Die Diskussion um den Emissionshandel in der Europäischen Union
Darstellung und kritische Würdigung
©2004
Examensarbeit
79 Seiten
Zusammenfassung
Inhaltsangabe:Einleitung:
Mit der Einführung eines EU-weiten Handels mit CO2-Emissionsrechten für ausgewählte Industriesektoren zum 1.1.2005 kommt ein in der ökonomischen Literatur seit langem als wirksam und effizient eingestuftes Instrument, erstmals international und großflächig zur Anwendung. Das ausgerechnet die Europäer dieses neue Zeitalter internationaler umweltpolitischer Regulierung einläuten, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn anders als z.B. die USA, die 1997 den Emissionshandel quasi zur conditio sine qua non für ihre eigene Teilnahme an einem internationalen Klimaschutzregime machten, standen die Europäer einem solchen Konzept zunächst sehr zurückhaltend gegenüber.
Die vorliegende Arbeit soll diesen erstaunlichen Sinneswandel und die ihn begleitende Diskussion dokumentieren und bewerten. Dazu ist sie grob in zwei Teile eingeteilt. Zu Beginn sollen zunächst naturwissenschaftliche und ökonomische Grundlagen der Klimaproblematik kurz vorgestellt werden.
Anschließend soll eine Übersicht über den internationalen Prozess, der zum Kyoto-Protokoll führte, gegeben werden. Dieses eigentliche Klimaschutzregime ist insbesondere deshalb für die Entwicklung eines europäischen Emissionshandelssystems wichtig, da sowohl die Reduktionsziele der einzelnen Länder übernommen werden, als auch deren wahrscheinliche Nichterfüllung den wichtigsten Auslöser für eine gemeinschaftliche Lösung darstellt.
Die Instrumentendiskussion ist in der umweltökonomischen Literatur bereits ausführlich geführt worden und kann hier nur am Rande behandelt werden. Ganz darauf verzichten möchte ich jedoch nicht, da die dargestellten Vorteile einer Zertifikatslösung gegenüber Auflagen bzw. Abgabenlösung einen nicht unerheblichen Anteil am beschlossenen Paradigmenwechsel in der EU-Umweltpolitik gehabt haben dürften.
Zu Beginn des zweiten Teils wird eine Übersicht der bisherigen klimapolitischen Maßnahmen in der EU und in den einzelnen Mitgliedsstaaten gegeben. Sowohl die wenigen bisherigen gemeinschaftlichen, als auch die zahlreichen einzelstaatlichen Maßnahmen konnten jedoch nicht verhindern, dass ohne zusätzliche Anstrengungen die meisten EU-Staaten ihr Kyotoziel verfehlen würden.
Nachdem die Kommission, als Konsequenz aus dieser Erkenntnis, im Jahr 2000 erstmals ein konkretes Konzept für einen europäischen Emissionshandel vorgelegt hatte, entbrannte eine intensive europaweite Diskussion über das Für und Wider eines solchen Ansatzes. Die Argumente der […]
Mit der Einführung eines EU-weiten Handels mit CO2-Emissionsrechten für ausgewählte Industriesektoren zum 1.1.2005 kommt ein in der ökonomischen Literatur seit langem als wirksam und effizient eingestuftes Instrument, erstmals international und großflächig zur Anwendung. Das ausgerechnet die Europäer dieses neue Zeitalter internationaler umweltpolitischer Regulierung einläuten, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn anders als z.B. die USA, die 1997 den Emissionshandel quasi zur conditio sine qua non für ihre eigene Teilnahme an einem internationalen Klimaschutzregime machten, standen die Europäer einem solchen Konzept zunächst sehr zurückhaltend gegenüber.
Die vorliegende Arbeit soll diesen erstaunlichen Sinneswandel und die ihn begleitende Diskussion dokumentieren und bewerten. Dazu ist sie grob in zwei Teile eingeteilt. Zu Beginn sollen zunächst naturwissenschaftliche und ökonomische Grundlagen der Klimaproblematik kurz vorgestellt werden.
Anschließend soll eine Übersicht über den internationalen Prozess, der zum Kyoto-Protokoll führte, gegeben werden. Dieses eigentliche Klimaschutzregime ist insbesondere deshalb für die Entwicklung eines europäischen Emissionshandelssystems wichtig, da sowohl die Reduktionsziele der einzelnen Länder übernommen werden, als auch deren wahrscheinliche Nichterfüllung den wichtigsten Auslöser für eine gemeinschaftliche Lösung darstellt.
Die Instrumentendiskussion ist in der umweltökonomischen Literatur bereits ausführlich geführt worden und kann hier nur am Rande behandelt werden. Ganz darauf verzichten möchte ich jedoch nicht, da die dargestellten Vorteile einer Zertifikatslösung gegenüber Auflagen bzw. Abgabenlösung einen nicht unerheblichen Anteil am beschlossenen Paradigmenwechsel in der EU-Umweltpolitik gehabt haben dürften.
Zu Beginn des zweiten Teils wird eine Übersicht der bisherigen klimapolitischen Maßnahmen in der EU und in den einzelnen Mitgliedsstaaten gegeben. Sowohl die wenigen bisherigen gemeinschaftlichen, als auch die zahlreichen einzelstaatlichen Maßnahmen konnten jedoch nicht verhindern, dass ohne zusätzliche Anstrengungen die meisten EU-Staaten ihr Kyotoziel verfehlen würden.
Nachdem die Kommission, als Konsequenz aus dieser Erkenntnis, im Jahr 2000 erstmals ein konkretes Konzept für einen europäischen Emissionshandel vorgelegt hatte, entbrannte eine intensive europaweite Diskussion über das Für und Wider eines solchen Ansatzes. Die Argumente der […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
ID 8115
Lürig, Lars: Die Diskussion um den Emissionshandel in der Europäischen Union
Darstellung und kritische Würdigung
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Staatsexamensarbeit, 2004
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http://www.diplom.de, Hamburg 2004
Printed in Germany
G
LIEDERUNG
II
Seite:
Gliederung:
II
Abkürzungen
IV
1.
Einleitung
1
2.
Grundlagen 3
2.1.
Die
Wissenschaft
vom
Klimawandel 3
2.2.
Die
Treibhausgase
3
2.3.
Auswirkungen
der
Klimaerwärmung 5
2.4.
Die Klimaproblematik aus ökonomischer Sicht
6
3.
Internationale
Klimaschutzpolitik 8
3.1.
Die
Klimarahmenkonvention 8
3.2.
Das
Kyoto-Protokoll
10
3.2.1.
Projektbezogene
Mechanismen
12
3.2.2.
Emissionshandel
12
3.3.
Die
Vereinbarungen
von
Marrakesch
14
3.4.
Die
Beurteilung
der
Verhandlungsergebnisse
16
3.5.
Die
Rolle
umweltökonomischer
Instrumente
17
3.5.1.
Ordnungsrechtliche
Regulierungen
18
3.5.2.
Abgaben
18
3.5.3.
Handelbare
Zertifikate 19
3.5.3.1. Die Umsetzung von Zertifikatslösungen
20
3.5.3.2. Vorrausetzungen für einen funktionierenden Markt handelbarer
21
Emissionslizenzen
3.5.3.3. Probleme handelbarer Emissionslizenzen
21
4.
Zwischenfazit
23
5.
Klimapolitik
in
der
Europäischen
Union
24
5.1.
EU-weite
Maßnahmen
24
5.2.
Maßnahmen
in
den
Mitgliedsstaaten 26
5.2.1.
Selbstverpflichtungen 26
G
LIEDERUNG
III
5.2.2.
Europäische
,,Ökosteuern"
28
5.3.
Motive für die Entwicklung eines EU-weiten Emissionshandels
28
5.4.
Der
Fahrplan
zum
EU-Emissionshandel
30
6.
Die Diskussion um einen europäischen Emissionshandel
30
6.1.
Umweltschutzorganisationen 31
6.2.
Unternehmen
und
Unternehmerverbände
31
6.3.
Europäisches
Parlament
33
6.4.
Die
Diskussion
in
Deutschland
33
6.4.1.
Gegner
des
Emissionshandels 34
6.4.2.
Befürworter des Emissionshandels: Umweltverbände und
35
,,pragmatische" Unternehmen
6.4.3.
Kompromisse
in
der
AGE
37
6.5.
Die wissenschaftliche Diskussion am Beispiel zweier Extrempositionen
38
6.5.1.
Die ,,PRIMES"-Studie
38
6.5.2.
,,Zertifikatehandel für CO2 Emissionen auf dem Prüfstand"
41
7.
Die
Emissionshandels-Richtlinie
der
EU 43
7.1.
Teilnehmende
Anlagen
44
7.2.
Ausnahmen
für
teilnehmende
Anlagen
44
7.3.
Pool-bildung
von
Anlagen
45
7.4.
Zuteilung
der
Zertifikate
45
7.5.
Kontrolle
und
Sanktionen
46
7.6.
Flexible
Mechanismen
47
7.7.
Banking und Borrowing
48
8.
Bewertung
des
zukünftigen
EU-Emissionshandels
48
8.1.
Allokationsschwierigkeiten
auf
der
Makroebene
48
8.2.
Allokationsschwierigkeiten
auf
der
Mikroebene
50
8.3.
Doppeleffekte
in
Deutschland
56
8.4.
Projektbasierte
Mechanismen 60
9.
Fazit
und
Ausblick 61
10.
Literatur
66
Schlusserklärung
73
A
BKÜRZUNGEN
IV
Abkürzungen:
AGE
Arbeitsgruppe Emissionshandel zur Bekämpfung des
Treibhauseffektes
BAU
Business
as
Usual
BDI
Bundesverband
der
Deutschen
Industrie
BMU
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit
BMWI
Bundesministerium
für
Wirtschaft
BSA
Burden
Sharing
Agreement
BUND
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
CDM
Clean
Development
Mechanism
CH
4
Methan
CO
2
Kohlendioxid
COP
Conferences
of
the
Parties
DIW
Deutsches
Institut
für
Wirtschaftsforschung
DNR
Deutscher
Naturschutzring
ECCP
European
Climate
Change
Programm
EEA
European
Environment
Agency
EEG
Erneuerbare-Energien-Gesetz
EH
Emissionshandel
EHS
Emissionshandelssystem
EU
Europäische
Union
EUP
EU-Parlament
FCKW
Fluorchlorkohlenwasserstoffe
GHG
Greenhouse
Gas
GuD
Gas-
und
Dampfkraftwerk
GUS
Gemeinschaft
unabhängiger
Staaten
GVK
Grenzvermeidungskosten
GWP
Global
Warming
Potential
IPCC
International Panel on Climate Change
JI
Joint
Implemetation
KP
Kyoto-Protokoll
KRK
Klimarahmenkonvention
KWK
Kraft-Wärme-Kopplung
N
2
O
Distickstoffoxid
NABU
Naturschutzbund
Deutschland
NAP
Nationaler
Allokationsplan
NGO
Non-govermental
Organization
NPÖ
Neue
Politische
Ökonomie
OECD
Organization for Economic Cooperation and
Development
OPEC
Organization of the Petrol Exporting Countries
ppmV
Parts per Million Volume
THG
Treibhausgas(e)
UBA
Umweltbundesamt
UN
United
Nations
VCI
Verband
der
Chemischen
Industrie
WWF
World Wide Fund for Nature
E
INLEITUNG
1
,,Auch im Klimaschutz fehlt es an Phantasie und Wagemut. Weltweit herrscht
lähmende Angst vor kurzfristigen Wettbewerbsnachteilen (...)
1
."
Wolfgang Roth, Süddeutsche Zeitung
1.
Einleitung
Mit der Einführung eines EU-weiten Handels mit CO
2
-Emissionsrechten für
ausgewählte Industriesektoren zum 1.1.2005 kommt ein in der ökonomischen
Literatur seit langem als wirksam und effizient eingestuftes Instrument, erstmals
international und großflächig zur Anwendung. Das ausgerechnet die Europäer
dieses ,,neue Zeitalter" internationaler umweltpolitischer Regulierung einläuten,
entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn anders als z.B. die USA, die 1997 den
Emissionshandel quasi zur conditio sine qua non für ihre eigene Teilnahme an
einem internationalen Klimaschutzregime machten, standen die Europäer einem
solchen Konzept zunächst sehr zurückhaltend gegenüber.
Die vorliegende Arbeit soll diesen erstaunlichen Sinneswandel und die ihn
begleitende Diskussion dokumentieren und bewerten. Dazu ist sie grob in zwei
Teile eingeteilt. Zu Beginn sollen zunächst naturwissenschaftliche und
ökonomische Grundlagen der ,,Klimaproblematik" kurz vorgestellt werden.
Anschließend soll eine Übersicht über den internationalen Prozess, der zum Kyoto-
Protokoll führte, gegeben werden. Dieses eigentliche Klimaschutzregime ist
insbesondere deshalb für die Entwicklung eines europäischen
Emissionshandelssystems wichtig, da sowohl die Reduktionsziele der einzelnen
Länder übernommen werden, als auch deren wahrscheinliche Nichterfüllung den
wichtigsten Auslöser für eine gemeinschaftliche Lösung darstellt.
Die Instrumentendiskussion ist in der umweltökonomischen Literatur bereits
ausführlich geführt worden und kann hier nur am Rande behandelt werden. Ganz
darauf verzichten möchte ich jedoch nicht, da die dargestellten Vorteile einer
Zertifikatslösung gegenüber Auflagen bzw. Abgabenlösung einen nicht
unerheblichen Anteil am beschlossenen Paradigmenwechsel in der EU-
Umweltpolitik gehabt haben dürften.
Zu Beginn des zweiten Teils wird eine Übersicht der bisherigen klimapolitischen
Maßnahmen in der EU und in den einzelnen Mitgliedsstaaten gegeben. Sowohl die
1
Zitiert in Sprinz: Internationale Klimapolitik, S.25
E
INLEITUNG
2
wenigen bisherigen gemeinschaftlichen, als auch die zahlreichen einzelstaatlichen
Maßnahmen konnten jedoch nicht verhindern, dass ohne zusätzliche Anstrengungen
die meisten EU-Staaten ihr ,,Kyotoziel" verfehlen würden. Nachdem die
Kommission, als Konsequenz aus dieser Erkenntnis, im Jahr 2000 erstmals ein
konkretes Konzept für einen europäischen Emissionshandel vorgelegt hatte,
entbrannte eine intensive europaweite Diskussion über das Für und Wider eines
solchen Ansatzes. Die Argumente der verschiedenen Akteure sollen vor allem
beispielhaft an der Diskussion in der Bundesrepublik verdeutlicht werden. Es wird
erkannt, dass die ökonomische Kritik an der Emissionshandelsrichtlinie sich, wie
bereits im Eingangszitat von Wolfgang Roth angedeutet, vor allem auf
Unternehmensbenachteiligungen im bestehenden Wettbewerb und auf
Mehrfachbelastungen mit bestehenden Instrumenten konzentriert. Auf die ebenfalls
häufiger geäußerte Ansicht der juristischen Unvereinbarkeit mit bestehendem
Recht
2
kann an dieser Stelle aus Platzgründen nicht näher eingegangen werden. Ich
erlaube mir aber die persönliche Bemerkung, dass es hierbei wohl eher um eine
grundsätzliche Ablehnung aller, den Status Quo verändernden Maßnahmen geht.
Anschließend werden dann die wesentlichen Regelungen der EU-Richtlinie
vorgestellt und bewertet. Im Gegensatz zur Richtlinie werden zur Zeit die
nationalen Allokationspläne noch ,,mit heißer Nadel gestrickt" und die Details, die
im Laufe der Anfertigung dieser Arbeit beinahe täglich ,,durchsickerten",
widersprachen sich zum Teil erheblich (z.B. in Sachen konkrete Teilnehmerzahl,
Basisjahr, Anfangsmenge der ausgegeben Lizenzen, Behandlung von Stilllegungen
etc) und konnten nur bedingt und nach dem derzeitigen Stand der Dinge,
berücksichtigt werden.
Trotz der Vielzahl der eventuell auftretenden Probleme, insbesondere durch
unterschiedliche Detailregelungen in den Mitgliedsstaaten, auf die im Folgenden
näher einzugehen ist, möchte ich schon zu Beginn meine positive Grundhaltung für
einen EU-Emissionshandel nicht verhehlen.
2
Vergl. z.B. Mehrbrey/Reuter: Der EU-Richtlinienvorschlag auf dem rechtlichen Prüfstand.
G
RUNDLAGEN
3
2. Grundlagen
2.1. Die Wissenschaft vom Klimawandel
Seit mehr als einhundert Jahren gibt es naturwissenschaftliche Erkenntnisse, dass
sich die Erdatmosphäre in ihrer Zusammensetzung verändern kann. Schon 1896
beschrieb der schwedische Wissenschaftler Arrhenius das Grundprinzip des
Treibhauseffekts
3
. Er fand heraus, dass die Sonnenstrahlung (in Form von
Infrarotstrahlung) von der Erdoberfläche reflektiert wird und u.a. aufgrund von in
der Atmosphäre vorhandenen Treibhausgasen (THG) nicht entweichen kann
4
.
Dieser natürliche Effekt bewirkt einen Anstieg der globalen
Durchschnittstemperatur von -19°C auf etwa 15°C.
5
Die zusätzliche Einbringung
von THG in die Atmosphäre im Zuge der industriellen und landwirtschaftlichen
Entwicklung erhöht deren Fähigkeit, infrarote Strahlung der Sonne zu absorbieren,
so dass weniger Wärme von der Erde in den Weltraum reflektiert wird als zuvor.
Dieser als anthropogener Treibhauseffekt bezeichnete Mechanismus wird kaum
mehr bezweifelt
6
. Des Weiteren gibt es ,,klarere Belege dafür, dass der Grossteil der
in den letzten 50 Jahren beobachteten Erwärmung menschlichen Aktivitäten
zuzuschreiben ist"
7
.
2.2. Die Treibhausgase
Obwohl die THG in absoluten Zahlen nur einen sehr geringen Anteil am Aufbau
der Atmosphäre haben (Die Atmosphäre besteht zu 99% aus Stickstoff und
Sauerstoff
8
), ist ihr Einfluss auf das Erdklima ungleich höher. Bei den THG handelt
es sich um globale Schadstoffe. Da sie nicht direkt negativ auf Mensch, Tier oder
Pflanzen wirken, entstehen keine regionalen Belastungszonen (sog. Hot spots).
Zu den vier wichtigsten THG zählen Kohlendioxid (CO
2
), Methan (CH
4
)
Fluorchlorkohlenwasserstoff (FCKW) und Distickstoffoxid (N
2
O, ,,Lachgas").
Während CO
2
mit ca. 55 Prozent der Absorption mengenmäßig das wichtigste THG
ist, spielen die anderen ebenfalls eine zentrale Rolle bei der Erwärmung der
Atmosphäre, da sie ergänzend jeweils andere Wellenlängen des infraroten
Spektrums absorbieren. Die einzelnen THG haben unterschiedliche Verweildauern
3
Arrhenius: Über den Einfluss des Atmosphärischen Kohlensäuregehalts auf die Temperatur der
Erdoberfläche, S.3 ff
4
Oberthür/Ott: Das Kyoto Protokoll, S.27
5
IPCC: Klimaänderung 2001 Wissenschaftliche Grundlagen, S.57
6
Rat der Sachverständigen für Umweltfragen. Umweltgutachten 2002, S.211
7
IPCC: Klimaänderung 2001 Wissenschaftliche Grundlagen, S.52
8
Loske: Klimapolitik, S.40
G
RUNDLAGEN
4
in der Atmosphäre und damit unterschiedliche Treibhauswirkungen (Global
warming potential, GWP), die in CO
2
-Äquivalente umgerechnet und damit normiert
werden können. Danach besitzt CH
4
etwa 20-mal (Anteil am anthropogenen
Treibhauseffekt: ca 15%), N
2
O etwa 200-mal (ca. 5%) und FCKW sogar 20.000-
mal (ca. 21%) die Absorptionskraft pro Molekül wie CO
2
9
. Bis auf FCKW sind alle
auch natürlich vorkommende THG. Da der höchste Anteil der THG-Emissionen auf
CO
2
entfällt, die Emissionen dieses Gases noch nicht bindend in internationalen
Protokollen geregelt sind (wie dies aufgrund des ,,Montrealer Protokolls zum
Schutz der Ozonschicht" für FCKW gilt) und sich die CO
2
-Emissionen leichter
messen oder hochrechnen lassen als die Emissionen anderer THG, werden häufig
lediglich die CO
2
-Emissionen betrachtet
10
.
Die atmosphärische CO
2
-Konzenration nimmt seit den Anfängen der industriellen
Revolution stetig und sich beschleunigend zu
11
. Ursache hierfür ist die Auflösung
der fossilen Kohlenstofflager durch zunehmende Nutzung der fossilen
Energiereserven insbesondere Kohle, Erdöl und Erdgas für industrielle Prozesse,
Wohn- und Heizzwecke, zur Elektrizitätserzeugung und im Verkehrssektor. In den
letzten Jahrzehnten trug auch eine verstärkte Abholzung der tropischen
Regenwälder zum Anstieg des atmosphärischen CO
2
-Gehalts bei
12
; wobei es jedoch
umstritten ist, ob der direkte Eintrag in die Atmosphäre (durch vor allem
Brandrodung) oder aber der Verlust der Senkenkapazität schwerer wiegen.
Es gibt bisher keine umfassende Rückhaltetechnik zu vertretbaren Kosten (derzeit
diskutierte Filter/Deponierungstechniken stehen erst am Anfang ihrer Entwicklung)
und damit keine relativ einfache technische Lösung. Eine Reduzierung von CO
2
ist
bisher nur durch Effizienzsteigerungen, d.h. über die Substitution durch Kapital
(z.B. durch Energieeinsparung, bessere Wärmedämmung oder Motorentechnik)
bzw. durch die Substitution von kohlenstoffreichen durch kohlenstoffärmere oder
freie Energieträger möglich
13
. Bezüglich des Kohlenstoffgehalts sind Braun- und
Steinkohle Mineralöl und Erdgas unterlegen. In diesem Punkt sind die
kohlenstofffreien Energiequellen Kernenergie und regenerative Energiequellen
allen fossilen Energieträgern überlegen.
9
Rotte: Global Warming, nationale Sicherheit und internationale politische Ökonomie, S.8
10
Henrichs: Die Implementierung der Kyoto-Mechanismen, S.3
11
Der CO
2
-Anteil in der Atmosphäre betrug um 1800 etwa 280 ppmv (280 Teile auf eine Millionen
pro Volumeneinheit. Heute werden 375 ppmv erreicht. Bei einem Einfieren der CO
2
-Emissionsrate
auf dem Stand von 1990 wird für das Jahr 2050 mit 450ppmv und für 2100 mit 520 ppmv
gerechnet. (Enquete-Komission 1991, zitiert in: Heister, S.16)
12
Heister: Der internationale CO
2
-Vertrag, S.16
13
Hillebrand et al.: Zertifikatehandel für CO2-Emissionen auf dem Prüfstand, S.13
G
RUNDLAGEN
5
2.3. Auswirkungen der Klimaerwärmung
Die Klimaforschung, insbesondere die Klimawirkungsforschung, ist eine
ausgesprochen komplexe Disziplin. Die zahlreichen klimabeeinflussenden Faktoren
sind stark interdependent. Unter anderem müssen die Wechselwirkungen zwischen
Klima und Biosphäre (Vegetation, Ozeane etc.) erfasst werden
14
. Die Klimamodelle
können nur Teile des Gesamtzusammenhangs simulieren, lassen aber dennoch
einige ziemlich gesicherte und plausible Hypothesen über eine Klimaerwärmung
und ihre wahrscheinlichen Auswirkungen zu. Das Intergovernmental Panel on
Climate Change (IPCC) kommt in seinem jüngsten Bericht unter anderem zu dem
Schluss, dass die mittlere globale Erdoberflächentemperatur im 20. Jahrhundert um
0.6 ± 0.2ºC gestiegen ist. Und weiter heißt es: ,,Die Modellrechnungen sagen für die
Periode 1990 bis 2100 (...) eine Erwärmung der mittleren globalen Temperatur der
Erdoberfläche um 1.4 bis 5.8ºC und einen Anstieg des global gemittelten
Meeresspiegels von 0.09 bis 0.88m voraus. Die Projektionen deuten an, dass die
Erwärmung von Region zu Region schwankt und sich beträchtliche Veränderungen
der Niederschlagsverteilung ergeben werden."
15
In der gängigen Literatur werden
weitere Auswirkungen für wahrscheinlich gehalten
16
:
Obwohl regionale Wirkungsschätzungen besonders unsicher sind, lässt sich schon
sagen, dass einige Länder durch die Klimaveränderungen stärker negativ betroffen
sind als andere. Von den Folgen einer weltweiten Klimaveränderung dürften einige
wenige Staaten und in ihnen einige wenige Branchen profitieren: So wird mit
14
Altmann: Umweltpolitik, S.25
15
IPCC: Klimaänderung 2001 Auswirkungen, Anpassung und Anfälligkeit, S.62
16
in Anlehnung an Altman: Umweltpolitik, S.25-27
· In nördlichen Breiten werden bei trockeneren Sommern die Niederschläge im
Winter zunehmen. Die üblichen kontinentalen Kältehochs, die die typischen
winterlichen Sturmtiefs abblocken, werden abgebaut. Damit dürfte die Intensität
von Stürmen und das Ausmaß von Überschwemmungen zunehmen.
· In südlicheren Breiten werden die Niederschläge vermutlich abnehmen und zu
vermehrter Wasserknappheit und Dürren führen.
· Durch den steigenden Meeresspiegel werden Küstenregionen und Inseln
überschwemmt werden, Trinkwasserreservoirs werden versalzen. Besonders
betroffene Länder sind die Malediven, Indonesien, Mosambik u.a.
· Die Biodiversität von Flora und Fauna wird negativ betroffen sein, da viele
Arten nicht in der Lage sein werden, sich den Veränderungen rechtzeitig
anzupassen. Andere Arten z.B. Mikroorganismen wie Bakterien und Viren
könnten Krankheiten wie Malaria auch in den Norden verbreiten.
G
RUNDLAGEN
6
,,potenziell wachsenden Ernteerträgen in einigen Regionen der mittleren Breiten
17
"
gerechnet
18
.
Mit Blick auf die o.a. Szenarien werden unter den Verlierern vor allem die heutigen
Entwicklungsländer des Südens sein. Über die sich aus diesen Veränderungen
resultierenden politischen und sozialen Probleme und Konflikte lässt sich nur
spekulieren. So ist u.a. eine Zunahme von Bevölkerungswanderungen und
Flüchtlingsströmen wahrscheinlich.
Allgemein wird erwartet, ,,dass durch die Klimaänderung weit mehr Menschen
geschädigt als begünstigt werden, selbst bei einem Anstieg der mittleren globalen
Temperatur von weniger als ein paar ºC"
19
.
2.4. Die Klimaproblematik aus ökonomischer Sicht
Das zu produzierende Gut, nämlich eine Erdatmosphäre mit einer verlangsamten
Anreicherung an THG, ist ein öffentliches Gut für die zukünftig lebende
Menschheit. Mit öffentlichen Gütern verbinden sich vor allem zwei Probleme:
Probleme der Bereitstellung und Probleme der Übernutzung.
Bereitstellungsprobleme ergeben sich, weil bei Nichtanwendung des
Ausschlussprinzips (open access) nicht nur diejenigen in den Genuss der Erhaltung
oder Verbesserung von Umweltqualität kommen, die sich an den Kosten der
Bereitstellung beteiligen, sondern auch diejenigen, die einen Kostenbeitrag als
Trittbrettfahrer verweigern
20
. Mit Ausnahme weniger Großemittenten wie den USA
(25%) oder China (13,5%) kann praktisch jedes Land darauf verweisen, dass seine
Emissionen im Vergleich zum globalen Gesamtwert zu unbedeutend, deshalb
nationale Anstrengungen wenig sinnvoll seien und so eine Außenseiter- bzw.
Trittbrettfahrerposition einnehmen. Deshalb können im Falle der Klimaproblematik
nur vertragliche Übereinkommen, optimalerweise aller Staaten, die erforderliche
gemeinsame Einigung entsprechend regeln.
Übernutzungsprobleme treten bei Marktversagen auf. Die Funktionsfähigkeit von
Märkten hängt wesentlich davon ab, inwiefern die am Wirtschaftsprozess
beteiligten Akteure mit den gesamten Folgen ihres wirtschaftlichen Verhaltens
17
IPCC: Klimaänderung 2001 Auswirkungen, Anpassung und Anfälligkeit, S.65
18
,,Für Deutschland rechnen Experten u.a. mit günstigeren Reifungsbedingungen in nördlich
gelegenen Weinanbaugebieten." Amrhein: Je wärmer desto besser Deutsche Weinbauern
profitieren vom Klimawandel, S.10
19
IPCC: Klimaänderung 2001 Auswirkungen, Anpassung und Anfälligkeit, S.68
20
Krol/Schmid: Volkswirtschaftslehre, S.441
G
RUNDLAGEN
7
konfrontiert werden
21
. Dies ist im Falle der Klimaproblematik eindeutig nicht der
Fall. Ein Teil der gesamtwirtschaftlich entstehenden Kosten wird von den
Industrieländern (die historisch etwa für 84% der CO
2
-Emissionen verantwortlich
sind
22
) auf die Allgemeinheit, die besonders betroffenen südlichen
Entwicklungsländer (s.o.) und auf zukünftige Generationen abgewälzt.
Die politisch also
durchaus gerechtfertigte
Unterteilung in
Industrieländer und
Entwicklungsländer ist
aus ökonomischer Sicht
problematisch und führt
zu einem klassischen
Gefangenendilemma. In
Darstellung 1 haben
beide Ländergruppen die
Wahl in Sachen CO
2
-
Emissionen zu
kooperieren oder nicht zu
kooperieren.
Entsprechend korrespondieren die vier Quadranten mit vier möglichen strategischen
Kombinationen. Die Zahlen in den Ecken repräsentieren den entsprechenden
Nutzen in jedem Fall (4>3>2>1), unten links für die Industrieländer und oben rechts
für die Entwicklungsländer. In einer Welt ohne Klimaabkommen befinden sich
beide Gruppen im ersten Quadrant, da noch keine Reduktionen erbracht werden.
Dort ist der entsprechende Nutzen für beide Staatengruppen zwar gleichgroß (2+2),
jedoch insgesamt geringer als bei jeder anderen Strategie (4<5<6). Ziel eines
weltweiten Abkommens muss nun das Feld drei sein, da dort der Nutzen maximal
und wiederum für beide Staatengruppen gleich groß ist (3+3), also beide durch
Kooperation besser gestellt werden. Noch vorteilhafter ist es für eine Ländergruppe
jedoch, wenn es ihr gelingt, den Nutzen durch eine Atmosphäre mit einer
geringeren CO2-Belastung einzustreichen, ohne sich an den Kosten zu beteiligen.
21
Krol/Schmid: Volkswirtschaftslehre, S.441
22
Nakicenovic: GHG Emissions and Reduction Targets from a Historical Perspective, S.6
1
4
1
4
2
2
3
3
Industrieländer
Entwicklungsländer
Keine Kooperation (N)
Kooperation (K)
K
K
N
N
Quelle: Pies/Schröder: Consequences of Global
Warming.
Darstellung 1: Die politische Verhandlungssituation
Das Gefangenendilemma
I
NTERNATIONALE
K
LIMASCHUTZPOLITIK
8
Während diese Ländergruppe dann eine typische Trittbrettfahrerposition einnimmt,
kommt die andere Gruppe alleine für die Bereitstellungskosten auf und nimmt somit
die denkbar schlechteste Position (Feld 2 oder 4) ein.
Betrachtet man die Interessenlagen der einzelnen Staaten wie etwa
Entwicklungsländer mit niedrigem Sozialprodukt pro Kopf aber hohen
Wachstumszielsetzungen, Länder mit hohen Vorräten an kostengünstig zu
fördernden fossilen Brennstoffen, Länder mit bereits effizienten gegenüber solchen
mit ineffizienten Energiesystemen oder Länder mit hohen Kosten bei bereits
mäßigen Veränderungen (z.B. Überflutung bei nur leichtem Anstieg des
Meeresspiegels) gegenüber solchen mit einem potenziellen Nutzen, dann wird
deutlich, dass sehr unterschiedliche Dringlichkeiten für Klimaschutzmaßnahmen
gesehen werden bzw. sehr unterschiedliche Bereitschaften auf eine Strategie mit
verringertem Einsatz fossiler Energieträger umzuschalten, vorhanden sind. Deshalb
war und ist nach wie vor die erforderliche internationale Übereinkunft hart
umkämpft.
3.
Internationale Klimaschutzpolitik
Mit der Verdichtung der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse setzten Versuche
ein, einen internationalen Verhandlungsprozess anzustoßen, um ein völkerrechtlich
verbindliches Regime zur Bekämpfung des Treibhauseffekts zu entwickeln und
weltweit wirksam durchzusetzen. Diese Anstrengungen mündeten in der
Formulierung der Klimarahmenkonvention (KRK), die 1992 auf dem
,,Umweltgipfel" von Rio de Janeiro zur Zeichnung auslag und im April 1994 für
164 Vertragstaaten in Kraft trat.
3.1. Die Klimarahmenkonvention
Die KRK bildet den völkerrechtlichen Rahmen für international abgestimmte
Klimaschutzaktivitäten. Zwar enthält sie noch keine quantifizierbaren
Klimaschutzziele, formuliert aber bereits qualitativ anspruchsvoll
23
, dass ihr Ziel
darin bestehe, ,,die Stabilisierung der THG-Konzentrationen in der Atmosphäre auf
einem Niveau zu erreichen, auf dem eine gefährliche anthropogene Störung des
23
Schafhausen: Kohlendioxid zu verkaufen, S.172
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Klimasystems verhindert wird"
24
. Inhaltlich wurde neben Regeln prozeduraler Art
vor allem ein Informationssystem geschaffen, das den Regierungen auferlegt,
regelmäßig über ihre nationalen Strategien in Sachen Treibhausgasemissionen und
Klimawandel zu berichten.
25
. Mit dem Hinweis auf die ,,gemeinsame, aber
differenzierte Verantwortung"
26
baute die KRK eine Brücke zwischen den
Entwicklungsstaaten, die mit 75% der Weltbevölkerung lediglich 28% der THG
emittieren
27
und den Industriestaaten, die nach wie vor die Hauptverantwortung
tragen. Zunächst wurden 40 westliche und östliche Industrieländer (in Anhang I zur
Konvention aufgelistet und danach Annex-I-Länder genannt) aufgefordert, auf
nationaler Ebene dafür zu sorgen, ihre THG-Emissionen bis zum Jahr 2000 auf das
Niveau von 1990 zu reduzieren. Rückblickend kann festgestellt werden, dass die
Völkergemeinschaft dieses Ziel nahezu erreicht hat. Im Jahr 2000 lagen die CO
2
-
Emissionen der Annex-I-Länder um 1,1 Prozent über dem Niveau von 1990
28
. Von
einem Erfolg der internationalen Klimapolitik lässt sich dennoch nur schwerlich
sprechen, da die ,,CO
2
-Einsparungen" zum Großteil auf das Konto des
Wirtschaftsraums Osteuropa gehen, der in dieser Zeit große Produktionsrückgänge
und damit verbundene rückläufige Emissionen zu verbuchen hatte.
Die KRK war nur der Startpunkt langwieriger Klimaschutzverhandlungen.
Insbesondere drei Aspekte mussten auf den nachfolgenden
Vertragsstaatenkonferenzen (Conferences of the parties, COP) entschieden
werden
29
:
24
Vereinte Nationen: KRK - Art.2
25
UNICBONN: Über die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen.
26
Vereinte Nationen: KRK - Präambel
27
Nakicenovic: GHG Emissions and Reduction Targets from a Historical Perspective, S.6
28
Voss: Klimapolitik und Emissionshandel, S.9
29
in Anlehnung an Henrichs: Die Implementierung der Kyoto-Mechanismen, S.27
· Wie sollen die Ziele konkret ausgestaltet werden, d.h. welche Staaten sollen in
welchem Umfang ihre THG-Emissionen reduzieren?
· Sollen die Emissionsreduktionen national oder gemeinsam angegangen
werden?
· Mit welchen ökonomischen Instrumenten sollen die in der KRK vereinbarten
Ziele angegangen werden?
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3.2. Das Kyoto-Protokoll
Mit der Verabschiedung der KRK 1992 wurde der organisatorische Rahmen sowie
die Schrittfolge
des inter-
nationalen
Verhandlungs-
prozesses zum
Klimaschutz
festgelegt. Ent-
scheidend für
die Umsetzung
der Konvention
waren und sind
die Konferenzen
der
Vertragsstaaten von denen inzwischen neun Treffen stattgefunden haben. 1995
erteilte COP-1 in Berlin das Berliner Mandat, das die Verhandlungen eines für alle
Vertragsstaaten verbindlichen Protokolls zur Verminderung von Treibhausgasen in
Auftrag gab. Nach einer erfolglosen COP-2 in Genf kam es auf COP-3 in Kyoto zur
Verabschiedung des Kyoto-Protokolls (KP). Darin sagen die OECD-Staaten und die
osteuropäischen Länder spezifische Reduktionsziele für die Emission von
Treibhausgasen zu (Art. 3 S.1 KP). Die unterschiedliche Belastung der westlichen
und östlichen Industriestaaten
30
liegt zum einen in der bisherigen Nutzung der
Atmosphäre als Emissionsdeponie, zum anderen in unterschiedlichem Interesse und
Verhandlungsgeschick begründet.
Die EU-Mitgliedsstaaten, die mit einer Stimme verhandelten und damit ein bubble
bildeten, verpflichten sich, dass der Durchschnitt ihrer Emissionen der Jahre 2008-
2012 um 8% unter denen des Jahres 1990 liegen soll. Die USA sagen eine
Reduktion um 7% zu, Japan um 6%, andere Staaten sollen ihre Emissionen
geringfügiger reduzieren, stabil halten oder geringfügig ausweiten dürfen
(Darstellung 2). Insgesamt wird angestrebt die Annex-B-weiten Emissionen im
genannten Zeitraum um 5% (Basisjahr 1990) zu senken. Da sich die Reduktion auf
30
Die Annex-B-Länder waren zunächst weitgehend identisch mit den Annex-I-Ländern aus der
KRK, allerdings fehlen die Türkei und Weißrussland.
EU
USA
Kanada
Japan
Australien
Russland
Ukraine
Restl. Osteuropa
Annex-B-Länder
Kyoto-Ziel
-5
-7
0
0
8
-6
-6
-7
-8
Zielerfüllung 1999
-6,9
-34
-51
-35
15,4
5,7
15,1
11,7
-3,5
Darstellung 2: Kyoto-Ziele und Erfüllung
Quelle: Max Planck Institut für Plasmaphysik
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CO
2
-äquivalente Emissionen bezieht
31
, bleibt es jedem Staat überlassen, welches
THG in welcher Höhe reduziert wird. Auch der zeitliche Reduktionsverlauf bleibt
offen, auch wenn bis 2005 ein deutlicher Fortschritt im Klimaschutz erkennbar sein
soll.
Völkerrechtlich verbindlich werden die Minderungsverpflichtungen, wenn das
Protokoll von 55 Ländern ratifiziert wird und die Emissionen der Annex-B-Staaten,
in denen das Protokoll ratifiziert wurde, mindestens 55% der Gesamtemissionen
dieser Staatengruppe im Basisjahr ausmachen.
Die Tatsache, dass die EU mit einer Stimme auftrat und die
Reduktionsverpflichtung von 8% innerhalb ihres bubbles in einem Burden-Sharing-
Agreement (BSA) eigenverantwortlich neu aufteilte, sorgte dafür, dass die USA zur
Verringerung ihrer Vermeidungskosten das gesetzte Reduktionsziel ebenfalls in
einem bubble umsetzen wollte. Bei dieser Überlegung spielten Russland und die
Ukraine eine besondere Rolle, da ihre Emissionen aufgrund des deutlichen
Produktionsrückgangs deutlich unter denen von 1990 liegen und innerhalb eines
gemeinsamen bubbles die USA ihre eigenen Emissionen kaum verringern müssten.
Diese bereits vollzogene, produktionsbedingte Emissionsreduktion, die mit
keinerlei Vermeidungsanstrengung verbunden ist, wird Hot Air genannt
32
.
Im Zuge der Verhandlungen formte sich die Umbrella Group, der neben den USA
und der GUS auch Japan, Australien, Neuseeland, Kanada, Norwegen und Island
angehörten. Vor allem die amerikanische Regierung hat sich bis zu ihrem Rückzug
aus dem KP in den Verhandlungen zu dessen Ausgestaltung dafür eingesetzt, dass
die Kyoto-Ziele auch vollständig mit Hilfe ,,flexibler Mechanismen" umgesetzt
werden können. Diese Mechanismen sollen den Vertragsparteien die Möglichkeit
bieten, ihre Emissionsverpflichtungen durch Projekte im Ausland oder durch den
Ankauf von Emissionszertifikaten aus anderen Vertragsstaaten zu erfüllen. Bei den
,,flexiblen Mechanismen" nach dem KP ist zwischen projektbezogenen
Mechanismen und Emissionshandel zu unterscheiden. Die projektbezogenen
Mechanismen stellen gewissermaßen eine Vorstufe eines allgemeinen
Emissionshandels dar und ergänzen das eigentliche Handelssystem.
31
Vereinte Nationen: KP - Artikel 4 Satz 1
32
Smajgl: Klimapolitische Verhandlungsergebnisse auf UN-Ebene, S.5
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3.2.1.
Projektbezogene Mechanismen
Das Konzept dieser Mechanismen hat zum Ziel, dass die zur Verfügung stehenden
Investitionsmittel für solche Projekte eingesetzt werden, bei denen sich die größten
Emissionsminderungen erzielen lassen, auch wenn sich diese Projekte nicht im
eigenen Land befinden. Unterschieden wird zwischen:
In beiden Fällen geht es um konkrete Investitionen, etwa um den Bau einer
Windkraftanlage oder um die Erhöhung des Wirkungsgrades eines bestehenden
Kraftwerkes. Prinzipiell kommen alle Arten von Projekten, die
Emissionsreduktionen erbringen, als JI- oder CDM-Projekte in Frage.
Ausgenommen ist allerdings die Umstellung der Stromerzeugung auf CO
2
-freie
Atomenergie.
Der Unterschied zwischen JI und CDM ist regionaler Art. JI betrifft die Staaten, die
im Rahmen des KP eine Emissionsbegrenzungsverpflichtung übernommen haben.
Es geht also um Investitionen in den Annex-B-Ländern, wobei die
Transformationsländer Osteuropas im Vordergrund stehen dürften. Dagegen geht es
bei den CDM-Projekten um Vorhaben in Entwicklungsländern, die von den Annex-
B-Ländern durchgeführt werden. Die erzielten Einsparungen werden in beiden
Fällen dem Emissionskonto des industriellen Investorlandes gutgeschrieben.
Die Administration dieser Mechanismen gibt allerdings einige Probleme auf, weil
die genaue Bestimmung der durch die Projekte erzielten Emissionsreduktionen
schwierig ist. So muss letztendlich berechnet werden, welche Emissionen es
gegeben hätte, wenn diese Projekte nicht stattgefunden hätten. Inzwischen wurde
ein Exekutivrat für JI- und ein weiteres Gremium für CDM-Projekte beauftragt,
Methoden für die Bestimmung der Ausgangsemissionen, Überprüfungspläne und
Projektgrenzen zu entwickeln. Der offizielle Startpunkt für CDM-Projekte, die auch
rückwirkend anerkannt werden können, war der 1.1.2000.
3.2.2.
Emissionshandel
Das Kyoto-Protokoll regelt in Art. 17 den internationalen Emissionshandel ab der
ersten Verpflichtungsperiode des Protokolls 2008 bis 2012. In den Emissionshandel
· Joint Implementation (JI) nach Art. 6 KP
und
· Clean Development Mechanism (CDM) nach Art. 12 KP
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können vier Arten von Gutschriften oder Zertifikaten aus Emissionsminderungen
einbezogen werden
33
: Assigned Amount unit (AAU), Emission reduction unit
(ERU), Certified emission reduction (CER) und Removal Unit (RMU). Die
unterschiedliche Herkunft dieser ,,Währungen" und deren Eigenschaften soll die
folgende Übersicht verdeutlichen:
Die Vertragsstaaten dürfen die vier genannten Emissionsrechte untereinander
handeln. Um einen theoretisch möglichen ungedeckten Verkauf von
Emissionsrechten zu verhindern, ist jeder Vertragsstatt verpflichtet Emissionsrechte
in einem bestimmten Umfang zurückzuhalten (Commitment Period Reserve, CPR).
Verletzt eine Vertragspartei diese Grenze, so darf sie solange keine Emissionsrechte
mehr verkaufen, bis die erforderliche Mindestmenge wieder hergestellt ist
34
.
Während, wie oben erwähnt, die Teilmengenbildung durch die Unterteilung in
Industrie- und Entwicklungsländer die ökonomische Hauptproblematik darstellt,
sind die flexiblen Kyoto-Mechanismen die Möglichkeit für die verpflichteten
Staaten, die inhärenten Wettbewerbsverzerrungen abzuschwächen
35
. Wenn man
sich vor Augen hält, wie das Protokoll von Kyoto letztlich zustande kam, nämlich
nach einem Verhandlungsmarathon (Tansanias Diplomat Mwandosya sprach von
,,Verhandlung durch Erschöpfung"
36
), Blockierversuchen (u.a. durch die OPEC-
Länder) und den zwar pragmatischen aber politisch umstrittenen Entscheidungen
des Konferenzvorsitzenden Estradas bezüglich des Bestehens von Konsens bei den
33
Hillebrand et al: Zertifikatehandel für CO2-Emissionen auf dem Prüfstand, S.20/21
34
Schafhausen: Der Kampf um die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls in Marrakesch, S.91
35
Smajgl: Modellierung von Klimaschutzpolitik, S.10
36
Zitiert in: Oberthür/Ott: Das Kyoto-Protokoll, S.129
Einheiten
Banking
Start
AAU
(emissionsbezogen)
ERU
(projektbezogen)
CER
(projektbezogen)
RMU
(emissionsbezogen)
2,5% der
Gesamt-
menge mögl.
Handel mit den im KP zugeteilten
Emissionsrechten zwischen Annex-B-Ländern
Projekte zwischen zwei Annex-B-Ländern
2008
Projekte die von einem Annex-B-Land in
einem Entwicklungsland durchgeführt werden
Prozess oder Aktivität durch die der
Atmosphäre THG enzogen werden
nicht möglich
zum 1.1.2000
anrechenbar
(außer
Senken)
ab 2008
anrechenbar
2008
Inhalt
unbeschränkt
möglich
2,5% der
Gesamt-
menge mögl.
Darstellung 3: Die ,,Währungen" des Emissionshandels nach dem Kyoto-Protokoll
Quelle: eigene Darstellung
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2004
- ISBN (eBook)
- 9783832481155
- ISBN (Paperback)
- 9783838681153
- Dateigröße
- 619 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Universität Münster – Sozialwissenschaften
- Note
- 1,3
- Schlagworte
- umweltpolitik umweltökonomie zertifikate klimaschutz klimapolitik
- Produktsicherheit
- Diplom.de