
3
Vgl. Lafrenz (2004), S. 1.
4
Gemäß dem Institut für Mittelstandsforschung haben kleine Unternehmen maximal neun Beschäftig-
te und einen Umsatz von weniger als einer Million EUR per annum. Mittlere Unternehmen haben
zwischen 10 und 499 Beschäftigte und einen Umsatz zwischen 1 und 50 Million EUR. Vgl. hierzu
Institut für Mittelstandsforschung (2003), S. 2.
5
Vgl. Creditreform (2003), S. 12-13.
6
Vgl. David (2001), S. 71; Buchalik (1998), S. 27; Müller (1986), S. 442.
7
Vgl. Hofmann (2002), S. 551; Vera (2002), S. 31. Aktuelle Beispiele sind Aero Lloyd Flugreisen
GmbH Co. Luftverkehrs KG oder Fairchild Dornier GmbH. Vgl. hierzu o. V. (2003a), S. 2.

-2-
zu Abweichungen von dieser Entscheidungsregel. Daher stellt die Arbeit einen Versuch
dar, das Entscheidungsproblem mittels mehrdimensionaler und interdependenter Ein-
flussfaktoren zu erfassen. Ziel soll es sein, Banken, Krisenunternehmen und Dritten eine
Parameterfunktion an die Hand zu geben, die das einzelfallspezifische Entscheidungs-
problem der Sanierungskreditvergabe annäherungsweise konzeptionalisiert. Darüber
hinaus soll die Arbeit aktuelle Entwicklungstendenzen aufzeigen und so unter Verwen-
dung der ermittelten Ergebnisse einen Anstoß für weitere Forschungsaktivitäten geben.
1.2
Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit ist in sieben Kapitel untergliedert. Im ersten Kapitel wird die
Problemstellung des Themas aufgezeigt sowie die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit
definiert. Des Weiteren wird der Aufbau beschrieben und Anmerkungen zum methodi-
schen Vorgehen gemacht.
Im zweiten Kapitel werden die konzeptionellen Grundlagen zu Unternehmenskrisen
und der Restrukturierung als Instrument zur Bewältigung solcher Krisen genannt. Dazu
werden die bestehenden Erkenntnisse der Forschung systematisiert und für die Arbeit
relevante Abgrenzungen vorgenommen.
Das dritte Kapitel baut auf den vorherigen Erkenntnissen auf und beschreibt den Sa-
nierungskredit als bedeutsame finanzwirtschaftliche Restrukturierungsmaßnahme. Die
Ausführungen basieren dabei auf existierenden theoretischen Grundlagen und auf Er-
kenntnissen aus der Praxis. Das zweite und dritte Kapitel bilden den konzeptionellen
Bezugsrahmen für den weiteren Verlauf der Arbeit.
Basierend auf der theoretischen Herleitung des Entscheidungsproblems, ist es Ziel des
vierten Kapitels, die wesentlichen Entscheidungsparameter für eine Sanierungskredit-
vergabe zu identifizieren und zu gewichten, um Transparenz im Entscheidungskalkül
der Sanierungskreditgeber zu gewährleisten. Ferner soll in Abhängigkeit der erzielten
Erkenntnisse eine Parameterfunktion aufgestellt werden, die das einzelfallspezifische
Entscheidungsproblem der Banken konzeptionalisiert.
Im fünften Kapitel wird die Praxis der Sanierungskreditvergabe untersucht und die
Bedeutung der erarbeiteten spezifischen Entscheidungsparameter im Kontext mit realen
Restrukturierungsfällen aufgezeigt. Außerdem ist es das Ziel, die erarbeitete Parameter-
funktion auf die betrachteten Unternehmen anzuwenden, um Tendenzen für ihre prakti-
sche Anwendbarkeit und Aussagekraft zu erhalten.
Im sechsten Kapitel sollen Veränderungen im Rahmen der Sanierungskreditvergabe

-3-
aufgrund aktueller Entwicklungstendenzen und innovativer Vorgehensweisen zur Fi-
nanzierung von Krisenunternehmen, identifiziert werden. Entgegen vereinzelten Mei-
nungen soll die weiterhin hohe Bedeutung von Sanierungskrediten herausgestellt sowie
auf mögliche Einsatzfelder der erarbeiteten Erkenntnisse hingewiesen werden.
Neben der Zusammenfassung des Erkenntnisgewinns widmet sich das siebte Kapitel
den Schlussfolgerungen für Theorie und Praxis und endet mit einen Ausblick über zu-
künftige Forschungsfelder im Rahmen des betrachteten Untersuchungsgegenstandes.
1.3
Methodische Vorbemerkungen
Die vorliegende wissenschaftliche Arbeit hat explorativen Charakter, da es nicht Ziel
der Arbeit ist, bestehende Hypothesen über Strukturen und Zusammenhänge zu bestäti-
gen (,,konfirmatorisches Vorgehen"), sondern neue zu erkunden und darzustellen
(,,exploratives Vorgehen").
8
Zwar haben die gewonnen Erkenntnisse und Handlungs-
empfehlungen eher einen probabilistischen als einen gesetzesartigen Charakter, dennoch
kann durch das gewählte methodische Vorgehen ein besseres und weiterführendes Ver-
ständnis des Untersuchungsgegenstandes erzielt werden.
9
Das explorative Vorgehen in
dieser Arbeit ist gekennzeichnet durch die Erweiterung der theoretischen Erkenntnisse
mittels zehn problemzentrierter Experteninterviews.
10
Ziel dieser Interviews ist es, um-
fangreiche und praxisorientierte Erkenntnisse in Abhängigkeit zur Zielsetzung dieser
Arbeit zu erhalten. Während das zweite und dritte Kapitel durch Expertenmeinungen
ergänzt bzw. erweitert werden, basieren vor allem das vierte und sechste Kapitel auf den
Expertengesprächen. Aufgrund der hohen Brisanz des Themas und der notwendigen
Vertraulichkeit der Aussagen wird bewusst auf deren personengenaue Zuordnung ver-
zichtet.
11
Die Selektion der befragten Personen erfolgte nach dem Verfahren der ,,be-
wussten Auswahl".
12
Ein Zustandekommen der Gespräche war jedoch nur aufgrund
persönlicher Kontakte bzw. Referenzen zwischen den Interviewpartnern und Roland
Berger Strategy Consultants möglich. Um Schlussfolgerungen aus den Interviews an-
zuwenden und teilweise zu überprüfen, wird zusätzlich eine empirische Untersuchung
durchgeführt, welche den explorativen Charakter der Arbeit verstärkt.
8
Vgl. Fritz (1992), S. 60; Kirsch (1981), S. 194.
9
Vgl. Kubicek (1975), S. 39-40.
10
Der Interviewer spielt während der Interviewphase eine aktive Rolle und stützt sich dabei auf einen
vorab entworfenen Leitfaden (Anhang 1-1). Vgl. hierzu Dieckmann (2002), S. 450-451.
11
Die Namen und Positionen der Interviewpartner sind im Anhang 1-2 offen gelegt. Die Ergebnispro-
tokolle der Gespräche sind in den Anhang 1-3 bis 1-13 zusammengefasst.
12
Vgl. hierzu Dieckmann (2002), S. 328. So wurden die Experten beispielsweise in Abhängigkeit ihrer
Tätigkeit oder Position ausgewählt.

-4-
2
Unternehmenskrisen und Restrukturierung
2.1
Unternehmenskrisen
2.1.1
Begriffliche Abgrenzung
Der Begriff ,,Krise" stammt etymologisch vom griechischen Wort ,,krísis" ab und be-
deutet die Zuspitzung einer Handlungssituation, welche sich durch einen ambivalenten
Ausgang auszeichnet.
13
Diese Ambivalenz ist somit charakteristisch für eine Unterneh-
menskrise, für die in der betriebswirtschaftlichen Literatur eine Bandbreite an Definiti-
onen
14
existiert. Dies verwundert nicht, da Fragestellungen zum Thema Unternehmens-
krisen bis in die Anfänge betriebswirtschaftlicher Forschung zurückgehen.
15
Dieser Ar-
beit wird die Begriffsbestimmung von Krystek (1987) zugrunde gelegt, da diese beson-
ders umfassend und in der deutschsprachigen Literatur weit verbreitet ist:
,,Unternehmenskrisen sind ungeplante und ungewollte Prozesse von begrenzter Dauer und Be-
einflussbarkeit sowie mit ambivalentem Ausgang. Sie sind in der Lage, den Fortbestand des ge-
samten Unternehmens substantiell und nachhaltig zu gefährden oder sogar unmöglich zu ma-
chen. Dies geschieht durch die Beeinträchtigung bestimmter Ziele (dominanter Ziele), deren Ge-
fährdung oder gar Nichterreichung gleichbedeutend ist mit einer nachhaltigen Existenzgefähr-
dung oder Existenzvernichtung des Unternehmens als selbständig und aktiv am Wirtschaftspro-
zess teilnehmender Einheit mit ihren bis dahin gültigen Zweck- und Zielsetzungen."
16
Eine Unternehmenskrise im Sinne der Insolvenzordnung liegt vor, wenn Zahlungsunfä-
higkeit (§ 17 InsO), drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) und/oder Überschuldung
(§ 19 InsO) eines Unternehmens eingetreten sind.
17
Insolvente Unternehmen sind folg-
lich immer Krisenunternehmen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bedeutet jedoch
nicht zwangsläufig das Ende der Unternehmenskrise.
18
2.1.2
Ursachen für Unternehmenskrisen
Genaue Kenntnisse der Ursachen und der spezifischen Ursachen-Wirkungs-Ketten sind
Voraussetzung für eine erfolgreiche Vermeidung und Bewältigung von Unternehmens-
krisen: ,,Ohne eine fundierte Ursachenanalyse bleibt jedes Sanierungskonzept reine
13
Vgl. Krystek (1987), S. 3.
14
Vgl. Müller (1986), S. 33-34; Zahn (1983), S. 191-193; Löhneysen (1982), S. 26-27.
15
Vgl. u.a. Fleege-Althoff (1930); Le Coutre (1926); Leitner (1919).
16
Krystek (1987), S. 6-7. Diese Definition findet ebenfalls Verwendung u.a. bei Bergauer (2001), S. 4;
Kraft (2001), S. 57; Kall (1999), S. 4. Siehe Anhang 2-1 für eine graphische Darstellung.
17
Vgl. Hess et al. (1998), S. 830-834.
18
Vgl. Kraus/Moldenhauer (2002), S. 1. Ziel des neuen Insolvenzrechts ist neben der Gläubigerbefrie-
digung der Erhalt des Unternehmens. Vgl. hierzu Braun/Uhlenbruck (1997), S. 167.

-5-
Glückssache."
19
Die Literatur unterscheidet dabei zwischen endogenen, im Unterneh-
men selbst begründeten (z.B. Managementfehler), und exogenen, vom Unternehmen
nicht zu verantwortenden Krisenursachen (z.B. Markteinbruch). Vor allem bei endoge-
nen Krisenursachen ist es dem Unternehmen meist nicht möglich, ohne fremde Hilfe die
Krisensituation erfolgreich zu meistern.
20
In diesen Fällen ist das Unternehmen auf das
Know-how von Externen, wie zum Beispiel von Unternehmensberatungen angewiesen.
Es erweist sich jedoch als schwierig, den Unternehmenskrisen eindeutige Ursachen
zugrunde zu legen; vielmehr lassen sich Unternehmenskrisen auf unterschiedlichste,
sowohl mehrstufige als auch multilokale, Ursachen zurückführen.
21
Eine Befragung von
knapp 100 Kreditbetreuern und -entscheidern ergab, dass vor allem unzureichende Ma-
nagementqualitäten und verspätete Reaktion auf erkennbare Krisensymptome die
Hauptkrisenursachen darstellen.
22
2.1.3
Arten von Unternehmenskrisen
In Abhängigkeit vom Grad der Existenzbedrohung und zeitlicher Nähe zur Insolvenz
unterscheidet man verschiedene Arten von Krisen:
23
· Die strategische Krise ist gekennzeichnet durch die Bedrohung bzw. den Verlust
der langfristigen Erfolgspotenziale. Ein exemplarischer Grund ist eine verpasste
technologische Entwicklung. Zur Überwindung einer strategischen Krise sind vor
allem langfristige Gegenmaßnahmen erforderlich.
· In der Ergebnis- bzw. Ertragskrise werden Gewinn- und Rentabilitätsziele verfehlt.
Operative Verluste entstehen, und die Abnahme des wirtschaftlichen Eigenkapi-
tals
24
beschwört die Gefahr einer Überschuldung herauf. Eine Ursache liegt bei-
spielsweise in einer ungenügenden Effizienz im operativen Bereich des Unterneh-
mens. Gegenmaßnahmen sollten eine mittel- bis langfristige Wirkung entfalten.
· Die Liquiditätskrise ist aufgrund nachhaltiger Verluste und/oder fehlenden finanz-
19
Müller (1986), S. 346.
20
Vgl. Finsterer (1999), S. 5; Böckenförde (1996), S. 28-35; Fleege-Althoff (1930), S. 85.
21
Mehrstufigkeit bedeutet, dass zahlreiche Interdependenzen zwischen den Ursachen bestehen. Multi-
lokalität drückt aus, dass Krisen nicht an einem bestimmten Ort, sondern häufig simultan im inner-,
zwischen- und überbetrieblichen Bereich entstehen. Vgl. hierzu Krystek (1987), S. 67-68.
Für eine Übersicht möglicher Krisenursachen siehe Anhang 2-2. Vgl. hierzu auch Bergauer
(2001), S. 55; Hess et al. (1998), S. 85; Töpfer (1986), S. 159-162.
22
Vgl. Finsterer (1999), S. 5 und die dort zitierte Literatur. Eine aktuelle Studie von Roland Berger
Strategy Consultants belegt, dass 80 Prozent der Krisenursachen auf Managementfehler zurückzu-
führen sind. Vgl. hierzu Roland Berger Strategy Consultants (2002).
23
Vgl. Müller (1986), S. 53-56. Für die Beschreibung der folgenden Auflistung siehe außerdem
Kraus/Gless (1998), S. 99; Böckenförde (1996), S. 16; Gless (1996), S. 14.

-6-
wirtschaftlichen Spielraums durch die akute Gefahr der Zahlungsunfähigkeit cha-
rakterisiert. Gleichzeitig kann die Gefahr einer Überschuldung gegeben sein. Von
Bedeutung sind kurz-, mittel- und langfristig wirkende Gegenmaßnahmen.
Die Übergänge der herausgestellten Arten von Unternehmenskrisen sind fließend.
25
Jedoch sind z.B. Liquiditätskrisen nicht automatisch die Folge einer strategischen
und/oder Ergebniskrise. So kann eine finanzwirtschaftliche Fehldisposition zu einer
Liquiditätskrise führen, ohne dass jedoch die Wettbewerbsposition gefährdet ist. In der
Praxis sind Liquiditätskrisen jedoch häufig die Folge nicht beherrschter strategischer
und/oder Ergebniskrisen. Des Weiteren durchläuft ein Krisenunternehmen die verschie-
denen Krisenarten typischerweise in einem kontinuierlichem Prozess. Ist es nicht mög-
lich, die Krisenursachen durch geeignete Gegenmaßnahmen zu beheben, führen die auf-
geführten Krisenarten letztlich zur Insolvenz des Unternehmens (Zahlungsunfähigkeit §
17 InsO und/oder Überschuldung § 19 InsO). Der Handlungsspielraum zur Überwin-
dung der Krise nimmt dabei aufgrund der zeitlichen Nähe zur Insolvenz, von der strate-
gischen Krise über die Erfolgs- bis hin zur Liquiditätskrise, ab.
26
Abb. 1 fasst die konzeptionellen Grundlagen von Unternehmenskrisen zusammen:
Abb. 1: Konzeptionelle Grundlagen von Unternehmenskrisen
Quelle: Eigene Abbildung in Anlehnung an Gless (1996), S. 129.
24
Wirtschaftliches Eigenkapital ist zu Verkehrs- nicht zu Buchwerten bewertet.
25
Vgl. Hess et al. (1998), S. 24, die ein Modell der kybernetischen Beziehungen der Krisenarten ent-
worfen
haben.
26
Vgl. Müller (1986), S. 54-56.
Grad der Bedrohung
Handlungsspielraum, -druck
Aufgabenkomplexität
Summe versäumter Maßnahmen
Zeithorizont
Ursachen und versäumte
Maßnahmen bestimmen
Krisenart und -entwicklung
Insolvenz
Strategische Krise
Ergebniskrise
Liquiditätskrise
Langfristig wirkende
Maßnahmen
Lang- u. mittelfristig
wirkende Maßnahmen
Lang, mittel- u. kurzfristig wirkende Maßnahmen
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Hand
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Erkennungsfolge
Normale Entstehungsfolge
Bedrohung bzw.
Verlust der
Erfolgspotenziale
Bedrohung bzw.
Verlust der
Erfolgspotenziale
Gefahr der Illiquidität
und/oder
Überschuldung
Illiquidität und/oder
Überschuldung
Grad der Bedrohung
Handlungsspielraum, -druck
Aufgabenkomplexität
Summe versäumter Maßnahmen
Zeithorizont
Ursachen und versäumte
Maßnahmen bestimmen
Krisenart und -entwicklung
Insolvenz
Strategische Krise
Ergebniskrise
Liquiditätskrise
Langfristig wirkende
Maßnahmen
Lang- u. mittelfristig
wirkende Maßnahmen
Lang, mittel- u. kurzfristig wirkende Maßnahmen
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Erkennungsfolge
Normale Entstehungsfolge
Bedrohung bzw.
Verlust der
Erfolgspotenziale
Bedrohung bzw.
Verlust der
Erfolgspotenziale
Gefahr der Illiquidität
und/oder
Überschuldung
Illiquidität und/oder
Überschuldung

-7-
2.2
Restrukturierung als Instrument zur Krisenbewältigung
Sowohl in der Literatur als auch in der Praxis findet sich eine große Bandbreite an Beg-
riffen zur Bewältigung von Unternehmenskrisen. Entscheidend für die Begriffswahl ist
vor allem der Zeitpunkt des Beginns der Krisenbewältigung. Neben Begriffen wie Kri-
senmanagement und Turnaround findet in der Literatur vor allem der Begriff der Sanie-
rung Verwendung.
27
In der Praxis spricht man in diesem Zusammenhang häufig von
Restrukturierung, da der Terminus Sanierung zum Teil negativ belegt ist. Aufgrund des
hohen Praxisanspruchs dieser Arbeit, soll im Folgenden der Begriff Restrukturierung
verwendet werden.
2.2.1
Begriffliche Abgrenzung
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht entstammt die Terminologie Restrukturierung der
Reorganisationsforschung und reicht von unbedeutenden Umorganisationen bis zu
Maßnahmen von tief greifenden und beabsichtigten Wandel eines Unternehmens.
28
Bezogen auf konkrete Krisensituationen eines Unternehmens bestehen in der deutsch-
sprachigen Literatur unterschiedliche Interpretationen des Begriffes Restrukturierung,
weshalb er bereits den Charakter eines Oberbegriffes annehmen könnte.
29
In Anlehnung
an Kraus/Gless (1998) bezeichnet im Rahmen der vorliegenden Arbeit Restrukturierung
die Summe aller strategischen, operativen und finanzwirtschaftlichen Maßnahmen, wel-
che in einer akuten Unternehmenskrise erforderlich sind, um das Leistungspotenzial und
die existenzerhaltende Rentabilität eines Unternehmens wieder herstellen.
30
Voraussetzung für eine Unternehmensrestrukturierung ist somit eine eingetretene akute
Krisensituation, welche häufig durch die (drohende) Zahlungsunfähigkeit und/oder Ü-
berschuldung gekennzeichnet ist.
27
Für eine inhaltliche Präzisierung der unterschiedlichen Begriffe siehe Lafrenz (2004), S. 16-21.
28
Vgl. Finsterer (1999), S. 9-10; Franceschetti (1993), S. 12; Hess (1990), S. 319. Für eine Interpreta-
tion des dem deutschen ähnlichen angelsächsischen Begriffes ,,Restructuring" siehe Bowman/Singh
(1993), S. 5-14; Singh (1993), S. 147-172. Die Terminologie ,,distressed restructuring" bezeichnet
die situative Eingrenzung auf den Fall einer akuten Krisensituation. Vgl. Altmann (1993), S. 5.
29
Vgl. Kudla (2004), S. 91; Franceschetti (1993), S. 12. Für eine Gegenüberstellung der unterschiedli-
chen Begriffsdefinitionen verschiedener Autoren siehe Anhang 2-3.
30
Vgl. Kraus/Gless (1998), S. 101. Zusätzlich vgl. Picot/Aleth (1997), S. 260; Lüthy (1988), S. 27.

-8-
2.2.2
Träger der Restrukturierung von Krisenunternehmen
Träger der Restrukturierung können sowohl unternehmensinterne als auch unterneh-
mensexterne Stakeholder sein, welche sich durch ihre Fähigkeiten, Interessen und Auf-
gaben unterscheiden.
31
Aus diesem Grund entstehen regelmäßig Zielkonflikte zwischen
den unterschiedlichen Interessengruppen (z.B. Banken und Arbeitnehmern).
32
Entscheidungsträger für eine Restrukturierung sind grundsätzlich die Eigenkapitalgeber
beziehungsweise ihre gewählten Vertreter.
33
Ausschlaggebend für eine erfolgreiche
Restrukturierung insbesondere von Unternehmen in der Liquiditätskrise ist jedoch häu-
fig die Zuführung liquider Mittel, um die Ertrags-, Expansions- und Selbstfinanzie-
rungskraft des Unternehmens wieder herzustellen.
34
Somit sind Kapitalgeber wichtige
Träger der Restrukturierung, weil ihnen indirekt die endgültige Entscheidung über die
Durchführung der Restrukturierung obliegt. Darüber hinaus erhalten sie in akuten Kri-
sensituationen zusätzliche Informations- und zum Teil Einwirkungsrechte
35
, wodurch
sie den Ablauf einer Restrukturierung maßgeblich beeinflussen können.
36
2.2.3
Ablauf der Restrukturierung von Krisenunternehmen
Der komplexe Prozess der Krisenbewältigung bedarf einer strukturierten Vorgehens-
weise, welche die im Rahmen der Restrukturierung erforderlichen Maßnahmen planvoll
und systematisch durchführt.
37
Wesentlicher Einflussfaktor ist dabei ein zunehmender
Zeitdruck, der mit einem abnehmenden Handlungsspielraum einhergeht.
38
Aus diesem
Grund erscheint es plausibel, den Restrukturierungsprozess in einzelne Phasen aufzutei-
len, um eine Komplexitätsreduktion zu erzielen. Die Zerlegung in Teilschritte zielt da-
bei jedoch weniger auf eine strenge zeitliche Abfolge als vielmehr auf eine logische
Ordnung der im Zusammenhang mit der Krisenbewältigung erforderlichen Maßnahmen
ab. Abhängig vom Einzelfall sind die Phasen unterschiedlich lang und intensiv ausge-
prägt. Ferner überlappen sie sich gegenseitig und müssen gegebenenfalls mehrmals
31
Vgl. Böckenförde (1996), S. 101-102; Gless (1996), S. 60. Anhang 2-4
zeigt wesentliche Träger
einer Restrukturierung mit ihren jeweiligen Interessen. Schwerpunkt der Betrachtung liegt auf den
Kapitalgebern.
32
Vgl. Finsterer (1999), S. 24-27. Finsterer beschreibt mögliche Konflikte zwischen Kreditinstituten,
die an einer Maximierung des Wertes der eigenen Zahlungsansprüche und -anwartschaften interes-
siert sind und beispielsweise Arbeitnehmern, die auf die Arbeitsplatzsicherung bedacht sind.
33
Vgl. Gless (1996), S. 61.
34
Vgl. Hauschildt/Leker/Mensel (2000), S. 50, und die dort zitierte Literatur.
35
Bei der Gewährung zusätzlicher Einwirkungsrechte muss die Bank jedoch die Gefahr der faktischen
Geschäftsführung ausschließen. Siehe hierzu ausführlicher Kapitel 3.4.2.
36
Vgl. Gless (1996), S. 61-62; Steiner (1994), S. 237.
37
Vgl. Lüthy (1988), S. 27.
38
Vgl. Gless (1996), S. 48-49.

-9-
durchlaufen werden.
39
Anzahl und Bezeichnung der unterschiedlichen Restrukturie-
rungsphasen variieren zwischen den verschiedenen Autoren, jedoch hat sich die Eintei-
lung in acht Phasen als sinnvoll erwiesen:
40
· Die Krisenerkennung und Initiierung der Krisenbewältigung beinhaltet die bewuss-
te Wahrnehmung der Krise und damit die Wahrnehmung der Restrukturierungsbe-
dürftigkeit des Unternehmens. (Phase 1)
· Die Grobanalyse dient der Gewinnung eines Überblicks vom Krisenunternehmen
sowie der Erstellung einer vorläufigen Beurteilung der Sanierungsfähigkeit und der
Sanierungswürdigkeit. Die Sanierungsfähigkeit ist im Allgemeinen gegeben, wenn
das Unternehmen nach Durchführung der Restrukturierungsmaßnahmen mit über-
wiegender Wahrscheinlichkeit eine nachhaltige Zahlungsfähigkeit aufweist.
41
Im
Gegensatz zu dieser betriebswirtschaftlichen Bewertung der Sanierungsfähigkeit ist
die Sanierungswürdigkeit von Risikoneigung und Interessenlage der an der Restruk-
turierung beteiligten Parteien abhängig.
42
Die Restrukturierung eines sanierungsfähi-
gen Unternehmens ist somit subjektiv und kann abgelehnt werden.
43
(Phase 2)
· Die Initiierung von Sofortmaßnahmen (z.B. Investitionsstopp) soll eine Verschlech-
terung der Krisensituation aufhalten und zunächst das kurzfristige Überleben des Un-
ternehmens sichern. (Phase 3)
· Die Detailanalyse dient der Unternehmens- und Umweltanalyse und ist Ausgangsba-
sis für ein umfassendes Restrukturierungskonzept. (Phase 4)
· Die Entwicklung des Restrukturierungskonzepts basiert auf den Zielen und Er-
kenntnissen der vorangegangenen Analysetätigkeiten. Das Restrukturierungskonzept
beinhaltet die erforderlichen Maßnahmen, um eine erfolgreiche Restrukturierung
durchführen zu können, und ist daher eine Handlungs- und Verfahrensanweisung.
Auf Grundlage des Konzepts wird über die Sanierungsfähigkeit und -würdigkeit ent-
schieden. (Phase 5)
· Die Detaillierung der Maßnahmen fixiert Verantwortlichkeiten, Aufgaben und
Termine, der in den Restrukturierungsprozess beteiligten Personen. (Phase 6)
39
Vgl. Böckenförde (1996), S. 52; Müller (1986), S. 317-319.
40
Siehe stellvertretend für die unterschiedlichen Phasenmodelle Böckenförde (1996), S. 52-100; Gless
(1996), S. 130-131; Gunzenhauser (1995), S. 22; Müller (1986), S. 317-324; Krummenacher (1981),
S. 100. Für einen graphischen Überblick der Phasen siehe Anhang 2-5. Siehe die genannten Auto-
ren auch für die folgenden Beschreibungen der einzelnen Phasen.
41
Vgl. Picot/Aleth (1999), S. 91; Braun/Uhlenbruck (1997), S. 244; Dörner (1992), S. 212.
42
Vgl. Gawaz (1997), S. 55.
43
Vgl. Jozefowski (1985), S. 35-36.

-10-
· Die Implementierung sichert die Umsetzung des Konzepts. (Phase 7)
· Die Koordination und Kontrolle findet sowohl durch unternehmensinterne als auch
durch unternehmensexterne Organe (insbesondere Kreditgeber) statt. (Phase 8)
Im Folgenden sollen die in einem Restrukturierungskonzept enthaltenen Maßnahmen
beschrieben und der Sanierungskredit als finanzwirtschaftliche Maßnahme in die Re-
strukturierungsfinanzierung eingeordnet werden.
2.2.4
Maßnahmen im Rahmen der Restrukturierung
Die Literatur unterscheidet vorwiegend drei (strategische, operative und finanzwirt-
schaftliche) Maßnahmendimensionen, wobei vor allem die finanzwirtschaftlichen Maß-
nahmen für diese Arbeit von Bedeutung sind.
44
2.2.4.1
Strategische und operative Maßnahmen in der Restrukturierung
Strategische Maßnahmen dienen der Zurückgewinnung, der Festigung und dem Ausbau
der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Grundlage dieser Maß-
nahmen ist die klare strategische Zielsetzung einer erfolgreichen Positionierung des
Unternehmens im Wettbewerb.
45
Aus diesem Grund sollte unter Berücksichtigung der
Krisensituation eine neue Strategie für das Unternehmen formuliert werden.
46
Die strategischen Maßnahmen unterliegen dabei einer Unterteilung auf Unternehmens-
und Geschäftsfeldebene. Ziel der Maßnahmen auf Unternehmensebene ist die Optimie-
rung des Geschäftsfeldportfolios, z.B. durch Erwerb neuer Geschäftsfelder. Demgegen-
über dienen Maßnahmen auf Geschäftsfeldsebene der Erlangung einer optimalen Pro-
dukt-Markt-Kombination, z.B. durch Bereinigung des Produktsortiments.
47
Unabdingbar für eine erfolgreiche Unternehmensrestrukturierung sind operative Maß-
nahmen (z.B. Freisetzung von Mitarbeiterkapazitäten), mittels deren die strategische
Neuausrichtung umgesetzt wird.
48
Jedoch können diese auch unabhängig von der Stra-
tegie angewandt werden und müssen nicht ausschließlich an bestimmte Unternehmens-
bereiche gebunden sein. Sie dienen damit primär der unmittelbaren Überlebensfähig-
keit, das heißt der kurzfristigen Liquiditätssicherung des Unternehmens.
49
Ziel der ope-
rativen Maßnahmen ist die Steigerung der in Krisenunternehmen häufig unzureichenden
44
Vgl. Lafrenz (2004), S. 214; Bergauer (2001), S. 60-61.
45
Vgl. Kraus/Gless (1998), S. 111-112.
46
Vgl. Dörner (1992), S. 224; Müller (1986), S. 92-93.
47
Vgl. Slatter/Lovett (1999), S. 226-228; Barker III./Duhaime (1997), S. 25; Gless (1996), S. 300.
48
Vgl. Müller (1986), S. 205.
49
Vgl. Kraus/Gless (1998), S. 111; Gless (1996), S. 73.

-11-
betrieblichen Profitabilität des Unternehmens und die Widerherstellung der Zahlungsfä-
higkeit.
50
2.2.4.2
Finanzwirtschaftliche Maßnahmen in der Restrukturierung
Die Gefährdung der unternehmerischen Existenz ist immer mit der finanziellen Situati-
on des Unternehmens verknüpft. Kontinuierliche Verluste und ein damit verbundener
Cashflow-Rückgang bzw. negativer Cashflow haben negative Auswirkungen auf das
Unternehmen und sind somit charakteristisch für eine Liquiditätskrise.
51
Ziele der finanzwirtschaftlichen Maßnahmen sind die Verhinderung und Überwindung
der Insolvenztatbestände der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung,
52
die kurzfristige Liquiditätssicherung, die langfristige finanzielle Revitalisierung, welche
in der Regel eine fundamentale Neuordnung der Kapitalverhältnisse eines Unterneh-
mens und die Finanzierung von Wachstum erfordert.
53
Einigkeit herrscht in der Literatur darüber, dass zum einen operative und strategische
Maßnahmen ohne eine gesicherte Finanzierung nicht umgesetzt werden können, zum
anderen eine rein finanzwirtschaftlich ausgerichtete Restrukturierung keine langfristige
Wiederherstellung der Ertragsfähigkeit bewirken kann.
54
Restrukturierungsmaßnahmen
wie z.B. die Erschließung neuer Märkte oder ein Personalabbau entfalten eine zeitlich
verzögerte oder gar erst mittel- bis langfristige Wirkung. Aus diesen Gründen erfordern
Restrukturierungsmaßnahmen neben der Vermeidung einer Insolvenz und der Förde-
rung von Wachstum einen erhöhten Finanzmittelbedarf. Daher sind Maßnahmen zur
finanziellen Restrukturierung von entscheidender Bedeutung. Genaues und fortwähren-
des Wissen über Höhe und Entwicklung des Finanzmittelbedarfs stellt eine fundamenta-
le Voraussetzung für eine erfolgreiche Restrukturierung dar.
55
Darüber hinaus ist für
eine erfolgreiche Restrukturierung eine Bandbreite sich in der Regel gegenseitig bedin-
gender finanzwirtschaftlicher Maßnahmen erforderlich. Nur in den seltensten Fällen
können einzelne Finanzmaßnahmen den Anforderungen gerecht werden.
56
Eine Systematisierung der finanzwirtschaftlichen Instrumente erfolgt auf oberster Ebene
in autonome und heteronome Maßnahmen. Auf der zweiten Ebene wird darüber hinaus
50
Vgl. Kraus/Gless (1998), S. 110-111; Lüthy (1988), S. 105-113. Umfangreiche Maßnahmen finden
sich u.a. bei Hess et al. (1998), S. 204-219 oder Jobsky (1998a), S. 126-128.
51
Vgl. Kraus/Gless (1998), S. 99-100; Burger (1995), S. 14-15; Volkart (1983), S. 19.
52
Vgl. Slatter/Lovett (1999), S. 308-309; Böckenförde (1996), S. 138.
53
Vgl. Bergauer (2001), S. 213; Müller (1986), S. 221.
54
Vgl. Krystek (1987), S. 232; Baur (1978), S. 15.
55
Vgl. Kudla (2004), S. 109; Fetterman (2003), S. 10; Schaaf/Schimke (1986), S. 36.
56
Vgl. Böckenförde (1996), S. 138.

-12-
zwischen Maßnahmen mit unmittelbarer Liquiditätswirkung, welche den finanziellen
Spielraum des Unternehmens erhöhen, und bilanzbereinigenden Maßnahmen, welche
buchungstechnische Vorgänge zur Erhöhung des Eigenkapitals und/oder zur Vermei-
dung der bilanziellen Überschuldung darstellen, unterschieden:
57
· Autonome Maßnahmen können vom Unternehmen und seinen Eigentümern ohne
Einwilligung und Mitwirken externer Interessengruppen durchgeführt werden.
58
Ihre
Anwendung und Umsetzung erfolgt verhältnismäßig schnell. Beispielhafte Maßnah-
me zur Bilanzbereinigung: Kapitalherabsetzung. Beispielhafte Maßnahme mit Liqui-
ditätswirkung: Eigenkapitalzuführung durch Gesellschafter.
· Heteronome Maßnahmen können nur mit Einwilligung und unter Mitwirkung ex-
terner Interessengruppen
59
durchgeführt werden. Eine besondere Rolle nehmen dabei
die Banken
60
ein. Beispielhafte Maßnahme zur Bilanzbereinigung: Debt-Equity
Swap. Beispielhafte Maßnahme mit Liquiditätswirkung: Sanierungskredit.
Im Verlauf einer Unternehmenskrise werden aufgrund der leichteren und schnelleren
Verwendbarkeit zunächst autonome Maßnahmen ergriffen. Nach deren Ausschöpfung
finden verstärkt heteronome Maßnahmen Anwendung.
61
Eine empirische Untersuchung
belegt, dass die Vergabe von Sanierungskrediten die häufigste heteronome Maßnahme
darstellt.
62
57
Gleichfalls verwenden diese Unterteilung u.a. Hess et al. (1998), S. 192-221; Böckenförde (1996), S.
138-193. Für eine systematische Darstellung finanzwirtschaftlicher Maßnahmen siehe Anhang 2-6.
58
Gegebenfalls ist eine Genehmigung durch die Aufsichts- und Kontrollgremien erforderlich.
59
Unternehmensexterne sind bereits bestehende Stakeholder sowie andere unabhängige Dritte, bei-
spielsweise neue Finanzinvestoren.
60
Für eine ausführliche Beschreibung der Rolle der Banken in der Restrukturierungsfinanzierung siehe
David (2001) und Lüthy (1988), S. 203-350.
61
Vgl. Kudla (2004), S. 122.
62
Vgl. Roland Berger Strategy Consultants (2003), S. 49. Siehe auch Anhang 2-7.

-13-
3
Sanierungskredit als finanzwirtschaftliche Maßnahme im
Rahmen der Restruktuierung
3.1
Grundlagen zum Sanierungskredit
3.1.1
Begriffliche
Abgrenzung
In Anlehnung an Gawaz (1997) werden in der in dieser Arbeit Sanierungskredite als die
Gewährung neuer Kredite oder die Ausweitung bestehender Kreditlinien durch ein Kre-
ditinstitut oder eine Gruppe von Kreditinstituten im Rahmen der Restrukturierungsfi-
nanzierung von Unternehmen in der Liquiditätskrise verstanden.
63
Entgegen der Mei-
nung von Buth/Hermanns (1998b) werden autonome Maßnahmen, wie z.B. ein Gesell-
schafterdarlehen, nicht als Sanierungskredit im Sinne dieser Arbeit betrachtet.
64
Ferner
ist der Sanierungskredit von einem sog. Überbrückungskredit abzugrenzen, welcher
ausschließlich zur Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit während der Entwicklung
des Restrukturierungskonzeptes oder bei einem betriebswirtschaftlich ,,gesunden" Un-
ternehmen zur Finanzierung eines vorübergehenden Liquiditätsengpasses dient.
65
Der
Überbrückungskredit wird häufig spontan gewährt, so dass eine Sanierungsfähigkeit
zum Zeitpunkt der Kreditgewährung fraglich ist. Die Gewährung eines Sanierungskre-
dites setzt hingegen die Sanierungsfähigkeit voraus.
66
In der Praxis werden Sanierungs-
kredite jedoch häufig als Überbrückungskredite deklariert, da man diese aufgrund ihrer
kürzeren Laufzeiten in regelmäßigen Sequenzen erneuern kann.
67
Im Folgenden soll
zum besseren Verständnis eine Beschreibung der wesentlichen Charakteristika von Sa-
nierungskrediten erfolgen.
3.1.2
Charakteristika eines Sanierungskredites
Der Sanierungskredit ist ein Fremdkapitalinstrument und geht nicht in das Eigentum des
Unternehmens über. Er begründet eine schuldrechtliche Beziehung zwischen Kredit-
nehmer und Kreditgeber.
68
Der Sanierungskredit ist eine in der Praxis häufig verwende-
63
Vgl. Gawaz (1997), S. 15-16, und die dort zitierte Literatur. Auf eine rechtliche Begriffsdefinition
soll verzichtet werden.
64
Vgl. Buth/Hermanns (1998a), S. 234.
65
Vgl. Peppmeier/Thiele (1999), S. 43; Buchalik (1998), S. 29-30, S. 35; Lauer (1998), S. 187. Bezüg-
lich einer Abgrenzung zu anderen Typen von ,,Stützungskrediten" siehe Gawaz (1997), S. 16-19.
66
Vgl. Lützenrath/Keller (2003), S. 40-41; Peppmeier/Thiele (1999), S. 43; Hess et al. (1998), S. 441;
Lauer (1998), S. 187. Außerdem entspricht dies den Aussagen aller befragten Experten.
67
Vgl. Kahl (2002), S. 135-168. Kahl begründet dieses Verhalten mit der Intention, eine potenzielle
Liquidationsentscheidung hinauszuzögern, um vorhandene Informationsdefizite zu reduzieren.
68
Vgl. Olfert (2001), S. 263. Ein Problemfall ist der sog. Eigenkapitalersatz. Siehe dazu Kapitel 3.4.1.

-14-
te heteronome finanzwirtschaftliche Maßnahme mit dem Ziel der Zuführung neuer Li-
quidität
69
und wird dem Unternehmen im Stadium der Sanierungsbedürftigkeit zuge-
führt. Eine Insolvenzreife ist nicht gegeben, das Unternehmen befindet sich jedoch in
einer Liquiditätskrise.
70
Aufgrund der Liquiditätsproblematik wird von den Banken im
Regelfall ein nicht-risikoadäquater Zins (sog. Sanierungszins) zugestanden. Immer häu-
figer ist die Gewährung eines Sanierungskredites dabei von der Zusage einer Erfolgsbe-
teiligung nach gelungener Restrukturierung (sog. Success Fee) abhängig.
71
Tendenziell
nimmt auch die vertragliche Zusicherung eines sog. Equity Kickers
72
zu. Der ursprüng-
liche Zins verliert somit an Bedeutung, da andere Instrumente das Risiko der Banken
geeigneter reflektieren.
73
Abb. 2 fasst die Charakteristika von Sanierungskrediten zusammen:
74
Abb. 2: Charakteristika von Sanierungskrediten
Quelle: Eigene Abbildung.
3.2
Banken als wesentliche Sanierungskreditgeber
Sanierungskreditgeber sind in der Regel Banken, wobei ein Sanierungskredit vorwie-
gend von mehreren Kreditinstituten, einem sog. Bankenpool, gewährt wird.
75
Der Ban-
kenpool dient als privatrechtliches Instrument zur Koordination der an der Restrukturie-
69
Vgl. Lauer (1998), S. 241. Für weitere Möglichkeiten der Fremdkapitalaufnahme siehe Perridon/
Steiner (2002), S. 384-460; Wöhe/Bilstein (2002), S. 207-297.
70
Vgl. Gawaz (1997), S. 15; Kämpfer (1993), S. 1.
71
Ziel ist ein risikogerechteres Pricing. Siehe hierzu ausführlicher Kapitel 6.1.
72
Unter Equity Kicker versteht man die Option auf Eigenkapitel, z.B. ist bei einem angestrebten späte-
ren Börsengang eine Aktienbeteiligung denkbar. Vgl. hierzu Betsch/Groh/Lohmann (2000), S. 302.
73
Ergebnis aus den Experteninterviews. Siehe dazu auch Kapitel 6.1.
74
Eine Übersicht grundsätzlicher Charakteristika von Fremdkapital findet sich bei Perridon/Steiner
(2002), S. 354, S. 384-385 und Olfert (2001), S. 264.
75
Vgl. Elsas/Krahnen (2002), S. 42. Die Ergebnisse von Elsas/Krahnen werden durch die Ergebnisse
der durchgeführten Experteninterviews bestätigt. Selten ist der Staat Sanierungskreditgeber, jedoch
stellt er im Rahmen der Sanierungskreditvergabe gegebenenfalls Sicherheiten bereit.
Kein Einfluss auf die Geschäftsführung; jedoch häufig erhöhte Informations- und z.T. Einwirkungsrechte
Kriterium
Haftung
Ertragsanspruch
Vermögensanspruch
Verfügungsrechte
Zeitliche Verfügbarkeit
Besicherung
Sanierungskredit
Keine Haftung; jedoch bestehen erhöhte Haftungsrisiken insb. bedingt durch Zeitpunkt der Kreditgewährung
Feste Verzinsung (Zinsen sind abzugsfähig); erfolgsabhängige Vergütung ist mittlerweile Standard
Nominalanteil; Rechtsanspruch auf Rückzahlung, jedoch unterliegt dieser einer erhöhten Unsicherheit bei
Nicht-Besicherung, da erhöhte Gefahr der Insolvenz (Zuführung zur Insolvenzmasse)
Befristet ( 1Jahr); Laufzeit ist häufig an den Sanierungsverlauf und -erfolg geknüpft
I.d.R. hohe Besicherung; gelegentlich auch ohne Sicherheiten
Zeitpunkt der Kreditgewährung
Unternehmung befindet sich in einer akuten Krise, i.d.R. Liquiditätskrise;
Gewährung erfolgt nach der Attestierung der Sanierungsfähigkeit im Rahmen des Restrukturierungskonzeptes
Systematische Einordnung
Heteronome Maßnahme mit unmittelbarer Liquiditätswirkung
Kein Einfluss auf die Geschäftsführung; jedoch häufig erhöhte Informations- und z.T. Einwirkungsrechte
Kriterium
Haftung
Ertragsanspruch
Vermögensanspruch
Verfügungsrechte
Zeitliche Verfügbarkeit
Besicherung
Sanierungskredit
Keine Haftung; jedoch bestehen erhöhte Haftungsrisiken insb. bedingt durch Zeitpunkt der Kreditgewährung
Feste Verzinsung (Zinsen sind abzugsfähig); erfolgsabhängige Vergütung ist mittlerweile Standard
Nominalanteil; Rechtsanspruch auf Rückzahlung, jedoch unterliegt dieser einer erhöhten Unsicherheit bei
Nicht-Besicherung, da erhöhte Gefahr der Insolvenz (Zuführung zur Insolvenzmasse)
Befristet ( 1Jahr); Laufzeit ist häufig an den Sanierungsverlauf und -erfolg geknüpft
I.d.R. hohe Besicherung; gelegentlich auch ohne Sicherheiten
Zeitpunkt der Kreditgewährung
Unternehmung befindet sich in einer akuten Krise, i.d.R. Liquiditätskrise;
Gewährung erfolgt nach der Attestierung der Sanierungsfähigkeit im Rahmen des Restrukturierungskonzeptes
Systematische Einordnung
Heteronome Maßnahme mit unmittelbarer Liquiditätswirkung

-15-
rung beteiligten Banken.
76
Ziel ist die frühzeitige und vollständige Einbindung aller mit
dem Unternehmen verbundenen Kreditgeber. Dadurch sollen aufgrund des erhöhten
Informationsbedarfs die Kommunikation verbessert sowie Informationsasymmetrien
unter den Banken abgebaut werden. Ferner werden die Rechte der Gläubiger gebündelt,
und die (noch) existierenden Sicherheiten anteilig auf die in der Krise finanzierenden
Gläubiger verteilt, womit letztlich das Ausfallrisiko der Kreditgeber begrenzt wird.
77
Die Führerschaft des Bankenpools wird in der Regel von der Hausbank
78
oder der Bank
mit dem höchsten Ausfallrisiko (unbesichertes Kreditvolumen) übernommen. Häufig ist
die Hausbank aufgrund ihrer guten Besicherung nicht die treibende Kraft einer Banken-
poolbildung.
79
Steigt die Anzahl der Bankenpoolmitglieder, nehmen Unstimmigkeiten
innerhalb des Bankenpools zu, so dass seine Effizienz sinkt.
80
Im folgenden Abschnitt soll auf die wesentlichen Gründe für eine Sanierungskreditver-
gabe eingegangen werden. Erkenntnisse aus der Theorie und aus den geführten Exper-
teninterviews werden dabei zusammengeführt.
3.3
Gründe für die Vergabe von Sanierungskrediten
Nach übereinstimmender Expertenmeinung ist der wichtigste Grund für eine Sanie-
rungskreditvergabe die Verlustvermeidung bzw. Verbesserung der individuellen Risi-
koposition der Banken. Durch eine weitere Kreditgewährung soll dem Unternehmen
Liquidität zugeführt und häufig die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens verhindert
werden. Ziel ist es, als Folge einer erfolgreichen Restrukturierung bereits gewährte und
möglicherweise verloren geglaubte Kredite zurückzuerlangen (Kosten-Nutzen-
Kalkulation).
81
Da der Sanierungskredit häufig erst bei einer weit fortgeschrittenen Li-
quiditätskrise gewährt wird, dient er als Ultima Ratio zur Vermeidung des Insolvenztat-
bestandes der Zahlungsunfähigkeit. Unter der Voraussetzung, dass ein sog. Rangrück-
76
Für eine detaillierte Analyse der Rolle von Bankenpools in finanziellen Krisensituationen siehe
Brunner/Krahnen (2002). Außer Banken sind v.a. auch Kreditversicherer am Pool beteiligt.
77
Vgl. Buchalik (1998), S. 29. Weitere Gründe finden sich bei David (2001), S. 127. Es ist jedoch
nicht möglich, dass der Bankenpool mehr Rechte und Sicherheiten besitzt, als die einzelnen Banken
kumuliert erlangen würden. Letztlich soll die Bildung des Bankenpools signalisieren, dass die betei-
ligten Banken durch eine aktive Partizipation an der Unternehmensrestrukturierung den Schuldner
bei der Krisenbewältigung unterstützen, aber auch verstärkt ihre Interessen gegenüber anderen Par-
teien durchsetzen wollen. Vgl. hierzu David (2001), S. 127; Lüthy (1988), S. 315.
78
Eine Hausbank zeichnet sich durch eine intensive Beziehung zu ihrem Kunden aus, wodurch das
Problem der Informationsasymmetrie verringert wird. Vgl. hierzu Boot (2000), S. 7.
79
Vgl. Brunner/Krahnen (2002), S. 10.
80
Vgl. Elsas/Krahnen (2002), S. 13; David (2001), S. 127-128.
81
Ergebnis aus den Experteninterviews.

-16-
tritt
82
vereinbart wird, kann ebenfalls der Insolvenztatbestand der Überschuldung ver-
hindert werden.
83
Neben der Finanzierung von Restrukturierungsmaßnahmen, wie z.B. Teilbetriebsstille-
gungen oder Mitarbeiterentlassungen,
84
und der Vermeidung der Insolvenztatbestände
dient der Sanierungskredit auch der Finanzierung von zukünftigem Wachstum und der
Ablösung von Krediten.
85
In Ausnahmefällen gewähren Banken auch ohne bisheriges Engagement einen Sanie-
rungskredit, oft als Folge einer Ablösungsfinanzierung.
86
In diesen Fällen ist die Bank
davon überzeugt, dass das Unternehmen erfolgreich restrukturiert werden kann. Neben
höheren zukünftigen Zinserträgen versucht die Bank vor allem neue Ertragsquellen zu
erschließen und z.B. die Durchführung einer MA-Transaktion nach erfolgreicher Re-
strukturierung zu begleiten. Des Weiteren werden durch die Vermeidung einer Insol-
venz auch Folgeinsolvenzen verhindert. Hat eine Bank einen hohen Betrag unbesicher-
ter Kredite bei Unternehmen, welche Gegenstand einer Folgeinsolvenz wären, kann sich
die Bank veranlasst sehen, einen Sanierungskredit auch ohne bisheriges Engagement zu
gewähren.
87
Letztlich könnte eine Bank einen Sanierungskredit gewähren, um aufgrund
erfolgreicher Restrukturierung seine Marktmacht auszuweiten.
88
Volkswirtschaftliche
Gründe, wie z.B. die Erhaltung von Arbeitsplätzen, haben für Privatbanken keine prak-
tische Relevanz. In Ausnahmefällen
89
und unter staatlichem bzw. öffentlichem Druck
gewähren Banken einen Kredit, obwohl die Entscheidung betriebswirtschaftlich irratio-
nal ist. Betroffen sind vor allem Sparkassen und Landesbanken.
90
Neben den Gründen für eine Sanierungskreditvergabe gibt es jedoch auch Probleme und
82
Die Bank tritt mit ihrer Forderung im Rang hinter die übrigen Gläubiger zurück. Ferner wird der
Sanierungskredit für den Überschuldungsstatus nicht als Fremdkapital eingestuft. Vgl. hierzu
Buth/Hermanns (1998a), S. 233.
83
Vgl. Buth/Hermanns (1998a), S. 234; Lauer (1998), S. 242; Drukarczyk (1986), S. 11.
84
Vgl. Buchalik (1998), S. 35. Eine Untersuchung von Bergauer (2001) belegt, dass 39 Prozent der
Krisenunternehmen, die finanzwirtschaftliche Restrukturierungsmaßnahmen ergriffen haben, Sanie-
rungskredite im Rahmen der Finanzierung für strategische und operative Maßnahmen aufgenommen
haben. Vgl. hierzu Bergauer (2001), S. 228.
85
Vgl. David (2001), S. 123; Lüthy (1988), S. 314. Die Ablösung von Krediten betrifft vor allem klei-
nere oder Auslandsengagements.
86
Ergebnis aus den Experteninterviews. So hat z.B. die Deutsche Bank ihre Kredite bei einem großen
deutschen Unternehmen gekündigt und später ohne Altkreditengagement einen Sanierungskredit
gewährt. Die Deutsche Bank war davon überzeugt, das Unternehmen erfolgreich restrukturieren und
danach hohe Erträge generieren zu können.
87
Ergebnis aus den Experteninterviews.
88
Vgl. Kämpfer (1993), S. 16-17.
89
Siehe z.B. Philipp Holzmann AG oder Babcock Borsig AG.
90
Ein Beispiel ist die LfA (Förderbank Bayern), die zu 100 Prozent im Besitz des Freistaates Bayern
ist. Jedoch hat sie aufgrund neuer EU-Richtlinien ihre Satzungen ändern müssen und darf keine Kre-
dite mehr an Krisenunternehmen vergeben bzw. andere Banken bei Krisenengagements ablösen.

-17-
Risiken, die ebenfalls von hoher Entscheidungsrelevanz sind. Daher werden diese im
nächsten Abschnitt beschrieben.
3.4
Probleme und Haftungsrisiken bei der Sanierungskreditvergabe
3.4.1
Probleme
Grundsätzlich ist die Entscheidung, einen Sanierungskredit zu erteilen, für die Kredit-
geber frei von jeglicher Verpflichtung.
91
Gegenstand häufiger öffentlicher Kritik ist die
Wahl des richtigen Interventionszeitpunktes seitens der Banken.
92
Wartet die Bank zu
lange, kann die Vergabe eines Sanierungskredites nutzlos sein, da veraltete und überhol-
te Strukturen erhalten bzw. gefördert werden. Diese sog. Erhaltungssubventionen beein-
trächtigen letztlich die Leistungsfähigkeit und den Selektionsprozess einer Volkswirt-
schaft.
93
In der Vergangenheit ist die Einflussnahme der Banken häufig aufgrund der
Hausbankbeziehungen zu spät erfolgt.
94
Allerdings hat sich in den letzten ein bis zwei
Jahren ein Wandel vollzogen, vor allem aufgrund der Bildung sog. Work-out Groups
95
.
Ein wesentliches Problem im Zusammenhang mit der Sanierungskreditvergabe ist auch
eine Informationsasymmetrie
96
zwischen Bank und Krisenunternehmen. Die Ge-
schäftsleitung ist über Qualität und Entwicklungspotenzial des Unternehmens besser
informiert als der Kapitalgeber. Banken besitzen kein hundertprozentiges Wissen über
die (zukünftige) Bonität des Unternehmens. Ferner können die Banken trotz Überwa-
chung den Informationsstand des Schuldners nicht eindeutig bzw. kostenlos beobachten.
Somit ergibt sich für den Schuldner ein Verhaltensspielraum, welcher opportunistisch
ausgenutzt werden kann.
97
Diese Möglichkeit findet bei der Ausgestaltung der Kredit-
91
Vgl. Picot/Aleth (1999), S. 163; Lauer (1998), S. 241. Eine konträre Meinung vertritt Canaris
(1979), S. 113-138, der behauptet, dass in bestimmten Situationen eine Vergabepflicht besteht. Die
Rechtsprechung belegt aber eindeutig, dass kein Anspruch besteht.
92
Vgl. David (2001), S. 76; Franceschetti (1993), S. 257; Lüthy (1988), S. 205. Allgemein birgt ein zu
frühes Eingreifen der Bank die Gefahr, in die Sphäre des Unternehmens einzudringen, ohne hierzu
legitimiert und unternehmerisch fähig zu sein. Eine zu späte Intervention wiederum kann zu einer
Verletzung der Sorgfaltspflicht führen. Die Bank sieht sich dann dem Vorwurf des leichtfertigen
Umgangs mit den ihr von Einlegern und Aktionären anvertrauten Geldern konfrontiert.
93
Vgl. David (2001), S. 76.
94
Vgl. David (2001), S. 76; Lüthy (1988), S. 205.
95
Ergebnis aus den Experteninterviews. Work-out Groups sind spezielle Abteilungen der Banken, die
sich mit der Behandlung von Krisenunternehmen beschäftigen. Ziel ist es, den Kunden zügig wieder
ins ,,normale" Geschäft zurückzuführen. Vgl. hierzu Deutsche Bank (2003), S. 9-12. Im Jahr 2003
hat der Zeitraum von der Krisenerkennung bis zum Beginn der Restrukturierung ca. 14 Monate, im
Jahr 2001 ca. 30 Monate betragen. Vgl. hierzu Roland Berger Strategy Consultants (2003), S. 15
96
In der Neuen Institutionenökonomik wird das Problem der Informationsasymmetrie detailliert in der
sog. Agency Theory beschrieben und analysiert. Zum Begriff und den Aussagen der Agency Theory
siehe Perridon/Steiner (2002), S. 529-538 sowie grundlegend Jensen/Meckling (1976), S. 305-308.
Für eine detaillierte Beschreibung der Unsicherheitskonstellationen siehe Breid (1995), S. 823-854.
97
Vgl. Schäfer (2002), S. 73; Franke/Hax (1999), S. 411-412.

-18-
verträge Berücksichtigung, unter anderem durch höhere Auflagen. Daher liegt es im
beidseitigen Interesse, Informationsasymmetrien so weit wie möglich abzubauen.
98
In
der Praxis verschleiert die Geschäftsleitung häufig den wirklichen Grad der Krise und
nutzt somit den Informationsvorsprung aus, um einen Kredit zu erhalten. Erfährt dies
die Bank, kommt es zum Vertrauensverlust und damit oft zu einer Nichtgewährung.
99
Ein weiterer problematischer Aspekt im Zusammenhang mit der Sanierungskreditver-
gabe ist die Thematik des Eigenkapitalersatzes (§ 32a GmbHG). Besaß ein Sanie-
rungskreditgeber gleichzeitig Geschäftsanteile an dem Krisenunternehmen bzw. wurden
diese zum Zweck der Restrukturierung erworben, so konnte in der Vergangenheit keine
Rückzahlung des Sanierungskredites in der Insolvenz verlangt werden, da er in diesem
Fall nachrangig gestellt war. Sicherheiten, die zur Absicherung des Kreditanspruches
bestimmt waren, konnten nicht verwertet werden.
100
Mit der Einführung des Gesetzes
zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG)
101
hat der Gesetz-
geber ein sog. Sanierungsprivileg ermöglicht. Geschäftsanteile zum Zweck der Krisen-
überwindung können vom Sanierungskreditgeber erworben werden, ohne dass dieser
länger den Vorschriften über den Eigenkapitalersatz unterliegt. Darüber hinaus sind die
Regelungen des Eigenkapitalersatzes für einen nicht geschäftsführenden Gesellschafter,
welcher mit bisher höchstens 10 Prozent am Stammkapital einer GmbH beteiligt war,
nichtig. Bei einer Aktiengesellschaft liegt die maximale Beteiligungsgrenze bei 25 Pro-
zent der bisherigen Anteile.
102
Das Sanierungsprivileg ist nur bis zur Überwindung der
aktuellen Krise, nicht für Anschlusskrisen gültig. Scheitert die Restrukturierung, so
muss der ,,neue" Gesellschafter die Eignung der Maßnahmen belegen. Ansonsten gilt
das Sanierungsprivileg nicht.
103
Letztlich ist auch eine Kündigung des Sanierungskredites nicht unproblematisch, da es
keinen Anspruch auf eine ordentliche Kündigung seitens des Kreditgebers gibt.
104
Die
Kündigungsrechte der Sanierungskreditgeber sind durch die Pflicht zur Rücksichtnahme
auf existenziell wichtige Belange des Kreditnehmers und des Verbots einer Kündigung
98
Vgl. Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber (2000), S. 97.
99
Ergebnis aus den Experteninterviews. Siehe dazu ausführlich Kapitel 4.2.
100
Vgl. Gawaz (1997), S. 175-178; Harz/Hub/Schlarb (1996), S. 83-101.
101
Beschlossen am 27.04.1998 mit Wirkung zum 1.05.1998.
102
Vgl. Peppmeier/Thiele (1999), S. 43; Picot/Aleth (1999), S. 158.
103
Vgl. Finsterer (1999), S. 188-189; Obermüller (1998), S. 51-54.
104
Vgl. Kulzer (2002), S. 9. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken sehen ein ordentliches
sowie außerordentliches Kündigungsrecht vor, sofern bestimmte Bedingungen gegeben sind. Vgl.
hierzu Lauer (1998), S. 110-116.

-19-
zur Unzeit eingeschränkt. Ferner reicht das Argument einer in der geplanten Zeit nicht
erfolgreich abzuschließenden Restrukturierung nicht aus. Eine unvorhersehbare, aber
voraussichtlich überwindbare Verschlechterung der Erfolgs- und Vermögenslage ist
kein Kündigungsgrund.
105
Gründe können z.B. eine stark beschädigte und irreparable
Vertrauenslage oder schwerwiegende Verstöße gegen wesentliche Vertragsverpflich-
tungen (Auflagen) sein.
106
Gelegentlich kündigt eine Bank ihren Vertrag aufgrund eines
sog. Lemmingverhaltens
107
. Die Bank ist in diesem Fall nicht gewillt, nach Kündigung
seitens der anderen Banken allein das Engagement zu tragen, insbesondere da eine Ver-
letzung der Poolvereinbarung eingetreten ist. Oft sind diese Handlungen Folgen emoti-
onal statt rational getroffener Entscheidungen.
108
Die Beweislast des Vorliegens eines Kündigungsgrundes obliegt immer dem Sanie-
rungskreditgeber.
109
Aus diesem Grund sowie wegen einer möglichen Anklage wegen
sittenwidriger Kreditkündigung wird die Bank nur bei schwerwiegenden Vorfällen den
Kredit fällig stellen und somit das Krisenunternehmen möglicherweise zum Antrag auf
Eröffnung des Insolvenzverfahrens veranlassen. Ferner haben insbesondere bei größe-
ren Unternehmen Sanierungskreditkündigungen für Banken oftmals nachteilige Presse-
mitteilungen und ein geschädigtes Öffentlichkeitsbild zur Folge. Der Bank bleibt daher
meist nur die Möglichkeit, an Prolongationsverhandlungen nicht mehr teilzunehmen.
3.4.2
Haftungsrisiken
Grundsätzlich kann die Bank einen Sanierungskredit gewähren, ohne dass das Kredit-
engagement den Anschein der Sittenwidrigkeit
110
(§ 826 BGB) und damit eine Banken-
haftung zur Folge hat. Jeder Versuch, ein Krisenunternehmen zu retten, ist mit dem Ri-
siko des Scheiterns verbunden. Einzig aufgrund der Tatsache, dass die Vergabe eines
Sanierungskredites die Möglichkeit des Misserfolges und damit eine Schädigung Dritter
einschließt, muss aber nicht per se sittenwidrig sein.
111
Sowohl die Literatur als auch die
105
Vgl. Kulzer (2002), S. 9; Picot/Aleth (1999), S. 163.
106
Ergebnis aus den Experteninterviews. Weitere Gründe sind schwindende Sicherheiten und ihre er-
sichtliche Gefährdung bei Nichtkündigung oder Rechtshandlungen der Gesellschafter/Geschäfts-
führung, die den Restrukturierungserfolg maßgeblich gefährden oder verhindern. Ähnliche Gründe
finden sich bei Lauer (1998), S. 243-244.
107
Darunter versteht man, dass, wie bei den Nagern, alle blindlings einem ,,Führer" oder Vorbild fol-
gen, selbst wenn der Weg in die Katastrophe führt.
108
Ergebnis aus den Experteninterviews.
109
Vgl. Lauer (1998), S. 114.
110
Der Begriff Sittenwidrigkeit wird nach überkommener Anschauung in Rechtsprechung und Literatur
interpretiert im Sinne einer individualethischen Gesinnungsmoral. Vgl. hierzu Gawaz (1997), S. 137.
111
Vgl. Kämpfer (1993), S. 16; Drukarczyk (1986), S. 6.

-20-
interviewten Experten bezeichnen eine Insolvenzverschleppung sowie eine faktische
Geschäftsführung als die zwei wesentlichen Tatbestände, nach denen ein Sanierungs-
kreditgeber sittenwidrig handelt.
112
Eine sog. eigennützige Insolvenzverschleppung liegt vor, wenn die Bank aufgrund der
Vergabe eines Sanierungskredites das Unternehmen von dem gebotenen Antrag auf
Eröffnung des Insolvenzverfahrens abhält. Ziel ist es, den wirtschaftlichen Zusammen-
bruch des Unternehmens für einen bestimmten Zeitraum hinauszuzögern. Häufig wird
dieses Verhalten durch eine extrem eigennützige und rücksichtslose Risikoreduzierung
mittels der Inanspruchnahme weiterer und übermäßiger Sicherheiten flankiert. Eine Be-
nachteiligung oder gar Schlechterstellung anderer Gläubiger wird bewusst bezweckt.
Übt der Sanierungskreditgeber aufgrund direkten und vehementen Einflusses eine fakti-
sche Geschäftsführung aus, so ist der Sanierungskredit ebenfalls sittenwidrig.
Kann einer dieser beiden Tatbestände nachgewiesen werden, so können die Sanierungs-
kreditgeber aufgrund sittenwidrigen Verhaltens auf Herausgabe der Sicherheiten ver-
klagt werden.
113
In der Praxis sind diese Fälle jedoch eher selten.
114
Ansonsten würde
der Sanierungskredit als Maßnahme zur unmittelbaren Liquiditätszuführung in akuten
Krisensituationen an Bedeutung verlieren, da den Banken das Haftungsrisiko zu hoch
wäre.
115
Um Haftungswirkungen ausschließen zu können, muss vor der Sanierungskre-
ditvergabe die Sanierungsfähigkeit des jeweiligen Krisenunternehmens detailliert durch
die Bank selbst oder durch einen unabhängigen Dritten geprüft werden.
116
Auf Grund-
lage dieser Untersuchung muss gewährleistet sein, dass der Neukredit eine geeignete
und in der Höhe korrekte finanzwirtschaftliche Maßnahme zur Revitalisierung des Un-
ternehmens darstellt.
117
Ein Instrument, das Problem der faktischen Geschäftsführung
zu umgehen und dennoch (nachhaltigen) Einfluss auf das Krisenunternehmen auszu-
üben, ist die Teilnahme an sog. Lenkungsausschüssen
118
, jedoch ohne Stimmrecht.
119
Aufbauend auf den vorangegangenen Grundlagenkapiteln, wird im nächsten Kapitel das
112
Vgl. Peppmeier/Thiele (1999), S. 43; Hess et al. (1998), S. 442-443; Gawaz (1997), S. 37-76; Fran-
ceschetti (1993), S. 253; Drukarczyk (1986), S. 6. Weitere Gründe können sein: Gläubigergefähr-
dung, Schuldnerknebelung und Kreditbetrug.
113
Vgl. David (2001), S. 79-85.
114
Ergebnis aus den Experteninterviews.
115
Ergebnis aus den Experteninterviews. Ähnliche Ergebnisse finden sich bei Gawaz (1997), S. 32.
116
Siehe Kapitel 3.1.1. Unabhängige Dritte sind v.a. Unternehmensberater und Wirtschaftsprüfer.
117
Vgl. David (2001), S. 123; Picot/Aleth (1999), S. 165.
118
Lenkungsausschüsse (LA) bestehen aus Geschäftsführung, Vertretern der Banken und anderen Sta-
keholdern. Im LA werden Ergebnisse und weiterer Verlauf der Restrukturierung thematisiert. Vgl.
hierzu Blatz/Mohr (1998), S. 425; Harenberg/Wlecke (1998), S. 302; Kütz (1998), S. 220.
119
Ergebnis aus den Experteninterviews.

-21-
Entscheidungsproblem zur Vergabe von Sanierungskrediten behandelt. Durch die Erör-
terung relevanter Entscheidungsparameter für die Sanierungskreditvergabe werden die
Einflussfaktoren auf die individuelle Kosten-Nutzen-Analyse der Banken und somit
letztlich auf die Entscheidung zur Kreditvergabe verständlich gemacht. Ableitend aus
bestehenden theoretischen Grundlagen und den Ergebnissen intensiver Expertengesprä-
che, wird eine Parameterfunktion erstellt, welche es ermöglicht, das einzelfallspezifi-
sche Entscheidungsproblem der Banken zu konzeptionalisieren.
4 Konzeptionalisierung des Entscheidungsproblems
4.1
Entscheidungsproblem der Sanierungskreditgeber
Wie bereits im vorigen Kapitel angedeutet, befindet sich der Sanierungskreditgeber in
einem Entscheidungskonflikt zwischen Kreditvergabe und Nichtvergabe. Dabei sollte
die Entscheidung zur zusätzlichen Kreditvergabe ,,in erster Linie die resultierenden
Auswirkungen auf die Rentabilität, Sicherheit und Liquidität als grundlegendes Zielsys-
tem einer erwerbswirtschaftlich orientierten Bank [...] berücksichtigen".
120
Für die
Bank ergibt sich ein Entscheidungsproblem, welches in
Abb. 3
grafisch dargestellt ist:
121
Abb. 3: Entscheidungsproblem der Sanierungskreditvergabe
Quelle: Eigene Abbildung.
120
Lüthy (1988), S. 245.
121
Die folgenden Aussagen zu den jeweiligen Szenarien basieren vorwiegend auf den Ergebnissen aus
den Experteninterviews.
Sanierungs-
kredit
Bestehendes
Kredit-
engagement
Gesamt-
kreditenga-
gement
Szenario A
:
Krisen-
bewältigung
Szenario B
:
Insolvenz
Gesamtbe-
sicherung
Verlust
... mit zusätzlicher Kreditvergabe
Gesamt-
kreditenga-
gement
Szenario C
:
Verkauf
der
Forderung
Szenario D
:
Insolvenz
Verlust
... ohne zusätzliche Kreditvergabe
Entscheidungsproblem
unter Sicherheit ...
Erlös der Bank aus bestehendes Kreditengagement
Verlust aufgrund nachträglicher Kosten und Risiken
Gesamtbe-
sicherung
Verlust
Erlös der Bank aus Sanierungskredit
Sanierungs-
kredit
Bestehendes
Kredit-
engagement
Gesamt-
kreditenga-
gement
Szenario A
:
Krisen-
bewältigung
Szenario B
:
Insolvenz
Gesamtbe-
sicherung
Verlust
... mit zusätzlicher Kreditvergabe
Gesamt-
kreditenga-
gement
Szenario C
:
Verkauf
der
Forderung
Szenario D
:
Insolvenz
Verlust
... ohne zusätzliche Kreditvergabe
Entscheidungsproblem
unter Sicherheit ...
Erlös der Bank aus bestehendes Kreditengagement
Verlust aufgrund nachträglicher Kosten und Risiken
Gesamtbe-
sicherung
Verlust
Erlös der Bank aus Sanierungskredit

-22-
Durch eine zusätzliche Kreditvergabe erhöht sich das Gesamtkreditengagement, wobei
sich zwei mögliche Szenarien ergeben können. Szenario A spiegelt die Rettung des
Unternehmens mittels der Gewährung des Sanierungskredites wider. In der Summe
können die bereits bestehenden und womöglich verloren geglaubten Kredite sowie der
zusätzliche Kredit zurückgezahlt werden.
Demgegenüber illustriert Szenario B die Möglichkeit, dass trotz Sanierungskreditver-
gabe eine Insolvenz eintreten kann. Dabei soll zur Vereinfachung die Annahme gelten,
dass der Sanierungskredit vollständig und werthaltig besichert ist, dass heißt dass der
Erlös für den Sanierungskredit seinen Kreditsicherheiten und somit seinem Gesamtbe-
trag entspricht.
122
Meistens kann die zusätzliche Kreditgewährung für einen kurz- bis
mittelfristigen Zeitraum die Insolvenz verhindern.
123
Der Kreditgeber erhält in diesem
Fall auch den Erlös aus der Verwertung der Kreditsicherheiten für das bisherige Enga-
gement. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass erstens die Kreditsicherheiten für das bishe-
rige Engagement im Regelfall nicht das vollständige Ausfallrisiko abdecken und zwei-
tens der Erlös aus der Verwertung nicht den Kreditsicherheiten entspricht, da unter an-
derem Kosten des Insolvenzverfahrens sowie diverse wirtschaftliche und rechtliche Ri-
siken mit den Besicherungen verbunden sind.
124
Schließlich kann sich die Bank auch entscheiden, keinen Sanierungskredit zu vergeben.
Wiederum können zwei Entscheidungsalternativen identifiziert werden. Im Szenario C
erhält die Bank einen Erlös durch den Verkauf ihrer bisherigen Forderungen an andere
Banken. Meist jedoch nur mit einem erheblichen Abschlag, welcher immer vom indivi-
duellen Ausmaß der Krisensituation sowie den Rentabilitätszielen der Banken ab-
hängt.
125
Ist dieser Wert höher als der sichere Erlös aus der Insolvenz, so werden die
Banken ihr Altengagement verkaufen.
126
Diese Entscheidungsalternative gewinnt zu-
nehmend an Bedeutung und wird daher im Rahmen der Erörterung aktueller Entwick-
lungstendenzen in Kapitel 6.1 ausführlicher thematisiert.
Eine Alternative zum Verkauf des Altengagements ist ähnlich wie in Szenario B die
Verwertung von Sicherheiten im Insolvenzverfahren. Diese Handlungsalternative be-
122
Wie in Kapitel 3.1.2 erwähnt, kann unter Umständen ein Sanierungskredit auch ohne Sicherheiten
gewährt werden. Dieser Fall soll hier aber nicht betrachtet werden, da dieser Fall nach Möglichkeit
vermieden
werden
sollte.
123
Bezüglich einer möglichen Problematik aufgrund Insolvenzverschleppung siehe Kapitel 3.4.2.
124
Vgl. Drukarczyk (1999), S. 494-496.
125
Der Abschlag beträgt laut Experten aktuell zwischen 50 und 90 Prozent.
126
Darüber hinaus gibt es noch weitere Gründe, wie z.B. den Rückzug aus bestimmten Branchen. Laut
Expertenmeinungen verkaufen Banken gegebenenfalls auch bei einem Wert, der niedriger als der
wahrscheinliche Erlös ist. Siehe dazu ausführlicher Kapitel 6.1.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783832482213
ISBN (Paperback)
9783838682211
DOI
10.3239/9783832482213
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
European Business School - Internationale Universität Schloß Reichartshausen Oestrich-Winkel – Betriebswirtschaftslehre
Erscheinungsdatum
2004 (August)
Note
1,3
Schlagworte
restrukturierung finanzierung kredit sanierung krisenunternehmen
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