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Europa - Einheit durch Vielfalt?

Herausbildung einer einheitlichen europäischen Kultur bzw. Identität versus kulturelle Vielfalt in Europa

©1999 Diplomarbeit 69 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Europa befindet sich auf der Suche nach einer einheitlichen europäischen Identität, d.h. nationale Kulturen weichen einer europäischen Kultur. Aber, gibt es überhaupt genug Gemeinsamkeiten in den verschiedenen, sehr heterogenen Kulturkreisen, die es ermöglichen, einen gemeinsamen Nenner, eine gemeinsame Identität zu schaffen?
Eine Frage, die für alle Europäer von zentraler Bedeutung ist, da die supranationale Ebene in immer mehr Lebensbereichen Einzug hält. Mit Schaffung des Europäischen Binnenmarktes kam es zur Liberalisierung der europäischen Wirtschaftsmärkte. So wird es in Zukunft als Folge der Liberalisierung der europäischen Arbeitsmärkte immer häufiger dazu kommen, dass Mitarbeiter unterschiedlicher Nationalitäten (und damit auch unterschiedlicher Kulturen) innerhalb eines Unternehmens miteinander arbeiten. Gerade hier auf der betrieblichen Ebene, beim direkten Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen bzw. Mentalitäten, wird es hilfreich sein, gemeinsame Werte zu finden, eine gemeinsame Identität herauszubilden.
Aber nicht nur im Bereich der Wirtschaft ist die Frage nach einer gemeinsamen europäischen Identität von zentraler Bedeutung. Auch im alltäglichen Leben wird es in Zukunft immer stärker zu einer Auseinandersetzung mit Europa kommen. Als ein weiterer Schritt dazu kann die europäische Währungsunion gewertet werden. Mit der Ablösung nationaler Währungen durch den Euro, wird es zu einer weiteren Angleichung zwischen den europäischen Staaten kommen. Für den Bürger bedeutet dies auf der einen Seite eine Erleichterung im zwischenstaatlichen Zahlungsverkehr, Wechselkurse entfallen und ein internationaler Preisvergleich wird erleichtert. Auf der anderen Seite verliert jeder Europäer einen Teil seiner Identität, war er doch durch die eigene Landeswährung von den Bürgern mit Nationalität abgegrenzt.
Die Medaille Europa hat seine zwei Seiten: einerseits kommt es durch die zunehmende Angleichung in den verschiedenen Bereichen, einhergehend mit einer zunehmenden Zentralisierung von Macht auf europäischer Ebene, zu einer Vereinfachung bzw. Erleichterung des täglichen Lebens. Andererseits gehen durch diese Vereinheitlichungen nationale Elemente verloren, die nationale Kultur weicht einer supranationalen Kultur. Die Frage wird sein, inwieweit ist jeder einzelne bereit, einen Teil seiner nationalen Identität zugunsten einer europäischen Identität aufzugeben. fraglich ist, welchen Weg Europa einschlagen wird. […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 7850
Vogel, Oliver: Europa ­ Einheit durch Vielfalt? - Herausbildung einer einheitlichen
europäischen Kultur bzw. Identität versus kulturelle Vielfalt in Europa
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: Universität Lüneburg, Universität, Diplomarbeit, 1999
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http://www.diplom.de, Hamburg 2004
Printed in Germany

Europa_Einheit durch Vielfalt.doc: Europa ­ Einheit durch Vielfalt ?
Seite - 2 -
Inhaltsverzeichnis
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1
Einleitung... 5
1.1
Aufbau... 6
2
Die Entwicklung Europas... 7
2.1
Geographie und Ökologie Europas... 10
2.2
Katastrophen in Europa ... 12
2.2.1
geophysikalische und klimatische Katastrophen... 12
2.2.2
biologische und soziale Katastrophen ... 13
2.2.3
Katastrophenschutz... 14
2.3
Staatenbildung, Staatensystem und Verwaltung... 14
2.3.1
Rivalität als Disziplinierungsinstrument... 16
2.3.2
Aufbau öffentlicher Verwaltung... 16
2.4
Die Rolle des Handels, Eigentum und Rechtssystem ... 17
2.4.1
Entwicklung des Fernhandels... 17
2.4.2
Entstehung eines vorhersehbaren Rechtssystems... 18
2.5
Religion, Kultur und Familiensystem... 19
2.5.1
Die Weberthese ­ Der Einfluß von Religion auf die wirtschaftliche Entwicklung
... 19
2.5.2
Die europäische Familie... 23
2.6
Innovation durch Konkurrenz und Rivalität... 23
2.6.1
Wissensdiffusion durch Flüchtlinge ... 25
2.7
Schwerpunktbildung in Europa ... 26
3
Kultur... 29
3.1
Einleitung... 29
3.2
Kultur als mentale Programmierung... 31
3.2.1
Manifestationen von Kultur... 32
3.2.2
Kulturebenen... 34
3.3
Kulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede ... 34
3.4
Die vier Kulturdimensionen ... 40
3.4.1
Machtdistanz... 41
3.4.2
Kollektivismus vs. Individualismus... 44
3.4.3
Maskulinität vs. Femininität ... 46
3.4.4
Unsicherheitsvermeidung... 49
4
Identität... 51
4.1
Einleitung... 51
4.2
Der politische Identitätsbegriff... 52

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Tabellen- & Abbildungsverzeichnis
4.3
Der genetische Identitätsbegriff ... 53
4.3.1
Identitätsbildung durch äußere Abgrenzung und Konfliktaustragung ... 53
4.3.2
Identitätsbildung durch innere Homogenisierung... 54
4.3.3
Identitätsbildung durch Inklusion (innere Kolonialisierung) ... 56
4.3.4
Identitätsbildung durch Ausgleich innerer Spannungen ... 57
5
Schlußfolgerungen... 59
5.1
Die Wurzeln der westlichen Ethik... 60
5.2
Die Zukunft von Kulturunterschieden ... 61
5.3
Einheit durch Vielfalt ... 62
Literaturverzeichnis... 64

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Tabellen- & Abbildungsverzeichnis
7DEHOOHQYHU]HLFKQLV
Tabelle 2.1: Zeitraum der Take-Off-Phase ... 8
Tabelle 2.2: Katastrophentypen nach Jones (1991) ... 12
Tabelle 2.3: Wichtige Erfindungen ... 25
Tabelle 2.4: historische Abfolge der Zentren in Europa (nach ZÜNDORF (1994, S. 5)) ... 28
Tabelle 3.1: Issues of Cultural Differences (vgl. SCHREYÖGG, 1995: S.102 f.) ... 37
Tabelle 3.2: Machtdistanzindexwerte (MDI) europäischer Länder... 43
Tabelle 3.3: Individualismusindex-Werte (IDV) europäischer Länder ... 45
Tabelle 3.4: Maskulinitätsindexwerte (MAS) europäischer Länder ... 48
Tabelle 3.5: Unsicherheitsvermeidungsindexwerte (UVI) europäischer Länder... 50
Tabelle 4.1: Dimensionen von Identität ... 52
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Abbildung 2.1: JONES Argumentationskette... 9
Abbildung 2.2: Rahmenbedingungen der europäischen Entwicklung ... 9
Abbildung 2.3: Kernregionen in Europa... 11
Abbildung 2.4: Modell des europäischen Staatensystems... 15
Abbildung 2.5: Die Weberthese ... 20
Abbildung 2.6: Webers Definition des Kapitalismus (WISWEDE, 1985: S. 345)... 22
Abbildung
2.7:
Historischer
Entstehungszusammenhang
der
Zentrumsstruktur
(Zusammenfassung)... 29
Abbildung 3.1: Kulturdimensionen... 30
Abbildung 3.2: Das ,,Zwiebeldiagramm": Manifestationen von Kultur auf verschiedenen
Tiefeebenen (Quelle: HOFSTEDE 1997: S. 8)... 32
Abbildung 3.3: verschiedene Kulturebenen (vgl. HOFSTEDE (1997), S. 11 f.)... 34
Abbildung 3.4: Anteil Westdeutscher Schüler mit Fremdsprachenkenntnissen ... 35
Abbildung 3.5: Das schrumpfen des europäischen Raumes durch den Faktor ,,Zeit" ... 36
Abbildung 3.6: Similarities among countries (SCHREYÖGG, 1995: S.103) ... 39
Abbildung 4.1: Identitätsbildung durch äußere Abgrenzung ... 53
Abbildung 4.2: Identitätsbildung durch innere Homogenisierung... 54
Abbildung 4.3: Identitätsbildung durch Inklusion ... 56
Abbildung 4.4: Identitätsbildung durch Ausgleich innerer Spannungen ... 58
Abbildung 5.1: Die Wurzeln der westlichen Ethik (nach NEFIODOW, 1997: S. 61)... 60

Diplomarbeit: Europa ­ Einheit durch Vielfalt ?
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Einleitung
(LQOHLWXQJ
Im Zeichen zunehmender Globalisierung kommt es in den verschiedenen
Wirtschaftsbereichen immer mehr zu einer Verschmelzung unterschiedlicher
Nationalitäten. Nationalstaatliche Interessen werden dabei supranationalen Interessen
untergeordnet. Europa befindet sich auf der Suche nach einer einheitlichen europäischen
Identität, d.h. nationale Kulturen weichen einer europäischen Kultur. Aber, gibt es
überhaupt genug Gemeinsamkeiten in den verschiedenen, sehr heterogenen
Kulturkreisen, die es ermöglichen, einen gemeinsamen Nenner, eine gemeinsame Identität
zu schaffen?
Eine Frage, die für alle Europäer von zentraler Bedeutung ist, da die supranationale Ebene
in immer mehr Lebensbereichen Einzug hält. Mit Schaffung des Europäischen
Binnenmarktes kam es zur Liberalisierung der europäischen Wirtschaftsmärkte. So wird es
in Zukunft als Folge der Liberalisierung der europäischen Arbeitsmärkte immer häufiger
dazu kommen, daß Mitarbeiter unterschiedlicher Nationalitäten (und damit auch
unterschiedlicher Kulturen) innerhalb eines Unternehmens miteinander arbeiten. Gerade
hier auf der betrieblichen Ebene, beim direkten Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen
bzw. Mentalitäten, wird es hilfreich sein, gemeinsame Werte zu finden, eine gemeinsame
Identität herauszubilden.
Aber nicht nur im Bereich der Wirtschaft ist die Frage nach einer gemeinsamen
europäischen Identität von zentraler Bedeutung. Auch im alltäglichen Leben wird es in
Zukunft immer stärker zu einer Auseinandersetzung mit Europa kommen. Als ein weiterer
Schritt dazu kann die europäische Währungsunion gewertet werden. Mit der Ablösung
nationaler Währungen durch den Euro, wird es zu einer weiteren Angleichung zwischen
den europäischen Staaten kommen. Für den Bürger bedeutet dies auf der einen Seite eine
Erleichterung im zwischenstaatlichen Zahlungsverkehr, Wechselkurse entfallen und ein
internationaler Preisvergleich wird erleichtert. Auf der anderen Seite verliert jeder Europäer
einen Teil seiner Identität, war er doch durch die eigene Landeswährung von den Bürgern
mit Nationalität abgegrenzt.
Die Medaille Europa hat seine zwei Seiten: einerseits kommt es durch die zunehmende
Angleichung in den verschiedenen Bereichen, einhergehend mit einer zunehmenden
Zentralisierung von Macht auf europäischer Ebene, zu einer Vereinfachung bzw.

Europa_Einheit durch Vielfalt.doc: Europa ­ Einheit durch Vielfalt ?
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Tabellen- & Abbildungsverzeichnis
Erleichterung des täglichen Lebens. Andererseits gehen durch diese Vereinheitlichungen
nationale Elemente verloren, die nationale Kultur weicht einer supranationalen Kultur. Die
Frage wird sein, inwieweit ist jeder einzelne bereit, einen Teil seiner nationalen Identität
zugunsten einer europäischen Identität aufzugeben.
Fraglich ist, welchen Weg Europa einschlagen wird. Folgende drei zentralen Möglichkeiten
lassen sich als Antwort herauskristallisieren:
1. Durch Europa entsteht eine neue Kultur (Entstehung)
2. Europa wird zu einer multikulturellen Gesellschaft (Vermischung)
3. In Europa existieren weiterhin eigene Kulturen, finden aber zu einem sich ergänzenden
Nebeneinander (Schnittmenge)
Die vorliegende Diplomarbeit will darauf eine Antwort finden. Ihr liegt dabei der folgende
Aufbau zugrunde.
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In Kapitel 2 wird die Entwicklung Europas zu einem Zentrum der Weltwirtschaft aufgezeigt.
Dabei wird der Argumentation von JONES und WEEDE gefolgt. Ausgehend von
geographischen und ökologischen Vorbedingungen (Kap. 2.1/2.2), die eine bestimmte
Staatenbildung bzw. ein bestimmtes Staatensystem (Kap. 2.3) fördern, wird die
Entstehung des modernen, kapitalistischen Europas erklärt. Gesondert wird auf die Rolle
des Handels und das mit ihm verbundene Rechtssystems eingegangen (Kap. 2.4). Der
Einfluß der Religion auf die Entstehung des modernen Kapitalismus wird in Kap. 2.5
anhand der von Max WEBER aufgestellten ,,Weberthese" erläutert. In Kapitel 2.6 wird
argumentiert, daß aus der Konkurrenzsituation der einzelnen Nationen innerhalb des
europäischen Staatensystem heraus ein Klima für Innovationen entsteht. Abschnitt 2.7
analysiert die räumliche Schwerpunktbildung in Europa als eine langzeitliche Entwicklung.
Kapitel 3 legt den Fokus auf die verschiedenen kulturellen Ausprägungen in Europa.
Zunächst wird Kultur als eine mentale Programmierung (Kap. 3.2) identifiziert, das heißt
jeder Einzelne wird von Kindesbeinen an durch sein Umfeld mit einer bestimmten Kultur
geprägt. Abschnitt 3.3 geht auf allgemeine kulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede
in Europa ein, bevor dann anhand des Konzeptes von HOFSTEDE vier Dimensionen von
Kultur (Kap. 3.4) benannt und ihre jeweiligen länderspezifischen Unterschiede erläutert
werden (Kap. 3.4.1 - 3.4.4).

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Tabellen- & Abbildungsverzeichnis
In Kapitel 4 wird der Frage nachgegangen, ob es in Europa eine einheitliche europäische
Identität gibt. Nach einer allgemeinen Einleitung (Kap. 4.1) wird zunächst der politische
Identitätsbegriff erläutert (Kap. 4.2). Der genetische Identitätsbegriff (Kap. 4.3) zeigt
anhand von vier Komponenten auf, wie sich Identitäten bilden können ­ durch äußere
Abgrenzung (Kap. 4.3.1), innere Homogenisierung (Kap. 4.3.2), Inklusion (Kap. 4.3.3) oder
den Ausgleich innerer Spannungen (Kap. 4.3.4).
Abschließend werden in Kapitel 5 die Argumentationsstränge wieder zusammen geführt.
Ausgehend von den Wurzeln der westlichen Ethik (Kap. 5.1), über die Zukunft von
Kulturunterschieden (Kap. 5.2) wird festgestellt, daß eine Einheit Europas nur in der
Bewahrung und Pflege der Vielfalt liegen kann (Kap. 5.3).
'LH (QWZLFNOXQJ (XURSDV
Europa ist heute ein multilaterales Staatensystem moderner Industrienationen
verschiedener Ausprägung und mit unterschiedlichen regionalen Kulturen. Vorherrschend
ist hier der Gesellschaftstypus der modernen Arbeitsgesellschaft vorzufinden.
Um die heutige ökonomische Struktur und Bedeutung Europas erklären zu können, wird
ein Abriß über die Entstehungsgeschichte des europäischen Kulturraumes gegeben. Es
wird der Frage nachgegangen, warum gerade Europa zu einer der wirtschaftlich stärksten
Regionen der Welt heranwachsen konnte. Dazu ist zu klären, wo, wann und warum das
Wirtschaftswachstum in Europa begann. Es wird verortet, in welchem Zeitraum in welchem
geographischen Gebiet die industrielle Wirtschaftstätigkeit begann.
Der Startpunkt der Wirtschaftsentwicklung wird in der ,,Industriellen Revolution" gesehen,
,,die im späten 18. Jahrhundert in Großbritannien einsetzte und sich von dort ausbreitete"
(JONES, 1991: S. XIX). In den Augen vieler Wirtschaftshistoriker wird England zum
Mutterland des Kapitalismus. England durchlief im Zeitraum von 1783 ­ 1802 als erstes
Land der Welt einen industriellen Wachstumsschub. Dieser lief einher mit einer sektoralen
Verschiebung und wird als Take-Off-Phase (vgl. BUSS, 1996: S. 49 f.)
1
bezeichnet. Die
1
Der Begriff ,,Take-Off-Phase" geht auf W. W. ROSTOW zurück. Er beschreibt damit die Phase im
Industrialisierungsprozeß eines Landes, in welcher der eigentliche wirtschaftliche Aufschwung
beginnt. Diese Phase ist erreicht, wenn ein sich selbst erhaltendes Wachstum gesichert ist (vgl.
WISWEDE, 1985: S. 352). Es handelt sich bei dieser Periode um den eigentlichen Übergang von

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Die Entwicklung Europas
erstmals auftretenden industriellen Sektoren (Schlüsselsektoren) gaben starke Antoß-
bzw. Ausbreitungseffekte ab. Es zeigt sich, daß sich zunächst auf nationaler (in England)
und später auf internationaler Ebene neue Schlüsselindustrien entfalten konnten. Die
Phase des Take-Offs betrug in den westeuropäischen Ländern nur wenige Jahrzehnte,
wie Abbildung 2.1 verdeutlicht. ROSTOW schätzt die Länge dieser Periode auf ca. 20 ­
30 Jahre.
=HLWUDXP GHU 7DNH2II3KDVH
1783 ­ 1802
England
1830 ­ 1860
Frankreich
1850 ­ 1873
Deutschland
Tabelle 2.1: Zeitraum der Take-Off-Phase
Die Sichtweise der europäischen Entwicklung mit England als Entwicklungszentrum ist
allerdings relativ eingeengt, läßt sie doch Entwicklungslinien in anderen europäischen
Staaten außer Acht. Sowohl die Geburt des modernen, industriellen Kapitalismus im
England der Industriellen Revolution als auch die ,,Take-Off-Phasen" in den Staaten
Kontinentaleuropas sind das Ergebnis einer langen Entwicklungszeit innerhalb des
gesamten europäischen Raumes. Es muß weiter in der Geschichte des Kulturraums
zurückgegangen werden, um eine überzeugende Erklärung für die Entwicklung Europas
zu ermöglichen. Der Soziologe Max WEBER sieht die Anfänge des Kapitalismus, bedingt
durch die Reformation und die damit verbundene Änderung der Werte und Normen in der
Bevölkerung, bereits im Mittelalter (vgl. Kap. 2.5.1). Auch der Webersche Ansatz kann nur
eine Teilerklärung liefern.
Will man die Zusammenhänge im System Europa verstehen, muß man noch weiter in der
Zeit zurückgehen und seine Entwicklung seit dem Altertum betrachten. Erst die
Betrachtung des Zeitraums vom Mesolithikum (8.000 ­ 5.000 v. Chr.) ermöglicht es, die
Anfangspunkte großer Entwicklungslinien und deren Dynamik innerhalb Europas
herauszuarbeiten.
der Agrar- zur Industriegesellschaft, der i.d.R. mit großen gesellschaftspolitischen Schwierigkeiten
bzw. Umwälzungen einhergeht: ,,fehlende Bereitschaft, neue technische Entwicklungen zu
akzeptieren, Widerstand gegen neue Verfahren und Methoden, Widerstand gegen die damit
verbundenen Entwicklungen im sozialen Bereich" (BUSS, 1996: S. 50).

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Die Entwicklung Europas
Folgt man der Argumentation von Eric L. JONES sind sowohl ökonomische als auch
außerökonomische Parameter langzeitlicher Entwicklung in die Erklärung mit
einzubeziehen. Er wählt den Ansatz einer dreistufigen Argumentationskette (siehe Abb.
2.1) und geht auf eine langfristigen Entwicklungsperspektive ein.
gNRORJLH
SROLWLVFK
LQVWLWXWLRQHOOH
6WUXNWXUHQ
|NRQRPLVFKH
(QWZLFNOXQJ
Abbildung 2.1: JONES Argumentationskette
Die geographische und ökologische Struktur des eurasischen Kontinents fördert die
Bildung bestimmter geopolitischer Strukturen und Kulturen. Diese sind wiederum einer
dynamischen Wirtschaftsentwicklung förderlich. JONES wählt, im Gegensatz zu den oben
genannten Wirtschaftshistorikern einen Blickwinkel, der von den natürlichen
Gegebenheiten in Form von Umweltfaktoren, über Formen des sozialen
Zusammenlebens, kulturellen Werten und bestimmten Staatsformen bis hin zum
technologischen bzw. wirtschaftlichen Entwicklungsstand reicht. JONES argumentiert mit
exogenen, das heißt von Personen nicht beeinflußbare Faktoren, und endogenen
Faktoren, welche, von Menschen geschaffen, durch Gesellschaftsformen geprägt, auf die
vorgegebenen Rahmenbedingungen aufbauen. Zu den exogenen Rahmenbedingungen
zählen Geographie, Ökologie und Katastrophen. Auf diese fußen die endogenen
Rahmenbedingungen, wie sie in Abbildung 2.2 dargestellt werden.
*HRJUDSKLH
gNRORJLH
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5DKPHQEHGLQJXQJHQ
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5HOLJLRQ .XOWXU )DPLOLHQV\VWHP
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(LJHQWXP 5HFKWVV\VWHP
HQGRJHQH
5DKPHQEHGLQJXQJHQ
:LVVHQVFKDIW 7HFKQLN ,QQRYDWLRQ
Abbildung 2.2: Rahmenbedingungen der europäischen Entwicklung
fördert
fördert

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Die Entwicklung Europas
*HRJUDSKLH XQG gNRORJLH (XURSDV
Europa ist mit etwa 10 Millionen km² Fläche der zweit kleinste Kontinent der Erde.
Zusammen mit dem asiatischen Kontinent bildet er die große eurasische Landplatte.
Dennoch ist Europa nicht als tief gegliederte westliche Halbinsel Asiens anzusehen,
vielmehr muß es aufgrund seiner historischen Rolle als eigenständiger Kontinent
betrachtet werden. Konventionell wird Europa seit dem 18. Jahrhundert im Osten durch
den Gebirgszug des Ural und seine nördliche Fortsetzung sowie den Fluß Ural, das
Kaspische Meer, den Kaukasus und das Schwarze Meer gegen Asien abgegrenzt. Im
Westen bilden der Atlantik, im Norden seine Neben- bzw. Randmeere und im Süden das
Mittelmeer die Grenzen.
Ein Blick auf die Karte Europas zeigt, daß der Anteil der stark gegliederten Küste im
Vergleich zur Landmasse relativ groß ist. Die Zuflüsse zu den europäischen Meeren sind
wasserreich bei mäßigen jährlichen Schwankungen und daher sehr gut schiffbar. Auffällig
ist die Kleinflächigkeit der europäischen Landschaft, die einerseits dadurch gegeben ist,
daß 8 % der Fläche des Kontinents auf Inseln und weitere 19 % auf Halbinseln entfallen
und andererseits große Gebirge wie die Alpen bzw. die Pyrenäen die Ebenen voneinander
abgrenzen. So wird etwa Großbritannien durch das Meer, Italien durch die Alpen und die
iberische Halbinsel durch die Pyrenäen vom restlichen Europa abgetrennt.
Klimatisch läßt sich Europa in verschiedene Bereiche aufteilen, wobei im wesentlichen vier
Hauptklimagebiete unterschieden werden. Das maritime west- und nordwesteuopäische
Klimagebiet mit kühlen Sommern und relativ milden Wintern umfaßt den Küstenbereich bis
hin zur Küste von Nordspanien. Als zweites läßt sich das mitteleuropäische
Übergangsklima benennen. Mit kühlen Wintern und warmen Sommern reicht es vom
Süden Schwedens und Norwegens bis zur Weichsel im Osten und zum Schwarzen Meer.
Niederschläge fallen hier ganzjährig zu allen Jahreszeiten, das Maximum liegt im Sommer.
Das dritte Klimagebiet, das kontinentale nord- und osteuropäische Klimagebiet mit kühlen
bis sehr heißen Sommern und Niederschlagsmaximum im Sommer erstreckt sich von
Nordskandinavien über Ostpolen, die europäischen Teile der GUS bis zum Baltikum. Das
Mittelmeerklima, als vierte Klimazone, mit sehr milden Wintern und trockenen, heißen
Sommern mit reichlich Sonnenschein und Winterregen erreicht im Frühjahr und Herbst das
Niederschlagsmaximum.
Die Mannigfaltigkeit des europäischen Klimas wird durch folgenden Vergleich illustriert
werden: Die wärmste Stadt des Kontinents (Sevilla) hat eine Jahresmitteltemperatur von

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Die Entwicklung Europas
19,6° C. Dagegen beträgt das Jahresmittel in London nur 10,7° C und in Bergen sogar
7,8° C. Dafür fällt aber im Jahresmittel in Bergen fast sechsmal soviel Niederschlag wie in
der andalusischen Hauptstadt.
Entsprechend des Klimas hat sich die Vegetation in Europa angepaßt. So führen
Unterschiede in der Bodenqualität bei unterschiedlichen Witterungsbedingungen zu einer
ungleichen Verteilung fruchtbarer Böden. Derartige fruchtbare Gebiete bezeichnet JONES
als Kerngebiete. In diesen Gebieten kommt es vermehrt zu Ansiedlungen, die sich mit der
Zeit zu strategischen Zentren entwickeln können und den Kern späterer Nationalstaaten
bilden. Die Karte (Abbildung 2.3) zeigt, daß die Kernregionen auch heute noch die Zentren
verschiedener Nationalstaaten bilden.
Abbildung 2.3: Kernregionen in Europa
2
2
Quelle: JONES (1991), S. XL

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Die Entwicklung Europas
.DWDVWURSKHQ LQ (XURSD
Für KENNEDY bestand Europas größter Vorteil darin, daß es weniger Nachteile als
andere Zivilisationen hatte (KENNEDY, 1987: S. 68). Auch JONES stimmt dieser
Argumentation zu: ,,Der wahre Unterschied scheint darin zu liegen, daß Nicht-Europäer
unter schweren Bedingungen zu leiden hatten" (JONES, 1991: S. 186). Besonders
deutlich wird dies bei einer Betrachtung von Katastrophen und deren Auswirkungen auf die
wirtschaftliche Entwicklung im Vergleich zwischen Europa und Asien.
Eine Katastrophe (griechisch-lateinisch: Umkehr, Wendung) ist, ein Unglück von großen
Ausmaßen und entsetzlichen Folgen. Im Hinblick auf das Wirtschaftssystem lassen sie
sich als unvermittelte Schocks verstehen, denen das System ausgesetzt ist (vgl. JONES,
1991: S. 25 ff.). Eine Klassifizierung von Katastrophen nach ihren physischen Ausmaßen
(nicht nach der Schadenshöhe) kann mit JONES nach den in Tabelle 2.3 aufgeführten vier
Typen erfolgen:
.DWDVWURSKHQW\SHQ
JHRSK\VLNDOLVFK
Erdbeben, Vulkanausbrüche, seismische Wogen
NOLPDWLVFK
Orkane, Taifune, Hagelstürme,
Überschwemmungen, Dürreperioden
ELRORJLVFK
Epidemien, Viehseuchen, Pflanzenkrankheiten,
Heuschreckeneinfälle
VR]LDO
Kriege, Vernichtung menschlicher Siedlungen
durch Brand, Einsturz von Bauwerken
Tabelle 2.2: Katastrophentypen nach Jones (1991)
JHRSK\VLNDOLVFKH XQG NOLPDWLVFKH .DWDVWURSKHQ
Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens geophysikalischer und klimatischer Katastrophen in
Europa ist im Gegensatz zu Asien relativ gering. Europa berührt den geologisch aktiven
Gürtel zwischen 35° und 10° nördlicher Breite nur am Rande, im Bereich der
Mittelmeerländer. Der größte Teil Europas blieb verschont von seinen Auswirkungen wie
Erdbeben und Vulkanausbrüchen. Die Wahrscheinlichkeit durch ein Erdbeben zu Tode zu
kommen war für einen Asiaten um das 30-fache höher als für einen Europäer (vgl.
JONES, 1991: S. 29/30).
Das gemäßigte Klima Europas ermöglichte keine zwei Ernten pro Jahr, wie dies unter
günstigen Bedingungen im asiatischen Raum der Fall war, verschonte aber dafür die
Bevölkerung vor regelmäßigen klimatischen Katastrophen wie Dürreperioden und

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Die Entwicklung Europas
sintflutartigen Regenfällen. Überschwemmungen durch Flüsse waren in Europa häufig,
und die Schäden für die Landwirtschaft beträchtlich, doch blieben diese Schäden regional
begrenzt und betrafen niemals den gesamten Erdteil. Dagegen führten
Überschwemmungen in China dazu, daß durch eine einzige undichte Stelle in den
Dämmen hunderte von Quadratkilometern überschwemmten und Millionen Bauern ihre
Landarbeit unmöglich machten (JONES, 1991: S. 31). Nicht selten wurde der Boden für
mehrere Jahre unbebaubar. Dürreperioden waren in Asien folgenschwerer als in Europa.
In 610 Ernteperioden der Jahre 620 bis 1619 wurden, hervorgerufen durch zu wenig
Regen, in einer oder mehrerer chinesischer Provinzen in über 200 Perioden eine große bis
sehr große Dürre verzeichnet, wahrscheinlich schwer genug, um Hungersnöte
hervorzurufen (MALLORY, 1926: S. 38).
ELRORJLVFKH XQG VR]LDOH .DWDVWURSKHQ
Biologische Katastrophen waren im Mittelalter nicht nur in Asien, sondern auch in Europa
häufig. Bei der großen Pestwelle um 1350 wurde ein Drittel der europäischen Bevölkerung
dahingerafft. Allerdings gesundete Europa nach diesen Epidemien relativ schnell wieder.
Viele der in Europa epidemisch auftretenden Krankheiten haben in Asien eher den
Charakter von endemischen, langfristig schwächenden, z. T. lebensgefährlichen
Krankheiten. Europa war zwar durch Epidemien gefährdet, lebte aber in den Jahren
zwischen den Ausbrüchen gesünder als Asien.
Neben den biologischen Katastrophen spielten auch die sozialen eine Rolle in Europa.
Große Brände vernichteten im Mittelalter ganze Städte und Dörfer. In Europa begann man
ab dem späten Mittelalter zunehmend nicht-brennbare Materialien wie Ziegeln und vor
allem Dachziegeln im Bau bzw. Wiederaufbau von Häusern einzusetzen, wodurch die
Brandgefahr langsam, aber erheblich gesenkt wurde. Das Stadtbild von Warschau war
bereits 1431, als es nach einem Brand neu aufgebaut wurde, von der Ziegelbauweise
geprägt (JONES, 1991: S. 39). Brandverhütungsmaßnahmen wurden von staatlichen und
lokalen Instanzen vorgeschrieben, wodurch die Brandgefahr um weiteres zurückging.
Ein weiterer Typ der sozialen Katastrophen stellen die Kriege innerhalb Europas dar.
Durch die Vielstaatigkeit kam es immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen.
Auffällig ist dabei, daß die Zerstörungskraft der Kriege zwischen dem Dreißigjährigen Krieg
und der französischen Revolution abgenommen hat. Gründe hierfür sieht JONES in den
sich stetig vergrößernden Armeen, in denen ,,eine effiziente Intendantur zur unabdingbaren
Notwendigkeit wurde" (JONES, 1991: S. 39). Durch die Kleinflächigkeit der europäischen

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Die Entwicklung Europas
Staaten blieb der Schaden räumlich relativ gering: ,,Zerstörungen bei Kriegen waren in
Europa zwar häufig, aber die Auswirkungen eher kleinflächig als großflächig" (WEEDE,
1988: S. 176).
.DWDVWURSKHQVFKXW]
Eine Besonderheit Europas waren die schon sehr früh staatlich angeordneten und von
staatlichen Einrichtungen durchgeführten Maßnahmen zur Katastrophenbewältigung.
Schon im Mittelalter wurde der Deichbau vorangetrieben, um Überschwemmungen zu
verhindern. Hinzu kamen die schon genannten Brandschutzmaßnahmen sowie
Maßnahmen zur Verhinderung bzw. Eindämmung von Tierseuchen und Epidemien. In der
Vielfalt seiner Maßnahmen zur Katastrophenbekämpfung überrundete Europa Asien und
die übrige Welt (JONES, 1991: S. XVI).
Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß Europa insgesamt geringere Verluste
durch Katastrophen erlitt als Asien. In Europa waren im Unterschied zu Asien die
Arbeitskräfte stärker von Katastrophen betroffen als die Kapitalgüter. Erstere waren in der
Regel schneller und leichter wieder ersetzbar, so daß nach einer großen Katastrophe die
Wirtschaft ihre volle Leistungskraft wiedererlangte. ,,Weil europäische Kriege und
Katastrophen häufig mehr Menschen als Kapital vernichteten, waren hinterher die
wirtschaftlichen Erholungschancen besser als in Asien, wo Mensch und Kapital meist
gleichermaßen dezimiert wurden" (WEEDE, 1988: S. 176). Das Kapitalisierungspotential
war in Europa wesentlich höher als in Asien.
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Europa war und ist gekennzeichnet durch ein stabiles System rivalisierender, miteinander
in Konkurrenz stehender Staaten. Das es nicht zu der Herausbildung eines einzigen,
großen europäischen Staates kam, erklärt Jones aus den regionalen geographischen
Besonderheiten: ,,Grundtatsache und Voraussetzung des Systems war die Streuung der
Regionen mit einem hohen agrarischen Nutzungspotential über einen Kontinent von
Ödland und Wald" (JONES, 1991: S. 122).
Die Besiedlung der Kernregionen läßt sich zurückverfolgen bis zu den Ackerbau- und
Jägerkulturen um 3000 v. Chr. Die Siedlungsdichte war hier bedeutend höher als in
anderen Regionen. Leichter zu erwirtschaftende Überschüsse der Nahrungsmittel-
produktion in der Agrarwirtschaft (z.B. in Form von Bevorratung von Saatgut für die

Europa_Einheit durch Vielfalt.doc: Europa ­ Einheit durch Vielfalt ?
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Die Entwicklung Europas
nächste Saat- bzw. Ernteperiode) ließ die Kerngebiete zu relativ wohlhabenden Zonen
aufsteigen.
Durch natürliche Grenzen, wie unwegsames Gelände, Wälder, Sümpfe, Gebirgsketten
sowie Flüsse waren die Kerngebiete von einander getrennt, obwohl sie relativ dicht
beieinander lagen. Kurze Distanzen zwischen den verschiedenen Kernregionen konnten
nur mit großen Anstrengungen überwunden werden. Hinzu kamen sprachliche und
ethnische Grenzen, die bis in die Zeit früher Stammeswanderungen sowie der Anfänge der
Siedlungsgeschichte zurückreichen.
Europa bestand ,,aus einer Reihe von bevölkerten Inseln in einem Meer von Wald und
Heide" (ebd.: S. 123). Diese Inseln waren das Fundament auf welchem die herrschenden
Familien ihre politische Zukunft bauten, Vermögen und Macht stiegen mit der Zeit. Durch
die Akkumulation von Macht wurden Expansionsimpulse erzeugt, welche dazu führten,
daß sich die Inseln vergrößerten und damit die Kerngebiete zu Staaten und später zu
Nationalstaaten anwuchsen. So begannen um 900 n. Chr. die ersten Staaten zu
entstehen, im 14. Jahrhundert gab es rund tausend selbständige Gemeinwesen.
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Abbildung 2.4: Modell des europäischen Staatensystems

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
1999
ISBN (eBook)
9783832478506
ISBN (Paperback)
9783838678504
Dateigröße
2.7 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg – Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
Note
1,7
Schlagworte
sozialwissenschaft kulturraum wirtschaftsgeographie globalisierung integration
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Titel: Europa - Einheit durch Vielfalt?
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