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Untersuchungen zur Sorption von TNT-Metaboliten an Ringpolymeren

©2003 Diplomarbeit 107 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Mit der zunehmenden Sensibilisierung der Bevölkerung und der Politik für Umweltprobleme gewinnt die Entsorgung und Vernichtung von Militärchemikalien immer mehr an Bedeutung. Seit Mitte der achtziger Jahre entstand ein immer größeres Spektrum von Aufgaben, angefangen bei der abrüstungs- oder altersbedingten Vernichtung von Kampfmitteln und der Reinigung von Produktionsabfällen bis zur Sanierung von Rüstungsaltlasten aus vergangenen Kriegen.
In der Bundesrepublik Deutschland liegt die Hauptproblematik bei den Rüstungsaltlasten aus den beiden Weltkriegen, deren häufigster und persistentester Kontaminant das 2,4,6-Trinitrotoluol (TNT) ist. Seine Giftigkeit ist beträchtlich, aber nicht so gravierend wie die Giftigkeit der Kampfgase.
Allein während des Zweiten Weltkrieges wurden in Deutschland ca. 0,8 Millionen Tonnen an TNT produziert. Da die Produktion vorwiegend unter Kriegsbedingungen stattfand, wurden Sicherheitsmaßnahmen weitgehend vernachlässigt. Dies hatte eine erhebliche Kontamination der Produktionsanlagen und deren Umgebung mit TNT und den Nebenprodukten seiner Herstellung zur Folge. Im Deutschen Reich gab es neun große Sprengstoffwerke mit einer TNT-Monatsproduktion von mehr als 1000 Tonnen. Daneben gab es noch 60 weitere Werke, die TNT erzeugt oder verfüllt haben.
Ehemals militärisch genutzte Liegenschaften und Produktionsstätten können u. U. eine ernstzunehmende Bedrohung für unsere Umwelt und unser Grundwasser darstellen. Diese Altlasten werden u. a. dann zu einer konkreten Gefährdung der menschlichen Gesundheit, wenn sie in Frischgewässer eindringen und dieses für die Gewinnung von Trinkwasser verwendet wird.
Bei der Produktion von TNT wurden zur Kühlung des Reaktionsprozesses und zur Reinigung des Endproduktes ca. 260-300 Kubikmeter Wasser pro Tonne TNT benötigt. Davon fiel etwa 40 Kubikmeter als stark belastetes Abwasser aus der Reinigung der Zwischenprodukte und der Sulfitwäsche an. Wegen des hohen Wasserbedarfs lagen diese Werke in Gebieten mit hohem Grundwasservorkommen, die noch heute zur Trinkwassergewinnung genutzt werden.
Die Belastung dieses Abwassers war z.T. so groß, dass sich die Schadstoffe nach Neutralisation der sauren Lösung als Schlamm abschieden. Dieser sogenannte Neutralisationsschlamm wurde überwiegend auf ungesicherten Halden deponiert. Das kontaminierte Wasch- und Kühlwasser wurde ohne weitere Behandlung in nahegelegene Gewässer geleitet oder versickert. Nebenbei kam es darüber […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Danksagung

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungen

1 Einleitung und Problemstellung

2 Allgemeiner Teil
2.1 Polymere räumlich globularer Struktur (RGS-Polymere)
2.1.1 Vorteile der RGS-Polymere gegenüber herkömmlichen Adsorbentien
2.1.2 Wirkungsprinzip der RGS-Polymere
2.1.3 Verwendete Typen von RGS-Polymeren
2.1.4 Adsorbate: Sprengstoffe der „15er-Liste Elsnig“
2.2 Rüstungsaltlasten
2.3 2,4,6-Trinitrotoluol
2.3.1 Herstellung

2.4 Umweltchemie von TNT
2.4.1 Emissionen am Rüstungsaltlastenstandort WASAG Elsnig
2.4.2 Exposition: Persistenz und Reichweite
2.4.3 Wirkung: Toxikologie
2.4.4 Mikrobieller Abbau
2.4.5 Photolyse
2.5 Sanierungsmethoden
2.5.1 Die Sanierung von TNT-belasteten Böden
2.5.2 Die Aufreinigung von TNT-belasteten Abwässern
2.6 Bestimmung von sprengstofftypischen Verbindungen
2.6.1 Laboranalytische Methoden
2.6.2 Analysen im Feld / Schnellmessmethoden
2.7 Theoretische Grundlagen zu Adsorptionsfiltern
2.7.1 Adsorptionsgleichgewichte
2.7.2 Adsorptionsisothermen
2.7.3 Adsorptionskinetik
2.7.4 Durchbruchskurven
2.8 Statistische Grundlagen

3 Untersuchung der Sorption von TNT-Metaboliten an Ring- polymeren
3.1 Voruntersuchungen
3.1.1 Auswahl der RGS-Polymere und der zu untersuchenden sprengstofftypischen Verbindungen
3.1.2 Adsorptionskapazitäten im dynamischen Regime: Fließversuche im Kreislauf
3.1.3 Validierung der Messmethoden zur quantitativen Bestimmung der ausgewählten sprengstofftypischen Verbindungen
3.1.4 Nachweisgrenzen der verwendeten Methoden
3.2 Sorptionsuntersuchungen von sprengstofftypischen Verbindungen an RGS-Polymeren
3.2.1 Durchführung der Fließversuche mit anschließender Regenerierung
3.2.2 Reproduzierbarkeit der Fließversuche
3.2.3 Fließversuche mit unterschiedlichen Durchflussraten
3.2.4 Fließversuche mit unterschiedlichen Adsorbatkonzentrationen
3.2.5 Fließversuche mit unterschiedlichen sprengstofftypischen Verbindungen
3.2.6 Fließversuche mit der Modelllösung
3.2.7: Konkurrierende Adsorption:
3.2.8 Optimierung der Fließversuche
3.3 Desorptionsversuche
3.3.1 Auswahl des Lösungsmittels zur Regeneration
3.3.2 Durchführung der Elution im Batch-Verfahren
3.3.3 Optimierung der Elution
3.3.4 Ergebnisse der Elutionsversuche

4 Diskussion der Ergebnisse
4.1 Beurteilung der Ergebnisse
4.1.1 Güteziffern der verwendeten Analysenmethoden
4.1.2 Reproduzierbarkeit der Fließversuche
4.1.3 Fließversuche mit unterschiedlichen Durchflussraten
4.1.4 Fließversuche mit unterschiedlichen Konzentrationen
4.1.5 Fließversuche mit unterschiedlichen sprengstofftypischen Verbindungen
4.1.6 Fließversuche mit Modelllösungen
4.1.7 Konkurrierende Adsorption.
4.1.8 Untersuchung der Patronen auf lokale Durchbrüche
4.1.9 Desorptionsversuche
4.2 Ausblick

5. Verwendete Materialien
5.1 Geräte
5.2 Chemikalien und Adsorbentien

6 Zusammenfassung

7 Literaturverzeichnis

Danksagung

Die vorliegende Arbeit wurde in der Zeit vom September 2002 bis Februar 2003 im Arbeitskreis von Herrn Prof. Dr. J.A.C. Broekaert am Institut für Anorganische und Angewandte Chemie der Universität Hamburg durchgeführt.

Herrn Prof. Dr. Broekaert danke ich herzlich für die Unterstützung bei der Durchführung der vorliegenden Arbeit, seine wissenschaftliche Förderung sowie für das Vertrauen und die weitgehenden Freiheiten, von denen mein Arbeiten geprägt war.

Für die freundliche Übernahme des Korreferates möchte ich Herrn Prof. Dr. Rehder ebenso meinen Dank aussprechen.

Allen Mitarbeitern des Arbeitskreises danke ich für die angenehme und freundschaftliche Arbeitsatmosphäre bei der Erstellung der Diplomarbeit und die herzliche Aufnahme in ihren Reihen. York Zimmermann danke ich dafür, dass er bei auftretenden Schwierigkeiten jeglicher Art hilfreich zur Seite gestanden hat. Meinem „Uni-Nachbar“ Heiko Schneider danke ich für die vielen guten Gespräche beim gemeinsamen Essen in der Mensa. Meiner Mutter (Vater verstorben) und meiner Verwandtschaft möchte ich für die moralische und finanzielle Unterstützung über alle Phasen meines Studiums herzlichst danken.

Ein besonderer Dank gilt meinem Herrn und Heiland Jesus Christus, der nunmehr seit 14 Jahren der Mittelpunkt meines Lebens ist.

Hiermit erkläre ich, die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel verwendet zu haben.

Francis Hilscher

Hamburg, den 2. April 2003

Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung und Problemstellung

Mit der zunehmenden Sensibilisierung der Bevölkerung und der Politik für Umweltprobleme gewinnt die Entsorgung und Vernichtung von Militärchemikalien immer mehr an Bedeutung. Seit Mitte der achtziger Jahre entstand ein immer größeres Spektrum von Aufgaben, angefangen bei der abrüstungs- oder altersbedingten Vernichtung von Kampfmitteln und der Reinigung von Produktionsabfällen bis zur Sanierung von Rüstungsaltlasten aus vergangenen Kriegen.

In der Bundesrepublik Deutschland liegt die Hauptproblematik bei den Rüstungsaltlasten aus den beiden Weltkriegen, deren häufigsterund persistentester Kontaminant das 2,4,6-Trinitrotoluol (TNT) ist. Seine Giftigkeit ist beträchtlich, aber nicht so gravierend wie die Giftigkeit der Kampfgase.

Allein während des Zweiten Weltkrieges wurden in Deutschland ca. 0,8 Millionen Tonnen an TNT produziert. Da die Produktion vorwiegend unter Kriegsbedingungen stattfand, wurden Sicherheitsmaßnahmen weitgehend vernachlässigt. Dies hatte eine erhebliche Kontamination der Produktionsanlagen und deren Umgebung mit TNT und den Nebenprodukten seiner Herstellung zur Folge. Im Deutschen Reich gab es neun große Sprengstoffwerke mit einer TNT-Monatsproduktion von mehr als 1000 Tonnen. Daneben gab es noch 60 weitere Werke, die TNT erzeugt oder verfüllt haben [ , ].

Ehemals militärisch genutzte Liegenschaften und Produktionsstätten können u. U. eine ernstzunehmende Bedrohung für unsere Umwelt und unser Grundwasser darstellen. Diese Altlasten werden u. a. dann zu einer konkreten Gefährdung der menschlichen Gesundheit, wenn sie in Frischgewässer eindringen und dieses für die Gewinnung von Trinkwasser verwendet wird.

Bei der Produktion von TNT wurden zur Kühlung des Reaktionsprozesses und zur Reinigung des Endproduktes ca. 260-300 Kubikmeter Wasser pro Tonne TNT benötigt. Davon fiel etwa 40 Kubikmeter als stark belastetes Abwasser aus der Reinigung der Zwischenprodukte und der Sulfitwäsche an. Wegen des hohen Wasserbedarfs lagen diese Werke in Gebieten mit hohem Grundwasservorkommen, die noch heute zur Trinkwassergewinnung genutzt werden.

Die Belastung dieses Abwassers war z.T. so groß, dass sich die Schadstoffe nach Neutralisation der sauren Lösung als Schlamm abschieden. Dieser sogenannte Neutralisationsschlamm wurde überwiegend auf ungesicherten Halden deponiert. Das kontaminierte Wasch- und Kühlwasser wurde ohne weitere Behandlung in nahegelegene Gewässer geleitet oder versickert. Nebenbei kam es darüber hinaus bei Unfällen, Zerstörung durch Bombardierungen und Demontage der Betriebsanlagen zur weiteren Freisetzung erheblicher Schadstoffmengen.

Auch heute noch sind an den ehemaligen Produktionsstandorten wegen der hohen Persistenz der eingetragenen Schadstoffe Boden und Grundwasser mit großen Mengen an TNT und anderen nitroaromatischen Verbindungen (sog. STV: Sprengstofftypische Verbindungen) belastet. Wegen der geringen Flüchtigkeit von TNT erfolgt die Ausbreitung in der Umwelt hauptsächlich über den Wasserpfad. Die Trinkwasserversorgung ist seit Beginn der Produktion von TNT durch den Eintrag in das Grundwasser gefährdet.

Die ersten Versuche, das Gefährdungspotential der Rüstungsaltlasten zu verringern, waren Maßnahmen zur Verringerung des Schadstoffaustrags in das Grundwasser. Anfangs beschränkte man sich auf das Abdecken hochkontaminierter Flächen, um eine Auswaschung der Schadstoffe durch Regenwasser zu verhindern. Diese sehr einfachen Methoden zur hydraulischen Sicherung von Altlasten sind in der Zwischenzeit durch aufwendigere Verfahren ersetzt worden. In Standorten wie z. B. Stadtallendorf, Hessisch-Lichtenau oder Elsnig/Torgau wird über Drainageleitungen das Grundwasser aus kontaminierten Bereichen abgepumpt und durch Filter aus Aktivkohle gereinigt. Der Austrag von TNT aus der Oberfläche wird durch die geringe Wasserlöslichkeit und die Sorption an Bodenbestandteilen limitiert und erfolgt nur sehr langsam [ , ], weshalb diese z.T. sehr kostenintensiven Maßnahmen zur Sicherung der Standorte auch langfristig fortgesetzt werden müssen, um die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung weitestgehend zu minimieren.

Heute geschieht die Reinigung von sprengstoffkontaminierten Wässern hauptsächlich mit Hilfe von Adsorption an Aktivkohle. Die Verfahren müssen dabei folgenden Anforderungen genügen:

- Eliminierung aller im Wasser befindlichen Schadstoffe
- Niedrige Investitions- und Betriebskosten
- Wartungsarmer Betrieb bei hoher Zuverlässigkeit

Um diese Anforderungen besser zu erfüllen, wird rezent auch der Einsatz von Polymeren Räumlich Globularer Struktur (RGS-Polymere, engl. SGS-Polymers, russ. PGS) zur Reinigung von sprengstoffkontaminierten Wässern untersucht. Aufgrund von Vorversuchen [ ] zur Adsorption von STV stellten sich RGS-Polymere zur Reinigung von Grundwässern grundsätzlich als sehr vielversprechend heraus. Die Herstellung und Nutzung von Polymerfiltermaterial räumlich globularer Struktur erfolgte erstmalig Ende der siebziger Jahre [ , 10]. Aufgrund der Struktur der Polymere und deren hohen Porösität kann im Vergleich zur Aktivkohle mit höheren Durchflussgeschwindigkeiten bei der Beseitigung von STV aus kontaminierten Wässern sowie mit einer guten Regenerierbarkeit gerechnet werden.

In einem Verbundvorhaben („GRURUS“, BMBF, Projektträgerschaft: Wassertechnologie, Projekt: „Verfahren zur Reinigung schadstoffbelasteter Wässer am Beispiel einer TNT-Kontamination (FKZ 02 WT 0152-55)), im Rahmen dessen die vorliegende Arbeit durchgeführt wurde, soll die Reinigung von Grund- und Oberflächenwässern mit Hilfe einer alternativen Technik auf der Grundlage dieser RGS-Polymere untersucht werden.

Mit dem Ziel der Verfahrensentwicklung und optimalen Gestaltung des Aufbaus und Betriebs einer Pilotanlage sind Sorptionsuntersuchungen (Adsorption- und Desorption) an RGS-Polymeren unter Berücksichtigung verschiedener Einflussgrößen erforderlich. Die Ermittlung dieser Datenbasis setzt zudem eine zuverlässige, schnelle und nachweisstarke Bestimmung der Schadstoffe in den Modelllösungen voraus. Zu diesem Zweck sollen in der vorliegenden Diplomarbeit die erforderlichen analytischen Verfahren erarbeitet, in ihren Güteziffern optimiert und abgesichert werden. Anhand von Sorptionskurven (Durchbruchskurven) soll das Sorptionsverhalten sprengstofftypischer Verbindungen an RGS-Polymeren untersucht werden. Detailuntersuchungen sollen zudem klären helfen, ob auch solche Sprengstoffe und sprengstofftypischen Verbindungen selektiv aus dem Wasser entfernt werden können, die bei einer Aktivkohlebehandlung nicht oder nur ungenügend erfasst werden. Nach erfolgter Adsorption der Schadstoffe soll zudem die Regenerierbarkeit der RGS-Polymere untersucht und optimiert werden, um letztendlich die Schadstoffkonzentrate einem mikrobiologischen Abbauverfahren zuführen zu können.

2 Allgemeiner Teil

2.1 Polymere räumlich globularer Struktur (RGS-Polymere)

RGS-Polymere sind neuartige Adsorbentien, die in kompakter Form hergestellt werden können. Sie weisen herstellungsbedingt eine räumlich globulare Struktur auf, in der kugelförmige Globuli einer bestimmten Größe und Packung miteinander verbunden sind und ein räumliches, sehr durchlässiges Gerüst bilden [ , ]. Durch diese hochporöse Struktur und der schnellen Austauschkinetik an den Oberflächen der Mikroglobuli können Beladungs- und Regenerationsprozesse (Adsorption und Desorption) bei Geschwindigkeiten bis zu 4000 spezifische Volumen pro Stunde stattfinden. Im Vergleich dazu können bei gekörnter Aktivkohle Adsorptionen nur bei etwa 10 spez. Vol./h durchgeführt werden. Somit sind RGS-Polymere bis zu 400 mal austauschfähiger als bisher verwendete gekörnte Materialien. Dadurch lassen sich für Prozesse auf der Basis von Austauschprozessen entsprechend kleinere Anlagen realisieren. RGS-Polymere sind erstmalig Ende der 70er Jahre im Institut KAZMECHANOBR in Alma-Ata hergestellt worden mit dem Ziel, radioaktiv kontaminierte Lösungen aufzureinigen [6, 10].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Elektronenmikroskopische Aufnahme der

Mikroglobuli (300fache Vergrößerung) [ ]

Durch die Auswahl der Monomere wird bei den Polykondensationsreaktionen bestimmt, welche funktionellen Gruppen sich an der Oberfläche der Polymere befinden. Durch die breite Auswahlmöglichkeit an Gruppen können RGS-Polymere hervorragend als Sorbentien, (Ultra)Filter, Ionentauscher und Demulgatoren eingesetzt werden.

Tab. 1: Struktur und Anwendungsgebiete für eine Reihe von RGS-Polymeren (nach Referenz [9])

Die bislang untersuchten Einsatzgebiete für RGS-Polymere sind:

- Trinkwasseraufreinigung
- Abfallfreie Wasserenthärtung
- Entfernung von gelösten und emulgierten Organika aus wässrigen Lösungen (Demulgation)
- Aufreinigung radioaktiv kontaminierter Wässer [ ]
- Aufreinigung von Abwässern aus der Hydrometallurgie.

Bei der Herstellung lassen sich nicht nur die Oberflächen durch die Wahl der funktionellen Gruppen variieren sondern auch die Poren- und Globuligrößen. Somit lassen sich RGS-Polymere an spezielle Einsatzgebiete anpassen. Die Tab. 1 zeigt eine Gesamtübersicht dieser Einsatzgebiete der verschiedenen RGS-Typen [9].

2.1.1 Vorteile der RGS-Polymere gegenüber herkömmlichen Adsorbentien

Auch herkömmliche, meist gekörnte Ionentauscher und Adsorbentien lassen sich durch die Variation der funktionellen Gruppen und der räumlichen Struktur für den Einsatz in speziellen Einsatzgebieten optimieren. Der wesentliche Vorteil der RGS-Polymere liegt aber in der hohen Durchflussgeschwindigkeit von bis zu den genannten 4000 spezifischen Volumen pro Stunde, bei denen der Austausch betrieben werden kann. Besonders wichtig ist dies für Anwendungen in der Wasserreinigung, wo aufgrund der großen Volumen hohe Durchsätze erforderlich sind. Zudem werden besonders in der Wasserreinigung mehrere Ziele gleichzeitig angestrebt: Es sollen gleichzeitig ionenaustauschende, adsorptive, filtrierende und koaleszente Effekte ausgenutzt werden. Die Polymere haben darüber hinaus den Vorteil, dass sie sich bei der Herstellung beliebig formen und anschließend mechanisch bearbeiten lassen. Dadurch kann die allgemein übliche Säulentechnologie durch den Einsatz von frei in der Flüssigkeit hängende Filterpatronen ersetzt werden.

2.1.2 Wirkungsprinzip der RGS-Polymere

Ein Vergleich der Merkmale von RGS-Polymeren mit denen von herkömmlichen Adsorbentien, die ebenfalls zur Wasserreinigung verwendet werden können, soll die Anwendbarkeit der RGS-Polymere bei hohen Durchflussgeschwindigkeiten erklären helfen [ ].

Zu den herkömmlichen Adsorbentien gehören u.a. Lewatit OC 1066, Lewatit EP 63, Ambersorb 563 und die Aktivkohle Silicarbon S835 [ , ]:

Tab. 2: Materialeigenschaften polymerer Adsorberharze und Aktivkohle im Vergleich zu RGS-Polymeren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

*mit BET-Methode bestimmt

Die beiden Lewatit-Typen werden durch Polymerisation von Styrol/Divinylbenzol hergestellt. Lewatit OC 1066 ist dabei makroporös vernetzt, Lewati EP 63 ist mikroporös vernetzt und hat eine mit der von Aktivkohle vergleichbaren Oberflächengröße. Ambersorb 563 wird nach einem patentgeschützten Pyrolyseverfahren der Fa. Rohm und Haas [13]) hergestellt. Obwohl es mikroporös ist, hat es eine relativ geringe innere Oberfläche.

RGS-Polymere haben nicht nur ein größeres Porenvolumen und eine große Variations- möglichkeit der Porendurchmesser, sondern sie haben vor allem einen um den Faktor 100 kleineren Korndurchmesser. Um die Bedeutung des Korndurchmessers besser zu verstehen, muss die Kinetik der Adsorption am Korn näher betrachtet werden [ ](siehe dazu auch Kap.2.7.3 Adsorptionskinetik):

Die Zeit bis zur Gleichgewichtseinstellung wird durch die zu überwindenden Widerstände beim Stoffübergang aus der Lösung an die Sorptionszentren bestimmt. Der zeitliche Ablauf eines Sorptionsprozesses beinhaltet vier aufeinanderfolgende Teilschritte:

1. Transport des Adsorbats aus der freien Lösung an den Rand eines Grenzfilms (Filmschicht) um das Korn.
2. Transport durch die Filmschicht zur Kornoberfläche (Filmdiffusion/ Filmschichtkinetik).
3. Transport in das Korninnere (Korndiffusion) infolge von Diffusion in der Porenflüssigkeit (Porendiffusion) und/oder Diffusion im adsorbierten Zustand entlang der inneren Oberfläche (Oberflächendiffusion).
4. Energetische Wechselwirkung (Chemi- oder Physisorption) mit den aktiven Zentren der Oberfläche.

Die Filmdiffusion, die Porendiffusion und die Oberflächendiffusion sind die geschwindig- keitsbestimmenden Schritte. Eine Erhöhung der Durchflussgeschwindigkeit bewirkt eine Verringerung der Dicke der Filmschicht und beschleunigt damit die Filmdiffusion. Die anderen Diffusionsschritte bleiben davon unbeeinflusst. Sie sind unabhängig von den hydrodynamischen Bedingungen. Der Kornradius dagegen, der hier als wesentliches Unterscheidungsmerkmal der RGS-Polymere zu anderen Adsorberharzen herausgestellt wurde, wirkt über die Veränderung der Stoffaustauschfläche und des Diffusionsweges im Korninneren sowohl auf die Film- als auch auf die Korndiffusion hin.

Die Geschwindigkeit der Adsorption wird bei herkömmlichen gekörnten Ionentauschern bestimmt durch die Korndiffusion (Gelkinetik), sodass die Austauschgeschwindigkeiten begrenzt sind. Dagegen ist die Kinetik der RGS-Polymere infolge ihres 100 mal kleineren Kornradius durch die Filmschichtkinetik bestimmt. So ist die relative Austauschgeschwindigkeit umgekehrt proportional dem Kornradius. Bei der Gelkinetik dagegen ist die Geschwindigkeit proportional dem Quadrat des Kornradius. Da sich die Radien um den Faktor 100 unterscheiden, können Austauschprozesse bei RGS-Materialien somit 100 mal schneller verlaufen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Kurve 1- 841; 2- 1402; 3- 2103; 4- 3645; 5- 4205 spez. Vol./h [9]

Abb. 2: Durchbruchskurven für Cs+ bei verschiedenen Durchflussgeschwindigkeiten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In Abb. 2 wird für den Ionenaustauschprozess von Cs+ an einem RGS-Polymer die Durchbruchskurve wiedergegeben. Es is deutlich, dass mit der Durchflussgeschwindigkeit die Steilheit der Kurve wächst und damit auch die Effektivität der Entfernung des Cäsiums aus der Lösung. Die Kapazität des Austausches für Cäsium ändert sich dagegen nicht. Somit liegt ein rein kinetischer Effekt vor.

Weiterhin haben RGS-Polymere gegenüber der Aktivkohle den Vorteil, dass sie sehr leicht regenerierbar sind. Aktivkohle kann nur chemisch oder thermisch regeneriert werden. Zudem kommt es bei der Aktivkohleadsorption zu Kapazitätseinbußen infolge einer Vorbeladung mit organischen Störstoffen sowie zu irreversiblen Adsorptionen.

2.1.3 Verwendete Typen von RGS-Polymeren

Für die beschriebenen Versuche wurden die Polymertypen RGS 110 und RGS 11 verwendet, welche die in Abb. 3 angegebenen Bausteine enthalten. Die Längen der Kohlenstoff- verbindungsketten können dabei durchaus variieren:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Monomere für die RGS-Polymere 11 und 110

2.1.4 Adsorbate: Sprengstoffe der „15er-Liste Elsnig“

In der sogenannten „15er-Liste Elsnig“ wird eine Auswahl von häufig vorkommenden Sprengstoffen und deren Metaboliten in den Altlasten der WASAG /Elsnig getroffen. Insgesamt konnten auf diesem Gelände aber fast 50 Nitroaromaten, Nitramine, Nitrophenole und Chlornitrophenole nachgewiesen werden [ ].

Abb. 4: „15er-Liste Elsnig“ [15]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 3: Stoffdaten L (Löslichkeit), log POW (Oktanol-Wasser-Verteilungskoeffizient) und M (Molmasse) für die Stoffe der „15er-Liste Elsnig“ [ , ]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Oktanol-Wasser-Verteilungskoeffizient (log POW) ist ein Maß für die Hydrophobizität und korreliert weitgehend mit anderen Eigenschaften wie der Wasserlöslichkeit, Membranpermeation, Retention an RP-Phasen etc.. Daten zur Löslichkeit von TNT müssen mit Vorsicht betrachtet werden. Sie ist u.a. von der Korngröße der Substanz abhängig [3]. Weitere Daten zur Toxizität, Mobilität, Akkumulierbarkeit etc. sind ebenfalls in der angegebenen Literatur zu finden und werden nachfolgend behandelt.

2.2 Rüstungsaltlasten

Zum Begriff der Rüstungsaltlast gibt es bislang keine gesetzlich verankerte Definition. In der Literatur sind aber die folgenden Begriffsabgrenzungen allgemein gebräuchlich und anerkannt:

- Altlasten sind Altstandorte und Altablagerungen, von denen Gefährdungen für die Umwelt und insbesondere für die menschliche Gesundheit ausgehen oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind.
- Altlasten, bei denen das Gefährdungspotential von Boden-, Wasser- und Luftverunreinigungen durch Chemikalien von chemischen Kampfmitteln ausgeht, werden als Rüstungsaltlasten bezeichnet [ ]. Bei den kontaminationsauslösenden Stoffen handelt es sich u.a. um Sprengstoffe, chemische Kampfstoffe (z.B. Giftgase), Brand-, Nebel- und Rauchstoffe, produktionsbedingte Vor-, Neben- und Abfallprodukte, Rückstände aus der Vernichtung chemischer Kampfmittel usw..
- In Anlehnung an die zivilen Altlasten sind militärische Altlasten Altstandorte der Militärproduktion und des Militärbetriebs, sofern von ihnen Gefährdungen für Mensch und Umwelt ausgehen oder zu erwarten sind. Ihr Gefährdungspotential ist deutlich geringer als das der Rüstungsaltlast, da es sich vorwiegend um mineralölkontaminierte Tanklager, Tankstellen, Flugplätze und Manövergelände handelt. Sie stellen aber zahlen- und flächenmäßig den Großteil der Altlasten dar.
- Altstandorte der Militärproduktion sind Grundstücke stillgelegter Anlagen zur Entwicklung, Herstellung, Lagerung und Vernichtung von militärischen Ausrüstungsgütern.
- Altstandorte des Militärbetriebs sind Grundstücke stillgelegter militärischer Anlagen zur Erprobung und Anwendung von militärischen Ausrüstungsgütern [ ].

Nach einer Aufstellung von Preuß und Wiegand [2] sind mehr als 2000 solcher Rüstungsaltlasten in der Bundesrepublik bekannt. Das Umweltbundesamt kommt in seiner 1996 aktualisierten Erhebung auf 3240 Rüstungsaltlastenstandorte oder Rüstungsaltlast-verdachtsstandorte [18].

2.3 2,4,6-Trinitrotoluol

TNT war und ist der bedeutendste und der am meisten produzierte Sprengstoff überhaupt. Allein im Deutschen Reich wurden während der letzten Kriegjahre mehr als 300.000 Tonnen an TNT jährlich produziert [ ]. Er ist ein besonders handhabungssicherer, stoßunempfindlicher Explosivstoff, der sich leicht vergießen lässt und durch Initialsprengstoffe zur Detonation gebracht wird [ ]. Unrein wurde er erstmals 1863 von Wilbrand synthetisiert, Hepp stellte 1880 die reine Verbindung her. Ab 1900 erfolgte die großtechnische Produktion [20].

2.3.1 Herstellung

Großtechnisch wird TNT durch die dreifache Nitrierung des Toluols hergestellt. Die Einführung der drei Nitrogruppen erfolgt in drei Einzelschritten. Dabei muss für jede Nitrierungsstufe die Reaktionstemperatur und die Nitriersäurekonzentration gesteigert werden, da durch den elektronenziehenden Charakter der Nitrogruppe der Aromat für weitere elektrophile Substitutionen desaktiviert wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Reaktionsprodukte bei der Produktion von TNT aus Toluol

Für den dritten Nitrierungsschritt von den Dinitrotoluolen (DNT) zum TNT wird ein Gemisch von konzentrierter Salpetersäure und konzentrierter Schwefelsäure als Nitriersäure verwendet. Die aus diesem Prozessschritt verbliebene schwächere Säure wird anschließend für die zweite Nitrierung verwendet usw.. Obwohl durch die sterischen Effekte der Substituenten die Bildung des symmetrischen 2,4,6-TNT gefördert wird, entstehen auch unsymmetrisch substituierte Nebenprodukte (Abb. 5). In der sog. Sulfitwäsche wird zur Entfernung dieser Nebenprodukte das Produktgemisch mit einer 20%-igen Natriumsulfitlösung behandelt. Dabei wird die nichtsymmetrisch angebrachte Nitrogruppe durch eine Sulfonatgruppe substituiert [ ]. Die dabei gebildeten Dinitrosulfonate sind gut wasserlöslich und werden zusammen mit noch vorhandenen Nitriersäureresten und Nebenprodukten wie den Trinitrobenzoesäuren ausgewaschen. Für diese Waschvorgänge wurden enorme Mengen Wasser benötigt. Demzufolge fallen pro Tonne TNT rund 40 Kubikmeter stark belastetes Abwasser an.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Sulfitwäsche von 2,3,4-TNT

Neben dem 2,4,6-TNT gehören einige Verbindungen aus der Klasse der Nitramine zu den im Zweiten Weltkrieges aber auch noch in unserer Zeit viel verwendeten Sprengstoffen. Dabei handelt es sich um nitrierte Amine, die durch Reduktion von sekundären Aminen mit Salpetersäure gewonnen werden. Der wichtigste Sprengstoff dieser Verbindungsklasse ist Hexogen (RDX). Während des Zweiten Weltkrieges wurden davon in Deutschland bis zu 2.800 Tonnen monatlich hergestellt. Bei der Herstellung fällt bis zu 6% Octogen (HMX) als Nebenprodukt an [22].

2.4 Umweltchemie von TNT

Um das Gefahrenpotential einer Chemikalie für Mensch und Umwelt anzugeben, werden die folgenden drei Kriterien herangezogen [44]:

1. Die Emission: Welche Mengen sind in die Umwelt gelangt.
2. Die Exposition berücksichtigt die Persistenz und die Reichweite eines Stoffes über einen längeren Zeitraum.
3. Die durch die Exposition hervorgerufene schädigende Wirkung.

2.4.1 Emissionen am Rüstungsaltlastenstandort WASAG Elsnig

Während des Zweiten Weltkrieges gab es neun große Sprengstoffwerke mit einer Monatsproduktion von mehr als 1000 Tonnen. Auf die Problematik eines dieser größten Werke, den Rüstungsaltstandort der Westfälisch-Anhaltinischen Sprengstoff AG (WASAG) in Elsnig, bezieht sich ein Großteil der Untersuchungen der vorliegenden Arbeit. Deshalb soll dieser Standort hier näher beschrieben werden:

Südwestlich der Orte Vogelsang und Elsnig im Kreis Torgau/Sachsen, etwa 4km von der Elbe entfernt, liegt das ehemalige Gelände der WASAG. Hier wurden im Zweiten Weltkrieg Sprengstoffe und Leuchtgranaten für das Heer und die Kriegsmarine produziert. Zwischen 1939 und 1945 wurden etwa 100.000 Tonnen an TNT, 5000 Tonnen an Hexyl und 2600 Tonnen an Hexogen neben großen Mengen an Bariumnitrat und Magnesium hergestellt. Damit zählte Elsnig zu den fünf größten Produktionsbetrieben des Zweiten Weltkrieges. Zugleich ist es aber auch einer der wenigen Standorte in der heutigen Bundesrepublik, an dem Hexogen und Hexyl hergestellt wurden.

Die Anlagen wurden nach 1945 von sowjetischen Truppen demontiert und gesprengt. Zweimal wöchentlich wurden Abfälle auf einem Brandplatz vernichtet und Rückstände auf eine Halde geschoben. Diese Brandplatzhalde weist ein hohes Gefahrenpotential auf. Östlich davon befindet sich nämlich ein altes Drainagesystem, dessen Drainagewasser hochgradig mit STV belastet wird, wie die Untersuchungen von Zimmermann ergaben [71]. Die Analysendaten einer Reihe von STV werden in Tab. 6 auf Seite 39 wiedergegeben.

Darüber hinaus befindet sich in direkter Nähe des WASAG-Geländes die Wassererfassung der Wasserwerke Elsnig I und Mockritz I-IV der Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz GmbH mit einer mittleren Tagesleistung von 100.000 Kubikmetern. Das Wasserwerk Elsnig wurde vorsorglich geschlossen, da mittlerweile im Rohwasser einiger Brunnen Spuren von STV aufgetreten sind [14]. Zu den ersten Sicherungsmaßnahmen gehörte die Aufreinigung des Drainagewassers mittels Aktivkohlereinigung und die Folienabdeckung des Brandplatzes, um weitere Auswaschungen durch Regenwasser zu vermeiden.

Auch in anderen Produktionsanlagen wurden konzentrierte Abwässer in Teichen „zwischengelagert“ oder in Schluckbrunnen verpresst und feste Abfälle offen auf dem Gelände gelagert. Im Werk „Tanne“ bei Clausthal-Zellerfeld beispielsweise sorgte das Einleiten von Abwässern in den Fluss Bremke für ein ausgedehntes Fischsterben bis nach Hannover. Sogar das Wasserwerk in Hannover wurde dabei gefährdet, sodass man sich entschied, 540 000 Kubikmeter Abwässer in Schluckbrunnen zu verpressen [ ].

2.4.2 Exposition: Persistenz und Reichweite

Trotz seiner explosiven Eigenschaften ist 2,4,6-TNT eine sehr stabile Verbindung. Dies ist vor allem auf die sterische Abschirmung des Ringsystems durch die Nitrogruppen und auf ihre stark elektronenziehende Wirkung zurückzuführen. Ein elektrophiler Angriff auf den Ring ist dadurch nicht möglich. Transformationen des TNT finden deshalb zuerst an den Substituenten statt. Nitrogruppen können mikrobiologisch reduziert und die Methylgruppen unter Oxidation decarboxyliert werden. Die Umweltgefährdung nimmt dabei aber in den meisten Fällen nicht ab, da die entstandenen Metabolite ähnliche Toxizitäten wie das Ausgangsprodukt aufweisen [ ]. Diese Prozesse finden zudem in der Natur nur in relativ geringem Umfang statt. Die Persistenz von TNT ist somit groß und es tritt nach wie vor nach über 50 Jahren in hohen Konzentrationen auf den Altlaststandorten auf.

Das Entweichen von TNT über die Gasphase ist infolge des geringen Dampfdruckes von TNT mit 2,7-10-4 Pa bei 20ºC bedeutungslos. Die Wasserlöslichkeit von TNT beträgt 130 mg/L bei 20ºC und ist somit nur gering. So ist TNT vor allen Dingen in Böden als gering mobil einzustufen [25]. Es wird über einen langen Zeitraum in kleinen aber beständigen Mengen aus dem Boden gelöst und gelangt so permanent ins Grundwasser.

Um abschätzen zu können, inwieweit benachbarte Trinkwasserareale durch STV gefährdet sind, muss ihr Migrationsverhaltens erforscht werden. Dazu wurden in den betroffenen Trinkwassererfassungsgebieten Brunnen zur regelmäßigen Probennahme gebohrt. Vorraussagen zur Migration sind nur bei Kenntnis des Retardierungs- und Abbauverhaltens der STV möglich. Der Retardationsfaktor gibt an, um wie viel mal langsamer sich die STV im Vergleich zum Wasser im Boden bewegt [ ]. Die Hauptwirkung hängt mit der Elektronenakzeptoreigenschaft der aromatischen Kohlenwasserstoffe in Wechselwirkung mit den Elektronendonoreigenschaften der mineralischen Böden zusammen. Deswegen gibt es bei Hexogen im Vergleich zu TNT kaum Retardation und Hexogen ist deshalb wegen der hohen Mobilität besonders umweltgefährdend.

Tab. 4: Retardationsfaktoren für einige STV und Wasserlöslichkeiten bei 20˚C [25]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Reichweite hängt mit dem Konzentrationsabfall als Funktion der Entfernung zum Freisetzungsort zusammen. Die Reichweite für TNT ist bei einer Ausbreitung über die Wasserphase sehr groß, wie es durch das Fischsterben vom Harz bis nach Hannover gezeigt wurde [23]. Deshalb werden zur ersten Sicherung von Altlaststandorten die Abwässer oft in Brunnen aufgefangen und über Aktivkohle gefiltert.

2.4.3 Wirkung: Toxikologie

TNT ist für den Menschen akut toxisch. Bei den Arbeitern in Munitionsfabriken kam es immer wieder zu ernsten Beeinträchtigungen der Gesundheit bis hin zum Tod. Besonders bei den unter extrem schlechten Bedingungen arbeitenden Zwangsarbeitern des Zweiten Weltkrieges traten im großen Umfang Gelbsucht, Anämie und Schädigungen des zentralen Nervensystems auf. Als Blutgift wandelt TNT u.a. das Hämoglobin in Methämoglobin um, wodurch der Sauerstofftransport vermindert wird. Die akute Toxizität mit LD50-Werten von 795mg/kg (Ratte) ist relativ gering und stellt bei konsequenter Einhaltung von Sicherheitsbestimmungen kein größeres Problem dar [ ]. Bei chronischer TNT-Exposition dagegen sind schon bei wesentlich geringeren Dosen Schädigungen der Gesundheit zu beobachten. Versuchshunde zeigten schon nach 26 Wochen bei Dosen von 0,5mg TNT/kg Körpergewicht x Tag Schäden an der Leber auf.

Für die toxikologische Bewertung von umweltrelevanten TNT-Konzentrationen ist besonders zu berücksichtigen, dass TNT im AMES-Test mutagen wirkt. Wahrscheinlich wirkt es als Leberkarzinogen [ ]. Dabei muss man aber wissen, dass die Mutagenität von Dinitrotoluolen wie 2,6-DNT bis zu 150 mal höher ist und diese Verbindungen, bedingt durch den Produktionsprozess, ständige Begleiter von TNT sind. Sowohl für die methämoglobinbildende als auch für die kanzerogene Wirkung des TNT wird der reaktive Metabolit 4-Hydroxyaminodinitrotoluol verantwortlich gemacht, der durch Wasserabspaltung Nitreniumionen bildet. Diese wiederum addieren sich als starke Elektrophile an nukleophile Zentren der DNA.

Neben der toxischen Wirkung auf Warmblütern wirkt TNT auch phytotoxisch [ ], wie es durch eine Wachstumshemmung für Gurken und Radieschen in kontaminierten Böden festgestellt wurde. Durch Aufnahme von TNT aus dem Boden durch Pflanzen kann es in die Nahrungskette gelangen [ ]. Die Eigenschaft einiger Pflanzen, TNT akkumulieren und metabolisieren zu können, kann hingegen auch für neue Sanierungsmethoden genutzt werden (siehe z.B. [43]).

Die Grenzwerte für STV im Trinkwasser werden aufgrund ihrer toxikologischen Effekte festgelegt. Bei Böden gibt es zur Zeit noch keine allgemein akzeptierten oder durch Normen festgelegte Grenzwerte für STV. Einige für Gewässer veröffentlichte Werte werden in Tab. 5 aufgelistet:

Tab. 5: Grenzwerte für Wasser

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.4.4 Mikrobieller Abbau

Der Abbau von TNT durch Mikroorganismen wurde schon sehr früh untersucht und es existiert eine große Anzahl von Veröffentlichungen diesbezüglich. Einen Überblick über den mikrobiellen Abbau der wichtigsten Explosivstoffe mit 123 Referenzen wurde durch Gorontzy et al. gegeben [ ].Hier sollen nur einige wesentliche Grundzüge dieser Abbauverfahren ihre Untersuchungswürdigkeit herausstellen.

Sowohl unter aeroben als auch unter anaeroben Bedingungen ist der erste Schritt zum Abbau von TNT die Reduktion einer Nitrogruppe [ ]. Ein oxidativer Angriff auf TNT ist wegen der Elektronenarmut des Ringes nicht möglich und wird nur bei Mono- und Dinitrotoluolen beobachtet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7: Reduktion einer aromatischen Nitro- bis zur Aminoverbindung

Die Reduktion bis zur Aminoverbindung erfolgt in drei Schritten, bei denen jeweils zwei Elektronen transferiert werden. Die Umsetzungen erfolgen cometabolisch und werden z.B. von Nitroreduktasen katalysiert. Die Nitroso- und Hydroxylaminozwischenstufen sind sehr reaktiv, während die Hydroxylverbindungen für einige Zeit stabil sind. Die Nitrosoaromaten lassen sich deswegen kaum nachweisen. Unter aeroben Bedingungen werden sie teilweise oxidiert und können zu Azoxyverbindungen dimerisieren. Aerobe Organismen reduzieren TNT meist nur bis zur Monoaminodinitroverbindung (ADNT). Die weitere Reduzierung wird durch die elektronenschiebende Wirkung der Aminogruppe erschwert, so dass eine vollständige Reduktion bis zum Triaminonitrotoluol (TAT) nur unter völlig anaeroben Bedingungen erfolgen kann. Die weiteren Reaktionen des TAT sind bis heute nicht genau geklärt worden [ ].

Sehr ausführlich wurde der Einsatz diverser Bakterienstämme auf ihre Fähigkeit zum Abbau von TNT untersucht. Erstaunlich dabei war, dass sowohl an TNT adaptierte als auch nichtadaptierte Bakterien vergleichbar erfolgreich TNT abbauten. Es wurde aber bislang kein Bakterium gefunden, das TNT in nennenswertem Umfang zu CO2, Wasser und NOx „mineralisiert“. Beim Abbau von radioaktiv markiertem TNT wurde kein radioaktives Kohlendioxid freigesetzt. Die Radioaktivität wurde dagegen in Lipiden, Fettsäuren und Proteinen fixiert [ , , ]. Einigen Bakterien ist es aber möglich, Stickstoff abzuspalten. Das dabei gebildete 2,4-DNT und Nitrit sind aber nicht weniger giftig. Eine Mineralisierung konnte auch hier nicht festgestellt werden. Da aber DNT mit Hilfe von anderen Bakterienstämmen mineralisiert wird, kann der kombinierte Einsatz mehrerer Bakterienstämme zum Erfolg führen [ ]. Mit einem Gemisch von Desulfovibrio-Stämmen war man in der Lage, den aromatischen Ring des TNT zu spalten. Als Hauptprodukt entstand dabei Essigsäure, in die 50% des TNT umgewandelt wurde.

Erfolgreicher als der Einsatz von Bakterien war für die Mineralisierung von TNT die Verwendung von Pilzen. Als besonders effizient stellte sich dabei Phanerochate chrysoporium heraus. Er spielt beim Abbau von Holz eine wichtige Rolle. So war es experimentell möglich, in einem Zeitraum von 1-3 Monaten TNT bis zu 18% TNT zu mineralisieren [39]. Zum Einsatz für die Sanierung von Böden ist dieser Pilz allerdings nur bedingt geeignet, da eine Metabolisierung von Fremdstoffen nur stattfindet, wenn der Pilz auf einem organischen Material, meistens Holzstücken, wachsen kann. Nach Verbrauch dieses Substrats verringert sich die Abbaurate wesentlich. Aus diesem Grund wird intensiv nach anderen Pilzen, die für den Abbau von TNT eingesetzt werden können, gesucht [ ].

2.4.5 Photolyse

Bei einer Untersuchung von Bodenproben aus Rüstungsaltlasten fand JENKINS in einigen Proben 2,4,6-Trinitrobenzaldehyd [ ]. Diese instabile Verbindung ist ein Intermediat beim photolytischen Abbau von TNT. In weiteren Untersuchungen wurden Proben einer kontaminierten Bodenfläche entnommen, die innerhalb von zehn Tagen mehrfach umgegraben worden ist und dabei der Sonnenstrahlung ausgesetzt war. Es wurde festgestellt, dass in diesem Zeitraum die Konzentration von Trinitrobenzol (TNB), dem stabilen Endprodukt der Photolyse, um 7% zunahm, während die TNT-Konzentration sich um 8-10% verringerte. Demnach scheint ein photolytischer Abbau von TNT in der obersten Bodenschicht möglich zu sein. Der Abbau von TNT mit Hilfe von (Sonnen)Strahlung kann auch zur Dekontamination von Wasser genutzt werden [ ]. Beim Zusatz vom Halbleiter Titandioxid zur Reaktionslösung kann praktisch eine vollständige Mineralisierung des eingesetzten TNT erreicht werden. Interessanterweise wird dieser Abbau von natürlichen Huminsäuren katalysiert. Im Titandioxid bilden sich bei der Bestrahlung bei Wellenlängen <380 nm Leitungsbandelektronen und Valenzbandlöcher, die dann infolge von Redoxreaktionen mit Wasser oder Wasserstoffperoxid Hydroxylradikale (-OH) entstehen lassen. Diese sind ein extrem reaktives Oxidationsmittel, mit denen in Folgereaktionen der aromatische Ring geöffnet und eine Mineralisierung der organischen Verbindung erreicht werden kann. In der nach ihrem Entdecker H. J. H. FENTON benannten Reaktion wird das Hydroxylradikal chemisch durch die Umsetzung von Eisen(II)-Salzen mit Wasserstoffperoxid in saurer Lösung erzeugt [ ].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das entstandene Fe3+ wird entweder durch Reaktion mit intermediär gebildeten organischen Radikalen oder durch Reduktion wieder in das zweiwertige Eisen überführt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Photolytisch können Hydroxylradikale durch die homolytische Spaltung von Wasserstoff- peroxid mit Hilfe von Sonnenstrahlung im UV hergestellt werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei der Photo-Phenton-Reaktion werden beide Methoden gleichzeitig verwendet. Hierbei wird zusätzlich Fe(III) unter Einsatz von UV-Strahlung zum zweiwertigen Eisen reduziert [42].

2.5 Sanierungsmethoden

Geeignete Sanierungstechnologien hinsichtlich TNT wurden vor allem in den Vereinigten Staaten entwickelt und teilweise bis zur Anwendungsreife erprobt. Auch in der Bundesrepublik sind in den vergangenen Jahren in Pilotversuchen vielversprechende Technologien untersucht worden [ , ]. Bei den Sanierungsmethoden hinsichtlich TNT muss man prinzipiell zwischen der

Sanierung von TNT-belasteten Böden und der Sanierung von TNT-belasteten Abwässern (Aufreinigung) unterscheiden.

Das Ziel einer Sanierung ist die Umwandlung der Kontaminenten in ungefährliche Substanzen. Bei der schon erwähnten Mineralisierung erfolgt eine vollständige Zerlegung von TNT in die anorganischen Bestandteile Kohlendioxid, Stickoxide und Wasser. Ist dies nicht möglich oder entstehen durch Umwandlungen erneut gefährliche(re) Verbindungen, so versucht man zunächst die Kontaminenten zu immobilisieren.

2.5.1 Die Sanierung von TNT-belasteten Böden

Zur Sanierung von mit Rüstungsaltlasten behafteten Erdreich gibt es mittlerweile zahlreiche Vorgehensweisen, so dass hier nur zwei typische Beispiele behandelt werden. Gute Übersichte der anwendbaren Verfahren wurde durch Spyra et al. veröffentlicht[43, 44, ].

Für die Sanierung kann man nach dem Ort der Durchführung unterscheiden zwischen:

- „Off-site“-Verfahren (Abtransport erforderlich)
- „On-site“-Verfahren (Auskoffern und Behandlung vor Ort )
- „In-situ“-Verfahren (ohne Bodenaushub, Behandlung im Erdreich)
- „Ex-situ“-Verfahren (oberirdische Durchführung der Behandlung)

Ein „ex-situ“-„off-site´´-Verfahren ist beispielsweise ein Verfahren, bei dem Bodenaushub anfällt und dieser nicht vor Ort, sondern in einer weit entfernten Anlage einer thermischen Behandlung unterworfen werden muß.

Bei der Bodenbehandlung gibt es zwei Möglichkeiten:

1. Die gesamte Einsatzmenge des kontaminierten Bodens zu behandeln
2. Die Schadstoffe aus dem Boden zu eliminieren (z.B. durch Extraktion) und

sie separat zu beseitigen.

Welche Möglichkeit zum Einsatz kommt, soll durch wirtschaftliche und ökologische Gesichtspunkte entschieden werden. Im allgemeinen ist eine Schadstoffabtrennung vorzuziehen, weil sie weniger energieintensiv und somit kostenintensiv ist und weil damit der Erdboden zurückgewonnen werden kann und nicht, wie bei der thermischen Entsorgung, u. U. vollständig in Schlacke überführt wird. Welche Ausmaße Bodensanierungen annehmen können, wird durch die Arbeiten in Stadtallendorf gezeigt, das während des Zweiten Weltkrieges der größte Produktionsstandort für TNT und DNT war. Dort wurden auch hochbelastete Waschwässer in den Boden verpresst. Auf einem beträchtlichen Teil des damals kontaminierten Geländes ist Ende der 50er Jahre eine Wohnsiedlung gebaut worden. Erst sehr viel später hat man festgestellt, dass der Boden weitgehend mit TNT und seinen Metaboliten (Aminotoluole) kontaminiert ist. Man rechnet mit etwa 65 000 Tonnen kontaminierten Boden mit Schadstoffgehalten bis 1000 mg/kg! Die die Behandlung TNT-belasteter Böden kann ein Verfahren in zwei Schritten verwendet werden [43]:

1.) Bodenwäsche durch Flotation
2.) Thermische Schadstoffbeseitigung mit Hilfe eines Hochtemperaturplasmas oder Erdgasverbrennung.

Bei der Bodenwäsche wird das zerkleinerte Bodenmaterial in großen Drehtrommeln gewaschen, wobei auch größere TNT-Brocken zerkleinern werden. Die Schadstoffe sammeln sich adsorptiv an der feinstteiligen Kornfraktion des Bodens. Die Grobfraktion wird ins Gelände rückverfüllt. Durch Zugabe von Flotationsmitteln reichern sich die Schadstoffe

im Flotationsschaum an, der ständig abgestreift wird. Mit Hilfe des Flotationsprozesses kann aber der Restgehalt an TNT nicht unter 30-40 ppm gesenkt werden. Um die übriggebliebenen Nitroaromaten abzutrennen, bedarf es einer intensiveren Behandlung mit Heißdampf von 140ºC und rotierenden Scheibenfiltern. Im zweiten Verfahrensschritt werden die Flotationsschäume und Suspensionen der Verbrennung zugeführt. Durch die Bodenwäsche werden die auf der stark unterschiedlichen Belastung der kontaminierten Flächen beruhenden Probleme umgangen. Diese kann von kristallinen Klumpen bis zu wenigen µg TNT/kg im Boden reichen [43, ].

Allein am benötigten Energieaufwand ist leicht zu erkennen, dass eine vollständige und ökonomisch vertretbare Sanierung der zumeist riesigen Bodenareale unmöglich ist.

2.5.2 Die Aufreinigung von TNT-belasteten Abwässern

Das Trinkwassers in der Bundesrepublik wird zu 70% aus Grundwasser gewonnen [30]. Die Anzahl von Sanierungsverfahren und durchgeführten Sanierungen von Grundwasserreservoirs ist sehr groß [ ]. Da sich das Gefahrenpotential von TNT vorwiegend über die Wasserphase ausbreitet, stellt die Aufreinigung der Grund- und Drainagewässer eine sinnvolle und oft praktikable Alternative zur Bodensanierung dar. Zur Zeit wird hierfür meistens die Adsorption an Aktivkohle verwendet. Allerdings ist diese Technik je nach Einsatzstandort mit Problemen behaftet: So ist die Adsorption von polaren TNT-Metaboliten unvollständig, da sie im Auslauf solcher Anlagen nachgewiesen werden konnten [ ]. Auch auf dem ehemaligen Betriebsgelände der WASAG in Elsnig wird seit 1994 durch das Landratsamt Torgau in Zusammenarbeit mit dem staatlichen Umweltfachamt Leipzig eine Drainwasseranlage mit Filtrierung über Aktivkohle betrieben. Diese besteht aus einem Kies-mehrschichtfilter mit zwei in Reihe geschalteten Aktivkohlefiltern. Nach einem Jahr Betriebszeit und Aufbereitung von 59 000 Kubikmetern Wasser wurde der erste Filter gewechselt. Die Summenbeladung betrug rund 70 kg STV. Der frühzeitige Durchbruch von Hexogen und die Adsorption natürlicher organischer Wasserinhaltsstoffe führten in dieser Anlage zu größeren Kapazitätseinbußen. Auch kann eine vollständige Zersetzung der STV nur durch Verbrennung der beladenen Aktivkohle geschehen. Daher werden z.Zt.. alternative Adsorbentien eingesetzt.

Mit einem neuen extraktiven Verfahren hat die Firma AKZO NOBEL in einer Pilotversuchsanlage mit Toluolderivaten belastetes Grundwasser aufgereinigt. Das mit Mono-, Di-, Tri- und Aminonitrotoluolen kontaminierte Wasser wird in einem mehrstufigen Gegenstromprozess mit einem Extraktionsmittel ausgewaschen (Pertraktion). Zur Phasentrennung bedient man sich Makro-Poröser Polymere (MPP), in deren Poren das Extraktionsmittel immobilisiert wird. In einer nachgeschalteten Destillationsstufe wird das Extraktionsmittel regeneriert. In der Pilotanlage wurde das Wasser bis zu einer Schadstoffbelastung von 0,1 µg/L aufbereitet. Eine Verwendung von MPP ohne die Kombination mit einer mehrstufigen Gegenstromextraktion ist nur möglich bei flüchtigen Kontaminenten, so dass dieses Verfahren für den Fall von TNT ausscheidet [ ].

Ein vielversprechender Ansatz zur Sanierung STV-kontaminierter Abwässer ist der Einsatz von bewachsenen Bodenfiltern [ ]. Sie bestehen aus zum Untergrund hin abgedichteten Beeten (Kiesbettfilter), die mit verschiedenen Wasserpflanzen (Schilf, Binsen, Rohrkolben) bepflanzt sind und durch die das Abwasser durchgeleitet wird. Die an den Wurzeln vorkommenden Bakterienstämme bilden zusammen mit den Pflanzen eine Umgebung, wo diverse organische Verbindungen abgebaut werden können. Eine vollständige Mineralisierung konnte aber nicht beobachtet werden.

Als einzige effektive Methode für die Mineralisierung von TNT bleibt die schon erwähnte UV-Oxidation übrig. Die zur Oxidation erforderliche Energie konnte in Pilotanlagen mit Hilfe von Solarreaktoren eingetragen werden [42].

2.6 Bestimmung von sprengstofftypischen Verbindungen

Zur Bestimmung von STV und Nitroaromaten in Böden und Gewässern gibt es eine große Anzahl von Veröffentlichungen. Da neben TNT häufig ein ganzes Spektrum an Nebenprodukten aus der Herstellung und dem Metabolismus vorkommt, ist die Bestimmung von Nitroaromaten aus Rüstungsaltlasten nach wie vor schwierig. Im Folgenden werden die gängigsten Verfahren zur analytischen Chemie dieser Substanzgruppe vorgestellt. Da parallel zur HPLC die Square-Wave-Voltammetrie in der vorliegenden Arbeit zur Anwendung kam, werden diese Methoden näher beschrieben.

Bei der Wahl der Bestimmungsmethode ist zu berücksichtigen, ob ein Summenparameter bestimmt werden soll oder ob die Identifizierung und Quantifizierung der Einzelsubstanzen des Gemisches beabsichtigt sind.

2.6.1 Laboranalytische Methoden

Dünnschichtchromatographie (DC)

Die Dünnschichtchromatographie ist eine der ältesten chromatographischen Methoden. Der geringe apparative Aufwand, die Schnelligkeit der Methode und die Möglichkeit zur simultanen Analyse mehrerer Proben auf einer Platte machen die Dünnschichtchromatographie zu einer geeigneten Methode für die Analyse einer großen Probenzahl [ ]. Als stationäre Phase werden meist kieselgelbeschichtete Platten verwendet, die mit unterschiedlich polaren Lösungsmitteln eluiert werden. Durch Optimierung der stationären Phase kann die Trennleistung gesteigert werden. Die Bestimmung der Analyten kann dabei unter Zugabe eines Fluoreszenzindikators zur stationären Phase und durch visuelle Detektion (Abschätzung) der Fluoreszenzminderung erfolgen.

Gaschromatographie (GC)

Die GC ist eine im Hinblick auf die Trennleistung sehr starke Methode. Wenn komplexe Stoffgemische zu trennen sind, ist sie aufgrund ihrer hohen Trennleistung die Methode der Wahl. Da als mobile Phase ein inertes Gas (Helium, Stickstoff) verwendet wird, beschränkt sich die Anwendung auf verdampfbare Substanzen. Durch die Derivatisierung polarer funktioneller Gruppen aber kann die Flüchtigkeit vieler Verbindungen erheblich erhöht werden, so dass z.B. auch polare Analyten wie Nitrophenole mit der GC gut getrennt werden können. Zur Bestimmung von nitroaromatischen Verbindungen eignen sich mittelpolare stationäre Phasen.

Für die Detektion der getrennten Verbindungen stehen in der GC mehrere Arten von Detektoren zur Verfügung. Häufig wird der Electron Capture Detector (ECD) verwendet, mit dem Verbindungen mit elektronegativen Gruppen (wie z.B. Nitrogruppen) sehr nachweisstark detektiert werden können [ ]. Das Prinzip des ECD beruht darauf, dass im Detektor durch eine radioaktive Strahlungsquelle Elektronen geliefert werden, sodass ein Ruhestrom fließt. Gelangen Nitrogruppen in den Detektorraum, so nehmen sie Elektronen auf und senken den Ruhestrom, was bei sehr geringen Änderungen gemessen werden kann. Da die Metabolite des TNT infolge der Reduktion der Nitrogruppen zu Aminofunktionen nicht mehr ECD-aktiv sind, muss auch hier von Derivatisierung Gebrauch gemacht werden, um die Nachweisgrenze der Aminonitrotoluole zu verbessern. Eine außerordentliche Selektivität hat der Thermal Energy Analyzer (TEA), mit dem ausschließlich Substanzen mit Nitro- oder Nitrosogruppen detektiert werden. Dafür ist seine Empfindlichkeit deutlich schlechter als die des ECD. Durch die Kombination von GC mit massenselektiven Detektoren (MS) erhält man charakteristische Massenspektren der Verbindungen. Durch ihren Vergleich mit Spektren einer Spektrenbibliothek mit etwa 150 000 umweltrelevanten Schadstoffen ist oft eine sichere Identifizierung des Schadstoffs möglich. Bei komplexen Vielstoffgemischen aus Rüstungsaltlasten ist die GC/MS die Methode der Wahl für die Einzelstoffbestimmung von flüchtigen Nitroaromaten.

Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC)

Ein wesentlicher Vorteil der HPLC im Vergleich zur GC liegt in der Tatsache, dass mit der HPLC auch nichtflüchtige, thermolabile und stark polare Substanzen bestimmt werden können. Die Trennleistung der HPLC ist aber nicht so gut wie die der GC [ ].

Für die stationären Phasen werden in der Regel modifizierte Kieselgelpartikel verwendet. Zur Modifizierung werden meist unpolare Gruppen eingeführt (C8- oder C18-Ketten), so dass die Polarität der Phasen umgekehrt wird: Dann spricht man von „Reversed-Phase“ (RP)-Materialien. Solche RP-18-Säulen z.B., die diese C18-Ketten enthalten, eignen sich auch zur Trennung nitroaromatischer Verbindungen, wobei zur Trennung von komplexen Gemischen eine Kopplung von Säulen verschiedener Polarität oder eine Gradientenelution notwendig sind [15]. Die HPLC ist besonders geeignet für die Trennung und Bestimmung stark polarer Verbindungen wie Nitrophenole und stark saurer Nitrobenzoesäuren. Durch Absenken des pH-Wertes im Eluenten können sie ohne Derivatisierung auf RP-Materialien gut getrennt werden [15]. Zur Detektion der getrennten Analyten stehen ebenfalls mehrere Detektoren zur Verfügung. Mit dem Diodenarray-Detektor (DAD) ist es möglich, jeweils das gesamte UV-Spektrum der Analyten aufzunehmen. Die Identifizierung wird dadurch wesentlich erleichtert. Die Kombination HPLC/DAD hat sich zunehmend zur Standardmethode bei der Untersuchung von Rüstungsaltlasten entwickelt.

Die wichtigsten in Deutschland gültigen Normen zur Bestimmung von Sprengstoffen in Wasser sind die Norm DIN 38407-17 (Bestimmung von nitroaromatischen Verbindungen mit der GC) [ ] sowie der Entwurf der DIN 38407-21 (Bestimmung von Explosivstoffen mittels HPLC) [ ]. Für die Analyse von Bodenproben hinsichtlich Nitroaromaten gibt es in Deutschland keine eigene Norm. Die amerikanischen Normen sind die „US EPA SW-846 Method 8330“-Norm (HPLC) [ ]und die „US EPA SW –846 Method 8095“-Norm (GC/ECD) [ ].

Voltammetrie und Polarographie

Die voltammetrischen und polarographischen Methoden haben ihren Ursprung in der von Jaroslav Heyrovský begründeten Gleichstrompolarographie, für deren Entwicklung er 1959 den Nobelpreis erhielt [ , ]. Beide Methoden können zur Bestimmung von Substanzen verwendet werden, die sich innerhalb eines vorgegebenen Potentialbereiches oxidieren bzw. reduzieren lassen. Die Voltammetrie ist eine besondere Form der Elektrolyse, bei der allerdings die Umsetzung der elektroaktiven Substanz nur sehr gering ist und nur in der Diffusionsschicht der Arbeitselektrode erfolgt. Die Polarographie ist eine spezielle Form der Voltammetrie, die sich auf die Verwendung einer tropfenden Quecksilberelektrode bezieht. Die „Inverse Voltammetrie“ ist die empfindlichste elektroanalytische Methode. Die Messung besteht aus zwei Schritten: Durch eine Pre-Elektrolyse erfolgt im ersten Schritt die Anreicherung eines Analyten auf bzw. in die Hg-Elektrode. Im zweiten Schritt erfolgt dann die Abelektrolyse des angereicherten Stoffes.

Da sowohl die Sprengstoffe als auch eine Vielzahl ihrer Nebenprodukte und Metabolite eine oder mehrere Nitrogruppen haben, können sie prinzipiell reduziert werden. Die elektrochemische Reduktion der Nitroaromaten zu Aminoaromaten vollzieht sich in mehreren Stufen. Zudem können auch die Nitramine (RDX, Octogen) reduziert werden. Diese Reduktionen finden am Quecksilbertropfen einer Arbeitselektrode statt. Durch die hohe Überspannung des Wasserstoffs an Quecksilber kann dieser den Messvorgang nicht störend beeinflussen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In der Voltammetrie wird der Strom in Abhängigkeit von der Spannung E verfolgt. Dabei kann sowohl potentiostatisch (E = konst.) als auch potentiodynamisch (E ≠ konst.) gearbeitet werden. Bei der potentiodynamischen Arbeitsweise können verschiedene voltammetrische Techniken wie die cyclische Voltammetrie, die Puls- und die Differential-Puls-Voltammetrie eingesetzt werden. Alle Techniken haben gemeinsam, dass die konzentrationsproportionale Größe der diffusionskontrollierte Grenzstrom ist. Dieser Strom erreicht dann einen Maximalwert, wenn die Konzentration des Analyten an der Oberfläche der Arbeitselektrode infolge eines sofortigen Umsatzes den Wert Null anstrebt. Von BARKER und JENKINS wurde die sogenannte Rechteckwellenpolarographie (Square-Wave-Polarographie SWP) entwickelt [ ]. Bei der SWP wird einer linear ansteigenden Gleichspannung eine rechteckförmige Wechselspannung von konstant bleibender Größe und Frequenz überlagert. Speziell bei der Square-Wave-Voltammetrie nach Osteryoung [ ] findet der gesamte Messvorgang bei schnellen Spannungsdurchläufen innerhalb weniger Sekunden an einem einzigen Quecksilbertropfen statt (Abb. 8).

Abb. 8: Prinzip der Square-Wave-Voltammetrie

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 9: Blockschaltbild eines Polarographen mit Drei-Elektroden-Aufbau

Die Dauer eines Spannungsschrittes ist dabei identisch mit dem zeitlichen Verlauf des Rechteckimpulses, d.h. jedem Spannungsschritt wird nur ein rechteckiger Spannungszyklus mit einer relativ großen Amplitude zugeführt. Der Strom I wird als Funktion der Spannung E bei minimaler und maximaler Rechteckspannung gemessen. Aus den phasenabhängigen Differenzen der Strommessungen erhält man Kurven mit Peaks, von denen die Fläche nach Korrektur der Basislinie durch Integration ermittelt werden kann.

Eine voltammetrische Messzelle hat einen „Drei-Elektroden-Aufbau“ (Abb. 9). Dabei kann der ohmsche Spannungsabfall in der Probenlösung kompensiert werden, und man erhält unverfälschte Halbstufenpotentiale. In der vorliegenden Arbeit wurde als Referenzelektrode eine Silber-Silberchlorid-Elektrode und als Gegenelektrode eine Platinelektrode verwendet. Als Arbeitselektrode wurde die „Multi-Mode-Elektrode“ (MME) der Metrohm AG verwendet. Sie hat den Vorteil, dass sie als HMDE (Tropfelektrode mit hängendem Hg-Tropfen), als SMDE (statische Hg-Tropfelektrode) und als DME (tropfende Hg-Elektrode) eingesetzt werden kann. Dieses System hat einen sehr geringen Quecksilberverbrauch und sehr niedrige Nachweisgrenzen bei sehr kurzen Messzeiten.

2.6.2 Analysen im Feld / Schnellmessmethoden

Die etablierten Methoden für Analysen im Feld (auch „Vor-Ort-Analysen“ genannt) beruhen meist auf den Einsatz von Farbreaktionen oder von Enzymimmunoassays (ELISA).

Polynitroaromaten bilden mit Alkalien stark gefärbte Meisenheimer-Anionen, wie es bereits 1891 von Janovsky beschrieben wurde. Wenn außer dem Hydroxid auch noch Sulfit vorhanden ist, bildet sich ein Addukt mit Sulfit. Das dann gebildete Anion ist wesentlich stabiler als andere Addukte. Mit Hilfe der Spektralphotometrie kann eine quantitative Bestimmung erfolgen [ ].

Bei den meisten kommerziellen immunologischen Test-Kits werden heterogene, kompetitive enzyme-linked immunosorbent assays (ELISA) verwendet. Hierbei konkurriert der Analyt mit einem enzym-markierten Analyten um die limitierten Bindungsstellen der Antikörper. In einem Waschschritt werden alle Moleküle entfernt, die nicht an den Antikörpern gebunden sind. Nach Zugabe von Reaktionslösungen katalysiert das Enzym die Bildung eines farbigen Produktes. Die gemessene Farbintensität ist dann umgekehrt proportional zur Analytkonzentration [ ]. Speziell für 2,4,6-TNT, RDX, 2,4-DNT, usw. sind ELISA käuflich erhältlich. Durch eine verbesserte Anpassung der Antikörper konnten die Kreuzreaktivitäten auf 2 bis 5% gesenkt werden.

Mittlerweile sind auch tragbare Gaschromatographen mit Thermoionisationsdetektor (TID) für Feldmessungen erhältlich.

2.7 Theoretische Grundlagen zu Adsorptionsfiltern

2.7.1 Adsorptionsgleichgewichte

Sorptionen aus wässrigen Lösungen treten auf, weil dabei ein Entropiegewinn stattfindet, als Folge der Tatsache, dass die Wassermoleküle der Hydrathülle der gelösten Stoffe wieder freigesetzt werden und somit die Unordnung zunimmt. Gibt man einem Volumen L einer Lösung von einer organischen Substanz der Konzentration co eine Adsorbermenge m zu, so stellt sich nach einer gewissen Zeit eine Gleichgewichts- beladung auf der Oberfläche des Adsorbers ein. In der Lösung verbleibt eine Restkonzentration der organischen Substanz C. Dieser Prozess kann mit folgender Massenbilanz beschrieben werden [ ]:

[...]

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832478926
ISBN (Paperback)
9783838678924
DOI
10.3239/9783832478926
Dateigröße
1.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Hamburg – Chemie
Erscheinungsdatum
2004 (April)
Note
2,0
Schlagworte
rgs-polymere sanierung altlasten rüstung
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Titel: Untersuchungen zur Sorption von TNT-Metaboliten an Ringpolymeren
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