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Der Stellenwert und die Entwicklung der Spiele in der Antike

©2004 Magisterarbeit 178 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Der Titel verrät, dass sich die Arbeit mit den antiken Spielen und deren Entwicklung befasst.
Es handelt sich hierbei um die antiken römischen und griechischen Feste. Bei Griechenland werde ich mich aber hauptsächlich auf die Olympischen Spiele beschränken, da ich von ihnen das meiste Quellenmaterial vorliegen habe. Falls ich einen Sachverhalt auf andere griechische Spiele beziehen werde, werde ich dies im Text erwähnen. Ich möchte auch hier bemerken, dass ich in meiner Arbeit den modernen Begriff „Sport“ für die antiken Spiele benutzen werde.
Meine Arbeit beginnt damit, dass ich die verschiedensten Bedeutungen der Spiele untersuchen werde. Bei den römischen Spielen werde ich mich näher mit den Gladiatoren- kämpfen, den Wagenrennen und den athletischen Wettkämpfen auseinandersetzen. Bei Griechenland werde ich, wie gesagt, hauptsächlich die Olympischen Spiele näher betrachten.
Eine Behandlung der genauen Inhalte der Spiele, das Beschreiben der einzelnen Sportarten, das Erläutern der bestehenden Regeln und weiterer Bestimmungen oder Erklärungen, z. B. wie damals ein Training durchgeführt wurde, darin sehe ich nicht mein Ziel. Ich finde, dass diese Thematik bisher sehr ausführlich genug behandelt wurde und gehe daher nicht auf diese Sachverhalte ein.
Bei diesem ersten Kapitel, dass sich mit den verschiedensten Sportbedeutungen beschäftigt, werde ich eine Trennung zwischen Römern und Griechen vornehmen. Ich betrachte diese beiden Völker getrennt voneinander. Bei den Griechen bewege ich mich hauptsächlich in der Zeitspanne von den ersten Olympischen Spielen (776 v. Chr) bis zum Beginn der Eroberungsfeldzüge Roms (~ 200 v. Chr.) und auf römischer Seite in dem Zeitraum ab 300 v. Chr. bis 400 n. Chr.
Es wird hauptsächlich darum gehen, näher zu betrachten, auf wie viele Bereiche des alltäglichen Lebens die Spiele ihren Einfluss hatten. Welche Bedeutungen hatten sie auf römischer Seite für die Kaiser oder welche Wichtigkeit hatten sie für beide Mittelmeervölker in Hinblick auf die führende Oberschicht und für das „gewöhnliche“ Volk.
Nachfolgend zeige ich auf, dass damals von allen möglichen Seiten viel Kritik an den Spielen geübt wurde. Aber ging es bei dieser Kritik um das Wohl der Akteure, kamen humanistische Gefühle auf oder ging es eher um egoistische Ziele? Auch möchte ich in diesem Kapitel die Kritik der Neuzeit behandeln, wie es zu dem Bild der „heiligen ehrenhaften“ Spiele in Griechenland und zu den „dekadenten“ […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8111
Knebel, Nicole: Der Stellenwert und die Entwicklung der Spiele in der Antike
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Magisterarbeit, 2004
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http://www.diplom.de, Hamburg 2004
Printed in Germany

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Für Bebei

Mein Dank gilt all denen, die zum Entstehen dieser Arbeit in der einen oder anderen Form
beigetragen haben.
Insbesondere möchte ich mich ganz besonders herzlich bei Prof. Dr. Hermann Rieder für die
Übernahme und Betreuung dieser Arbeit bedanken, er stand mir auch immer mit fachlichem
Rat zur Seite.
Außerdem möchte ich mich noch herzlichst bei cand. arch. Christian Fleckenstein bedanken,
der mit mir zahlreiche Diskussionen führte und alle Exkursionen zu den antiken
Ausgrabungsorten mitgemacht hat, auch wenn er zum Schluß keine ,,Römischen Reste" mehr
sehen konnte.
Ein Dankeschön geht auch an Dr. Alexander Woll. Der mir zum Ende hin sehr geholfen hat,
gewisse Punkte in der Arbeit zu überdenken und wertvolle Tipps gab.
Einen weiteren Dank geht an Rolf Günther M. A., der mir sozusagen ,,in letzter Minute" half.
Auch danke ich Frau Dipl. Ing. Dorothea Roos, dass ich an Ihrem baugeschichtlichen Seminar
,,Architektur für Sport und Spiele" an der Fakultät für Architektur an der Universität
Karlsruhe teilnehmen durfte und Dr. Gerhard Horsmann, der mir einige Fragen per e-Mail
näher zu erläutern versuchte.
Ein weiteres Dankeschön geht an Herrn Ehlers vom Institut für Sportgeschichte Baden-
Württemberg e.V., der mir Hilfen zur formalen Gestaltung gab und auch immer wieder
Verständnis hatte, wenn ich doch noch etwas mehr Zeit brauchte.
Schließlich möchte ich mich noch bei meiner Mutter und Sylvia Winter für die Fotos aus
Griechenland bedanken.
Zum Schluß geht mein Dank noch an all diejenigen, die mich während meiner Studienzeit
unterstützt und begleitet haben.

Vorwort
Warum habe ich mich für eine Magisterarbeit im Bereich Sportgeschichte entschieden?
Das Interesse an Geschichte und besonders an der antiken Zeit veranlasste mich dazu.
Ich wollte genauer wissen, wie die Menschen zu jener Zeit gelebt haben und mich nicht mehr
mit dem meist oberflächlich gezeichneten Bild der Medien zufrieden geben.
Während meiner Recherchen begeisterte mich dieses Thema immer mehr und die antiken
Orte selbst live zu erleben, war einer meiner Wünsche. Im Nachhinein kann ich sagen, es ist
mir gelungen einiges zu sehen aber natürlich nicht alles. Leider war es mir auch nicht möglich
Griechenland zu bereisen und so fanden meine Exkursionen zu verschiedenen Gebieten in
Deutschland und Italien statt.
Im Sommer 2002 hatte ich einen sechswöchigen Aufenthalt in Italien, genauer in Kalabrien.
Auf meinem Plan stand als erstes Pompeji. Es war unglaublich faszinierend und sehr schwer
zu realisieren, dass dort vor über 2000 Jahren Menschen gelebt haben.
Kalabrien ist insofern sehr interessant, da noch einige griechische Reste übrig sind aus der
Zeit der griechischen Besiedlung.
Über Neujahr 2002/2003 besuchte ich Trier, leider regnete es bei diesem einwöchigen
Aufenthalt jeden Tag, trotzdem ließ ich es mir nicht nehmen alle wichtigen antiken,
römischen Plätze zu besuchen.
Im folgenden Sommer verbrachte ich eine Woche in Rom, eine Woche in der südlichen
Toskana, mit ihren vielen etruskische Gräbern, und eine Woche in der nördlichen Toskana in
der Nähe von Florenz. Jedes dieser Gebiete hatte etwas in Bezug auf Antike zu bieten.
Diese zahlreichen Unternehmungen haben mir sehr dabei geholfen, mich intensiver mit
meinem Thema auseinander zusetzen und gleichzeitig war es viel motivierender über
Tatbestände zu schreiben, die an Orte stattfanden, bei denen man teilweise schon dort war und
sie selbst gesehen hat. Ich hoffe, ich kann durch diese Arbeit etwas von meiner Begeisterung
für die antike Geschichte übermitteln.

Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1.
Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
1.1
Die Bedeutungen der griechischen Spiele
1.1.1
Die militärische Bedeutung der Spiele
1.1.2
Die Bedeutung der Spiele als Erziehungsbestandteil
1.1.3
Die religiöse Bedeutung der Spiele
1.1.4
Die Bedeutungen der Spiele für die Bevölkerung
1.1.5
Die politische und wirtschaftliche Bedeutung der Spiele
1.2
Die Bedeutungen der römischen Spiele
1.2.1
Die militärische Bedeutung der Spiele
1.2.2
Die Bedeutung der Spiele als Erziehungsbestandteil
1.2.3
Die religiöse Bedeutung der Spiele
1.2.4
Die Bedeutungen der Spiele für das Römische Volk
1.2.4.1 Die Bedeutungen der Spiele für die Bevölkerung
1.2.4.2 Die Bedeutungen der Spiele für die Kaiser
1.2.5
Die politische Bedeutung der Spiele
1.3
Zusammenfassung
2.
Die Kritik an den Spielen
2.1
Die Kritik an den Griechischen Spielen
2.2
Die Kritik an den Römischen Spielen
2.3
Die Kritik der Neuzeit an den Spielen
2.4
Zusammenfassung

Inhaltsverzeichnis
3.
Der Einfluß Roms auf die Olympischen Spiele
Verstrickung Rom ­ Griechenland
4.
Der Untergang der Spiele
4.1
Der Untergang der Olympischen Spiele
4.2
Der Untergang der Römischen Spiele
4.3
Zusammenfassung
5.
Bezug zu Heute
6.
Zusammenfassung
7.
Literaturverzeichnis
8.
Abbildungsverzeichnis

1
Einleitung
Einleitung
Der Titel verrät, dass sich die Arbeit mit den antiken Spielen und deren Entwicklung befasst.
Es handelt sich hierbei um die antiken römischen und griechischen Feste. Bei Griechenland
werde ich mich aber hauptsächlich auf die Olympischen Spiele beschränken, da ich von ihnen
das meiste Quellenmaterial vorliegen habe. Falls ich einen Sachverhalt auf andere griechische
Spiele beziehen werde, werde ich dies im Text erwähnen. Ich möchte auch hier bemerken,
dass ich in meiner Arbeit den modernen Begriff ,,Sport" für die antiken Spiele benutzen wer-
de.
Meine Arbeit beginnt damit, dass ich die verschiedensten Bedeutungen der Spiele untersu-
chen werde. Bei den römischen Spielen werde ich mich näher mit den Gladiatoren- kämpfen,
den Wagenrennen und den athletischen Wettkämpfen auseinandersetzen. Bei Griechenland
werde ich, wie gesagt, hauptsächlich die Olympischen Spiele näher betrachten.
Eine Behandlung der genauen Inhalte der Spiele, das Beschreiben der einzelnen Sportarten,
das Erläutern der bestehenden Regeln und weiterer Bestimmungen oder Erklärungen, z. B.
wie damals ein Training durchgeführt wurde, darin sehe ich nicht mein Ziel. Ich finde, dass
diese Thematik bisher sehr ausführlich genug behandelt wurde und gehe daher nicht auf diese
Sachverhalte ein.
Bei diesem ersten Kapitel, dass sich mit den verschiedensten Sportbedeutungen beschäftigt,
werde ich eine Trennung zwischen Römern und Griechen vornehmen. Ich betrachte diese
beiden Völker getrennt voneinander. Bei den Griechen bewege ich mich hauptsächlich in der
Zeitspanne von den ersten Olympischen Spielen (776 v. Chr) bis zum Beginn der Eroberungs-
feldzüge Roms (~ 200 v. Chr.) und auf römischer Seite in dem Zeitraum ab 300 v. Chr. bis
400 n. Chr.
Es wird hauptsächlich darum gehen, näher zu betrachten, auf wie viele Bereiche des alltägli-
chen Lebens die Spiele ihren Einfluss hatten. Welche Bedeutungen hatten sie auf römischer
Seite für die Kaiser oder welche Wichtigkeit hatten sie für beide Mittelmeervölker in Hinblick
auf die führende Oberschicht und für das ,,gewöhnliche" Volk.
Nachfolgend zeige ich auf, dass damals von allen möglichen Seiten viel Kritik an den Spielen
geübt wurde. Aber ging es bei dieser Kritik um das Wohl der Akteure, kamen humanistische
Gefühle auf oder ging es eher um egoistische Ziele? Auch möchte ich in diesem Kapitel die
Kritik der Neuzeit behandeln, wie es zu dem Bild der ,,heiligen ehrenhaften" Spiele in Grie-
chenland und zu den ,,dekadenten" Spielen der Römer kam.

2
Einleitung
Auch heute wird noch viel Kritik geübt über die unmenschlichen Spiele der damaligen Zeit.
,, ... die Typisierung der Römer als nüchtern, utilitaristische und daher am aktiven Sport kaum
oder gar nicht interessierte Menschen, ferner die demzufolge naheliegende Neigung, den
Römern mit der griechischen Agonistik zu kontrastieren und daran zu messen, und schließlich
die abwertende Beurteilung des Römersportes als eines Zuschauersportes." (Weiler 1988,
232). Dieses Zitat beschreibt sehr genau eines meiner Anliegen und zwar mit diesen Vorurtei-
len aufs Neue aufzuräumen. Leider ist es für die meisten leichter ein ,,Schwarz-Weiß- Bild"
zu zeichnen, anstatt zu erkennen, dass vieles schwarz und weiß ist. ,,Grau" zu sagen, wäre
aber sicherlich falsch, da die Antike bestimmt alles andere als grau war, sondern sehr bunt.
Eine weitere wichtige Frage wird für mich sein, ob durch die römische Machtübernahme Ver-
änderungen aufgetreten sind, hierbei werde ich gezielt auf den Einfluß Roms auf Griechen-
land eingehen, insbesondere auf die Olympischen Spiele, aber auch auf die Verstrickungen,
welche die beiden Nationen miteinander hatten. Hier halte ich mich hauptsächlich in der Epo-
che des Hellenismus (336 v. Chr ­ 30 v. Chr.) auf, da ab diesem Zeitpunkt die beiden Völker
stärker miteinander in Kontakt traten.
Überleitend zum Kapitel ,,Der Untergang der Spiele" werde ich untersuchen, ob diese Macht-
ergreifung Roms zum Niedergang der Spiele führte. War dies wirklich der auslösende
Faktor? Kann man sagen, dass die Einführung der Gladiatorenkämpfe in Griechenland zum
Niedergang des griechischen Sports führten und dass sich das Volk gegen diese neuen Spiele
wehrte? Vielleicht brachte die Machtübernahme der christlichen Kaiser das Ende? !
Oder war es doch eher das nachlassende Interesse der Bevölkerung, dass die Spiele ihre Be-
deutung und damit ihren Sinn verloren? Aber warum? Hat sich die Lebenseinstellung, Le-
bensart- und weise so verändert?
Der letzte Punkt, der zum Untergang der Spiele führte, war vielleicht die immer größer wer-
dende Korruption. Ruinierte dies die Spiele? Schon Hippokrates sagte, die Spiele wären ,,eine
Schule des Betruges" und der Niedergang der guten alten Zeit wird durch das Aufkommen
des Berufsathletentums begründet. Wobei es gerade bei diesem Thema auch viele Parallelen
zur heutigen Situation gibt. Befinden sich unsere heutigen Spiele, insbesondere die Olympi-
schen, auf einem Abwärtstrend? Zu oft hat sich gezeigt, ,, ... dass dem Erfolg nicht nur Wil-
lenskraft und konsequentes Training zugrunde liegen, sondern widernatürliche Manipulation
der körperlichen Leistungsfähigkeit." (Sinn 1996, 7).

3
Einleitung
Als Verbesserungsvorschlag galt oder gilt, ,, ... die Olympischen Spiele der Neuzeit an ihre
alten Wurzeln zurückzuführen?" (Sinn 1996, 7). Aber sind denn diese alte Wurzeln die besse-
ren, oder müssen wir schauen, dass wir gerade dort nicht mehr hinkommen? Alle diese Frage-
stellungen empfinde ich als sehr interessant und finde, dass bisher nicht ausführlich genug
darüber geschrieben wurde. Gerade die Beziehungen der einzelnen Gesichtspunkte und auch
die Interaktionen der zwei Mittelmeervölker in einen Sachverhalt zu bringen, darin sehe ich
meine Aufgabe bei dieser Arbeit.

4
1. Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
1. Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
Welche Bereiche des täglichen Lebens spielten in der Antike eine fundamentale Rolle für die
Bevölkerung?
Zum einen der militärische Apparat, denn damals wurde oft und fast ständig Krieg geführt.
Dann natürlich die Erziehung der Kinder war sehr wichtig, denn sie bildeten die Nachkom-
menschaft und waren bedeutsam für den Erhalt des Reiches oder des Staates.
Nicht vergessen darf man die Religion. Dieser Aspekt war ein bedeutungsvoller Bestandteil
des alltäglichen Lebens eines antiken Bürgers, egal ob Römer oder Grieche. Die Politik und
die Wirtschaft sind noch zwei weitere große Bestandteile, die in der Antike ihre Wichtigkeit
hatten. Deshalb habe ich mich bei dem nachfolgenden Kapitel auf diese Aspekte konzentriert
und sie mit dem Sport in Verbindung gebracht.
Doch ich werde übersichtshalber Griechenland und Rom getrennt betrachten, um dann am
Schluss auch besser Vergleiche ziehen zu können.
1.1 Die Bedeutungen der griechischen Spiele
Dieses Kapitel wird sich zeitmäßig ab 776 v. Chr. bis 200 v. Chr. aufhalten, also in der Zeit
der Entwicklung der Olympischen Spiele bis zu den römischen Eroberungen. Falls Sachver-
halte auftreten, die sich in einem anderen Zeitpunkt befinden, werden diese im Text nochmals
separat erwähnt.
1.1.1 Die militärische Bedeutung der Spiele
In der Neuzeit wurde lange Zeit die Verbindung des griechischen Sports mit dem Krieg ge-
leugnet, d. h. weder erwähnt noch näher betrachtet. Ich werde dieses nun genauer untersuchen
und dabei breitgefächert, die Verbindung des Sports mit dem Militär bzw. mit dem Krieg nä-
her in Augenschein nehmen.
Zuerst untersuche ich die Bedeutung des Wortes Wettkampf etwas genauer. Danach werde ich
mir anschauen, inwieweit der Sport Einfluss auf die militärische Ausbildung übte und in wel-
cher Weise der Kultplatz Olympia eine Verbindung zum Krieg hatte. Zum Ende hin betrachte
ich noch den olympischen Waffenstillstand.

5
1. Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
In der griechischen Antike benutzten die Menschen für den Ausdruck Wettkampf den Begriff
,,Agon". Schon bei der Übersetzung dieses Begriffes (Agon), das die unterschiedlichsten
Bedeutungen besitzt, findet man den Bezug zum Krieg. ,,Über den Gebrauch des Wortes
(Agon) bei den Griechen, insbesondere der Zeit bis zum Ende des 5. Jhs., kann also zusam-
menfassend festgestellt werden: Abgesehen von der frühen Bedeutung für Wettkampfstätte,
Arena oder Versammlung bei Wettkämpfen steht ,Agon' für verschiedenartige Auseinander-
setzungen zwischen Personen oder Gruppen (im Kriegsfall auch Völkern), und zwar für
Kämpfe in athletisch-musischer Hinsicht genauso wie auf literarisch-rhetorischer und gericht-
licher Ebene oder für Krieg und Mord [...] Doppelsinnigkeit von
für die Zeit Herodots
1
,
und sie mahnt den Leser, den Ausdruck im Kontext zu sehen, wenn er ihn richtig interpretie-
ren will. Wählt Herodot für den großen Perserkrieg zuweilen das Wort ,Agon', so gilt das
gleiche für Thukydides
2
hinsichtlich des Peloponnesischen Krieges." (Weiler 1974, 33ff.).
,, ... wird als agathos bezeichnet, was ursprünglich ,kampfbereit' und in übertragenen Sinn
,tapfer' bedeutete." (Olivova 1984, 96).
Betrachtet man nachfolgend die Orte, an denen der Sport durchgeführt wurde, erkennt man
auch hier die Verbindung zum Militär. Es gab das Stadion, das Hippodrom, und das Gymna-
sium. Stadion und Hippodrom waren ausgesprochene Wettkampfstätten, ersteres für die athle-
tischen Wettkämpfe und letzteres für die Wagenrennen. Das Gymnasium dagegen diente
hauptsächlich dem sportlichen Training, es bestand aus einem mit weichem Sand bedeckten
offenen Übungsplatz, der Palästra (Ringplatz) und einer ebenso einfachen Laufbahn (Dro-
mos). Sie wurden vom Staat erbaut und wenn irgend möglich, sind sie unmittelbar am Was-
ser, wenigstens in der Nähe eines Flusses angelegt, andernfalls war eine künstliche Wasserzu-
fuhr durch Leitungen unerlässlich. Sie standen meist unter dem Schutz einer Gottheit, eines
Heiligen, dessen Namen sie trugen (Zeusgymnasion, Hermes-, Herakles-, Asklepiosgymnasi-
on usw.) oder sie nannten sich ­ wie bei uns ­ auch nach berühmten Staatsmännern oder
Dichtern. Zusätzlich waren diese Einrichtungen auch dafür vorgesehen, die Wehrtüchtigkeit
der Männer herzustellen und damit die Jugendlichen im militärischen
___________________________________________________________________________
1
erster griechischer Historiker, 425 v. Chr. gestorben.
2
griechischer Historiker, verfasste die Geschichte des Peloponnesischen Krieges.

6
1. Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
Dienst zu üben. ,,Das ursprünglich für militärische Zwecke gegründete Institut (das Gymnasi-
on) ..." (Pleket 2001, 167). Natürlich wurde die Bevölkerung, durch den andauernden Kriegs-
zustand in Griechenland dazu gezwungen sich zu verteidigen. Sie mussten deshalb Formen
entwickeln, um die männlichen Bürger kampfbereit zu halten, denn dies bildete für die Ge-
meinschaft einen wichtigen Überlebensfaktor. So wurde der Sport anfangs hauptsächlich als
Übung des Körpers für den Krieg durchgeführt. ,,So diente die Gymnastik, ursprünglich aus
Kriegszielen herausgewachsen, wieder der Ertüchtigung zur Wehrhaftigkeit, härter und nahe-
zu ausschließlich bei den Doriern (Sparta), gemilderter und mit hoher Geistesbildung auf glei-
cher Stufe gestellt bei den Joniern (Athen)." (Vogt 1934, 4).
Aber nicht alle waren der Meinung, dass Sport die beste Lösung wäre, um die militärische
Tüchtigkeit der Bevölkerung herzustellen oder zu erhalten. ,,Andererseits waren viele Grie-
chen (ganz zu schweigen von den Römern) der Ansicht, daß der Sport für das Training von
Soldaten gewisse unerwünschte Eigenschaften habe, und so hatte er in allen griechischen
Staaten auch Kritiker." (Poliakoff 1989, 137). Viele Gebildete jener Zeit glaubten nämlich,
dass der Sport nicht dazu beitragen könne einen Mann wehrhaft zu machen. Sie waren der
Meinung, durch die Spezialisierung würden die Sportler verweichlichen und überhaupt nicht
mehr für den Krieg taugen. ,,Durch die Hochzüchtung der Athleten war zu seiner Zeit der
militärische Nutzen des Sports in Frage gestellt." (Ortkemper 1996, 90). Doch möchte ich an
dieser Stelle nicht genauer auf die Kritik eingehen, da diese im Kapitel ,,Die Kritik an den
Spielen" noch ausführlich behandelt wird.
Als weiteren Punkt möchte ich die Verbindung der Wettkampfstätte Olympia mit dem Krieg
betrachten, dabei fällt auf, dass man in Olympia den Kriegsgott Zeus verehrte (siehe Decker
1995).
Abb. 1 Die dorischen Säulen an den Seiten des Tempels des Zeus in Olympia, 471­465 v.
Chr. Foto S. Winter

7
1. Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
,,Die Statue des personifizierten Wettkampfes, Agon, stand auf dem Preistisch in Olympia
unmittelbar neben der Statue des Kriegsgottes Ares ..." (Poliakoff 1989, 135).
Außerdem wurden bei Ausgrabungen in der Neuzeit oft Helme und andere Kriegsgegenstände
gefunden. Olympia diente auch zwischen dem 11. und 8. Jahrhundert v. Chr. als Orakelstätte
für Kriegsangelegenheiten und erlangte dadurch überregionale Bedeutung. ,,Spezialisiert wa-
ren die olympischen Seher auf den Rat in Kriegsangelegenheiten." (Sinn 1996, 137).
Abb. 2 Der Helm des Miltiades
3
aus der Schlacht von Marathon (490 v. Chr.). Miltiades
weihte ihn den Zeus, wie eine Gravur am Rand des Helmes besagt. Olympia, Archäolo-
gisches Museum. Foto Alfio Garozzo/Archivio White Star
Aber nicht nur Rat über Kriegsführung wurde eingeholt, es fand sogar einmal eine kriegeri-
sche Auseinandersetzung vor den Toren Olympias statt. ,,In einem längeren Krieg zwischen
Elis und Arkadien eroberten arkadische Truppen den Kronoshügel oberhalb des Stadions und
verschanzten sich dort." (Ortkemper 1996, 144).
,,Es ist schon penetrant, wie oft bei antiken Autoren das Wort ,Krieg' fällt, wenn von Olympia
die Rede ist. Vielleicht sind die Olympischen Spiele ja wirklich nichts anderes als ein Krieg
der griechischen Städte untereinander gewesen, ein Krieg ohne Schlachten und Belagerungen,
ein Krieg des Übertrumpfens und des Bluffs, ein Krieg der Propaganda, die den Gegner de-
moralisieren soll, Krieg als totaler Wettkampf." (Ortkemper 1996, 162).
Es stimmt schon, Olympia und Krieg, dies passt nach unserer heutigen Auffassung wirklich
nicht so recht zusammen, wo doch die Olympischen Spiele als ein Symbol des Friedens gelten
sollten.
In der Antike gab es doch den Waffenstillstand (Ekecheirie) für die Dauer der Spiele, wie
kann dann so oft von Krieg gesprochen werden? So wunderbar, wie es klingt, wird es wohl
nicht gewesen sein. Hätte es in ganz Hellas einen Frieden gegeben, so hätten die Griechen
___________________________________________________________________________
3
ein Krieger aus Athen, der die Perser bei Marathon (490 v. Chr.) besiegte.

8
1. Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
kaum noch Zeit gehabt zum Kriegführen (siehe Weeber 1991und Decker 1995). Doch war die
militärische Bedeutung durch die Jahrhunderte nicht immer so vorherrschend wie oben be-
schrieben, sie ließ nach durch die Schaffung von Söldnerheeren (siehe Decker 1995). Dadurch
trat der ursprüngliche militärische Zweck allmählich in den Hintergrund und die sportliche
Ausbildung wurde selbst das Mittel zum Zweck, was für die Entwicklung des griechischen
Sports von ,,doppelter Bedeutung" war: ,,Erstens wurde nun wenigstens prinzipiell auch für
nicht-adlige Leute die Möglichkeit geschaffen, um sich an den im Gymnasion praktizierten
Übungen zu beteiligen." (Weiler 1988, 89f.).
Die allgemein verbreitete Meinung, dass der Sport bei den Griechen keine Beziehung zum
Krieg gehabt hätte, wurde hier mehrmals widerlegt. Es wurde aufgezeigt, wie eng Krieg und
Sport miteinander verflochten waren und in wie viele unterschiedliche Bereiche das Militär
und der Krieg Einfluss nahmen. Der antike Friede während der Kämpfe war auch allerhöchs-
tens ein vorübergehender Waffenstillstand, der nicht immer gesichert war. (Vgl. Decker 1995,
Vogt 1934, Olivova 1984, Weeber 1991, Ortkemper 1996, Poliakoff 1989, Uni Graz 1998
und Sinn 1996).

9
1. Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
1.1.2 Die Bedeutung der Spiele als Erziehungsbestandteil
In diesem Kapitel werde ich den Einfluss des Sports auf die griechische Erziehung betrachten.
Da hauptsächlich junge Männer der Oberschicht eine fundierte Ausbildung erhielten, möchte
ich mir zum Ende hin noch die sportliche Ausbildung der Mädchen anschauen, falls es über-
haupt eine solch gegeben hat.
Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt erwähnt, diente das Gymnasium als sportliche
Übungsstätte, aber auch zur militärischen Ausbildung. Zusätzlich war es noch eine allgemeine
Ausbildungs- und Erziehungsstätte der männlichen aristokratischen Jugendlichen und Sport
war somit ein fester Bestandteil der Erziehung.
Die Gymnastik als Erziehungsbestandteil war sogar staatlich festgelegt (siehe Vogt 1934).
,,Das dritte Fach, gymnastike, sorgte für eine umfassende Körperbildung und bestand aus ak-
tivem Sport wie Laufen, Ringen, Boxen und Ballspielen und allgemeiner Hygiene, Bädern,
Dampfbädern, Massagen und der Pflege des Körpers mit wohlriechenden Salben." (Olivova
1984, 125).
,,Die Leibeserziehung hatte ab dem zwölften Lebensjahr den absoluten Vorrang vor allen an-
deren Aktivitäten." (Conolly & Dodge 1998, 34).
Neben der sportlichen Ausbildung gehörte noch das Studium der Literatur, Rhetorik und Ma-
thematik dazu, im Gegensatz zu manchen anderen Städten wie Sparta, bei denen es überhaupt
keine andere Schulbildung gab außer der sportlichen (siehe Ortkemper 1996, Sinn 1996, Oli-
vova 1984 und Fischer & Ziegenspeck 2000).
So wollten die Griechen mit ihrer Verbindung von Sport und Erziehung einen Menschen
schaffen, der gleichzeitig schön und gebildet war. Dieses Ideal, die vielzitierte Kalokagathia
4
,
das gerade in unserer jetzigen Zeit immer so sehr bemängelt wird (siehe Ortkemper 1996).
,, ... es ist das Ideal der griechischen Aristokratie, das da propagiert wird ..." (Weeber 1991,
166). Oder nach Weiler ,, ... missverstandene Ideal der Kalokagathia [...], eine ,mehr künstle-
rische als literarische und mehr sportliche als intellektuelle Erziehung', die vom ,alten Ge-
burtsadel und den in der Demokratie emporgekommenen gebildeten und begüterten Elemen-
ten des Volkes' angestrebt worden sein soll. Das Missverständnis liegt vor allem in einem
postulierten, aber unbeweisbaren funktionalen Zusammenhang zwischen körperlicher
4
Verbindung von Schönem und Gutem als altgriechisches Bildungsideal.

10
1. Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
Schönheit und moralischer Qualität, es liegt aber auch in der klassizistisch-ästhetisierenden
Vorstellung, daß den Griechen im Unterschied zu anderen Völkern eine diesbezügliche spezi-
fische Disposition eigen sei." (Weiler 1988, 94).
Der im ähnlichen Kontext berühmte römische Satz ,,mens sana in corpore sano", den mancher
allzu leicht und zu oft in den Mund nimmt, bedeutet auch nicht genau das, was man damit
ausdrücken möchte, denn im Original steht dem ,,Mens sana" ein , ,,orandum est" voran, was
dann folgendes bedeutet: man muss darum beten, dass ein gesunder Geist in einem gesunden
Körper sei. ,,Aber auch bei den Griechen war der gesunde Geist in einem gesunden Körper
mehr Wunsch als Wirklichkeit, man mußte darum beten." (Göhler 1993, 24).
Abb. 3 Asterix und Obelix. Asterix bei den olympischen Spielen. Zeichnung Uderzo
Man erkennt hier bereits, dass gewisse Wertvorstellungen über das antike Griechenland erst in
der Neuzeit geformt wurden und dass diese nicht unbedingt in genau dieser Art und Weise,
wie wir sie uns vorstellen, vorgeherrscht haben.
Viele Vorstellungen über das antike Griechenland wurden in der Neuzeit aus den aktuellen
Zeitströmungen heraus geformt und somit entstanden Bilder, die den aktuellen Werten ent-
sprachen, aber nicht denen, die damals vorherrschten.
Zum Schluss möchte ich noch kurz die Verbindung des Sports mit der Erziehung der Mäd-
chen betrachten.
Bei den Mädchen fand die Ausbildung hauptsächlich zu Hause in den heimischen vier Wän-
den statt und ihre Lebensaufgabe bestand darin, zu heiraten, Kinder zu bekommen und damit
den Bestand der Sippe zu sichern (siehe Sinn 1996).
Dagegen fand ab dem 2. Jh. v. Chr. ein Wandel statt, ,,auch Frauen fanden nun Zugang zur
Bildung, es wurden oftmals Mädchenschulen eingerichtet." (www.n-tv.de Zugriff vom
5.07.2002, 2000).
Wichtige Aufgabe der Mädchen war, dass sie sich an der Vorbereitung und Durchführung der
Kultfeste beteiligten. Sie konnten auch das Amt einer Priesterin übernehmen, welches eine

11
1. Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
sehr ehrenvolle und ruhmreiche Aufgabe war. ,,Einzig von dieser Position aus stand auch
Frauen der Zugang in die höchste Ebene der städtischen Hierarchie offen." (Sinn 1996, 130).
Abb. 4 Karyatide
5
aus der Villa Adriana in Tivoli. Foto N. Knebel
Zusammenfassend kann man sagen, dass die sportliche Aktivität sehr eng mit der allgemeinen
Erziehung verbunden war, wobei jedoch meist nur männliche Mitglieder des Adels Zugang zu
einer umfassenden Bildung hatten.
___________________________________________________________________________
5
Frauengestalt, die auf Haupt oder emporgehobenen Armen das Gebälk trägt. Karyatides,
vermutlich nach den Priesterinnen im Dianatempel zu Karyä in Lakonien.

12
1. Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
1.1.3 Die religiöse Bedeutung der Spiele
In diesem Abschnitt werde ich die Verbindung des Sports zur Religion betrachten. Die Reli-
gion war ein sehr wichtiger Bestandteil für die antike Bevölkerung. Dies erkennt man schon
allein an den vielen prächtigen Tempeln, die gebaut wurden. Aber in welcher Art und Weise
nimmt nun der Sport Einfluss auf die Religion oder die Religion Einfluss auf den Sport?
Ich möchte mich hier in einem zeitlichen Rahmen von 600 v. Chr. bis 200 v. Chr. bewegen.
So gilt als gesichert, dass der Ursprung der Feste und der Spiele in der Religion begründet
liegt. Gerade in Olympia, wo man zur Anfangszeit Hera verehrte und später erst Zeus. ,,Lange
vor Zeus war der Hera am Anfang des 6. Jhs. v. Chr. ein Tempel erbaut worden ..." (Decker
1995, 42).
Abb. 5 Das Heraion (Heratempel) in Olympia. 7. Jh. v. Chr., um 600 erneuert. Foto M.
Knebel
Damals waren die Wettkämpfe noch in Fruchtbarkeitsriten eingebunden.
Man muss bedenken, dass die verschiedenen Wettkampfstätten Griechenlands zuerst einmal
Tempel, Kultplätze und heilige Orte waren, an denen man seine Opfer darbrachte, zu den Göt-
tern betete und heilige Zeremonien durchführte.
Außer den Olympischen Spielen gab es noch viele andere größere, mittlere und kleinere
Wettkämpfe und Feste. Zu den größeren Festen gehörten die Isthmischen Spiele, die alle zwei
Jahre im Frühjahr stattfanden zu Ehren des Meergottes Poseidon. Die Pythischen Spiele, die
alle vier Jahre im Sommer in Delphi zu Ehren des Apollo Pythius durchgeführt wurden und
das Hauptkultfest der Stadt Athen, mit dem die Stadtgöttin Athene feierlich geehrt wurde,
spiegelt die Verbindung zwischen Sport und Religion sehr deutlich wieder.

13
1. Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
Abb. 6 Stadion von Nemea, hier fanden die nemeischen Spiele zu Ehren des Zeus statt.
Foto Alfio Garozzo/Archivio White Star
Die sportlichen Feste waren in diese Zeremonien miteingebunden. Man veranstaltete Wett-
kämpfe, um den Göttern zu gefallen und sie freudig zu stimmen, aber auch für die Toten
wurden Leichenfeiern organisiert (siehe Olivova 1984 und Umminger 2000).
Ließ die religiöse Bedeutung mit der Zeit nach?
Früher spielten die religiösen Gründe die ausschlaggebende Rolle bei den Festen. Mit der Zeit
(~ ab 300 v. Chr.) rückten die Wettkämpfe immer mehr in den Mittelpunkt. ,, ... ursprüngliche
Verbindung von Totenkult und Agon in der Vorstellungswelt der Griechen wohl außer Zwei-
fel stehen dürfte. Doch haben wir einerseits vermutet, daß der Sinn derartiger Veranstaltungen
schon sehr früh nicht mehr erkannt wurde ..." (Weiler 1974, 255).
,,Die Zuschauer hatten die Reise nach Olympia nicht gemacht, um dort Zeus zu ehren, son-
dern um den Wettkämpfen beizuwohnen." (Veyne 1996, 57). Aber die Menschen kamen nicht
nur zu den Wettkämpfen, sondern sie nutzten die Zeit der Spiele auch für kommerzielle und
politische Interessen aus (siehe Ortkemper 1996). ,,Sicherlich spielten religiöse Gründe zu-
weilen eine ausschlaggebende Rolle; viele mochten als Pilger kommen. [...] wieder andere
wollten die Gelegenheit nutzen, um auf sich selbst aufmerksam zu machen." (Weiler 1997,
196). Ich denke trotzdem, dass der religiöse Aspekt in einer bestimmten Art und Weise erhal-
ten blieb, da z. B. der Gesichtspunkt der Opferdarreichung für die Götter nicht verloren ging.
Unwiderlegbar ist auf jeden Fall die ursprüngliche enge Verknüpfung von Sport und Kult und
dass die Spiele aus religiösen Motiven entsprangen. Natürlich sind Veränderungen aufgetre-
ten, wobei der religiöse Aspekt doch erhalten blieb, vielleicht nicht ganz in seiner ursprüngli-
chen Stärke.

14
1. Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
1.1.4 Die Bedeutungen der Spiele für die Bevölkerung
In diesem Abschnitt möchte ich die Thematik von einer etwas anderen Sichtweise angehen.
Ich werde untersuchen, welchen Einfluss der Sport allgemein auf die griechische Bevölkerung
hatte und nicht wie bisher einen bestimmten Aspekt betrachten, wobei ich die bisher bespro-
chenen Punkte und die noch folgenden nicht mit einfließen lassen werde. Zusätzlich spalte ich
die Bevölkerung in verschiedene Interessengruppen auf. Zum einen in die Volksschicht, die
Sport aktiv selbst betrieb, also die Sportler. Welche Bedeutung hatte für sie der Sport? Wel-
che Motivation stiftete sie an? Welche Bevölkerungsschicht hatte Zugang zum aktiven Sport?
In diesem Kontext werde ich auch auf den ,,agonalen" Griechen eingehen. Was bedeutet die-
ser Ausdruck? Entsprach dies der Wirklichkeit? Zum anderen betrachte ich die Zuschauer, die
Sport als Freizeitgestaltung ausübten und die passiv die Wettkämpfe miterlebten.
Zum Schluß gehe ich dann noch auf die Bedeutung der römischen Spiele in Griechenland ein.
Daher wird der zeitliche Rahmen etwas breiter gesteckt werden, also von 600 v. Chr. bis 200
n. Chr.
a) Die Bedeutungen für die Sportler
Eine Frage, die ich mir stelle, ist: was damals Menschen dazu veranlasste Sportler zu werden.
Zusätzlich gehe ich aber in diesem Kontext noch auf den Begriff des ,,agonalen Griechen"
ein, dieser Ausdruck wurde erst in der Neuzeit geschaffen.
Warum gab es bereits in der Antike Menschen, die Sport wettkampfmäßig betrieben und sich
teilweise sogar dafür entschieden den Beruf eines Sportprofis einzuschlagen? Waren viel-
leicht die Siegespreise derart verlockend und versprachen schnellen Reichtum und große Be-
liebtheit?
Als gesichert gilt, wer als Sportler erfolgreich war, konnte sich neben vielfältigen Unterstüt-
zungen, auch noch auf Ruhm und Ansehen freuen. ,, ... in Athen erhielten die Sieger Öl in
eigens angefertigten Tongefäßen [...] große Mengen an Getreide, [...] bronzene Rundschilde,
[...] Silbergeschirr [...] Metallgefäße [...] Gewändern aus heimischer Wolle ... " (Sinn 1996,
53).

15
1. Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
Abb. 7 Panathänische Preisamphore mit der Abbildung eines Fünfkampfes aus der
Tomba da Atleta von Taranto, 480 v. Chr. Ausstellung ,,Nike"; Rom 2003. Foto N. Kne-
bel
,,Nachweislich erhielten besonders erfolgreiche Olympioniken auch schon vor über 2500 Jah-
ren Häuser, Geld, Sklaven, Frauen und lebenslange Verköstigung von ihren Stadtvätern."
(
www.n-tv.de
Zugriff vom 05.07.2002, 2000)
.
Vielleicht etwas erstaunlich, da in unserer heutigen Zeit eher die Kränze als Siegespreise be-
kannt sind und es dem antiken Athleten doch eigentlich nur ums ,,dabei sein" ging, die Rede
ist hier oft vom ,,agonalen" Griechen.
Abb. 8 Goldene Krone, Mitte des 4. Jh. v. Chr. Ausstellung ,,Nike"; Rom 2003. Foto N.
Knebel
Jacob Burckhardt beschreibt den agonalen Menschen des 7. und 6. Jhs. v. Chr. als einen
Mann, der lediglich um den Agon, den Wettkampf an sich kämpft. Dieser ,,Vorzeigeathlet"
schöpft seine Motivation aus der Freude am Wettstreit und für ihn ist der Kampf das Ent-
scheidende und nicht der Sieg, den man dadurch erringen kann (siehe Weeber 1991).
Dieses Bild des griechischen Athleten ist mittlerweile überholt und entspricht Idealen, die der
Klassizismus produzierte, ,,das klassizistische Bild des rein amateurhaften griechischen
Sportsmannes, der mit der Teilnahme und dem Sieg zufrieden war, und der weiterhin alle
Eigenschaften des ,faultless sportsman' aufwies, charakterisiert durch eine Mentalität von
,fair play' und ,shake-hands', läßt sich kaum mit einem Hinweis auf Homer und agonale

16
1. Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
Stellen aus der Mythologie verteidigen." (Pleket 2001, 163). Man findet in der griechischen
Mythologie nirgends einen Wettkampf, der lediglich ,, ... zum Sich-Messen um des Sieges
willen' oder ,um seiner selbst willen' zur Austragung gelangte." (Weiler 1974, 245).
,,Denn die Verschiedenheit einer Hierarchie der Werte ist auch aus der frühen Periode der
griechischen Geschichte nicht wegzudenken. Ehrsucht, Ehrgeiz und Geltungsstreben [...] ste-
hen demnach bei den Patroklosspielen
6
neben dem Wunsch, einen möglichst wertvollen
Kampfpreis aus der Arena wegzuführen. Der Umstand, daß in späterer Zeit ,an die Stelle von
Gold, Kupfer und Sklavinnen' der Lorbeerzweig trat, ist keineswegs eine Bestätigung für die
Einzigartigkeit des Griechentums im Verhalten gegenüber der im Wettkampf errungenen
Preise, denn auch ,bei vielen primitiven Völkern' können es Objekte von geringem oder gar
keinem materiellen Wert sein ..." (Weiler 1974, 270). ,,Für J. Burckhardts ,agonalen' Agon ist
,das wahre Ziel des Kampfes . . . der Sieg an sich'. Hinter dieser Aussage steht der Wunsch,
den Wettkampfeifer der Griechen frei von jeglicher utilitaristischer Orientierung deuten zu
wollen [...] eine derartige Verabsolutierung des Sieges bzw. des Agons halte ich im Grunde
für nicht nachweisbar. Ich kann die Vorstellungen von einem ,Wettkampf an sich' und einem
,Sieg an sich' nicht nachvollziehen, weil meines Erachtens der Wettkampf unzertrennlich mit
dem Sieg und dieser wiederum ebenso unzertrennlich mit Gewinn, freilich in den verschie-
densten Ausprägungen, verbunden ist." (Weiler 1974, 264 f.). Es gab natürlich Wettkämpfe,
die Kranzagone, bei denen gab es ,,nur" einen Kranz als Siegespreis. ,,Eine Ausnahme bildete
vorübergehend Delphi: während des 6. Jahrhunderts v. Chr. sind hier Wertpreise vergeben
worden. Später reihte sich auch Delphi in die kleine Runde der Heiligtümer ein, die aus-
schließlich Kränze vergaben, deren Wettkämpfe deshalb auch ,Kranzspiele' genannt wurden:
Olympia, Isthmia, Nemea und eben Delphi." (Sinn 1996, 53).
Abb. 9 Stadion von Delphi, dort fanden die Pythischen Spiele statt. Im Vordergrund
drei Pfeiler (mit Nischen für Statuen), diese trugen einen Bogen mit drei Gewölben. Foto
Giulio Veggi/Archivio White Star.
6
Leichenspiele zu Ehren des Todes des Patroklos aus den Sagen Trojas in der klassischen
Mythologie.

17
1. Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
,,Doch auch wer als Sieger von einem Kranzspiel heimkehrte, durfte auf materiellen Gewinn
hoffen. Die Städte hatten oftmals hohe Summen ausgesetzt, um die heimischen Athleten zu
Erfolgen bei den ruhmreichen Kranzspielen zu motivieren. In Athen lag die Prämie für einen
Olympiasieg im 6. Jahrhundert v. Chr. bei 500 Drachmen, dies war mehr als ein Jahreslohn.
Andere Vergünstigungen, wie Steuerfreiheit und kostenlose Verpflegung kamen hinzu ­ ganz
abgesehen von all den anderen direkten und indirekten Vergünstigen." (Sinn 1996, 53).
,, ... außer bei den ,Kranzspielen' findet sich nirgendwo ein Verzicht auf materielle Sieges-
preise." (Weeber 1991, 102). Eine weit verbreitete Meinung ist auch, dass durch das Auf-
kommen des Berufsathletentums der materielle Aspekt in den Vordergrund rückte. Man sollte
aber immer im Auge behalten, dass das ,, ... Leben als Sport-Profi ja auch mit einer Reihe
finanzieller Belastungen und hoher Spesenausgaben verbunden war, zu deren Deckung die
Preisgelder sehr willkommen waren." (Weeber 1991, 76). Neben den finanziellen Vergünsti-
gungen lockten außerdem Ruhm, Ansehen und Verehrung. ,,Ein Sieg bei den Kranzspielen
katapultierte jeden sozusagen automatisch in die gesellschaftliche Führungsschicht hinauf."
(Weeber 1991, 111). Daher ist heute immer noch nicht ganz klar: ,,Was Milo of Kroton
7
a
leader in the war against Sybaris because he was of the upper class or because his athletic
success had lifted him above his lower class origins? Since Olympic victors were rewarded
handsomely on their return home, it is often impossible to tell if an athlete had wealth and
status before ­ or because of ­ his victory." (Kyle 1997, 66). ,, ... und den Sieger verehren sie
fast wie einen Gott." (Ortkemper 1996, 191). Nachfolgendes Zitat beschreibt sehr deutlich,
welchen Empfang der Athlet bekam, wenn er erfolgreich von einem Wettkampf nach Hause
zurückkehrte: ,,In der Heimat erwarteten den Sieger noch besondere Ehren. In feierlichem
Triumphzuge holte ihn die gesamte Bevölkerung vor den Toren der Stadt ab und geleitete ihn
auf dem mit weißen Rossen bespannten Prunkwagen durch die prächtig geschmückte Stadt
zum Tempel, wo der Sieger im Purpurmantel seinen Kranz der Heimatgottheit opferte. Dank-
bar setzte man ihm ein Denkmal, ließ durch hervorragende Dichter wie Pindar, Simonides
eigene Ruhmesgesänge dichten, gab ihm einen Ehrenplatz im Theater, in Athen lebenslängli-
che Speisung im Prytaneion
8
, vielfach auch Geldspenden, um ihn vor Daseinssorgen zu
___________________________________________________________________________
7
sehr berühmter und erfolgreicher griechischer Schwerathlet.
8
Öffentliches Gebäude in Athen, in dem hochverdiente Männer und fremde Gesandte auf
Staatskosten speisen durften und Unterkunft fanden.

18
1. Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
befreien, stifteten wohl auch, wenn der Sieger nicht selbst die Kosten tragen konnte, sein
Standbild von Olympia." (Vogt 1934, 15).
Abb. 10 Faustkämpfer aus dem imperialistischen Zeitalter. Römische Kopie vom grie-
chischen Original aus dem 4. Jh. v. Chr. oder aus dem 1. Jh. v. Chr. Ausstellung ,,Nike";
Rom 2003. Foto N. Knebel.
Eine weitere interessante Frage ist: Stammten die Sportler nur aus der Schicht der Aristokra-
ten oder war der Sport allen Bevölkerungsschichten zugänglich?
In der Frühzeit betrieben hauptsächlich aus dem Adel stammende junge Männer Sport. Sie
hatten die finanziellen Mittel dazu und natürlich auch die Zeit, denn ein Bauer, der sein Feld
bestellte und für seinen Lebensunterhalt täglich arbeitete, konnte sich solch einen Luxus nicht
erlauben. ,,Derweil frönten die Aristokraten einem Lebensstil, den sie ideologisch überhöhten:
Opfer ­ Ritual und Zeremonien, Krieg, Sport, Jagd, Pferde- und Hundezucht bildeten die im-
mer wieder in Bildern beschworenen Tätigkeiten einer Oberschicht, die jedwede Handarbeit
verachtete, solange sie nicht dem Müßiggang, sondern dem Lebensunterhalt diente." (Höcker
1999, 41).
,,Viele junge Männer, die als Athleten nach Olympia kamen, waren Nichtstuer aus reichem
Haus, die es sich leisten konnten, ein Jahr lang in einer fremden Stadt für einen reichen Mann
den Narren zu spielen ..." (Ortkemper 1996, 164).
,,Zur Teilnahme an diesen Wettkämpfen hatte nur die adlige Oberschicht die materiellen Mit-
tel, was die Exklusivität des Sports wahrte." (www.n-tv.de 2002).
,, ... denn wer als Arbeiter oder Handwerker darauf angewiesen war, sich seinen Lebensunter-
halt Tag für Tag zu verdienen, konnte sich weder weite Reisen noch zeitintensives Training
erlauben, wenn er auf keinerlei finanziellen Ausgleich durch Siegesgelder u.ä. rechnen konn-
te." (Weeber 1991, 69). ,, ... als seien die Kampfsportarten eine ausschließliche Domäne des

19
1. Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
Adels gewesen, obwohl in früher Zeit die Teilnahme anderer Gesellschaftsschichten an den
Agonen schon der Kosten wegen gering sein musste." (Decker 1995, 76).
,,Dennoch darf aufgrund der Quellensituation nicht gefolgert werden, daß Spiel und Wett-
kampf ausschließlich Privileg des Adels waren. Zu den Festen der dörflichen und städtischen
Bevölkerung gehörten wahrscheinlich auch sportliche Veranstaltungen, wie sie für spätere
Jahrhunderte bezeugt sind ..." (Weiler 1988, 88). Wobei diese sich aber eher in der Unterzahl
befanden und ,, ... es scheint von vorneherein wahrscheinlicher, daß nichtadelige Athleten
eher an lokalen als an internationalen Agonen teilnahmen." (Pleket 2001, 169).
Veyne meint, dass in Wirklichkeit der antike Athletismus immer mehr aristokratisch als ple-
bejisch war (siehe Veyne 1996 und Krebs 1998).
Im Laufe der Zeit veränderte sich dann das Bild des ,,Aristokratensportlers". Immer mehr
Nichtadelige fanden Zugang zum Sport. ,,Sport war nicht mehr die Domäne von Berufsathle-
ten oder Aristokraten. Alle Gesellschaftsschichten begannen nun Sport zu treiben." (Olivova
1984, 149). Geschah dies nun, weil die Preise immer wertvoller wurden oder die ,, ... staatli-
che Sportförderung tüchtige Athleten aus anderen sozialen Schichten zu unterstützen ..." be-
gann (Weeber 1991, 78)?
,,Außerdem stifteten die Poleis im 6. Jh. immer mehr eigene Sport-Agone, bei denen den Sie-
gern nicht unerhebliche Preise winkten ­ sei es in Form von Bargeld, sei es in Gestalt von
Sachpreisen [...] durch die Einrichtung immer neuer Wettbewerbe sprudelten die Einkom-
mensquellen für tüchtige Sportler so, daß zunehmend auch solche Athleten den Absprung ins
,Profi-Lager' wagen konnten, die keine sichere Existenzgrundlage durch Familienbesitz hat-
ten." (Weeber 1991, 82).
,,Man kann insofern mit H. W. Pleket von einer ,Demokratisierung' des Sports im 5. Jh. spre-
chen, die es zunehmend auch Talenten aus dem einfachen Bürger- und Bauerntum sowie der
Schicht der Lohnarbeiter erlaubte, sich für eine Sportkarriere zu entscheiden, ohne dadurch
brotlos zu werden." (Weeber 1991, 86).
Dabei blieben die Wagenrennen immer eine Domäne der Aristokraten. ,, ... Wagenrennen
einen ersten spektakulären Höhepunkt des Festes, bald war es die größte Attraktion für das
Publikum. In ihm manifestierte sich zugleich der aristokratische Charakter der Spiele. [...]
Das Wagenrennen war der Sport der Könige und reichen Adligen. In Athen wurde zum Adel
gerechnet, wer ein Pferd besaß und also zu Pferd in den Krieg reiten konnte." (Ortkemper
1996, 95).

20
1. Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
(Vgl. auch Umminger 2000 und Sinn 1996).
Aber welche Bedeutungen hatten die Spiele für die Zuschauer?
b) Die Bedeutungen für die Zuschauer
Vielleicht sind die Menschen damals auch schon aus ähnlichen Beweggründen zu den Sport-
veranstaltungen gegangen wie heute. Die Spiele boten Ablenkung, Unterhaltung, Spannung
und Vergnügen, obwohl in manchen Zitaten nicht unbedingt von Vergnügen die Rede ist; das
Zuschauen in Olympia wird auch als sehr unangenehm beschrieben. Die Spiele fanden im
Hochsommer statt und bevor die Römer die Wasserleitungen errichteten, musste es dort
fürchterlich gestunken haben. ,,Die Massen strömten selbst bei sengender Hochsommerhitze
in Scharen in die Wettkampfstätten und empfanden die größte Bewunderung vor allem für
jene Athleten, die im Wettkampf immer wieder ihr Leben aufs Spiel setzten ..." (Sinn 1996,
8).
,,Noch erstaunlicher war, daß alle kamen, obwohl die Zuschauer um ihre Gesundheit, sogar
um ihr Leben bangen mußten." (Ortkemper 1996, 207).
,,Der Gutsbesitzer, der seinem Sklaven androht, er werde ihn nicht, wie üblich, als Strafe zur
Schwerstarbeit in die Mühle schicken, sondern ­ weit schlimmer ­ als Zuschauer mit nach
Olympia nehmen, weiß, wovon er spricht. Der August ist glühend heiß. Die Flüsse Alpheios
und Kladeos führen zu dieser Jahreszeit kaum Wasser. Es gibt nur neun Brunnen, die z. T.
ebenfalls versiegen. Erst zur Römerzeit stellt Herodes Atticus durch den Bau einer Wasserlei-
tung, die in kilometerlangen unterirdischen Kanälen aus dem Gebirge kommt, die Wasserver-
sorgung sicher. Bademöglichkeiten für die Zuschauer gibt es nicht. [...] Die Zuschauer müs-
sen in der Ebene Zelte aufschlagen, die in der prallen Sonne liegen. Im Stadion dürfen keine
Kopfbedeckungen getragen werden. Zur Hitze kommt ein bestialischer Gestank. Nicht allein
mangels sanitärer Anlagen. Auf etwa 70 Altären werden Tieropfer dargebracht, deren Fleisch
in der Regel nicht gegessen werden darf. Es verfault in der Hitze. Dazu kommt die Fliegen-
plage." (Umminger 2000, 31).
Trotz allem waren ,,Sportveranstaltungen [...] das beliebteste Freizeitvergnügen, sie boten
Ablenkung von den täglichen Sorgen." (Olivova 1984, 143).
,,Das Pferderennen war beim Publikum auch deshalb so beliebt, weil es ein ziemlicher Ner-
venkitzel war, ein mit äußerster Spannung geladenes Schauspiel, bei dem es immer wieder
schwere Unfälle gab, wie heute beim Auto- oder Motorradrennen." (Ortkemper 1996, 95).

21
1. Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
Ein weiterer Grund, ist die religiöse Bedeutung der Spiele. Man ehrte durch solch eine Veran-
staltung die Götter und brachte ihnen Opfer dar, da die Bevölkerung glaubte, dass ihre Götter
sie dafür in schweren Zeiten unterstützen würden. Deshalb besuchten auch viele die Spiele, da
diese in eine kultische Prozession miteingebunden waren. Viele kamen als Pilger, um den
Spielen und der Verherrlichung der Götter beizuwohnen.
(Vgl. Weiler 1997, Vogt 1934 und Decker 1995).
Als weiteren Punkt werde ich den Stellenwert der römischen Spiele in Griechenland durch-
leuchten.
c) Der Stellenwert der römischen Spiele in Griechenland
Man begegnet in der Literatur immer wieder Aussagen, die bekräftigen, Gladiatorenkämpfe
wären vom griechischen Volk abgelehnt worden. Nachfolgend werde ich diesen Standpunkt
prüfen.
174 v. Chr. kamen die ersten Gladiatorenspiele unter römischem Einfluß in Griechenland vor.
Diese Spiele fanden entweder in einem dafür eigens erbauten Amphitheater oder in einem
umgebauten griechischen Theater statt (mehr dazu siehe Kapitel ,,Der Einfluß Roms auf die
Olympischen Spiele").
In Griechenland erfuhren Gladiatorenspiele, Tierhetzen und Wagenrennen, letzteres war
schon immer sehr beliebt gewesen, große Begeisterung seitens der Bevölkerung. ,,Hinsicht-
lich der Rolle von venationes
9
und ludi gladiatorii
10
läßt sich für Griechenland kein prinzipiel-
ler Unterschied zu anderen Reichsteilen feststellen. Vieles deutet sogar darauf hin, daß die
römischen Schauspiele den klassischen griechischen Agonen, die natürlich ebenfalls ihren
Platz unter den kaiserzeitlichen Spielen einnahmen, in bezug auf Bedeutung und Publikums-
wirksamkeit zunehmend den Rang abliefen." (Horsmann 1986, 110).
Ein anderes Argument für die Beliebtheit der Gladiatorenspiele war, die Loyalität zum Reich
und gegenüber einzelnen Kaisern zu demonstrieren. Doch nicht alle Hinweise auf ,, ... Gladi-
atorenspiele außerhalb Italiens müssen notwendigerweise als Versuch gesehen werden, den
Römern nachzueifern ..." (Wiedemann 1992, 57f.).
___________________________________________________________________________
9
Jagd; übertragen auf das Töten wilder Tiere in der Arena; venator, Jäger = bestiarius.
Der benutzte antike römische Ausdruck für Tierhetzen.
10
Das ist der antike römische Ausdruck für Gladiatorenspiele.

22
1. Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
Trotz allem ist es nicht zu leugnen, dass Gladiatorenkämpfe in Griechenland sehr beliebt wa-
ren und die Aussage, dass die ,,edlen" Griechen kein Gefallen an den ,,barbarischen" Spielen
gehabt hätten, ist nicht länger haltbar (siehe Horsmann 1986).
Nach dieser Betrachtung der verschiedenen Bedeutungen für die unterschiedlichen Interes-
sengruppen sieht man deutlich, wie eng der Sport im täglichen Leben bzw. mit der Bevölke-
rung verstrickt war.

23
1. Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
1.1.5 Die politische und wirtschaftliche Bedeutung der Spiele
Hier werde ich auf zwei sehr wichtige Punkte eingehen, die Verstrickung der Politik und der
Wirtschaft mit dem Sport, die auch heute bei unseren Spielen kaum an Aktualität einbüßen.
Ähnlich wie die Verbindung mit dem militärischen Apparat, wird auch heute noch die Ver-
strickung der Olympischen Spiele mit der Politik und der Wirtschaft unterschlagen, denn sie
sollen als Vorbild dienen für die heutigen Spiele. Sogleich wird aber auffallen, dass schon vor
über 2000 Jahren diese Verbindung bestand. Meistens bringt man den Aspekt der Politik mit
der Verknüpfung des Sports in Bezug mit der römischen Antike. Doch hier wird schnell klar
werden, dass die Olympischen Spiele genauso eine enge Verbindung zum politischen Apparat
hatten wie auf römischer Seite.
Der Zeitraum, in dem ich mich hier hauptsächlich aufhalten werde, ist genau wie in den vor-
herigen Abschnitten die Zeit bis zur römischen Machtübernahme.
Da aber bisher über diese Thematik viel geschrieben wurde, möchte ich hier nur einen kleinen
Abriss abliefern.
,,Im alten Olympia wurde die Politik zum Sport und der Sport zur Politik, in griechischer Zeit
ebenso wie in der römischen Epoche der Spiele." (Ortkemper 1996, 228).
Dieses Zitat sagt so ziemlich alles ­ Sport war und ist politisch, sogar über die römische
Machtübernahme hinaus, wobei ab diesem Zeitpunkt die politische Bedeutung eher in Bezug
auf die römischen Kaiser eine Rolle spielte.
Aber wie sah nun genau dieser politische Einfluss aus?
Natürlich waren für denjenigen, der sich bei der Bevölkerung beliebt machen wollte, die gro-
ßen Sportveranstaltungen eine ideale Plattform, um für sich fleißig die Werbetrommel zu rüh-
ren und Propaganda zu betreiben. Man wollte schließlich zeigen, welch ein großzügiger Herr-
scher man werden würde. Also wurde Wahlkampf während der Wettkämpfe betrieben, was
eigentlich auch gar nicht so abwegig war, da sich dort sehr viele Menschen versammelten.
,,Das olympische Stadion bot alle vier Jahre eine ideale Wahlkampfarena.", ,, ... weil sich in
Olympia so gut Politik, mit den Olympischen Spielen so wirksam politische Propaganda ma-
chen ließ. Anfangs ging es dabei mehr um Lokalpolitik." (Ortkemper 1996, 135 und 151).
Man nutzte diese ,, ... Popularität, die die Olympischen Spiele verschaffen konnten, hem-
mungslos für seine politischen Ziele aus." (Ortkemper 1996, 151).
Aber nicht nur die Machthungrigen präsentierten sich, auch das Volk drückte Missfallen aus

24
1. Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
über bestehende Herrscher. (Vgl. Weeber 1991, Herz 1986, Weiler 1997, Bengtson 1972 und
Decker 1995).
,,Je stärker sich später im Bewusstsein vieler Griechen die Idee der Demokratie durchsetzte,
um so mehr wurde das olympische Fest zu Demonstrationen gegen eine solche Aristokratie
und besonders gegen die Tyrannen genutzt." (Ortkemper 1996, 164). So haben die Olympi-
schen Spiele auch indirekt zur politischen Bewusstseinsbildung beigetragen.
Manche erfolgreiche Sportler gingen nach ihrer Profi Karriere sogar in die Politik und es kam
häufig vor, dass Athleten gerade deshalb Ämter erhielten, weil sie durch den Sport so populär
geworden waren (siehe Bengtson 1972 und Pleket 2001).
,,Die außergewöhnlichen athletischen Erfolge ebneten dem Schwerathleten anscheinend eine
politische Karriere in seiner Heimat, nachdem er sich vom aktiven Sport zurückgezogen hatte,
und führten dazu, dass er nach dem Tode kultische Verehrung genoß ..." (Decker 1995, 135).
Es war für die Griechen eine Selbstverständlichkeit, einen Sieg innen- wie außenpolitisch
gehörig zu nutzen. ,,Solange die griechischen Staaten keinen Krieg untereinander führten, gab
es keine bessere Gelegenheit, ihre Macht und Stärke zu demonstrieren, als die panhelleni-
schen Sportwettkämpfe." (H. Ortkemper 1996, 129).
(Vgl. Weeber 1991 und Sinn 1996).
,,Der Grieche war nicht nur ein homo politicus, oder, wie Aristoteles sagt, [...] er war auch ein
homo oeconomicus
." (Weiler 1997, 197).
Dies entspricht der Wahrheit, durchforscht man die Literatur, begegnen einem immer wieder
Zitate, die beschreiben, wie wichtig der wirtschaftliche Nutzen der Wettkämpfe war, für den
Einzelnen, aber genauso für die Stadt oder die Region.
,,Die Zuschauer, die aus aller Welt kamen, brachten viel Geld in die elischen Staatskasse."
(Ortkemper 1996, 92). Demgemäss kurbelten die Olympischen Spiele die heimische Wirt-
schaft an, schon allein durch die Versorgung und Unterbringung der Menschenmassen, die
zum Fest anreisten, wurde eine nicht unerhebliche Einnahmequelle geschaffen (siehe Ort-
kemper 1996, Herz 1986, Weiler 1997, Weeber 1991 und Bingler 1986).
,,Künstler und Intelektuelle nutzten die Popularität der Spiele und die weltweite Publizität, die
ein Auftritt in Olympia verschaffen konnte, um besser ins Geschäft zu kommen." (Ortkemper
1996, 197). Daher ,, ... gab es in Griechenland viele Berufsredner, die von Ort zu Ort zogen
und gegen Bezahlung Vorträge hielten oder auf Bestellung verfassten. Solche Rhetoriker tra-
ten auch massenhaft in Olympia auf, denn die Zuschauer dort wollten möglichst rund um

25
1. Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
die Uhr unterhalten werden. Für Entertainer gab es während des Festes viel zu verdienen."
(Ortkemper 1996, 166).
Schon wieder ein weiterer Aspekt, der den ,,Heiligenschein" der antiken Spiele etwas ver-
rückt. ,, ... daß dies, freilich der griechischen Gymnastik etwas von den Idealen (nimmt), das
man im Altertum . . . und in der Neuzeit . . . darin allein gesehen hat'. [...] Es ändert nichts an
den Wurzeln des griechischen Agons, wie sie sich im Mythos zu erkennen geben und hier
wohl nur als eine Spiegelung des Lebens zu verstehen ist. Ruhmsucht, Geltungsbedürfnis und
Streben nach materiellen Gütern sind die eigentlichen Triebkräfte, und das nicht nur in der
frühen Epoche der Griechischen Geschichte Griechenlands." (Weiler 1974, 255).
Auch an den Olympischen Spielen der Neuzeit wird die starke Verbindung zur Politik kriti-
siert. ,,Das Eindringen der Politik in den Sport ist eine der aktuellsten und heikelsten Proble-
me der Olympischen Bewegung." (Mzali 1977, 204).
Die Spiele bringen eben Geld. Dies hat man erst vor kurzem bei der Bewerbung um die O-
lympischen Spiele 2012 gesehen. ,,Frankfurt a. M. träumt von Olympia und vom vielen
Geld.", ,, ... volkswirtschaftlichen Nutzen in Höhe von 4.2 Milliarden Euro ziehen." (www.n-
tv.de 2002).
Daraus erkennt man, Olympische Spiele waren und sind mit Politik und Wirtschaft verstrickt!
Abb. 11 Olympische Legenden. Zeichnung: R. Köhler

26
1. Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
1.2 Die Bedeutungen der römischen Spiele
In diesem neuen Abschnitt werde ich auf die Bedeutung des Sports bei den Römern eingehen.
Dabei werde ich genau die gleichen Faktoren berücksichtigen, die ich bei den Griechen be-
dacht habe, wobei ich mich hier in einem zeitlichen Rahmen ungefähr ab 300 v. Chr. bis 300
­ 400 n. Chr. bewege.
1.2.1 Die militärische Bedeutung der Spiele
Genau wie andere Völker zu jener Zeit befand sich auch das Römische Reich ständig in
Kriegsverwicklungen und damit bestand für die Bevölkerung eine enge Beziehung zu Krieg
und Militär. Doch inwieweit besteht die Verbindung von Militär zum Sport?
,,Die fortwährende militärische Expansion prägte die römische Zivilisation. Sie bildete das
Fundament der Gesellschaft, formte ihre Wertvorstellungen und spiegelte sich in der Körper-
kultur, in den römischen Festen und Spielen" wider (Olivova 1984, 163).
,,So bot der Sport für die Staaten, die sich kein stehendes Heer halten wollten, eine nützliche
und erfreuliche Art, sich indirekt auf einen Krieg vorzubereiten. Die am strengsten militärisch
ausgerichteten Gesellschaften jedoch, Sparta und Rom, bildeten unmittelbar für den Krieg aus
und reduzierten die Rolle des Sports oder verurteilten ihn ganz." (Poliakoff 1989, 143).
Unter anderem fungierten die Sportstätten in zweierlei Hinsicht, ähnlich wie bei den Grie-
chen, als Sportübungsstätte, aber auch als militärischer Ausbildungsort für Jugendliche und
männliche Bürger. Gerade aus Pompeji ist bekannt, dass die Palästren auch als militärische
Übungsstätten für die Jugendlichen gedient hatten. In der ,,Samnitischen Palästra" fanden
Feiern, Siegerehrungen, aber auch Wettkämpfe unter jungen Pompejanern und Treffen von
Erwachsenenvereinigungen mit politisch-militärischem Charakter statt (siehe S.A.P. 2001,
48).
Abb. 12 Große Palästra in Pompeji. Am linken hinteren Bildrand erkennt man das an-
tike Schwimmbad als leicht abfallendes Gelände. Foto N. Knebel

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1. Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
Die Große Palästra aus der Zeit Augustus nutzten die Jugendvereinigungen zur Leibesertüch-
tigung, diese erhielten seitens des Kaisers eine besondere Förderung. Die Jugendvereinigun-
gen hatte Augustus ins Leben gerufen, es war: ,, ... eine Art ,Jugendbewegung' [...] zu deren
Programm ,military exercise and sport' gehörten. Hierin liegt ein wichtiger Beitrag des ersten
Kaisers zur Sportförderung." (Weiler 1988, 270).
Diese Vereinigungen waren genauer: ,, ... Vereine ehemaliger Epheben
11
, freier privater
Gruppen junger Männer, die sich ganz den Leibesübungen widmeten und sowohl athletische
als auch bewaffnete Wettkämpfe veranstalteten." (Poliakoff 1989, 137).
Man sieht ganz deutlich den Zweck, den der Sport als Ausbildungsinhalt erfüllte und zwar als
Vorbereitung für eine erfolgreiche spätere militärische Laufbahn.
Ich verweise an dieser Stelle auf meinen Unterpunkt ,,Die Bedeutung der Spiele als Erzie-
hungsbestandteil bei den Römern", dort werde ich nochmals auf diesen Sachverhalt eingehen.
Diese Sportstätten wurden u. a. auch campus genannt, und enthielten eine Palästra (siehe Fo-
to). Sie waren eindeutig für die militärische Ausbildung junger Männer vorgesehen und lagen
meist in unmittelbarer Nähe des Amphitheaters (vgl. Pompeji), dies war auch ein deutliches
Zeichen dafür, dass sich professionelle lanistae am Waffentraining beteiligten. Trotz allem
waren es getrennte Einrichtungen (siehe Wiedemann 1992).
Hierbei erkennt man auch die enge Verbindung zwischen dem Gladiatorenwesen und der mi-
litärischen Vorbereitung, da der lanistae der Chef einer Gladiatorentruppe war. Außerdem
besaßen die Gladiatoren eine am militärischen Vorbild ausgerichtete Organisation und Hie-
rarchie (siehe Junkelmann 2000). Die Gladiatorentypen und deren Bewaffnung und Kampf-
technik entstanden nach militärischen Gesichtspunkten. In späteren Jahren wurden aber auch
noch neue Kampfarten hinzugefügt (siehe Nyáry 1982).
Doch wurden die Gladiatoren bis auf ein paar Ausnahmen fast nie für militärische Interventi-
onen benutzt. Ein Beispiel für einen ihrer Militäreinsätze war der Markomannenkrieg
12
, dort
wurden sie ins Heer eingereiht und kämpften als eigene Truppe unter dem Namen ,,Die Ge-
horsamen" (siehe Hofling 1987).
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11
Jüngling zwischen 18 und 20 Jahren, Ausdruck kommt von Griechenland.
12
Die Markomannen waren ein Germanenstamm. Der Krieg war 166 ­ 175 n. Chr. unter
römischer Herrschaft des Kaisers Marc Aurel, er endete nach langen Kämpfen mit
römischen Siegen.

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1. Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
Ein anderes Mal in der frühen Kaiserzeit waren Gladiatoren in gewalttätige Aufstände verwi-
ckelt und im Jahre 21 n. Chr. wurde der gallische Aufstand des Sacrovir von Gladiatoren un-
terstützt. Aber auch an den Bürgerkriegen von 69 n. Chr. wurden kaiserliche Gladiatoren zum
Kämpfen eingesetzt (siehe Wiedemann 1992).
Es kam sogar vor, dass römische Befehlshaber gelegentlich Gladiatorenausbilder, die lanistae,
zur Ausbildung von Rekruten einsetzten, dies ist erstmals für das Jahr 105 v. Chr. nachweis-
bar (siehe Wiedemann 1992).
Ein anderes Zitat, das des öfteren genannt wird, um eine der Bedeutungen der Gladiatoren-
kämpfe zu unterstreichen, ist: ,, ... dass die Römer, wenn sie in den Krieg ziehen, sich Kämp-
fe, Wunden und Waffen anschauen mussten sowie ungeschützte Männer, die sich gegenseitig
angreifen, so dass sie sich nicht vor bewaffneten Kriegsgegnern fürchten würden oder sich
vor Wunden und Blut ängstigten." (Wiedemann 1992, 54).
Doch gab es hier genauso wie in Griechenland Kritiker, die diese Art von militärischem Trai-
ning als sinnlos empfanden. ,,Das indirekte militärische Training, welches die Palästra vermit-
teln konnte, erschien den Römern als nutzlose Zeitverschwendung. Selbst Cicero, der der
griechischen Kultur keinesfalls feindlich gegenüberstand, hielt die Übungen der Epheben als
Kriegsvorbereitung für absurd." (Poliakoff 1989, 142 f.). Auch maßen die Römer den athleti-
schen Wettbewerben keinen Wert in Kriegszeiten bei.
Doch die Verknüpfung zum Krieg bestand immer. ,,Römische Schauspiele waren eine öffent-
liche Demonstration von Macht und diese Macht war in erster Linie militärische Macht."
(Wiedemann 1992, 13).
Man muss bedenken, die meisten Wettkämpfe dienten als Vorbereitung für den Krieg oder
wurden nach erfolgreich durchgeführtem Krieg veranstaltet. Dies wiederum vergrößerte den
bestehenden Festkalender, da viele Feldherren Spiele stifteten, um ihre Siege zu feiern. ,,Eine
letzte Welle von Spielgründungen gab es im ersten Jahrhundert v. Chr. Sie ging einher mit
dem Aufstieg von Generälen, die ihre persönliche Macht mehren wollten." (Thuillier 1999,
38).
Aber auch die Kaiser führten neue Feste ein, so z. B. die Aktia
13
, die gefeiert wurde, um den
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13
31 v. Chr. war die Schlacht bei Actium. Es kämpften die Heere des Augustus gegen
Antonius, der sich mit Ägypten verbündet hat. Antonius wurde geschlagen. Daraufhin
wurde Ägypten römische Provinz.

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1. Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
Sieg vor Actium in Erinnerung zu bewahren. Dieser Wettkampf nach griechischer Sitte fand
in Griechenland statt (siehe Thuillier 1999).
Abb. 13 Das römische Odeion in Nikolpolis, 1. Jh. v. Chr. bis 2. Jh. n. Chr. In Nikopolis
fanden die Aktia statt. Foto Alfio Garozzo/Archivio White Star
,,Obwohl Triumphspiele durch den römischen Senat bewilligt werden mussten, wurden sie
von dem Feldherrn gestiftet, der den Sieg errungen hatte; er finanzierte die Spiele normaler-
weise durch die Kriegsbeute und der Dank für die Veranstaltung galt ihm ..." (Wiedemann
1992, 13). ,,Nach einiger Zeit lösten sich diese Spiele, ludi genannt, von der Siegesfeier des
Triumphes ab und wurden zur bloßen Unterhaltung. Später wurden ludi zum Allgemeinbeg-
riff für Freizeit und Vergnügen." (Olivova 1984, 168).
Vgl. Ariès & Durby 1989 und Krebs 2002.
Man sieht bei den Römern, genauso wie bei den Griechen, dass der Sport eine militärische
Bedeutung besaß, die nicht zu leugnen ist, wobei man diese Verbindung bei den Römern noch
eher vermutete als bei den Griechen.

30
1. Die Bedeutungen der Spiele im Altertum
1.2.2 Die Bedeutung der Spiele als Erziehungsbestandteil
Nachfolgend gehe ich auf die Verankerung des Sports in die römische Erziehung ein. Aber
nicht nur auf den Sachverhalt, dass die Jugendlichen Sport aktiv in ihrer Ausbildung ausübten,
sondern auch auf die Frage, welchen Einfluss die Gladiatur als Erziehungsfaktor hatte. In die-
sem Kontext möchte ich hier den Einfluss der Griechen auf die römische Erziehung untersu-
chen.
Bei den Römern war der Sport Bestandteil der Erziehung der jungen römischen Adligen.
Auch hier war der Bezug zum Krieg allgegenwärtig. Man benutzte die sportliche Erziehung
als Vorbereitung für den Krieg, da gerade die jungen Aristokraten oft eine Laufbahn als Offi-
zier einschlugen (siehe Thuillier 1999).
Das Gladiatorenwesen soll dazu beigetragen haben die Jugend abzuhärten und auf den grau-
samen Krieg vorzubereiten.
,, ... römische Patrioten begannen, sich zu sorgen, die Jugend ihres Volkes könne durch die
ständig wachsende Distanz zwischen ihrer Heimat und den Kriegsschauplätzen allmählich ihr
Interesse an Waffen und Soldatentum verlieren. So schienen diesen Patrioten die Gladiatoren-
spiele ein wirksames Mittel gegen die befürchtete Verweichlichung der Römer zu sein. Die
Mitleidlosigkeit, mit der die Zuschauer die Leiden der Männer in der Arena beobachteten, galt
Senatoren und Rittern als beruhigendes Zeichen dafür, daß auch ihre Söhne hart genug sein
würden, neue Länder zu erobern und fremde Völker zu unterdrücken." (Nyáry 1982, 27f.).
,,Doch in Wirklichkeit wurden solche patriotischen Motive nur vorgeschützt ­ die meisten
Römer gingen zu den Gladiatorenspielen aus der gleichen Sensationslust, die Menschen des
zwanzigsten Jahrhunderts zu Boxkämpfen und Autorennen treibt." (Nyáry 1982, 28).
Aber die Gladiatorenschule war durchaus eine Art ,,Sportschule", in der man lernte zu kämp-
fen und sich zu verteidigen (siehe Fischer & Ziegenspeck 2000).
Abb. 14 Im Vordergrund sieht man das ,,Grosse Theater" aus dem 2. Jh. v. Chr. im
Hintergrund erkennt man die Gladiatorenkaserne, Pompeji. Foto N. Knebel

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
2004
ISBN (eBook)
9783832481117
ISBN (Paperback)
9783838681115
Dateigröße
2.8 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg – Sportwissenschaft
Note
1,3
Schlagworte
olympische spiele gladiatoren wagenrennen untergang kritik
Produktsicherheit
Diplom.de
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Titel: Der Stellenwert und die Entwicklung der Spiele in der Antike
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