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Arbeits(un)zufriedenheit von Frauen

Eine qualitative Untersuchung in Wien und Berlin unter besonderer Berücksichtigung der Arbeitsplatzsicherheit als Zufriedenheitsdeterminante

©2004 Diplomarbeit 109 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Dumm sein und Arbeit haben, das ist nach Ansicht des Schriftstellers Gottfried Benn (1956) Glück. Der Ökonom und Glücksforscher Bruno S. Frey antwortet auf die Frage, welcher Faktor das Glück der Menschen am meisten beeinflusst: die Zufriedenheit mit der Arbeit (vgl. B.Frey 2003: 29). Positive Gefühle und Erwerbsarbeit scheinen also in einem engen Zusammenhang zu stehen. So antworten auf die Frage „Sind sie zufrieden mit ihrer Arbeit?“ konstante 80 Prozent der Menschen mit „Ja“ (Meyer 1982: 9). Trotz zunehmendem Mobbings, trotz Betriebsunfällen, trotz steigenden Drucks durch die Arbeitgeber.
Doch wie ist das möglich? Kann der Begriff „Arbeit“, der in seinem ursprünglichem Sinn Mühsal und Plage bedeutet, mit dem Begriff „Zufriedenheit“ überhaupt eine Synthese bilden? In der Bibel wird beschrieben, wie die Arbeit als Strafe für den Sündenfall Evas und Adams über die Menschheit gekommen ist. In der Protestantischen Ethik hingegen ist Arbeit der Weg zum Heil. Max Weber stellte fest, dass der Calvinismus treibende Kraft der Entwicklung des Kapitalismus war, denn er legitimierte das Arbeiten moralisch. Nach Marx kann man erst nach dem Ende der kapitalistischen Gesellschaft von Arbeit als „höhrer Tätigkeit“ sprechen. Der Mensch habe ein Bedürfnis nach Tätigkeit, doch reduziere sich diese Tätigkeit im Kapitalismus auf eine abstrakte inhaltslose Schufterei (vgl. Schmiederer 1991). Eine Zufriedenheit mit der Arbeit ist nach Marx also innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft nicht möglich. Er hatte dabei allerdings die unmenschlichen Arbeitsbedingungen der FabrikarbeiterInnen im 19.Jahrhundert im Blick.
Man kann davon ausgehen, dass sich unter den heutigen verbesserten Arbeitsbedingungen Zufriedenheit mit der Arbeit eher einstellen kann. Mit dieser Frage werde ich mich im Rahmen der vorliegenden Arbeit auseinandersetzen: von welchen Faktoren wird die Arbeitszufriedenheit beeinflusst und wie gestalten sich die Ausprägungen und Bedingungen dieser subjektiv wahrgenommenen Zufriedenheit?
In den letzten Jahrzehnten sind in Deutschland viele tausend Arbeitsplätze in den industriellen Berufen verloren gegangen, während zeitgleich im Dienstleistungssektor rund eine Million neuer Arbeitsplätze entstanden. In diesen neuen Dienstleistungsberufen sind vor allem Frauen tätig: Laut Statistischem Bundesamt waren hier im zweiten Quartal 2003 83,2 Prozent der weiblichen Erwerbstätigen beschäftigt (Männer: 58,9 Prozent). In der Zukunft werden […]

Themenübersicht

Inhaltsverzeichnis


ID 7987
Müller, Jenny: Arbeits(un)zufriedenheit von Frauen - Eine qualitative Untersuchung in
Wien und Berlin unter besonderer Berücksichtigung der Arbeitsplatzsicherheit als
Zufriedenheitsdeterminante
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: Freie Universität Berlin, Buch, 2004
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2004
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung... 1
2 Theoretischer Bezugsrahmen... 5
2.1 Definitionsversuch von Arbeitszufriedenheit... 5
2.2 Theorien zur Arbeitszufriedenheit...7
2.2.1 Die Motivationstheorie von Maslow...8
2.2.2 Herzbergs 2-Faktoren-Theorie...10
2.2.3 Bruggemanns Modell der Arbeitszufriedenheit...11
2.3 Kriterien der Arbeitszufriedenheit...13
2.3.1 Unterschiede in der Arbeitszufriedenheit von Frauen und
Männern...13
2.3.2 Alter und Qualifikation... 14
2.3.3 Berufsposition und Berufsgruppen ...15
2.3.4 Arbeitszeit...15
2.3.5 Lohn und Gehalt... 16
2.3.6 Stellenwert der Arbeit... 16
2.4 Stand der Forschung... 17
2.4.1 Messung durch quantitative Verfahren... 18
2.4.2 Darstellung einiger qualitativer Studien... 20
3 Die Arbeitssituation für Frauen in Österreich und Deutschland... 23
3.1 Erwerbsbeteiligung ... 24
3.2 Teilzeitarbeit und Lohndiskriminierung... 27
3.3 Arbeitslosigkeit... 28
3.4 Normative Bewertung der Frauenerwerbstätigkeit...30
3.5 Arbeitsmarktsituation und Arbeitszufriedenheit...32
4 Hypothesen und Forschungsfragen... 35
i

5 Forschungspraktische Konsequenzen - methodischer Zugang... 37
5.1 Beschreibung und Begründung der gewählten Methode ... 37
5.2 Auswertungsmethode...38
5.3 Untersuchungsdurchführung... 39
5.4 Beschreibung der Untersuchungsgruppe... 40
6 Empirische Ergebnisse... 42
6.1 Berufsbiografische Kurzporträts... 42
6.2 Bedingungen von Arbeitszufriedenheit... 49
6.3 Gründe für (Un-)Zufriedenheit mit der Arbeit... 52
6.3.1 Bezahlung... 52
6.3.2 Berufliche Diskriminierung von Frauen ... 54
6.3.3 Arbeitsbedingungen, Arbeitszeit und Gesundheit... 57
6.3.4 Eigenständiges Arbeiten... 60
6.3.5 Arbeitsethos und Bedeutung der Arbeit... 62
6.3.6 Soziale Beziehungen am Arbeitsplatz... 64
6.4 Arbeitsplatzunsicherheit und Arbeitszufriedenheit...71
6.4.1 Die Wahrnehmung und Folgen von Arbeitsplatzunsicherheit ... 72
6.4.2 Kompensation durch Kompetenz... 76
6.5 Unterschiede zwischen Berlin und Wien ... 81
6.6 Zusammenfassende Betrachtung der einzelnen Fälle... 83
7 Fazit und Ausblick... 89
8 Literaturverzeichnis...95
9 Anhang...102
ii

1 Einleitung
1 Einleitung
Dumm sein und Arbeit haben, das ist nach Ansicht des Schriftstellers Gottfried
Benn (1956) Glück. Der Ökonom und Glücksforscher Bruno S. Frey antwortet auf
die Frage, welcher Faktor das Glück der Menschen am meisten beeinflusst: die Zu-
friedenheit mit der Arbeit (vgl. B.Frey 2003: 29). Positive Gefühle und Erwerbsarbeit
scheinen also in einem engen Zusammenhang zu stehen. So antworten auf die
Frage ,,Sind sie zufrieden mit ihrer Arbeit?" konstante 80 Prozent der Menschen mit
,,Ja" (Meyer 1982: 9). Trotz zunehmendem Mobbings, trotz Betriebsunfällen, trotz
steigenden Drucks durch die Arbeitgeber.
Doch wie ist das möglich? Kann der Begriff ,,Arbeit", der in seinem ursprüngli-
chem Sinn Mühsal und Plage bedeutet, mit dem Begriff ,,Zufriedenheit" überhaupt
eine Synthese bilden? In der Bibel wird beschrieben, wie die Arbeit als Strafe für
den Sündenfall Evas und Adams über die Menschheit gekommen ist. In der Protes-
tantischen Ethik hingegen ist Arbeit der Weg zum Heil. Max Weber stellte fest, dass
der Calvinismus
1
treibende Kraft der Entwicklung des Kapitalismus war, denn er legi-
timierte das Arbeiten moralisch. Nach Marx kann man erst nach dem Ende der kapi-
talistischen Gesellschaft von Arbeit als ,,höhrer Tätigkeit" sprechen. Der Mensch
habe ein Bedürfnis nach Tätigkeit, doch reduziere sich diese Tätigkeit im Kapitalis-
mus auf eine abstrakte inhaltslose Schufterei (vgl. Schmiederer 1991). Eine Zufrie-
denheit mit der Arbeit ist nach Marx also innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft
nicht möglich. Er hatte dabei allerdings die unmenschlichen Arbeitsbedingungen der
FabrikarbeiterInnen im 19.Jahrhundert im Blick.
Man kann davon ausgehen, dass sich unter den heutigen verbesserten Arbeits-
bedingungen Zufriedenheit mit der Arbeit eher einstellen kann. Mit dieser Frage
werde ich mich im Rahmen der vorliegenden Arbeit auseinandersetzen: von wel-
chen Faktoren wird die Arbeitszufriedenheit beeinflusst und wie gestalten sich die
Ausprägungen und Bedingungen dieser subjektiv wahrgenommenen Zufriedenheit?
In den letzten Jahrzehnten sind in Deutschland viele tausend Arbeitsplätze in den
industriellen Berufen verloren gegangen, während zeitgleich im Dienstleistungssek-
tor rund eine Million neuer Arbeitsplätze entstanden. In diesen neuen Dienstleis-
tungsberufen sind vor allem Frauen tätig: Laut Statistischem Bundesamt waren hier
im zweiten Quartal 2003 83,2 Prozent der weiblichen Erwerbstätigen beschäftigt
(Männer: 58,9 Prozent). In der Zukunft werden sich noch mehr Arbeitsplätze im
1
Johannes Calvin (1509 ­ 1664): Nach ihm ist Berufserfolg ein Zeichen dafür, dass ein Mensch zu
den Erwählten ins Himmelreich gehört.
1

1 Einleitung
Dienstleistungsbereich herausbilden, während der landwirtschaftliche und industri-
elle Sektor weiterhin schrumpfen werden. Insofern verdient der Dienstleistungssek-
tor besondere Aufmerksamkeit, so dass ich meine Interviewpartnerinnen aus
diesem Bereich gewählt habe. Dabei halte ich es für besonders interessant, sich nä-
her mit der Arbeitszufriedenheit von Frauen zu beschäftigen. Nicht nur, weil Dienst-
leistungsberufe hauptsächlich von Frauen ausgeübt werden, sondern auch, weil
Frauen im Beruf mit besonderen Problemen konfrontiert sind. So sind Frauen nach
wie vor schlechter bezahlt, sie arbeiten auch gerade im Dienstleistungssektor über-
wiegend in Teilzeit, sind der Zerrissenheit zwischen Familie und Beruf ausgesetzt
und ihre Aufstiegschancen sind im Vergleich zu denen der Männer schlecht. In
diesem Zusammenhang interessiert mich die Frage, ob es bei erwerbstätigen
Frauen spezielle Kriterien der Arbeits(un)zufriedenheit gibt, die für Männer nicht von
Bedeutung sind, aber die berufliche Zufriedenheit von Frauen entscheidend mitbe-
stimmen. Hier stellt sich auch die Frage, welchen Stellenwert Arbeit im Leben der
Frauen hat und inwieweit die Vorstellung, dass Frauen der Erwerbsarbeit weniger
Bedeutung beimessen, weil ihr eigentliches Interesse auf die Familie gerichtet ist,
zutrifft.
Die Arbeit ist in einen theoretischen und in einen empirischen Teil gegliedert. Im
theoretischen Teil soll zunächst der Begriff ,,Arbeitszufriedenheit" eingegrenzt
werden. Daraufhin stelle ich drei Theorien zur Arbeitszufriedenheit vor (Kapitel 2.2),
die sich auf unterschiedliche Weise mit der Thematik befassen. Anschließend
werden einige Studien zusammengefasst, die einzelne Kriterien der Arbeitszufrie-
denheit erläutern (Kapitel 2.3). So werden zum Beispiel Untersuchungen über die
unterschiedliche Arbeitszufriedenheit von Frauen und Männern oder über die
Arbeitszufriedenheit in verschiedenen Berufspositionen vorgestellt. Das Kapitel
,,Stand der Forschung" (Kapitel 2.4) stellt die wichtigsten quantitativen und qualita-
tiven Studien zum Thema Arbeitszufriedenheit vor. Da anzunehmen ist, dass die
Arbeitsmarktsituation einen entscheidenden Anteil an der Zufriedenheit mit der
Arbeit hat, wird in Kapitel 3 die Arbeitsmarktsituation für Frauen in Österreich und
Deutschland dargestellt. Unter Punkt 3.5. werden ergänzend einige Studien erläu-
tert, die sich mit dem Zusammenhang von Arbeitsmarktsituation und Arbeitszufrie-
denheit auseinandergesetzt haben.
Diese Kapitel bilden den theoretischen Bezugsrahmen der Arbeit, auf dem die
Untersuchung basiert und auf den bei der Interpretation der empirischen Ergebnisse
immer wieder zurückgegriffen wird. Der Theorieteil soll einen allgemeinen Überblick
2

1 Einleitung
über das Thema Arbeitszufriedenheit geben, der im empirischen Teil präzisiert wird.
Dazu soll aufgezeigt werden, wie sich die spezifische Wirklichkeit eines Falls im
Kontext allgemeiner gesellschaftlicher Bedingungen abzeichnet.
Der empirische Teil (Kapitel 6) befasst sich vorwiegend mit der Fragestellung, ob
sich bei den erwerbstätigen Frauen trotz ihrer zum Teil schlechten Arbeitssituation
Zufriedenheit mit ihrer Arbeit einstellen kann. Dazu werde ich prüfen, welche Kriteri-
en der Arbeitssituation in welchem Maß zur Zufriedenheit beitragen. Dazu gehören
die Bezahlung, die Arbeitsbedingungen, die Möglichkeit zum eigenständigen Arbei-
ten, die persönliche Einstellung zur Arbeit und die Angst vor Entlassung.
In Zeiten von Massenarbeitslosigkeit und Massenentlassungen ist ein weiteres
Kriterium der Arbeitszufriedenheit die Arbeitsplatzsicherheit. In der modernen
Gesellschaft sind Selbstvertrauen und sozialer Status untrennbar mit Erwerbsarbeit
verbunden. Der drohende Verlust von Arbeit ist demnach ein Angriff auf die ganze
Person eines Menschen. In den meisten Forschungen zur Arbeitszufriedenheit hat
die Arbeitsplatz(un)sicherheit bisher eine randständige Rolle gespielt. Ich halte sie
jedoch für eines der zentralen Kriterien. Aus diesem Grund habe ich Interviews in
Berlin und Wien geführt, wo es große Unterschiede in der regionalen Arbeitslosig-
keit gibt. Es stellt sich hier die Frage, ob sich die allgemeine Arbeitslosigkeit einer
Region negativ auf die Arbeitszufriedenheit der (noch) Erwerbstätigen auswirkt.
Um die Frage zu klären, welche Kriterien für die Arbeits(un)zufriedenheit von
Frauen ausschlaggebend sind, habe ich insgesamt neun qualitative Interviews mit
jungen Frauen aus Berlin und Wien geführt, die im Dienstleistungssektor beschäftigt
sind. Darunter vier Verkäuferinnen, eine Kellnerin, zwei Sekretärinnen und zwei
Pflegekräfte. In Kapitel 5 wird begründet, warum eine qualitative Befragungen für
die Zufriedenheitsforschung sinnvoller ist als standardisierte Masseninterviews. An-
schließend wird die Methode, mit der die Interviews geführt und ausgewertet
wurden, genauer beschrieben. Die Darstellung der Untersuchungsergebnisse findet
sich schließlich in Kapitel 6 und ist in zwei Teile gegliedert: der erste (Kapitel 6.3.)
befasst sich mit den verschiedenen Gründen für Arbeits(un)zufriedenheit bei
Frauen. Kapitel 6.4 setzt sich zum einen mit der Wahrnehmung der Arbeitsplatzunsi-
cherheit und zum anderen mit der Auswirkung dieser Unsicherheit auf die Arbeitszu-
friedenheit der Frauen auseinander. Abschließend werden noch einmal die Unter-
schiede in Berlin und Wien zusammengefasst und die einzelnen Fälle unter die
Lupe genommen.
Die vorliegende Diplomarbeit wurde geschrieben, um einen Beitrag für die fe-
ministische Arbeitsforschung zu leisten. Dazu gehört zum einen die Ausein-
3

1 Einleitung
andersetzung mit speziellen beruflichen Problemen von Frauen, die in der männli-
chen Arbeitsforschung außer Acht gelassen werden. Zum anderen wird Frauen in
Zeiten der Massenarbeitslosigkeit der Anspruch auf Erwerbsarbeit abgesprochen.
Das Institut der Deutschen Wirtschaft sprach zum Beispiel von einer Belastung des
Arbeitsmarktes durch einen immer höheren Anteil von Frauen, die einem Beruf
nachgehen wollen (vgl. Roth 2003: 77). Dass Frauen das gleiche Recht auf
Erwerbsarbeit haben wie Männer, ist zwar eine Selbstverständlichkeit, die aber ge-
rade in Zeiten knapper Arbeitsplätze immer wieder betont werden muss.
4

2 Theoretischer Bezugsrahmen
2 Theoretischer Bezugsrahmen
,,Nie ist das menschliche Gemüt heiterer gestimmt, als wenn es seine richtige
Arbeit gefunden hat" (Wilhelm von Humboldt)
Die Arbeitszufriedenheitsforschung hat sowohl einen psychologischen als auch
einen soziologischen Ansatz. Die psychologische Forschung zu dieser Thematik ist
zwar bekannter, doch hat die Betriebs- und Arbeitssoziologie ebenfalls wichtige Bei-
träge zur Arbeitszufriedenheitsforschung geleistet. Die psychologischen Theorien
zur Arbeitszufriedenheit, die im folgenden Kapitel erläutert werden, setzen sich stär-
ker mit der Erwartungshaltung des einzelnen an seine Arbeit auseinander. Die
Arbeitszufriedenheit ist demnach von dem Anspruchsniveau des Beschäftigten
abhängig und von dem Bestreben, seine Bedürfnisse zu befriedigen. Die soziolo-
gische Arbeitszufriedenheitsforschung hat stärker die Zufriedenheit der Beschäf-
tigen in Bezug auf verschiedene Kriterien im Blick. Dabei muss man unterscheiden
zwischen objektiven und subjektiven Kriterien der Arbeitszufriedenheit.
Objektive Kriterien sind die Arbeitsbedingungen, die Arbeitsplatzsicherheit, die
Berufsposition, die Aufstiegschancen, die Arbeitszeiten, die Bezahlung einschließ-
lich Sozialleistungen und die inhaltliche Tätigkeit. Die subjektiven Kriterien sind in-
dividuelle Einschätzungen, die sich auf die objektiven Kriterien beziehen. Hier geht
es um die Bewertung, um das Erleben und die Bewältigung der objektiven Be-
dingungen. Die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust ist ein subjektives Kriterium der
Arbeitszufriedenheit, die tatsächliche Arbeitsplatzsicherheit ein objektives. Viele Kri-
terien lassen sich sich allerdings nicht klar in objektiv und subjektiv einteilen.
Doch zunächst soll versucht werden, den nebligen Begriff Arbeitszufriedenheit
genauer zu beleuchten.
2.1 Definitionsversuch von Arbeitszufriedenheit
Der Begriff der Zufriedenheit bzw. der Arbeitszufriedenheit wird in der Literatur in
sehr unterschiedlicher Weise verwendet. Es ist nicht möglich, eine allgemein gültige
Definition zu finden. Im folgenden wird versucht, sich beiden Begriffen anzunähern.
Nach dem allgemeinen psychologischen Verständnis generiert sich Zufrieden-
heit aus der Erfüllung unserer Bedürfnisse oder aus der Antizipation dieser Erfül-
lung. So ist Unzufriedenheit ebenfalls eine Folge der realen oder antizipierten Frus-
tration (vgl. Rosenstiel 1992: 395).
5

2 Theoretischer Bezugsrahmen
Zufriedenheit stellt zunächst den kognitiven Vergleichs- und anschließenden Be-
wertungsprozess von Ist- und Sollzustand dar. Das bedeutet, eine Person setzt zum
Beispiel ihren Arbeitsplatz, wie sie ihn wahrnimmt (Ist-Wert) in Vergleich zu dem
Wunschbild von ihrem Arbeitsplatz, wie er aussehen sollte (Soll-Wert). Der Grad der
Diskrepanz bzw. Übereinstimmung zwischen diesen beiden Werten wird den Grad
der Zufriedenheit darstellen (vgl. Bruggeman/Groskurth/Ulich 1975: 52).
Kritik an dem Ist-Soll-Wert-Vergleich wird vor allem von Meyer (1982: 15) ge-
äußert: Auch der Ist-Wert, der als objektive Größe genannt wird, ist ebenso wie der
Sollwert von individuellen Standards und gesellschaftlichen Normen abhängig, so
dass die beiden Werte keine unabhängigen Größen voneinander sind.
Die stärker soziologisch gefärbte Zufriedenheitsdefinition von Glatzer (1984a:
178) stellt die kognitive Bewertung der Lebensbedingungen aufgrund von Vergleich-
sprozessen mit wichtigen sozialen Bezugsgruppen und eigenen Erwartungen in den
Vordergrund, während sich Glück als ein ,,affektiver Zustand durch das Verhältnis
positiver und negativer Erfahrungen und Erlebnisse anhand eines individuellen
Maßstabs äußert".
Auch der Begriff der Arbeitszufriedenheit wird in der Literatur sehr unterschied-
lich verwendet. So wird oft nicht klar getrennt zwischen Termini wie Arbeitszufrie-
denheit, Arbeitsmoral, Einstellung zur Arbeit, Berufszufriedenheit oder Arbeitsmo-
tivation.
Hoppocks Definition der Arbeitszufriedenheit ging als erste wegweisende in die
Literatur ein. Nach ihm ist ,,job satisfaction" jede Kombination von Umständen, die
der Arbeitende gedanklich und/oder gefühlsmäßig herstellt, sofern sie ihn dazu ver-
anlasst, aufrichtig zu sagen: ,,Ich bin mit meinem Job zufrieden" (Hoppock 1935: 47
f.). Nach Locke, dessen Definition in der Literatur immer wieder aufgegriffen wird, ist
Arbeitszufriedenheit: ,,a pleasurable and positive emotional state resulting from the
appraisal of one's job or job experience"
2
(Locke 1976: 130). Sehr schlicht ist die De-
finition von Bruggemann, Groskurth und Ulich (1975: 19): Arbeitszufriedenheit be-
deutet ,,Zufriedenheit mit einem gegebenen (betrieblichen) Arbeitsverhältnis." Diese
Definition wird auch dem englischen Pendant ,,job satisfaction" gerecht.
Der Terminus ,,Berufszufriedenheit" bezieht sich hingegen auf einen Zeitraum
von mehreren Jahren. Er entspricht der durchschnittlichen Arbeitszufriedenheit über
einen längeren Zeitraum hinweg (vgl. ebd.). Andere Autoren sehen den Terminus
Berufszufriedenheit eher als Zufriedenheit mit dem Beruf im Sinne der erlernten Tä-
2
Eine angenehme und positive emotionale Situation, die aus der Bewertung des Jobs und der Job-
Erfahrungen resultiert.
6

2 Theoretischer Bezugsrahmen
tigkeit, während Arbeitszufriedenheit sich stärker auf die situativen Bedingungen
von Arbeit bezieht (vgl. Egger/Kapeller 1996: 66).
Neuberger und Allerbeck (1978) verstehen Arbeitszufriedenheit als Einstellung zu
verschiedenen Bereichen der Arbeitssituation. Einstellung wird dabei auch als aus
der Erfahrung stammende wertende Stellungnahmen einem Gegenstand gegenüber
verstanden. Derartige Einstellungen manifestieren sich aufgrund von Bedürfnissen
und werden im Zusammenhang mit der Befriedigung oder der Frustration aktivierter
Motive erworben (vgl. Rosenstiel/Molt/Rüttinger 1995: 238). Eine Mitarbeiterin, deren
Gehaltserhöhung von ihrer Chefin genehmigt wird, wird in diesem Punkt eine posi-
tive Einstellung zu ihrer Chefin entwickeln.
Im folgenden werden die wichtigsten Kriterien der Arbeitssituation genannt, die
einen entscheidenden Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit haben (vgl. ebd).
Arbeitsinhalte, Art der Tätigkeit
Selbstbestimmung, Entfaltungsmöglichkeiten
Chef, Führung
Verhältnis zu KundInnen und KollegInnen
Status, eigene Position, Beförderungsmöglichkeiten, Verantwortung
Lohn
Arbeitszeit und Urlaubsregelungen
soziale Absicherung und Sicherheit des Arbeitsplatzes
Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten
Interessenvertretung
Image des Betriebs
Die aufgelisteten Kriterien sind nicht vollständig. Trotzdem halte ich die Definition
von Neuberger und Allerbeck für sinnvoll, da sie hervorhebt, dass Personen mit ver-
schiedenen Bereichen ihrer Arbeit im unterschiedlichen Maß zufrieden sein können.
Arbeitszufriedenheit ist demnach eine Einstellung, die von vielen Faktoren be-
einflusst wird.
2.2 Theorien zur Arbeitszufriedenheit
Nachdem der Begriff der Arbeitszufriedenheit nun etwas näher umrissen ist,
werde ich im Kapitel 2.2. die drei wichtigsten psychologischen Modelle zur Arbeits-
zufriedenheit vorstellen. In diesen Modellen wird ein enger Zusammenhang zwi-
schen Arbeitsmotivation und Bedürfnisbefriedigung impliziert. Die Einstellung zur
7

2 Theoretischer Bezugsrahmen
Arbeit steht im Dienste der Bedürfnisbefriedigung und wird im Zusammenhang mit
der Befriedigung oder der Frustration aktivierter Motive erworben. Die Zufriedenheit
mit der Arbeitssituation ist demnach eine Folge der Befriedigung von Motiven.
Allerdings ist meist erst eine Reihe von befriedigten Motiven für eine stabile Zufrie-
denheit (oder umgekehrt) notwendig. Der Zusammenhang ist also nur mittelbar (vgl.
Rosenstiel/Molt/Rüttinger 1995: 238).
2.2.1 Die Motivationstheorie von Maslow
Maslow hat in den 50er Jahren eine Bedürfnispyramide entwickelt, mit der er fünf
Grundbedürfnisse des Menschen in ihrer Wichtigkeit untergliedert. Seine Idee war
es, eine positive Theorie der menschlichen Motivation zu entwickeln. Die wichtigsten
basic needs des Menschen sind physiologische Bedürfnisse, die für die Aufrecht-
erhaltung eines Organismus notwendig sind. Dazu gehören elementare Bedürfnisse
wie Essen, Schlafen, Wärme etc. Darauf folgen die Sicherheitsbedürfnisse als
Verlangen nach Ordnung, Beständigkeit und Schutz. In der westlichen Welt seien
die physiologischen und die Sicherheitsbedürfnisse Bedürfnisse weitgehend gestillt.
Maslow spricht von einer kulturspezifischen Überformung, die sich darin ausdrückt,
dass die Menschen der westlichen Welt ihr Sicherheitsbedürfnis auch auf den
Arbeitsplatz oder auf ein volles Sparbuch ausdehnen (vgl.
Bruggemann/Groskurth/Ulich 1975: 20f.).
Die nächste Ebene der Bedürfnispyramide bezieht sich auf die Zugehörigkeits-
und Liebesbedürfnisse bzw. auf die sozialen Bedürfnisse. Die Befriedigung dieser
Bedürfnisse sei in unserer Kultur erschwert durch unser kulturelles Normensystem
und einer Arbeitsgesellschaft, die mit ihrem Ruf nach mehr Flexibilität und Mobilität
soziale Bindungen zerstört. Die Befriedigung von Achtungsbedürfnissen führt zu
Selbstvertrauen, ihre Frustration zu Minderwertigkeitsgefühlen. Als Beispiel für diese
Bedürfnisse nennt Maslow das Verlangen nach Stärke, Erfolg, Kompetenz, Un-
abhängigkeit, aber auch nach Prestige, Status und Macht. Die Spitze der Pyramide
führt das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung an. Hier zeigt sich das Verlangen
des Individuums zu verwirklichen, was es potentiell ist, das heißt, seine gegebenen
Fähigkeiten und Funktionsmöglichkeiten entfalten zu können (vgl. ebd.).
Maslow geht davon aus, dass die Menschen zuerst danach streben, die Bedürf-
nisse auf der untersten Ebene, der physiologischen, zu befriedigen und dann die
der jeweils nächsthöheren Ebene. Allerdings meint das nicht, dass die vorgeordne-
ten Bedürfnisse völlig gesättigt sein müssen, ehe sich der Mensch einer höheren
8

2 Theoretischer Bezugsrahmen
Bedürfnis-Ebene zuwenden kann. Ein Phänomen der westlichen Gesellschaften ist
die rasche Abwertung eines Befriedigungmittels, das durch den Überfluss seinen
Reiz verliert, wodurch es dann zu einer Suche nach immer neuen Mitteln kommt,
z.B. bei Kleidung oder anderen Konsumgütern. Durch Übersättigung kann es auch
zu einer völligen Aufgabe eines Bedürfnisses kommen. Die Unterdrückung eines
Bedürfnisses aufgrund fehlender Handlungsmöglichkeiten hingegen kann dazu füh-
ren, dass vorhandene Befriedigungsmöglichkeiten nicht erkannt werden. Jede
Befriedigung eines Bedürfnisses führt nach Maslow zu einem stabileren Allge-
meinzustand innerhalb der Bedürfnispyramide: Befriedigt jemand sein Sicherheits-
bedürfnis, indem er weitere Schlösser an die Tür anbringt, dann führt das auch zu
einem verbessertem Schlaf. Die permanente Frustration eines Grundbedürfnisses
führt hingegen zu pathologischen Prozessen. Eine gesunde Gesellschaft im
Maslowschen Sinne wäre die, die ihren Mitgliedern die Verwirklichung aller Grund-
bedürfnisse ermöglicht (vgl. ebd.: 24f.).
Wie fügt sich nun das Bedürfnis nach befriedigender Arbeit in Maslows Pyramide
ein? McGregor (1970) hat sich der Übertragung Maslows Theorie auf die Arbeitsmo-
tivation angenommen. Nach McGregor geht das Management in Betrieben von der
falschen Annahme aus, dass ArbeitnehmerInnen von Natur aus faul, passiv oder
aufmüpfig seien und deshalb von oben kontrolliert, bestraft, überzeugt und auch be-
lohnt werden müssten.
Nach McGregor sollten sämtliche der von Maslow postulierten Bedürfnisse bei
der Organisation der betrieblichen Arbeit berücksichtigt werden. Die momentane
Praxis sieht eher so aus, dass das Management vorwiegend mit materiellen Bedürf-
nissen Anreize schaffe bzw. das Sicherheitsbedürfnis der Angestellten missbrauche
anstatt Eigeninitiative und Selbständigkeit der ArbeitnehmerInnen zu fördern. Dar-
aus folge für die Arbeitnehmer ein dauerhafter Zustand des Unbefriedigtseins, der
zu körperlichen Problemen und negativem Verhalten im Betrieb führt.
Diese beobachtbare Trägheit, Unzuverlässigkeit, Verantwortungsscheu und ma-
terielle Orientierung der Arbeitnehmer seien eine Konsequenz dieser verfehlten Be-
handlung der Beschäftigten durch das Management, das Ursache und Wirkung ver-
wechsele. Um die MitarbeiterInnen zu motivieren, sollten ihnen nach McGregor mehr
Selbstbestimmung eingeräumt werden. Das erfordere eine Dezentralisation von
Verantwortung im Arbeitsbereich, eine Beteiligung der Arbeitenden an der Kontrolle
und Beurteilung der eigenen Arbeit und eine Aufgabenerweiterung für die Arbeit-
nehmerInnen (vgl. Bruggemann/Groskurth/Ulich 1975: 29f. und McGregor 1970).
9

2 Theoretischer Bezugsrahmen
2.2.2 Herzbergs 2-Faktoren-Theorie
Herzberg (1971) geht von einer Zweidimensionalität der Arbeitszufriedenheit aus.
Es sieht Arbeitszufriedenheit und -unzufriedenheit als zwei völlig voneinander ge-
trennte unabhängige Phänomene des Arbeitslebens. So wie jemand zugleich Glück
und Unglück empfinden kann, kann eine Mitarbeiterin auch gleichzeitig Zufrieden-
heit und Unzufriedenheit gegenüber ihrer Arbeit empfinden. Arbeitszufriedenheit
speist sich dabei aus der Befriedigung intrinsischer Motive (,,Motivatoren" oder ,,sa-
tisfiers"), Arbeitsunzufriedenheit eher aus der Befriedigung extrinsischer Bedürf-
nisse (,,Hygiene-Faktoren" oder ,,dissatisfiers"). Nach Herzberg tragen Motivatoren
als jene Faktoren, die sich auf den Arbeitsinhalt beziehen (Leistungserfolg, Arbeits-
inhalte, Aufstieg, Anerkennung), zur eigentlichen Arbeitszufriedenheit bei. Die Hy-
giene-Faktoren (Verhältnis zu den Vorgesetzten und KollegInnen, Arbeitsbe-
dingungen, Arbeitsplatzsicherheit, Bezahlung einschließlich Sozialleistungen etc.),
die aus der Arbeitsumwelt stammen, können allenfalls die Unzufriedenheit
verhindern, aber nicht die Arbeitszufriedenheit steigern (vgl. Neuberger 1974: 67).
Stimmt etwas nicht mit diesen Hygiene-Faktoren, ist zum Beispiel das Verhältnis zu
den KollegInnen gestört, dann führt das zu Arbeitsunzufriedenheit. Allerdings kann
eine gute Beziehung zu den KollegInnen nach Herzberg nicht zu einer höheren Zu-
friedenheit mit dem Arbeitsplatz führen.
Die Variablen in Maslows Bedürfnispyramide und Herzbergs Zwei-Faktoren-
Theorie lassen sich einander zuordnen. Herzbergs Hygiene-Faktoren, die Unzufrie-
denheit verhindern können, aber keine Zufriedenheit fördern, entsprechen in etwa
den untersten drei Ebenen der Maslowschen Bedürfnispyramide: Physiologische
Bedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse und Zugehörigkeits- und Liebesbedürfnisse.
In diesem Sinne kritisiert Herzberg ­ wie McGregor - die materiellen Anreiz-Syste-
me vieler Unternehmen. Gute Löhne und ein qualifiziertes Management sind nach
ihm eine Grundvoraussetzung. Zufriedene, engagierte MitarbeiterInnen erhält man
eher durch verbesserte Aufstiegsmöglichkeiten und die Möglichkeit, sie selbständig
und verantwortlich arbeiten zu lassen (vgl. Bruggemann/Groskurth/Ulich 1975: 37).
Maslow bzw. McGregor und Herzberg sehen also vor allem in den Faktoren
Selbstbestimmung, Verantwortung und Aufstiegsmöglichkeiten den Grund für
Arbeitszufriedenheit bei abhängig Beschäftigten. Sogenannte äußere Bedingungen
10

2 Theoretischer Bezugsrahmen
wie Arbeitsplatzsicherheit, soziale Beziehungen, Bezahlung etc. spielen nur eine un-
tergeordnete Rolle.
2.2.3 Bruggemanns Modell der Arbeitszufriedenheit
Bruggemann (1976) hat einen anderen Ansatz. Ihr theoretisches Modell der
Arbeitszufriedenheit setzt sich mit den verschiedenen Formen der Arbeitszufrieden-
heit auseinander und geht dazu von dem Anspruchsniveau der Befragten aus.
Dabei vergleicht sie die Arbeitssituation mit den Erwartungen einer Mitarbeiterin, die
dann je nach Ergebnis ihr Anspruchsniveau senkt, erhöht oder beibehält. Aufgrund
von psychischen Verarbeitungsmechanismen kommt es daraufhin zu sechs ver-
schiedenen Formen der Arbeitszufriedenheit: der progressiven, der stabilisierten,
der resignativen, der Pseudo-Arbeitszufriedenheit, der fixierten und der konstruk-
tiven.
Bruggemann
geht, wie schon
erwähnt, davon aus,
dass eine Mitarbeite-
rin ihre Arbeitssitua-
tion, wie sie sie
wahrnimmt (Ist-Wert)
in Vergleich zu dem
Wunschbild
ihrer
Arbeitssituation
setzt, wie es ausse-
hen sollte (Soll-
Wert). Das Ausmaß der Diskrepanz bzw. Übereinstimmung zwischen diesen beiden
Werten stellt dann das Ausmaß der Zufriedenheit dar. Fällt das Ergebnis günstig
aus, dann kann es zur stabilisierten oder zur progressiven Arbeitszufriedenheit
kommen. Zu letzteren kommt es, wenn sich das Anspruchsniveau der Mitarbeiterin
erhöht und sich ein Zufriedenheitsdefizit einstellt. Die noch offenen Bedürfnisse
mindern jedoch nicht die Arbeitszufriedenheit, sondern spornen an, neue Ziele zu
erreichen. Die Alternative zur progressiven Arbeitszufriedenheit stellt die
stabilisierte Arbeitszufriedenheit dar, die sich auch aus einem positiven Vergleich
zwischen Ist-Wert und Soll-Wert ergibt, aber durch das Bemühen um die Aufrecht-
11

2 Theoretischer Bezugsrahmen
erhaltung der gegebenen Arbeitssituation gekennzeichnet ist (vgl.
Bruggemann/Groskurth/Ulich 1975: 132-133 und Bruggemann 1976).
Die anderen der von Bruggemann genannten Formen der Arbeits(un)zufrieden-
heit speisen sich aus einem ungünstigen Abgleich zwischen Ist- und Soll-Wert. Die
resignative Arbeitszufriedenheit ergibt sich, wenn ein Mitarbeiter bewusst oder un-
bewusst sein Anspruchsniveau senkt und damit den ursprünglichen Soll-Wert
minimiert. Bleibt das Anspruchsniveau des Mitarbeiters allerdings konstant, kann
das zu drei verschiedenen der Arbeitsunzufriedenheit führen. Die konstruktive
Arbeits-unzufriedenheit ist durch die Suche nach Problemlösungen charakterisiert.
Diese Art der Problembewältigung ist dabei von einer ausreichenden Frustrationsto-
leranz und dem Handlungsspielraum des Mitarbeiters abhängig. Im Gegensatz dazu
ist die fixierte Arbeits-unzufriedenheit durch das Abfinden mit der negativen
Arbeitssituation gekennzeichnet. Eine Problemlösung scheint außerhalb des
eigenen Handlungsspielraums zu liegen. Falls diese Situation nicht von außen ge-
löst wird, kann sie langfristig zu einer pathologischen Entwicklung führen (vgl. Brug-
gemann/Groskurth/Ulich 1975: 133-136).
Die fixierte Arbeitsunzufriedenheit kann sich schließlich in eine Pseudo-Arbeits-
zufriedenheit transformieren. Wenn das Anspruchsniveau nicht gesenkt werden
kann und es für die Mitarbeiterin nicht möglich ist, die frustrierende Arbeitssituation
zu ändern, kann das bei ihr zur Problemverdrängungen und Verfälschungen der Si-
tuation führen (vgl. ebd.: 136). Eine Frau, die ihre gesamte Familie ernähren muss,
dafür 40 Stunden in der Woche in einer Fabrik schuftet und gesundheitliche Proble-
me durch die einseitige Belastung der Fließbandarbeit in Kauf nehmen muss, kann
weder ihr Anspruchsniveau senken noch ihre Situation verbessern. Sie könnte sich
aber ihre Arbeitssituation schön reden, um sie sich erträglicher zu gestalten.
Mit Bruggemanns Modell lassen sich auf den ersten Blick widersprüchliche
Ergebnisse erklären. So können Fortbildungen und Weiterbildungsmaßnahmen der
MitarbeiterInnen im Endeffekt zu mehr Unzufriedenheit führen, da mit der ver-
besserten Qualifikation auch das Anspruchsniveau steigen kann. Nach Bruggemann
wären die qualifizierten MitarbeiterInnen dann konstruktiv arbeitsunzufrieden und
würden danach streben, ihre Lage zu verbessern.
Die drei vorgestellten Theorie zur Arbeitszufriedenheit gehen von verschiedenen
Ansätzen aus, die alle ihre Berechtigung haben. Maslow betont die Hierarchie der
12

2 Theoretischer Bezugsrahmen
Bedürfnisse. Jemand, bei dem die untersten Bedürfnisse der Pyramide nicht befrie-
digt sind, kann mit seiner Gesamtsituation nicht zufrieden sein. Herzberg zieht eine
Trennlinie zwischen Zufriedenheit und Unzufriedenheit. Ein Faktor, der zur Unzufrie-
denheit führt, kann nicht gleichzeitig zur Zufriedenheit beitragen und umgekehrt.
Bruggemann geht weiter zurück und stellt erst einmal die Frage nach dem An-
spruchsniveau eines Beschäftigten, das sehr unterschiedlich ausfallen kann. Das
Anspruchsniveau bestimmt dann die unterschiedlichen Formen der Arbeitszufrie-
denheit. Auch Bruggemann trennt zwischen Formen der Arbeitszufriedenheit und
der Arbeitsunzufriedenheit. Die drei Theorien widersprechen sich nicht, sondern
ergänzen einander. Allerdings haben die drei Theorien auch ihre Grenzen: sie be-
ziehen sich hauptsächlich auf die moderne Arbeitswelt mit ihren verbesserten
Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten.
2.3 Kriterien der Arbeitszufriedenheit
Im Kapitel 2.3 soll veranschaulicht werden, wie sich bestimmte Arbeitsplatzmerk-
male (zum Beispiel Aufstiegschancen, Arbeitszeit, Lohn etc.) auf die Arbeitszufrie-
denheit auswirken und welche Unterschiede es in Bezug auf verschiedene Bevölke-
rungs- und Berufsgruppen (Frauen und Männer, Jüngere und Ältere, Verkäufer-
innen und Bürokräfte etc.) gibt. Nach Voß (1993) zeichnete sich in den letzten Jahr-
zehnten eher eine abnehmende Bedeutung materieller Interessen (Einkommen,
Aufstiegschancen) zugunsten arbeitsinhaltlicher und sozialer Erwartungen (An-
erkennung, Kontakt zu anderen Menschen, interessante und abwechslungsreiche
Arbeit usw.) ab. Zudem konnte seit 1960 ein Anwachsen der Arbeitsunzufriedenheit
festgestellt werden (vgl. ebd.).
2.3.1 Unterschiede in der Arbeitszufriedenheit von Frauen und Männern
In der Arbeitszufriedenheitsforschung gibt es ein viel diskutiertes Paradox,
dessen Gründe sich nie vollständig erklären ließen: Trotz schlechterer Arbeitsbe-
dingungen, Lohndiskriminierung und schlechterer Aufstiegschancen weisen Frauen
im Vergleich zu Männern eine höhere Arbeitszufriedenheit auf (vgl. Walby 1986, Ha-
kim 1991, Egger/Kapeller 1996). Hakim (1991: 104) begründet die höheren Zufrie-
denheitswerte der Frauen damit, dass sie ihre Arbeitssituation vorrangig mit anderen
Frauen verglichen, so dass ihre Erwartungshaltung an die Arbeitssituation von
Anfang an geringer sei. Dies sei eine Folge der Geschlechtersegregation auf dem
Arbeitsmarkt. Zudem schreibt sie Frauen ein generell geringeres Interesse an der
13

2 Theoretischer Bezugsrahmen
Erwerbsarbeit zu. Misserfolge in der Arbeit kompensierten Frauen eher mit dem Er-
folg auf einem anderen Gebiet, von Hakim (1991: 104) ,,marriage career" genannt.
Egger und Kapeller (1996: 74) betonen, dass die Variable Geschlecht die
schwächste Variable zur Unterscheidung der Arbeitszufriedenheit darstellt. Es sind
eher die Variablen Berufsposition, Beschäftigungsausmaß, das Verhältnis zu den
ChefInnen und den KollegInnen, die das Ausmaß der Arbeitszufriedenheit unabhän-
gig vom Geschlecht bestimmen. Allerdings müsste man annehmen, da Kriterien wie
Macht im Sinne von hoher beruflicher Position, Kontrolle über die eigene Arbeitssi-
tuation und die der Mitarbeiterinnen die Arbeitszufriedenheit erhöhen, Männer
arbeitszufriedener sind als Frauen. Doch seien gerade Beschäftigte in schlechteren
Berufspositionen (eben Frauen) besonders mit ihrer Arbeit zufriedenen (vgl. ebd.:
75). Teckenberg (1986) erklärt dieses Phänomen mit Sozialisations- und An-
passungsprozessen. Die Beschäftigte stellt demnach für die Bewertung ihrer
Arbeitssituation jene Kriterien in den Vordergrund, die bei ihr am befriedigendsten
ausfallen.
2.3.2 Alter und Qualifikation
Die empirischen Untersuchungen haben übereinstimmend ergeben, dass ältere
Beschäftigte mit ihrer Arbeit zufriedener sind. Die Gründe: Ältere ArbeitnehmerInnen
haben in der Regel höhere Positionen, haben nach mehreren Arbeitsplatzwechseln
den geeigneten Arbeitsplatz gefunden und geben in der Regel eine realistischere
Einschätzung ihrer Arbeitssituation ab. Das Anspruchsniveau sinkt ebenfalls mit
dem Alter. Den niedrigsten Zufriedenheitswert hat die Altersgruppe der 21- bis 30-
Jährigen (vgl. Feinfinger 2003). Schenck (1982) sieht die jüngeren Arbeitnehme-
rInnen in einer Art Lernphase, in der das Verbundenheitsgefühl mit dem Betrieb
wenig ausgeprägt ist. Nach ihm erreichen die Beschäftigten im Alter zwischen 25 bis
49 Jahren eine Art Hochleistungsphase, in der die Arbeitszufriedenheit am
höchsten ist.
Die Qualifikation ist keine maßgebende Determinante der Arbeitszufriedenheit.
Erklärt wird das mit der unterschiedlichen Erwartungshaltung der Beschäftigten: ein
Hauptschüler wird sich nicht soviel von seinem Beruf erhoffen wie ein Hochschul-
absolvent (vgl. Feinfinger 2003). Allerdings widerspricht dieses Ergebnis dem über
die Berufshierarchien, das im folgenden Unterkapitel erläutert wird. So hat Bartunek
(1977: 42) auch einen Zusammenhang zwischen Höhe der Arbeitszufriedenheit und
Höhe der Qualifikation feststellen können.
14

2 Theoretischer Bezugsrahmen
2.3.3 Berufsposition und Berufsgruppen
Personen in Vorgesetztenfunktionen sind durchweg zufriedener. Ebenso die Be-
rufgruppen der Unternehmer, Manager und leitenden Beamten. Arbeiter sind am un-
zufriedensten mit ihrer Tätigkeit. Das gleiche gilt für die Frauen: Weibliche Ange-
stellte sind zu 55,1 Prozent zufrieden oder sehr zufrieden mit ihrer beruflichen Tätig-
keit, weibliche Beamte sogar zu 63,9 Prozent. Arbeiterinnen hingegen nur zu 21,5
Prozent (vgl. Bartunek 1977: 41). Die Berufshierarchie entspricht also weitgehend
dem Zufriedenheits-Ranking. Die Arbeitszufriedenheit steigt, je höher die Position im
Betrieb ist. Wichtig ist dabei das nach außen in die Familie und Freundeskreis wir-
kende soziale Prestige, das Selbstbild und Selbstwertschätzung immens beeinflusst
(vgl. Egger/Kapeller 1996 und Feinfinger 2003).
Große Unterschiede gibt es zudem in den verschiedenen Berufsgruppen. Hier
zeigen die Angestelltenberufe (Lehrerinnen, Büro- und Gesundheitsberufe) die
höchsten Zufriedenheitswerte. Am unteren Ende der Skala befinden sich Berufs-
gruppen mit niedrigerer Qualifikation und harten Arbeitsbedingungen in der Industrie
(vgl. Bartunek 1977: 36-37).
2.3.4 Arbeitszeit
Nur vier von zehn Beschäftigten waren 1997 mit ihrer Arbeitszeit zufrieden.
Besonders unzufrieden sind Beschäftigte mit überdurchschnittlich langen Arbeits-
zeiten, ebenso männliche Beschäftige mit einer Arbeitszeit unter 35 Stunden. Die
Frauen hingegen sind gespalten: eine große Gruppe wünscht sich eine Ausdehnung
der Arbeitszeit (27 Prozent), jedoch eine ähnlich große Gruppe eine Einschränkung
der Arbeitszeit (29 Prozent). Insgesamt unterscheiden sich die Arbeitszeitwünsche
der Geschlechter immer noch vor dem Hintergrund der traditionellen Rollenvorstel-
lung, in welcher der Mann als Haupternährer der Familie gilt (vgl. Holst/Schupp
1998).
Teilzeitbeschäftigte Frauen sind entsprechend mit ihrer Arbeit zufriedener (vgl.
Egger/Kapeller 1996: 73). Und nicht nur mit ihrer Arbeit, sondern auch mit ihrem
Leben: die Lebenszufriedenheit teilzeitbeschäftigter Mütter ist im Vergleich zu nicht-
erwerbstätigen und vollzeitbeschäftigten Müttern sehr viel höher. Letztere sind am
wenigstens zufrieden, was sich mit der kaum zu bewältigenden Aufgabe, Kinder und
Beruf zu vereinbaren, erklären lässt (vgl. Holst/Trzcinski 2003). Allerdings sagt die
Studie nichts darüber aus, wie erwerbstätige Mütter bei veränderten Rahmenbe-
15

2 Theoretischer Bezugsrahmen
dingungen ihre Lebenszufriedenheit einschätzen würden. Der Verzicht auf die Be-
rufstätigkeit aufgrund von mangelnden Kinderbetreuungsangeboten geht an-
scheinend ebenfalls mit einer verstärkten Lebensunzufriedenheit einher.
In den letzten Jahren müssen immer mehr Beschäftige, vor allem Frauen, auch
am Sonntag arbeiten. Der Anteil der Sonntagsarbeitenden ist insbesondere im
Dienstleistungssektor stark gestiegen. Dabei sind Krankenschwestern und Alten-
pflegerinnen die mit Abstand größte Berufsgruppe der am Sonntag Arbeitenden. Bei
den Verkäuferinnen müssen hingegen nur zehn Prozent Sonntags arbeiten.
Beschäftigte mit dauerhafter Sonntagsarbeit sind erwartungsgemäß häufiger unzu-
frieden mit ihrer Arbeit, während Beschäftige mit sporadischer Sonntagsarbeit sogar
seltener unzufrieden sind als Beschäftige ohne Sonntagsarbeit (vgl. Schupp 2001).
2.3.5 Lohn und Gehalt
In Österreich nimmt die Zufriedenheit mit dem Einkommen seit Jahren ab. 29
Prozent der österreichischen Frauen mit Pflichtschulabschluss gaben 2003 an, von
ihrem Einkommen nicht überleben zu können (vgl. derStandard.at 2003).
Der Ökonom Bruno S.Frey (2003) geht davon aus, dass Menschen mit geringem
Einkommen weniger glücklich sind. Mit zunehmendem Einkommen steigt das Glück
allerdings nicht im gleichen Maß. Doch auf die Arbeitszufriedenheit hat ein hohes
Einkommen keinen besonders starken Einfluss. Laut einer Forsa-Umfrage ist zwar
jeder zweite Arbeitnehmer mit seinem Verdienst unzufrieden, doch wirkt sich diese
Unzufriedenheit nur mittelbar auf die Arbeitszufriedenheit aus. Auch hier spielt der
Vergleich zu Personen in einem ähnlichen Tätigkeitsfeld eine große Rolle. Insofern
ist die relative Lohnhöhe, die durch einen Vergleich mit KollegInnen zustande
kommt, wichtiger als die absolute. So kann eine Verkäuferin mit 1000,- Euro Mo-
natsverdienst zufriedener sein als der Filialleiter mit 3000,- Euro (vgl. Feinfinger
2003). Auch Glatzer (1984c: 240) ist der Auffassung, dass die wahrgenommene
Verbesserung der Einkommenssituation die Zufriedenheit in diesem Bereich nicht
positiv beeinflusst. Nicht das Einkommenswachstum an sich, sondern das relative
Einkommenswachstum sei für die Einkommenszufriedenheit entscheidend.
2.3.6 Stellenwert der Arbeit
Voß (1993: 104) spricht von einer steigenden Distanzierung der Berufstätigen
gegenüber der Arbeit. Er begründet dies mit einer wachsenden Bevorzugung der
Freizeit gegenüber dem Lebensbereich Arbeit, einer zunehmendem Sicht auf die
16

2 Theoretischer Bezugsrahmen
Arbeit als ,,Last" oder ,,Übel", sowie einem Anstieg der Arbeitsunzufriedenheit seit
den 60er Jahren. Dieser Einstellungswandel begann Mitte der 60er Jahre und führte
zu der Diskussion, ob die veränderten Werte zu einem Verfall der Arbeitsmoral und
einer pauschalen Abwendung der Bevölkerungsgruppen von der Arbeit führen könn-
ten. Diese Distanz zur Arbeit ist besonders ausgeprägt bei Jugendlichen und gering
Qualifizierten. Trotzdem ist die Arbeit keineswegs unwichtig geworden, sondern
nach Voß ein Lebensbereich, in dem man sich trotz zunehmender Konkurrenz durch
andere Lebensbereiche (Freizeit und Familie) betätigen und entfalten möchte. So
schreibt er (109):
,,Die Arbeit wird, so könnte man sagen, auf der einen Seite immer unwichtiger,
aber zugleich immer wichtiger. Obwohl die Freizeit wächst und und damit die
Arbeit quantitativ erheblich an Relevanz für das Leben verliert, erhält sie, etwa
aufgrund der immensen Verdichtung betrieblicher Anforderungen, im gleichen
Zuge eine immer stärkere Bedeutung für die Betroffenen."
Trotzdem hat in allen Altersgruppen die Identifikation mit der Arbeit abgenommen
(vgl. Statistisches Bundesamt 2003: 456). Der Lebensbereich Familie wird unabhän-
gig von Alter, Geschlecht oder Region für wichtiger gehalten als der der Arbeit. Von
Frauen noch geringfügig wichtiger als von Männern.
Nicht nur die Wichtigkeit des Lebensbereichs Arbeit ist gesunken, sondern die
Zufriedenheit mit der Arbeit ist im Vergleich mit der Familie nicht größer geworden,
so in einer Studie von Kiecolt (2003). Während der Anteil der Männer, die ,,work as
a haven" betrachten, seit den 70ern kontinuierlich gestiegen ist, ist dieser Anteil bei
den Frauen gesunken. Sie betrachten eher ,,home as a haven", insbesondere die
Befragten mit Kindern unter sechs Jahren. Das deckt sich mit der These von Hakim
(1991), die die höhere Arbeitszufriedenheit von Frauen trotz schlechterer Arbeitsbe-
dingungen damit erklärt, dass Frauen neben ihrem Beruf eine ,,marriage career"
(ebd.: 114) als Alternative sehen. Ihr Lebensmittelpunkt sei nicht der Beruf, sondern
die Familie. Diese nicht gerade neue Behauptung würde auch erklären, warum
teilzeitbeschäftigte Frauen die höchste Zufriedenheit aufweisen (vgl. Kapitel 2.3.4).
2.4 Stand der Forschung
In diesem Kapitel werden erst die gängigen Methoden zur Messung der Arbeits-
zufriedenheit dargestellt. Diese bewegen sich größtenteils im Rahmen der quantita-
tiven Befragungen. In Kapitel 2.4.2 werden einige ausgewählte qualitative Studien
zur Arbeitssituation von Frauen vorgestellt.
17

2 Theoretischer Bezugsrahmen
2.4.1 Messung durch quantitative Verfahren
Die wichtigsten sozialwissenschaftlichen Messmethoden sind die Befragung, die
Beobachtung und die Produktanalyse. Arbeitszufriedenheit durch Beobachtung zu
messen, erscheint nicht möglich, wenn man sie als innere Befindlichkeit auffasst,
die von außen nicht zu erschließen ist. Geht man jedoch davon aus, dass sich Zu-
friedenheit auswirkt und das Verhalten modifiziert, müsste sie sich auch beobachten
lassen. Allerdings gab es bisher in den wenigen Studien, in denen versucht wurde,
Arbeitszufriedenheit durch Beobachtung zu messen, kaum Übereinstimmung zwi-
schen geschätzter und selbstberichteter Zufriedenheit (vgl. Neuberger 1974: 11-12).
Um die Produkt-Analyse zur Messung von Arbeitszufriedenheit einzusetzen,
könnte man Beschwerden, Betriebszeitungen, Rundschreiben oder Rundmails
analysieren. Bisher gibt es aber keine Veröffentlichung, wo Arbeitszufriedenheit mit
Hilfe der Produkt-Analyse untersucht wurde. Fehlzeiten, Unfälle und Fluktuation
wurden hingegen oft als Messgröße für Arbeitszufriedenheit verwendet (vgl. ebd.:
12).
Die wichtigste Methode zur Messung der Arbeitszufriedenheit ist also die
Befragung in verschiedenen Varianten. Scheuch (1967: 138) definierte die
Befragung als ,,...ein planmäßiges Vorgehen mit wissenschaftlicher Zielsetzung, bei
dem die Versuchsperson mit einer Reihe gezielter Fragen oder mitgeteilter Stimuli
zu verbalen Reaktionen veranlasst werden soll." Am häufigsten werden hochstan-
dardisierte Fragebögen zur schriftlichen anonymen Massenumfrage eingesetzt.
Eine beliebte Methode zur Messung der Arbeitszufriedenheit besteht darin, die
Befragten eine Rangordnung für einzelne Aspekte der Arbeit entsprechend ihrer Zu-
friedenheit erstellen zu lassen. Meist wird die Methode jedoch dazu verwendet, die
Bedeutung der einzelnen Arbeitsfaktoren zu ermitteln. Bei der Methode des Paar-
vergleichs werden jeweils zwei Aussagen zur Arbeit getroffen und die Befragten
müssen sich dann entscheiden, welche sie für wichtiger halten (Was ist wichtiger?
1) Mehr Geld bekommen und einen unsicheren Arbeitsplatz haben oder 2) Weniger
Geld bekommen und einen sicheren Arbeitsplatz haben). Auch hier handelt es sich
um eine Rangordnung. Beide Verfahren können sowohl in der schriftlichen als auch
in der mündlichen Befragung eingesetzt werden (vgl. Neuberger 1974: 85-87).
Ein sehr häufig verwendetes verfahren zur Messung der Arbeitszufriedenheit ist
die Likert-Skala. Hier wird den Befragten eine Reihe von Feststellungen vorgelegt,
zu denen sie auf einer fünf- oder siebenstufigen Skala den Grad seiner Zustimmung
bzw. Ablehnung angeben müssen. Aus den bei den verschiedenen Items ange-
18

2 Theoretischer Bezugsrahmen
kreuzten Werte ergibt sich dann eine Summe, die den Ausprägungsgrad der Ein-
stellung des Befragten wiedergibt (vgl. Neuberger 1974: 96).
Hoppock hat 1935 in den USA die Arbeitszufriedenheit von 309 Erwerbstätigen
mit Hilfe von neun Fragen untersucht. Vier dieser Fragen, die jeweils sieben Items
enthalten, wurden zur Bildung eines ,,Index der Arbeitszufriedenheit" benutzt. Sie
behandeln die emotionale Einstellung zur Arbeit (,,Ich hasse sie"), die Häufigkeit der
Zufriedenheit mit der Arbeit, die Einstellung gegenüber einem Wechsel der Tätigkeit
(,,Ich würde diese Tätigkeit sofort aufgeben, wenn ich nur eine andere hätte") und
einen Vergleich mit anderen Erwerbstätigen (,,Ich mag meine Arbeit viel mehr als die
meisten Leute ihre Arbeit mögen"). Hoppocks ermittelter Index variierte zwischen
100 und 700. Den niedrigsten Wert erhielt jemand, der alle vier Fragen mit dem je-
weils ,,unzufriedensten" Item ankreuzte, den positivsten Wert von 700 erhielt die/der-
jenige, die/der bei allen vier Fragen die ,,zufriedenste" Aussage wählte (vgl. ebd.: 96-
98).
Ein sehr bekanntes Instrument der standardisierten Befragung ist der Arbeits-
beschreibungsbogen (ABB) von Neuberger und Allenbeck (1978), der eine Weiter-
entwicklung des ,,Job Description Index (JDI)" von Smith, Kendall und Hulin (1969)
darstellt. Neuberger und Allenbeck setzen dabei ihre bereits erwähnte Definition von
Arbeitszufriedenheit als Einstellung zu verschiedenen Bereichen der Arbeitssituation
in ihr Messkonzept um (vgl. Neuberger/Allenbeck 1978). Dazu werden die Mitarbei-
terInnen zu einzelnen Bereichen der Arbeitszufriedenheit wie zum Beispiel dem
Verhältnis zu den KollegInnen oder nach der Zufriedenheit mit der Bezahlung
befragt, aber auch die Zufriedenheit mit der Arbeit und dem Leben insgesamt
werden ermittelt. Sowohl bei diesem Fragebogenkonzept als in der sonstigen
Arbeitszufriedenheitsforschung stellte sich heraus, dass die verschiedenen Subska-
len stark miteinander korrelieren (vgl. ebd.). Eigentlich könnte man davon ausgehen,
dass jemand, der beispielsweise ein positives Verhältnis zu seinen KollegInnen hat,
keineswegs auch gleichzeitig mit der Bezahlung zufrieden sein muss. Bei den
Befragungen hat sich allerdings herausgestellt, dass Zufriedenheit bzw. Unzufrie-
denheit mit der Arbeitssituation sich meist auf alle Bereiche erstreckt.
Das erklärt Vroom (1964) unter anderem mit dem sehr unterschiedlichen An-
spruchsniveau der Befragten. Zudem sind die einzelnen Bereiche der Arbeitssituati-
on voneinander abhängig. Wer eine schlechte Bezahlung erhält, wird seinen
Vorgesetzten ebenfalls eher in einem negativen Licht sehen. Es besteht eine wahr-
nehmungsbedingte Abhängigkeit: Ist jemand zum Beispiel mit den Arbeitsinhalten
19

2 Theoretischer Bezugsrahmen
sehr zufrieden, wird er die restlichen Arbeitsbedingungen eher durch eine ,,rosarote
Brille" sehen.
Ein großes Problem der Messung der Arbeitszufriedenheit ergibt sich aus der
Neigung der Menschen, Fragen im Sinne der sozialen Erwünschtheit zu beant-
worten und nicht nach ihrem Wahrheitsgehalt. So geben die Befragten leicht eine
höhere Zufriedenheit mir ihrer Arbeit an als sie tatsächlich ist. Was sozial erwünscht
ist, hängt von der Gruppenzugehörigkeit des Interviewten, der angenommenen
Gruppenzugehörigkeit des Interviewers und weiteren Bedingungen der Erhebungs-
situation ab (vgl. Neuberger 1974: 30). Diekmann (1999: 383) spricht sogar von
,,einer systematischen Verzerrung durch den Effekt sozialer Erwünschtheit."
Ein weiteres Problem der standardisierten Befragungen: Wird nach der pau-
schalen Arbeitszufriedenheit gefragt, werden meist hohe Zufriedenheitswerte
angegeben. Je konkreter die Frage wird, desto eher äußern die Befragten Unzufrie-
denheit (vgl. Glatzer 1984b: 197). Borg (2003) hat dieses Phänomen genauer unter-
sucht: die allgemeineren Items (,,Sind sie zufrieden mit ihrem Lohn?") zur Zufrieden-
heit der MitarbeiterInnen fallen meist positiver aus als Items, die Teilaspekte einer
Dimension (,,In unserer Firma hängt die Bezahlung von der Leistung ab") messen
wollen. Dieses Phänomen der ,,zu positiven" Gesamtzufriedenheit zeigt sich bei
allen klassischen Themen der Arbeitszufriedenheit. Borg (ebd.: 9) erklärt ihre Beob-
achtung damit, dass die allgemeine Arbeitszufriedenheit alle anderen Einstellungs-
urteile überstrahlt und dadurch die Urteile zu den Teilaspekten verwischt. Die Zufrie-
denheitsurteile für Teilaspekte der Arbeit entstehen als Kompromiss zwischen den
Einstellungen zu bestimmten Unteraspekten und der allgemeinen Arbeitszufrieden-
heit.
2.4.2 Darstellung einiger qualitativer Studien
Im folgenden wird eine Auswahl der wichtigsten qualitativen Studien vorgestellt,
die in den letzten Jahrzehnten zu der Arbeitssituation von Frauen durchgeführt
worden sind. Es fällt auf, dass in den 70er und 80er Jahren vor allem die Situation
von Fabrikarbeiterinnen untersucht wurde, während sich ab den 90er Jahren das In-
teresse auf Beschäftigte in niedrigen Dienstleistungstätigkeiten wie Putzen lenkte.
Das gewechselte Interesse an den verschiedenen Wirtschaftssektoren entspricht
der Transformation der Arbeitsgesellschaft, in welcher der sekundäre Sektor der In-
dustrie zugunsten des Dienstleistungssektors schrumpft (vgl. z.B. Hoff 2002: 4 und
Kapitel 3.1).
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Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
2004
ISBN (eBook)
9783832479879
ISBN (Paperback)
9783838679877
Dateigröße
1.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Freie Universität Berlin – Politik- und Sozialwissenschaften
Note
1,7
Schlagworte
zufriedenheit arbeitsmarkt arbeitslosigkeit frauenerwerbstätigkeit arbeitsbedingungen
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Titel: Arbeits(un)zufriedenheit von Frauen
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