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Stress und Gewalt

Evaluierung und Bewältigung

©2003 Studienarbeit 74 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Das Thema der psychosozialen Belastungen und der daraus entstehenden Risiken in der Arbeitswelt genießt hohe Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, wie die allgegenwärtigen Schlagworte Stress und Mobbing verdeutlichen. Den überwiegenden Teil des Tages verbringen erwachsene Menschen an ihrem Arbeitsplatz. Dort treffen sie mit verschiedenen Kollegen und Vorgesetzten zusammen, von denen jeder individuelle Interessen, Ziele und Wertvorstellungen vertritt.
Diese Unterschiede im Denken und Handeln bergen erhebliches Konfliktpotential, das durch die vielfältigen Anforderungen der jeweiligen Tätigkeit noch verstärkt wird. Der Anteil der Arbeitnehmer, der aufgrund psychischer Belastungen frühzeitig verrentet worden ist, hat sich im Zeitraum von nur 10 Jahren verdoppelt; er stieg von 1980 bis 1990 von 7% auf 14% an. Der Anteil der Frauen liegt 1996 mit 24% bereits deutlich über dem der frühverrenteten Männer.
Stress ist das zweithäufigste arbeitsbedingte Gesundheitsproblem und betrifft nahezu ein Drittel aller Arbeitnehmer. 23% aller Arbeitnehmer klagen über allgemeine Erschöpfung. 13% leiden unter Kopfschmerzen, 17% über Muskelschmerzen und 30% über Rückenschmerzen bei der Arbeit. 4% aller Arbeitnehmer geben an, Opfer physischer Gewalt durch andere Personen während der Ausübung ihrer Tätigkeit zu sein.
Der volkswirtschaftliche Schaden, der durch Stress am Arbeitsplatz und dessen Auswirkungen verursacht wird, beläuft sich auf 20 Mrd. Euro jährlich. Die Kosten der arbeitsbedingten psychischen Probleme einschließlich der Therapie der Stresssymptome machen 3% des Bruttoinlandproduktes der Europäischen Union aus. Die vorliegende Seminararbeit nimmt nach einer kurzen Einführung zunächst eine Abgrenzung der vielfach verwendeten, oftmals aber nur unscharf definierten Begriffe Stress, Mobbing, Bullying, Gewalt und Aggression vor.
Anschließend werden die Wandlungen in der modernen Arbeitswelt betrachtet und deren Auswirkungen auf die Phänomene Stress und Gewalt herausgestellt. Im folgenden werden die wichtigsten Erklärungsmodelle für Stress herangezogen und deren Anwendbarkeit auf den Arbeitsbereich untersucht. Hierbei werden insbesondere die Zusammenhänge zwischen der psychologischen Erscheinung Stress und Mobbing, einem weit verbreiteten Phänomen in der Arbeitswelt, und dessen Steigerungsformen bis hin zu Gewalt erläutert.
Dabei wird der Untersuchung der Ursachen und Auslöser für Stress und dessen Folgen eine ebenso große Bedeutung […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Exposé

Das Thema der psychosozialen Belastungen und der daraus entstehenden Risiken in der Arbeitswelt genießt hohe Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, wie die allgegenwärtigen Schlagworte Stress und Mobbing verdeutlichen. Den überwiegenden Teil des Tages verbringen erwachsene Menschen an ihrem Arbeitsplatz. Dort treffen sie mit verschiedenen Kollegen und Vorgesetzten zusammen, von denen jeder individuelle Interessen, Ziele und Wertvorstellungen vertritt.

Diese Unterschiede im Denken und Handeln bergen erhebliches Konfliktpotential, das durch die vielfältigen Anforderungen der jeweiligen Tätigkeit noch verstärkt wird. Der Anteil der Arbeitnehmer, der aufgrund psychischer Belastungen frühzeitig verrentet worden ist, hat sich im Zeitraum von nur 10 Jahren verdoppelt; er stieg von 1980 bis 1990 von 7% auf 14% an. Der Anteil der Frauen liegt 1996 mit 24% bereits deutlich über dem der frühverrenteten Männer (BMFSFJ, 2002).

Stress ist das zweithäufigste arbeitsbedingte Gesundheitsproblem und betrifft nahezu ein Drittel aller Arbeitnehmer. 23% aller Arbeitnehmer klagen über allgemeine Erschöpfung. 13% leiden unter Kopfschmerzen, 17% über Muskelschmerzen und 30% über Rückenschmerzen bei der Arbeit.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Eigene Grafik. Quelle: VDR-Statistik 1997.

4% aller Arbeitnehmer geben an, Opfer physischer Gewalt durch andere Personen während der Ausübung ihrer Tätigkeit zu sein (Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, 2002).

Der volkswirtschaftliche Schaden, der durch Stress am Arbeitsplatz und dessen Auswirkungen verursacht wird, beläuft sich auf 20 Mrd. Euro jährlich. Die Kosten der arbeitsbedingten psychischen Probleme einschließlich der Therapie der Stresssymptome machen 3% des Bruttoinlandproduktes der Europäischen Union aus (Stress am Arbeitsplatz, 2002).

1 Einleitung

Die vorliegende Seminararbeit nimmt nach einer kurzen Einführung zunächst eine Abgrenzung der vielfach verwendeten, oftmals aber nur unscharf definierten Begriffe Stress, Mobbing, Bullying, Gewalt und Aggression vor.

Anschließend werden die Wandlungen in der modernen Arbeitswelt betrachtet und deren Auswirkungen auf die Phänomene Stress und Gewalt herausgestellt. Im folgenden werden die wichtigsten Erklärungsmodelle für Stress herangezogen und deren Anwendbarkeit auf den Arbeitsbereich untersucht. Hierbei werden insbesondere die Zusammenhänge zwischen der psychologischen Erscheinung Stress und Mobbing, einem weit verbreiteten Phänomen in der Arbeitswelt, und dessen Steigerungsformen bis hin zu Gewalt erläutert.

Dabei wird der Untersuchung der Ursachen und Auslöser für Stress und dessen Folgen eine ebenso große Bedeutung beigemessen wie der Beleuchtung der relevanten rechtlichen Rahmenbedingungen.

Im zweiten Teil der Arbeit werden praxisnahe Möglichkeiten zur Evaluierung und Strategien der Bewältigung von Stress und Gewalt in Unternehmen vorgestellt und anhand einprägsamer aktueller Beispiele aus der Arbeitswelt veranschaulicht.

Zentrales Anliegen dieser Arbeit ist es, die aus Stress resultierenden Risiken für Gesundheit und Wohlbefinden aller Arbeitenden als ein komplexes gesellschaftliches Problem aufzuzeigen, das im Zusammenhang mit Aggression und Gewalt immense Schäden in allen Bereichen unserer modernen Gesellschaft verursacht. Zum Abschluss der Ausführungen wird ein Ausblick auf die weitere Entwicklung gegeben sowie Problematiken und Tendenzen aufgezeigt.

2 Terminologie der wichtigsten Begriffe

2.1 Stress

Stress wird definiert als „...ein subjektiv intensiv unangenehmer Spannungszustand, der aus der Befürchtung entsteht, dass eine stark aversive, subjektiv zeitlich nahe...und subjektiv lang andauernde Situation sehr wahrscheinlich nicht vollständig kontrollierbar ist, deren Vermeidung aber subjektiv wichtig erscheint“ (GREIF u.a., 1991).

Eine prägnantere Definition liefert VESTER (1976): „Stress bezeichnet Anspannungen und Anpassungszwänge, bei denen ein Lebewesen seelisch oder körperlich unter Druck steht“.

Der Begriff Stress wird häufig nicht eindeutig verwendet. Einerseits wird damit der Zustand einer Person beschrieben, die sich subjektiv bedrückt fühlt. Andererseits werden mit dem Stressbegriff die eigentlichen Stressoren benannt.

Stressoren sind Ereignisse, welche die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten von Stresszuständen in einer bestimmten Personengruppe erhöhen (SEMMER 1984).

Zusammenfassend kann davon ausgegangen werden, dass eine Person Stress empfindet, wenn ein Ungleichgewicht zwischen den an sie gestellten Anforderungen und den persönlichen Möglichkeiten und Ressourcen in der Umgebung entsteht, um diese Anforderungen zu bewältigen.

2.2 Mobbing

Der Begriff Mobbing leitet sich aus dem englischen Wort „Mob“ ab und bedeutet sinngemäß so viel wie zusammengerotteter Pöbel, lärmend über jemanden herfallen, angreifen, attackieren. Er wird dazu verwendet, um ein Phänomen zu beschreiben, das initiiert durch den schwedischen Arzt und Psychologen Leymann in den letzten Jahren verstärktes öffentliches Interesse erfahren hat. In der sozialpsychologischen Forschung beschreibt der Terminus Mobbing die Situation der Bedrängung eines stärkeren Wesens durch eine Menge schwächerer.

Ursprünglich wurde Mobbing von dem Verhaltensforscher Konrad Lorenz für aggressives Tierverhalten benutzt.

Im allgemeinen versteht man unter Mobbing schikanöses Handeln einer
oder mehrerer Personen, das gegen eine Einzelperson oder gegen eine Personengruppe gerichtet ist und über einen längeren Zeitraum andauert. Die dahinter liegende Absicht der Täter ist es, das Ansehen des Opfers zu schädigen, es zu quälen oder aus seiner Position zu vertreiben (KISTNER 1999).

Mobbing kann grundsätzlich überall dort auftreten, wo Menschen über einen längeren Zeitraum in Gruppen zusammen sind.

2.3 Bullying

Der dem Mobbing verwandte Begriff Bullying beschreibt böswilliges Verhalten seitens ranghöherer Personen wie Vorgesetzten, Trainern oder von Gruppenanführern gegenüber schwächeren oder untergebenen Personen. Wörtlich kann Bullying mit schikanieren und tyrannisieren übersetzt werden. Die jüngste pädagogisch ausgerichtete Sozialforschung setzt Bullying gleich mit physischer Gewaltanwendung. Synonym dazu erfolgt eine Gleichsetzung von Mobbing mit psychischer Gewalt (THEUNERT 1996).

2.4 Aggression

Aggression und Gewalt werden in der Forschung sehr unterschiedlich erklärt, wobei die Vielzahl von Theorien und Erklärungsansätzen einander ergänzen oder miteinander konkurrieren.

Wesentlich ist jedoch die Unterscheidung in psychologische und soziologische Theorien.

Die psychologischen Ansätze erklären Aggression vorwiegend durch innere psychische Vorgänge einer Person oder durch Lernprozesse.

Soziologische Theorien hingegen verstehen Aggression als eine Reaktion auf gesellschaftliche, familiäre oder andere zwischenmenschliche Bedingungen und Ungerechtigkeiten (SELG u.a.,1997).

Aggression beschreibt im wesentlichen ein Verhalten, das zielgerichtet in der Absicht erfolgt, die eigenen Interessen ohne Rücksicht auf die Schädigung anderer Personen oder Gegenstände durchzusetzen.

2.5 Gewalt

Unter Gewalt werden extreme, insbesondere körperliche Aggressionen verstanden. Körperliche Gewalt ist demnach die Teilmenge von Aggression, die physische Ausprägungen beschreibt.

Der Gewaltbegriff kann unterschiedlich weit gefasst werden. Während sich ein enger Gewaltbegriff auf die zielgerichtete, direkte physische Schädigung beschränkt, schließt ein weiter gefasster Gewaltbegriff auch die psychische und verbale Gewalt mit ein.

Gewalt ist zumeist an Macht und Unterordnung gekoppelt. Dabei wird dem Opfer aufgrund der Macht des Täters, beispielsweise aufgrund seiner körperlichen Stärke oder eines höheren Status, gegen seinen Willen etwas aufgezwungen.

Die Forschung unterscheidet im wesentlichen folgende Gewaltformen:

- Physische Gewalt: bedeutet die Schädigung und Verletzung eines anderen durch den Einsatz körperlicher Kraft und Stärke.
- Psychische Gewalt: beschreibt die Schädigung und Verletzung eines anderen durch Vorenthalten von Zuwendung und Vertrauen, durch seelisches Quälen und emotionales Erpressen.
- Verbale Gewalt: meint die Verletzung und Schädigung einer anderen Person durch beleidigende, erniedrigende und entwürdigende Worte.
- Vandalistische Gewalt: stellt die physische Beschädigung von Zerstörung von Sachgegenständen dar (THEUNERT 1996).

Darüber hinaus existieren die schockierenden Formen der sexuellen Gewalt, der Gewalt gegen Frauen sowie fremdenfeindliche und rassistische Gewalt.

3 Wandlungen der modernen Arbeitswelt

3.1 Demographische Änderungen

Die Arbeitswelt ist von einem tiefgreifenden und kontinuierlichen Wandel geprägt. Zu neuen Arbeitsverfahren kommen demografische Veränderungen in der Arbeitswelt hinzu, was im Wesentlichen bedeutet, dass es in Europa immer weniger junge Erwerbstätige und einen steigenden Anteil an älteren Beschäftigten gibt. Im Jahr 2005 wird die Zahl der Beschäftigten in der Altersgruppe zwischen 50 und 60 erstmals die der zwischen 30 und 40 Jahre alten übersteigen.

Die fortschreitende Überalterung der Bevölkerung führt zu grundlegenden Veränderungen in der Beschäftigungsstruktur und zu tiefgreifenden Umstrukturierungen im Gesundheits- und Rentenwesen. Die Unternehmen müssen sich hinsichtlich der Arbeitsorganisation und des Gesundheitsschutzes den neuen Anforderungen stellen.

Ein weiterer Trend ist die zunehmende Berufstätigkeit von Frauen. Es bestehen noch immer traditionelle Unterschiede zwischen den von Männern und Frauen ausgeübten Berufen, den Arbeitsverträgen und den Karrieremöglichkeiten. Weltweit arbeiten überwiegend Frauen in pflegerischen Berufen, wo das Stress- und Gewaltrisiko sehr hoch ist. Mehr Frauen als Männer arbeiten in Berufen mit hohen Anforderungen aber geringen Einflussmöglichkeiten. Frauen drängen zunehmend in solche Berufe, in denen viele Werkzeuge und Ausrüstungen ausschließlich den Erfordernissen männlicher Arbeiter angepasst sind, beispielsweise im Baubetrieb.

Eine ebenfalls zu berücksichtigende Entwicklung, die sich seit einigen Jahren abzeichnet, ist die Migration innerhalb der Länder der Europäischen
Union mit all den damit verbundenen Problemen (Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, 2002).

3.2 Übergang zur Dienstleistungsgesellschaft

Die Arbeitsgesellschaft befindet sich in der Übergangsphase von einer Industriegesellschaft in eine wissensintensive Dienstleistungsgesellschaft. Das herausragendste Merkmal besteht darin, dass Informationen, Wissen, verkürzte Innovationszyklen und Kreativität erfolgsentscheidende Bedeutung für die Unternehmen gewinnen.

Vielfältige, speziell auf die Bedürfnisse eines Kunden ausgerichtete Produktpaletten mit hohen Qualitäts- und Terminanforderungen und deutlichen Deregulierungstendenzen prägen die aktuelle Situation auf dem internationalen Markt. In der zukünftigen Arbeitswelt wird den Humanressourcen Wissen und Kreativität eine immer größere und erfolgsentscheidende Bedeutung zukommen. In den Industrieländern geht bereits jeder zweite Erwerbstätige einer Tätigkeit nach, deren Ressourcen, Werkzeuge und Ergebnisse vorwiegend aus Informationen bestehen. Prognosen besagen, dass in wenigen Jahren mehr als 80% aller Erwerbstätigkeiten aus Informationsarbeit bestehen (KLOTZ, 2000).

3.3 Arbeit mit neuen Regeln

Für die Arbeit in der Informationsgesellschaft gelten andere Gesetzmäßigkeiten als für die materielle Güterproduktion. Die bislang bestehenden traditionellen sozioökonomischen Kategorien verschwimmen zunehmend und gleichzeitig entstehen neue Regeln der Informationsarbeit.

Die Arbeit wird flexibler und straffer organisiert als dies bislang der Fall war, da sich die Unternehmen mit der Aufgabe konfrontiert sehen, individualisierte Produkte in hoher Qualität und mit umfassender Dienstleistungsunterstützung zu Bedingungen und Preisen der Massenproduktion herzustellen.

Bei der Leistungserstellung zählen nicht mehr Unternehmensgröße oder Kosten, sondern Flexibilität und Innovation. Aus dem Wettbewerb der Strukturen wird ein Wettbewerb des Verhaltens.

Der einzige Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens liegt in dessen Lernfähigkeit begründet, vorhandenes Wissen möglichst schnell in erfolgversprechende Innovationen umzusetzen, was veränderte Denkweisen und eine neue Arbeitskultur voraussetzt.

Die Entwicklung geht einher mit einer Veränderung der Unternehmens-strukturen von starr gegliederten, hierarchischen Organisationsformen hin zu kundenorientierten Systemen mit flachen Hierarchien und fach- und funktionsübergreifenden Arbeitsbereichen (KERN u.a., 1998).

Der Erfolg von Produkten wird neben deren Qualität vor allem durch deren Entwicklungszeit bestimmt, wodurch die beteiligten Arbeitenden einem
enormen Druck ausgesetzt sind.

3.4 Das menschliche Wissen als wichtigste Ressource

In der Informationsarbeit stellen die Menschen den erfolgsentscheidenden Wertschöpfungsfaktor dar. Die unverwechselbaren Leistungen eines Unternehmens basieren auf der Ausnutzung von ständig aktualisiertem, kundenbezogenen Wissen. Somit ist der Übergang in die wissensintensive Dienstleistungsgesellschaft mit neuartigen Qualifikationserfordernissen verbunden, denen die traditionellen Fachkenntnisse nicht mehr ausreichen.

Selfmanagement und soziokulturelle Kompetenzen erweisen sich als ebenso wichtig wie planerische Fähigkeiten (BULLINGER, 2000).

Zugleich nimmt der erforderliche Wissensumfang ständig zu und das Wissen unterliegt einer immer kürzeren Gültigkeitsdauer, da es ständig weiterentwickelt werden muss.

Das mentale Leistungsvermögen der Arbeitenden ist eng an die Bedingungen von Gesundheit und Wohlbefinden gekoppelt. Nur ein gesunder und motivierter Mensch kann sein intellektuelles und kreatives Potenzial entfalten und seine optimale Arbeitsleistung für ein Unternehmen einsetzen.
Daraus ergeben sich arbeitsschutz- und arbeitsrechtliche Maßnahmen, die im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit näher erläutert werden.

3.5 Neue Formen von Beschäftigungsverhältnissen

Der Zwang, flexibler zu arbeiten, führt dazu, dass sich Unternehmen „verschlanken“, dass also weniger Mitarbeiter direkt eingestellt werden.

Viele Unternehmen konzentrieren sich ausschließlich auf ihre Kerngeschäft und überlassen die Nebenaufgaben Dritten.

Man geht dazu über, eine große Zahl von Unterauftragnehmern und Zulieferern zu beauftragen, womit die Tätigkeit und Zusammenarbeit der Unternehmen komplizierter und unbeständiger wird.

Die Zulieferer werden häufig unter Druck gesetzt, um kurze Fristen und verkürzte Produktionspläne der Abnehmer zu gewährleisten. Bei den Arbeitsverträgen für neue Mitarbeiter gibt es weniger Dauerhaftigkeit. Kurzzeitverträge, der Einsatz freiberuflicher Mitarbeiter, Selbständiger oder vorübergehend Beschäftigter sind die aktuelle Verfahrensweise. Damit entfallen auch die sozialen Besicherungsmaßnahmen für die Arbeitnehmer, worin ein erhöhtes Gefahrenpotential zu sehen ist.

Auch werden die Arbeitnehmer zunehmend flexibel für die unterschiedlichsten Aufgaben eingesetzt. Der Trend, verstärkt auf Teilzeitkräfte zurückzugreifen, ist unverkennbar. Dabei sind weibliche Arbeitnehmer eindeutig in der Mehrzahl (Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, 2002).

Die neuen Technologien werden zudem dazu eingesetzt, mehr und mehr Mitarbeiter als „Selbständige“ von zu Hause aus arbeiten zu lassen.

Dass diese sogenannte Selbständigkeit rechtliche Probleme mit sich bringt, sei an dieser Stelle lediglich angemerkt.

3.6 Einfluss neuer Arbeitsstrukturen auf die Gesundheit der Beschäftigten

Bei den Arbeitsverträgen, die über eine Zeitarbeitsfirma abgeschlossen werden, ist die Unfallrate wesentlich höher als bei langfristig Beschäftigten.

Fallstudien zeigen, dass die Risiken eines Arbeitsunfalls zunehmend auf die kurzfristig beschäftigten Arbeitnehmer und Subunternehmer übergehen. Im allgemeinen sind hauptsächlich kleine Firmen von Arbeitsunfällen betroffen. Diese sind generell weniger geschützt und verfügen in der Regel über weniger Wissen im Umgang mit den Risiken.

Weiterhin offenbaren sowohl Fallstudien als auch Statistiken die gravierenden Unterschiede zwischen den verschiedenen Beschäftigungsformen. Befristet Beschäftigte haben demzufolge weniger Sicherheit in Bezug auf die Gestaltung ihres Arbeitsverhältnisses, kaum Einfluss auf die Arbeitszeitenregelung, weniger berufliche Perspektiven, kaum Weiterbildungsmöglichkeiten und nehmen generell weniger qualifizierte Aufgaben wahr (Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, 2002).

Die mit diesen Umständen verbundenen Probleme sind wesentliche Einflussfaktoren auf die Entwicklung von arbeitsbedingtem Stress.

4 Belastung und Beanspruchung

4.1 Belastungs- und Beanspruchungskonzept

4.1.1 Arbeitswissenschaftliche Definitionen

In der arbeitswissenschaftlichen Stressforschung ist bezüglich der Verwendung der Begriffe Belastung und Beanspruchung eine allgemeine Unsicherheit festzustellen.

Eine Vielzahl von gleichen oder ähnlichen Konzepten wird sehr uneinheitlich benannt, wobei die Anwendung der Termini auseinandergeht.

Die Begriffe Belastung und Beanspruchung wurden daher 1987 in der DIN Norm 33 405 wie folgt definiert:

- Psychische Belastung wird verstanden als die Gesamtheit der erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und auf ihn psychisch einwirken.
- Psychische Beanspruchung wird verstanden als die individuelle, zeitlich unmittelbare und nicht langfristige Auswirkung der psychischen Belastung im Menschen in Abhängigkeit von seinen individuellen Voraussetzungen und seinem Zustand (DIN 33 405, 1987)[1].

Das Belastungs- und Beanspruchungskonzept ist ein theoretisch angelegter Entwurf zur Analyse der Arbeitsbedingungen insbesondere unter Berücksichtigung ihrer negativen Auswirkungen auf den Menschen (KIRCHNER, 1993). Psychische Belastungen und Beanspruchungen in der Arbeitswelt sind nahezu zwangsläufig auftretende Begleiterscheinungen und Folgen der Arbeit, die es möglichst zu mindern gilt.

Stress am Arbeitsplatz stellt eine besondere Art psychischer Beanspruchung dar, die sich mit den Methoden der interdisziplinären Belastungs- und Beanspruchungsforschung untersuchen lässt.

4.1.2 Das Ingenieurwissenschaftliche Belastungs- und Beanspruchungskonzept

Auf die Beschreibung psychischer Belastungen und Beanspruchungen kann das ingenieurwissenschaftliche Belastungs-Beanspruchungsmodell angewendet werden.

In der technischen Mechanik wurden die Begriffe Belastung und Beanspruchung nach dem Ursache-Wirkungs-Prinzip angelegt, das am einfachsten am klassischen Experiment der Materialprüfung, der Blechbiegeprobe, veranschaulicht werden kann.

Dabei bedeutet „Stress so viel wie Kraft und Druck und verdeutlicht die von außen auf das Material einwirkende Belastung.

Der Ausdruck „Strain“ steht für die Beanspruchung und die damit einhergehenden Änderungen im Material.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Belastungs-Beanspruchungskonzept. Quelle: FRIELING u.a., 1999

Dabei ist die Tragweite der Veränderung des Materials durch die äußere Krafteinwirkung von der jeweiligen Materialkonstante abhängig. Verschiedene Materialien werden demnach unterschiedlich stark beansprucht (FRIELING u.a., 1999).

4.1.3 Erweiterte Anwendung des Modells auf die Arbeitswissenschaft

Bei Anwendung des ingenieurwissenschaftlichen Belastungs-Beanspru-chungsmodells auf die menschliche Arbeitstätigkeit bedeutet dies, dass die Beanspruchung eines Beschäftigten davon abhängt, wie schwerwiegend diese Belastungen sind, wie lange der Prozess andauert und wie groß seine individuellen Fähigkeiten und seine vorhandenen Ressourcen sind.

Aus objektiv gleichen Belastungen für alle Beschäftigten einer Unternehmung können demnach unterschiedliche Beanspruchungen resultieren, je nachdem welche subjektiven Voraussetzungen der einzelne arbeitende Mensch mitbringt.

Das integrierte Belastungs-Beanspruchungskonzept umfasst die Betrachtung von körperlichen, informatorischen und psychosozialen Belastungen und deren Auswirkungen. Danach werden nicht messbare und nur qualitativ zu benennende Belastungen wie beispielsweise Mitarbeiterverhalten als Belastungsfaktoren bezeichnet.

Die daraus resultierenden Beanspruchungen sind unterteilbar in physische und psychische Beanspruchungen (FRIELING u.a., 1999).

Während man physische Beanspruchungen durch die Arbeitsbedingungen relativ einfach messen kann, erweist sich die Analyse psychischer Beanspruchungen als recht schwierig und schwer erfassbar.

4.2 Fehlbeanspruchung

Als Fehlbeanspruchung bezeichnet man die Differenz zwischen den sich aus dem Tätigkeitsbild ergebenden Anforderungen und den verschiedenen Voraussetzungen der arbeitenden Menschen hinsichtlich ihrer individuellen Ressourcen.

Die Folgen einer Beanspruchung können im Sinne einer Aktivierungswirkung positiv sein. Die negativen Auswirkungen einer länger währenden Fehlbeanspruchung sind insbesondere Sättigung, Monotonie oder Stress. Monotoniezustände sind Folgen qualitativer und quantitativer Unterforderung, die einhergehen mit Reizarmut der Arbeitstätigkeit, Müdigkeit und verminderter Leistungsfähigkeit.

Unter „Sättigung“ oder „Burnout“ versteht man eine Situation erhöhter Gereiztheit und Widerwilligkeit in Bezug auf die aktuell ausgeübte Tätigkeit, die stark von den individuell unterschiedlichen emotionalen Bewertungen und Zielen der arbeitenden Person abhängt (FRIELING u.a., 1999).

5 Stress am Arbeitsplatz

5.1 Positives und negatives Stressempfinden

Eine Person empfindet Stress dann, wenn zwischen den an sie gestellten Anforderungen und ihren persönlichen Fähigkeiten und Ressourcen[2] ein Ungleichgewicht besteht.

Dieser Stress an sich ist keine Krankheit. Nur wenn der stressbeladene Zustand über eine längere Zeit andauert, kann es zu psychischen und körperlichen Erkrankungen kommen.

Die Relation zwischen den Anforderungen und individuellen Ressourcen kann durch die Umwelt durch verschiedene Maßnahmen, wie beispielsweise soziale Unterstützung oder Einräumung eines größeren Mitspracherechts bei der Arbeitsorganisation, beeinflusst werden (Stress lass nach, 2002). Zum Verständnis des Phänomens Stress ist es jedoch unerlässlich darauf hinzuweisen, dass ein gewisses Maß an Stress einfach zum Leben dazu gehört, da der Mensch ansonsten seine Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Situationen verlöre.

Daher unterscheidet man zwei Arten von Stress.

Als Eustress wird das positiv konstruktive Element bezeichnet, das langfristig eine Anpassungsreaktion bewirkt und somit den arbeitenden Menschen in die Lage versetzt, flexibel auf sich ändernde Belastungen zu reagieren und dadurch für sich selbst eine geringere Belastung zu erleben.

Man spricht hingegen von Distress als dem negativen, destruktiven Element, wenn die Belastung zu intensiv auf den Arbeitenden über einen langen Zeitraum einwirkt und die betroffene Person nicht aus eigener Kraft in der Lage

[...]


[1] Inhaltsgleich ist der Vorschlag für die Internationale Norm ISO 10075 vom September 1995 (RICHTER, 1998).

[2] Ressourcen sind Funktionsmöglichkeiten von Systemen, die sich durch Nutzung nicht verbrauchen, sondern eher erweitert, ausdifferenziert und stabilisiert werden. Man unterscheidet zwischen psychischen Ressourcen (Wissensbestände oder motorische Fähigkeiten), sozialen Ressourcen (soziale Netzwerke) und körperlichen Ressourcen (Organsysteme wie z.B. gastro-intestinales System, Immunsystem oder sensorisches System).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832479763
ISBN (Paperback)
9783838679761
DOI
10.3239/9783832479763
Dateigröße
657 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2004 (Mai)
Note
1,0
Schlagworte
mobbing arbeit stressor belastung beansprachung
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Titel: Stress und Gewalt
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