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Kunstsponsoring

Renaissance der Mäzene?

©1999 Magisterarbeit 90 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Der seit Jahren anhaltende Kulturboom, der auf ein gestiegenes Interesse an Kunst in der Bevölkerung hindeutet, macht das Kultursponsoring als alternatives Finanzierungsinstrument immer interessanter.
Um das Mäzenatentum und die Begriffsbildung besser zu beleuchten, gehe ich kurz auf die geschichtliche Entwicklung von der Antike bis zur Neuzeit ein. In wichtiger Teil der Arbeit liegt in der Motivsuche der jeweiligen Kunstfinanzierer.
Speziell bei den Sponsoren frage ich mich, ob sie bestrebt sind, durch das Kunstsponsoring, das enorme kulturelle Kapital im Bourdieuschen Sinne der Kunst zu erobern, um der reichen bürgerlichen Schicht ein Stück akademischen Ruf zu geben. Ich spiele hier auf die von Bourdieu entdeckte chiastische Verteilung von kulturellem und ökonomischem Kapital der beiden Fraktionen innerhalb der herrschenden Klasse an. Werden die den Marktmechanismen unterliegenden Unternehmen aufgewertet durch „das Heilige“ der Kunst?
Doch nicht nur die Motive der Sponsoren, sind zu diesem Thema zu untersuchen, sondern auch diejenigen der Mäzene, die sich auf den ersten Blick altruistisch und selbstlos geben. Der gewählte Titel „Kunstsponsoring, Renaissance der Mäzene?“ deutet darauf hin, daß es sich bei den Beweggründen der Mäzene auf dem zweiten Blick um ähnliche, wie die der Sponsoren handeln könnte.
In dem Versuch, die Grenzen zwischen den gesellschaftlichen Schichten neu anzulegen, liegen auch die Motive der Kunstförderer. Das führt zu der These, daß Kunst als Distinktionsinstrument zur Abgrenzung von anderen oder besser gesagt zu unteren Schichten benutzt wird.
Hierzu erläutere ich anhand von Bourdieus Lebensstilmodell, wie und warum gerade die Kunst sich hervorragend zur Distinktion eignet.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
1.Einleitung und Begründung des Themas3
2.Begriffsabgrenzung6
2.1Mäzenatentum / Sponsoring6
2.2Staatliche Förderung10
3.Geschichtliche Entwicklung12
3.1Antike13
3.2Mittelalter16
3.3Renaissance20
3.3.1Das Mäzenatentum der Kaufmannsfamilien21
3.3.2Auftragskunst23
3.3.3Staatliche Förderung24
3.3.4Kunstsammler: Erste Ansätze zur autonomen Entwicklung24
3.4Neuzeit26
3.4.1Kunstmarkt, Selbstfinanzierung26
3.4.1.1Ausstellungskünstler27
3.4.1.2Der Kunstmarkt30
3.4.2Fürstliche und staatliche Kunstfinanzierung31
3.4.2.1Weimarer Republik:33
3.4.2.2Bundesrepublik Deutschland (staatliche Kunstförderung heute)34
3.4.3Private Förderung37
3.4.3.1Private […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhalt

1. Einleitung und Begründung des Themas

2. Begriffsabgrenzung
2.1. Mäzenatentum / Sponsoring
2.2. Staatliche Förderung

3. Geschichtliche Entwicklung
3.1. Antike
3.2. Mittelalter
3.3. Renaissance
3.3.1. Das Mäzenatentum der Kaufmannsfamilien
3.3.2. Auftragskunst
3.3.3. Staatliche Förderung
3.3.4. Kunstsammler: Erste Ansätze zur autonomen Entwicklung
3.4. Neuzeit
3.4.1. Kunstmarkt, Selbstfinanzierung
3.4.1.1. Ausstellungskünstler:
3.4.1.2. Der Kunstmarkt
3.4.2. Fürstliche und staatliche Kunstfinanzierung
3.4.2.1. Weimarer Republik:
3.4.2.2. Bundesrepublik Deutschland (staatliche Kunstförderung heute)
3.4.3. Private Förderung
3.4.3.1. Private Sammlungen
3.4.4. Sponsoring
3.5. Zur Entwicklung der "Autonomen Kunst"
3.6. Das Heilige der Kunst:
3.7. Zusammenfassung der geschichtlichen Entwicklung der Kunstfinanzierung
3.7.1. Die Rückentwicklung zur Auftragskunst

4. Motive zur Kunstfinanzierung heute
4.1. Der wachsende Kulturkonsum
4.1.1. Ausgaben für Kultur
4.2. Ursachen des „Kunst-Booms“
4.2.1. Kunst als Religion
4.3. Motive der Mäzene des 19. Jahrhunderts
4.4. Motive der Sponsoren heute
4.4.1. Absatzpolitische Motive
4.4.1.1. Imagebildung
4.4.1.2. Effektive Zielgruppenansprache
4.4.1.3. „Gentrification“
4.4.1.4. Kultur als „weicher“ Standortfaktor
4.4.1.5. Zusammenfassung
4.4.2. Motive der Mäzene
4.4.2.1. Das Steuerrecht
4.4.2.2. Die Elitebildung
4.4.2.3. Goodwill bei den Behörden
4.4.3. Zusammenfassung

5. These: Kunst als Instrument zur Machterhaltung:
5.1. Zur Kunst als Instrument der Abgrenzung:
5.1.1. Distinktion, eine Frage des Lebensstils
5.1.2. Bourdieus Ansatz
5.1.2.1. Zum Motiv der Uneigennützigkeit; zum Kapitalbegriff Bourdieus
5.1.3. Warum Kunst als Distinktionsinstrument
5.1.3.1. Distinktion zwischen den Klassen / Distinktion innerhalb der Klasse
5.1.3.2. Kapitalumformungsstrategien
5.1.4. Resümee
5.2. Kunst als Instrument zur Herrschaftslegitimation
5.2.1. Die Macht des symbolischen Kapitals
5.2.1.1. Die "unhinterfragte Autorität"

6. Abschließende Betrachtung

7. Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Ausgaben für Sponsoring in Deutschland

Abb. 2: Bedeutung der Sponsoring Arten

Abb. 3: Entwicklung der monatlichen Ausgaben für Kultur, Information und Unterhaltung 1986-91 in den alten Bundesländern nach Haushaltstypen in Preisen von

Abb. 4: Ausgaben für Kultur, Information und Unterhaltung in den alten Bundesländern 1991 nach Haushaltstypen

Abb. 5: Ausgaben für Kultur, Information und Unterhaltung im früheren Bundesgebiet nach Arten und Haushaltstypen

Abb. 6: Gründe für die Kulturförderung der Unternehmen nach Wirtschaftsbereichen

1. Einleitung und Begründung des Themas

Das seit den 80ger Jahren immer wichtiger werdende Thema „Kultursponsoring“ gewinnt, angesichts der desolaten finanziellen Situation der öffentlichen Haushalte, auch in den 90ger Jahren immer mehr an Bedeutung. Der seit Jahren anhaltende Kulturboom[1], der auf ein gestiegenes Interesse an Kunst in der Bevölkerung hindeutet, macht das Kultursponsoring als alternatives Finanzierungsinstrument immer interessanter, sowohl für die Sponsoren, als auch für die Kulturproduzenten. Auch für Kulturpolitiker, die auf Grund leerer öffentlicher Kassen viele Kulturprojekte streichen und verstärkt nach privaten Geldern Ausschau halten müssen, könnte Kultursponsoring interessant sein.

Für mich bietet dieses Thema ein geeignetes Feld, um die verschiedenen Fächer meines Studiums, BWL (Marketing), Kunst und Medien und Öffentlichkeitsarbeit zusammenzuführen. Das allgemein gestiegene Interesse an Kunst, hat viele Unternehmen dazu veranlaßt, Kunstsponsoring als Marketinginstrument in ihren Marketing Mix aufzunehmen, um damit aktiv Öffentlichkeitsarbeit zur Imageverbesserung zu betreiben.

Die Fragen, die mich dabei interessieren, sind:

- Woher kommt das gestiegene Interesse an der Kunst?
- Kommt es durch die Monotonie der Arbeit, die sich auf Grund der immer weitergehenden Zerstückelung der Arbeitsprozesse eingeschlichen hat?
- Kommt es durch das steigende Bildungsniveau der Mittelschicht, deren Mitglieder sich mit Hilfe der Kunst in einer immer gleichförmigeren Welt voneinander abgrenzen wollen?
- Wird Kunst als Statussymbol benutzt?
- Will sich eine bestimmte Bevölkerungsschicht gegenüber einer anderen mit Hilfe der Kunst abgrenzen?
- Ist Kunst ebenso ein Abgrenzungsinstrument innerhalb einer Gruppe zur Distinktion der einzelnen Individuen?
- Oder ist nicht auch das Gegenteil der Fall? Werden durch die großen Popular-Austellungen, die ein Massenpublikum anziehen, die Menschen durch die gezeigte Kunst gleichgestellt, indem die Kultur als kleinster gemeinsamer Nenner, als das Gemeinsame, Erstrebenswerte auftritt?

Die Gefahr besteht hier in dem Verlust kultureller Vielfalt. Denn diese kann durch solche Massenattraktionen nicht gewährleistet werden.

Was später die Motivsuche bei den Kunstfinanzierern zeigt, läßt der Titel „Renaissance der Mäzene“ schon erahnen. Welche Mäzene sind damit gemeint? Suggeriert der Begriff der "Renaissance", daß es sich um die Mäzene der italienischen Renaissance handelt? Ist die Bedeutung des Begriffs "Mäzen" so unumstritten, daß nur der Mäzen des 19. Jahrhunderts gemeint sein kann. Oder bedeutet der Titel, daß es im Zuge der geschichtlichen Entwicklung des Begriffes heute zwischen den beiden historischen Bedeutungen gar keinen Unterschied mehr gibt?

Aus diesem Grund beginne ich mit dem Versuch, die beiden Begriffe "Sponsoring" und "Mäzenatentum" zu erklären und gegeneinander abzugrenzen.

Um das Mäzenatentum und die Begriffsbildung besser zu beleuchten, gehe ich kurz auf die geschichtliche Entwicklung von der Antike bis zur Neuzeit ein, wobei ich in der Neuzeit auf die jeweils unterschiedlichen Finanzierungsformen, das Mäzenatentum, das Sponsoring, den Kunstmarkt und die öffentliche Finanzierung eingehe. Es fällt dabei auf, daß der Bedeutungswandel des Begriffs Mäzenatentum mit dem Aufkommen der autonomen Kunst Ende des 19. Jahrhunderts einhergeht. Das, was vorher, insbesondere während der italienischen Renaissance, als Mäzenatentum bezeichnet wird, hat meiner Meinung nach, viel mehr mit dem heutigen Sponsoring zu tun, als mit dem Mäzenatentum der Neuzeit.

Warum ich dieser Meinung bin, erläutere ich im 4. Kapitel, wo ich mich mit den Motiven der jeweiligen Kunstfinanzierer, den Mäzenen und den Sponsoren, beschäftige, denn in den unterschiedlichen Beweggründen, sind u.a. die Unterschiede zwischen Mäzen und Sponsor auszumachen.

Die Motivsuche läßt auch auf die Ursachen für das Aufkommen des Kunstsponsorings schließen. Deshalb untersuche ich die Beweggründe aller Beteiligten. Speziell bei den Sponsoren frage ich mich, ob sie bestrebt sind, durch das Kunstsponsoring, das enorme kulturelle Kapital im Bourdieuschen Sinne[2] der Kunst zu erobern, um der reichen bürgerlichen Schicht, ein Stück akademischen Ruf zu geben. Ich spiele hier auf die von Bourdieu entdeckte chiastische Verteilung von kulturellem und ökonomischem Kapital der beiden Fraktionen innerhalb der herrschenden Klasse an. Werden die den Marktmechanismen unterliegenden Unternehmen aufgewertet durch „das Heilige“ der Kunst?

Heute besteht ein enger Zusammenhang zwischen Kultur und Ökonomie. In Folge der Standortdiskussion verwandelt sich die Kultur langsam vom sogenannten "weichen" zu einem "harten" Standortfaktor. So fand Daniel Bell als wesentliches Merkmal der nachindustriellen Gesellschaftsgeografie heraus, daß Wasser und natürliche Ressourcen als entscheidende Motive für die Standortwahl von Städten immer weniger wichtig werden. “Als Faktoren der Standortwahl werden nun die Nähe zu Universitäten und Kultureinrichtungen bedeutsamer.“[3]

Auch für den Städtetourismus, wird Kultur immer wichtiger. Die Werbung einer Stadt oder eines Unternehmens schließt immer mehr die Attraktivität des kulturellen Angebots des Standorts ein. Dabei spielen makroökonomische Überlegungen zum Wirtschaftsfaktor Kultur, betriebswirtschaftliche Rentabilitätsrechnungen, Effektivitätssteigerungen, Motivationsprogramme, höhere Professionalisierung, sowie ausgeklügelte Marketingstrategien für immer teurere Veranstaltungen und Kultureinrichtungen, eine zunehmend größere Rolle.

Doch nicht nur die Motive der Sponsoren, sind zu diesem Thema zu untersuchen, sondern auch diejenigen der Mäzene, die sich auf den ersten Blick altruistisch und selbstlos geben. Der gewählte Titel „Kunstsponsoring, Renaissance der Mäzene?“ deutet darauf hin, daß es sich bei den Beweggründen der Mäzene auf dem zweiten Blick um ähnliche, wie die der Sponsoren handeln könnte.

Eine der Ursachen für das Aufkommen des Kunstsponsorings ist wohl der seit den 70ern anhaltende Kunstboom in den westlichen Industrieländern. Im Zusammenhang mit Kunstsponsoring erscheint es mir wichtig, sich mit den Ursachen des gestiegenen kulturellen Interesses in der Gesellschaft zu beschäftigen. Hierzu wird der mit dem Kunstboom einsetzende Wertewandel in der Bevölkerung herangezogen.

Die durch die Bildungsexpansion verschwindenden Grenzen zwischen Klassen und Schichten sind ein weiterer Grund für den sogenannten Kulturboom, dahingehend, als daß diese durch die Kultur versuchen, das Verschwinden dieser Grenzen zu kompensieren.

In dem Versuch, die Grenzen zwischen den gesellschaftlichen Schichten neu anzulegen, liegen auch die Motive der Kunstförderer. Das führt zu der These, daß Kunst als Distinktionsinstrument zur Abgrenzung von anderen oder besser gesagt von unteren Schichten benutzt wird. Das mit dem Verschwinden des Klassen- bzw. Schichtenmodells immer wichtiger werdende Lebensstilmodell, macht gerade die Kunst zu einem gruppentrennenden und zugleich -bildenden Moment.

Hierzu erläutere ich anhand von Bourdieus Lebensstilmodell, wie und warum gerade die Kunst sich hervorragend zur Distinktion eignet. Mit Bourdieus These, daß Kunst zur Legitimation bestehender Herrschaft von den herrschenden Gesellschaftsgruppen benutzt und deshalb auch gefördert wird[4], komme ich wieder an den Ausgangspunkt meiner Arbeit zurück. Zurück zur der Frage, warum Kunst gefördert bzw. finanziert wird. Handeln die sogenannten selbstlosen Mäzene der Neuzeit tatsächlich in diesem Sinne, oder unterscheiden sie sich in ihrer Motivation, im Grunde genommen nicht von den Sponsoren? Verfolgen sie nicht ebenso handfeste und eigennützige Ziele mit ihrer Kunstfinanzierung?

Wenn dies so ist, wie sieht es dann mit der Begriffsbestimmung des Mäzens aus? Beinhaltet die Wandlung der Motivation der Mäzene vom Altruistischem zum Eigennützigen eine die Rückentwicklung der Kunst zur Auftragskunst? Bedeutet dies nicht auch eine Rückentwicklung des Begriffs "Mäzen" zu seiner ursprünglichen Bedeutung?

2. Begriffsabgrenzung

2.1. Mäzenatentum / Sponsoring

Der Begriff des Mäzenatentums hat im Laufe seiner Geschichte eine Wandlung durchgemacht. Aus diesem Grund ist es schwierig, ihn in einem Satz zu definieren.

Im heutigen allgemeinen Sprachgebrauch wird oft davon ausgegangen, daß es sich bei dem Mäzen um den aus altruistischen Motiven heraus handelnden Förderer der Kunst handelt, der die Kunst nur zu ihrem Selbstzweck fördert.

Doch es genügt ein Blick in die Antike, auf den Mann, auf den der Begriff des Mäzenatentums zurückzuführen ist, um zu erkennen, daß das Mäzenatentum damals konkrete politische Ziele verfolgte und altruistische Motive eher in den Hintergrund traten.

Gaius Maecenas lebte um ca. 70 bis 8 v. Chr. in Rom und war schon zu seiner Zeit als Förderer der Künste bekannt. Die Motive aus denen er heraus die Kunst unterstützte, waren, im (vermeintlichen) Gegensatz zu den Mäzenen der Neuzeit, sehr wohl eigennützig. Auch die Mäzene der Renaissance wußten sehr genau, wie sie die Malerei für ihre Zwecke nutzen konnten. So wird bei vielen Autoren hervorgehoben, daß das Bedürfnis nach Prestigegewinn, Anerkennung und Zurschaustellung des eigenen Ruhms und der Macht bei den Mäzenen bis zur Neuzeit ein wichtiger Grund zur Förderung von Kunst war.[5]

Weiterhin waren die Künstler bis zur Neuzeit weitgehend weisungsgebunden und fertigten in den meisten Fällen Auftragsarbeiten an.[6]

Warum der Begriff des Mäzenatentums im Zusammenhang mit eigennützigen Motiven heute kaum gebraucht wird, hängt wohl mit der Entwicklung der Kunst und ihrer Finanzierung im 19. Jahrhundert zusammen. Der Begriff des Mäzenatentums in seiner heutigen Bedeutung kam erst in der beginnenden Neuzeit auf.

Zum Beginn der Neuzeit emanzipierte sich die Kunst langsam von ihren Auftraggebern und entwickelte sich so zu einer autonomen, zweckfreien Kunst, die von vielen Gönnern, Kunstliebhabern, also aus altruistischen Motiven heraus handelnden Mäzenen, gefördert wurde. Ihre Autonomie verdankt die Kunst wohl zum großen Teil den, in diesem Sinne zu verstehenden, Mäzenen. Da die Autonomie, der modernen Kunst heute als elementares Charakteristikum anhaftet, welche im 19. Jahrhundert durch private Mäzene ermöglicht wurde, ist der Begriff des Mäzens meiner Meinung nach heute im Sinne des, diese Autonomie gewährleistenden, Förderers zu verstehen.

Viele Autoren machen daher die Abgrenzung zwischen Sponsoring und Mäzenatentum von den Motiven der Geldgeber abhängig. Frau Lösel-Sauermann zitiert in diesem Zusammenhang den Intendanten des Hamburger Thalia Theaters Jürgen Flimm, der die Abgrenzung deutlich machte: ”Auf Dauer will ein Sponsor das Geld wiedersehen, was er reinsteckt. Das ist ja der Unterschied zwischen einem Sponsor und einem Mäzen.”[7]

Ein Sponsor investiert also Kapital (in welcher Form auch immer) mit der Absicht, einen Nutzen aus dieser Anlage zu erzielen. Ein Mäzen erhofft sich dagegen keinerlei Nutzen aus seiner Förderung.

Laut Fischer kann der Mäzen nur als Privatmann fördern, auch wenn viele Unternehmen es verstehen, einen anderen Eindruck zu erwecken, da seine Förderung immer von seinem individuellen Interesse und Geschmack geleitet wird. Er ist, anders als bei einer Aktiengesellschaft oder staatlichen Institutionen, keinem Rechenschaft schuldig. Daher wird als besondere Aufgabe des Mäzenatentums die Förderung des künstlerischen Nachwuchses und nicht marktfähiger Kunst angesehen.[8]

Deshalb wird auch die persönliche Beziehung zwischen Förderer und Gefördertem zur begrifflichen Bestimmung des Mäzenatentums herangezogen. Um einen klassischen Mäzen handele es sich, so Loeffelholz, wenn der Förderer am Künstler interessiert sei und ihn über einen langen Zeitraum hinweg beobachte. Wenn diese Entwicklung positiv verlaufe, käme es zu Freundschaften und zu ”...befruchtender Polarität zwischen Mäzen und Künstler”[9], wenn sie negativ verläuft, käme es zu Abhängigkeiten.

Auch für Gerhardt Kapner sind der persönliche Umgang, das gegenseitige Interesse, die Förderung eines unbekannten Talents und das Einsetzen von privatem Geld wichtige Kriterien für Mäzenatentum.[10]

Diese Art von Mäzenatentum, in der der Künstler als Person gefördert wurde, war typisch für die Zeit vor der Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft im 19. Jahrhundert. Manuel Frey untersucht in diesem Zusammenhang den geschichtlichen Bedeutungswandel des Begriffs „Mäzen“ in der bürgerlichen Gesellschaft anhand von lexikalischen Definitionen[11]. Aus den jeweiligen Bedeutungszuweisungen unterschiedlicher Epochen beobachtet er in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine radikale Umkehrung der zuvor gezeigten Einschätzungen des Mäzens. Während in der ersten Hälfte des Jahrhunderts noch der Begriff negativ besetzt war und vom Mäzen als „großer Liebhaber des Müßiggangs“[12] die Rede war und der Mäzen „...als Gefahr für die freie künstlerische Entwicklung“[13] angesehen wurde, wandelte sich der Begriff in der zweiten Hälfte zum Positiven, im Sinne des Gönners und Schützer der Kunst[14].

Daneben entstand der „Kollektiv-Mäzen“[15] in Form der Kunstvereine oder auch in Gestalt von Institutionen wie z.B. Museen oder Stiftungen.

Es existieren also zwei gegensätzliche Ausprägungen von Mäzenatentum, die sich im Laufe der Zeit herausgebildet haben. So wurden sowohl in der Antike, als auch in der Renaissance, die Kunstförderer „Mäzene“ genannt, obgleich sie sich durch ihre Förderung einen Vorteil verschafften. Auf der anderen Seite erfuhr der Begriff einen Bedeutungswandel dahingehend, daß mit „Mäzen“ die positive Figur des Schenkenden und Gönners gemeint wurde. Frey deutet darauf hin, daß der Wandel der Bedeutung des Begriffs mit dem Durchbruch der Industriellen Revolution zwischen 1850 und 1873 zusammenfiel. Einer Zeit, in der das Primat der Sparsamkeit und des Nutzenkalküls, welches in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts angesichts steigender Gewinne herrschte, immer mehr an Bedeutung verlor.[16] Es war die Zeit angebrochen, in der eher mit Kultur, als mit Geld, Ansehen und Prestige erlangt werden konnte.

Heute wird die zentrale Rolle des Staates, hinsichtlich der Kulturförderung, in den Vordergrund gestellt. Der Begriff „Mäzen“ wird vom Begriff der „Stiftung“ verdrängt, wobei Frey darauf hinweist, daß die Bedeutung des Begriffs „Mäzen“, wie sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand, auch heute noch Gültigkeit hat. In der Gegenwart geht man von dem aus altruistischen Gründen heraus fördernden Gönner der Kunst aus.[17]

Die Frage stellt sich nun, inwiefern sich der Begriff des Sponsorings von dem des Mäzenatentums absetzt oder aber, wenn man den geschichtlichen Ursprung des Begriffs berücksichtigt, das Sponsoring als eine moderne Form des ursprünglichen Mäzenatentums gesehen werden kann.

Die aus der Uneigennützigkeit der Kunstförderer resultierende freie Kunst ist ein Novum im 19. Jahrhundert und insofern ist die Begriffswahl des Mäzens für diese ”neuen” Förderer, meiner Meinung nach, etwas verwirrend.

Für Lösel-Sauermann ist das Sponsoring "nicht" als ”zeitgenössische Variante des Mäzenatentums”[18] anzusehen, da es auf anderen Motiven beruhe. Die Kunst diene als Instrument zur Verwirklichung von Unternehmenszielen und sie werde nicht als Selbstzweck aufgefaßt. Diese Instrumentalisierung der Kunst sei einer der wesentlichen Unterschiede zum Mäzenatentum.[19] Sie bezieht sich, wie die meisten Autoren, auf die neue Bedeutung des Begriffs, wie sie seit dem 19. Jahrhundert gilt.

Entscheidend für die Zuordnung zum Sponsoring ist nach Roth, ob von einem Engagement in der Kultur kommunikative Wirkungen ausgehen. Er definiert das Sponsoring als ”...die Bereitstellung von Geld, Sachmitteln, Know-how und organisatorischen Leistungen für Künstler und Kulturinstitute mit dem Ziel eine wirtschaftlich relevante oder auch ideelle Gegenleistung zu erhalten”.[20]

Eine weitere Definition für Sponsoring kommt von Manfred Bruhn: ”Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle sämtlicher Aktivitäten, die mit Bereitstellung von Geld, Sachmitteln oder Dienstleistungen durch Unternehmen zur Förderung von Personen, Gruppen beziehungsweise Organisationen im kulturellen Bereich zur Erreichung von unternehmerischen Marketing- und Kommunikationszielen verbunden sind.”[21]

Es gibt viele Definitionen von Sponsoring, aber alle haben sie das Prinzip von Leistung und Gegenleistung im Mittelpunkt. Sponsoring ist immer zweckgebunden und wird zur Erreichung von Zielen eingesetzt.

Der Grad, inwieweit die Kunst instrumentalisiert wird, gibt also Aufschluß darüber, ob es sich bei einer Privatperson, einem Unternehmen oder einem Staat, um einen Mäzen oder einen Sponsor handelt.

Doch eine scharfe Trennung zwischen Mäzen und Sponsor gibt es in Realität nicht, wenn man sich die Unternehmen anguckt. Die Grenze zwischen Mäzen und Sponsor ist unscharf und fließend, je nach Grad der Instrumentalisierung, wie sie von kulturfördernden Unternehmen in unterschiedlicher Ausprägung betrieben wird.

So hat Fohrbek insgesamt 13 unterschiedliche Varianten unternehmerischer Kulturfinanzierung ermittelt, die vom reinen Mäzenatentum, über das Auftraggebertum im Rahmen unternehmerischer Zweckbestimmungen, bis hin zu komplexen Marketingstrategien und „Corporate Culture“ gehen.[22]

Manche Unternehmen nehmen in diesem Zusammenhang eine Art ”Zwitterstellung“ ein, die Fischer als ”mäzenatischen Sponsor”[23] bezeichnet. Auch Bruhn unterteilt kulturfördernde Unternehmen in drei Typen ein: 1. „Mäzene“ 2. „Mäzenatische Sponsoren“ und 3. „Sponsoren.“[24] Hier wird deutlich, daß Unternehmen und Institutionen sich in einem Umwandlungsprozeß befinden, der in einem engen Zusammenhang mit dem ”...Übergang von der geschlossenen Gesellschaft der Hochkultur zur ”Vermassung der Hochkultur” ”[25] steht. So kann man grob drei unterschiedliche Stadien definieren, in denen sich die Unternehmen befinden.

1. Die Förderung der sogenannten „Stillen Mäzene“ oder wie Bruhn sie auch nennt, „Altruistische Mäzene“[26], die sich ganz der ”...Pflege des Heiligtums Hochkultur”[27] oder zumindest dem, was sie dafür halten, verschreiben, beruht auf persönlichen Beziehungen und ist demnach weitgehend nicht professionalisiert. Inwieweit diese Praxis der Kulturförderung als ”uneigennützig” bezeichnet werden kann, werde ich weiter unten, wenn ich auf die Beweggründe der Kulturförderer eingehe, zeigen. Eines schon vorweg: So wie jeder Handlung ein Motiv vorangeht, kann man bei genauerem Hinsehen bei dieser Art von Kulturförderung nur eingeschränkt von ”Uneigennützigkeit” sprechen. Die Vertreter erhoffen sich oft sehr wohl Gewinne, zwar nicht in ökonomischer, wohl aber in symbolischer Form. Behnke nennt diese Gewinne ”Statusgewinne”.[28]
2. Als eine Art Zwischenstadium oder gegebenenfalls Übergangsstadium vom klassischen Mäzenatentum zum professionellem Kunstsponsoring, kann man diese zweite Form eines Förderers sehen: Der oben bereits erwähnte, „mäzenatische Sponsor“. Hier wird versucht, die kulturellen Ambitionen des Unternehmers, in ein, dem Firmenimage gemäßes Schema einzufügen. Die Wirksamkeit kultureller Aktivitäten in der Öffentlichkeit wird von den Marketingabteilungen erkannt und medienwirksam aufgearbeitet. Allerdings fehlt es dabei noch an einem umfassenden Gesamtkonzept.
3. Das andere Extrem zu der unter 1. genannten Form, ist das professionalisierte, nach Unternehmenskonzepten ausgeklügelte und durchorganisierte Kunstsponsoring, das auch nach außen hin aus der Eigennützigkeit der Förderung keinen Hehl macht. Hier geht es um die reine Imagebildung der Unternehmen, die in Zeiten immer ähnlicher werdender Produkte für die Abgrenzung und den Aufbau von Präferenzen bei den Kunden wichtig ist. Kunstsponsoring ist hier ein Marketinginstrument, welches gezielt und mit bestimmten Erfolgserwartungen eingesetzt wird. Gewinnmaximierung ist hier letztendlich primäres Ziel der Bemühungen.

2.2. Staatliche Förderung

Der bis jetzt aufgeführten privaten steht die staatliche Förderung gegenüber, die heute in Deutschland den wesentlichen Teil der Kunstförderung übernimmt. Im 19. Jahrhundert machte es sich der Staat durch seine Verfassung zur Aufgabe, Kunstproduktion unabhängig von privaten Geldgebern zu ermöglichen.

Im Artikel 142 der Weimarer Verfassung wird zum ersten Mal die Freiheit der Kunst postuliert. Zudem wurden Gesetze zum Schutz des Künstlers und seiner Werke verabschiedet. Die staatliche Förderung ist, im Gegensatz zur privaten, der Allgemeinheit verpflichtet und soll die Interessen der Allgemeinheit, also keine privaten wahren. Der Staat ist zur Neutralität verpflichtet, um die Kulturautonomie zu garantieren.

Im Gegensatz zur privaten Kulturförderung darf die öffentliche Förderung nicht von parteipolitischen Motiven geprägt sein und muß, das ist der qualitativ größte Unterschied, auch kritische, unpopuläre Kunst fördern. Die Neutralitätspflicht geht also so weit, daß auch gegen den Staat und dessen System gerichtete Kunst gefördert wird. Allerdings darf sie sich nicht gegen die Verfassung richten.

Der Staat hat grundsätzlich zwei verschiedene Möglichkeiten zur Förderung.

1. Die direkte Förderung durch Vergabe von Mitteln.
2. Die indirekte Förderung durch die Gewährleistung von Rahmenbedingungen in Gestalt von Gesetzen, die die Freiheit und Entfaltung von Kunst fördern.

Die Aufgaben des Kulturstaates verteilen sich auf Bund, Länder und Gemeinden.

Nach Wiesand schätzte man die Öffentlichen Kulturetats in Westdeutschland 1990 auf ca. 10,5 Mrd. DM. Die Ausgaben von privaten Stiftern und Sponsoren schätzte man auf 0,33 Mrd. DM[29] bzw. 1991 auf 0,36 Mrd. DM.[30]

Ritter zufolge gab die öffentliche Hand 1992/93 etwa 14 Mrd. DM aus. Davon trugen 48% die Gemeinden, 39% die Länder und 13% der Bund.[31] Nach Bruhn beliefen sich die Ausgaben für das Kultursponsoring 1996 auf 0,5 – 0,6 Mrd. DM[32]. Das sind rund 5% der öffentlichen Ausgaben.

Der Bund übernimmt weitgehend die indirekte Förderung, indem er die gesetzlichen Rahmenbedingungen schafft. Dazu gehören: Das Urheberrecht und das Sozialrecht, insbesondere hier das Künstlersozialversicherungsrecht, das besagt, daß selbständige Künstler Angestelltenstatus genießen. Der fällige Arbeitgeberanteil wird von den Kunstvermarktern, Verlegern, Kunsthändlern, usw. aufgebracht.

Weiterhin ist das Steuerrecht eines der wichtigsten Instrumente zur Kulturförderung, das zur Zeit im Mittelpunkt der Diskussion steht und auf das ich weiter unten im Kapitel 4.4.2.1. noch zurückkommen werde. Mit Hilfe der Steuergesetzgebung kann der Bund Anreize schaffen für viele individuelle direkte, also private Förderungen. Hier sind öffentliche und private Kunstförderung eng miteinander verwoben und hier kommen die verschiedenen politischen Auffassungen von Kunstförderung zum Tragen.

An diesem Punkt stellt sich auch die von Daweke und Schneider gestellte Kernfrage zum Thema Sponsoring: ”Welche Hand gibt selbstloser, die öffentliche oder die private?”[33] Welche kann am ehesten die Autonomie der Kunst wahren? Ich werde im Kapitel 4., wenn es um die Motive der Förderer geht, auf diese Thematik näher eingehen.

Zu den Leistungen der direkten Förderung des Bundes in Kooperation mit den Ländern gehören die Aktivitäten der Kulturabteilung des Innenministeriums, die sich um Angelegenheiten der Vertriebenen, Flüchtlinge, Kriegsgeschädigten und um kulturelle Angelegenheiten kümmern. Weiterhin werden mit Mitteln aus dem Haushalt des Innenministeriums jährlich ein Literatur- und ein Kunstfond mit 1 Mio. DM ausgestattet. Hiermit werden einzelne, begabte Künstler, aber auch künstlerische Modellvorhaben und Initiativen von gesamtstaatlicher Bedeutung unterstützt. Ein Ziel der Arbeit des Fonds ist es, die zeitgenössische bildende Kunst, einem breiteren Bevölkerungskreis zu vermitteln.

Weiterhin ist das Auswärtige Amt zu erwähnen, aus dem bedeutsame Leistungen der direkten Kunstförderung kommen. Geförderte Organe sind das Goethe Institut (zur Pflege der deutschen Sprache im Ausland und zur Förderung der internationalen kulturellen Zusammenarbeit e.V.) mit seinen 138 Zweigstellen und die Inter Nationes. Dies ist ein eingetragener Verein, der für die Kunstförderung durch seine Vermittlungsleistungen wichtig wird. Finanziell vom Bundespresseamt und vom Auswärtigen Amt getragen, fördert Inter Nationes Übersetzungen und stattet ausländische Bibliotheken mit Büchern und Zeitschriften aus.

3. Geschichtliche Entwicklung

Das Thema des Mäzenatentums hängt eng mit der Entwicklung zur Professionalisierung der Künstler zusammen.

Wie Bram Kempers bemerkt, ist die Entwicklung des Berufs Künstler eng verflochten mit der Art seiner Finanzierung. Kempers zielt in seinem Buch auf die ökonomischen Abhängigkeiten zwischen Auftraggeber und Künstler und auf die dabei entstehenden Machtverhältnisse ab, auf die die Kunst Einfluß nimmt.[34] Er sagt also deutlich, daß die Kunst an der Entstehung von Machtverhältnissen beteiligt ist. Er belegt in seinem Buch, daß in der Italienischen Renaissance, Kunst als Mittel zur Macht eingesetzt wurde.

Bis ins 19. Jahrhundert wurde die Kunst dafür instrumentalisiert. Allerdings kann man, meiner Meinung nach, strenggenommen bis dahin nicht von ”Instrumentalisierung” sprechen, da die Kunst tatsächlich ein Instrument war und noch keinen Eigenzweck entwickelt hatte. Erst im 19. Jahrhundert erfolgten die ersten Schritte zu einer autonomen, emanzipierten Kunst. Ab diesem Zeitpunkt ist es korrekt, von ”Instrumentalisierung der Kunst” zu sprechen, da sie nun, von ihrem eigenen Zweck entfremdet, als Mittel zur Erreichung kunstfremder Ziele eingesetzt werden kann. Verstärkt wird dies, mit dem Aufkommen des Sponsorings, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts praktiziert.

Die geschichtliche Entwicklung des Mäzenatentums teilt sich demnach in zwei Komplexe auf:

In die Zeit vor der Entstehung der autonomen Kunst im 19. Jahrhundert und in die Zeit danach, in der auch das Sponsoring als Kunstfinanzierung (wieder)entstehen kann. Der entscheidende Wendepunkt in der geschichtlichen Entwicklung der Kunstfinanzierung ist jener Zeitpunkt, an dem Kunst mehr wurde als Instrument oder Mittel und es schaffte, sich vom Zweck zu emanzipieren.

Eine der Fragen in dieser Arbeit lautet: Hat nun dieser Wendepunkt, daß mit dem Aufkommen des Sponsorings diese Auftragsgebundenheit zurückgewonnen werden sollte, und zwar von jenen, die, wie vor dem 19. Jahrhundert auch, die Kunst gezielt zur Beeinflussung der Machtverhältnisse einsetzen?

Um der Antwort näher zu kommen, empfiehlt es sich in die Geschichte einzusteigen, und den Begriff des Mäzenatentums, bis an seine Wurzeln in der Antike zurückzuverfolgen:

3.1. Antike

Wie bereits weiter oben erwähnt, ist der Begriff ”Mäzen” auf den Römer Gaius[35] Maecenas zurückzuführen, der ca. 70 bis 8 vor Chr. lebte.

Dichtern und Literaten verdankt Maecenas seine Unsterblichkeit und seinen Ruhm als besonderen Förderer und Anreger der bedeutendsten zeitgenössischen Dichter. Bei Dichtern, wie Horaz, Vergil oder Properz wird Maecenas ruhmvoll erwähnt, ebenso bei Historikern, wie Cassius Dio, Sueteon und Plutarch werden seine Verdienste als römischer Staatsmann gewürdigt. Weiterhin finden sich Ausführungen zu Maecenas in den mit der Apendix Vergiliana überlieferten Elegiae in Maecenaten. Doch nicht nur finanzielle Zuwendung bekamen die Dichter, sondern der ideelle Wert seiner persönlichen Freundschaft, insbesondere zu Horaz, festigten die Bindung zwischen Maecenas und dem, sich um ihn gebildeten, „Kreis des Maecenas“[36].

So widmet Horaz, auf Maecenas Anregung, Maecenas das 1. Satierenbuch, erwähnt ihn im 2. und publiziert auf sein Drängen das Epodenbuch mit drei Widmungen. Die ersten drei Odenbücher sind auch an Maecenas gewidmet und richten sich an ihn.[37]

Auch Vergil und Properz wenden sich in ihrer Kunst durch Widmungen und Huldigungen Maecenas zu, nachdem sie von ihm in den Kreis der Geförderten aufgenommen wurden.

Besonders geschickt erwies sich Maecenas unter Kaiser Augustus in der Lösung von heiklen diplomatischen Aufgaben, von denen insbesondere Horaz berichten. So war er an der Versöhnung der beiden Machthaber Augustus und M. Antonius beteiligt und vereitelte das Attentat auf Augustus.

Seit 36 v. Chr. vertrat er den Herrscher in Rom, wobei er eine staatsrechtlich nicht präzisierte Stellung einnahm, die ihn aber nach dem Caecar zum mächtigsten Mann im Staate machte.

Er überwachte seinerzeit unter Kaiser Augustus das gesamte Schrifttum des Staates. So durfte er den Siegelring des Herrschers benutzen, durfte wichtige amtliche Briefe vor ihrer Weiterbeförderung lesen und sogar abändern.[38]

Weiterhin hatte er die Aufsicht über die Entwicklung des Schrifttums in gebundener und ungebundener Rede. Die Presse, die er gründete, sollte dabei Augustus Staatsführung legitimieren. Hierfür nutzte er die Fähigkeiten berühmter Dichter, wie Horaz, Vergil, Properz, um sie für politische Zwecke einzusetzen.[39]

Die politische Seite der Freundschaft zwischen Fürst und Dichter stellt Rudolf Alexander Schröder in seinem Beitrag „Horaz als politischer Dichter“[40] heraus. Er nennt den Bund ”Dienst am Reich” und führt weiter aus: ”Wohl aber glaube ich zu erkennen, unter welchem Nenner sich der gemeinsame Dienst gerade dieser beiden vollzog... Sie alle (Dichter) einte neben dem gemeinsamen literarischen Streben die gleiche politische Losung...”[41]

Augustus wußte sehr wohl, wie er mit Wort, Schrift und Bild die Öffentlichkeit beeinflussen konnte. So diente u.a. die Publikation der römischen Staatszeitung dem Zweck, seine Anschauungen und Absichten zu verbreiten. Auch sorgte der Prinzeps dafür, daß ihm nicht gemäße Ausführungen unterdrückt und sogar vernichtet wurden. So wurden oppositionelle Schriften, ein großer Teil der früheren Orakelliteratur, verbrannt. Vergil mußte seine Georgica, in der er Cornelius Gallus verherrlicht, umdichten und Ovids Werke wurden aus den öffentlichen Bibliotheken entfernt.[42]

Augustus betrieb geschickt eine versteckte Zensur, indem er in Form von Ratschlägen und Ergänzungshinweisen, denen sich die augusteiischen Dichter aufgrund der Etikette nicht entziehen konnten, bei Vorlesungen Einfluß auf die Dichtung nahm.[43] Dabei half ihm die Tatsache, daß durch das literarische Gespür des Maecenas er alle wichtigen und aufstrebenden Dichter um sich hatte. Ob dies taktisches Kalkül des Maecenas war, läßt sich nur vermuten. Bezeichnend ist die Tatsache, daß fast alle Ausführungen der augusteiischen Dichter aus der Frühzeit des Prinzipats stammen, aus einer Zeit als die Macht des Augustus noch ungefestigt war und die neue Staatsordnung erst eingeführt wurde. Dies ist ein weiterer Grund zu vermuten, daß ihre Dichtung gezielt für politische Zwecke eingesetzt wurde, zumal die Wirkung auf die einflußreichen Schichten der römischen Bevölkerung groß war.

Kienast sagt in diesem Zusammenhang deutlich, ”...daß die Dichtung der Augusteer teilweise Auftragsdichtung war”[44]. So versuchte Maecenas seinen Dichterkreis, z.B. Properz, immer wieder für politische Themen zu interessieren.[45] In späteren Werken Horaz und Vergils wird der Caesar sogar zum Gott erhoben.[46]

Kienast relativiert die Instrumentalisierung der Dichtkunst für die Politik etwas, indem er sagt, daß Augustus in Vergil und Horaz nur deshalb ideale Fürsprecher gefunden hatte, weil ”...diese ihre eigenen Hoffnungen und Wünsche auf den Prinzeps übertragen hatten und von ihm ihre Erfüllung erwarteten und auch erhielten”.[47] Er spricht in diesem Zusammenhang auch von Ovids Werk, welches wegen seiner Offenheit und Beschreibung der tatsächlichen Zustände in Rom von Augustus verboten wurde und welches zur Verbannung Ovids nach Tomis führte. Die, trotz dieser Tatsache, große Popularität Ovids in Rom, läßt Kienast darauf schließen, daß große Kunst in ihrem Kern nicht manipulierbar sei.[48]

Deutlich wird bei Lefèvre, daß mit der Aufnahme von Horaz in den Dichterkreis des Maecenas dieser sein Begleiter und Gesellschafter wurde und somit ein Abhängigkeitsverhältnis eingegangen war, aus dem er später auszubrechen versuchte. Erst als er sich den Pflichten des convictor entledigte, baute sich nach Lefèvre eine wahre Freundschaft zwischen den beiden Männern auf.[49]

Die Dichtkunst wurde zur Augusteiischen Zeit hoch geachtet und in den oberen Gesellschaftsschichten Roms versuchten sich viele in dieser Kunst. So dichtete Augustus selbst seinerzeit und auch Maecenas verfaßte zahlreiche poetische Werke.[50] Dichter genossen ein hohes Ansehen und man sah in ihnen eine Art Sprachrohr der göttlichen Macht.

Im Gegensatz dazu wurden die bildenden Künstler, die als Handwerker zu den Sklaven zählten, gering geachtet. Körperliche Arbeit wurde verpönt, insbesondere dann, wenn sie gegen eine Entlohnung stattfand. Der bildende Künstler wurde für seine Arbeit bezahlt und hatte auf nichts weiter Anspruch. Sein geschaffenes Werk wurde jedoch hoch geschätzt.

Die Tatsache, daß der Akt der Entlohnung eine Arbeit minderwertig werden läßt, begegnet uns wieder in der Renaissance, weshalb viele namhafte Künstler aus diesem Umstand heraus kein Geld für ihre Arbeiten, sondern nur Geschenke annahmen.

Ihre herausragende Stellung verdankten die Dichter den sozial und politisch hochgestellten Persönlichkeiten. Zu Ruhm und Ehren zu gelangen, und so unsterblich zu werden, war das höchste Ziel der Menschen in der Antike. Dieser Personenkult führte zu einem Wechselverhältnis zwischen Dichtern und Staatsmännern, welches beiden nutzte, denn der Ruhm des einen übertrug sich jeweils auf den anderen. Das Prinzip von Leistung und Gegenleistung, welches als Kriterium für das Sponsoring herangezogen wird, wird hier schon deutlich.

Die Wirkung des Wortes wurde damals erkannt und zur Machterhaltung verwendet. Im Mittelalter und in der Renaissance kehrte diese Erkenntnis zwar nicht als geschriebenes Wort, sondern als gemaltes Bild wieder, das die Bevölkerung in die gewünschten Bahnen lenkte. Nicht mehr die Kunst der Literatur, sondern die Kunst der Malerei wurde von den Mächtigen ihrer Zeit im Sinne des Maecenas eingesetzt.

3.2. Mittelalter

Im Mittelalter wurde das Christentum in Europa weitestgehend zu Staatsreligion erhoben. Der Abstand zwischen der Hof- und Kirchenkunst wurde immer geringer, da das Oberhaupt der kirchlichen und weltlichen Macht in einer Person vereinigt waren. So waren die Aufgaben der Kunst im Mittelalter dieselben, wie während der Antike: Die Darstellung ”...unbeschränkter Autorität, übermenschlicher Größe und übernatürlicher Gnadenmittel”[51] des Herrschers. Dies wurde im wesentlichen mit dem Mittel der Frontalität, der Darstellung von Persönlichkeiten direkt von vorne, erreicht. Die damaligen Maler hielten sich streng an diesen Formalismus, der die zeremonielle, mystische und einschüchternde Wirkung der Bilder begünstigt.

In Byzanz war der Herrscher auch der höchste Schutzherr der Künste und somit auch alleiniger Auftraggeber. Dies kommt dadurch zum Ausdruck, daß die Bilder mit religiösem Inhalt zensiert wurden, sobald sie den Interessen der byzantinischen Krone widersprachen.[52] Kaiser Konstantin der Große breitete seine weltliche Macht im 4. Jahrhundert immer weiter auf die geistliche Ebene aus, bis er sich auch zum Oberhaupt der Kirche ausrief. Ab dieser Zeit entstanden die ersten prachtvollen und großzügigen Basiliken, in denen weltliche und geistliche Symbole verschmolzen.[53]

Der Bilderstreit und insbesondere sein Ausgang ist sicherlich Ausdruck dafür, wie wichtig das Bild als Instrument der Verbreitung und Machterhaltung für die Kirche war.

Beim Bilderstreit ging es um dogmatische Auseinandersetzungen, wobei die zentrale Frage das Wesen der Dreieinigkeit von Gottvater, Gottsohn und Heiligen Geist und den Naturen Christi war. Man stritt darüber, ob er göttlicher oder menschlicher Natur war.[54]

Die Bilderfeinde stützten sich stark auf den Neuplatonismus, wonach das Kunstwerk in seiner materiellen Form, aufgrund seines nachahmenden Charakters, ein Trugbild ist. Für die Bilderfeinde war jegliche künstliche Gestaltung ”eine Versuchung zum Götzendienst”. Außerdem zitierten sie das Bilderverbot aus dem 5. Buch Mose, wonach die Darstellung Gottes und aller anderer Lebewesen auf der Erde verboten war.[55] Jegliche religiöse Kunst wurde von den Bilderfeinden kategorisch abgelehnt. So wurden die Maler auf der niedrigsten gesellschaftlichen Stufe angesiedelt.

[...]


[1] Zum "Kulturboom" siehe Kapitel 4.1. und 4.1.1., S. 51 dieser Arbeit

[2] zum Kapitalbegriff Bourdieus siehe Kapitel 5.1.2.1., S. 76 dieser Arbeit

[3] Bell, Daniel, Merkur, Nr. 491 Januar 1990, S 41

[4] vgl. Bourdieu, Pierre, 1997, FU, S. 359

[5] vgl. Fischer, Heinz H., 1989, S. 39, weitere Autoren: Lefèvre, 1981, S.1994; Hirschfeld, 1968, S.5; Bumke, 1979, S. 9ff, Roth, 1989, S. 14

[6] vgl. Kempers, Bram, 1989, S. 222, sowie Conti, Alessandro, 1987, S. 104, sowie Baxandall, Michael, 1987, S. 9-40

[7] zitiert nach Lösel-Sauermann, Iris, 1994, S. 69, sie zitiert nach Albrecht Dietz: Eine Marktnische im Kultursponsoring, in: Demuth: Imageprofile `89, S. 98

[8] vgl. Fischer, Heinz H., 1989, S. 41

[9] Loeffelholz, Bernhard Freiherr von. „Das Mäzenatentum in der Kunst“ in: Handelsblatt 2./3.8.1985 S. 27. Zitiert nach Fischer, Heinz H., 1989, S.42

[10] vgl. Kapner, Gerhardt, 1987, S. 18,

[11] vgl. Frey, Manuel, 1998, S. 11-29

[12] Jacob Christoph Iselin, Neu-Vermehrtes Historisch- und Geographisches Allgemeines Lexicon, Basel, 1760, Bd.III, zitiert nach Frey, Manuel, 1998, S. 14

[13] Frey, Manuel, 1998, S. 15

[14] vgl. Frey, Manuel, 1998, S. 19

[15] Frey, Manuel, 1998, S. 16-18

[16] vgl. Frey, Manuel, 1998, S. 20

[17] vgl. ebd. S. 25

[18] Lösel-Sauermann, Iris, 1994, S.67

[19] vgl. ebd., S.67

[20] Roth, Peter,1989, S. 28

[21] Bruhn, Manfred, 1989, S. 38

[22] vgl. Fohrbeck, Karla, 1989, S. 46

[23] Fischer, Heinz H., 1989, S. 51

[24] Bruhn, Manfred, 1989, S. 41 sowie Bruhn, Manfred, 1998, S.196

[25] Behnke, Christoph, 1996, S. 202, mit dem Ausdruck „Vermassung der Hochkultur“ zitiert Behnke den englischen Soziologen Scott Lash.

[26] Bruhn, Manfred, 1998, S. 197

[27] Behnke, Christoph, 1996, S.201

[28] Behnke, Christoph, 1996, S.200

[29] vgl. Wiesand, Andreas Joh., 1994, S. 31

[30] vgl. Hummel, Marlies, ifo Schnelldienst 4-5 /1992, S. 19

[31] vgl. Ritter, Waldemar, 1994, S.45

[32] vgl. Bruhn, Manfred, 1998, S. 50

[33] Daweke/ Schneider, 1986, S. 17

[34] vgl. Kempers, Bram, 1989, S. 18

[35] Die Frage des Vornamens ist nicht ganz geklärt, zumal er nach: Pauly’s Realencyclopädie in mehreren Inschriften als C. Maecenas aufgeführt wird. Wo sonst von dem Freunde des Augustus die Rede ist, wird er einfach Maecenas genannt, S. 208 u. S. 207

[36] vgl. Lefèvre, Eckard, 1981, S. 1990

[37] vgl. Pauly’s Realencyclopädie, 1974, S. 219

[38] vgl. ebd., 1974, S. 212

[39] vgl. Behnke, 1988, S. 17, sowie: . Pauly’s Realencyclopädie, 1974, S. 218

[40] Schröder, Rudolf Alexander, Horaz als politischer Dichter, in: Wege zu Horaz, Hg. v.H.Oppermann, Darmstadt, 1972 S. 37-61, zitiert nach: Lefèvre, Eckard, 1981, S. 1990,1991

[41] Schröder, Rudlof Alexander in: Wege zu Horaz, Hg. v.H. Oppermann, Darmstadt, 1972 S. 37-61. zitiert nach: Lefèvre, Eckard, 1981, S. 1990, 1991

[42] vgl. Kienast, Dietmar, 1982, S. 218

[43] vgl. ebd., S. 220

[44] ebd., S. 229

[45] vgl. ebd., S. 231

[46] vgl. ebd., 242

[47] ebd., S. 253

[48] vgl. ebd., S. 253

[49] vgl. Eckard Lefèvre, 1981, S. 1994

[50] vgl. Kienast, Dietmar, 1982, S. 245

[51] Hauser, Arnold, 1973, S. 187

[52] vgl. ebd., S. 189

[53] vgl. Lippold, Lutz, 1993, S. 71

[54] vgl. ebd., S. 72

[55] vgl. ebd., S. 73

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
1999
ISBN (eBook)
9783832477806
ISBN (Paperback)
9783838677804
DOI
10.3239/9783832477806
Dateigröße
855 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg – Kunst
Erscheinungsdatum
2004 (März)
Note
2,3
Schlagworte
kunstsponsoring renaissance mäzene
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Titel: Kunstsponsoring
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