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Tourismus in der EU

Volkswirtschaftliche Bedeutung und kritische Würdigung der EU-Aktivitäten im Tourismus

©2003 Diplomarbeit 72 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Der Tourismus ist ein sehr komplexer Wirtschafts- und Sozialbereich, dessen ökonomische Bedeutung zwar in einem globalen Sinne gesehen, im speziellen aber meist verkannt wird. Eine Quantifizierung seiner gesamtwirtschaftlichen Bedeutung ist nämlich nicht ohne weiteres möglich. Die Gründe hierfür, ebenso wie die verschiedenen Wege zur Ermittlung der volkswirtschaftlichen Bedeutung des Tourismus, werden in der vorliegenden Arbeit zu erläutern sein. Hinzu kommen in einem ersten Schritt einer solchen Untersuchung die Probleme der Definition und Erfassung des Fremdenverkehrs in seiner Gesamtheit.
Das Statistische Amt der EU (Eurostat), auf dessen Datenmaterial im Rahmen der Einschätzung der volkswirtschaftlichen Bedeutung des Tourismus in der Europäischen Union in dieser Arbeit vielfach zurückgegriffen wird, hält sich an die von der Welttourismusorganisation (WTO) erarbeitete Definition von Tourismus, die beim „visitor“ - dem Besucher - ansetzt, der seine gewöhnliche Umgebung für eine Dauer von höchstens einem Jahr verlässt und am Zielort nicht für eine dort ausgeübte Aktivität vergütet wird. Zu kritisieren ist dabei, dass das Kriterium der Vergütung vor Ort streng genommen den Ausschluss weiter Teile von Geschäftsreisen zur Folge hätte, da oftmals auch z.B. für einen Vortrag Honorare gezahlt werden. Die Definition der WTO schließt Geschäftsreisende jedoch mit ein. Außerdem kann die gewöhnliche Umgebung nicht objektiv - z.B. in Kilometern - vorgegeben werden, da je nach regionalen und individuellen Gegebenheiten ein Ortswechsel als Reise empfunden wird oder nicht.
Die Schwierigkeiten bei der Wahrnehmung und Abgrenzung des Tourismus gelten auch für die Wahrnehmung des Tourismus durch das politische System, worauf an späterer Stelle näher eingegangen wird. In einer marktwirtschaftlich orientierten Gesellschaft werden wirtschaftliche Abläufe maßgeblich durch Anbieter und Nachfrager geregelt. Die Aufgabe des Staates besteht dabei in der Schaffung der entsprechenden Rahmenbedingungen für das Funktionieren der Abläufe.
Staatliche Aufgaben im Bereich der Ökonomie werden innerhalb der allgemeinen und speziellen Wirtschaftspolitik behandelt. In Bezug auf den Tourismus wird daher von Tourismus- oder Fremdenverkehrspolitik gesprochen. Tourismuspoltische Interventionen werden im zweiten Schwerpunkt dieser Arbeit thematisiert, bei dem es um die Darstellung und kritische Würdigung der Aktivitäten der Europäischen Union im Bereich des […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 7801
Kempter, Xenia: Tourismus in der EU - Volkswirtschaftliche Bedeutung und kritische
Würdigung der EU-Aktivitäten im Tourismus
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: Fachhochschule Wiesbaden, Fachhochschule, Diplomarbeit, 2003
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2004
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung...1
2 Die ökonomische Bedeutung des Tourismus... 4
2.1 Die Problematik der
Abgrenzung des Wirtschaftssektors Tourismus...4
2.2 Statistiken als Grundlage für die Erfassung der ökonomischen
Bedeutung des Tourismus...6
2.3 Ansätze zur Messung der wirtschaftlichen Bedeutung des Tourismus...7
2.4 Beurteilungskriterien für die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des
Tourismus...8
2.4.1 Beitrag des Tourismus zum Sozialprodukt...9
2.4.2 Beitrag des Tourismus zur Beschäftigungssituation...10
2.4.3 Außenwirtschaftliche Wirkungen des Tourismus...11
2.5 Tourism Satellite Account...13
3 Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Tourismus in der
Europäischen Union...15
3.1 Europa als ,,Motor" des Welttourismus... 15
3.2 Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung und das Wachstumspotential des
Tourismussektors in der EU...17
3.2.1 Unternehmensstrukturen der europäischen Tourismuswirtschaft
und ökonomische Bedeutung des Gastgewerbesektors in der EU...20
3.2.2 Beschäftigung im Tourismus in der EU: Strukturen und quanti-
tative Entwicklung... 21
3.3 Der durch Globalisierungstendenzen verursachte Strukturwandel in der
Tourismusbranche...24
3.4 Die Auswirkungen der Ereignisse vom 11. September 2001 auf die
europäische Tourismusbranche...26
4 Die Aktivitäten der EU im Bereich des Tourismus... 31
4.1 Die Entstehung der Tourismuspolitik auf Europaebene... 31
4.2 Die Rechtsgrundlagen für tourismusbezogene Maßnahmen der
Gemeinschaft...32
4.3 Die Organisation der Europäischen Tourismuspolitik...36
4.4 Direkte Maßnahmen der EU im Bereich des Fremdenverkehrs... 37
4.4.1 Der Aktionsplan der Gemeinschaft zur Förderung des Tourismus...37
4.4.2 Weitere direkte Maßnahmen in den Jahren 1995 und 1996...39

4.4.3 Die Entschließung des Rates über die Zukunft des Tourismus in
Europa...39
4.5 Indirekte Maßnahmen der EU im Bereich des Tourismus...41
5 Kritische Würdigung der Tourismuspolitik der EU...43
5.1 Bewertung des Aktionsplans zur Förderung des Tourismus...43
5.2 Gesamtbewertung der tourismusbezogenen Maßnahmen der EU... 44
5.2.1 Koordinations- und Informationsprobleme...46
5.2.2 Unzureichende personelle und finanzielle Ressourcen...47
5.2.3 Beurteilung der inhaltlichen Ausrichtung der Tourismuspolitik
der EU... 49
5.3 Die Einstellungen der EU-Mitgliedsstaaten zur Europäischen
Tourismuspolitik... 51
5.4 Die Notwendigkeit einer Tourismuspolitik auf europäischer Ebene...52
5.5 Die Forderung nach einem eigenen Vertragstitel über den Tourismus...55
6 Schlussbemerkung im Hinblick auf die Zukunft der
Europäischen Tourismuspolitik...58
Literaturverzeichnis... I

1
1 Einleitung
Der Tourismus ist ein sehr komplexer Wirtschafts- und Sozialbereich, dessen öko-
nomische Bedeutung zwar in einem globalen Sinne gesehen (,,einer der größten
Wirtschaftszweige der Welt"), im speziellen aber meist verkannt wird.
1
Eine
Quantifizierung seiner gesamtwirtschaftlichen Bedeutung ist nämlich nicht ohne
weiteres möglich. Die Gründe hierfür, ebenso wie die verschiedenen Wege zur
Ermittlung der volkswirtschaftlichen Bedeutung des Tourismus, werden in der
vorliegenden Arbeit zu erläutern sein. Hinzu kommen in einem ersten Schritt
einer solchen Untersuchung die Probleme der Definition und Erfassung des Frem-
denverkehrs
2
in seiner Gesamtheit. Das Statistische Amt der EU (Eurostat), auf
dessen Datenmaterial im Rahmen der Einschätzung der volkswirtschaftlichen Be-
deutung des Tourismus in der Europäischen Union in dieser Arbeit vielfach zu-
rückgegriffen wird, hält sich an die von der Welttourismusorganisation (WTO)
erarbeitete Definition von Tourismus, die beim ,,visitor" - dem Besucher - ansetzt,
der seine gewöhnliche Umgebung für eine Dauer von höchstens einem Jahr ver-
lässt und am Zielort nicht für eine dort ausgeübte Aktivität vergütet wird. Zu kriti-
sieren ist dabei, dass das Kriterium der Vergütung vor Ort streng genommen den
Ausschluss weiter Teile von Geschäftsreisen zur Folge hätte, da oftmals auch z.B.
für einen Vortrag Honorare gezahlt werden. Die Definition der WTO schließt Ge-
schäftsreisende jedoch mit ein. Außerdem kann die ,,gewöhnliche Umgebung"
nicht objektiv - z.B. in Kilometern - vorgegeben werden, da je nach regionalen
und individuellen Gegebenheiten ein Ortswechsel als Reise empfunden wird oder
nicht.
3
Die Schwierigkeiten bei der Wahrnehmung und Abgrenzung des Tourismus gel-
ten auch für die Wahrnehmung des Tourismus durch das politische System, wo-
rauf an späterer Stelle näher eingegangen wird. In einer marktwirtschaftlich orien-
tierten Gesellschaft werden wirtschaftliche Abläufe maßgeblich durch Anbieter
und Nachfrager geregelt. Die Aufgabe des Staates besteht dabei in der Schaffung
der entsprechenden Rahmenbedingungen für das Funktionieren der Abläufe.
Staatliche Aufgaben im Bereich der Ökonomie werden innerhalb der allgemeinen
und speziellen Wirtschaftspolitik behandelt. In Bezug auf den Tourismus wird da-
1
Vgl. Mundt (2001) S. 422
2
Die Begriffe Tourismus, Fremdenverkehr und Reiseverkehr werden in dieser Arbeit synonym
verwendet.
3
Vgl. Internet-Quelle [1] und Internet-Quelle [2] S. 7

2
her von Tourismus- oder Fremdenverkehrspolitik gesprochen. Freyer definiert
Tourismuspolitik wie folgt:
,,Fremdenverkehrspolitik ist die zielgerichtete Planung und Beeinflussung/ Gestal-
tung der touristischen Realität durch verschiedene Träger (staatliche, private,
übergeordnete)".
4
Tourismuspoltische Interventionen werden im zweiten Schwerpunkt dieser Arbeit
thematisiert, bei dem es um die Darstellung und kritische Würdigung der Aktivitä-
ten der Europäischen Union im Bereich des Tourismus geht. Die grundsätzliche
Aufgabe einer Tourismuspolitik auf Europäischer Ebene kann infolge der vorste-
henden Ausführungen als das Treffen von Maßnahmen und Regelungen betrachtet
werden, um in einem Markt mit freiem Wettbewerb optimale Voraussetzungen für
eine erfolgreiche Tourismuswirtschaft in Europa zu schaffen.
5
Die Europäische Gemeinschaft
6
war ursprünglich in erster Linie als Wirtschafts-
gemeinschaft intendiert. Primäres Ziel war (und ist natürlich auch noch gegenwär-
tig) die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes. Diese Zielsetzung wurde nachher
überlagert bzw. ergänzt durch die Binnenmarktzielsetzung. Im EG-Vertrag wird
der Binnenmarkt definiert als ein ,,Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie
Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den vertragli-
chen Bestimmungen gewährleistet ist". Die Binnenmarktzielsetzung gilt grund-
sätzlich für alle Wirtschaftsbereiche und damit auch für den Bereich des Touris-
mus, wobei vor allem die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit aufgrund
der vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgenommenen Qualifizierung des
Fremdenverkehrs als Dienstleistung von Bedeutung sind.
7
Die Niederlassungsfrei-
heit ist Bestandteil der Grundfreiheit ,,Freier Personenverkehr" und ist als die freie
Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeit sowie die Gründung und
Leitung von Unternehmen zu verstehen. Dies ist mit einer andauernden wirt-
schaftlichen Integration in einem anderen Mitgliedsstaat verbunden, wodurch sich
die Abgrenzung zur Freiheit des Dienstleistungsverkehrs ergibt.
8
Im Tourismus-
bereich ist die Dienstleistungsfreiheit zum einen relevant im Fall des grenzüber-
schreitenden Erbringens touristischer Leistungen durch Tourismusunternehmen
4
Vgl. Freyer (2001) S. 269-270
5
Vgl. Thomas (1998) S. 13
6
Die Begriffe Europäische Gemeinschaft und Europäische Union werden in dieser Arbeit syno-
nym verwendet.
7
Vgl. Knigge (2001) S. 63-64
8
Vgl. Weindl (1999) S. 159

3
(z.B. grenzüberschreitendes Angebot von Pauschalreisen durch Reiseveranstalter)
oder durch natürliche Personen, z.B. Fremdenführer, ohne die dauerhafte Nieder-
lassung in einem anderen Mitgliedsstaat; zum anderen bei der grenzüberschreiten-
den Inanspruchnahme touristischer Leistungen durch Touristen, beispielsweise die
grenzüberschreitende Buchung einer Pauschalreise bei einem im Ausland ansässi-
gen Reiseveranstalter oder die Inanspruchnahme der Leistungen eines Fremden-
führers in einem anderen Mitgliedsstaat. Daneben ist für den Tourismus auch der
mit der Verwirklichung des Binnenmarktes verbundene Abbau der Personen- und
Warenkontrollen an den Binnengrenzen von besonderer Relevanz, als er die
Durchführung von Reisen erleichtert.
9
Auch wenn die europäische Einigung ihren Anfang im wirtschaftlichen Bereich
nahm, hat sich Europa inzwischen auch zu einer politischen Gemeinschaft entwi-
ckelt. So bildete sich im Laufe der Zeit eine EU, die ihr Handeln sowohl auf Ko-
operation zwischen den Regierungen der Mitgliedsstaaten als auch auf eigens aus-
gebildete Organe und gemeinschaftliche Entscheidungsverfahren gründet. Mittler-
weile ist die EU fast in jedem Politikbereich aktiv (somit auch im Tourismus),
wenn auch mit unterschiedlicher Handlungskompetenz.
10
9
Vgl. Knigge (2001) S. 98; 149
10
Vgl. Piepenschneider (2003) S. 3

4
2 Die ökonomische Bedeutung des Tourismus
2.1 Die Problematik der
Abgrenzung des Wirtschaftssektors Tourismus
In einer Vielzahl von Publikationen wird die Tourismusbranche als einer der be-
deutendsten Wirtschaftszweige der Welt angesehen und als ,,die" Zukunftsindus-
trie des 21. Jahrhunderts bezeichnet. Die Nachfrage nach Tourismusangeboten ist
in den vergangenen Jahrzehnten konjunkturresistent gestiegen und die Tatsachen,
dass die Tourismuswirtschaft inzwischen einen Anteil von zehn Prozent am Brut-
tosozialprodukt der Weltwirtschaft aufweist und gegenwärtig schneller wächst als
die übrige Weltwirtschaft, bekräftigen diese Vermutungen. Sogar die Verluste
nach den Terroranschlägen auf die Vereinigten Staaten vom 11. September 2001
werden von der Branche nur als kurzfristige Rückschläge bewertet.
11
Betrachtet man die quantitativen Einschätzungen verschiedener wissenschaftlicher
Untersuchungen über beispielsweise den direkten Beitrag des Tourismus zur Be-
schäftigung, seine Bedeutung als Devisenbringer oder seine indirekte Anschub-
und Multiplikatorenfunktion für andere Wirtschaftszweige, erkennt man, dass der
Tourismus ein bedeutendes Thema für die meisten Volkswirtschaften darstellt.
12
Doch ähnlich wie bei der Schwierigkeit, den Fremdenverkehr in seiner Gesamt-
heit zu definieren und abzugrenzen, existiert keine eindeutige volkswirtschaftliche
Abgrenzung des ,,Wirtschaftssektors Tourismus" oder der ,,Tourismusindustrie",
was eine wissenschaftliche Untersuchung des Tourismus als Wirtschaftsfaktor er-
schwert. Zwar ermöglichen die verschiedenen Definitionsversuche der Betriebs-
wirtschaftslehre eine annähernd präzise Abgrenzung der so genannten Fremden-
verkehrsbetriebe
13
, verfolgt man jedoch die Wertschöpfungskette, die ein Tourist
von der Anreise über den Aufenthalt und die Aktivitäten am Urlaubsort bis zur
Rückfahrt in seinen Wohnort durchläuft, wird die Vielfältigkeit der touristischen
Anbieter deutlich.
14
Der Tourismus setzt sich aus einer Vielzahl von Leistungen
verschiedener volkswirtschaftlicher Bereiche zusammen und lässt daher eine bran-
chenspezifische Aggregation der Fremdenverkehrsbetriebe nur beschränkt zu.
Bei einem Versuch der Bestimmung von touristischen Betrieben bzw. eines Tou-
11
Vgl. Breidenbach (2002) S. 138
12
Vgl. Opaschowski (2002) S. 198-199
13
Vgl. Freyer (2001) S. 106
14
Vgl. Brysch (1999) S. 1

5
rismussektors erweisen sich folgende Abgrenzungskriterien als geeignet:
- Die Art der Leistungserstellung
- Die Art der Nachfrage
- Die Intensität des Absatzes
Das Hauptproblem bei der Abgrenzung nach dem erstgenannten Kriterium, wobei
alle Betriebe, die die gleiche Leistung erbringen, zu einer Gruppe zusammenge-
fasst werden, ist das Fehlen einer eindeutigen Definition des Begriffes ,,Fremden-
verkehrsprodukt" bzw. -,,leistung". In der Regel werden alle Produktions- und
Dienstleistungen, die mit dem in- oder ausländischen Reiseverkehr zusammen-
hängen, als touristische Leistungen verstanden. Neben den Leistungen, die direkt
mit der Reise in Verbindung stehen (z.B. Transport, Übernachtung, Reiseorgani-
sation und -vermittlung), gibt es allerdings auch mehrere Wirtschaftsbereiche, die
nur gelegentlich mit dem Tourismus zusammenhängende Leistungen erstellen,
beispielsweise das Banken- und Versicherungswesen oder das Verlagswesen.
Folglich greift man auf die Art der Nachfrage als ein weiteres Kriterium zurück.
Doch auch diese Einteilung bereitet Schwierigkeiten. Der Absatz der verschiede-
nen Betriebe ist oftmals nicht nur an Touristen, sondern auch an Einheimische ge-
richtet, da Touristen neben der originären ,,Reiseleistung" auch Produkte wie
Lebensmittel, Friseurleistungen usw. nachfragen. Grenzt man zusätzlich nach der
Intensität des Absatzes ab (oft kann jedoch nur schwer zwischen touristischer und
nicht-touristischer Nachfrage unterschieden werden), wird ein Betrieb mit einem
zu mehr als 50 % tourismusbedingtem Absatz als Fremdenverkehrsbetrieb ange-
sehen. Für eine volkswirtschaftliche Bestimmung eines Tourismussektors ist eine
Abgrenzung nach diesem Kriterium aber allenfalls schätzungsweise möglich. In
der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ist nur ein geringer Anteil der ausge-
wiesenen Wirtschaftsbereiche mehr als 10 oder 20 % vom Tourismus abhängig.
Dennoch sind derartige Bereiche gesamtwirtschaftlich als touristische Randwirt-
schaft mitzuerfassen.
Als Resultat dieser verschiedenen Abgrenzungsversuche ergeben sich drei Berei-
che der Tourismuswirtschaft. Die erste Gruppe von Reiseverkehrsbetrieben wird
oft als ,,typische Tourismuswirtschaft" oder ,,Tourismuswirtschaft im engeren
Sinne" bezeichnet. Hierbei handelt es sich um Betriebe wie Reiseveranstalter, die
typische Tourismusprodukte anbieten, welche neben anderen Anbietern der Tou-
rismuswirtschaft i.e.S. fast ausschließlich von Touristen nachgefragt werden. Im

6
Wirtschaftsbereich Transport ist diese betriebliche Zuordnung jedoch problema-
tisch, da die Absatzintensität der Leistungsträger je nach Abgrenzung des Reise-
verkehrs unterschiedlich hoch ist. Berücksichtigt man beispielsweise nur Urlaubs-
reisende und grenzt den Nah- und Berufsverkehr aus, sind nur wenige Leistungs-
träger der Tourismuswirtschaft zuzurechnen. Der zweite Bereich ist die ergänzen-
de Tourismuswirtschaft und umfasst untypische Tourismusbetriebe, die sich auf
Fremdenverkehrsprodukte spezialisiert haben, z.B. Bereiche des Verlagswesens,
die Landkarten und Reiseführer produzieren. Zu den Nachfragern gehören einer-
seits die Touristen selbst, andererseits die Anbieter in den drei Bereichen der Tou-
rismuswirtschaft. Der dritte Bereich wird als touristische Randwirtschaft bezeich-
net, zu welcher jene Betriebe zählen, die keine typischen Tourismusleistungen
produzieren, deren Absatz jedoch in bedeutendem Ausmaß an Touristen erfolgt.
Als Beispiel wäre hier der Einzelhandel in touristischen Orten zu nennen.
15
2.2 Statistiken als Grundlage für die Erfassung der ökonomischen
Bedeutung des Tourismus
Auf die verschiedenen Erhebungsmethoden zur Erfassung des Tourismus im All-
gemeinen und die Schwierigkeiten, die mit ihnen verbunden sind, soll an dieser
Stelle nicht im Einzelnen eingegangen werden. Generell existiert keine einheit-
liche Statistik, die die Reiseaktivitäten der Bevölkerung erfasst bzw. erfassen
könnte
16
, sondern ein
komplexes Gebilde der unterschiedlichsten Statistiken über
den Tourismus. Zu den bedeutsamsten zählen die Betriebsstatistik, die Amtliche
Statistik, die Verbandsstatistik, die Institutsstatistik und die Internationale Statis-
tik. Sie ermöglichen es, Aussagen über Umfang und Verteilung (nach Zeit, Gebiet
usw.) des Tourismus zu treffen. Die hierbei erhobenen Daten geben hauptsächlich
Auskunft über die Ankünfte, die Herkunft der Touristen, Übernachtungen, Trans-
portmittel, die Art der Reise sowie die Ausgaben der Touristen. Grundsätzlich ist
zu beachten, dass die Auswertung von Tourismusstatistiken nicht unproblema-
tisch ist. Da es keine eindeutige Abgrenzung des Reisesektors gibt, bestehen oft
Zweifel, ob in der jeweiligen Statistik zu hohe oder zu niedrige Daten für den
Tourismus angegeben werden. Des Weiteren sind viele Statistiken nicht aufeinan-
der abgestimmt (z.B. bezüglich der zugrunde liegenden Erhebungsmethode) und
folglich sind die Daten verschiedener Regionen und Länder oder verschiedener
15
Vgl. Freyer (2001) S. 106-112
16
Vgl. Mundt (2001) S. 11

7
Zeitpunkte nur begrenzt miteinander vergleichbar.
17
Bei den Bemühungen, die ökonomische Bedeutung des Tourismus zu untersu-
chen, stößt man auf das Problem, dass der Tourismus als Wirtschaftszweig in den
amtlichen Wirtschaftsstatistiken in fast allen Ländern der Welt nicht existiert. Der
Grund dafür ist die Tatsache, dass Wirtschaftszweige traditionell von der An-
gebotsseite des Marktes her definiert werden. Eine eindeutige Definition des
Fremdenverkehrsprodukts bzw. der -leistung und damit die Abgrenzung der Tou-
rismusbetriebe von anderen Betrieben nach dem Kriterium der Art der Leistungs-
erstellung ist allerdings kaum möglich (vgl. Kapitel 2.1).
18
Die statistische Erfas-
sung der touristischen Leistungserstellung erfolgt deshalb in verschiedenen Wirt-
schaftszweigen, wobei nur in seltenen Fällen eine Abgrenzung touristischer Teil-
bereiche vorgenommen wird. Die Beherbergungsleistung wird beispielsweise
nicht separat ausgewiesen, sondern im Bereich ,,Gastgewerbe" miterfasst, das
aber nur teilweise dem Fremdenverkehr zuzurechnen ist.
19
Tourismus ist vor die-
sem Hintergrund selbst nicht als Wirtschaftszweig zu betrachten, sondern viel-
mehr als ein Verhalten, das eine Nachfrage von Gütern und Dienstleistungen aus
unterschiedlichen Wirtschaftssektoren bewirkt. Dabei haben viele dieser Wirt-
schaftszweige neben den Touristen auch noch andere Nachfragegruppen.
20
2.3 Ansätze zur Messung der wirtschaftlichen Bedeutung des Tourismus
Um die ökonomische Bedeutung des Tourismus errechnen zu können, ist die Er-
fassung der im Zusammenhang mit touristischen Aktivitäten bzw. zu ihrer Finan-
zierung vorgenommenen Transaktionen notwendig. Da sie in der Wirtschaftssta-
tistik nicht direkt ausgewiesen werden, müssen die touristisch veranlassten Um-
sätze jeweils aus den Gesamtumsätzen der Wirtschaftssektoren herausgerechnet
werden, was sich als relativ aufwändig und zugleich ungenau erweist. Grundsätz-
lich gibt es zwei Ansätze, die Geldströme des Tourismus zu messen. Der erste
Ansatz besteht in der Messung der Ausgaben von Touristen (Nachfragemethode),
bei dem zweiten werden die Einnahmen von Unternehmen aus touristisch beding-
ter Nachfrage erfasst (Angebotsmethode). Aufgrund der Schwierigkeiten, mit de-
nen beide Ansätze behaftet sind, kann man die Größe des durch die touristische
17
Vgl. Freyer (2001) S. 315
18
Vgl. Mundt (2001) S. 355
19
Vgl. Freyer (2001) S. 329-330
20
Vgl. Mundt (2001) S. 355

8
Nachfrage definierten Wirtschaftsbereiches letzten Endes nur schätzen.
Bei der Nachfragemethode wird eine repräsentative Stichprobe von Touristen
über ihre Reiseausgaben befragt, um diese anschließend auf die Grundgesamtheit
hochrechnen zu können. Probleme entstehen dabei u. a. durch die begrenzte
Merk- und Erinnerungsfähigkeit der Menschen und die Tatsache, dass Touristen
oftmals auch gar nicht in der Lage sind, die Preise der einzelnen Güter und
Dienstleistungen festzustellen, beispielsweise bei Pauschal- oder Geschäftsreisen.
Die Angebotsmethode greift auf bereits vorhandene Daten über wirtschaftliche
Aktivitäten zurück und versucht die Einnahmen aus dem Tourismus herauszu-
rechnen. Damit sollen Verzerrungen umgangen werden, die bei einer Befragung
der Geschäftsleute über den Anteil ihres Umsatzes, der auf touristischer Nach-
frage basiert, entstehen. Die verschiedenen Methoden, die im Rahmen dieses An-
satzes entwickelt wurden, sind oft auf die spezielle Datenlage in der Wirtschafts-
statistik eines Landes zugeschnitten und deswegen nicht oder nur nach Modifi-
zierungen auf ein anderes Land anwendbar.
21
2.4 Beurteilungskriterien für die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des
Tourismus
Einer wirtschaftlichen Beurteilung gesellschaftlicher Phänomene liegt zum einen
der Versuch des Vergleichs verschiedener Größen, die in der Regel in Geldgrößen
ausgedrückt werden, zum anderen der Anspruch, effizient (nach dem ökonomi-
schen Prinzip) und zielgerichtet zu handeln, zugrunde. Infolgedessen erfordert
auch die volkswirtschaftliche Beurteilung des Tourismus eine Kosten-Nutzen-
Analyse (als die allgemeinste Form der ökonomischen Beurteilung) sowie die Be-
stimmung von Zielen, in Hinsicht auf die rational zu handeln ist.
Bei der Kosten-Nutzen-Analyse, die das ökonomische Prinzip beinhaltet und so-
mit der Findung der Maßnahme mit der höchsten Differenz aus Kosten und Nut-
zen dient, stößt man generell auf einige Probleme. Speziell im Tourismus lässt die
Vielzahl der nicht-ökonomischen Größen wie Erholung, Freude, Lärm, Umwelt-
verschmutzung etc. (soziale Kosten und Nutzen) eine rein ökonomische Bewer-
tung grundsätzlich fraglich erscheinen. Davon abgesehen bereitet die (monetäre)
Bewertung der Kosten und Nutzen Schwierigkeiten. Der Tourismus verursacht
21
Vgl. Mundt (2001) S. 359-361

9
sehr unterschiedliche ökonomische Effekte, beispielsweise die Erhöhung der Be-
schäftigung, die Erneuerung der Verkehrsinfrastruktur usw., welche nicht immer
eindeutig und einfach zu bewerten sind.
Zur volkswirtschaftlichen Beurteilung ökonomischer Trends werden in der Bun-
desrepublik Deutschland hauptsächlich die wirtschaftspolitischen Ziele des Stabi-
litäts- und Wachstumsgesetzes herangezogen.
22
Angesichts der bereits erwähnten
grundsätzlichen Probleme bei der Untersuchung der ökonomischen Bedeutung des
Tourismus soll in den folgenden Abschnitten anhand einiger Beispiele erläutert
werden, wie vorzugehen ist und welche Einschränkungen hinzunehmen sind, um
die zur Beschreibung und Bewertung dieser gesamtwirtschaftlichen Ziele verwen-
deten Indikatoren auch zur Beurteilung der volkswirtschaftlichen Bedeutung des
Tourismus heranziehen zu können.
2.4.1 Beitrag des Tourismus zum Sozialprodukt
Ein üblicher Weg, die Bedeutung eines Wirtschaftssektors für die Volkswirtschaft
zu bestimmen, ist die Ermittlung dessen Beitrags zur gesamtwirtschaftlichen Leis-
tungserstellung, gemessen am (Brutto)Sozialprodukt. Das Bruttosozialprodukt
erfasst auf der Produktionsseite alle im Laufe eines Jahres in einer Volkswirt-
schaft hergestellten Güter und Dienstleistungen (soweit sie Endprodukte darstel-
len, d.h. sie sind nicht im gleichen Zeitraum wieder als Vorleistungen in den in-
ländischen Produktionsprozess eingegangen) abzüglich der Importe. Den gesam-
ten Produktionswert einer Volkswirtschaft abzüglich der Vorleistungen bezeich-
net man auch als gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung. Um den Beitrag eines
Wirtschaftssektors zur nationalen Leistungserstellung zu ermitteln, werden nor-
malerweise die Marktwerte aller von diesem Wirtschaftsbereich innerhalb eines
Jahres hergestellten Leistungen addiert. Doch aufgrund der mangelnden Abgren-
zung und Erfassung des Fremdenverkehrssektors in der amtlichen Statistik (vgl.
Kap. 2.2) existieren über den Beitrag des Tourismus nur sehr wenige Zahlen.
23
Die Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Größe des Tourismus auf dem in der
volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung üblichen Weg, nämlich von der Produk-
tions- bzw. Angebotsseite her, haben dazu geführt, den gesamtwirtschaftlichen
Umfang des Fremdenverkehrsbereiches nachfrageseitig zu erfassen. Der Anteil
22
Vgl. Freyer (2001) S. 325-328
23
Vgl. Breidenbach (2002) S. 139

10
des Tourismus am Sozialprodukt müsste dabei den gleichen Wert aufweisen wie
bei einer angebotsseitigen Bestimmung, da die Höhe der Einkommens- bzw.
Nachfrageseite des Sozialproduktes jener der Produktionsseite entspricht. Bei der
nachfrageseitigen Berechnung werden unterschiedliche Methoden angewandt;
z.B. können zur Bestimmung der Reiseausgaben in einer Volkswirtschaft die
Übernachtungszahlen mit den durchschnittlichen Ausgaben pro Übernachtung
multipliziert werden (vgl. Nachfragemethode, Kap. 3.2).
Zu erwähnen sei an die-
ser Stelle noch, dass
vor dem Hintergrund des im Stabilitäts- und Wachstumsge-
setz formulierten Zieles des ,,stetigen und angemessenen Wirtschaftswachstums"
neben der absoluten Höhe des Sozialproduktes auch seine jährliche Veränderung
interessiert.
24
2.4.2 Beitrag des Tourismus zur Beschäftigungssituation
Ein weiterer Beurteilungsfaktor für die volkswirtschaftliche Bedeutung des Tou-
rismus ist seine Beschäftigungswirkung. Die Probleme der Abgrenzung und statis-
tischen Erfassung des Reiseverkehrssektors erschweren auch hier eine Beurtei-
lung. Für eine gesamtwirtschaftliche Bewertung der Beschäftigungssituation ver-
wendet man in der Regel die Indikatoren Beschäftigte und Erwerbslose bzw. die
entsprechenden Anteile (Arbeitslosenquote). Arbeitsplätze, die von der touristi-
schen Nachfrage abhängen, gibt es in vielen Wirtschaftsbereichen. In der offiziel-
len Arbeitsmarktstatistik findet jedoch keine Unterteilung der Berufe nach ihrem
Bezug zum Tourismus statt. So werden in der Statistik der Bundesanstalt für Ar-
beit nur einige wenige Berufsgruppen der ,,typischen" Tourismusindustrie angege-
ben. Neben diesen direkt im Tourismus Beschäftigten gibt es eine Vielzahl von
Arbeitsplätzen, die ebenfalls eine mehr oder weniger hohe Tourismusabhängigkeit
aufweisen. Über diese in dem ergänzenden Tourismusbereich Beschäftigten exis-
tieren keine verlässlichen Zahlen.
25
Da man also die Beschäftigten im Tourismus
nicht direkt zählen kann, hilft man sich mit verschiedenen Methoden, die auf be-
stimmten Annahmen basieren und schon alleine deshalb mit Unsicherheiten ver-
bunden sind. Als Beispiel wäre das Verfahren zu nennen, bei dem die Touristen-
ausgaben in Beschäftigte umgerechnet werden. Da die Berechnung in diesem Fall
nur aufgrund der Angaben von Touristen möglich ist, ist diese Methode zusätzlich
mit den erwähnten Schwierigkeiten im Rahmen der Messung der touristischen Aus-
24
Vgl. Freyer (2001) S. 331
25
Vgl. Freyer (2001) S. 335-337

11
gaben behaftet (vgl. Kap. 2.3).
26
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass neben den Arbeitsplätzen im typi-
schen und ergänzenden Tourismusbereich weitere Arbeitsplätze über die Multi-
plikatoreffekte vom Tourismus beeinflusst werden.
27
Generell beeinflusst der
Tourismus eine Volkswirtschaft nicht nur direkt über die Ausgaben der Touristen.
Der Multiplikationseffekt besagt, dass Tourismuseinnahmen eine Nachfragekette
auslösen, deren Wert größer ist als die ursprünglichen touristischen Ausgaben.
(Dieser Effekt zeigt sich natürlich auch in anderen Wirtschaftsbereichen.)
28
Unter-
suchungen in Bezug auf den Arbeitsplatzmultiplikator haben ergeben, dass man -
je nach Entwicklungsstand der Region bzw. des Landes - pro direkt touristischem
Arbeitsplatz von 0,5 bis 5 zusätzlichen Arbeitsplätzen in anderen Wirtschaftsbe-
reichen ausgehen kann.
29
2.4.3 Außenwirtschaftliche Wirkungen des Tourismus
In der Zahlungsbilanz (die in Deutschland von der Deutschen Bundesbank erstellt
wird) werden die Werte aller ökonomischen Transaktionen zwischen Inländern
und Ausländern in einer Periode erfasst
30
; sie dient daher auch der Bewertung der
außenwirtschaftlichen Effekte des Fremdenverkehrs. Der touristische Im- und Ex-
port weist generell eine Besonderheit auf, da - bei der Betrachtung des Exports -
nicht wie traditionell üblich ein Transport von Gütern ins Ausland stattfindet, son-
dern die ausländischen Nachfrager selbst mobil werden und die touristischen Leis-
tungen (Güter und Dienstleistungen) im Inland konsumieren, wodurch es zu Devi-
seneinnahmen kommt. Die Zahlungen für Tourismusleistungen erfolgen also im
Inland und werden daher auch als ,,unsichtbarer Export" bezeichnet. Umgekehrt
sind die Ausgaben, die ausreisende Inländer für Tourismusleistungen im Ausland
tätigen, zu den Importen zu rechnen.
31
Doch auch bei der Untersuchung der außenwirtschaftlichen Aspekte des Touris-
mus sind Schwächen in den statistischen Erhebungen zu berücksichtigen. Die
Erhebung der Daten über Ausgaben und Einnahmen im internationalen Reisever-
26
Vgl. Mundt (2001) S. 368-370
27
Vgl. Freyer (2001) S. 341
28
Vgl. Mundt (2001) S. 372
29
Vgl. Freyer (2001) S. 341
30
Vgl. Arentzen (1998) S. 337
31
Vgl. Freyer (2001) S. 348 und Mundt (2001) S. 365

12
kehr, die auf den bei Banken umgewechselten (Reise-)Devisen basiert, ist mit ei-
ner Reihe methodischer Probleme verbunden. Die Reiseverkehrsbilanz (eine Teil-
bilanz der Zahlungsbilanz), in der die Deutsche Bundesbank diese Daten gegen-
überstellt, enthält deshalb auch Transaktionen, die nicht dem Tourismus zuzurech-
nen sind, z.B. geschäftliche Transaktionen oder Vermögenstransfers, Kapital-
flucht zum Zweck der Steuerhinterziehung und auch illegale Transaktionen mit
Bargeld (Drogen etc.). Andererseits werden einige Einnahmen und Ausgaben in
der Reiseverkehrsbilanz fälschlicherweise nicht erfasst. Dies sind insbesondere
touristisch verursachte Güterim- und -exporte, die in der Warenbilanz ausgewie-
sen werden (z.B. der Export deutscher Lebensmittel an ein ausländisches Hotel,
die von deutschen Touristen dort konsumiert werden).
32
Die in der Reiseverkehrs-
bilanz angegebenen Daten müssen demzufolge als Schätzwerte betrachtet werden;
ähnlich verhält es sich mit den Zahlungsbilanzstatistiken anderer Länder.
33
Mit dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz wird auch ein außenwirtschaftliches
Gleichgewicht angestrebt. Hierunter ist der langfristige Ausgleich der Importe und
Exporte von Gütern und Dienstleistungen und der entsprechenden Devisenzu- und
-abflüsse zu verstehen. In der Bundesrepublik trägt das durchgehende Defizit in
der Reiseverkehrsbilanz zur Kompensation der meist zu verzeichnenden Über-
schüsse in der Warenverkehrsbilanz und somit zur Annäherung an das außenwirt-
schaftliche Gleichgewicht bei. Bei touristisch bedingter Deviseneinfuhr in Länder
mit negativen Bilanzen im Warenverkehr aus Ländern mit Warenbilanzüberschüs-
sen kommt dem Tourismus auch im internationalen Kontext eine bedeutende Aus-
gleichsfunktion zu. Andererseits kann Tourismus selbstverständlich auch zur Ver-
schärfung der Devisenprobleme führen.
34
Die Tourismusexporteure interessiert in erster Linie, welche zusätzlichen Devisen-
effekte durch den Tourismus erzielt werden können. Da ein Teil der tourismusbe-
dingten (Brutto)Deviseneinnahmen für Importe aufgewendet wird, die zur Befrie-
digung der touristischen Nachfrage aus dem Ausland notwendig sind (z.B. müssen
Lebensmittel aus dem Entsendeland importiert werden, da sie nicht oder nicht in
der gewünschten Qualität im Zielland produziert werden), lässt erst der sich da-
raus ergebende Nettodeviseneffekt eine Aussage über den realen Deviseneffekt
32
Vgl. Mundt (2001) S. 367-368 und Freyer (2001) S. 351
33
Vgl. Mundt (2001) S. 29
34
Vgl. Freyer (2001) S. 346-348

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832478018
ISBN (Paperback)
9783838678016
DOI
10.3239/9783832478018
Dateigröße
1.6 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule RheinMain – Wirtschaft
Erscheinungsdatum
2004 (März)
Note
1,7
Schlagworte
tourismuspolitik europa fremdenverkehr tourismuswirtschaft wirtschaftssektor
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Titel: Tourismus in der EU
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