Sozialpädagogische Beratung und Psychotherapie-Unterscheidungen
©2004
Diplomarbeit
131 Seiten
Zusammenfassung
Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Die Arbeit beschäftigt sich mit der Frage wo Unterschiede zwischen Beratung und Psychotherapie zu finden sind und inwiefern eine Unterscheidung überhaupt möglich und notwendig ist.
Beschreibung:
Was unterscheidet Beratung von psychotherapeutischen Interventionen? Wo sind die Grenzen? Gibt es denn eine definierbare Grenze zwischen Beratung und Therapie? Und muss man überhaupt eine genaue Unterscheidung treffen?
Diese Fragen sind mir während meiner Ausbildung mehrmals begegnet und ich habe bisher keine Antwort darauf gefunden.
Wo endet Beratung und beginnt Therapie? Ist es überhaupt richtig von einer Abfolge, also, Beratung endet und Therapie beginnt, zu sprechen? Welche Interventionen und Verfahren lassen sich wo zuordnen? In welchem Verhältnis stehen diese beiden großen Werkzeuge des Helfens zu einander?
Die Diplomarbeit besteht aus zwei großen Teilen. Im ersten Teil geht es darum Beratung und Psychotherapie genauer zu beschreiben. In beiden Fällen werden Definitionen und Prinzipien erläutert.
Im Kapitel 1 unter 1.1. zu Beratung werden Beratungsansätze dargestellt und die wichtigsten Beratungskonzepte kurz beschrieben. Es geht dabei darum die Vielfalt der Beratung in der Sozialen Arbeit soweit es in diesem Rahmen möglich ist aufzuzeigen und auf Besonderheiten einzugehen, die später in der Diskussion zur Unterscheidung von Beratung und Therapie eine Grundlage bieten. Darüber hinaus wird die Beratung in Kapitel 1.2. als professionelle Hilfeform in der Sozialen Arbeit im Netzwerk von Beratung durch Ehrenamtliche und Alltagsberatung in einen Kontext eingebettet. Es geht dabei um Abgrenzung und Kooperation und um die kurze Darstellung von Alltags- und Ehrenamtlichenberatung. In der Beschreibung von Beratung aus verschiedenen Disziplinen wird ein besonderer Schwerpunkt auf die sozialpädagogische Auffassung von Beratung gelegt.
Im Kapitel 2 wird neben der Definition von Psychotherapie ein kleiner Ausschnitt des PsychThG (Psychotherapeutengesetzes) dargestellt und in Bezug zur hier thematisierten Fragestellung der Abgrenzung von Psychotherapie zur Bezug gesetzt. Weiter werden in Kapitel 2.4. Methoden und Modelle der Psychotherapie ausgewählt und kurz mit ihren Definitionen, Ansätzen und Schwerpunkten erläutert.
In 2.5. geht es um Indikationsfragen der Psychotherapie. Wann wird eine Problematik Gegenstand der Psychotherapie, wie wird diese Entscheidung getroffen und welche Rolle spielt die Frage der Therapieform in […]
Die Arbeit beschäftigt sich mit der Frage wo Unterschiede zwischen Beratung und Psychotherapie zu finden sind und inwiefern eine Unterscheidung überhaupt möglich und notwendig ist.
Beschreibung:
Was unterscheidet Beratung von psychotherapeutischen Interventionen? Wo sind die Grenzen? Gibt es denn eine definierbare Grenze zwischen Beratung und Therapie? Und muss man überhaupt eine genaue Unterscheidung treffen?
Diese Fragen sind mir während meiner Ausbildung mehrmals begegnet und ich habe bisher keine Antwort darauf gefunden.
Wo endet Beratung und beginnt Therapie? Ist es überhaupt richtig von einer Abfolge, also, Beratung endet und Therapie beginnt, zu sprechen? Welche Interventionen und Verfahren lassen sich wo zuordnen? In welchem Verhältnis stehen diese beiden großen Werkzeuge des Helfens zu einander?
Die Diplomarbeit besteht aus zwei großen Teilen. Im ersten Teil geht es darum Beratung und Psychotherapie genauer zu beschreiben. In beiden Fällen werden Definitionen und Prinzipien erläutert.
Im Kapitel 1 unter 1.1. zu Beratung werden Beratungsansätze dargestellt und die wichtigsten Beratungskonzepte kurz beschrieben. Es geht dabei darum die Vielfalt der Beratung in der Sozialen Arbeit soweit es in diesem Rahmen möglich ist aufzuzeigen und auf Besonderheiten einzugehen, die später in der Diskussion zur Unterscheidung von Beratung und Therapie eine Grundlage bieten. Darüber hinaus wird die Beratung in Kapitel 1.2. als professionelle Hilfeform in der Sozialen Arbeit im Netzwerk von Beratung durch Ehrenamtliche und Alltagsberatung in einen Kontext eingebettet. Es geht dabei um Abgrenzung und Kooperation und um die kurze Darstellung von Alltags- und Ehrenamtlichenberatung. In der Beschreibung von Beratung aus verschiedenen Disziplinen wird ein besonderer Schwerpunkt auf die sozialpädagogische Auffassung von Beratung gelegt.
Im Kapitel 2 wird neben der Definition von Psychotherapie ein kleiner Ausschnitt des PsychThG (Psychotherapeutengesetzes) dargestellt und in Bezug zur hier thematisierten Fragestellung der Abgrenzung von Psychotherapie zur Bezug gesetzt. Weiter werden in Kapitel 2.4. Methoden und Modelle der Psychotherapie ausgewählt und kurz mit ihren Definitionen, Ansätzen und Schwerpunkten erläutert.
In 2.5. geht es um Indikationsfragen der Psychotherapie. Wann wird eine Problematik Gegenstand der Psychotherapie, wie wird diese Entscheidung getroffen und welche Rolle spielt die Frage der Therapieform in […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
ID 8185
Linder, Stefanie: Sozialpädagogische Beratung und Psychotheraphie-Unterscheidungen
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Diplomarbeit, 2004
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2004
Printed in Germany
Inhaltsangabe
Sozialpädagogische Beratung und Psychotherapie
Unterscheidungen
Vorwort 1
Einführung 1
1. Fragestellung 1
2 Allgemeine Anmerkungen 5
3. Aufbau der Diplomarbeit 5
Teil I : Die Ausgangslage: Aspekte und Definitionen von Beratung und
Psychotherapie 8
1. Beratung 8
1.1. Definitionen und Prinzipien 8
1.1.1. Beratung in der Sozialen Arbeit 8
1.1.2. Beratungsmethoden und Wirksamkeitsfaktoren von Beratung in der Sozialen
Arbeit 15
1.1.3. Der Beratungsbegriff aus verschiedenen Disziplinen 20
1.1.4. Beratungsansätze 31
1.2. Abgrenzung der professionellen Beratung von Alltagsberatung und
ehrenamtlicher Beratungsarbeit 35
1.2.1. Professionelle Beratung und Alltagsberatung 35
1.2.2. Professionelle Beratung und ehrenamtliche Beratung 37
2. Psychotherapie 40
2.1. Indikationsaspekte 40
2.2. Indikationsaspekte 44
2.3. Psychotherapeutische Methoden, Modelle und Verfahren 46
2.4. Wirkfaktoren 59
Teil II: Beratung und Psychotherapie - Unterscheidung 62
1. Einführung und Ausgangslage 62
2. Entwicklungslinien 63
3. Unterschiede zwischen Beratung und Therapie (?) Ein Diskurs - 67
3.1. ,,Beratung und Psychotherapie lassen sich nicht unterscheiden" 67
3.2. ,,Beratung und Psychotherapie lassen sich anhand bestimmter Aspekte und
Merkmale unterscheiden" 71
3.2.1. Beratung oder Therapie? Indikationsunterscheidungen 73
3.2.2. Die methodische Fundierung als Unterscheidungskriterium 79
3.2.3. Berufsständische Aspekte der Unterscheidung 91
3.2.4. Ergänzungen und Zusammenfassung 98
3.3. Zum Verhältnis von Beratung und Psychotherapie: ,,Psychotherapie ist ein
Spezialfall von Beratung" 105
3.4. Zur Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen Beratung und
Psychotherapie? 108
4. Integration von Beratung und Psychotherapie am Beispiel eines übergreifenden
Modells nach Sander 114
5. Schlussfolgerungen 118
Nachwort 123
1
Vorwort
Seit Beginn meines Studiums interessiere ich mich besonders für das Thema
Beratung. Ich habe viele Seminare hierzu besucht und verschiedene Praktika in
Beratungsstellen absolviert.
Dies und die Beschäftigung mit der Frage ,,Was ist ein Sozialarbeiter, was tut er und
was tut er nicht?" Hat mich zum Thema ,,Sozialpädagogische Beratung und
Psychotherapie Unterscheidungen" geführt.
Ich hoffe nun durch die Bearbeitung dieser Thematik einen Überblick über die
kontrovers geführte Diskussion schaffen zu können und einer Antwort zu meiner
oben gestellten Frage ein wenig näher zu kommen.
Einführung
1. Fragestellung
Was unterscheidet Beratung von psychotherapeutischen Interventionen? Wo sind die
Grenzen? Gibt es denn eine definierbare Grenze zwischen Beratung und Therapie?
Und muss man überhaupt eine genaue Unterscheidung treffen?
Diese Fragen sind mir während meiner Ausbildung mehrmals begegnet und ich habe
bisher keine Antwort darauf gefunden.
Wo endet Beratung und beginnt Therapie? Ist es überhaupt richtig von einer Abfolge,
also, Beratung endet und Therapie beginnt, zu sprechen? Welche Interventionen und
Verfahren lassen sich wo zuordnen? In welchem Verhältnis stehen diese beiden
großen ,,Werkzeuge des Helfens" zu einander?
So schrieb Schraml 1972, z.B. Beratung sei eine Therapieform. Lässt sich Beratung
so leicht neben Psychoanalyse und Verhaltenstherapie einordnen? Ist es überhaupt
sinnvoll diese Fragen zu stellen?
An dieser, für mich zu diesem Zeitpunkt nicht ganz klar definierbaren Grenze
zwischen Beratung und Therapie möchte ich mich in meiner Arbeit bewegen.
2
Der Titel meiner Arbeit lautet ,,Sozialpädagogische" Beratung und
Psychotherapie- Unterscheidungen.
Bei der Wahl dieses Themas ging es mir erst darum Beratung als Teil Sozialer Arbeit
von Therapie abzugrenzen. Darum geht es nach wie vor in meiner Arbeit. Die
sozialpädagogische Beratung als Auffassung von Beratung wird jedoch in Vergleich
zu anderen Beratungsformen, wie z.B. der psychosozialen Beratung ausführlicher,
also, schwerpunktmäßig bearbeitet. Ich benutze hauptsächlich die
sozialpädagogische Beratung als Basis, als Argumentationsgrundlage für meine
Auseinandersetzung mit der Unterscheidung zur Psychotherapie. Ich bin davon
überzeugt, dass sie Ergebnisse dieser Auseinandersetzung in vielerlei Hinsicht
ebenso auf pädagogische oder psychosoziale Beratung übertragbar sein werden,
möchte man diese Unterscheidung überhaupt treffen. Also, auch Aufschluss über
eine allgemeine Abgrenzung von Beratung (in der Sozialen Arbeit) zu
Psychotherapie geben können. Inwiefern die Unterscheidungen zwischen Beratung
und Therapie abhängig von den einzelnen Beratungsformen in der Sozialen sind,
und ob der Beratungsbegriff aus den verschiedenen Disziplinen überhaupt eine
Differenzierung in der Unterscheidung zur Therapie notwendig macht möchte ich im
Laufe meiner Arbeit klären.
Es handelt es sich für mich bei der Beantwortung der Frage wie Beratung von
Psychotherapie abzugrenzen ist auch um eine Definitionsfrage der Zuständigkeit von
Sozialer Arbeit als Beratung überhaupt. Wie ist Beratung in der Sozialen Arbeit
hinsichtlich ihrer Abgrenzung zur Psychotherapie definierbar? Und welche
berufsständischen Interessen und Einflüsse sind mit dieser Thematik verbunden?
Im Laufe meines Studiums der Sozialen Arbeit habe ich oftmals von Dozenten und
Praktikumbetreuern gehört, dass Sozialarbeiter nicht therapieren dürfen, da sie nicht
dafür ausgebildet werden. Dennoch ist das Erlernen von therapeutischem
Handwerkszeug Bestandteil der Ausbildung, wenn auch nicht in großem Umfang,
und fließt somit auch in der Praxis in eine (sozialpädagogische) Beratung mit ein. Bei
150 000 Sozialarbeitern und Sozialpädagogen in Deutschland sind zwar nur 6 000
psychotherapeutisch tätig es ist jedoch anzunehmen, dass weitaus mehr
Sozialarbeiter psychotherapeutische Verfahren anwenden (Belardi, 1994, 398;
Sozialmagazin, 22Jg., 1997; S.28). Allein in den klassischen Beratungsstellen auf
3
oftmals unklarer Basis in bezug auf ihre Identität, ihre Zuständigkeiten und den
gebotenen Rahmenbedingungen des Trägers und der Organisationsform.
Sozialarbeiter und Therapeuten unterscheiden sich in ihrer Ausbildung und
Bezahlung wie auch in der öffentlichen Wahrnehmung klar von einander.
Unterschiede, Schnittpunkte und Konsequenzen möchte ich in meiner Arbeit
erarbeiten.
Die Diskussion um die Abgrenzung der Beratung in der Sozialen Arbeit von
Psychotherapie ist meines Erachtens mit der Diskussion um die Professionalisierung
und um die Identität von Sozialer Arbeit verbunden. Beratung ist schließlich ein
zentrales, wenn nicht das zentrale Handlungsfeld Sozialer Arbeit.
Zygowski (1989,180) zitiert Schermer (1985, 38f) wenn es darum geht die
Nützlichkeit einer Unterscheidung zwischen Beratung und Therapie unter dem
berufspolitischen Aspekt zu beschreiben. ,,Will man den Sozialarbeiter als einen
eigenständigen Berufsvertreter auffassen, so scheint es mir unangemessen, ihn in
die Rolle des ,,Hilfspsychologen" oder des ,,Hilfstherapeuten" zu drängen, wie das bei
einer synonymen Verwendung von Beratungs- und Psychotherapiebegriff nahe liegt."
Dies beschreibt die Notwendigkeit einer Abgrenzung.
Ist die Abgrenzung von Zuständigkeiten schließlich ein Merkmal einer Profession.
Beratung in psychologischen Handlungsfeldern wird oftmals als ,,kleine Therapie"
(Nestmann, 1988a, S.105) bezeichnet und wurde lange Zeit auch nur im ,,Schlepptau
psychotherapeutischer Konzepte" (Röhrle, 1983) diskutiert und konzipiert. Es ist
somit wichtig aufzuzeigen, dass Beratung in der Sozialen Arbeit auch ohne sich als
,,kleine Therapie" darzustellen, auf der Grundlage eigener Konzepte, die sich zwar
der Kenntnisse der Psychotherapie, ebenso wie der Soziologie und Pädagogik
bedienen, aber ohne mit ihren Hilfswissenschaften gleichgesetzt zu werden, agieren
kann und muss.
In meiner Arbeit geht es mir darum, die Notwendigkeiten einer solchen Diskussion
aufzuzeigen und diese auch anzustoßen. In den 70er Jahren war die Frage welchen
Platz die Beratung als Konzept neben der Psychotherapie einnehmen soll von
Autoren wie Frommann, Thiersch, Hompesch oder Dietrich stark diskutiert worden.
Zu dieser Zeit befürchtete oder begrüßte man, je nach Standpunkt, eine starke
Beeinflussung der Beratung durch die Psychotherapie. ,,Erst in letzter Zeit sind auch
auf Seiten der hiesigen Beratungsdiskussion im Zuge einer Umorientierung auf
4
präventive und psychosoziale Interventionsansätze Befreiungsversuche aus dem
,,Schlepptau psychotherapeutische Konzepte"(Röhrle, 1983, S.2) registrierbar."
(Nestmann u.a., S.52)
Doch bis heute ist nicht allgemeingültig geklärt wie sich Beratung als eigene
Hilfeform gegenüber der Therapie darstellt. Die Psychotherapie wurde per Gesetz als
Heilberuf deklariert. Wobei dies, wie später sichtbar wird, bei Weitem nicht ausreicht
um Psychotherapie in all ihren Arbeitsbereichen und Erscheinungsformen
darzustellen und zu definieren oder einzuordnen.
Mit meiner Arbeit möchte ich darauf hinweisen, dass eine Abgrenzung der Beratung
von Psychotherapie auf verschiedenen Ebenen stattfinden muss, um wichtige
Aspekte nicht zu vernachlässigen, dass es jedoch notwendig ist sich auch
methodisch von der Therapie zu distanzieren um eine eigene Identität zu entwickeln,
bzw. wahren zu können. Diese Meinung ist für mich Grundlage und Motivation diese
Arbeit zu erstellen.
Hier sei nur darauf hingewiesen, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema an
sich notwendig ist, in wieweit eine klare Unterscheidung möglich ist, gilt es noch
festzustellen und liegt in der Definition des jeweiligen Betrachters
Bereits zu diesem Zeitpunkt kann ich feststellen, dass in der fachlichen Diskussion
kein Konsens in der Frage der Unterschiede zwischen Beratung und Therapie
herrscht. Ich werde die Diskussion und ihre Faktoren abbilden und verschiedene
Meinungen darzustellen.
Ich hoffe am Ende meiner Arbeit Schlüsse ziehen zu können, die mir eine
differenzierte Beantwortung der Frage ,,Ist es möglich eine klare Unterscheidung
zwischen (sozialpädagogischer) Beratung und Therapie zu treffen und ist es sinnvoll
dies anzustreben?" ermöglichen.
Die Zielsetzung meiner Arbeit ist es aufmerksam zu machen auf dieses Thema in der
Hoffnung bei denen die sie lesen diese Diskussion anzustoßen, die ich für notwendig
halte. Eine weitere Zielsetzung bezieht sich auf mich selbst. Ich werde eine
Arbeitsstelle in einer Beratungsstelle antreten und möchte am Ende meiner Arbeit
meine Kompetenzen hinsichtlich Beratungstheorien erweitert haben und mich besser
als Sozialarbeiterin in der Beratung positionieren können.
5
Im Punkt 1.2. möchte ich einige Punkte erläutern, die zum richtigen Verständnis
meiner Diplomarbeit beitragen sollen.
2. Allgemeine Anmerkungen
Ich verzichte in meinen Ausführungen darauf beide Geschlechter zu nennen um die
eine leichtere Lesbarkeit zu ermöglichen. Ich wähle hier die männliche Form, da
diese Form der Darstellung weiter verbreitet ist und mir leichter von der Hand geht.
Auch wenn ich mir bewusst bin, dass besonders in den Kreisen der Sozialen Arbeit
viel Wert auf die doppelte Nennung gelegt wird. Ich halte dies jedoch weder für
notwendig, noch eine ausschließliche Nennung der männlichen Form, für
diskriminierend. Selbstverständlich sind immer beide Geschlechter angesprochen.
Ansonsten sei hier anzufügen, dass ich von Sozialer Arbeit und Sozialarbeitern
spreche und nicht von Sozialpädagogik und Sozialpädagogen. Ich habe in meiner
Ausbildung gelernt mich mit dem Begriff Sozialarbeit zu identifizieren.
Sozialpädagogik ist für mich hier gleichbedeutend mit Sozialarbeit.
3. Aufbau der Diplomarbeit
Vorneweg möchte ich kurz die Ausgangslage meiner Arbeit erläutern. Ein wichtiger
Teil meiner Arbeit bezieht sich auf Inhalte und Rahmenbedingungen der
Psychotherapie. In meiner Ausbildung habe ich keine Erfahrungen zur praktischen
und wenig zu theoretischen Gestaltung von Psychotherapie erfahren können. Somit
ist dieses Feld im Gegensatz zur Beratung rein über Fachliteratur erschließbar.
Darüber hinaus argumentiere ich von Seiten der Sozialen Arbeit, von Seiten der
Beratung in der Sozialen Arbeit, da ich dieser Berufsgruppe angehöre und die
Diskussion den Aspekt der Identität der Beratung in der Sozialen Arbeit mit
berücksichtigen soll. Somit ist eine direkte Gegenüberstellung von Beratung und
Therapie nicht meine Absicht und in dieser Arbeit auch nicht realisierbar. Vielmehr
soll die Beratung in Abgrenzung zur Therapie als eigene Hilfsform dargestellt
werden.
6
Zum Aufbau der Diplomarbeit:
Nach einigen einführenden Worten und der Erläuterung der Fragestellung folgen die
Ausführungen zum Thema.
Die Diplomarbeit besteht aus zwei großen Teilen. Im ersten Teil geht es darum
Beratung und Psychotherapie genauer zu beschreiben. In beiden Fällen werden
Definitionen und Prinzipien erläutert.
Im Kapitel 1 unter 1.1. zu Beratung werden Beratungsansätze dargestellt und die
wichtigsten Beratungskonzepte kurz beschrieben. Es geht dabei darum die Vielfalt
der Beratung in der Sozialen Arbeit soweit es in diesem Rahmen möglich ist
aufzuzeigen und auf Besonderheiten einzugehen, die später in der Diskussion zur
Unterscheidung von Beratung und Therapie eine Grundlage bieten. Darüber hinaus
wird die Beratung in Kapitel 1.2. als professionelle Hilfeform in der Sozialen Arbeit im
Netzwerk von Beratung durch Ehrenamtliche und Alltagsberatung in einen Kontext
eingebettet. Es geht dabei um Abgrenzung und Kooperation und um die kurze
Darstellung von Alltags- und Ehrenamtlichenberatung. In der Beschreibung von
Beratung aus verschiedenen Disziplinen wird ein besonderer Schwerpunkt auf die
sozialpädagogische Auffassung von Beratung gelegt.
Im Kapitel 2 wird neben der Definition von Psychotherapie ein kleiner Ausschnitt des
PsychThG (Psychotherapeutengesetzes) dargestellt und in Bezug zur hier
thematisierten Fragestellung der Abgrenzung von Psychotherapie zur Bezug gesetzt.
Weiter werden in Kapitel 2.4. Methoden und Modelle der Psychotherapie ausgewählt
und kurz mit ihren Definitionen, Ansätzen und Schwerpunkten erläutert.
In 2.5. geht es um Indikationsfragen der Psychotherapie. Wann wird eine
Problematik Gegenstand der Psychotherapie, wie wird diese Entscheidung getroffen
und welche Rolle spielt die Frage der Therapieform in diesem Zusammenhang? Wo
liegen Problematiken?
Im Kapitel 2.6. werden schulenübergreifende Wirksamkeitsfaktoren der
Psychotherapie im Ansatz kurz erläutert.
In Teil II meiner Arbeit geht es um einen Diskurs zur Unterscheidung zwischen
Beratung und Therapie. In Rückgriff auf die im ersten Teil erfassten Ausführungen
werden 3 unterscheidbare Standpunkte in die Diskussion miteinbezogen. 3.1.
,,Beratung und Therapie lassen sich nicht unterscheiden", 3.2. ,,Beratung und
Therapie lassen sich nach einzelnen Aspekten und Merkmalen unterscheiden" und
7
3.3. ,,Therapie ist ein Spezialfall von Beratung". Diese Sichtweisen werden anhand
verschiedener Autoren, die sich hierzu geäußert haben diskutiert. Im Kapitel 3.4.
geht es letztendlich darum darzustellen warum eine Unterscheidung zwischen
Beratung und Therapie notwendig ist, an welchen Punkten eine Verwischung der
Grenzen zum tragen kommt, bzw. eine Abgrenzung zu tragen käme und welche
Auswirkungen dies hat, bzw. hätte.
Im Kapitel 4 wird ein Modell dass auf einem Konzept von Sanders beruht,
beispielhaft für eine Integration von Beratung und Psychotherapie dargestellt. In
diesem Modell geht es darum zu zeigen, dass eine Auflösung der Begriffe Beratung
und Therapie zu einer Hilfeform sozusagen als Gegendarstellung der in meiner
Arbeit argumentativ vertretenen Auffassung einer Trennung von Beratung und
Therapie, durchaus möglich und sinnvoll erscheinen kann. Die Möglichkeiten einer
Umsetzung und Ausarbeitung einer solchen Auffassung werden im Anschluss kurz
diskutiert.
Im Kapitel 5 geht es letztendlich abschließend um eine persönliche Stellungnahme
und Einschätzung der Ergebnisse der Arbeit und einige abschließende und
weiterführende Bemerkungen.
8
Teil I: Die Ausgangslage: Aspekte und
Definitionen von Beratung und Psychotherapie
1. Beratung
Um die Frage der Unterscheidung von Beratung und Psychotherapie zu bearbeiten,
ist es zuerst notwendig den Begriff ,,Beratung" zu definieren und Aspekte, Prinzipien
und Merkmale von Beratung in der Sozialen Arbeit genauer zu beleuchten.
Im Folgenden möchte ich versuchen Beratung zu definieren und diesen
Arbeitsbereich der Sozialen Arbeit in den Blick nehmen um eine Basis für die weitere
Bearbeitung des Themas, eine Ausgangslage für eine Diskussion über die
Unterscheidung zwischen Beratung und Psychotherapie, zu schaffen.
1.1. Definitionen und Prinzipien
1.1.1. Beratung in der Sozialen Arbeit
Die Soziale Arbeit muss auch im Bereich Beratung flexiblere Hilfen und
umfassendere Kompetenzen aufweisen können um adäquat auf die Probleme der
Menschen in der heutigen Zeit reagieren zu können.
Das folgende Zitat stellt für mich bereits die wichtigsten Merkmale von Beratung in
der Sozialen Arbeit in den Vordergrund: Hilfe zur Selbsthilfe und
Ressourcenorientierung.
,,Beratung soll sich an den Bedürfnissen des Klienten orientieren und dessen
Selbstständigkeit stärken. Dabei sollen nicht die Defizite... im Vordergrund stehen,
sondern die Fähigkeiten und Ressourcen" (Großmann, Ruth: Paradoxien und
Möglichkeiten psychosozialer Beratung aus Frank Nestmann, 1997, S. 113) des oder
der Ratsuchenden.
9
Dementsprechend zielt Beratung auf die Förderung und (Wieder-) Herstellung der
Bewältigungskompetenzen der Klienten selbst und ihrer soziale Umwelt, ohne ihnen
die eigentliche Problemlösung abnehmen zu wollen. Beraten realisiert sich durch die
gemeinsame (Weiter-) Entwicklungen von Zustands- und Bedingungsanalysen,
durch deren Interpretationen und den Entwurf von Entscheidungs- und
Handlungsperspektiven, wobei die ,,Perspektiven des Alltagswissens, des
Handlungswissens und des analytischen Wissens" (Schumann, 1994, S.56)
miteinander zu vermitteln sind." (Nestmann u.a., S.14)
Wichtige faktische Merkmale von Beratung in der sozialen Arbeit sind i.d.R.
Kostenlosigkeit und Freiwilligkeit. Der Berater unterliegt der Schweigepflicht.
Bei den Definitionen was Beratung ist und wie sie sich darstellt werden immer wieder
andere Aspekte in den Vordergrund gestellt.
,,Beratung ist eine weitverbreitete und vielfältige Hilfeform, eine der zentralen
professionellen Handlungsorientierungen und eine der wichtigsten Methoden
sozialer, sozialpädagogischer und psychosozialer Arbeit. Einerseits versteht sich
Beratung als eigenständige Methode, praktiziert in Beratungsstellen und
Sprechstunden oder in aufsuchenden Angeboten, Beratung ist hier der Oberbegriff
für die Form der Interaktion zwischen HerferInnen und KlientInnen. Gleichzeitig zieht
sich Beraten auch als ,,Querschnittsmethode" durch nahezu alle anderen
Hilfeformen."(Nestmann u.a., S.13)
Der Begriff Beratung bezeichnet einerseits eine zentrale Aufgabe in allen
Arbeitsbereichen der Sozialen Arbeit (= horizontaler Aspekt oder Beraten als
,,Querschnittsmethode"), andererseits einen spezialisierten Beruf (= vertikaler Aspekt
in der modernen Gesellschaft (Lexikon der Sozialpädagogik und der Sozialen Arbeit,
S.63).
Auch Brem- Gräser geht auf diese Unterscheidung ein und verwendet folgende
Bezeichnungen:
Brem- Gräser unterscheidet zwischen dem institutionellen Berater, der z.B. in einer
Beratungsstelle arbeitet, also Beratung hauptberuflich ausführt und dem funktionalen
Berater, der z.B. als Jugendamtsleiter, Beratung in verschiedenen Lebensbereichen
ausübt. Bei beiden Beratern setzt Brem- Gräser eine spezielle Berater- Qualifikation
voraus. V.a. der institutionelle Berater sollte nach Brem- Gräser mit allgemeinen
10
Beratungsproblemen vertraut sein, ein Grundwissen haben, dieses immer weiter
ausbauen und überprüfen. (Brem- Gräser, S.79)
Beratung ist also ,,kein vorauszusetzendes Können, sondern muss gelernt werden".
(Gerbis, 1977, zitiert in Brem- Gräser, S.79)
Brem- Gräser geht im Zuge dessen auf die Frage der Doppelausbildung ein. Sie
diskutiert die Frage ob es besonders für institutionelle Berater sinnvoll wäre eine
Doppelausbildung z.B. in Psychologie und Pädagogik, oder in Psychologie und Jura,
etc. zu erwarten. Nach Brem- Gräser würde dies entweder unangemessen lange
Studienzeiten voraussetzen oder eine Verkürzung beider Studiengänge auf ein
,,Wissen nur im Westentaschenformat" bedeuten. Dies kann nach Brem- Gräser zu
Unsicherheiten und Irritationen auch auf Seiten der Adressaten führen. So vertritt
Brem- Gräser die Meinung, dass es jedem Berater selbst überlassen sein soll, wie er
sich das nötige Wissen aneignet. (S.80)
Diese Auffassung birgt in mancherlei Hinsicht Problematiken, die im Teil II meine
Arbeit noch diskutiert werden. Ein Berater verfügt somit über eine allgemeine
Vorbildung, die seiner Berufsausbildung entspricht, muss sich jedoch für die
jeweiligen Anforderungen einer Beratungsstelle zusätzliches Wissen und
Beratungskompetenz aneignen. Hie geht es um zwei unterschiedliche Arten von
Kompetenzen. Einmal um Sachkompetenz wie z.B. Wissen zu rechtlichen
Bestimmungen oder Zuständigkeiten bei Anträgen oder finanziellen Hilfen und
andererseits um Beratungskompetenz im Sinne von z.B. Gesprächsführung und
Beratungstechniken. Beide Kompetenzen werden in der Ausbildung zum
Sozialarbeiter nur im Ansatz gelehrt und müssen somit weiter ausgearbeitet und
vertieft werden. Das bedeutet ein Sozialarbeiter ist nicht automatisch ein
kompetenter Berater und muss sich Wissen selbständig aneignen. Hierfür gibt es
jedoch keine vorgeschriebene Zusatzausbildung. Dies macht eine einheitliche
Überprüfung der Kompetenzen schwierig. Hinzu kommt, dass nicht jeder in einer
Beratungsstelle tätige Sozialarbeiter dasselbe Wissen benötigt um ein guter Berater
zu sein. Diese Heterogenität erschwert eine einheitliche Ausbildung und Überprüfung
der Kompetenz eines Beraters.
Der Beratungsbegriff lässt sich aus unterschiedlichen Richtungen und mit
verschiedenen Schwerpunkten definieren.
11
,,Entscheidend für unterschiedliche Schwerpunktsetzungen in der Bestimmung des
Beratungsbegriffs sind dabei die jeweiligen fachlichen und theoretischen
Standpunkte der AutorInnen...(es) fallen (jedoch) wichtige Übereinstimmungen ins
Auge, wenn Beratung generell die Förderung von Selbst- und Situationserkenntnis,
sowie die Eröffnung und Aktivierung von Kompetenzen und Ressourcen auf Seiten
der KlientInnen zum Ziel hat."(Nestmann u.a., S.15)
Obwohl das Wort Beratung ,,Rat" beinhaltet und das Ratgeben ein Bestandteil von
Beratung in der Sozialen Arbeit sein kann, ist sie doch weit mehr als das.
,,Beratung ist zumindest im professionellen Verständnis- nicht gleichzusetzen mit
Ratgeben (vgl. Hornstein 1966 zitiert in Nestmann u.a.)." ,,Frommann (1990)
charakterisiert Beratung mit ,,wahrnehmen, ordnen, teilhaben, für möglich
halten"(Nestmann u.a., S.31)
,,...(so) wollen Ratsuchende, gerade in psychosozialen Angelegenheiten keine
Ratschläge oder rezeptähnliche Anweisungen...Sie wollen sich über
unterschiedliche Sichtweisen austauschen...Unsicherheiten reduzieren. Diesen
Austausch suchen sie mit Personen, denen sie mehr Wissen, einen besseren
Überblick oder eine fundiertere Urteilsfähigkeit in ihrer Frage zuschreiben."
(Nestmann u.a., S.14)
Brem- Gräser (1994, S.66) bezieht sich auf Zimmer (1983), wenn sie über die
Erwartungen der Klienten im Allgemeinen spricht. Hier wird dargestellt, dass Unter-
und Mittelschichtklienten, im Gegensatz zu z.B. Studenten ,,eher einen aktiven,
handlungsorientierten Stil erwarten. Sie erwarten Ratschläge, Gelegenheit zur
Aussprache und ein besseres Verständnis der Ursachen."
So ist es auch abhängig vom Klientel inwieweit Beratung Ratschläge beinhaltet.
Doch auch die Situation in der ein Klient Hilfe sucht und die Thematik um die es sich
handelt, sowie das Beratungsverständnis des Beraters beeinflussen die Form in der
die Beratung stattfindet.
Die folgende Definition gibt einen guten Überblick darüber wie sich Beratung
darstellen kann.
,,Beratung ist zunächst eine Interaktion zwischen zumindest zwei Beteiligten, bei der
die beratende(n) Person(en) der Ratsuchende(n) - mit Einsatz von kommunikativen
Mitteln - dabei unterstützen, in bezug auf eine Frage oder ein Problem mehr Wissen,
12
Orientierung, der Lösungskompetenz zu gewinnen. Die Interaktion richtet sich auf
kognitive, emotionale und praktische Problemlösung und bewältigung von
KlientInnen oder Klientensystemen (Einzelpersonen, Familien, Gruppen und
Organisationen) sowohl in lebenspraktischen Fragen wie auch in psychosozialen
Konflikten und Krisen. Beratung kann präventive, kurative und rehabilitative
Aufgaben erfüllen, also im Vorfeld der Entstehung manifester Probleme ansetzen,
bei aktuell bestehenden Schwierigkeiten in Anspruch genommen oder in bezug auf
den Umgang mit Folgen und Beeinträchtigungen nachgesucht oder angeboten
werden." (Nestmann u.a., S.13)
Hier wird deutlich, dass Beratung Probleme und beeinträchtigende Situationen aus
drei zeitlichen Perspektiven betrachten kann. Beratung soll im Vorfeld versuchen die
Entstehung eines Problem zu verhindern oder nicht akut werden zu lassen, in einer
akuten Situation reagieren und intervenieren und nach Lösung einer Problematik
oder nach überstandener Krise mögliche negative Folgen verhindern und
Hilfestellung für eine neue Lebenssituation geben. Diese dreifache zeitliche
Ausrichtung von Beratung erweitert nicht nur ihren Zuständigkeitsbereich, sondern
verlangt auch vom Berater eine multiperspektivische Sicht auf die Lebenssituation
seines Klienten. So kann ein akutes Problem aus einer schlecht verarbeiteten oder
unreflektierten früheren Krise entstehen, oder das aktuelle Problem kann den
Grundstein für Schwierigkeiten in anderen Lebensbereichen legen, diese sozusagen
mit negativ beeinflussen.
Verkürzt und ohne Anspruch auf Vollständigkeit lassen auch in Hinblick auf diese
Vielfältigkeit folgendes Angebot von Beratung in sozialpädagogischen und
psychosozialen Bereich beschreiben: Beratung kann Unterstützung sein
- bei der Orientierung in Anforderungssituationen und Problemlagen,
- bei der Entscheidung über anzustrebende Ziele und Wege,
- bei der Planung von Handlungsschritten zur Erreichung von Zielen,
- und der Umsetzung und Realisierung der Planung,
- und bei der Reflexion ausgeführter Handlungsschritte und Vorgehensweisen
definieren. (Nestmann u.a., S.15)
Frommann u.a. nähern sich einer Definition von Beratung auf einer anderen Ebene.
Hiernach ist Beratung definiert durch:
- die Art der Rollenbeziehung
13
Die Beziehung zwischen Berater und Klient ist relativ offen. Der Ratsuchende
akzeptiert den Berater, da er einen ,,Nutzen" aus der Beziehung ziehen
möchte.
- die Interaktionsform
Gesprächsform. Es findet ein Gespräch zwischen Berater und Klient statt.
- die Indikation
Beratung setzt voraus, dass der Klient fähig ist, geplante Handlungsschritte
umzusetzen. Die Probleme dürfen ein ,,mittleres Maß" nicht überschreiten.
(Frommann, A./Schramm, D./Thiersch, H.: Sozialpädagogische Beratung. In:
Zeitschrift für Pädagogik 22 (1976)5, S. 715 - 741. Heidelberg: Quelle&Meyer
1965,S.18)
Wann überschreitet ein Problem ein ,,mittleres Maß"? Woran wird ein mittleres Maß
gemessen? Besonders wenn es um die Abgrenzung von Beratung zu Therapie geht
wird das ,,mittlere Maß" oft als ,,Grenzpfosten" verwendet, wie im Teil II meiner Arbeit
noch deutlich wird. Hier sei nur kurz erwähnt, dass dieses ,,mittlere Maß" Probleme
kategorisieren soll, die nicht so sehr psychisch beeinträchtigend sind, die also keinen
Krankheitswert aufweisen und vom Klienten erfasst werden können (Frommann u.a.
1976). Das diese Erläuterung wenig hilfreich ist, sei an anderer Stelle zu diskutieren
(s. Teil II, 3.2.).
Ein wichtiges Prinzip, von Beratung sollte die Bemühung um ganzheitliche Sicht auf
den Klienten und seine Umwelt sein. Ganzheitlichkeit meint also hier, dass das
Umfeld des Klienten vom Berater in die Beratung miteinbezogen wird. Abwesende
Beteiligte werden nach Möglichkeit mit ihrer persönlichen Sicht der Probleme in den
Beratungsprozess miteinbezogen. So wird der Ratsuchende als Teil eines Ganzen
oder anders, als Teil eines Systems betrachtet. Er ist unterschiedlichen Einflüssen
ausgesetzt, die seine problematische Situation oder/und Verhaltensstörungen
bedingen, fördern oder auslösen können. Durch die Arbeit mit Familienangehörigen
oder auch anderen Beteiligten lassen sich z.B. Kommunikationsprobleme leichter
auflösen, da sich beide Seiten die Folgen ihrer oft eingefahrenen Verhaltensweisen
vor Augen führen und bewusst anders reagieren können. Der Berater kann sich
einen Einblick in Beziehungsgefüge, sowie in Hierarchie- und
Abhängigkeitsverhältnisse verschaffen, da er mehrere Personen befragt und somit
14
einer ,,Realität" näher kommt, die allein durch die Sichtweise des Klienten und der
des Beraters selbst nicht zu erreichen wäre.
Zusammenfassend könnte man die ganzheitliche Herangehensweise an eine
Problematik folgendermaßen begründen:
Dem Klienten soll im Laufe des Beratungsprozesses vermittelt werden, in wieweit die
momentane Situation von der eigenen Persönlichkeit, dem eigenen Verhalten und
dem sozialen Umfeld geprägt ist (Lüssi 1998, S.394).
Darüber hinaus ist die Vernetzung und Kooperation mit anderen Einrichtungen und
Behörden, für die Beratung in der Sozialen Arbeit von wichtiger Bedeutung. Die
Zuständigkeiten sind kompliziert, die Beratungsstelle möchte Hilfestellung leisten,
kann jedoch nicht für die Klärung aller Probleme und Bedürfnisse konzipiert sein.
Sozialarbeiter brauchen somit ein breites Wissen über Unterstützungsmöglichkeiten
und sind daher oft eine erste formelle Anlaufstelle um Informationen über
weitergehende Hilfen zu vermitteln, Hilfsangebote zu koordinieren oder die
Ratsuchenden im Sinne eines ,,Case-Management" zu begleiten (Belardi u.a. 1999,
S.42).
Soziale Beratungsstellen haben oftmals ein breites Netzwerk an
Kooperationspartnern. Da besonders die größeren Träger meist eine lange Tradition
haben und durch verschiedene Einrichtungen miteinander verbunden sind und so
auch Informationen innerhalb eines Trägers zwischen den Einrichtungen fließen und
Vernetzung stattfindet. Durch die Verschiedenartigkeit der Problemlagen, die in
Beratungsstellen besprochen und bearbeitet werden, werden Kontakte zu
Kooperationspartnern aufrechterhalten. Ebenso wie die Mitgliedschaft in
verschiedenen einrichtungsübergreifenden Arbeitskreisen Vernetzung ermöglicht.
Die starke Bürokratisierung der Ämter und die fortschreitende Spezialisierung der
Beratungsstellen auf bestimmte Klienten- und Problemprofile macht das Wissen über
Zuständigkeiten und Weitervermittlungsmöglichkeiten unabdingbar.
Beratung muss darüber hinaus auch Perspektivwechsel vornehmen können. Das
heißt eine Problematik aus unterschiedlichen Bezugsrahmen heraus betrachten
können um z.B. verwaltungsrechtliche und pädagogische Einflüsse als wechselseitig
füreinander relevante Größen zu erfassen.
15
In der aktuellen theorie- und konzeptorientierten Beratungsliteratur (Dewe 1995,
Engel 1997, Engel/Nestmann 1995; Nestmann 1997; Nestmann/Engel 2002;
Thiersch 1991) ist nach Nestmann u.a. eine Orientierung an Alltagsstrukturen,
Ressourcen und Netzwerken, sowie eine sozialökologische Perspektive zu
verzeichnen (Nestmann, u.a., S.56).
1.1.2. Beratungsmethoden und Wirksamkeitsfaktoren von Beratung in der
Sozialen Arbeit
,,Eine Methode ist eine bewusst geplant eingesetzte, häufig bereits erprobte
Handlungsweise, mit der ein bestimmtes Ziel erreicht werden soll."(Nestmann, u.a.,
S.133)
Da Beratung hier im Sinne einer professionellen Hilfeform definiert werden soll, ist es
notwendig sich mit ihrer Methodik auseinander zusetzen. Hier wird deutlich dass die
Soziale Arbeit als Berufsgruppe der hier thematisierten Beratung mit ihren Prinzipien
und Theorien eine zentrale Rolle in der Methodendiskussion spielt. Inwieweit sich
Beratung nach wissenschaftlich fundierten methodisch- technischen Verfahren
orientiert und orientieren soll wird in der Fachliteratur unterschiedlich bewertet.
Thiersch betont z.B. die Besonderheit der Sozialen Arbeit als Alltagsbegleiter und
weist darauf hin, dass viele Einsichten und Interventionen nur im gemeinsamen
Alltag mit dem Klienten erfolgreich sein können. Er erklärt sinngemäß, dass viele
Probleme des Alltags nicht wissenschaftlich durchgearbeitet werden können und hält
dies für einen wichtigen Grund des Entwicklungsstandes der Sozialpädagogik.
(Thiersch, 1978, S.15)
In Hinblick auf die methodische Fundierung von Beratung in der sozialen Arbeit und
insbesondere der sozialpädagogischen Beratung, die sich nach Thiersch besonders
durch ihre Alltagsnähe auszeichnet, bzw. auszeichnen sollte erklärt er folgendes:
,,Sozialpädagogische Beratung...muss offen sein für die ,,komplexe Vielfältigkeit von
Alltagsproblemen" und sich dafür ,,ablösen von verwaltungsbestimmten,
kontrollierenden Handlungsaufträgen...sie darf dies aber nicht so tun, dass sie sich...
auf methodisch gesicherte Verhaltens- und Kommunikationsstrategien festlegt."
(Thiersch, Neue Praxis, Sonderheft, 1978, S.19)
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Seibert vertritt hinsichtlich der Methodik in der Sozialen Arbeit, er bezieht sich dabei
auch auf Thierschs Aussagen über Beratung, eine andere Sichtweise und ordnet
diese Aussage von Thiersch so ein: ,,Hier wurde ein Bild von Sozialarbeit entworfen,
das dem Negativ- Klischee des methodenlosen, von obrigkeitlichen Auftrag
bestimmten Praktiker entspricht, der zwar Verständnis für seine Klienten hat, aber
nicht helfen kann." (Thiersch, 1978, S.19 zitiert in: Ulrich Seibert ,,Thesen zur Identität
von Sozialarbeit und Therapie", Neue Praxis, Sonderheft)
Dieser kurze Ausschnitt aus der Diskussion über die Frage wie sehr sich Soziale
Arbeit und Beratung in der Sozialen Arbeit an technisch- methodische Verfahren
binden soll gibt einen Hinweis auf ein zentrales Stück Professionalisierungs- und
Abgrenzungsdiskussion, die später noch einmal aufgreifen und ausführlicher
darstellen möchte. (siehe Teil II, 3.2.)
Hier vorerst allgemein zur methodischen Gestaltung von Beratung(sprozessen) in
der Sozialen Arbeit.
,, Die Wege der Gestaltung des Beratungsprozesses, die Methoden wurden im
Rahmen der 3 großen therapeutischen Richtungen (Psychoanalyse,
Verhaltenstherapie u. humanistische Therapien) entwickelt und ergänzt durch
spezielle Verfahren aus den Bereichen Organisationsentwicklung, Supervision und
Theorien der Sozialen Arbeit. Welche Methoden verwendet werden, hängt von der
individuellen oder organisationsgebundenen Wertvorstellung, Philosophie, dem
Menschenbild, ihrer handlungsleitenden Theorien, ihrer wissenschaftlich-
theoretischen Zuordnung und der Einschätzung ihrer Wirksamkeit ab". (S.67, Lexikon
der Sozialpädagogik und Sozialarbeit).
,,Die in vielen Beratungsbüchern vorgestellten Methoden entspringen () meist der
Psychotherapie oder werden zusammengestellt aus verschiedenen Techniken
(Deutung, Interpretations- und Kommunikationsstrategien, etc.)". (Nestmann, u.a.)
Die Betonung hierbei sollte auf ,,entspringen meist" liegen und keinen Anspruch auf
allgemeine Gültigkeit erheben. Es soll hier nicht der Eindruck entstehen Beratung sei
nicht mehr als eine eklektische Psychotherapie und würde sich deren Erkenntnisse
bedienen und deren Techniken aufgreifen, nach Lust und Laune vermischen und in
verkürzter Form anwenden. Beratung bedient sich spätestens seit der
17
,,Psychoinvasion" in den 60er Jahren psychotherapeutischer Verfahren (vgl. Teil II, 2.
Entwicklungslinien). Beratungsansätze haben, wie sich in den folgenden Kapitel
zeigen wird dennoch eine eigene Handschrift, die der Sozialen Arbeit und ihren
Prinzipien ebenso entspringt, wie sie sich an den Erkenntnissen anderer
Wissenschaften bedient.
Methoden in der Beratung haben wichtige Funktionen bei der Gestaltung der
Beratung und deren erfolgreichen Beendigung.
Methoden sind nach Nestmann u.a. (S.135) ,,wichtig als geplante Wege von einer
bestimmten Problemstellung hin zu einem definierten Beratungsziel, sie sind wichtig
als Träger der Interaktion zwischen Berater und Ratsuchenden. Sie haben Beratung
als unzählige einzelne Verfahren zusammengefasst in übergeordnete Strategien und
Beratungsstile, die diese Verfahren zusammenhalten und in sich einschließen."
,,Beratung ist multimethodisch und kombiniert Methoden je nach
Beratungskonzeption, Problemlage, Ziel, etc." (Nestmann u.a., S.135)
Das Spektrum reicht von aufmerksam zuhören über Verfahren des Deutens,
Analysierens, Neulernens und Umlernens hin zu noch weiter gespannteren Hilfe- und
Unterstützungsformen wie Gruppen, Organisationen und ganze Beziehungssysteme.
Beratung sieht sich immer wieder sehr vielfältigen und komplexen Problemlagen
gegenüber und ist somit traditionell angehalten multidimensional zu arbeiten um den
unterschiedlichen Anforderungen ihrer Klientel begegnen zu können. Dieser
Sachverhalt wird auch von Beratungstheoretikern mehr und mehr anerkannt.
(Nestmann u.a., .S. 136)
Es entsteht nach Nestmann u.a. (S.133) der missverständliche Eindruck ,,Wer diese
Methoden beherrscht, kann beraten." In den weiteren Ausführungen und auch aus
dem bisher gesagten dürfte klar werden, dass diese technisch- methodische
Sichtweise und das aneinander reihen von verschiedenen formalisierten Verfahren
nicht ausreicht um eine erfolgreiche Beratung durch zuführen.
Verbunden mit der methodischen Fundierung von Beratung ist auch die Frage
wodurch Beratung wirksam wird.
18
Beratung wird nicht nur durch ihre Verfahren wirksam. Es gibt Faktoren, die
unabhängig von der theoretischen und methodischen Gestaltung der Beratung
wesentlichen Anteil am Erfolg haben.
Der Erfolg einer Beratung hängt neben den Therapeuten/Beratervariablem
(Erfahrung, Persönlichkeit) von der Beratungsdauer und der theoretischen
Orientierung des Beraters /Therapeuten ab. (Mahoney/Caine 1991, in Nestmann
u.a., S.129)
Die Berater- Klientbeziehung ist eine wichtige Voraussetzung für eine gelingende
Beratung und bewegt sich dabei zwischen Neutralität und Parteilichkeit. (Nestmann,
u.a.)
Partei ergreifen für den Klienten betont die gesellschaftspolitische Komponente der
Beratung in der sozialen Arbeit und ,,Parteilichkeit gewinnt abhängig von
Beratungsinhalten und anliegen besonders in sozialarbeiterischen und
sozialpädagogischen Feldern weiter an Bedeutung" (Nestmann, u.a.)
Rogers verwies im Rahmen seiner Klientenzentrierten Beratung und Therapie auf 3
entscheidende Merkmale einer hilfreichen Beratungsbeziehung: Empathie, Wärme
oder Akzeptanz und Echtheit oder Authentizität. Sie werden heute allgemein als
gültig anerkannt (Nestmann u.a. S.130). Carkhuff (1969, zitiert in Nestmann u.a.)
entwickelte weitere klientenzentrierte Beziehungsvariabeln, hierunter zählen die
Unmittelbarkeit (Konzentration auf die Erfahrung im ,,Hier und Jetzt", ohne die
Vergangenheit zu negieren), Konkretheit der Kooperation in der Beratungsbeziehung
(klare Haltungen, eindeutiges Handeln, unmissverständlich, transparent und
spezifisch) und Konfrontation (umfasst provokante Beziehungselemente, erlaubt kein
Ausweichen, ist dennoch nicht verletzend).(Nestmann u.a. S.131)
Jerome D. Frank, der an der Common- factor Forschung beteiligt war, die sich mit
den Wirkfaktoren von Beratung und Psychotherapie beschäftigte und damit die
Diskussion um die Integration von Methoden anstieß, formulierte in seinem 1981 in
Deutschland erschienenen Buch ,,Der Heiler" folgende Grundthese, die Nestmann
u.a. (S.138) aufgriff: ,,Die Wirksamkeit von Beratung und Therapie liegt nicht primär in
Inhalten der Theorien, sondern in deren Funktionen."
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Funktionen können hier z.B. die Steigerung von Hoffnung oder die Gewährung von
Erfolgserlebnissen sein. (Nestmann u.a., S.139)
Eine weitere Funktion von Beratung beschreibt Mollenhauer schon 1965. Dabei geht
es weniger um die Stärkung und positive Beeinflussung des Selbstwertgefühls und
des Glaubens an das eigene Fortkommen, sondern um eine Funktion, die sich
stärker auf die Problemlösung direkt bezieht, die Hilfe zur Selbsthilfe unmittelbar
fördert, indem sie dem Klienten eine andere, objektivere und distanzierte Sichtweise
auf sich selbst, seine Situation und seine Bewertungsschemata ermöglicht.
,,Die entscheidende Funktion der Beratung endlich liegt darin, dass sie kritische
Aufklärung sein kann. Das Gespräch schafft Distanz, es ermöglicht, das
Besprochene objektivierend zu betrachten, es ermöglicht ein rationales Verhalten zu
sich selbst und zu den Bedingungen der eigenen Existenz. In der Beratung werden
nicht nur Antworten gegeben, sondern zugleich neue Fragen formuliert; die rationale
Erhellung eines Problems wird so weit wie möglich versucht, um eine Entscheidung
vorzubereiten, die von Vorurteilen und Verfestigungen frei nach dem Abwägen der
vernünftig entscheidbaren Fragen getroffen werden kann."
(Mollenhauer 1965, S. 25, S. 32: zitiert in Barabas, Friedrich K., Beratungsrecht Ein
Leitfaden für Beratung, Therapie und Krisenintervention, 1999, S. 101)
Nach Nestmann u.a. ist das gegenwärtige Wissen über die Akzeptanz und die
Wirkungen von Beratung recht gering. Hinsichtlich der Gründe verweisen Nestmann
u.a. auf Strauß und Stiemert (1991): Die Gründe bestehen nach den Autoren darin,
dass man erst in Ansätzen von einer Beratungsforschung sprechen kann, dass
Beratung als ein ,,heikler Forschungsgegenstand" gilt und damit verbunden
Zugangsprobleme zum Feld existieren.
Aber auch die fehlende Praxisrelevanz der ausschließlich quantitativen Forschung
wird als hinderlich angefügt. So fordern die Autoren eine am Subjekt orientierte
qualitative angelegte Forschung. (Nestmann u.a., S.55)
Um den Beratungsbegriff nicht nur allgemein zu umschreiben, sondern auch einen
differenzierteren Blick auf verschiedene Beratungskonzepte zu erhalten, möchte ich
hier kurz die wichtigsten Konzepte beschreiben. Diese Beratungskonzepte genau zu
20
definieren und ihre Unterschiede zu erörtern ist meines Erachtens im Rahmen dieser
Arbeit nicht möglich.
Da es in meiner Arbeit einen Schwerpunkt sozialpädagogische Beratung gibt, werde
ich diese besonders ausführen. Dennoch geht es hier, wie eingangs erwähnt, um die
Unterscheidung zwischen Beratung und Therapie im Sinne einer Diskussion, die eine
starke berufsständische Komponente hinsichtlich der Identität der Beratung in der
Sozialen Arbeit erhalten soll. Somit ist die Aufsplittung der Beratung in verschiedene
Konzepte hier nicht von größter Priorität, sie wird somit knapp gehalten.
1.1.3. Der Beratungsbegriff aus verschiedenen Disziplinen
Sozialpädagogische Beratung, psychosoziale Beratung, pädagogische Beratung,
psychologische Beratung, etc. Diese Beratungsauffassungen werden in der
Fachliteratur hinsichtlich ihrer Schwerpunkte und ihrer Inhalte meist mehr oder
weiniger differenziert definiert. So werden Unterscheidungen getroffen (Frommann,
A./Schramm, D./Thiersch) oder auch nicht (z.B. die Autoren in Brunner und Schönig
(Hrsg.) Theorie und Praxis von Beratung). Je nach dem worauf ein Aufsatz abzielt
wird Beratung verallgemeinert oder auch nicht.
In der Praxis scheint es diesbezüglich nicht immer eine explizite Unterscheidung zu
geben. So verzeichnen z.B. Städte (z.B. Bamberg oder Kassel) bei der Auflistung
ihrer psychosozialen Beratungsstellen alle Beratungsstellen, von
Erziehungsberatung bis Arbeitslosenberatung oder Bürgerberatung.
Ich möchte mich hierbei, wie in einem Grossteil des Kapitels 2 auf Nestmann u.a.
beziehen. Die Autoren dieser Grundlagenliteratur werden oft von anderen Autoren
zitiert, insbesondere Nestmann, wie im Laufe meiner Arbeit noch sichtbar werden
wird, und stellen darüber hinaus ein umfassendes und sehr aktuelles Buch zum
Thema Beratung vor. Das Buch gibt einen Überblick ohne wichtige Aspekte
auszublenden und schien mir deshalb geeignet als Leitfaden für einen kurzen
Überblick über verschiedene Aspekte von Beratung in der Sozialen Arbeit.
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Psychologische Beratung:
Definition von Beratung nach Fröhlich, 1994, 85ff zitiert in Nestmann u.a.: ,,Beratung:
Zusammenfassende Bezeichnung für die Erteilung von Entscheidungs- und
Orientierungshilfen durch ausgebildete Fachkräfte (z.B. Ärzte, Psychologen,
Pädagogen oder Sozialarbeiter) in Einzel- und Gruppengesprächen. Zu den
allgemeinen Kennzeichen der psychologischen Beratung gehört ihre nicht- direktive,
d.h. nicht direkt auf eine Verhaltensmodifikation abzielende Art; sie fördert Einsichten
und Einstellungsänderungen in Bezug auf individuelle oder soziale Problembereiche
(...)".
Fröhlich weitet nach Nestmann u.a. die psychologische Auffassung von Beratung der
Beratung auf nicht explizit psychologische Beratungsdienste und damit auch auf
Tätigkeiten anderer Berufsgruppen aus dem Bildungs-, Sozial- und
Gesundheitswesen aus. Hierdurch wird die konzeptionelle Bereite und fachliche
Offenheit eines neueren psychologischen Beratungsverständnisses deutlich.
,,Der Störungs- und Defizitaspekt tritt in den Hintergrund. Demgegenüber werden
präventive und Wachstumsorientierungen ins Zentrum gerückt."(Nestmann u.a.,
S.16).
Diese Komponente der Stärken- und Ressourcenorientierung, ebenso wie der
vorbeugende Aspekt der psychologischen Beratung benennt eine Entwicklung weg
von traditionellen Vorstellungen von Problemen, die ihren Fokus auf psychischen
Störungen und Krankheiten haben hin zu einem Menschenbild, dass sich weniger an
dem der klassischen Psychotherapie orientiert. Hier entwickelt sich eine Identität der
,,psychologischen Beratung", die sich mehr dem Begriff ,,Beratung" nähert als dem
Begriff ,,psychologisch".
Soziale Beratung
,,Soziale Beratung ist ein breitgefasster Begriff für die Gesamtheit der beraterischen
Hilfen in Problemfeldern, die sich auf Schwierigkeiten von Individuen oder Gruppen
in und mit ihrer sozialen Umwelt beziehen. Unter sozialer Umwelt sind sowohl nähere
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soziale Kontexte wie Familie, Verwandtschaft, berufliche oder schulische Umwelt
oder Freundeskreise zu verstehen, wie auch übergreifende, z.T. nur noch vermittelt
erlebte gesellschaftliche Bedingungen. Soziale Beratung bezieht sich zudem auf die
materiellen, rechtlichen und institutionellen Strukturen der soziale Umwelt."
(Nestmann u.a., S.17)
Thiersch versteht unter sozialer Beratung ein methodisch fundiertes Arbeitskonzept.
Er formuliert die Schritte Erkennen, Klären und Ressourcenerschließen (zitiert in
Nestmann u.a., S.17). Diese werden von Nestmann u.a. (S.17) als wichtige
strukturelle Elemente des Beratungshandelns bezeichnet.
Erkennen, Klären und Ressourcenerschließen sind Beratungsschritte die wohl
disziplinenübergreifend stattfinden. Sie sind charakteristisch ebenso z.B. für die
sozialpädagogische Beratung oder psychosoziale Beratung. Dabei ist es wohl recht
unterschiedlich was erkannt werden muss, was geklärt wird und welche Art von
Ressourcen erschlossen wird. So kann der Schwerpunkt dieser Arbeitsschritte in
Partnerschaftsproblemen liegen oder z.B. in Arbeitslosigkeit und
Schuldenproblematiken.
,, Thiersch charakterisiert soziale Beratung zudem als Kommunikation auf der Basis
von Vertrauen. Sie ist freiwillig und eine Einigung oder Aushandlung zwischen
Ratsuchenden und Beraterinnen darüber, ,,was das Problem ist und welches
geeignete Auswege sein können" (Thiersch 1992, S.133ff, Nestmann u.a., S.17)."
,,Ohne Rückgriff auf den Begriff der Lebenswelt scheint soziale Beratung kaum noch
darstellbar: Thiersch verortet soziale Beratung als lebensweltorientierte Beratung in
der Sozialpädagogik. Beratung bezieht sich auf die Klärung und Bearbeitung
,,im Lebensfeld" auftretender Schwierigkeiten." (Nestmann u.a., S.17)
,,Soweit soziale Beratung eher mit Klienten in benachteiligten und marginalisierten
Lebenslagen konfrontiert ist, geht es hier primär um die Bearbeitung von im Alltag
verspürten Einschränkungen, Grenzen und ,,Widrigkeiten"." (Nestmann u.a., S.17)
Somit bezieht sich Soziale Beratung charakteristisch auf Menschen, die im
gesellschaftlichen System unterprivilegiert sind. Hier können materielle und
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integrative Bestandteile eine wichtige Rolle spielen. Der Berater braucht ein gutes
Wissen über Hilfesysteme und rechtliche Ansprüche. Darüber hinaus geht es darum
dem Menschen zu helfen sich (wieder) zu integrieren und unabhängig von diversen
Hilfen leben zu können.
Aus dem Gegenstand der sozialen Beratung, der auf sozialer Ungleichheit und z.B.
dem Ausschluss aus der Gesellschaft durch Chancenungleichheit, wie z.B.
Arbeitslosigkeit jugendlicher Straftäter basiert, ergibt sich die Aufgabe des Beraters
auch durch Mithilfe der Institution, der er angehört, auf diesen Missstand
aufmerksam zu machen. Schließlich kann der Sozialarbeiter, insbesondere wenn er
mit benachteiligten Menschen arbeitet, Tendenzen erkennen und auf ein soziales
Problem aufmerksam machen, es der Öffentlichkeit, der Politik zur Diskussion
aufzubereiten.
Sozialpädagogische Beratung
Ähnlich der sozialen Beratung ist die Auffassung der sozialpädagogischen Beratung.
Hier wird jedoch stärker auf eine pädagogische Komponente eingegangen, die nicht
mit erziehen im herkömmlichen Sinne gleichgesetzt werden darf. Ratsuchende
erwarten somit in der pädagogischen Beratung nicht erzogen zu werden, sondern
eine ,,offene Kommunikation." (Nestmann, u.a., S.18)
,,Die eigentliche pädagogische Bedeutung von Beratung liegt darin, ,,dass sie
kritische Aufklärung sein kann."(Mollenhauer, 1965; Nestmann, u.a., S.19)
Sozialpädagogische Beratung orientiert sich besonders am Alltag der Menschen.
Lösungsmethoden sind oftmals pragmatisch und lassen sich schnell durchführen,
z.B. beantragen von Wohngeld. Es handelt sich oft um alltagsorganisatorische
Probleme. Es geht nicht nur darum psychologische Probleme zu lösen, den
Menschen als abgeschlossenen Teil zu sehen, sondern sein Umfeld (seinen Alltag)
und die daraus resultierenden Probleme in den Beratungsprozess miteinzubeziehen.
Konkrete Hilfsmöglichkeiten wie Geld, Arbeit, Unterkunft oder Erziehungshilfe stehen
in der sozialpädagogischen Beratung oftmals im Vordergrund. Der innere Zustand
des Klienten also die Psyche wird nicht für sich alleine betrachtet (Galuske ,
1998,158).
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Frommann u.a. formulieren, ausgehend von einer alltagstheoretischen und
therapiekritischen Orientierung, Beratung als eine Form sozialpädagogischen
Handelns. Beratung will nach diesem Verständnis ,,Alltagsprobleme zugleich
unverkürzt und professionell"(Frommann u.a., S.717) annehmen.
Sie geht dabei ,,von einer Perspektive ,,parteieinnehmender Praxis" aus, die ,,gestützt
auf Gesellschafts- und Persönlichkeitstheorie durch reflektierte Beziehungen und
Erschließen von Hilfsquellen verschiedener Art das Unterworfensein von Menschen
unter belastende Situationen verändern will"(Frommann u.a., S.739).
Nach Nestmann u.a. (S.43) ist diese grundlegende Orientierung bis heute von
Bedeutung. Die Autoren begründen dies indem sie Grönig zitieren: ,,Weil (es) die
sozialpädagogische Beratung zu einem pädagogischen Anliegen jenseits des
Therapismus, der berufstypischen Naivität und der expertentypischen Überlegenheit
(macht)." (Grönig 1993, S.233, Nestmann u.a.)
,,Nach Frommann, Schramm & Thiersch (1976), zählt hierzu ,,beispielsweise die
Überwindung oberflächlicher Interpretationen der Wirklichkeit. Oberflächliche
Interpretationen der Wirklichkeit können z.B. darin bestehen für Probleme allein ,,die
anderen" oder allein das ,,eigene Versagen" verantwortlich zu machen... und dabei
die gesellschaftlichen Ursachen zu verkennen." (Nestmann, u.a., S.19)
So wird ,,in einem sozialpädagogischen Interventionsmodell dem Individuum nicht
allein die ganze Last aufgebürdet, sondern durch Umstrukturierung von belastenden
Situationen, notfalls Herausnahme aus nicht zu bewältigenden Situationen,
Organisation von Interaktion mit neuen Bezugspersonen in veränderten
Interaktionsformen, Verhaltensänderung unterstützt, bzw. erst ermöglicht."
(Hompesch & Hompesch- Cornetz, S.32; zitiert in Zygowski, S.181)
Hier wird wiederum deutlich, dass Parteiergreifen nicht nur für den einzelnen
Klienten, sondern auch für eine benachteiligte Gruppe von Menschen, deren
Aufklärung und Mobilisierung auch zur Aufgabe von Beratung werden kann und nach
dieser Auffassung sollte. Durch Parteilichkeit kann meines Erachtens auch eine Form
von ,,gemeinsam" entstehen, die Stigmatisierung und Hierarchie zwischen Berater
und Klienten entgegenwirkt.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2004
- ISBN (eBook)
- 9783832481858
- ISBN (Paperback)
- 9783838681856
- DOI
- 10.3239/9783832481858
- Dateigröße
- 649 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Otto-Friedrich-Universität Bamberg – Fakultät soziale Arbeit (FH)
- Erscheinungsdatum
- 2004 (August)
- Note
- 2,0
- Schlagworte
- sozialpädagogik arbeit beratung psychologie therapie
- Produktsicherheit
- Diplom.de